Geniale Grenzgänge: Limits in der Wirtschaft und am Ende der Welt 9783205792154, 9783205787983

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Geniale Grenzgänge: Limits in der Wirtschaft und am Ende der Welt
 9783205792154, 9783205787983

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Peter Baumgartner

geniale grenzgänge Limits in der Wirtschaft und am Ende der Welt

Böhlau Verlag Wien • Köln • Weimar

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http  ://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-205-78798-3 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, i­ nsbesondere die der Ü ­ bersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von A ­ bbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ä ­ hnlichem Wege, der Wiedergabe im Internet und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 2012 by Böhlau Verlag Ges. m. b. H und Co. KG, Wien · Köln · Weimar http ://www.boehlau-verlag.com Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Umschlaggestaltung: Michael Haderer Druck : Druckerei Theiss GmbH., 9431 St. Stefan im Lavanttal Printed in Austria

i n h a lt sv e r z e i c h n i s

 1. Prolog

7

 2. Vorwort : Prof. DDr. Hans Hofinger

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 3. Die Nimrod-Expedition – Shackletons genialer Grenzgang

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 4. Limits in der Wirtschaft und am Ende der Welt

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 5. Ethik und Moral

125

 6. Genug ist genug

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 7. Lebens- und Arbeitsbalance

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 8. Unternehmerische Zukunft

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 9. Die Wahrheit ist kein Kompromiss

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10. Nachwort  : Hubert Neuper

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11. Epilog

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12. Danksagung

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13. Anmerkungen

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14. Literatur, Quellen und Fotorechte

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inhaltsverzeichnis

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British Antarctic Expedition 1907–09, General Map

1. prolog

Wo die Leidenschaft hinführt. Und der Wahnsinn. Zu genialen Grenzgängen?

Geniale Grenzgänge führten polarhistorisch und führen wirtschaftlich oft zu einem großen Triumph. Heroische Selbstüberschätzung, Größenwahn und Engstirnigkeit führten bei der Eroberung der letzten unberührten Stellen an den Enden unserer Welt wiederholt zu Tragödien. Es wird sich kaum leugnen lassen, dass wir Menschen nicht immer aus der Geschichte lernen. Wobei uns allein die eindrucksvolle Geschichte der Polarforschung bestätigt, dass sich viele beharrlich und erfolgreich gegen das Lernen wehrten. Die Eroberung des Nutzlosen faszinierte einzelne Menschen und ganze Nationen intensiv. Das Bezwingen der Natur trieb sie zu immer entfernteren Reisen, ohne deren Gegebenheiten zu beachten. Mangelndes Wissen und unzureichende Ausrüstung wurden durch Patriotismus und Fortschrittsgläubigkeit wettgemacht. Scheinbar. Unreflektiert an Wachstum festzuhalten, dieses blindwütig voranzutreiben und dabei einer kritiklosen Wirtschaftsgläubigkeit zu erliegen, führt unweigerlich in ein Desaster. Es führt zu in sich zusammenstürzenden Gebilden aus fremdfinanzierten Immobilien, Wertpapieren, die ihren Namen kaum verdienen, und nicht zuletzt zu gescheiterten Existenzen.

prolog

7

Eine schmale Grenze Leidenschaft und Wahnsinn sind sich nahe und am Limit nur durch eine schmale Grenze getrennt oder in ihrem diffusen Grenzbereich vereint. Auch wenn beide bei der Erforschung der Welt, insbesondere der Welt des ewigen Eises, unterschiedliche Rollen spielten. Die Leidenschaft zieht hin, regt an und ermöglicht. Der Wahnsinn lässt nicht mehr los, verstellt den Blick und beeinträchtigt. Ähnliches hat naturgemäß für heutige Grenzgänge Gültigkeit. Werden Grenzen respektiert und nicht permanent überschritten, kann es weiterhin faszinierend sein, sich am Limit des Möglichen zu bewegen. In die Eiswüste zogen nie die vom Eis faszinierten Erforscher, Entdecker und Eroberer allein. Stets waren da viele, die sie begleiten durften oder gar begleiten mussten. Aus langen Listen Erwählte, schlichtweg Bezahlte oder ganz einfach dazu Gezwungene. Diese Gefährten hinterließen auf schlecht geplanten und unzureichend ausgestatteten Expeditionen eine bald zugewehte Spur, die sich dem magischen Polpunkt näherte, ohne ihn je zu erreichen. Analog dazu erlangt ein ökonomischer Weltmarktführer seine Vorherrschaft nie allein. Seine Gefolgschaft und Mitarbeiter hinterlassen vorwiegend wenig Eindruck und erwerben kaum Ruhm oder nennenswert Geld. Egal, ob freiwillig oder in unausweichlicher Abhängigkeit dem Arbeitgeber »verbunden«. Dabei beschränken sich deren globale unternehmerische Tätigkeiten oder Ausbeutungsfeldzüge oft nicht nur auf einen Kontinent. Der damalige Stolz, sich an den eisigen Ort zu quälen, überdeckte Gefahren und Mühsal. Geradezu lächerlich, Ruhm und Ehre schienen dem sicher, der den Triumph an einem imaginären Punkt erringen würde. Dabei war egal, ob er am Rückweg, elendig dahinvegetierend, mit seinen Begleitern verstarb und verloren ging. Genauso lächerlich wie heute, wenn ökonomische Ziele über die Menschen und deren persönliche Lebensqualität gestellt werden. Doch an der Grenze des menschlich Machbaren erfriert uns immer öfter das Lachen im Gesicht. Zum Glück. Verloren gingen die Expeditionen in den unendlichen Weiten der weißen Wüste, auf der Suche nach dem Ende der Welt. An einem, in Wirklich8

prolog

keit für die Forscher und noch viel mehr für die Daheimgebliebenen, nicht sichtbaren Punkt, um den sich die Erde seit jeher dreht. Auch die Gedanken der nach Anerkennung suchenden Männer, ausgestattet mit Entdeckerdrang und Ehrgeiz, haben darum gekreist. Sie kreisten Tag und Nacht, Monat um Jahr, bis es zur ersehnten Expedition kam. Mitunter zur Katastrophe. Neunzig Grad Süd ist ohnehin in vielerlei Beziehungen ein zu unerhörter und zu bizarrer Ort. Es gibt ihn lediglich als theoretische Markierung. Ein letztlich fiktives Ziel, das sich rein gar nicht vom Rest der endlosen Eislandschaft abhebt. Am Südpol war nichts weiter wertvoll, als dass er noch nicht erreicht worden war. An ihm gibt es nur eine Himmelsrichtung – Norden. Sechs Monate dauert der Tag, sechs Monate die Nacht. Die für viele Menschen in der Wirtschaft erstrebenswerten Einflüsse durch die Mechanismen des Gelderwerbes und Geldbesitzes sind nicht weniger bizarr. Gerade dann, wenn wir sie in Bezug setzen zu wahrem Lebensglück und Entfaltung des Einzelnen. Die Schranken zu mehr und immer mehr schienen lange Zeit weit geöffnet, und den »Genug ist genug«-Rufen am Wegesrand maß man keine Bedeutung bei. Noch nicht.

Überschrittene Limits Es gab und gibt am Ende der Welt wenig zu sehen, aber wesentlich mehr zu leiden. Dessen ungeachtet fand ein grotesker Sturm auf den Südpol statt. Jene, die daran teilnahmen, demonstrierten eindringlichst, was die Menschen jenseits aller Vernunft und somit als Gefangene ihrer Leidenschaft charakterisiert. Ein Streben nach höheren Zielen, die nur ihnen sichtbar und wichtig sind. Kombiniert mit ihrer Bereitschaft, darüber den Selbsterhaltungstrieb zu minimalisieren, Limits zu überschreiten und letztlich gänzlich zu ignorieren. Ermöglicht durch Ignoranz, fehlgeleiteten Ehrgeiz und Nationalismus. Die heroische Zeit der Polarforschung ist voll von Geschichten über das Scheitern ganzer Expeditionen. Sie erzählen vom Untergang von Männern und Schiffen. Sie kamen ihren Liebsten durch Verkettung unglücklicher prolog

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Umstände, Fehlentscheidungen, Unfälle, Auszehrung, Krankheit und auch durch Menschenverachtung abhanden. Es ist die geballte Ladung menschlicher Unvernunft, die einen förmlich erschlägt. Womit wir wieder der Leidenschaft eine wesentliche Bedeutung beimessen dürfen. Es bedarf eines hohen Maßes an Selbstgefälligkeit, im Nachhinein aufgrund bekannter Faktenlage über das Scheitern historischer Expeditionen zu sinnieren. Natürlich erhöhen uns der zeitliche Abstand und die vermessene Rückschau ungerechtfertigterweise und veranlassen uns, die Frage zu stellen  : Hätten die Protagonisten nicht irgendwann begreifen müssen, dass sie blindwütig immer wieder dieselben Fehler begehen  ? Nein, der Grenzgänger über dem Limit sieht die herannahende Gefahr des Scheiterns nicht. Er kann die offensichtlichen Zeichen der Natur, auch der Natur des Menschen nicht deuten. Lediglich durch die beschlagene Brille und mit den vernebelten Gedanken des Polarforschers zu urteilen, genügt nicht. Ebenso wenig, wie es nicht genügt, die wirtschaftlichen Fehltritte von heute mit den Erfolgsstrategien von gestern ausmerzen zu wollen. Manch ein leidenschaftlicher, auserwählter oder gezwungener Teilnehmer hatte damals wohl die Absicht, sich aus dem normalen Leben davonzustehlen. Die Absicht, sein Glück und seine Bestimmung fernab der Heimat zu finden. Davonzustehlen vielleicht, aber möglicherweise nicht monate- und jahrelang elendiglich dahinzusiechen, um anschließend in irgendeinem finalen Fiasko sein Leben auszuhauchen. Am Rande des Wahnsinns trieb es die Männer in den Selbstmord oder sie sahen den einzigen Ausweg in Meuterei, Mord oder gar Kannibalismus. Wobei auch dies die unlautere Nähe zu in Leidenschaft Gefangenen sichtbar macht. Manche kämpften sich völlig vergebens monatelang über die Breitengrade der Eiswüste beinahe ins Leben zurück. Ihre Expeditionsleiter berechneten jedoch die Eisdrift nicht richtig oder ignorierten diese gänzlich. Häufig gingen die Überlebenden dann kurz vor dem rettenden ersten Außenposten der Zivilisation zugrunde. Auch die Kälte der Herzen verhinderte knapp, aber erfolgreich so manchen Triumph. Und wir Menschen gingen und gehen daran zugrunde, weil wir unsere Bedürfnisse nicht verwirklichen können oder als nicht verwirklicht ansehen. 10

prolog

Gegenwärtige ökonomische Prinzipien fordern das Limit heraus. Das Limit des Marktes und das ultimative Limit beim Einsatz des Personals. Menschen können nur kurzfristig über ihrer individuellen Belastungsgrenze arbeiten. Wenn Unternehmen diese Limits wie in einem Hasardeurspiel missachten, zerstören sie damit ihre Mitarbeiter und die eigene Existenzgrundlage.

Spielplatz der Helden Im Verlauf der letzten beiden Jahrhunderte verspürten viele Männer ein großes, oft zu großes, Bedürfnis. Ihr Begehren zielte darauf, neues polares Gebiet zu erobern und als Erste unbekannte Punkte zu entdecken. Nicht jeder, der diese und damit auch die Magie dieser Punkte erreichen wollte, ist bei der Suche danach verunglückt. Zu viele Expeditionen ins Eis erkauften sich aber ihren Ruhm, wenn dieser sich überhaupt einstellte, mit einer enormen Anzahl von Opfern. In den überwiegenden Fällen bescherte dies den Expeditionsteilnehmern lediglich Entbehrungen, Leid und Tod. Ruhm, genauer die Sucht nach Ruhm, macht nicht nur dumm, sondern ist wie der Skorbut eine schreckliche Krankheit. Nicht weniger krankhaft erscheint ein auf reine Geldvermehrung fokussiertes Ausblenden jeglicher menschlicher Vernunft im ökonomischen Sinn. Das langsam wirkende Gift des Irrsinns über dem Limit in sich eindringen zu lassen, ist leider reizvoll. Überzogene Gewinnerwartungen und unrealistische Wachstumsversprechungen, beides wider die Vernunft, reihen sich dicht an dicht. Unheilvolle Expeditionen jenseits des Limits erlangten traurige Berühmtheit. Für regelrecht famose Ideen setzten manche ihr Leben ein. Erfolglos. Viele Reisen lieferten schwammige Erkenntnisse oder Scheinergebnisse. Doch das berechtigt uns nicht, über leidenschaftlich Hingezogene zu urteilen oder deren Ziele am Rand der Machbarkeit vorschnell als sinnlos abzutun. Diese Expeditionen, die untergegangenen, die verschollenen, selbst die glücklich zurückgekehrten, geraten ansonsten in Vergessenheit und gehen ein zweites Mal verloren. prolog

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Den Rand der Welt berühren An der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert beherrschte die Polarforschung die Vorstellung des Menschen. Sie tat das intensiv und erregte wahrscheinlich größeres Aufsehen als die ersten bemannten Weltraumflüge in den 1960er-Jahren. Die damaligen Eismeerfahrten waren nicht ansatzweise mit den Möglichkeiten moderner Expeditionen vergleichbar. Eher dem Vordringen der Forscher aus längst vergangenen Jahrhunderten nahe, verdienen die Expeditionsteilnehmer höchsten Respekt. Bis zum Jahr 1900 hatte nur eine Handvoll Männer einen Fuß auf das Territorium der Antarktis gesetzt. Dieser Kontinent aus Eis war der unzugänglichste Ort der Erde und ist es bis heute geblieben. Dank heroisch geleiteter Ideen von Männern und Staaten sollten die letzten weißen Flecken von den Landkarten verschwinden. Es galt, die Vorherrschaft des Menschen über die Natur zu beweisen. Lange Zeit lagen das obere und vor allem das untere Ende der Welt außer Reichweite. Die Expeditionen notierten trotzdem eifrig ihre Rekordmarken in immer größerer Nähe zum Nord- oder Südpol. Dabei applaudierten ihnen die geografischen Gesellschaften ihrer Heimatländer und eine zunehmend faszinierte und gespannte Öffentlichkeit. Diese Epoche ging spätestens in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts zu Ende. Und dennoch sind sie heute gegenwärtiger denn je, die elitären GentlemenAbenteurer vom Schlage eines Ernest Shackleton. Wie kann man sich einem Stoff nähern, der im Register der Abenteuerreisen unerreicht ist  ? Vielleicht indem man feststellt, dass es sich um einen untergegangenen Kontinent handelt. Untergegangen ist nicht die Antarktis, sondern sind vielmehr die Bedingungen, unter denen die Akteure sich der Eiswüste näherten. Es war eine Welt, in der es weder Radio noch Telefon gab. In der die Menschen, am Ende der Welt angekommen, mutterseelenallein waren. Was die Männer brauchten, mussten sie mit sich führen. Egal, ob die Ausrüstung oder den Proviant, der sie und die Tiere über ein, zwei oder gar drei Jahre ernähren hätte sollen. So geriet jeder Gang in die Antarktis auch zu einem Meisterstück an Logistik und Vorbereitung. Niemand 12

prolog

konnte rettend herbeieilen oder Nachschub herbeischaffen. Diese Reisen fanden im letzten Augenblick vor dem Eintritt des weltweiten Kommunikationsnetzes statt. Daher rührt ein Teil ihres Pathos. Es hat nichts Obszönes an sich, den Rand der Welt berühren zu wollen. Heute erscheint es unehrenhaft, wenn Forscher ihr Ziel stur zu erreichen versuchten und den Weg dorthin mit Menschenleben pflasterten. Ethik und Moral waren im ewigen Eis und sind in der gegenwärtigen Wirtschaft ein knappes Gut. Doch fielen und fallen gerade mit ihnen an Bord Ergebnisse, sowohl polarhistorisch als auch ökonomisch, wesentlich besser aus.

Die Kunst genialer Grenzgänge Die Expedition der Nimrod war die damals fulminanteste Entdeckungsfahrt des heroischen Zeitalters. Sie begann 1907 und fand erst 1909 mit der Rückkehr Shackletons nach England ihr Ende. Die Bedeutung und den Ehrgeiz seiner geplanten Südpoleroberung sowie die Qualen des Heroismus können wir nicht annähernd einschätzen. 1907 standen die Männer vor dem Aufbruch zu einer einzigartigen Reise in die grandiose Welt des ewigen Eises. Mit insgesamt vier Antarktisexpeditionen war Ernest Shackleton einer der erfahrensten und grenzgenialsten Pioniere des weißen Kontinents. Den wilden verführerischen Zauber der Antarktis verstand er wie kaum ein anderer. Und er erlag ihm. Geniale Grenzgänge, egal ob im Eis oder in der Wirtschaft, haben eines gemeinsam. Sie lassen ihre Protagonisten wieder gut heimkommen und davon erzählen. Alles andere ist sinnloses Risiko für sich selbst und die Begleiter. Wer seine eigenen Grenzgänge anderen schildern kann, ist auch in der Lage, ein Wegbereiter für die Mitmenschen zu werden. Was die Konstellationen betrifft, so ist die unvergleichliche Nimrod-Expedition auf immer und ewig mit einem Alleinstellungsmerkmal versehen. Nie zuvor und nie danach war eine Expedition solchermaßen isoliert und am Limit unterwegs. Nie wieder. prolog

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Shackletons Genie ist der Inbegriff für die Kunst, sich am Limit zu bewegen. Er erkannte die Notwendigkeit und hatte die Fähigkeit, die Zukunft der Expedition positiv zu gestalten. Wissen und Können für die Gestaltung unternehmerischer Zukunft lassen sich exzellent von seinem Handeln ableiten. Dass die Wahrheit dabei nie ein Kompromiss ist, hat er uns nahezu perfekt vorgelebt. Souveränität bedeutet dabei, nicht alles auszureizen. Auch oder gerade am Limit.

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prolog

2. vorwort : p r o f. d d r . h a n s h o f i n g e r Am Limit entscheiden Bodenhaftung, Augenmaß und Zuversicht Der Buchtitel Geniale Grenzgänge hat mich beeindruckt und lässt mich nicht mehr los. Hängt doch die Weiterentwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft von mutigen und entschlossenen Grenzgängern ab, die Limits ausloten und überschreiten, weil sie in Unbekanntes vordringen und Neues entdecken wollen. In seinem ersten Buch, das Baumgartner dem Mythos Shackleton, einem charismatischen und innovativen Polarforscher, widmet, steht »Mut machen« im Zentrum. Im vorliegenden Werk geht es um Limits, die fordern, herausfordern und bewältigt werden müssen. Übrigens  : Das aus dem Jahr 1600 stammende Wappen der Familie Shackleton ziert der Leitspruch »Fortitudine Vincimus«, was wir übersetzen können mit »Wir siegen durch Unerschrockenheit, Tapferkeit, Mut« oder mit dem bekannten Spruch »Durch Ausdauer zum Sieg«. Es ist nicht erstaunlich, dass gerade in Krisenzeiten, von denen gegenwärtig so viele erfasst sind, ein Führungsgenie wie Shackleton in der Managementdiskussion besonderes Gewicht bekommt. Ihm ist es, unter widrigsten Umständen und härtesten Entbehrungen, gelungen, das Überleben seiner Männer zu ermöglichen. Shackletons vielfach bestaunte Führungskompetenz bestand ja darin, dass er mutig und beherzt in aussichtslos scheinenden Situationen handelte und sein Team aus exponierter Lage in der Antarktis befreite. Denn – wie es Reinhold Messner formulierte – innovativ ist nur der, der dorthin geht, wo die anderen nicht sind. Shackleton war kein übermütiger Grenzüberschreiter, der ungestüm und unüberlegt ans vorwort : prof. ddr. hans hofinger

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Werk ging. Er war auch keiner, der sein Eigeninteresse über das seiner Crew stellte, sondern einer, der im Miteinander die Kraft zum Weitermachen und für die Zielerreichung aktivierte. Die Bedingungen, unter denen sich Führungsverhalten heute bewähren muss, sind oft von Ungewissheit, Unsicherheit und scheinbarer Aussichtslosigkeit bestimmt sowie von der Notwendigkeit, Komplexität zu beherrschen. Das Ausmaß der Probleme ist immens gewachsen und daher bedarf es mancher Anker, um – so wie es Shackleton gelang – Orientierung zu schaffen. Es gibt genug Klagen über die Krisen, es mangelt nicht an Reflexionen und Ratschlägen zu deren Bewältigung. Für mich ist entscheidend, dass wir uns im Zeitalter der Globalisierung von Wirtschaft und Lebensstilen auf unsere lokalen und regionalen Traditionen, Werte und Besonderheiten rückbesinnen. Das Wortkonstrukt »Glokalisierung« drückt gut nachvollziehbar aus, dass wir einerseits unter grenzüberschreitenden Bedingungen der globalisierten Welt agieren, jedoch andererseits in lokaler Verankerung entscheiden und handeln. Es geht um nichts weniger als um die Versöhnung von Weltoffenheit und regionaler Rückbindung, um eine Brücke zwischen globalem Denken und Handeln in Überschaubarkeit. Dies erfordert, eine menschengerechte und zukunftsfähige Wirtschaft wiederzuentdecken und zeitlos zu definieren. Freiheit und Verantwortung sind dabei Schlüsselbegriffe und im Übrigen auch die Maximen der Genossenschaftsidee, die inzwischen auf eine über 150-jährige Erfolgstradition blicken kann. Es ist gut, sich heute die Gründungsidee der Genossenschaftsbewegung in Erinnerung zu rufen  : Auf der Freiheit verbunden mit der Verantwortlichkeit für deren Gebrauch beruht die gesunde Existenz des Einzelnen wie der Gesellschaft. Was damals Hermann Schulze-Delitzsch formulierte, liest sich wie ein Alternativkonzept zu einem überbordenden und – wie auch manche Skeptiker meinen – unzähmbaren Kapitalismus, dem das rechte Maß abhandengekommen ist. Was ich von Shackleton gelernt habe, ist, dass drei Elemente handlungsleitend sein sollen  : Bodenhaftung, Augenmaß und Zuversicht. Genau deshalb wünsche ich diesem Buch, das viele gedankliche Impulse birgt, eine weite Verbreitung  ! DDr. Hans Hofinger, Vorstandsvorsitzender des Österreichischen G ­ enossenschaftsverbandes, Wien/Straß im Attergau 16

vorwort : prof. ddr. hans hofinger

3. die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

There is a land in the south – where summer is winter. There is a land in the south – where winter is hell. Opus

Es gibt viel zu verlieren. Du kannst nur gewinnen. Herbert Grönemeyer

Das Größte und Herausragendste eignet sich immer genauso gut als Bezeichnung für das Verrückteste und das Irrsinnigste. Ein Streben nach Orten und Zielen, das letztlich oft vergebens ist. Zumindest nutzlos in den Augen vieler Unbeteiligter. Nur, wie sich der Leidenschaft zu schwer erreichbaren geografischen Punkten auf der Erdoberfläche entziehen  ? Der antarktischen Natur blieben ohnehin nur wenige Verehrer. Wer allerdings von ihrem Charme Gebrauch machen wollte, den belohnte sie überschwänglich. Unbestritten, der Südpol weckte eine unstillbare Neugier in den Menschen. Genau diese Neugier nutzte Sir Ernest Shackleton perfekt zu seinen Gunsten. Fourthest South galt vielen als magischer Ziel- und Endpunkt aller Wünsche. Ein letztlich, unzweifelhaft, als bizarrer Ort zu bezeichnender Fixationspunkt. Der geografische Südpol lag und liegt, gestern, heute und auch morgen, auf 90 Grad Süd. Punkt.

die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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Der Anfang von etwas Der Grundstein zu einer buchstäblichen Erforschungsindustrie wurde 1830 in London mit der Gründung der Royal Geographical Society gelegt. Sie förderte geografische und wissenschaftliche Kenntnisse durch Unterstützung und Finanzierung von Expeditionen. Das obere und untere Ende der Welt lagen dabei im Fokus der Forschungstätigkeiten. Immer neue Limits in nördlichen und südlichen Breitengraden stellten das Terrain dar, auf dem sich das 19. Jahrhundert heroisch verausgabte. Oft genug dachten die Landsleute einer trauernden Nation  : Wie es sich für einen Polarhelden gehört, starb er tragisch.1 Obwohl, gehörte es sich wirklich so  ? Damals wussten die Geografen nicht einmal, ob die Antarktis aus einer Inselgruppe bestand. Sie wussten nichts über den Kontinent. Die Menschheit wusste mehr über den Mars.2 Expeditionen aus insgesamt acht Ländern rüsteten ungeachtet dessen zu Forschungsreisen, um die Ersten am Südpol zu sein. Sie hatten wissenschaftliche und geografische Ziele, genauso wie patriotische und imperialistische.3 Das Britische Empire befand sich zu jener Zeit am Zenit seiner Welt- und Wirtschaftsmacht. Als Königin Victoria 1901 starb, hatte sie das Königreich in ein neues Zeitalter katapultiert. Die Geschwindigkeit der Veränderung und der Drang, sich der Welt zu bemächtigen, überstrahlten alles. Am Beginn des 20. Jahrhunderts stellte das magische Ende der Welt das Objekt der Begierde beim letzten Entdeckungswettlauf der Menschheit dar.4 Eine von Menschen, Nationen und Organisationen als finaler Spielplatz der Helden auserkorene Stelle. Von vielen Forschern anvisiert, egal, ob selbst mit erfrorenen Füßen auf dem Eis stehend oder als planender und Visionen entwerfender Wissenschaftler an einem gemütlicheren Ort. Am Ende blieb Letzteren nichts als der Heldentod – am Schreibtisch.5 Den hat Shackleton als Entdeckungsreisender zum Glück nicht erlitten. Doch die Risiken und Gefahren, zu den permanent entfernteren Rekordmarken und damit verschobenen Grenzen zu reisen, blieben erschreckend hoch. Die allgemeine Erwartungshaltung schien überschaubar strukturiert. Entweder ein totaler Triumph oder eine ganz große Tragödie. Eine gesunde Heimkehr interessierte wenige. 18

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Der Hunger nach Helden Die britische Geschichte der Erforschung der Polarmeere ist untrennbar mit der Geschichte des Krieges verbunden. Oder mit jener des Friedens. Solange das »Krebsgeschwür anhaltenden Friedens« – so ein Stoßseufzer eines Seeoffiziers – wucherte, lockten Arktis und Antarktis als eiskalter Ersatzkonflikt.6 Nach Napoleon kam Englands Flotte der Gegner abhanden. Ihre Seemacht brauchte eine neue Aufgabe, war sie doch exorbitant angeschwollen. Die Schiffe lagen ungenutzt in den Häfen herum. Menschen und Material blieben übrig und somit ausreichend vorhanden. Einfache Matrosen konnte man fristlos entlassen. Im Fall der unzähligen Offiziere, darunter viele hoch dekorierte Helden des Vaterlandes, verbot das jedoch die politische Vernunft. So setzte man die Heroen auf Halbmast – und ließ sie dort. Es vergingen die Jahrzehnte der blockierten Karrieren und der überalterten Admirale. Niemand konnte befördert werden. Also fiel der Entschluss leicht, die letzten weißen und besonders eisigen Flecken auf den Landkarten zu erobern. Von diesem Gedanken beseelt, wurden 1845 die Erebus und die Terror, die beiden Schiffe John Franklins bei der Suche nach der Nordwestpassage, rundum überholt, doppelt verstärkt und mit Eisenbahnmotoren nachgerüstet. Kurzum, das Beste, was die königliche Marine zu bieten hatte. Auf ihre Decks und in ihre Laderäume wanderte eine erlesene Ausrüstung. Damit sind weder Pelzanoraks noch Hundeschlitten oder gar Schneeschuhe gemeint. Diese arktischen Requisiten kamen auf der schneeweißen Bühne und im Denken der Royal Navy nicht vor. Das Empire hatte beharrlich verweigert, aus vorangegangenen Expeditionen zu lernen.7 Eine Borniertheit, die sie den Nord- und Südpol kosten sollte. Die Polarforschung und ihre heldenhafte Epoche waren zu sehr geprägt von Ereignissen, die das Scheitern und den Untergang von Männern und Schiffen zur Folge hatten. Die Besatzungsmitglieder folgten militärischen und damit selbst völlig sinnlosen Befehlen. Als Akteure im ewigen Eis verließen sie ihre Familien und Nationen dadurch oft endgültig.8 Eine große Sachkenntnis schien für die Expeditionsleiter nicht vonnöten, es genügte, Offizier oder gar Admiral zu sein. Die Schiffe führten in einem tragischen die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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Irrglauben nur Royal Navy-Ausrüstung mit sich und ihr Proviant schützte sie nicht vor Skorbut. Viele der »Forschungsfahrten« des Britischen Empires erkämpften sich Glanz und Berühmtheit mit zahllosen Verlusten, provoziert durch zu wenig Wissen. Gerade dies bedeutete für den einfachen Matrosen, aber auch für den Expeditionsleiter, Siechtum und Tod.9 Die Entdeckung, dass die letzten Überlebenden der Franklin-Expedition ihre toten Kameraden gegessen hatten, überstieg das Fassungsvermögen einer Nation, die ihre Schiffe im hohen Ton moralischer Überlegenheit zu den Barbaren zu schicken pflegte.10 Die Verantwortlichen verschoben Rückkehrtermine und hofften auf ein glückliches Ende so mancher verlorener Expedition. Doch auch dem neuen Ultimatum kamen die Vermissten nicht nach.

Ort der Handlung Letztlich nichts. Ja, schlicht und ergreifend nichts. Beschrieben wird der Ort als weiße Unendlichkeit und zugleich als Endpunkt im Nirgendwo am entrücktesten Platz der Welt. Eine ideale Bezeichnung, noch dazu eine sehr klingende, gibt es wohl nur in der englischen Sprache  : The Waste Land.11 Ein wahrlich brachliegendes und ödes Stück Erde, erschwerenderweise 2.835 Meter über dem Meer gelegen. Was damals keiner wusste, die Männer verkamen zu Bergsteigern, denn der Südpol lag im Gegenteil zum Nordpol sehr hoch. Somit lag das tatsächliche untere Ende der Welt noch ein Stück weiter unten als in ihrer und unserer Vorstellung. Shackleton hatte von Anfang an ohnehin seine eigene Ansicht von der Welt.

Vergötterter Bruder Der am 15. Februar 1874 in Kilkea, einer Ortschaft in der irischen Grafschaft County Kildare, geborene Ernest Henry Shackleton ging sowohl als Träumer als auch Kämpfer durch die ersten Lebensjahre. Freunde aus Kindertagen nannten ihn »Mick« und erinnerten sich an ihn als Mittelpunkt jeder Rau20

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ferei auf dem Schulhof. Er war der ältere von zwei Söhnen und hatte acht Schwestern, die ihn vergötterten.12 Seine Eltern, Henry und Henrietta Shackleton, zogen mit der Großfamilie erst nach Dublin, wo sich das Familienoberhaupt dem Medizinstudium widmete, und 1884 schließlich nach London. Shackletons Vater Henry konnte in diesen Jahren seine wahrlich große Familie, die beiden Umzüge und sein Arztstudium nur durch die

The Firs School in Sydenham, 1886. Shackleton

großzügige Unterstützung seiner

ganz oben – wo sonst  ?

Schwiegermutter finanzieren. Der introvertierte irische Junge wuchs beinahe komplett in der familiären Gesellschaft von Frauen auf und erhielt eine feminine Sensibilität mit auf den Weg. Seine Schwestern und die umsorgende Mutter wattierten den Raum seiner Kindheit mit sanfter Weiblichkeit. Die gefürchtete und respekteinflößende Schulleiterin Miss Higgins in Shackletons Firs School* in Sydenham dürfte dem ein wenig entgegengewirkt haben. In London besuchte der heranwachsende Ernest später das gleichfalls ehrwürdige wie kostspielige Dulwich College. Als 16-Jähriger verließ er Dulwich gegen den Willen des Vaters und dessen Ziel, Medizin zu studieren, um zur Handelsflotte zu gehen. Shackleton war nie ein besonders guter Schüler gewesen, auch wenn sich seine Leistungen zu Ende der Schulzeit stark verbessert hatten. Die Handelsflotte und das Meer, oder umgekehrt, zogen ihn magisch an, egal wie sich die Lage der Noten gerade darstellte. Wie viele junge Männer im späten 19. Jahrhundert, so hatte auch Shackleton vom Leben auf dem Meer vermutlich eine zu romantische Vorstellung. Wenn er keinen Dienst an Deck hatte, steckte er mit unzähligen * Fichten-/Tannenschule

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Büchern in seiner Kabine. Die anderen Jungs behaupteten, er sei ständig mit Literatur beschäftigt gewesen. Im April 1891, Shackletons Fahrt ging damals in Liverpool zu Ende, wählte er nicht den einfachen Weg, zur Familie zurückzukehren. Er entschied sich zu harten, anstrengenden Jahren der Plackerei auf weiteren Schiffen. Shackleton wurde offiziell als Matrose in die Handelsmarine aufgenommen.13 Nach abenteuerlichen Fahrten ums Kap Hoorn und nach Chile heuerte er auf Schiffen an, auf denen er die Möglichkeit zum beruflichen Aufstieg nutzen konnte. Shackleton bestand 1898 sein Examen mit Erfolg und durfte als Kommandant jedes britische Schiff führen. Für einen 24-Jährigen hatte er in kurzer Zeit Beachtliches geleistet. Sein Lebenslauf machte ihn zu einer außergewöhnlichen Persönlichkeit in der abgestumpften und hierarchischen Welt der Seefahrt. Zehn Jahre verbrachte er rund um die Welt segelnd, lernte dabei viel über das Meer und Schiffe. Eine für ihn wunderbare Zeit. Doch realisierte er, dass dies seinen Durst nach Abenteuer nicht befriedigte.14 Shackleton lebte sein Leben, er freute sich darüber, es war ein verdammt gutes Leben. Letzten Endes noch nicht gut genug. Er wirkte zu jener Zeit, nach den Worten eines Schiffskameraden, wie mehrere Typen in einer Verpackung. Viele Jahre später beschrieben ihn Zeitgenossen als Visionär, als hartnäckigen Verhandler, aber auch als finan­ zielle Belastung.15

Eine Frage der Zeit Seine Frau Emily, eine geborene Dorman aus wohlhabendem Hause, hatte er im Sommer 1897 durch seine Schwester kennen- und im darauffolgenden Jahr lieben gelernt. Die große, schlanke Schönheit mit leuchtenden blauen Augen und einem bezaubernden, zugleich spöttischen Lächeln faszinierte ihn unglaublich. Emily zuliebe wechselte er damals als Captain zur Union Castle Line. Deren Schiffe verkehrten im Gegensatz zu vielen anderen Linien nach einem regelmäßigen Fahrplan und ermöglichten ihnen gemeinsame Zeiten. Diese 22

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endeten jäh, als Shackleton, überraschend für ihn selbst und den Expeditionsleiter, an der Discovery-Expedition von Captain Robert Falcon Scott teilnehmen konnte. Von 1901 bis 1903 verwirklichte er sich seinen ersten eiskalten Traum. Womit auch schon das Wesentlichste vom bescheidenen Verwirklichungspotenzial der ganzen Expedition seine Vollendung fand.

Discovery-Expedition – Juli 1901 bis Februar 1903 Zwei Männer, die sich in herzlicher Abneigung gegenüberstanden, wurden bei der Eroberung des Südpols ungewollt zu Kameraden. Ernest Shackleton, der jüngste Offizier der Expedition, und Robert Falcon Scott, ihr Leiter. 1902 waren beide auf dem Weg zum Südpol gewesen und quälten sich gemeinsam über den 82. Breitengrad. Es ist erstaunlich, dass sich die Royal Navy nach der Franklin-Katastrophe überhaupt ins ewige Eis zurückwagte und bei dieser Forschungsreise den Expeditionsleiter und die Mehrzahl der Offiziere und Mannschaft stellte.16 Captain Scott hatte vor dem Aufbruch der Expedition mutig beschlossen, einfach auszuprobieren, wie weit sie in die Antarktis vordringen würden. Keiner verfügte über eine Ahnung, worauf sie sich da eingelassen hatten. Scott vertraute beim Transport sich und seinen Begleitern mehr als Hunden. So zogen sie ihre Schlitten einfach selbst. Am Beginn der Expedition ließen die Männer den Ballon Eva über der Bay of Whales steigen. Auf ihrem Schiff, der Discovery, befanden sich sechs große Tanks, um Eva mit 230 Kubikmetern Gas zu füllen. Als Erster stieg Scott am 4. Februar 1902 im Ballon in die Luft. Nie zuvor hatte ein Mensch so eine Sicht auf den weißen Kontinent. Nach Scott kam Shackleton an die Reihe. Er bedachte, dass, bis auf den Expeditionsleiter, noch niemand eine derart perfekte Perspektive auf die Route zum Pol bekommen hatte, und schoss in einer Höhe von etwa 650 Metern* ein Bild.17 Das erste Luftbild *

Die hier angegebene Höhe ist nicht gesichert. Andere Quellen (www.antarktis.ch) nennen 230 Meter Luftstand. Die Zahl 650 kann sich auch auf die Maßeinheit Fuß beziehen.

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vom Inlandseis der Antarktis.18 Es rief in Shackleton ein absolut einzigartiges Gefühl hervor, Land zu erblicken, das noch kein menschliches Auge gesehen hatte. Expeditionskamerad Edward Wilson kommentierte das Unterfangen eher kritisch. Er meinte, wenn einige dieser Experten da oben nicht verunglücken würden, so sei es nur deswegen, weil Gott Mitleid habe mit den Verrückten. Er selbst weigerte sich strikt, an diesem völligen Irrsinn teilzunehmen. Der Ballon überstand diese Fahrten auch nicht unbeschädigt und blieb für den Rest der Expedition unbrauchbar. Bis zum 31. Dezember 1902 Shackleton steigt im Februar 1902 mit dem

kämpften sich Scott und Shackle-

Ballon Eva auf und schießt das erste Luftbild

ton mit ihrem Begleiter Wilson auf

der Antarktis.

eisigem Terrain auf 82° 15’ südlicher Breite vor – der bis dahin weiteste

Vorstoß auf dem Kontinent. Bei dieser Expedition war Shackleton gemeinsam mit Scott bis auf 460 Meilen* an den Pol herangekommen. Genauso

*

Anmerkung zur Provenienz der polarhistorischen Entfernungsangaben  : Es liegt eine erhebliche Differenz aufgrund unterschiedlicher Quellen vor. Sowohl in der Originalliteratur als auch in Übersetzungen wurde und wird häufig die Einheit gewechselt. Verwendung finden dadurch  : 1. Kilometer, 2. Landmeilen (statute mile, Englische Meile – entspricht 1.609 Meter) und 3. Seemeilen (entspricht 1.852 Meter).



Da die Expeditionen ihre Entfernungen zu Wasser, auf Eis und auf dem Land zurücklegten, ist eine eindeutige Zuordnung erschwert. In diesem Buch werden die Originalangaben wiedergegeben, Durchschnittswerte angeführt oder zur besseren Übersicht Umrechnungen eingesetzt.

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viele Meilen trennten die Philosophien der beiden. Scott, der militärische und strategische Planer, Shackleton, der menschliche und charismatische Denker.19 Zudem benahm sich Shackleton dem Expeditionsleiter gegenüber keineswegs unterwürfig. Scott hatte in ihm einen unerwarteten Rivalen gefunden. Der Rückweg zum Schiff geriet zu einer unendlichen Quälerei. Mit wachsendem Hunger und zunehmender Erschöpfung verschlechterte sich der ohnehin kritische Zustand der Männer. Mitte Januar 1903 bekam Shackleton schwer Luft und hustete Blut. Zehn Tage später übernahm er wieder seinen Teil der Lasten von den Kameraden. Alle drei litten inzwischen unter furchtbarem Hunger. Die Männer wurden über Wochen von der Erkenntnis vorangetrieben, dass sie ihre Überlebenschancen als äußerst gering bewerten mussten.20 Bei Schneestürmen befielen Shackleton Asthmaanfälle, die ihn blau anlaufen und verstummen ließen. Am 29. Januar 1903 kämpfte er gerade gegen eine Ohnmacht an, als er Wilson zu Scott sagen hörte, dass er wohl die Nacht nicht überlebe.21 Scott stellte Shackleton nachträglich als Schwächling dar, der die Expedition behinderte. Als »unser Invalide« verspottete ihn Scott in seinen Tagebucheinträgen. Er veränderte Reiseberichte, um Shackletons Leiden zu überzeichnen und um Mängel seiner eigenen Führung zu überdecken.22 Letztendlich schafften es die drei Männer zurück zur Ausgangsbasis. Expeditionsleiter Scott hat Shackleton dann Anfang März 1903 gegen dessen Willen mit der Morning nach England zurückgeschickt, da dieser angeblich durch Skorbut zu geschwächt war. Doch alle wussten, Scott wollte sich den unbequemen Ideengeber vom Hals schaffen. Ironischerweise waren laut Expeditionsarzt Dr. Kottlitz sowohl Wilson als auch Scott in einem schlechteren Zustand als Shackleton.23 Scott hegte als Offizier der Kriegsmarine dünkelhafte Abneigungen gegen einen Angehörigen der Handelsmarine wie Shackleton.24 Die beiden Abenteurer sind durch ihren Entdeckergeist und Mut in die Geschichtsbücher eingegangen. Die Erinnerung an sie bringt ihre Verschiedenartigkeit ans Tageslicht. Über Shackletons Leadership werden heute Bücher geschrieben. Scott kommt weniger gut weg.25 Zumindest in demselben Maß, wie ihn Scott ablehnte, waren andere von Shackleton begeistert. die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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Viele Damen im Publikum und eine vor dem Traualtar Der zurückkehrende Shackleton erkannte schnell, dass zu Hause ein hungriges Publikum auf heroische und eiskalte Geschichten wartete. Er faszinierte als charismatischer Redner und begeisterte immer größere Auditorien. Einfach ein genialer und mitreißender Erzähler, wie ein Zuhörer berichtete  : »Ich höre noch die tiefe, kräftige Stimme, die mit dem Verlauf der Geschichte an- und abstieg und zuweilen, um etwas Besonderes zu betonen, zu einem markerschütternden Brüllen anschwoll.«26 Shackleton hatte dabei das Gefühl, Welten versetzen zu können. Damit traf er die Stimmung seiner Landsleute. Zudem besaß er eine große Begabung, anderen zu schmeicheln und sie mit Sprache zu umgarnen. Wenn er nur gewollt hätte, wäre aus ihm wohl ein großartiger Journalist oder Autor geworden. Durch seinen gewaltigen Redefluss schien er nie um Worte verlegen. Das Zeitalter der globalen Kommunikation lag noch in weiter Ferne, doch sahen viele Shackleton, in einer gewissen Überhöhung der Gegebenheiten und Bedeutsamkeiten, als Medienstar. Er war in der Lage, einen Raum innerhalb kürzester Zeit mit seiner Aura zu füllen, und das Publikum, insbesondere die Schar anwesender Damen, hing an seinen Lippen. Im April 1904 heiratete Shackleton seine Verlobte Emily Dorman, die als Tochter eines wohlhabenden Rechtsanwalts über ein bescheidenes Vermögen verfügte.27 Sie war 35 Jahre und damit fünf Jahre älter als ihr Mann. Der zum Entdecker mutierte Marineoffizier Ernest Shackleton hatte mit seinen unablässigen Aufmerksamkeiten zur baldigen Heirat gedrängt. Emily sah sich an einen genialen rastlosen Träumer gebunden. Einem Rastlosen, der sich nach der Heimat sehnte, wenn er fortging, und der nach seiner Rückkehr abwesend und unruhig wirkte. Emily, die so entschlossen und treu in seinem Schatten lebte, gebar ihm auch drei Kinder.28 In eine sehr unsichere gesellschaftliche und finanzielle Zeit, was Shackleton wohl kaum so zu Herzen ging wie die Nachwehen der Discovery-Fahrt, fiel die Geburt von Sohn Raymond. Er erblickte am 2. Februar 1905 das Licht der Welt. Ihm folgten eine Tochter, Cecily, und ein weiterer Sohn, Edward. Anfänglich versuchte sich Shackleton an das Eheleben mit Emily zu gewöhnen, jedoch die Existenz als ruhiger Ehemann entsprach nicht sei26

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nem Naturell.29 Vorerst als Journalist, später als Sekretär der Royal Scottish Geographical Society, war er häufig außer Haus und kaum bei seiner Familie. Die ständigen öffentlichen Auftritte und unzähligen Kontakte ermutigten ihn 1905 dazu, sein Glück in der Politik zu versuchen. Manche unterstellten ihm mit diesen Schritt, an ein lukratives, äußerst interessantes Zweiteinkommen zu gelangen. Das fand Shackleton selbst umso interessanter, da er nicht einmal über ein Ersteinkommen verfügte. Zuse-

Emily Shackleton, eine geborene Dorman. Von Shackleton umschwärmt und oft verlassen.

hends widerstrebte und langweilte ihn das politische Tagesgeschäft. Er widmete sich schon bald seiner eigentlichen und selbstgewählten Lebensaufgabe, der Planung seiner zweiten Reise in südpolare Gebiete. Einerseits, um sich der verhassten politischen Landschaft zu entziehen, andererseits, um erneut seinen Fokus auf die von ihm so geliebte Antarktis zu legen. Emily spürte, dass er etwas beabsichtigte, und fragte unablässig nach. Stoisch reagierte er mit Worten wie, er habe keinen Plan. Gott habe auch keinen Plan. Doch Emily kannte ihn zu gut. Sie fühlte eine berechtigte Angst, er würde ihr wiederholt oder gänzlich abhandenkommen. Seine angeblich nicht existierende Idee hatte mit dem unteren Ende der Welt zu tun und erschien ihr mehr als wahnsinnig, das spürte sie. Ihr war klar, ein Mensch, der dorthin geht, kommt als anderer zurück. Noch dazu, wenn er, wie Ernest, schon einmal dem Reiz der Antarktis erlegen war. Üblicherweise genügte ihre Traurigkeit im Anschluss an solch unsägliche Diskus­ sionen, um bei Shackleton Erklärungen auszulösen. Vielleicht sei es nur der Versuch, eine Art von Dauerhaftigkeit zu begründen, meinte er. Alle, die in Geisterstädten lebten wie diesem London, auch wenn sie es nicht wussten, könnten weitaus mehr als mit Kutschen oder motorisierten Bussen durch die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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die Straßen fahren und sich zum Tee treffen. Er lebe hier und jetzt mit der Illusion, Ewiges zu hinterlassen. Etwas, das nicht weggeweht werde vom Wind, das bleiben werde, das der Zeit trotzt. Was seiner Meinung nach der Zeit zu trotzen vermochte, ließ nicht allzu lange auf sich warten.

Nimrod-Expedition – August 1907 bis Juni 1909 NEW BRITISH EXPEDITION TO THE SOUTH POLE The Times, 12. Februar 190730

Am Montag, dem 11. Februar 1907, kündete Shackleton offiziell die Vorbereitungen für »seine« britische Antarktisexpedition zum Südpol an. Shackleton, der sich als Spurensucher beim größten geografischen Unterfangen sah, war völlig auf seine Mission konzentriert  : »Ich repräsentiere 400 Millionen Briten«, erklärte er enthusiastisch. Die später erlangte königliche Schirmherrschaft verstärkte dieses Gefühl. Shackleton entwarf und führte die Expedition selbst. Ihr erklärtes Ziel war der Südpol. Die sehr erhaben klingende British-Antarctic-Expedition geriet jedoch in Wirklichkeit zu einer reinen Privatangelegenheit. Mehr als unzureichend finanziert, ohne Protektion durch geografische oder wissenschaftliche Organisationen und mit der Nimrod, einem winzigen Walfänger, als Schiff. Zur Planung und Abwicklung der Expeditionsgeschäfte eröffnete Shackleton im Londoner Clubviertel, in der Regent Street Nummer 9, ein Büro. Er stellte den Geschäftsmann Alfred Reid ein, der Erfahrung bei der Beschaffung von Gegenständen und unzähliger Details früherer Polarexpeditionen einbrachte.31 Die Stellung Shackletons innerhalb des Empire könnte nicht divergierender gewesen sein. Auch wenn er vornehmlich in Großbritannien aufwuchs und als Größe des Landes gefeiert wurde, so sahen ihn die Zeitgenossen als Person irischer Abstammung. Im England der damaligen Zeit stellte dies ein wesentliches Karrierehemmnis dar. Mit der Bekanntgabe der neuen Expedition tat Shackleton wieder einmal sein Bestes, dem entgegenzuwirken. 28

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Er konnte ebenso wenig von der Antarktis lassen wie Scott. Es lag nicht nur daran, dass beide dort zu viel gelitten hatten, als dass sie das eisige Land aus ihrem Leben hätten verbannen können. Shackleton hatte weitaus bedeutendere Gründe. Einer davon war, seiner Frau Emily zu beweisen, dass er ihrer würdig war.32 In seinem grenzenlosen Optimismus traf er Vereinbarungen mit dem Verlag Heinemann, um bei seiner Rückkehr ein Buch zu veröffentlichen.33 Shackleton hatte einen Vertrag über 10.000 £ ausgehandelt. Diese Summe sollte sein Expeditionsbericht einbringen, sofern es ihm gelingen würde, den Südpol zu erreichen. Die Aussicht auf eine Vortragsreise rund um die Welt und die unvermeidlichen Zeitungsberichte darüber waren ihm ein Ansporn.34 Als Shackleton im Februar 1907 bekanntgab, erneut in die Antarktis vorzustoßen, blieben ihm nur gut sieben Monate für die Vorbereitung.35 Aber überhaupt so weit gekommen zu sein, stellte eine beträchtliche Leistung dar. Ohne eigene Mittel hatte es Shackleton irgendwie geschafft, eine Expedition auf die Beine zu stellen. Sein langjähriger Gönner William Beardmore, ein Industrieller aus Clydeside, bürgte mit 7.000 £* für einen Kredit der Clydesdale Bank. Das war nicht viel, doch Shackleton schien das zu reichen.36 Angesichts der kurzen Zeit, eine Expedition zu organisieren, gab es unzählige Probleme. Dennoch überschattete eine Sache alles andere. Eigentlich hatte Shackleton vor, die alte Discovery-Basis am McMurdo-Sound zu nutzen. Von dort aus sollten mehrere Expeditionen und ein Forschungsprogramm starten. Sein Plan hatte nur einen Haken: Captain Scott. Dieser protestierte heftig dagegen, dass Shackleton »seine« Basis nutzen wollte. Shackletons Versuche, Scott zu überreden, scheiterten kläglich. Auf Druck unterschrieb er sogar eine Vereinbarung, die ihm nur eine marginale Erfolgschance einräumte.37 Der Weg zum Pol war von jeder anderen Stelle aus einfach viel weiter.

* Diese 7.000 £ aus dem Jahr 1907 ergaben nach einer Umrechnung im Jahr 2008 einen Betrag von 552.000 £. (Worsley, Henry  : In Shackleton’s Footsteps, S. 31)

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Auch kam ans Tageslicht, dass bis zum Augenblick der Abreise nicht sicher war, ob Shackleton über genügend Kapital verfügte. Doch er wandte all seine Überzeugungskraft und seinen nicht unbeträchtlichen Charme auf, um schließlich genügend Sponsoren- und Spendengelder aufzutreiben.38 Den größten Teil davon musste er für ein eismeertaugliches Schiff ausgeben, wenn überhaupt eines finanzierbar war.

Nimrod – hebräisch für Jäger Shackleton sah sich gezwungen, einen betagten Walfänger zu kaufen, den er nie zuvor gesehen hatte. Es war das einzige Schiff, das er sich leisten konnte.39 Die Nimrod, ein über 40 Jahre altes Walfangboot aus Neufundland, gebaut 1865 von A. Stephens & Son in Dundee aus Eichen-, Grünherzund Eisenrindenholz, war nicht das ideale Expeditionsschiff. Aber Shackleton hatte gar keine andere Wahl.40 Die 60-PS-Dampfmaschine verlieh dem Schiff bei einem Gewicht von 334 Tonnen eine lächerliche Höchstgeschwindigkeit von sechs Knoten.41 Shackleton erstand die enge, langsame und muffige Nimrod für 5.000 £. Seine beschränkten Finanzmittel erlaubten nicht den Kauf jenes Schiffes, das er gern eingesetzt hätte. Die Björn hätte mit einer Verdrängung von rund 700 Tonnen eine beachtliche Größe gehabt, kostete aber zu Shackletons Leidwesen unerschwingliche 11.000 £. Außerdem verfügte sie über riesige Laderäume und eine starke Dreizylindermaschine, was Shackleton beides gut gebrauchen, aber ebenso wenig bezahlen konnte.42 Die Nimrod hingegen erschien allen nicht nur viel kleiner und enger, sondern auch in einem nicht guten Zustand. Genau genommen erstand Shackleton ein völlig verwahrlostes Schiff, mit morschen Masten und von oben bis unten verdreckt. Der Gestank der Laderäume nach Robbentran blieb unbeschreiblich. Nach einem Umbau von einem Schoner zu einer Schonerbark, dem Einbau von Mannschaftsquartieren und der Reparatur von früheren Eisschäden geriet sie noch enger. Doch Shackleton musste mit den Mängeln leben, da er keine Zeit hatte, sich nach einem anderen Schiff umzusehen. Wichtiger war es, die Mitglieder seiner Expedition auszusuchen.43 30

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Ein Schiff für 5.000 £ mit 60 PS. Mehr geht leider nicht. Die Nimrod kann im Polarmeer bald zum Gejagten werden.

Männer gesucht Bei der Auswahl seiner Begleiter ging Shackleton nach ungewöhnlichen Methoden vor und sollte dies bei all seinen späteren Expeditionen beibehalten. Den Charakter und die Eignung der Befragten wusste er stets intuitiv und scharfsinnig einzuschätzen.44 Shackletons Entscheidungen muteten insofern bemerkenswert an, als er alle seine Begleiter auf ziemlich zufällige Weise auserkor.45 Immerhin sah er sich mehr als 400 Bewerbungen durch, die nach den Presseberichten über die bevorstehende Expedition unverlangt eingelangt waren.46 die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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Der Expeditionsleiter wählte Männer aus allen Milieus. Sie hatten wenig gemeinsam, und die meisten hatten sich noch nie gesehen, als sie gegen Ende 1907 in See stachen. In der Enge der Nimrod kannten sie sich allerdings bald nur allzu gut.47 Die Landexpedition selbst bestand aus Shackleton und vierzehn Männern.48 Ihre Zusammenstellung gelang trotz der scheinbar zufälligen und chaotischen Einstellungspraxis vortrefflich.49 Für ein potenzielles Mannschaftsmitglied setzte Shackleton dabei Optimismus an die Spitze der geforderten Qualitäten.50 Zu den fünfzehn Männern der Überwinterungsmannschaft kamen insgesamt 43 Bordmitglieder der Nimrod und fünf Gäste, die auf Teilstrecken mitfuhren. Sir Philip Brocklehurst gelang dabei, mit einer Bürgschaft von 2.000 £, zum ersten zahlenden Teilnehmer einer Antarktisexpedition zu werden. Die letzten Umbaukosten der Nimrod verschlangen seinen finanziellen Beitrag gierig. Brocklehurst selbst machte sich bei der Expedition mit Begeisterung an seine geologischen Aufgaben.51 Frank Wilds Treue ist unbedingt zu erwähnen. Er war der einzige Mann, der in Folge bei allen Expeditionen an Shackletons Seite stand.52 Einmalig stand Shackleton eine ganz außergewöhnliche Dame zur Seite.

Königlicher Abschied Aufgrund seines Talentes für Beziehungen zu bedeutenden Stellen gelang es Shackleton, einen royalen Abschied zu bekommen. Im Beisein von Königin Alexandra und König Edward VII. stach die Nimrod am 5. August 1907 von der Isle of Wight aus in See.53 Dieser Besuch an Bord hatte enorme Bedeutung. Er drückte der Expedition ein königliches und unantastbares Gütesiegel für potenzielle Geldgeber auf und verlieh ihr in den Augen der Presse immense Glaubwürdigkeit. Mancher Journalist ahnte schon ein wenig Shackletons eiskalten Grenzgang voraus, die royale Präsenz überstrahlte aber jegliche Zweifel. Noch. Königin Alexandra übergab Shackleton eine Fahne, an der eine Notiz geheftet hing  : Möge dieser Union Jack Sie sicher zum Pol geleiten. In der ge32

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Die Männer der Nimrod-Besatzung, welche die Überwinterungsmannschaft in die Antarktis bringen und hoffentlich wieder abholen.

samten bisherigen Geschichte war noch kein britischer Forschungsreisender mit so einer königlichen Geste bedacht worden.54 Die Nimrod segelte Richtung Süden, Shackleton selbst blieb noch drei Monate in England, um geschäftliche und private Dinge zu erledigen. Er reiste seinen Männern Ende Oktober 1907 mit einem Postschiff nach. In seiner Tasche eine Zigarettendose* von Emily mit der unbeschwerten und lakonischen Inschrift  : Eine für den Ersten jedes Monats.55

*

Shackletons Zigarettendose wurde im September 2001 bei Christie’s in London für 6.463 £ versteigert. Ziemlich viel Geld für eine leere Blechschachtel, die einmal 24 Zigaretten beinhaltet und die Reise an das untere Ende der Welt mitgemacht hatte. Jedoch versehen mit dem Hinweis seiner Frau Emily  : One to be smoked on 1st of each month  !

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Verschwindend klein liegt die Nimrod zu letzten Instandsetzungen im Trockendock von Lyttelton/Neuseeland.

Erst als Shackleton England verlassen und Zeit genug hatte, über seine Frau nachzudenken, konnte er seine Zuneigung ihr gegenüber zum Ausdruck bringen. Von der Nimrod aus schrieb er Emily einen Brief. Mein Herz war voller Gefühle, die ich nicht ausdrücken konnte. Wenn ich nicht zum Südpol gelangen kann und selbst innerhalb von 15 Kilometern umkehren muss, würde ich nicht so viel Traurigkeit empfinden, wie in jenen wenigen Minuten des Abschieds.56 Anfang Dezember erreichte er Adelaide in Australien und war startklar. Gewissermaßen, denn die Finanzen wiesen erneut einen Fehlbetrag von 34

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mehreren tausend Pfund auf. Glücklicherweise sprang die australische Regierung mit 5.000 £ ein. Die erste öffentliche Hilfe, die Shackleton bis zu diesem Zeitpunkt bekommen hatte.57 Noch bevor die Expedition Australien verließ, spürte Shackleton, dass ihn die Australier schätzten, weil er nichts unversucht ließ. Er galt als lokaler Held. Auf der Weiterreise nach Neuseeland wurde Shackletons Heimweh immer stärker. Emily wusste von Anfang an über das Wesen ihres Mannes Bescheid. Er verliebte sich vor Jahren ehrlich und heftig in sie, aber noch mehr schwärmte er für das ewige Eis. Später begründete Emily die Unterstützung seiner Projekte mit der schlichten Feststellung  : »Kann man einen Adler in einem Hinterhof festbinden  ?«58 In Lyttelton auf Neuseeland, wo sich Shackleton endgültig der Nimrod anschloss, erhielt er glücklicherweise weitere 1.000 £. Weit entfernt von einem finanziellen Ausgleich konnte er darangehen, am Neujahrstag 1908 abzufahren.

Menschenmassen geben sich die Ehre Gewaltige Szenen spielten sich ab. Einfach kolossal. Zu der Tageszeit, als Shackleton mit der Nimrod auslief, bevölkerten 50.000 Menschen die kleine Hafenstadt Lyttelton. Alle wollten einen letzten Blick auf die Abenteurer werfen, ehe diese zum Südpol aufbrachen.59 Die Männer standen im Mittelpunkt des Interesses und der Hoffnungen aller Menschen am Hafen. Shackleton verließ diesen und entfloh damit für Jahre den Angelegenheiten der profanen Welt.60 Der pompöse Abschied überdeckte ein wesentliches Problem. Die untermotorisierte Nimrod konnte ohne Hilfe die Antarktis kaum zeitgerecht erreichen. Nicht einmal ausreichend Platz zum Kohlebunkern bot das enge und vollgerammelte Schiff. Es vermochte nicht genug Kohle für die Fahrt zur Eisbarriere und zurück aufzunehmen. Als Shackleton dies zum ersten Mal klar wurde, glaubte er vorerst noch, der Wind wäre in der Lage sie zu retten. Dem war nicht so. Aber wie immer lief er in einer Krise zur Hochform auf und entwickelte einen fantasievollen Plan. die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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Mit Vergnügen und Stolz blickt Shackleton auf die Menschenmassen, die Interesse an der Expedition zeigen.

Die neuseeländischen Behörden stellten ihm dazu das Trampschiff Kooyna zur Verfügung. So sparten sie Kohle für die Rückreise. Am Schleppseil ging es durch einen kolossalen Sturm Richtung Süden. Die Bedingungen für die überladene und bockende Nimrod stellten sich als denkbar schlecht und gefährlich heraus. Ihre Höchstlademarke lag während der zehn Tage im Sturm zwei Fuß tief unter Wasser  ! Womit ein wesentliches Limit einer sicheren Seereise überschritten schien. Der zweite Offizier Arthur Harbord notierte, derart hohe Wellen habe er in seinem ganzen Seemannsleben noch nie gesehen.61 Erst am 15. Januar 1908 kehrte die Kooyna wegen fehlender Eisverstärkung vor den ersten Eisfeldern um.62 Mehr als 1.400 Seemeilen hatte sie 36

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Flankiert vom Flaggschiff HMS Powerful verlässt die Nimrod am 1. Januar 1908 den Hafen von Lyttelton.

die Nimrod bis zum südlichen Polarkreis geschleppt. Am 23. Januar 1908 sichtete die Besatzung erstmals das Ross-Schelfeis. Shackleton war an Bord für sein umgängliches Wesen und seine Liebe zur Literatur bekannt. Wenn er keinen Dienst verrichtete, fand man ihn in seiner Kajüte mit einem Buch in der Hand. Er trug die Poesie in sich und konnte sie meterlang zitieren.63 Doch nicht immer unterstützte der Seegang das Lesen. In sehr heftigen Wellengängen versuchte Shackleton einzudösen. Es war aber ohnehin aussichtslos, jedenfalls dann, wenn noch irgendwelcher Krempel in der Kajüte herumflog, er selbst eingeschlossen.64 Mühevoll näherte sich die Nimrod einer wesentlich ruhigeren Stelle.

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Die Nimrod und ihre Besatzung in den Ausläufern des kolossalen Sturms. Allein, mit wenig Kohle, Richtung Süden.

Der verbotene Ort Angekündigte Revolutionen finden ja oft nicht statt oder nur teilweise. Mit angekündigten und erwarteten Zusagen verhält es sich ähnlich. Scott verbot ja der Nimrod-Expedition, seinen Ausgangspunkt Hut Point im McMurdo-Sound anzulaufen und von dort zu starten.65 Shackleton und seine Mannschaft näherten sich der Antarktis voller Zuversicht, einen eigenen Landungsplatz zu finden. Die Hoffnung, ihre Basis auf der KönigEdward-VII.-Halbinsel zu errichten, zerschlug sich aufgrund der Eisverhältnisse. Ein riesiger Tafeleisberg war vom Ross-Schelfeis abgebrochen und 38

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Solange es noch »aktuelle« Zeitungen gibt, verschlingen sie die Männer an Bord.

verhinderte ein Festmachen. Im dicken Eis kam das Schiff weder mit Wind noch mit Dampfkraft weiter voran. Die drohende Gefahr, vom Packeis zerdrückt zu werden, war ihr unerwünschter, aber ständiger Begleiter. Der extreme Kohlenmangel vereitelte außerdem viele Fahrmanöver. Shackleton ließ immer wieder von einem kleinen Boot aus die Umgebung erforschen, die Tiefe loten und auskundschaften, ob es eine Möglichkeit zum Anlanden gab. Die zeitraubenden Bemühungen der Männer blieben leider erfolglos. Schließlich brachte die Intervention von Frank Wild die Entscheidung. Shackleton kehrte nur ungern in den McMurdo-Sound zurück, schrieb er in sein Tagebuch, und sprach ernsthaft von der Möglichkeit, auf dem Schelfdie nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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eis zu überwintern. Wild lehnte dies entschieden ab, denn er hatte beobachtet, wie einfach sich zehn Kilometer Schelf loslösen konnten.66 Es blieb offensichtlich keine andere Alternative, als die vom Eis und rauer See ramponierte Nimrod zum verbotenen Ort zu steuern. Shackleton war letztendlich nicht in der Lage, sich an seine Zusage zu halten. Dies hätte die vorzeitige Aufgabe bedeutet. Doch wer Shackleton kannte, der wusste, wenn er sich ein Ziel vorgenommen hatte, dann ging er es zielstrebig und äußerst konsequent an. Er würde sich weder von politischen noch wirtschaftlichen Querelen Aus Sicherheitsgründen muss sich die

aufhalten lassen. Zugleich befand

Nimrod von der Küste fernhalten. Der

sich Shackleton in einer unmögli-

Kohlenmangel vereitelt zudem weite

chen Situation und litt Qualen. Sein

Fahrstrecken.

Herz rief, er solle einfach weiterfah-

ren, die Gefühle für die Familien der vielen Männer an Bord standen dagegen.67 Er zeigte sich in letzter Konsequenz nicht bereit, das Leben seiner Begleiter zu riskieren. Als Verantwortlicher ließ er schweren Herzens Captain England, Kurs Richtung McMurdo-Sound nehmen.68 Shackletons Entschluss entsprach angesichts der Schwierigkeiten durch Eisdruck, Kohleknappheit, Zeitmangel und das Fehlen einer sicheren Basis nur dem gesunden Menschenverstand. Außerdem war es von Scott absurd, Vorrechte auf die Erkundung einer ganzen Region geltend zu machen.69

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Die Anlandung Ab dem 31. Januar 1908 brachten die Männer erste Teile der Schlittenausrüstung an Land. Die Suche nach einem optimalen Standort für ihre Hütte begann zwei Tage später und war sogleich von Erfolg gekrönt. Der Platz befand sich bei 77° 32’ S, 166° 12’ O und damit gut 20 Meilen nördlich von Hut Point. Beim Marsch zum Südpol im nächsten Frühjahr also ein Nachteil. Bereits am 6. Februar des Jahres meldete der Bautrupp, dass ihr

Unermüdlich hieven die Männer Stück für

Hüttenfundament fertig sei.

Stück ihre Ausrüstung an Land.

Das Expeditionsgut lagerte, verpackt in rund 2.500 Kisten, im Inneren der Nimrod. Vom schwankenden Schiff herunter löschten die Männer 30 Tonnen Vorräte mit der Hand. Sie bewegten sich, über Eisrisse balancierend, auf Schlitten gestützt, zwischen den herumstehenden Ponys hindurch. Immer in Gefahr, durch Eisschollen zerdrückt zu werden. Das eigens mitgebrachte erste Fahrzeug der Antarktis, ihr motor-car, musste schnell fahrbereit gemacht werden. Es sollte neben den Schlitten das Haupttransportmittel zur Hütte sein. Am dringendsten, neben den ganzen anderen banalen Dringlichkeiten, war es, die Kohle für die Überwinterung an Land zu schaffen. Insgesamt 18 Tonnen landeten die Männer an. 70 Vermutlich genug, um damit bei sparsamem Umgang den Schrecken des Eises und der Finsternis zu trotzen. Zur Mittagszeit des 10. Februar 1908 waren sie gezwungen, die Nimrod wegen der treibenden Eismassen in eine kleine Bucht zu verlegen. Über deren 15 Meter hohe Klippen zogen sie mit Ladebaum und Flaschenzug mühsam ihre überlebenswichtige Ausrüstung an Land.

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Die Männer der Landungsmannschaft bereiten sich auf die Überwinterung vor. Obere Reihe  : Marston, David, Mawson, Mackay, Murray, Armytage, Roberts, Mackintosh* Untere Reihe  : Shackleton, Adams, Wild, Marshall, Joyce, Brocklehurst, Day, Priestley

Am 22. Februar 1908 fuhr die Nimrod weg. Erleichtert sah Shackleton, wie der Rumpf mit den Aufbauten immer mehr verblasste und schließlich verschwand.71 Isoliert von der Außenwelt und mit einer Ansammlung von Menschen und Tieren saß Shackleton in einer entfernten Ecke der Antarktis. Ernest Joyce, Frank Wild und Shackleton selbst verfügten über Polarerfahrung. Das war alles, was sie in die Waagschale werfen konnten. Als Überwinterungsmannschaft blieben in der Antarktis zurück  :72 Ernest Shackleton (geb. 1874), Irland/England, Expeditionsleiter Jameson Boyd Adams (geb. 1880), England, Stellvertretender Expeditionsleiter, Meteorologe

*

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Mackintosh blieb nicht zur Überwinterung und kehrte mit der Nimrod zurück.

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Frank Wild (geb. 1873), England, Proviantmeister Eric Marshall (geb. 1879), England, Leitender Expeditionsarzt, Kartograf Tannatt William Edgeworth David (geb. 1858), Australien, Leitender Geologe Douglas Mawson (geb. 1882), ­Australien, Geologe, Physiker Alistair Mackay (geb. 1878), ­Schottland, Chirurg Ernest Joyce (geb. 1875), England, Aufseher über Schlitten und Hunde George Marston (geb. 1882), ­England, Expeditionszeichner Raymond Priestley (geb. 1886), England, Geologe Sir Philip Brocklehurst (geb. 1887),

Ernest Shackleton, der Boss, am Cape Royds – in typischer Körperhaltung  : »Gehen wir es an, Männer«.

England, Geologe Bertram Armytage (geb. 1869), ­Australien, Aufseher über die Ponys James Murray (geb. 1865), England, Leitender Biologe Bernard Day (geb. 1884), England, Motorexperte, Fahrer des Autos William Roberts (geb. 1872), England, Koch* Diese Männer mussten für sich und ihre Ausrüstung eine antarktisgerechte Unterkunft errichten.

* Es gibt in verschiedenen Quellen unterschiedliche Angaben zur Mannschaft, sowohl was deren Anzahl und auch Namen betrifft. Die hier verwendete Liste folgt dem Prinzip der größten Wahrscheinlichkeit.

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Zu ideale Vorbereitungen für Mensch und Tier an einem Strand nähe Christchurch im Jahr 1907. Das Terrain hat sich für die Pferde in der Antarktis schlagartig geändert.

Nimrod Hut Für das nächste Jahr hatten die Männer die Einsamkeit gewählt. Allein und ohne Kontaktmöglichkeit vom Rest der Welt getrennt.73 Als die Nimrod nordwärts fuhr, weg aus der Antarktis und zurück in die Zivilisation, begannen die Überwinterer mit dem Aufbau ihrer Hütte.74 Sie errichteten eifrig und mit enormer Vorfreude ihren Ausgangspunkt. Ernest Shackleton wählte als Bauplatz für Nimrod Hut einen der allerschönsten Plätze der Antarktis.75 Die Mannschaft zimmerte eine Holzkonstruktion zusammen, die von Humphreys in Knightbridge/London konstruiert wurde. Für 154 £ ließ Shackleton seine Behausung herstellen und transportierte diese in 44

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Die südlichste Garage der Welt. Darin das erste Auto der Antarktis.

Fertigteilen an Bord der Nimrod um die halbe Welt.76 Entlang der Nordseite ihrer Hütte stapelten die Männer Proviantkisten zu einem Stall für die Ponys und zu einer Garage für ihr Motorfahrzeug. Shackleton erwarb 15 Ponys für seine Expedition. Zehn davon brachte er in die Antarktis mit, da er für die restlichen fünf einfach keinen Platz mehr auf der engen Nimrod fand. Die angeblich widerstandsfähigen Mandschurei-Ponys starben im Schnee und Eis wie die Fliegen. Mit mindestens sechs wollte Shackleton Richtung Pol aufbrechen. Doch nur vier sollten dann noch zum Schlittenziehen leben.77 Pferdefutter gab es somit mehr als genug, die Männer führten zehn Tonnen Hafer und Futterkleie in 250 Ballen mit sich. Zusätzlich noch 700 ausgekleidete Behälter mit Mais.78 die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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Neun Hunde und deren Nahrung brachte die Expedition auch noch in die Antarktis.79 Die Vierbeiner wurden aber selten eingesetzt. Wahrscheinlich kaum öfter als ein ganz besonderes Fahrzeug.

Arrol-Johnston Motor-Car Draußen neben der Hütte stand, Bernard Day am Steuer, in einem seltenen

während des Winters sorgfältig in

Moment, als das toll angekündigte motor-

einer Art »Garage« zugedeckt, das

car einwandfrei läuft.

erste Auto der Antarktis. Als Shackleton das gesponserte Kraftfahr-

zeug erhielt, lieferte die Arrol-Johnston Motor-Car Company den 23-jährigen Bernard Day mehr oder weniger automatisch als Mechaniker und Fahrer mit.80 Das mit großem Getöse angekündigte motor-car legte leider nie die erhofften Distanzen zurück.81 Auf dem Meereis konnten die Männer es anfangs erfolgreich einsetzen, später blieb das Auto jedoch im Schnee stecken.82 Die Antarktis bot keinen passenden Untergrund für ein Gefährt mit Rädern. Das Starten des Motors bei tiefen Temperaturen gestaltete sich zudem äußerst schwierig.83 Eingesetzt wurde das motor-car anfangs vornehmlich zum Lastentransport zwischen Schiff und Hütte. Zu mehr eigentlich nicht. Die Luftkühlung der Motoren erlaubte 16 Meilen pro Stunde, als theoretische Geschwindigkeit versteht sich. Durch die extrem niedrigen Temperaturen schied Wasserkühlung als Option aus.84 Eine durch und durch grenzwertige Angelegenheit. Im Inneren von Nimrod Hut lagerten, in Holzkisten verpackt, viele Dosen von Price’s Niedrigtemperaturmotoröl. Sie wurden nie angerührt.85 Was man von den Kohlevorräten nicht gerade sagen konnte.

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Ein Ofen für alle und alles. Mawson, als Ofenwächter, beim Lesen.

Etwas Wärme in extremer Kälte Zum Heizen, Trocknen der vereisten und nassen Kleidung, Kochen und Schneeschmelzen diente der Expedition ein großer Kohleofen der Marke Mrs Sam.86 Dieser wurde von Smith and Wellstead in London gefertigt und so ausgelegt, dass er pausenlos Tag und Nacht befeuert werden konnte. Mrs Sam war sozusagen der sechzehnte Mann und schaffte es, die Innentemperatur um rund 30 bis 40 Grad höher als draußen vor der Tür zu halten. Um die Hütte nur halbwegs warm zu bekommen, verschlang er jede Woche rund fünf Zentner Kohle.87 Der Ofen für alle und alles geriet zwangsläufig zum Lebens- und Überlebensmittelpunkt der Expedition. die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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Die Kammer von Edgeworth David vermittelt einen Eindruck der vorherrschenden Zustände innerhalb von Nimrod Hut.

Nimrod Hut selbst war mit zehn Metern Länge und knapp sechs Metern Breite in allererster Linie einmal beengt. Nichts weiter. Shackleton konnte sich in eine eigene kleine Koje zurückziehen, in der sich auch die Bibliothek befand. Seine vierzehn Begleiter schliefen auf improvisierten Betten, jeweils zu zweit in abgetrennten und individuell eingerichteten Abteilen.88 Zwei kleine Kammern dienten als Labor und Dunkelkammer.89 Im Laboratorium befanden sich wissenschaftliche Gerätschaften und Utensilien. Darunter hochgiftige Osmiumsäure als Kontrastmittel zum Anfärben von biologischem Material und unzählige Glasröhrchen mit Korkverschluss für Proben. Daneben Formalin in Flaschen, welches den Weg aus Deutschland 48

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hierher fand. Als Lieferant stand die Chemische Fabrik auf Actien (vormals E. Schering) Berlin auf dem Etikett.90 Bei der britischen Antarktisexpedition wurde erstmals bei einer Entdeckungsreise im Eis auf die Fotografie viel Wert gelegt. Neun verschiedene Kameratypen hatte Shackleton angekauft. Diese, die Glasplatten und das Filmmaterial lagerten in der Dunkelkammer.91 Leere Expeditionskisten verwendete die Mannschaft vielfältig zum Innenausbau. Die gesamte Einrichtung bestand fast ausschließlich aus ihnen. Manche endeten als Bettstatt, andere als Regal. Nimrod Hut schien, innen und teilweise auch außen, aus Verpackungskisten zu bestehen.

Kistenweise kostbare Vorräte Shackleton versuchte alles, um dem Skorbut vorzubeugen und eine ausgewogene und vitaminreiche Ernährung zu gewährleisten. Der Expeditionsarzt Dr. Marshall eignete sich zu Skorbut vor ihrer Abreise den neuesten Erkenntnisstand an. In der Frage nach der Ursache bestand keine Einigkeit. Mehrere Theorien, eine davon ging von einer Übersäuerung des Blutes aus, glaubten die Auslöser für Skorbut belegen zu können. Marshall hielt von den Ideen nichts, er glaubte an die »Frische-Lebensmittel-Theorie«. So erkannte er richtigerweise, dass Skorbut eine Mangelkrankheit darstellte, die durch richtige Ernährung geheilt oder verhindert werden konnte. Marshalls Ansicht vertrat auch Shackleton selbst. Er räumte der Expedi­ tionsverpflegung zur Skorbutprävention höchste Priorität ein. Ein weiterer wichtiger Grund dafür war, dass er aus psychologischen Gründen seinen Männern üppige Vorräte gönnte.92 In Kistenregalen fanden sich fein säuberlich aufgereiht getrocknete Stachelbeeren in versiegelten Flaschen. Daneben, auf dieselbe Weise gelagert, Rote Johannisbeeren. Einige der überlebenswichtigen Glasflaschen blieben sogar noch sorgfältig in dem Stroh eingepackt, das den kostbaren Inhalt auf der langen Reise bis hierher schützte.93 An den Wänden hing Schinken, eine Auswahl aus rund 800 Kilogramm. In weiteren Regalen Unmengen von Senf, die von Coleman’s kostenlos zur Verfügung gestellt wurden.94 Darunter, die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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in Dosen, Kidney Soup, fein säuberlich gestapelt.95 J. Speight & Co aus Dunedin/Neuseeland unterstützte die Männer mit zwei Fässern Bier. Weizenmehl, mehr als drei Tonnen, jeweils in dreieinhalb Kilopaketen, kam von Hunters aus Edinburgh. Dazu noch Unmengen an Wholemeal-Biscuits, eine Art Zwieback in Kisten, von dem sie insgesamt 1.120 Kilogramm einlagerten. Butter aus Dänemark, in Dosen und davon insgesamt 700 Kilogramm. Außerdem eine gute halbe Tonne neuseeländische Butter. Dosenfisch in erklecklicher Anzahl und von 1.300 Kilogramm an Gewicht. Dazu Salz der Marke Marmozet aus Liverpool, insgesamt 380 Ein-KiloIn der Iglo Hut lagern zusätzliche Vorräte für die Expedition. Bedeckt durch hineingewehten trockenen Schnee.

Gläser.96 Auch für die erforderliche Hygiene und Reinlichkeit schien gesorgt, diesen Part übernahm Jeyes Concentrated Sanitary Powder.97

Es gab fast alles in ihrer Hütte, Shackleton hatte sogar an Whisky gedacht.* Er mochte dieses Getränk angeblich.98 So brachten die Männer * Bei Renovierungsarbeiten im Südsommer 2006 entdeckten in der Hütte auf Cap Royds Arbeiter zwei Kisten Whisky unter Dielenbrettern im Boden festgefroren. Bei der Heimreise ließ Shackleton die beiden (andere Quellen sprechen von fünf) Kisten mit dem Scotch der Marke Mackinlay in der Hütte zurück. Wie der Rare Old-Whisky von Mackinlay schmeckte, weiß niemand mehr so genau. Der Spirituosenproduzent Whyte & Mackay, dem die Marke heute gehört, will es herausfinden. Der gut abgelagerte Whisky könne durchaus noch trinkbar sein und genau so schmecken wie vor 100 Jahren. So zeichnete sich dieser Whisky am Anfang des 20. Jahrhunderts durch einen besonders schweren und torfigen Geschmack aus. Dieser dürfte aufgrund der kühlen Lagerung in der Antarktis erhalten geblieben sein. Mitglieder des neuseeländischen Antarctic Heritage Trust hatten deshalb

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Whisky der Marke Rare and Old99 der schottischen Brennerei Mackinlay mit, um die Südpol-Expedition mit Hochprozentigem zu versorgen.100 Dazu einige Fässer Cognac, die aus der Hunter Valley Distillery im australischen Allandale stammten.101 Shackleton meinte, Alkohol tue ihm nicht gut, und dass seine Fantasie auch ohne ihn lebhaft genug sei. Alkohol würde einen Menschen auf maßlose Ideen bringen

Priestley, Shackleton, Adams mit Pfeife,

und dessen Gleichgewicht gefähr-

Day, Wild beim Polieren der Schlittenkufen,

den. Besäße er nicht eine gewisse

Armytage, Davis, Mackay und Joyce.

Willensstärke, hätte Shackleton, nach seinen Worten, einen erstklassigen Trunkenbold abgegeben.102 Was die Verproviantierung der Expedition betraf, schien Shackleton auf jeden Fall reichlich Spielraum für unvorhergesehene Ereignisse gehabt zu haben. Nachdem die Überwinterer die gesamte Ausrüstung in und um Nimrod Hut deponiert hatten, begannen sie mit der Perfektionierung der einzelnen Teile. In den Expeditionskisten und Regalen und an den Füßen der Männer befanden sich unterschiedliche Schuhtypen. Die britischen Lederschuhe schienen dabei nie ansatzweise so gut geeignet wie die traditionellen Finneskos aus Lappland. Aus dem Fell der Rentiere hergestellt und mit norwegischem Sennegras gefüttert, waren diese Klassiker qualitativ unerreicht.*

einige der Flaschen mit Spezialbohrern vom Eis befreit. Der größte Teil muss allerdings, entsprechenden Verträgen zufolge, aus historischen Gründen im ewigen Eis der Antarktis bleiben.

Mittlerweile wurde der Original-Whisky erfolgreich analysiert und »nachdestilliert«. Ein Teil seines Verkaufserlöses kommt dem Antarctic Heritage Trust zugute.

*

Finneskos zählten zu den haltbarsten und wirksamsten Gegenständen der arktischen Ureinwohner und können mit allen heute hergestellten Stiefeln mithalten oder sind ihnen sogar überlegen.

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Solche Fellschuhe benutzten Shackleton und andere Polarforscher schon früher.103 Von den normalen Finneskos aus Fellen im Oberteil der Tiere gefertigt, orderte Shackleton während der Expeditionsvorbereitungen 80 Paar. Traditionsgemäß wurden diese von den Lappen hergestellt. Zusätzlich gelang es ihm, zwölf Paar der allerbesten Qualität an Bord zu schaffen, jene aus dem begehrten Beinfell der Rentiere.104 Ergänzend zu den bereits bewährten Fellschuhen nahm Shackleton noch 60 Paar ski boots mit, welche aus weichem Leder gefertigt wurden und ein Abrollen beim Gehen mit den Skiern gewährleisteten. An der Bauweise der Schuhe saß Shackleton nächtelang. Was ihre Bewegungstauglichkeit betraf, zeigten sie eine gute Machart, doch durch ihren nichtgefütterten Aufbau war den Männern in diesen Schuhen immer nur fürchterlich kalt.105 Warme Füße konnte Shackleton lediglich im Inneren von Nimrod Hut ermöglichen.

Aurora Australis* Am 23. April 1908 verschwand die Sonne für Monate, denn die Polarnacht senkte sich herab. Draußen gefror das Meer, und es herrschte eine schreckliche Kälte, wie auf einem der äußeren Planeten.106 Den Platz in der engen Hütte, ihrem einzigen Zufluchtsort, mussten die Männer während der Wintermonate bestmöglich nutzen. In der Enge nervten sie sich an, gingen sich fast an die Kehle und verfluchten den Zimmernachbarn heimlich in ihren Tagebüchern.107 Alle aßen eng beisammen an einem Tisch. Den zogen sie nach den Mahlzeiten mit Seilen an die Decke, um Raum für andere Tätigkeiten zu schaffen. An diesem unwirklichen Ort entstand das erste Buch der Antarktis  : Aurora Australis, in dem die Überwinterer die Ereignisse der Expedition festhielten. Shackleton verstand den Wert des gedruckten Wortes und schuf die Voraussetzungen, dass sie ihr Buch in der finstersten Jahreszeit herstellen konnten. Seine Idee war primär, die Männer während der langen Polar*

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Das Südlicht oder das Polarlicht des Südens.

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Joyce und Wild arbeiten mit der Tretnähmaschine an Zuggeschirren. In diesem Abteil der Hütte befindet sich auch ihre Druckerei.

nacht beschäftigt und bei Laune zu halten. Schon im Vorfeld der Expedition ließ er Frank Wild und Ernest Joyce einen Druckerlehrgang besuchen und kümmerte sich um die erforderliche Ausrüstung. Durch die Großzügigkeit von Messrs. Joseph Causton and Sons, Limited hatten die Männer eine Druckerpresse, dazu die obligatorischen Werkzeuge, Lettern und Unmengen an notwendigem Papier zur Verfügung. Ernest Joyce und Frank Wild perfektionierten ihre Handgriffe und Fähigkeiten, mit dem Geschenk umzugehen.108 Als die einzelnen Buchseiten fertig gedruckt und getrocknet waren, übernahm mit Bernard Day, dem Motorexperten und motor-car-Fahrer, einer der technisch versiertesten Männer die Fertigstellungsarbeiten. Offendie nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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sichtlich teilten alle die Meinung, er solle ebenfalls seinen Beitrag leisten. Sein Auto war ohnehin winterfest verstaut. Sorgfältig reinigte, schmirgelte und polierte Day Venesta-Bretter von den Verpackungskisten als Buchdeckel. Diese Holzplatten in Leichtbauweise bestanden aus einem wasserfest verleimten dreischichtigen Eichen- oder Kastanienholz. Er verband die hölzernen Buchdeckel sehr professionell mit einem Lederrücken und heftete die Seiten mit einem grünen Seidenbindfaden109 an ihre Gelenke.110 Ein Buchcover dürfte die Männer bei der Herstellung besonders amüsiert haben. Marston sägte ein Kistenbrett passend, auf dem mit Schablone beschriftet in großen Lettern »VEAL« stand. Gemeinsam mit Joyce und Wild schuf er somit die VEAL-Edition.* Da die einzelnen Bücher nicht nummeriert waren, schien unklar, wie viele Stück es tatsächlich gegeben hat. Im Allgemeinen wurde angenommen, dass zwischen 90 und 100 Stück gedruckt wurden, davon gab es dann 25 bis 30 gebundene Versionen.111 Auf jeden Fall zählte Aurora Australis mit einer Auflage von kaum hundert Stück112 zu den seltensten Büchern der Welt.** Auf einzigartigen 120 Seiten, eingebunden in Kistendeckel und zusammengehalten durch Lederstreifen der Ersatzgeschirre, gaben die Überwinterer der Nachwelt einen Einblick in ihr Leben und ihre Gedanken in der Abgeschiedenheit der Antarktis. Deren faszinierende Schauspiele in Worten festzuhalten, gelang in der Aurora Australis brillant. Am Ende des Buches über die Schönheit der Antarktis stand der Beginn des eisigen Marsches durch sie.

Aufbruch ins Eis Die Entfernung oder Entlegenheit eines angestrebten Zieles vom Ausgangspunkt einer Reise ist schwer in Relation zu setzen zu den erwarteten

*

Einhundert Jahre später wechselte die Veal-Edition (Kalbfleisch-Ausgabe) bei einer Auktion in New York für 70.000 $ ihren Besitzer.

** Anmerkung  : Ein Exemplar von Aurora Australis wurde am 25. September 2001 bei Christie’s in London, King Street, für 30.550 £ versteigert.

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Strapazen der Zielerreichung. Immerhin, nach den Kriterien Einsamkeit und Unerreichbarkeit befand und befindet sich die Antarktis wohl unangefochten in einer eigenen Dimension. Genauso wie auch die Menschen, die sich in diese Region vorwagten, ein besonderes Maß an Isolation ertragen mussten. Die Heimat dieser Abenteurer war die Ferne. Und Abenteurer empfanden es schon immer als hart, ihre Vorbereitungen unterbrechen zu müssen für so profane Dinge wie Essen und Schlafen. Auf Nahrung und Erholung verzichteten die Menschen nur in Extremsituationen. Kaum gern, aber manchmal erschienen ein voller Teller und ein leeres Bett dem in der Leidenschaft Verstrickten belanglos. Zwischen ihrem Ausgangspunkt und Ziel galt es auf viel zu verzichten und weit zu gehen.

Der längste einsamste Spaziergang der Welt Shackleton verfasste für den Todesfall schon einmal einen letzten Liebesbrief an seine Frau. Seine Stimmung trübte das nicht. Ein herrlicher Tag für den Aufbruch, schrieb er am 29. Oktober 1908 enthusiastisch, glänzender Sonnenschein und ein wolkenloser Himmel.113 Unter diesem machten sich Shackleton und seine drei Gefährten – Frank Wild, Eric Marshall und Jameson Boyd Adams – auf den Weg zum Südpol.114 Ihr Blick richtete sich nach oben. Die Abwesenheit des Himmels in der Antarktis wirkte nachhaltig auf die Männer. So allein, wie die vier Kameraden ab diesem Zeitpunkt sein würden, war noch nie jemand auf der Welt. Hätte die Polgruppe gewusst, in welche enorme Höhenlage sie sich in den nächsten Monaten begeben musste, wäre ein leichter Zweifel ihr Begleiter gewesen. Während sie letzte Hand an die vier von Ponys gezogenen Schlitten anlegten, jeder beladen mit 270 kg Ausrüstung und Proviant, blickten ihre Augen auf die Weite des Eises hinaus.115 Der Südpol lag 748 Seemeilen oder 1.204 Kilometer in der Luftlinie entfernt. Es herrschte grenzenlose Begeisterung, als der große Marsch begann. Um neun Uhr morgens fuhr das Automobil mit zwei Schlitten und der fünfköpfigen Hilfsmannschaft los.116 Die motorisierte Zugmaschine startete dabei als führender Part über das ebene Meereis.117 Doch nicht lange. die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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Selten genug funktioniert ihr Automobil. Doch am Tag des Aufbruchs können die Männer darauf zählen. Vorerst.

An Land kämpfte sich das motor-car so recht und schlecht acht Meilen weit und blieb dann mit überhitztem Motor im lockeren Schnee liegen.118 Am 2. November 1908 begann der eigentliche Weg zum südlichsten Punkt der Welt. Am Rande der Barriere fotografierte Brocklehurst von der Begleitmannschaft die Polgruppe einschließlich aller Schlittenfahnen und des königlichen Union Jack.119 Die vier Männer und vier Pferde schleppten sich und ihre Nahrung südwärts. Proviant für 91 Tage – oder 110  ? Shackleton, Wild, Marshall und Adams hatten Proviant für 91 Tage bei sich. Dazu das Fleisch der Ponys, die sie auf dem Weg schlachten würden. Dies bedeutete, dass sie im Schnitt 16 Meilen am Tag120 gehen mussten. Shackleton erinnerte sich nur zu gut daran, dass er, Scott und Wilson 1902 durchschnittlich lediglich sechs Meilen geschafft hatten.121 Nach neun Tagen hatten sie selbst erst 55 Meilen zurückgelegt. Schneestürme fesselten die Männer an die Zelte.122 Shackleton nutzte die Zeit, um seine Pläne an die Situation anzupassen. In den Nächten berechnete er, wie sie ihren Proviant strecken konnten. Durch eine Kürzung der Rationen ließ sich die Dauer der Expedition von 91 auf maximal 110 Tage erhöhen.123 Am 7. November 1908 herrschte noch immer kein ideales Wetter. Die Begleiter verabschiedeten sich plangemäß und entließen die Polgruppe allein in die Weiten des Eises. 56

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Vier Männer, vier Pferde und vier Schlitten beim Aufbruch zum unteren Ende der Welt.

Alsbald gerieten Mann und Pferd in eine spaltendurchzogene Ebene. Eric Marshall brach mit einem Bein in ein Loch ein, dessen Boden sie nicht sehen konnten. Wenig einladend, vermerkte er kurz und bündig. 48 Stunden blieben sie in dem gefährlichen Gebiet, da die Lichtverhältnisse ein Weitergehen unmöglich machten. Um Tran zu sparen, kochten die Männer nur den Ponys Eintopf und verzichteten selbst auf ein warmes Essen. In der Wartezeit zeigte sich wieder einmal Shackletons großes Einfühlungsvermögen. Die vier Kameraden wohnten in zwei Zelten und beschlossen, jede Woche die Zeltpartner zu tauschen, damit ihre Gruppe nicht in zwei Cliquen zerfiel. Im Gegensatz zu den Menschen mussten die Pferde im Freien ausharren, ungeschützt der bitteren Kälte und dem Sturm ausgesetzt. Shackleton und seine Gefährten errichteten Schneewände als Windschutz für die Tiere und banden ihnen Decken auf den Rücken.124 Tag wie Nacht erduldeten die Ponys auf der Expedition entsetzliche Zeiten. Sie sanken beim Ziehen tief in den Schnee ein, anstatt auf der Oberfläche dahinzustapfen. Zudem litten sie immer an Kälte und es quälte sie unaufhörlich der Hunger. Der Druck des Pferdehufes war für andere Untergründe gemacht und für den Schnee einfach zu hoch. Am schlimmsten litten die Tiere unter ihrem eigenen Schweiß, der beim Stehenbleiben auf ihnen gefror. Die Männer rieben sie trocken und verwöhnten ihre Zugtiere.125 Shackleton und seine Gefährten kümmerten sich Tag für Tag, Stunde für Stunde um sie.126 Letztendlich vergeblich. die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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Das Depot B mit der entsetzlich kleinen Fahne in der unendlichen Antarktis

Mitte des Monats entdeckte Frank Wild das Depot A, welches sie vor vielen Monaten angelegt hatten. Sie nahmen überwiegend Pferdefutter mit und ließen eine Notration Lebensmittel für drei Tage zurück. Den ganzen November hinweg gingen die Kameraden schwerfällig weiter. Die Ponys glitten aus, taumelten und versanken zeitweilig, bis zum Bauch schwimmend, im Schnee.127 Die Männer kämpften gegen den dauernden Hunger an. Ihr Essen bestand aus Pemmikan, Zwieback, Kakao, Käse, Haferflocken und Zucker – 4.300 Kalorien am Tag. Das reichte nicht aus. Das Pony mit dem Namen Chinamann scheuerte sich die Fesselgelenke auf. Es musste am Abend des 21. November 1908 hinter einer schnell errichteten Schneemauer durch einen Gnadenschuss erlöst werden. Dreißig Kilo des Pferdefleisches ließen sie im Depot B zurück und nahmen weitere vierzig Kilo Richtung Süden mit. Das Depot B war nur durch eine einzige schwarze Fahne an einem Bambusstab gekennzeichnet. Diesen befestigten sie an dem nicht mehr benötigten Schlitten. Eine letztlich sehr unscheinbare Markierung für ein überlebenswichtiges Vorratslager. 58

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Die Schlitten und besonders ihre Schwachstellen erforderten ständig Reparaturen und Aufmerksamkeit. Zu selten fiel im Zelt der Satz  : »Boss, heute war ausnahmsweise einmal ein Tag, an dem wir mehr reparieren konnten als kaputtgegangen ist.« Eric Marshalls wichtigste medizinische Leistung bestand im Versuch, Adams einen schmerzenden Zahn ohne Zange zu ziehen. Der Zahn brach jedoch ab. Erst am nächsten Tag war ein neuerlicher Versuch, wie der erste ohne Betäubungsmittel, erfolgreich.128 Aber alles verblasste zur Bedeutungslosigkeit, als sie ihr

Am 22. November 1908 sehen die Männer Land, das zuvor noch kein menschliches Auge erblickt hat.

Lager an einer Stelle aufschlugen, die Scott sechs Jahre zuvor als Shackleton Inlet bezeichnet hatte.

Am unteren Ende der Welt Wir haben den südlichsten Punkt, den ein Mensch je erreichte, überschritten. Wir befinden uns auf 82° 18,5’ südliche Breite, schrieb ein jubelnder Shackleton am 26. November 1908 in sein Tagebuch.129 Seine Gedanken flogen nachts mit den Stürmen über das Eis, jenem magischen Punkt zu, den es noch zu erreichen galt. Ihre Geschwindigkeit war im Vergleich zu Scotts Versuch enorm hoch, hatte dieser doch 59 Tage bis hierher benötigt. Shackleton schaffte die gleiche Distanz mit seinen drei Begleitern in 29 Tagen.130 Frank Wild glaubte, dass sie den Pol erreichen können. Gleichzeitig plagten ihn Zweifel, ob sie auch wieder heil zurückkehren würden.131 Wilds Pessimismus bezog sich auf den Nahrungsmangel. die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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Das Camp bei 82° 45’ südlicher Breite. Hier ist der letzte bestehende Rekord schon gebrochen.

Als Bergspitzen zu ihrer Rechten auftauchten, wurde ihr Entdeckergeist weiter beflügelt. Noch wussten sie nicht, ob der Pol in der Ebene oder irgendwo im Gebirge lag. Am 3. Dezember 1908 bekamen sie eine erste Antwort auf diese Frage. Sie bestiegen einen Hügel, den sie Mount Hope nannten. Im Südosten erstreckten sich die Transantarktischen Gebirgsspitzen. Sie konnten nur einen Teil davon erblicken, denn diese 3.500 Kilometer lange Bergkette war nicht so hoch, aber größer als der Himalaja.132 Zu ihren Füßen zog ein riesenhafter Gletscher dahin. Dieser ermöglichte vermutlich den Weg in den Süden. Hier lag vielleicht sogar der Schlüssel zum Pol. Shackleton widerstand der Versuchung, auf der Ebene weiterzuziehen, und entschied sich dafür, den Gletscher hochzusteigen. Das zeugte von großem Mut und auch von Intuition. Von diesem Moment an begannen seine Kameraden, sich seiner Führungskunst zu ergeben.133 60

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Unterhalb vom Mount Hope fanden sie den einzigen Pass zum Gletscher und gaben ihm den Namen Gateway. Was sie nicht wussten  : Sie hatten tatsächlich eine der wenigen Routen gefunden, auf denen man das Transantarktische Gebirge durchqueren kann. Den riesigen Gletscher taufte Shackleton nach seinem Sponsor BeardmoreGletscher. Ein regelrechter Riese seiner Art, doppelt so groß wie jeder andere bekannte Gletscher.134 Dann kam der Tag, an dem der großartige kleine Grisi erschossen wurde und zum Inhalt eines neuen Vorratslagers verkam. Die Gegend stellte sich als noch unpassender für Ponys heraus als alles andere zuvor. Anfang Dezem-

Dieser spektakuläre Granitfelsen dient als Landmarke. Am Fuß des Gletschers legen sie ihr viertes Depot an.

ber 1908 brach das ausgemergelte Pony Quan zusammen und erhielt seine Erlösung durch Wilds Gnadenschuss. Das Quan-Depot würde ihnen bei der Rückkehr nichts von seinem Namensgeber bieten, Marshall konnte nur Fleisch für fünf Tage aus dem geschundenen Kadaver gewinnen. Am nächsten Abend notierte Wild in seinem Tagebuch  : Letzte Nacht hat der arme Socks uns lange wach gehalten, weil er wegen seiner verlorenen Kameraden wieherte und klagte.135

Treue Weggefährten Wie zu erwarten, überlebte nicht ein einziges der Ponys, welche Richtung Pol eingesetzt wurden. Leider vertraute Shackleton einer Falschaussage von Frederick Jackson. Er fand Ponys im Rahmen seiner eigenen Expedition für die die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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Treue Weggefährten auf verlorenem Terrain. Die ungeeigneten Ponys leiden und verkommen zur kalkulierten Nahrungsquelle.

Antarktis besonders geeignet. Doch Jackson, ein Pferdenarr sondergleichen, verschwieg die großen Probleme seiner geliebten Tiere in Eis und Schnee.136 Plötzlich war Socks weg. Völlig lautlos verschwand das Pony mit größeren Mengen Proviant in einer Gletscherspalte. Nirgends eine Spur von Socks, schrieb Expeditionsleiter Ernest Shackleton am 7. Dezember des Jahres konsterniert in sein Tagebuch. Wir legten uns flach auf den Boden und sahen in den Schlund hinab, doch kein Laut drang zu unseren Ohren. Es schien eine schwarze, bodenlose Tiefe zu sein. Die Männer starrten nicht aus Tierliebe solange in den Abgrund. Sie standen selbst am Abgrund. Der Verlust des letzten Pferdes gefährdete ihren ehrgeizigen Plan und ihr Leben.137 Denn Socks sollte nicht nur die schwere Ausrüstung ziehen. Sein Tod war von Anfang an eingeplant, auch sein Fleisch eine feste Größe im knappen Speiseplan von Shackleton, Wild, Adams und Marshall. Drei Pferde hatten die Männer ja schon in den letzten Wochen erschossen, als die Tiere früher 62

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schlapp machten als erwartet. Ein Detail, das seinesgleichen sucht. Für die Exekutionen schütteten sie immer einen Sichtschutz aus Schnee auf, um die lebenden Ponys nicht zu erschrecken. Tagsüber kauten sie das rohe Pferdefleisch und vergruben den Rest in den Depots. Eine ernste Sache stellte für Shackleton daher Socks plötzliches Verschwinden dar. Als Optimist tröstete er sich mit dem Tierfutter. Den Mais essen wir nun selber, notierte er lakonisch. Ungekocht.138 Ab diesem Zeitpunkt standen Shackleton und seinen Begleitern nur mehr 3.000 Kalorien am Tag zur Verfügung. Noch dazu hieß es 450 Kilogramm Vorräte auf den

Die vier Männer campieren auf dem Gletscher in Zelten ohne Boden. Schnee und Eis können ungehindert eindringen.

Beardmore-Gletscher zu schleppen, wo ein Ausrutscher oft den Tod bedeuten konnte.139 Shackleton wusste, dass seine Mannschaft nur knapp am Rande einer Katastrophe stand. Socks war der Kugel entronnen und in einem schwarzen bodenlosen Abgrund verschwunden. Beinahe hätte das Gewicht des Pferdes Frank Wild, der mit einem Seil an Socks hing, mit hinabgerissen. Die marode Ausrüstung rettete sein Leben. Socks Zuggeschirr brach, Wild schlitterte zwar in die Gletscherspalte, konnte sich aber festkrallen, und auch der Schlitten wurde geborgen. Ohne den, so Shackleton, wären nur zwei Schlafsäcke übrig geblieben und ich bezweifle, ob wir jemals wieder zu den Winterquartieren zurückgekommen wären.140 Nach dem Verlust von Socks und dem von Wild beinahe auch zeigte Shackleton wiederholt außergewöhnliche Führungseigenschaften. Er hielt die Männer zusammen und fokussierte alle erneut auf das ultimative Ziel.141 die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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Shackletons Angriff auf den Pol Was dann folgte, hieß man-hauling, das traditionelle Programm. Immerhin eine wahrhaft britische Methode, nach dem Verenden der Ponys die Schlitten selbst zu ziehen. Die Männer gerieten zu ihren eigenen Zugtieren und verschlissen sich dabei.142 Ein Tag verlief besser als erwartet. Sie kamen auf hartes blaues Gletschereis, auf dem sie über zwölf Meilen zurücklegen konnten. Schon der darauffolgende Tag forderte mehr als genug Sühne für dieses Glück. Ein Steilhang verlangsamte ihr Vorankommen erheblich.143 Für fünf gewonnene Meilen des Weges legten sie insgesamt fünfzehn zurück. Sie entluden Teile der Ausrüstung vom Schlitten, zogen diesen ein Stück weiter und holten dann die abgeladenen Sachen. Dies bescherte ihnen ein äußerst langsames und anstrengendes Vorgehen.144 Zumindest das Wetter blieb in der ersten Dezemberhälfte ausgesprochen gut, aber das bedeutete nicht unbedingt einen Vorteil. In der Hitze mussten sich die Männer bis auf die lange Unterwäsche und ein Oberhemd entkleiden. Durch das starke Schwitzen kam es zu einem schwer auszugleichenden Flüssigkeitsverlust. Am 15. Dezember 1908 schöpften sie durch die grandiose Aussicht bei ihrem Mittagessen neue Hoffnung. Vor ihnen erstreckte sich eine lange, weite Ebene. Zwei Tage später richteten sie bei einem aufragenden Felsen, sie gaben ihm den Namen Mount Buckley, das Depot E ein. Auf 1.800 Meter Seehöhe blieb alles zurück, was sie entbehren konnten oder glaubten, entbehren zu können. Damit hatten die Männer die Brücken hinter sich abgebrochen. Sie rechneten mit einem ungehinderten Durchmarsch zum Pol. Zu ihrer Enttäuschung erreichten sie das anvisierte Plateau des Gletschers auch in den nächsten Tagen nicht. Sie stiegen und stiegen weiter hoch und lagerten auf unglaublichen 2.400 Metern. Am Weihnachtstag ließen sie einen Schlitten zurück. Shackleton glaubte immer noch daran, er könne den Pol erreichen. Die Steigung des Gletschers hatte sich ab einer Höhe von 3.000 Meter verringert. Die Spalten konnten sie hinter sich lassen und die glattere Oberfläche lud zum Weitergehen ein. Vier erschöpfte Gefährten kämpften mit Schneetreiben, stür64

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Das Weihnachtslager mitten auf der Hochebene. Adams, Marshall und Wild.

mischem Wind und einer Temperatur von minus 52 Grad. Sie liefen immer noch weiter von der Zivilisation entfernt durch das Eis als je ein Mensch vor ihnen.145 Weihnachten 1908 verbrachten die Männer auf typisch exzentrisch britische Art mit Plumpudding und Brandy. Dann diskutierten sie ihre Situation. Unter größten Anstrengungen hatten die vier über 450 Meilen zurückgelegt, doch 280 weitere lagen noch vor ihnen.146 Um ihr Ziel zu erreichen und zurückkehren zu können, hatten sie nicht genug Proviant. Also gelangten die vier zu einer einfachen Lösung. Sie würden wieder einmal die Rationen kürzen.147 Die Lebensmittel einer Woche mussten von diesem Moment an immer für zehn Tage reichen. Mit den nochmals limitierten Lebensmittelvorräten galt es 14 Meilen pro Tag zu schaffen. Dabei hatten Shackleton und seine Begleiter keine Sicherheitsmarge einkalkuliert. die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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Die weiter ansteigende Wegstrecke brachte sie nach dem Höhenmesser auf über 3.100 Meter. Die Höhe löste bei Shackleton und Adams Kopfschmerzen und Schwindelgefühle aus. Am 30. Dezember 1908 kam ein heftiger Schneesturm auf. Die Männer mussten schon nach vier Meilen in ihren Zelten Zuflucht suchen. Sie taten alles, um sich warm zu halten, und hörten dem Schneetreiben auf den Zeltwänden zu. Shackleton überlegte natürlich, was sie besser machen konnten. Beim Essen gab es definitiv kein Einsparungspotenzial mehr. Unmittelbar nach dem Sturm waren sie startklar. Es ging weiter nach Süden. Wieder einmal. Am 4. Januar 1909 legten die Männer in der Höhe von 3.400 Meter148 ein kleines Vorratslager an. Wirklich rührend klein sah die Bambusstange mit einem Sackfetzen als Fahne inmitten dieser Unendlichkeit aus.149 Mit dieser Markierung kennzeichneten sie die Lagerstätte jenes Proviants, der beim Rückmarsch bis zum nächsten Depot, rund 150 Meilen nördlich, ausreichen musste. Schon nach einer halben Stunde verschwand ihre Überlebensgarantie außer Sicht. Sie konnten beim Rückweg auf nichts weiter als die von ihnen hinterlassenen Fußspuren vertrauen. Diese mussten zumindest unverwechselbar ihre eigenen sein. Womit ein Unsicherheitsfaktor wegfiel. Durch die etwaige Gefahr von Schneefällen oder Sturmverwehungen kam jedoch ein erhebliches Risiko dazu. Shackleton und seine Männer setzten ihre letzen Reserven an Mut und Ausdauer ein. Sie kämpften sich in den ersten sechs Januartagen rund 60 Meilen näher an den Südpol heran. In der Nacht des 6. Januar 1909 deponierten sie alle Ausrüstungsgegenstände und Vorräte und richteten sich auf einen letzen Vorstoß südwärts ein. An den beiden nächsten Tagen hielt sie allerdings ein Blizzard in ihrem Zelt liegend fest.

Wo kein Mensch zuvor stand Erst am Morgen des 9. Januar 1909 liefen die vier ausgemergelten Gestalten durch den Schnee. Sie ließen das Camp und die Schlitten zurück und trugen nichts anderes als ein paar Biskuitkekse bei sich. Nach fünf 66

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Shackletons Furthest South, 9. Januar 1909. Adams, Wild und Shackleton. Marshall ist der Fotograf.

Stunden hielten sie an und inne. Dann rammten sie den Union Jack in das an dieser Stelle über vier Kilometer dicke Eis.* Darunter vergruben die vier einsamsten Menschen der Welt den Messingzylinder mit britischen Hoheitsdokumenten150 und schüttelten sich die Hände. In dem Behälter befanden sich auch noch Sonderbriefmarken, welche die neuseeländische Regierung zur finanziellen Unterstützung der Expedition ausge-

*

Die größte Eisdicke in der Antarktis beträgt gut vier Kilometer (Quelle  : 4.335 m nach Messner, Reinhold  : Antarktis – Himmel und Hölle zugleich, S. 393)

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geben hatte.151 Die Männer erreichten mit extrem wenig Unterstützung 88° 23’ und standen somit nur noch 97 Meilen vom Südpol entfernt.152 Sie nahmen das Gebiet offiziell in Besitz und nannten es King Edward VII Plateau.153 Die knappen Reserven zwangen sie, unverzüglich umzukehren. Um ein Haar wäre Shackleton der berühmteste aller Polarforscher geworden. Im Dunstkreis dieser magischen Stelle, an der alle Himmelsrichtungen, bis auf eine, aufhörten zu existieren. Marshall* baute noch die Kamera auf und lichtete seine Gefährten ab. Das Foto zeigte nachher bärtige Gesichter, von der mörderischen Anstrengung um Jahrzehnte gealtert.154 Später sollte Adams sagen  : »Wenn wir nur eine Stunde weitergegangen wären, hätten wir es nicht mehr zurück geschafft.«155 Shackleton kehrte in Sichtweite des Zieles seiner Wünsche um. Eine, ohne Zweifel, der mutigsten Taten in der Geschichte der Polarforschung. Umzukehren erforderte eine besondere Art von Mut.156 Er war zu diesem Zeitpunkt am weitesten an das untere Ende der Welt vorgedrungen. Shackleton als Weltmarktführer in Sachen Polarforschung bewertete das Überleben seiner Männer höher als den totalen Triumph. Sie hätten den Südpol erreicht. Ohne Frage. Wären sie aber alle gesund zurückgekommen  ? Shackleton spürte, dass ein Weitergehen schnell über das Limit geführt hätte. Er wollte keine weiteren Risiken eingehen. Der glitzernde Sieg am Südpol lag direkt vor ihm, doch das Überleben erschien ihm wichtiger.157 Shackletons Aussage dazu verdeutlichte die Brisanz  : »Der Tod war vor uns und die Nahrung hinter uns, wir waren gezwungen umzukehren.«

Neunzig Grad Süd – beinahe Furthest South war ab dann jener Punkt, der 97 Meilen158 vom Pol entfernt lag. Ein wahrhaft phänomenaler Rekord, die größte Annäherung aller Zeiten. Shackleton hätte die Expedition bis zum Pol quälen können, womit er * Laut Fisher, Margery/Fisher, James: Shackleton, S. 224–225 hat Shackleton fotografiert.

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als unsterblicher Märtyrer in die viktorianische Heldengeschichte eingegangen wäre. Für seinen Tod hätten sie ihn alle gefeiert. Shackleton machte das, was für damalige Verhältnisse als die selbstloseste und erstaunlichste Entscheidung in die gesamte Geschichte der Polarforschung eingehen sollte.159 Nun geht es zurück. Man mag uns bedauern, aber wir haben unser Bestes getan, schrieb er am 9. Januar 1909 in sein Tagebuch.160 Ab diesem Tag folgten sie der Kompassnadel, die Nord anzeigte und sonst nichts.161 Kaum vorstellbar, wie müde, verzweifelt und traurig die vier Männer gewesen sein müssen, da weder ihre Zeit noch ihr Proviant ausreichten, um sicher zum beinahe greifbaren Ziel und wieder zurück zu kommen.162 Die Forscher kämpften unglaublich mit der eisigen Kälte und der erdrückenden Einsamkeit. Sie mussten Ausrüstung und Proviant durch tiefen Schnee ziehen. Ohne Skier brachen sie dutzende Male in Gletscherspalten ein. Sie erlitten Erfrierungen, ihre Körpertemperatur sank, sie wurden schneeblind, litten unter der Höhenkrankheit und verloren die Orientierung im unendlichen Weiß.163 Keine guten Voraussetzungen für einen sicheren Marsch zurück.

Ein Rennen gegen die Zeit Der verhängnisvolle Sog der nächsten Monate begann unaufhaltsam, gewaltig, und die Männer hatten ihm wenig entgegenzusetzen. Müdigkeit und Proviantmangel zwangen sie zur Umkehr unter fürchterlichen Umständen.164 Mit steifen Gelenken und aufgeplatzten Hautstellen, geschwollenem Zahnfleisch und ausgemergelten Körpern starteten sie in ein Rennen gegen die Zeit. Direkt nach dem Erinnerungsfoto begann der Überlebenskampf. Die Tagesrationen waren so knapp kalkuliert, dass jeder Irrweg den sicheren Tod bedeutet hätte.165 Die Rückreise geriet zu einem albtraumhaften Grenzgang. Zwischen ihnen und der Sicherheit lagen rund 700 Meilen harter Fußmarsch. Auf dem Hinweg hatten sie aus Zeitmangel keine Wegmarkierungen aus Eis oder Steinen errichtet, um für später eine Orientierungsdie nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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hilfe zu haben.166 Die vier verfügten nur über ihre eigenen Schlittenspuren, um die überlebenswichtigen Pferdefleischdepots aufzufinden. Zudem hatten sie ihr einziges genaues Navigationsgerät verloren. Damit gingen sie lediglich auf ihr Gedächtnis und auf Vermutungen angewiesen zurück. Shackleton vertraute seinem Tagebuch an, dass sie nur wenig in der Hinterhand hätten, wenn es zu einem Rennen auf Leben und Tod kommen sollte.167 Genau genommen befanden sie sich ja bereits in so einem Wettlauf. Sein Blick auf die grünlich hinterlegte Nadel seines Kompasses* wurde ein verzweifelter. Ein Sextant, eine Uhr und die dazugehörigen Tabellen reichten ja im Normalfall, wenn man die Sonne zu Gesicht bekam. Die Navigation zu Beginn des 20. Jahrhunderts fußte ja noch immer auf der genialen Mechanik John Harrisons. Er gewährleistete als Erster eine praktikable und nützliche Methode zur Bestimmung der geografischen Länge. Er fertigte einen Chronometer, der die Zeit des Heimathafens wie eine ewige Flamme in den entferntesten Winkel des Globus trug.168 Von 1713 an baute Harrison Uhren und perfektionierte diese bis ins Jahr 1759, in dem er seine legendäre H4 vorstellte. Er verbesserte seine Zeitmesser unaufhörlich und legte damit das Fundament für die »moderne« Navigation. Die Männer waren bei ihrem unerhörten Marsch jedoch auf ihre Navigationskünste und das Wetter angewiesen.

Das Unmögliche möglich machen Der Rückweg begann gut, wobei Shackleton, Wild, Adams und Marshall vom Rückenwind mitgetragen wurden. Rund 30 Meilen an einem Tag und mehr als 30 am nächsten. Einmal legten sie eine solche Strecke zurück und * Die frühen Polarexpeditionen haben sich mittels Kompass, Sextant und künstlichem Horizont orientiert. Bis Ende der Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts war das die einzige verlässliche Möglichkeit, seine Position zu bestimmen. Das ist nicht ganz einfach, erfordert navigatorisches Verständnis und Erfahrung. Ich selbst habe noch während meiner Nordpolund Südpol-Expedition auf diese Weise navigiert. (Arved Fuchs in einem Interview – 16. Mai 2007)

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hatten dabei nur Tee, Pemmikan, Käse und drei Stück Zwieback zu sich genommen. Viel zu wenig bei der Kälte und den Strapazen. Ständig wurden sie schwächer. Tagelang gab es nur Kekse, als diese ausgingen, Aufputschtabletten. Die angelegten PferdefleischDepots schienen Welten voneinander entfernt. Für manche der Teilstrecken blieb nur halb so viel Zeit wie auf dem Hinweg, und das bei gekürzten Rationen. Zwei oder drei Tage schlechtes Wetter würden uns ins Jenseits befördern, prophezeite Wild. Doch Shackletons Team hatte Glück. Ungewöhnlich gutes

Shackleton und sein Schlitten. Beide in einem sehr schlechten Zustand.

Wetter und starker Wind aus Süden trieb die Männer voran – und ihr Hunger. Shackletons Fersen waren an vier Stellen aufgesprungen und seine Beine wundgescheuert.169 Nach Stürzen litt er an schlimmen Kopfschmerzen und dennoch ging er weiter wie jeder andere. Je schlechter er sich fühlte, umso härter kämpfte er sich auch in unsicheren Zeiten voran.170

Sichere Heimkehr ungewiss Die Männer lagen erschöpft und müde im Zelt, nur an Schlaf konnte keiner denken. Was da von draußen an ihre Ohren drang, reichte aus, sie bis in alle Ewigkeit wachzuhalten – oder mindestens bis zu ihrem Tod. Je nachdem, was zuerst kam. Ihre Tagebucheinträge fielen immer kürzer aus, da sie keine Kraft mehr zum Schreiben hatten. Sie verkamen durch die Schinderei und die Nahrungsmittelknappheit zu körperlichen Wracks. die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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Ab 16. Januar 1909 unterstützten der Südwind und eine Bodendecke als Segel die Polgruppe. Einige Tage ging es mehr oder weniger gut weiter, bis sie auf der schnellen Fahrt den Entfernungsmesser des Schlittens verloren. Er war irgendwann unbemerkt abgebrochen und stellte einen schwerwiegenden Verlust dar. Die Entfernungen zu den Depots wurden ja damit berechnet. Das mussten sie ab diesem Zeitpunkt mit Schätzen erledigen.171 Sie erreichten den riskanten Übergangsbereich zum großen Gletscher und stürmten im Vertrauen auf die Vorsehung über große und kleine Spalten. Die ihnen verbleibende Zeit erschien einfach verdammt kurz und lief ihnen davon. In ihrer Erschöpfung und Kraftlosigkeit dürften sie viele Male nur knapp dem Tod entgangen sein. Bis auf eine gebrochene Schlittenkufe fehlte ihnen aber nichts. Wenn einer der drei Begleiter zu Shackleton etwas sagte wie, ich will nicht immer kämpfen, entgegnete dieser, was wäre denn das Leben wert, Männer, wenn wir nicht darum kämpfen müssten  ? Ihm selbst erschien jedes Aufstehen wie eine kleine Geburt. Wenn auch eine sehr kalte. Und jedes Einschlafen im Fellschlafsack auf dem Eis kam einem kleinen Tod gleich. So lebten sie tagein und tagaus.

Der Anfang vom Ende Shackleton und seine Männer marschierten schnell. Trotzdem waren sie zu langsam.172 Der Expeditionsleiter trug eine enorme Last der Verantwortung. Seine Berechnungen der Wegstrecke und des Proviantverbrauches beschäftigten ihn jede Nacht. Manchmal beschlich ihn das Gefühl, er hätte nicht die Ahnung einer Ahnung, doch würde er das keinesfalls seinen Begleitern sagen. Am 20. Januar 1909 begannen die Kameraden den mühseligen Abstieg vom Beardmore-Gletscher. In großer Eile galt es der schwächenden Höhenluft möglichst schnell zu entkommen. Der schmale Grat, auf dem sie mit ihrem Proviant bisher gewandert waren, war noch gar nichts im Vergleich zu dem, was ihnen bevorstand. Zwölf Tage hatten 72

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sie vom unteren Gletscherende und dem dortigen Depot für die einhundert Meilen benötigt. Für denselben Weg zurück standen ihnen nur mehr Vorräte für fünf Tage zur Verfügung. Wohlgemerkt bei halben Rationen.173 Ihre Füße gerieten zu Eisbrocken. Es dauerte allein zwei Stunden, bis sie ihre Extremitäten überhaupt wieder spüren konnten. Dass sie im Anschein warm wurden, durften sie nicht erwarten. In ein paar Monaten vielleicht.174 Der Dauerverschleiß der Nerven setzte ein und sollte bis zum Ende kaum abklingen. »Ich spüre nichts mehr«, meinte Adams. »Wenn du nichts mehr spürst, dann bist du tot. Also komm hoch, weiter«, munterte ihn Shackleton auf. Gut zwei Wochen nach Erreichen der südlichsten Stelle gelangten die Männer an einem Tiefpunkt an. Adams schlief in seinem Zuggeschirr ein und der unermüdliche Frank Wild gab sich der Kälte und dem Hunger geschlagen. Kurz vor dem nächsten Proviantlager ging ihnen am 26. Januar 1909 das Essen aus. Sie lagen im Zelt und sehnten herbei, irgendwie möglichst rasch zum Depot vorzustoßen. Marshall stellte in einem Akt der Verzweiflung ein Kokainpräparat her, das er Forced March, somit sinngemäß »erzwungener Marsch«, nannte. Die Tabletten verliehen ihnen einmalig Energie zum Weitergehen.175 In stündlichen Abständen verabreichte Marshall seinen Gefährten die Gewaltmarschtabletten. Um zwei Uhr morgens war die Wundermedizin dann aufgebraucht und die Männer schliefen im Stehen ein. Nur drei Meilen vom Vorratslager entfernt schlugen sie ihr Lager auf. Um neun Uhr morgens kämpften sie sich wieder weiter, später, gegen 13 Uhr, ging es keinen Schritt mehr voran. Nur für Marshall, der lief voraus und stürzte dreimal in Spalten, konnte sich jedoch immer am Rand festhalten und rausziehen. Er holte Ponyfleisch, Käse, Pemmikan, Kekse, Tabak und damit seine Kameraden aus der gefährlichen Situation heraus.176 Es war die erste feste Nahrung in den letzten 36 Stunden. Die härtesten und anstrengendsten Tage, die sie jemals in ihrem Leben verbracht hatten.177 Bislang.

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Die Gnade der Lücke Erschöpft und durch Spaltenstürze verletzt, schleppte sich ein trauriges Gespann voran. Die Rückkehrer erreichten knapp genug das nächste Lebensmitteldepot. Nach einer ersten Stärkung machten sie sich unverzüglich wieder auf den Weg. Abermals gingen die Vorräte zur Neige. Wild war gefährlich schwach und der Ohnmacht nahe. Irgendwie hofften die Männer, dass sich etwas für sie auftat, zum Positiven änderte. Shackleton brachte Wild mit seinem eigenen Proviant ins Leben zurück. Frank Wild hielt in seinem Tagebuch fest, wie ihm Shackleton am 31. Januar 1909 heimlich seinen einzigen Keks* aufdrängte. Niemand auf der Welt kann ermessen, welche Großzügigkeit und Sympathie er mir damit erwies, schrieb Wild. Ich schwöre bei Gott, dass ich es niemals vergessen werde. Mit keinem Geld der Welt hätte ich mir diesen Keks kaufen können.178 Es waren solche Gesten, nicht sein neuer Polarrekord, die Shackleton zur Legende machten. Frank Wild vergaß es ihm nie.** Er blieb sein treuester Begleiter und engster Vertrauter auf allen weiteren Expeditionen.179 Die vier Gefährten erreichten das nächste Depot auf 81° 04’ S wieder unendlich hungrig. Dort schmeckte alles. Hervorragende Sauce mit gefrorenem Blut, notierte Marshall, Pferdeleber in Fett gekocht. Sehr zart und weich.180 Alle Männer litten unter der Ruhr, weil sie infiziertes Ponyfleisch gegessen hatten. Einerseits war das Pony Grisi in stark geschwächtem Zustand geschlachtet worden, andererseits hatten sie nicht genug Paraffinöl, um es lange genug zu kochen. Für ein Mannschaftsmitglied verzeichneten sie in den nächsten 24 Stunden dreizehn Mal Stuhlgang. Diese Phase ver-

*

Ein Keks für fast 5.000 £



Vor wenigen Jahren versteigerte das Londoner Auktionshaus Christie’s ein besonderes Andenken. Ein runder Keks war 1909 von Shackletons Nimrod-Expedition in die Antarktis wieder mit zurückgebracht worden. Ein Londoner Kunsthändler und Enkel der Schwester eines Expeditionsteilnehmers erwarb den Keks als Familienandenken für seine Privatsammlung. Der Keks sei wirklich sehr gut erhalten, hieß es, zum Verzehr allerdings nicht mehr geeignet.

** Als seine größte Stärke erwiesen sich Einfühlungsvermögen und ein antiautoritärer Führungsstil, der noch heute als Vorbild dient.

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ging zum Glück, und die vier wurden zur Abwechslung einmal satt. Wiederholt sollten auf eine ausreichende Mahlzeit viele Hungerrationen folgen. Erneut hatten sie so nahe am Limit keine Zeitreserve für schlechtes Wetter oder Orientierungsverluste.181 Eines Abends erkundigte sich Shackleton bei Frank Wild, ob er ihn bei einem weiteren Angriff auf den Pol wieder begleiten würde. Dieser antwortete, aus großer Achtung vor dem Boss, ohne zu zögern mit Ja. Angesichts dessen, dass ihr Leben an einem seidenen Faden hing, war dies ein äußerst bizarres Gespräch. Am 15. Februar 1909 feierten sie Shackletons 35. Geburtstag mit einer Zigarre, die seine Begleiter für ihn aus Toilettenpapier und Pfeifentabak gerollt hatten.182 Mehr konnte die gesamte British-Antarctic-Expedition nicht aufbieten. Glatt durch die Wand Am 20. Februar des Jahres machte die Gruppe ihren Rekord perfekt. Als sie das Depot A auf 79° 36’ S erreichten, hätte ihr restlicher Proviant für keine einzige Mahlzeit mehr gereicht. Sie schleppten sich weiter in Richtung jener Stelle, wo ihre Kameraden von Nimrod Hut aus für sie Vorräte angelegt hatten – hoffentlich  ! Es schien durchaus im Bereich des Möglichen, dass das Bluff Depot in Wirklichkeit überhaupt nicht existierte. Tage später sahen die Männer zufällig die Spuren einer Gruppe, die ersten Anzeichen dafür, dass ihre Tortur bald ein Ende haben könnte. Kurz darauf trafen sie auf ein verlassenes Lager, dort lagen leere Konservendosen, drei kleine Schokoladenstücke und ein Brocken Hundekuchen. Erwachsene Männer zogen Lose und Shackleton hatte Pech, er bekam den Hundekuchenrest. Sie bauten ihr Camp in der Hoffnung auf, am nächsten Tag das Vorratslager zu erreichen. Wild erspähte frühmorgens die Fahne nur durch eine Luftspiegelung. Bis 16 Uhr schleppte sich die Polgruppe dem Bluff Depot entgegen und fand am 23. Februar 1909183 Lebenswichtiges und sogar Leckerbissen. Karlsbader Pflaumen, Eier, Kuchen, Plumpudding, Lebkuchen und kandierte Früchte lagerten im letzten Depot vor Cape Royds. die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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Die geschwächten und hungrigen Männer erreichen am 23. Februar 1909 endlich das Bluff Depot.

Marshall stammelte, dass sie in Sicherheit seien. Dennoch wusste Shackleton, wer sich in Sicherheit wiegt, befindet sich in größter Gefahr. Im Depot lag eine Nachricht von Joyce, welche sie informierte, dass die Nimrod am 1. März des Jahres absegeln würde. Als der Essenstraum am Lager ausgeträumt war, begann ein neuer Albtraum. Die Polgruppe befand sich mittlerweile in gefühlter Nähe zu Nimrod Hut. Seit ihrem Abmarsch stapften die Männer bereits 120 Tage durch die Eiswüste. Gequält von Erfrierungen, Krankheiten und Erschöpfung merkten sie, dass ihnen die Zeit völlig davonlief. Während sich Shackleton, Wild, Adams und Marshall mit den letzten vorhandenen Kräften und dem final aufbäumenden Willen zurück nach Hut Point schleppten, kehrte die Nimrod in den McMurdo-Sound zurück. 76

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Der Captain hatte den Befehl, dort bis zum 1. März 1909 zu warten. Ab diesem Datum konnte er davon ausgehen, dass die Polgruppe verloren war und ihm nur der Rückweg nach Neuseeland blieb. 184 Die Männer hasteten so schnell es ging und mit möglichst wenig Pausen vom letzten Vorratslager Richtung Schiff. Shackleton plagte permanent die Sorge bezüglich der Abreise der Nimrod. Als sie noch 85 Meilen zurückzulegen hatten und dafür nur knapp eine Woche Zeit blieb, standen die Vorzeichen ziemlich schlecht.

Die Rettung der erfolgreichen »Nordgruppe«, die vom magnetischen Südpol zurückkehrt. Die Nimrod legt kurzzeitig unter großer Gefahr an der Eiskante des Relief Inlet an.

Rettung am Limit Marshall litt an einem chronischen Durchfall. Körperliche Schwäche und Erschöpfung hinderten ihn am Weitergehen. Er brach am 27. Februar 1909 nur 30 Meilen vor der Küste und somit 30 Meilen vor Hut Point zusammen. Adams, der ebenfalls nicht mehr konnte, blieb bei Marshall, um sich um ihn zu kümmern. Shackleton und Wild boten die letzte nötige Willenskraft auf, um Hilfe für ihre Kameraden zu holen.185 Am späten Abend des 28. Februar 1909, nach einem 36-stündigen Marsch und somit im letzten Moment, erreichten zwei dünne Gestalten – Shackleton und Wild – schließlich Hut Point, die Hütte der Discovery-Expedition. Die letzten paar hundert Meter gerieten zu den schlimmsten von allen, denn sie erfassten, dass da weder die Nimrod im Meer lag noch jemand in der Hütte wohnte. Als sie den langersehnten Stützpunkt endlich betraten, stellten sie fest, dass er völlig verlassen da lag.186 Ihre enormen Anstrengungen schienen vergeblich gewesen zu sein. Die Nimrod war weg. die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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In Scotts Hütte bereiteten sie sich aus dort seit Jahren lagernden Vorräten ein Essen zu. In Ermangelung von Schlafsäcken wickelten sich die beiden in ein aufgestöbertes Stück Dachpappe und verbrachten eine schreckliche Nacht. In der Hoffnung, dass sich die Nimrod in der Nähe befand, setzten die zwei Männer am nächsten Morgen die nahe gelegene Kompasshütte in Brand, um auf sich aufmerksam zu machen. Schon bald danach kam Wild, Shackleton, Marshall und Adams an Bord der Nimrod, 4. März 1909.

das Schiff, das am Erebus Gletscher festgemacht lag, in Sicht. Einen glücklicheren Anblick hat keines

Menschen Auge je gesehen, schrieb Wild später. Die Nimrod fuhr zu ihnen, um an dieser Stelle die Mannschaft abzusetzen, die überwintern und »die Leichen der Südgruppe bergen« sollte. Doch im Land der Überraschungen standen dann zwei Menschen und schwenkten eine Fahne. Nach vier Monaten kehrten die Männer zurück. Sie hatten den Pol nicht erreicht, aber sie lebten.187 Ein nicht unerhebliches Detail beim Ausgang einer Polarexpedition zur damaligen Zeit. Shackleton ging an Bord, wie ein Anführer, der aus dem Totenreich zurückkehrte. Die Nimrod lag übrigens nur mehr hier, weil die Männer den neuen Captain Frederick Pryce Evans zum Dableiben gedrängt hatten. Evans missachtete zudem die Befehle, dass ab 25. Februar 1909 ein Suchtrupp nach der Polgruppe ausgesendet hätte werden sollen. Es dauerte drei weitere Tage, bis Shackleton erneut aus dem Eis zurückkam und von dort mit zwei Helfern auch Adams und Marshall gerettet hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er 55 Stunden nicht geschlafen.188 Am 4. März 1909 befand sich die gesamte Southern Party an Bord. Auf der Nimrod erfuhr Shackleton vom Erreichen des magnetischen Pols und einer Erstbesteigung – weiter nichts. Sein Kummer über seinen 78

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eigenen Misserfolg wurde teilweise gemildert, da Edgeworth David während Shackletons Abwesenheit mit seinen Männern nordwärts ging und den magnetischen Südpol erreichte. Eine weitere Gruppe hatte den etwa 3.800 Meter hohen Mount Erebus bestiegen. Die erste Erstbesteigung auf Antarktika.189 Die vier, Shackleton, Wild, Adams und Marshall, wurden als die Furthest Foursome willkommen geheißen. Ihr Schiff brachte sie und die gesamte Überwinterungsmannschaft unter Volldampf zurück nach Neuseeland.

Rückkehr in die Zivilisation Die Nimrod traf am 23. März 1909 in Halfmoon Bay auf Stewart Island/Neuseeland ein, wo Shackleton an Land ging, um ein Telegramm aufzugeben. Er sendete eine geheime und verschlüsselte Nachricht an die Daily Mail. Diese Geheimhaltungsmethode mit einem Exklusivrecht hatte Erfolg. Die Erstmeldung der Zeitung wurde ein Volltreffer. Binnen weniger Stunden ging die Nachricht um die ganze Welt. Als die Männer in Lyttelton eintrafen, begrüßten die Neuseeländer bereits internationale Berühmtheiten. Das ganze Empire feierte auf die gleiche Weise mit. In der Zeitung The Sketch stand am Tag nach Shackletons Ankunft in Lyttelton zu lesen  : Lieutnant Shackleton gehört in die Reihe der Helden, deren Namen der Nachwelt überliefert werden . . . es ist ein moralisches Stärkungsmittel, wenn wir feststellen, dass wir bei der Erforschung unbekannter Gebiete immer noch die Könige der Erde sind.190

Für einen ersten öffentlichen Vortrag in Neuseeland hatte Shackleton ein Honorar von 300 £ erhalten – Geld, das er dringend für den Expeditionsetat benötigte. Doch in dem Augenblick, als er den Betrag erhalten hatte, war er auch schon wieder weg. Shackleton spendete ihn für soziale Einrichtungen. Das Gleiche tat er unmittelbar darauf in Australien bei mehreren Gelegenheiten. Er zeigte eine ehrliche Geste, aber dies sollte ihn später noch einholen.191 die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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Shackleton begab sich schließlich auf ein Schiff Richtung europäischer Heimat. Er ging im italienischen Brindisi von Bord und nahm den nächsten Zug nach England. Am 12. Juni 1909 traf Shackleton in aller Stille in Dover ein. Das Wochenende verbrachte er mit Emily, von der er viel zu lange getrennt gewesen war. Seine Begründung für die Umkehr so nah am Pol wurde zu einem der bekanntesten Statements in der Polargeschichte. Zu seiner Frau sagte er  : »Ein lebender Esel ist besser als ein toter Löwe, stimmt’s  ?«192 Emily hoffte, dies sei die endgültige Heimkehr, von der er so oft gesprochen hatte. In gewisser Hinsicht ging er ihr schon nach zwei Tagen wieder verloren. Dieses Mal an die besitzergreifende britische Öffentlichkeit. Shackleton kehrte am 14. Juni 1909 offiziell nach England zurück. Vor knapp zwei Jahren hatte er sein Land unter schweren finanziellen Sorgen verlassen. Nun kam er als Held wieder. Das gesamte britische Weltreich gratulierte ihm zu seiner Tat.193

Im Dunstkreis des Ruhms Die Menge, die um 17 Uhr an der Charing Cross Station die Ankunft seines Zuges erwartete, geriet selbst nach den übertriebenen Maßstäben vik­to­ ria­nischer Heldenverehrung zu überwältigender Größe. Es war ein Tag, den man ganz einfach miterlebt haben musste. Die Menge stand in grenzenloser Begeisterung dicht an dicht. Shackleton und Emily brauchten unendlich lange, um nach seiner Ansprache zu ihrer Kutsche durchzukommen. Der Legende nach gab es keine andere Lösung, als die Pferde auszuspannen und die verschreckten Tiere in Sicherheit zu bringen. Die Kutsche wurde dann von Männern gezogen, da es in den begeisterten Menschenmassen nicht anders möglich schien.194 Niemand von den Anwesenden wird je den Lärm der jubelnden Menge vergessen, die Strand und Trafalgar Square füllte, als die offene Kutsche mit Shackleton, seiner Frau und seinen Kindern durch die Straßen fuhr. Ihnen den Weg freizumachen, verkam zu sinnlosen Bemühungen, weil die Polizei diesen Ansturm nicht vorhergesehen hatte. Shackleton, der neue Held, wurde gefeiert. Er war in seinem Element.195 80

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Als Expeditionsleiter zeigte sich Shackleton stets bemüht, alle Teilnehmer seiner Expedition am Ruhm teilhaben zu lassen. Bei einem Essen des Royal Geographical Society Clubs am Tag nach seiner Ankunft in London wollten die Anwesenden auf ihn trinken. Er bemerkte, dass auf der Einladungsliste »nur« Mr. Ernest Shackleton stand, und meinte, es müsste Ernest Shackleton und seine Männer heißen, denn hier im Saal sind Männer zugegen, die mit mir durch Anstrengungen und Schwierigkeiten der Expedition gegangen sind, auch durch die Freuden und Sorgen. Er vergaß seine Männer nie. Immerzu verwendete Shackleton »wir« und »uns«, niemals »ich«. Er nutzte jede Gelegenheit, um in der Öffentlichkeit zu sagen, was er seinen Begleitern verdankte.196 Mit solchen couragierten Äußerungen stieg Shackletons Beliebtheit weiter und weiter. 1909, als er von der Nimrod an Land ging, machten ihn seine überschäumende charismatische Persönlichkeit, seine kräftige Stimme und seine ehrliche, aufrichtige Natur zum absoluten Liebling der Frauen und Männer. Seinen Bericht spickte er mit Ausdauer und Entschlossenheit, Eleganz und Mut. Genau danach verlangte die Nation. Shackleton, wer sonst, war das richtige Talent, um ihr das zu geben. Die Briten befürchteten und spürten sogar schon den Niedergang ihrer Militär- und Industriemacht, da gelangte die Aufregung um Shackleton in ungeahnte Höhen. Mehr noch, er geriet zum Helden der Stunde. Seine kräftige Figur, seine Energie und sein Wille bedeuteten eine Rückkehr zu früheren, sicheren Zeiten.197 Das Volk verdankte Shackleton ein wahrlich britisches Empfinden der Größe. Im England der damaligen Zeit war er »weltberühmt«. Doch auch die Iren erinnerten sich ihres Sohnes und titelten in der Zeitung  : SOUTH POLE ALMOST REACHED BY AN IRISHMAN Dubliner Evening Telegraph, 24. März 1909 198

Was sein Handeln besonders auszeichnete, erkannte zu Hause aber niemand an. Immerhin konnte Shackleton für sich in Anspruch nehmen, die erste Antarktisexpedition heimgebracht zu haben, bei der kein Mensch sein Leben lassen musste. die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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Shackleton hatte ohne Verluste für die Briten nicht nur die größte südliche Breite geholt, damals hatten sie in ihm auch den Menschen, der einem der beiden Pole überhaupt am nächsten gekommen war.199

Medienstar WELCOME HOME FROM THE FAR SOUTH. THE HERO OF THE MOMENT. The Illustrated London News, 19. Juni 1909 200

Shackleton erhielt viele Auszeichnungen, darunter die Goldmedaille der Royal Geographical Society. Von König Edward VII. wurde er in den Rang eines Kommandanten der Royal Victorian Order erhoben. Ende Juni 1909 erkannte Shackleton, dass er auch mit noch so viel Ehre seine ausstehenden Rechnungen nicht bezahlen konnte. Tatsächlich warteten diese auf den berühmten Mann in noch größerer Anzahl als seine Essenseinladungen. Der größte Vorteil seiner vielen gesellschaftlichen Verpflichtungen bestand darin, dass man ihn einfach nicht zu Hause antraf, wenn die Schuldeneintreiber ihn heimsuchten.201 Für die Shackletons bestand der Sommer des Jahres aus einer nahezu endlosen Abfolge von Festessen und Partys, Empfängen und Ansprachen. Als diese Veranstaltungen abflauten, begannen die Finanzen Shackleton Kopfzerbrechen zu bereiten.202 Die Honorare für seine Auftritte und Vorträge hatte er wohltätigen Organisationen gestiftet, ohne an die Bedürfnisse seiner Familie, ohne an die Schulden seiner Expedition zu denken.203 Shackletons Herz war immer größer als seine Taschen, stellte einer seiner Männer fest. Um Geld hat er sich allem Anschein nach nie Sorgen gemacht. Nicht einen Augenblick. Im Daily Express erschien ein Artikel des Politikjournalisten Sir Henry Lucy, der seine Bestürzung darüber zum Ausdruck brachte, dass Shackleton mit den Kosten einer Expedition belastet sei, die dem Land zu so großer Ehre gereicht hatte. Da die Öffentlichkeit große Sympathie zeigte, ließ Premierminister Herbert Asquith Shackleton noch am gleichen Tag zu sich 82

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kommen. Er versicherte ihm, dass ihm ein Teil der Last abgenommen werde. Vierzehn Tage später wurde Shackleton mitgeteilt, dass die Regierung ihm einen Zuschuss von 20.000 £* gewähre, um einen Teil der Expeditionskosten zu decken.204 Das deckte mehr oder minder sein finanzielles Defizit. Die Regierung sah sich veranlasst, diesen Weg einzuschlagen. Alle zeigten sich beeindruckt vom großen Wert der Entdeckungen im Laufe der Reise. Beeindruckt von der effizienten und sparsamen Art und Weise, in der das Unternehmen durchgeführt wurde. Beeindruckt, was die glückliche Rückkehr der ganzen Gruppe betraf.205 Um zusätzlich an Geld zu kommen, machte Shackleton die Nimrod zu einer schwimmenden Expeditionsausstellung. Jeden Penny der Eintrittsgelder in der Höhe von rund 2.000 £ spendete er erneut für wohltätige Zwecke.206 Das Geld zerfloss zwischen Shackletons Fingern, doch auch die Zeit der Nimrod lief langsam ab. Sie wurde nach der Wanderausstellung verkauft und zu einem traurigen Dasein als Kohletransporter verdammt. Am 30. Januar 1919 geriet sie mit zwölf Mann Besatzung in einen Schneesturm, der sie auf eine Sandbank trieb. Dort setzten die Wellen den Maschinenraum unter Wasser und die Nimrod zerbrach nach zähem Kampf. Lediglich ihr Captain und der Bootsmann überlebten, alle anderen Mannschaftsmitglieder fanden, wie der tapfere kleine Vagabund der Meere, ihr feuchtes Grab.207 Shackleton selbst konnte gegen Ende des Jahres 1909 seinen fulminanten Ruf weiter ausbauen.

Shackleton, der heroische Entdecker Am 27. September 1909 hielt Shackleton in Balmoral einen Vortrag vor König Edward VII. Am 4. November dieses Jahres erschien sein lang erwartetes Buch The Heart of the Antarctic gleichzeitig in England, Frankreich, Deutschland, Italien, Ungarn, Finnland, Schweden und den Vereinigten Staaten. Es erhielt gute Kritiken. Der Manchester Guardian erklärte es sehr schnell zum besten jemals geschriebenen Buch über Polarforschung.208 *

Heute etwa 1,5 Millionen €.

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Fünf Tage nach der Buchveröffentlichung wurde angekündigt, dass Shackleton in den Ritterstand erhoben werden solle.209 Das Volk feierte Shackleton. König Edward VII. schlug ihn am 14. Dezember 1909 im Buckingham Palace in London tatsächlich zum Ritter210 und jedes größere Land der Erde zeichnete ihn aus.211 Auch wenn »Sir« nur den niedrigsten Rang innerhalb des Adels in Großbritannien darstellte, ging mit diesem Akt eine große Genugtuung für Shackleton einher.

Unruhige Tage, unruhige Jahre Bis zu seinem Ritterschlag hielt er Ernest Shackleton. Grenzgenialer Entdecker, geadelter Sir, gefeierter Vortragender,

insgesamt 123 öffentliche Vorträge. In den folgenden zwölf Monaten

großartiger Buchautor – aber vor allem

sollte Shackleton eine noch un-

Mensch.

glaublichere Vortragstour unternehmen. Er legte mehr als 30.000

Kilometer zurück und sprach zu einer Zuhörerschaft von über einer viertel Million Menschen.212 Einige behaupteten, Shackleton sei ein notorischer Schürzenjäger gewesen. Eine langjährige Affäre mit der amerikanischen Schauspielerin Rosalind Chetwynd betrachteten viele als Tatsache. Zwar bestanden kaum Zweifel, dass Shackleton weibliche Gesellschaft liebte, doch die Beweislage für diese spezifische Behauptung war dünn.213 Der einzige Misserfolg der Nimrod-Expedition, der gescheiterte Versuch, den Südpol zu erreichen, bescherte ihm die Herzen des britischen Empire. Die Briten liebten ein ruhmreiches Versagen, und Shackleton hatte sich in 84

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der Tat mit Ruhm bedeckt.214 Wenige Jahre später, sein Ansehen schien keineswegs aufgebraucht, verblüffte er seine Landsleute erneut.

Endurance-Expedition – August 1914 bis Januar 1917 Die Endurance-Expedition, Shackletons dritte Reise ins ewige Eis, ist eine phänomenale Geschichte der Antarktisforschung, an Dramatik und Legendenbildung kaum zu überbieten. Nachdem am 14. Dezember 1911 der Norweger Roald Amundsen 34 Tage vor Robert F. Scott den Südpol erobert hatte, blieb für Shackleton nur mehr die größte und herausragendste aller Reisen. Die vollständige Durchquerung des antarktischen Kontinents.* Männer für eine waghalsige Reise gesucht. Geringe Löhne, extreme Kälte. Monatelange völlige Dunkelheit. Permanente Gefahren, sichere Heimkehr ungewiss. Ehre und Ruhm im Erfolgsfalle. Mit dieser besonderen Stellenanzeige warb Shackleton für seine Unternehmung. Mehr als 5.000 Bewerber wollten eine Position in seinem Team.215 Im August 1914, am Vorabend des Ersten Weltkriegs, brach Shackleton mit einer sorgfältig ausgewählten Mannschaft von 27 Männern mit der eisgängigen Endurance von England auf. Das unerhörte Ziel war die vollständige Durchquerung des antarktischen Kontinents. Am 5. Dezember 1914 verließ die Expedition den letzten Außenposten der Zivilisation, die Walfängerinsel South Georgia im Südatlantik. Im ungewöhnlich kalten antarktischen Sommer blieb die Endurance im Packeis stecken. Nach langer Irrfahrt durch die Eisfelder war nur eine Tagesreise vor ihrem Ziel, der Vahsel Bay, Ende. Sein Ziel, die Antarktis zu durchqueren, musste Shackleton aufgeben, bevor er den weißen Kontinent überhaupt erreichte.216 Die Polarexpedition war am Ende, ehe sie eigentlich richtig begonnen hatte. Ab Mai 1915 lief die Expedition völlig aus dem Ruder, und Shackleton war in seinem Element. Eismassen zerquetschten im Oktober 1915 das sta-

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Ausgangspunkt war die Idee Shackletons, als erster Mensch die Antarktis zu Fuß zu durchqueren. Seinen Plan griff erstmals 75 Jahre später Reinhold Messner auf und vollendete ihn auch mit Arved Fuchs in 92 Tagen auf einer Strecke von 2.800 Kilometern.

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bile Schiff. Die Männer waren Schiffbrüchige in einer der unwirtlichsten und am schwersten zugänglichen Regionen der Erde. Ohne Hoffnung auf Rettung und überlebensfähig nur, solange die Vorsehung ihnen Nahrung schickte. Fünf Monate harrten alle auf dem driftenden Eis aus. Schließlich erreichten die erschöpften Kameraden in ihren Rettungsbooten Elephant Island, eine unbekannte Insel, weitab von allen Schifffahrtsrouten. Mit fünf Männern brach Shackleton im April 1916 zu einer hochriskanten Reise nach South Georgia auf. Im größten Rettungsboot, der sieben Meter langen James Caird, waren sie 1.400 Kilometer unterwegs, um Hilfe zu holen. Der Ozean südlich von Kap Hoorn ist das stürmischste Meer der Welt mit haushohen Wogen. Aufgabe der Bootsbesatzung war es, ein winziges Fleckchen Land in einem unermesslich großen Ozean zu finden. Ihre Überlebenschance erschien verschwindend gering. Anfang Mai 1916 erreichten die total ausgemergelten Männer South Georgia* auf der falschen Seite der Insel. Die Walfangstation, die sie ansteuern wollten, lag genau gegenüber. Die sechs Seefahrer waren nach 16 Tagen am Ziel und doch weit davon entfernt. Mit zwei Männern durchquerte Shackleton die vergletscherte Insel, in den Schuhsohlen steckten Schiffsnägel als Steigeisenersatz. Nach 36 Stunden, einem Gewaltmarsch über unzählige Gletscher und 42 Kilometer, erreichten sie den Stützpunkt. Das Innere der Insel hatte noch nie ein Mensch zuvor betreten. Nach drei fehlgeschlagenen Versuchen gelang mit dem chilenischen Schiff Yelcho am 30. August 1916 die Rettung der Mannschaft von Elephant Island. Die Expeditionsmitglieder kamen tatsächlich zurück in die Zivilisation und erreichten Punta Arenas. Alle Männer überlebten die Strapazen der Endurance-Expedition, die 635 Tage gedauert hatte. Sie wurden nach ihrer Heimkehr in den großen Krieg geschickt, und viele von ihnen fielen sinnlos, wenige Wochen oder Monate nach ihrer wundersamen Rettung, auf den Schlachtfeldern Europas. Shackleton selbst reiste von Südamerika nach Neuseeland und von dort weiter ins Rossmeer. Dort hatte eine zweite Gruppe Depots für ihn angelegt und war in Schwierigkeiten geraten. Shackleton rettete auch diese *

Auch heute noch titulieren viele erfahrene Seeleute diese Tat als  : »Die großartigste Bootsreise aller Zeiten«.

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Männer und kehrte erst im Januar 1917 nach London zurück. Doch niemand interessierte sich für Überlebende aus dem ewigen Eis. Shackleton war verstört, pleite und der Weltkriegsmaschinerie irgendwie im Weg. Seine finanzielle Situation belastete ihn. Selbst, wenn er den Abschluss der Expedition zu einem guten Ende brachte, die offiziellen Nachwirkungen würden sich wohl bis ins nächste Jahrzehnt erstrecken, was er bei seiner angeschlagenen Gesundheit von seinem Leben gewiss nicht sagen konnte. Das Geheimnis, das zum Erfolg der Expedition geführt hat, hieß Shackleton  : unbestritten, vielfach bewertet, erklärt, beschrieben, verfilmt, vorgetragen. Es blieb für immer seine Idee, als erster Mensch die Antarktis zu Fuß zu durchqueren. Die Mannschaft aus der weißen Hölle herauszuholen war eine Leistung, die bei der Erforschung der Polarmeere nie übertroffen worden ist.217 Shackleton hätte sein weiteres Leben im Kreise seiner Familie und mit abendfüllenden Vorträgen verbringen können.

Ein wunderbarer Abend Die Quest-Expedition, Shackletons vierte Reise ins ewige Eis, fand von 1921 bis 1922 statt. Er überraschte die Öffentlichkeit mit einer sensationellen Meldung. Fünf Jahre nach dem Endurance-Abenteuer brach er am 17. September 1921 noch einmal in den Süden auf. Für die Shackleton-Rowett-Expedition hatte er wieder einmal Geld organisiert und ein Schiff gekauft, die Quest. Schiff und Mannschaft gerieten deutlich kleiner als zuvor, und das geplante Unternehmen schien nicht so spektakulär. Eine Umrundung der Antarktis fasste er vage ins Auge. Nur eine Handvoll Männer von der alten Mannschaft begleitete ihn. Im Grunde war es keine wirkliche Expedition, die Shackleton antrat, mehr eine Flucht. Er folgte den Spuren seiner Vergangenheit und besuchte South Georgia. Frank Wild vertraute er an, dass er nicht so richtig wusste, wohin die Reise gehen sollte.218 Sein Herz versagte, nicht seine Zuversicht. Am Abend der Ankunft auf der Insel hatte er das Gefühl, zu Hause zu sein. In der darauffolgenden Nacht vom 4. auf den 5. Januar 1922 starb der Antarktispionier innerhalb die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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weniger Minuten an einer Herzattacke. Nicht ohne zuvor in sein Tagebuch Ein wunderbarer Abend notiert zu haben.219 The Deck log of the Shackleton-Rowett Expedition (1921–22), Quest 5 January, 3am. Sir Ernest Shackleton died suddenly of heart failure.220

Er war knapp achtundvierzig Jahre alt. Wahrscheinlich hatte Shackleton bereits früher mehrere kleine Herzattacken erlitten. Er ließ sich deswegen nie untersuchen. Nie behandeln. Klagen kannte er nicht. Shackleton hat so viel ertragen.221 Seine Männer beerdigten ihn auf Emilys Wunsch auf dem kleinen Walfängerfriedhof von South Georgia. Dort, wo er viel mehr daheim war als sonstwo auf der Welt. Norwegische Walfänger gaben ihm das letzte Geleit. Die Geschichtsbücher der Welt bezeichnen die Zeit von Amundsen, Scott und Shackleton als Ära der letzten Helden. Eine Ära, die mit Shackletons Tod im Jahr 1922 zu Ende ging. Emily erhielt Hunderte Beileidsschreiben, darunter eines von Kathleen Scott, was sie zutiefst berührte. Die Kondolenzschreiben dokumentierten die große Beliebtheit ihres Mannes. Neben den Briefen von Angehörigen, sämtlicher Königshäuser aus ganz Europa gab es aufrichtige, tief empfundene Beileidsbekundungen einfacher Menschen aus dem Volk. Ein Taxifahrer aus London schrieb, dass er für »uns« der Mann schlechthin war. Trotz all seiner bekannten Fehlschläge hatte Shackleton das Potenzial, eine Legende zu werden.222

Vergessen  ? Nicht vergessen Die Nimrod-Expedition war aus wissenschaftlicher Sicht die bedeutendste Unternehmung des britischen Polarforschers. Nie zuvor konnte ein größeres Gebiet des bis dato unbekannten antarktischen Festlands erschlossen werden.223 Der Hin- und Rückweg bedeutete beinahe 1.400 Meilen Fußmarsch. Die Rückreise geriet zu einem verzweifelten Rennen gegen den Tod. Die er88

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schöpften Männer schafften das Unmögliche, und Shackleton kehrte als Held des Empire nach England zurück. Dennoch oder gerade deswegen erlangte die Nimrod-Expedition enorme Anerkennung. Neben Shackletons Südpolteam bestieg eine Mannschaft zum ersten Mal den knapp 4.000 Meter hohen Vulkan Mount Erebus. Eine dritte Abteilung erreichte unter dramatischen Umständen zur selben Zeit den magnetischen Südpol. Alles Meilensteine in der Antarktiserforschung.224 Die Expedition führte zudem den motorisierten Transport an diesem unwirtlichen Ort ein.225 Nach Shackletons Heimkehr schrieb niemand Geringerer als Roald Amundsen  : Shackletons Großtat ist einer der stolzesten Abschnitte in der Geschichte der antarktischen Forschung.226 Shackleton, Wild, Adams und Marshall hätten den totalen Triumph am Südpol mit ihrem Leben bezahlt. Und deshalb hatte Shackleton die Größe gehabt, aufzugeben und umzukehren.227 Aber sie konnten dabei den größten Fortschritt verzeichnen, der im Vorrücken auf den Südpol, ja sogar auf beide Pole, jemals erzielt wurde. Mit ihrem Mut, dem riesigen Beardmore Gletscher bis ins Unbekannte zu folgen, bewiesen sie unvorstellbare Inspiration und Tapferkeit.228 Und beinahe so schnell wie der Sturm die mühevoll gezogene Spur der Polarforscher zuwehte, vergaß die internationale und die britische Presse ihre Großtaten und hüllte den Mantel des Schweigens über ihre Expeditionen, Leistungen und Namen. Keinen weiteren Rekord um jeden Preis Sein langjähriger Wegbegleiter Dr. Macklin über Shackleton  : Er war ein sehr selbstloser Mann mit sehr viel Verständnis für menschliche Schwächen und mit jeder Menge eigener. Seine Frau Emily wusste immer, dass Shackletons wahres Vermächtnis die Wirkung war, die seine Liebe zum Leben und seine Selbstlosigkeit auf andere ausübten.229 Und stets, bei jeder Expedition, versprach er vergebens, dies würde seine letzte sein.230 Sein Leben und das seiner Leute waren ihm keinen weiteren Weltrekord wert. Er empfand es als seine Pflicht, sie zu beschützen. So errang er Ruhm die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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ohne den Verlust von Menschenleben. Wenn Shackleton eine geschicktere Ausrüstung dabeigehabt hätte, Hunde, Pelzbekleidung und vor allem Ski, dann wäre der Südpol bereits im Januar 1909 ein abgeschlossenes Kapitel gewesen. Doch was Shackleton an Technik fehlte, machte er mehr als wett durch Entschlossenheit und Willenskraft. Er ging so weit, wie ihn der Mut tragen konnte. Sein Schicksal war es, den Weg für andere zu weisen, die nach ihm kommen würden. Und er entdeckte, was niemand mit Sicherheit gewusst hatte  : dass der magische Punkt rund 3.000 Meter über dem Meer lag.231 Kein Polarforscher von historischer Größe ist Fehlern entgangen. Nansen, Peary, Amundsen, Shackleton, Ross, . . . – allen passierte etwas auf die eine oder andere Weise, und andere folgten ihnen. Aber sie waren in der Lage, ihre Fehler wieder gut zu machen. Dieses Glück hatte Scott nicht. Sein falscher Schritt bescherte ihm eine Katastrophe, aber auch Ruhm.232 Bis zu Captain Scotts fataler Antarktisexpedition weigerte sich die Royal Navy hartnäckig gegen die leichtfüßigen Hundeschlitten der Inuit und spannte stattdessen erst Matrosen und später unschuldige Ponys ins schwere Geschirr. Voller Dünkel und in der festen Überzeugung, dass ein zivilisierter weißer Mann den wilden Eskimos* unbedingt überlegen sei, igno­rierten die britischen Polarreisenden konsequent das in Jahrtausenden gewachsene Wissen um ein Leben in beinahe weltraumkalter Umgebung. Wobei Scott voller Arroganz einen besonderen Anspruch ins ewige Eis mitnahm  : »Ich bin der Meinung, dass nur ein Engländer zum Südpol gelangen sollte.«233 Er führte, verhaftet in britischer Überlegenheit und fortschrittsgläubig auf technische Neuerungen vertrauend, seine Männer 1912 in einen unnötigen Tod.234 Die Hintergründe ihres Todes sind bedenkenswert. Es gab eine richtige Männerrivalität zwischen Shackleton und Scott, durch die der eine mit seinen Gefährten zu weit gegangen ist. Scott hat sich von Shackletons Leistung in den Tod treiben lassen.235 Die Leistung von Scott und seinen vier Begleitern ist trotz oder gerade wegen der näheren Umstände unverrückbar als grandios zu bezeichnen.

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In den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts ersetzten viele aus Gründen der Korrektheit den Begriff Eskimo durch Inuit. Eskimo wird durch seine Bedeutung als Rohfleischfresser als herab­ setzend angesehen. In Alaska wird das Wort Eskimo hingegen nicht negativ interpretiert.

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Roald Amundsen erreichte nur deshalb als Erster den fernen Südpol, weil er die Überlebensstrategien der Eskimos studiert hatte und ihre Ausrüstung für seinen Marsch übernahm. Auch las er Shackletons Bericht von der Nimrod-Expedition, um daraus zu lernen. Was Nansen für den Norden ist, ist Shackleton für den Süden. Die englische Nation hat durch Shackletons Tat in der Antarktiserforschung einen Sieg errungen, der nie mehr übertroffen werden kann. Amundsen, als er 1911 den Breitengrad Shackletons überschritten hatte.236

Shackletons Vermächtnis am Limit Die größte Wertschätzung verdienen Shackleton, Wild, Marshall und Adams wahrlich und letztendlich dafür, dass sie trotz der Nähe nicht mehr zum Südpol gingen. Zumal sie umkehrten, selbst als sie sich nur noch 97 Meilen von ihrem Ziel entfernt befanden. Shackleton und seine Polsucher, mit viel zu wenig Proviant viel zu tief in die Antarktis vorgedrungen, mussten dabei hungern und hoffen.237 Beides ging zu ihren Gunsten gut aus. Shackleton war, den Südpol in Griffweite, beherrscht genug, er hätte der Erste sein können.238 Er hat es im Frühjahr 1909 vorgezogen zu überleben, statt berühmt zu werden. Shackleton empfand eine tiefe innere Befriedigung, dass seine Männer alle heil zu Hause ankamen und ihre Familien in die Arme schließen konnten. Er hätte den Punkt, an dem es nur eine Himmelsrichtung gibt, nämlich Norden, erreichen können, Jahre vor Amundsen und Scott. Nur der Preis wäre ein ähnlich hoher gewesen wie der, den andere bezahlten. Shackleton spürte, wann das Limit erreicht war, und kehrte rechtzeitig um.239 Er erkannte die eigenen Grenzen, um sie immer wieder zu überschreiten, respektierte sie aber auch, um zu überleben. Andere waren gestorben und sollten noch sterben, weil sie bedenkenlos ein Ziel verfolgten und dabei ihre Begleiter mit in den Tod rissen. Für Shackleton dagegen standen Sicherheit und Wohlergehen derer, die ihm ihr Leben anvertraut hatten, an allererster Stelle.240 Er errang Ruhm für das Empire ohne den Verlust von Menschenleben. Eine solche Verbindung findet in der gesamten Erforschung der Polargebiete nicht ihresgleichen. die nimrod-expedition – shackletons genialer grenzgang

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Sein genialer Grenzgang ist ein leuchtendes Beispiel für gelebtes Risikomanagement. Die Nimrod-Expedition wurde bald zu einem Mythos. Schon damals erwarb sich Shackleton einen Ruf, der ihn sein Leben lang begleiten sollte. Zu Recht. Er hat bei all seinen Expeditionen nie einen Mann verloren, der unter seinem direkten Kommando stand. Er beherrschte den Gang am Limit wie kein Zweiter. Shackleton befahl nicht. Er ging voraus. So motivierte er seine Männer.241

Das Ende ist unvermeidlich Die bedingungslose Leidenschaft ist niemals kritisch. Shackleton liebte die Antarktis bedingungslos, aber sein Leben auch. Deswegen respektierte er das Limit am Ende der Welt. Deswegen hatte er darauf verzichtet, der Erste zu sein. Die spätere Entdeckung des Südpols gehört zu den Tatsachen, die sich nicht vermeiden ließen.242 Die Weltmarktführer in Eis, Schnee und Entlegenheit betraten den Rand der Welt und standen am Abgrund des eigenen Lebens. Sie gerieten an Limits. Sie kehrten, wenn auch denkbar spät, um und sicherten ihr Überleben. Eine Befähigung, welche bei heutigen wirtschaftlichen Limits ebenfalls gefragt wäre  ? Gibt es Parallelen zwischen polarhistorischen und aktuellen ökonomischen Limits  ? Und, wenn ja, wo werden diese sichtbar  ?

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4 . l i m i t s i n d e r w i r t s c h a f t u n d a m e n d e d e r w e lt Der Grenzgang beginnt dort, wo die Show aufhört. Reinhold Messner

Legendäre Limits Limits in ihrer bisher gekannten Dimension und Genialität sind uns in vielen Ausprägungen geläufig. Doch einzigartige Überschreitungen legendärer Limits gelingen nicht alltäglich. Dabei bieten Wirtschaft, Sport und Expeditionen am Rande der Welt ein weites Feld für diese besondere Fähigkeit. Aber auch das alltägliche Leben kann uns wiederholt an eigene Grenzen führen. Das Limit ist dabei kein allgemeingültiger Wert. Limits können sich verändern, Limits können wir auch verschieben. Es muss sich nicht gleich um ein legendäres Limit handeln. Ganz profane Problemlagen sind manchmal eine scheinbar unüberwindbare Hürde. Oft genug wurden historisch und werden aktuell Grenzen erreicht oder gar überschritten. Gibt es eigentlich einen anderen Zugang außer jenen, der Limits immer gleich in der Nähe von Risiko und Krise ansiedelt  ? Der Mensch hat in allen Lebensgebieten das Recht, nach dem Höchsten zu streben.243 Es trägt naturgemäß eine irre Faszination in sich, die Welt jenseits des bereits vorhandenen Wissens zu erkunden und die Limits zum Neuland immer wieder zu überschreiten.244 Wer dabei das Machbare austestet, lebt an dieser Grenze ständig zwischen Rückschlägen und Bestätigung, zwischen einträglichem Erfolg und bitterer Niederlage.245 Nur wer es riskiert, zu weit zu gehen, kann herausfinden, wie weit man gehen kann. Dieses Zitat vermachte uns der Literaturnobelpreisträger Thomas Stearns Eliot. limits in der wirtschaft und am ende der welt

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Auf sich allein gestellt ist das Erreichen legendärer Limits oft ein Hochseilakt ohne Netz. Es bedeutet entweder nach einer gewissen Zeit euphorisch den Erfolg zu genießen oder aber am Limit zu scheitern.246

Limits erreichen und überleben Es gibt Grenzen, die wir zu respektieren haben. Wer diese Grenzen überschreiten will, spielt als Industrieller unter Umständen mit der Zerstörung von Existenzen und der Umwelt, als Sportler nicht selten mit Drogen, als Grenzgänger bei Expeditionen mit dem Tod.247 Die Natur zeigt uns perfekt vor, wie sie mit Einschränkungen umgeht. Ein Nadelbaum in der Kampfzone der Vegetation im Gebirge lebt gezwungenermaßen am Limit. Die extremen Witterungsverhältnisse und sein langsames Wachstum bei denkbar schlechten Bodenverhältnissen machen sein Holz zum wertvollsten aller Bäume. Von Jean Cocteau stammt ein Satz, den ich gerne für das Erreichen von Limits anführe  : Man muss wissen, wie weit man zu weit gehen kann. Wie gelangen wir Menschen an unser Limit  ? Hierzu präferiere ich zwei Ansätze  : Erstens  : gezwungenermaßen, also aus einer Notlage heraus, da beispielsweise eine wirtschaftliche Notwendigkeit, die existenzbedrohend ist, ein Handeln erfordert. So eine Situation wird zwangsläufig die Handlungsfähigkeit auf ein Reagieren beschränken. Zweitens  : selbst gewählt, aus einem gewissen Reiz heraus, die Grenze des Machbaren, des Marktes oder einer anderen Konstellation auszuloten. Dieses herausfordernde Handeln ist dem Agieren untrennbar verbunden. Limits gibt es nach oben, aber auch nach unten. Wir können für ein Unternehmen maximalen Gewinn anstreben oder versuchen, die Fixkosten unter die aktuelle Grenze zu drücken. Manche Personen leben gar mit minimalem Einkommen und Aufwand, was natürlich nicht zwangsweise korrelieren muss. Sportler hingegen streben an, maximale Leistung abzurufen. Es ist und bleibt eine Kunst, am Limit zu leben und zu arbeiten, aber eben nicht darüber hinaus zu gehen. Diese Kunst haben uns historische 94

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und gegenwärtige Grenzgänger vorgelebt, dann und wann vorgegaukelt. Nicht alle limitüberschreitenden »Erfolge« waren letztlich positiv oder manchmal, im Sinne eines Wortspieles, zu positiv. Wer würde heute noch die versprochenen Traumrenditen gewisser Fonds als positive Entwicklung bezeichnen  ? Wer kann sich für sportliche Erfolge, die mit Doping erreicht wurden, begeistern  ? Einmalig kam es bei der Nimrod-Expedition durch den »erzwungenen Marsch« zu einer Leistungssteigerung mit Drogen. Doping verschiebt die Leistungsgrenzen, die ein jeder Mensch zum eigenen Schutz hat, aus dem individuellen Sicherheitsbereich heraus.248 Damit macht sich der Dopende angreifbar. Gesundheitlich und moralisch. Mehr noch, er setzt sein Leben aufs Spiel. Ist ein Triumph am Limit tatsächlich perfekt  ? Erfolgreiche Menschen betrachten auch Erfolgserlebnisse nüchtern. Wie Pyrrhus von Epirus. 280 vor Christus schlug er die Römer und jammerte aufgrund der schweren Verluste  : »Noch so ein Sieg, und ich bin verloren  !«249 Limitüberschreitungen zu verkraften zeichnet Wirtschaftsunternehmen genauso aus wie einzelne Personen. Die jahrzehntelange Leistung und das Buch zu Überlebt  ! – Alle 14 Achttausender von Reinhold Messner ist ein Paradebeispiel dafür. Die bergsteigerische Leistung Messners, als Erster alle Achttausender und vielfach ohne Sauerstoff zu besteigen, war einzigartig. Mindestens genauso einzigartig und bemerkenswert erscheint im Zusammenhang von ständiger Gefahr und lebensbedrohender Umgebung bei seinen Expeditionen eine Tatsache  : Er war in der Lage, diese enorm gefährlichen Auf- und Abstiege bei allen seinen Expeditionen zu überleben. Seine Einstellung hat ihm dabei maßgeblich geholfen. Die Hauptmotivation liegt nicht im Hinaufkommen oder im Erfolg, sondern im Zurückkommen.250 Um ein hohes Niveau nahe am Limit zu erreichen, müssen wir von Zeit zu Zeit auf einer wesentlich niedrigeren Leistungsstufe verharren, Körper und Geist komplett erholen, Kräfte sammeln und Neues planen. Die Belastungen am Limit sind so groß, dass Grenzen verschwimmen und verschwinden, dass Realität und Surrealität vermeintlich als gleichrangige Alternativen unterscheidungslos nebeneinander existieren. limits in der wirtschaft und am ende der welt

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Etwas aus ganzer Kraft und Überzeugung zu tun und es auch gegen Widerstände zu schaffen, auch für sich selbst, motiviert. Wenn wir zehnmal fallen, dann stehen wir zehnmal wieder auf und wachsen dabei. Die Grenzen der eigenen Fähigkeiten in Wirtschaft und Leben zu erkennen ist elementar, um sie weiter stecken zu können. Oder es ganz einfach bleiben zu lassen, wenn sich eine Verschiebung des Limits als nicht machbar herauskristallisieren sollte.

Limits in Wirtschaft und Leben Ein Limit ist in der Wirtschaft eine durch Planung oder Erfahrung ermittelte Beschränkung. Im Börsenalltag sind Limits Preisbegrenzungen nach oben oder unten. Folgt man der Betrachtungsweise des Kreditwesens, so ist beim Kreditlimit der Plafond einer Kreditlinie erreicht. Um erfolgreich zu sein, müssen wir Limits tangieren, uns diesen annähern und sie ab und zu situativ überschreiten. Dabei ist es Erfolg versprechend, nicht direkt und ungestüm an die Grenzzonen vorzustoßen, sondern beim ersten Kontakt mit dem Grenzbereich oder in dessen Umfeld noch einmal einen Schritt zurückzugehen, um genauer und klarer zu sehen. Erst dann können tragfähige Prioritäten für das eigene Handeln gesetzt werden. Ohne eine präzise Planung begibt sich nur ein Narr in den schmalen Grenzbereich am Limit. Wichtig ist, sich an das Limit heranzutasten, mit allen daraus einhergehenden Belastungen und Ängsten umzugehen, ohne dabei den berühmten Schritt zu viel zu tun.251 Träume zuzulassen und ihnen einen realistischen Rahmen zu geben ist ein Teil des Weges, um an Grenzen zu gehen – im Beruf ebenso wie im Alltag.252 Irgendwie logisch, es macht einfach auch Spaß, sich am Limit zu bewegen. Bei Expeditionen, im Sport und in der Wirtschaft. Doch wer in der Lage ist, die Grenzen des Machbaren ständig hinauszuschieben, begibt sich zugleich auf dünnes Eis. Es ist sowohl wirtschaftlich als auch menschlich interessant und wichtig, die eigenen Grenzen zu erkennen, um sie situativ zu überschreiten. 96

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Blindes und überzogenes Vorgehen bringt aber ein Wirtschaftsunternehmen oder einen Menschen am Limit schnell in den Abgrund. In diesem Zusammenhang erhält der Begriff »Mut zur Grenze« seine Bedeutung, denn, das »Grenzen akzeptieren« und »Grenzen ziehen« kann Wege öffnen. Dies kann auch bedeuten, den Mut zu kleinen Lösungen zu haben. Nicht immer muss automatisch die Limitüberschreitung der Schlüssel zu »mehr« sein. Ein Grenzgänger zu sein bedeutet nicht, Grenzen zu verschieben oder neue Grenzen zu erreichen, es bedeutet zuallererst, seine eigenen Grenzen zu erkennen.253 Sich bewusst an den Rand seiner Möglichkeiten zu wagen bedeutet, immer wieder einen Schritt weiterzugehen, ohne dabei umzukommen. Die Gratwanderung zum Erfolg, also der geniale Grenzgang selbst, pendelt zwischen maßlosem Überziehen und zu wenig Ausschöpfen. Es sich am Limit häuslich einzurichten hat sicher viel Faszinierendes an sich, es gelingt aber den wenigsten, egal ob Menschen oder Unternehmen, auf Dauer.

Limits für alle Limits zu sprengen trauen sich nur jene zu, für die es augenscheinlich keine Grenzen gibt und kein Hindernis. Doch Limits zu sprengen oder zu negieren kann fatale Folgen haben. Insbesondere dann, wenn andere mitgerissen werden können. Es dürfte auf der Hand liegen, dass nicht nur Führungskräfte ihre Limits haben, sondern alle Menschen. Bei den großen und kleinen Chefs treten diese Limits mehr in den Vordergrund, da die Vorgesetzten auch Vorbilder für den Umgang mit Limits sind. Die Mitarbeiter erwarten dabei nie Führungskräfte, deren Kräfte und Macht grenzenlos sind. Im Gegenteil, da alle Mitarbeiter eigene Limits haben und kennen, wären Vorgesetzte ohne Limits die Bedrohung an sich.254 Jede Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung braucht ein festgefügtes Wertesystem mit Überzeugungskraft. Überzeugung braucht Vorbilder. Vorbilder, die dazu animieren, selbst zum Vorbild zu werden. Vorbild sein bedeutet auch, Bewusstsein dafür zu entwickeln, wo die Grenzen des Hanlimits in der wirtschaft und am ende der welt

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delns liegen. Zum Beachten von Grenzen gehört die Erkenntnis, dass nicht alles, was nicht ausdrücklich verboten ist, im Umkehrschluss auch erlaubt ist.255 Wenn wir keine Grenzen einhalten wollen, dann werden wir selbst nie genug bekommen und unsere Lebens- und Wirtschaftsgrundlage zerstören.256

Arbeiten am Limit Unternehmen, die einen Auftrag unbedingt an Land ziehen wollten oder mussten, werden im Nachhinein oft ähnliche Erkenntnisse haben. Wenn es sich wirtschaftlich gerade noch trägt, dann wird so ein »Geschäft« wohl als nutzloser Auftrag verbucht. Wenn es aber bedrohlich oder gar existenzgefährdend in der Auswirkung wird, dann kann so eine Fehlentscheidung mit ruinösem Charakter über das unternehmerische Limit führen. Die wachsenden Anforderungen am Arbeitsplatz bringen Unternehmen und die Menschen in ihnen an die Grenze ihrer Belastbarkeit. Jeder dritte Berufstätige arbeitet beständig am Limit. Hauptursache für den Jobstress sind Termindruck und Hast. Davon ist jeder zweite Erwerbstätige betroffen. Ein Drittel leidet zudem unter dem Zwang zur ständigen Erreichbarkeit sowie der Informationsflut durch E-Mails und Handy. Belastende Arbeitszeiten durch Überstunden oder Schichtdienst verstärken den Druck zusätzlich.257 Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten stehen viele Arbeitnehmer unter Druck. Um sich vor der nächsten Sparrunde als unentbehrliches Arbeitstier zu positionieren, arbeiten sie am Limit.258 Ob das für sie selbst und das Unternehmen gut und von Vorteil ist, benötigt wohl keine weitere Erörterung. Ein Autorennfahrer rechtfertigte sich nach einem denkbar knapp verlorenen Rennen in einem Interview  : »Am Limit macht man ganz einfach leichter Fehler.«259 Das mag stimmen, aber es kommt auf die Sichtweise an. Richtiger ist vielmehr, am Limit wirken sich etwaige Fehler wesentlich fataler aus. Und wahrscheinlich machen wir gerade in Grenzbereichen weniger Fehler, da wir zumindest, solange es uns möglich ist, noch konzentrierter 98

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als in Normalsituationen arbeiten. Den Weg am Limit gehen wir meist allein und sind somit auf uns selbst zurückgeworfen. Genau dann erhalten wir fatalerweise von außen wenig Unterstützung.

Wege am Limit Eine Führungskraft sollte wie Shackleton auch in Krisensituationen Sinn stiften.260 Wichtig erscheint an dieser Stelle eine Abgrenzung von Risiko und Krise. Risiken sind potenzielle Probleme, Krisen hingegen sind akute Probleme. Risikomanagement hat überwiegend vorbeugenden Charakter. Beim Krisenmanagement am Limit handelt es sich eindeutig um unvorhergesehene Probleme, die bereits akut geworden sind.261

Eine eher provokante Position, die akzeptierte Grenzen als Tragik bezeichnet, liest sich folgendermaßen  : Kennen Sie das Gefühl, an der Grenze Ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit zu sein  ? Leistungsgrenzen dort zu akzeptieren, wo sie sich zeigen, ist eine Tragik im menschlichen Leben. Doch Grenzen sind nie dort, wo man sie gelten lässt, sie liegen viel weiter draußen, als man es ahnt.262 Ob es eine Tragik ist, Grenzen anzuerkennen, lässt sich daraus nicht ableiten. Da weder Menschen noch Organisationen ständig am Limit respektive »so weit draußen« überleben können, stellt sich die berechtigte Frage  : Welche Wege führen ans wirtschaftliche Limit und von diesem wieder zurück  ?

Wirtschaftliche Limits Einige Unternehmen geraten nie, andere beinahe schon periodisch und wieder andere mit einem Schlag an einen Scheitelpunkt. Ob dazu produkt-, markt- oder personenspezifische Gründe vorliegen, ist eher zweitrangig. Am Limit haben Unternehmen üblicherweise mit einer mannigfaltigen Ausprägung unterschiedlicher Beschränkungen umzugehen. Ein bedrohendes Ausmaß wird mit einer zu geringen Auftragslage genauso limits in der wirtschaft und am ende der welt

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erreicht wie mit einem gigantischen Auftrag, der alle Unternehmensgrenzen sprengt. Egal, ob in so einer Situation gerade Zeit oder Personal, Kapital oder Mut knapp sind, Erfolg oder Scheitern stehen dann im Raum. Menschen, die Unternehmen führen, haben unterschiedliche Zugänge, wie sie am Limit agieren oder reagieren. Unterschiedliche Zugänge auch, wie nahe sie sich an Gefahren heranwagen. Erfahrungen aus dem Managementtraining mit einer mobilen Skisprungschanze schilderte mir Hubert Neuper. Aufschlussreich ist seiner Einschätzung nach das Verhalten der Teilnehmer insofern, da es nicht darum geht, über das eigene Limit zu gehen oder zu springen und unbedingt eine gewisse Marke zu erreichen. Vielmehr ist es sinnvoll zu sagen, diesen Anlauf und diese Weite traue ich mir zu, das mache ich und nicht weiter. Hingegen tun Teilnehmer, die sich unter Gruppen- und Zeitdruck bei diesem Grenzgang überschätzen, weder sich selbst beim Sprung noch dem Unternehmen im Alltag etwas Gutes.

Zeitliche Limits Es gibt für fast jedes Produkt einen optimalen Zeitpunkt. Und damit natürlich zwangsläufig viele nicht optimale Momente. Der Siegeszug mancher Erzeugnisse hätte vielfach Jahre und Jahrzehnte früher einsetzen können, doch die Zeit war offensichtlich noch nicht reif. Diese Produkte lagen oder standen ohne Beachtung in Bibliotheken und Laboren, Kellern und Garagen bereit. An Beispielen mangelt es nicht. Von dem Tag an, als Leonardo da Vinci am 2. Mai 1519 starb, lagen seine Geistesschätze in Bibliotheken und Sammlungen unbeachtet herum. Erst Jahrhunderte später stellte sich he­raus, welche hohe Bedeutung ihm als Mathematiker und Ingenieur, Erfinder und Konstrukteur zukam. Erstaunlich, wie weit sein Genie nicht nur seinen eigenen Zeitgenossen vorausgeeilt war. 1863 präsentierte Philipp Reis das erste Telefon der Welt, welches gesprochene Töne mithilfe von Strom übertrug. Dieser Fernsprecher erlangte allerdings weder Anklang noch Marktreife. Seine Erfindung war damals 100

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noch zu früh für die Welt. Ab 1877 fand dann der Handapparat von Alexander Graham Bell Anwendung. Jedes Unternehmen, das heute vorausblickend Produkte auf den Markt bringt, hat einen enormen Wettbewerbsvorteil. Nur zu vorausblickend dürfen diese Produkte auch nicht sein. Wer die Gunst der Stunde erkennt, kann zeitliche Limits zu seinem eigenen Vorteil nutzen. Neben dem richtigen Augenblick für ein Produkt ist die Nutzung der Zeitressourcen innerhalb des Unternehmens von Bedeutung. Wenn Sie weniger interne E-Mails versenden, können Sie das zwischenmenschliche Verhältnis deutlich verbessern. E-Mails verschieben Informationen ins Nachbarbüro, ohne darüber reden zu müssen. Ist der Kontakt aus persönlichen oder machtpolitischen Gründen gestört, bietet das Medium eine zusätzliche Distanzierungsmöglichkeit.263 Viel besser ist es, zu Ihren Mitarbeitern hinüberzugehen und in einem persönlichen Gespräch den Spiegel Ihrer Bindungshormone zu erhöhen. Das wird nicht immer möglich sein, ist aber für alle Beteiligten gewinnbringend. Der freundliche Kontakt regt die Produktion des Botenstoffes Dopamin an, das für Aufmerksamkeit und verbindende Gefühle zuständig ist.264 Der persönliche Kontakt ist den technisierten Kommunikationsformen endlos überlegen.

Technische Limits Der menschliche Erfindungsgeist hat viele technische Einschränkungen erfolgreich überwunden und zugleich andere geschaffen. Noch so intelligente Werkstoffe und neue Computerprogramme sind kein Garant für technische Problemlösungen. Es gibt immer noch ungelöste und wieder neu entstehende Limits in der Technik, die irgendwann überwunden werden. Oder nie. Wenn über weite Strecken am Limit produziert wird, schädigen sich Unternehmen selbst. Eine aktuelle Untersuchung der Technischen Universität Ilmenau belegt, dass viele Unternehmen unter extremem Wettbewerbslimits in der wirtschaft und am ende der welt

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druck alle Kapazitätsreserven »bis zum Anschlag« ausnutzen und vielfach die eingesetzten Produktionsmaschinen und automatisierten Logistikanlagen am Limit betreiben.265 Überzogene Sparmaßnahmen bei der Wartung und Instandhaltung führen oft zu gewaltigen Folgeschäden. Auf Störungen wird dabei nur ausfallabhängig nach der »Feuerwehrstrategie« reagiert, was durchdachte Instandhaltungsstrategien nicht oder nur in geringem Umfang erkennen lässt.266 Die Instandhaltung fällt dem hohen Kostendruck und einer meist kurzfristigen Gewinnoptimierung zum Opfer, ohne dass dabei an die langfristigen Auswirkungen gedacht wird. Solche technischen Limits vermeiden vorausdenkende Unternehmen auch in schlechten Zeiten. Gute oder schlechte Zeiten verknüpft die Wirtschaft naturgemäß mit dem Ergebnis der Bilanzen.

Finanzielle Limits Bei den Limits im wirtschaftlichen Alltag nehmen die finanziellen Limits eine vorrangige Stellung ein, sind doch viele Einschränkungen direkt von ihnen betroffen. Der Ausgangspunkt finanzieller Probleme sind häufig eine Unterfinanzierung zu Beginn des unternehmerischen Vorhabens, kurz- oder langfristige Liquiditätsengpässe aufgrund der Auftragslage, zu viel gebundenes Kapital in der Lagerhaltung, Kreditlinien am Limit und Zahlungsausfälle. Ein Geschäftsführerehepaar eines Unternehmens mit zwölf Mitarbeitern begegnete Engpässen finanzieller Natur selbstlos. Es zahlte sich Urlaubs- und Weihnachtsonderzahlung bei ausgeschöpften Kreditlinien mehrmals nicht aus, da die Mitarbeiter ihr Geld bekommen sollten. Letztendlich kam das Unternehmen auf die Erfolgsspur zurück, wirtschaftete noch zwei Jahrzehnte erfolgreich weiter und wurde gewinnbringend verkauft. Indem sich die Eigentümer nichts leisteten, leisteten sie Besonderes. Außergewöhnliche Banken bieten heute sogenannte »ethische« Konten und Investitionsfonds an. Es entwickelt sich ein »ethisches Finanzwesen«, vor allem durch den Kleinkredit und die Mikrofinanzierung. Weltweit nut102

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zen mehr als 100 Millionen Menschen Kleinkredite und schaffen dadurch einen Weg aus der Armut. Kleine Beträge von nur wenigen hundert Euro können Investitionen in Mikrounternehmen ermöglichen. Zudem sollen Menschen Zugang zu Kapital bekommen, die dieses bei gewöhnlichen Geldinstituten nicht erhalten. Die Erlöse ihrer Mikrofirmen decken dann im Idealfall nicht nur Zinsen und Tilgung ab, sondern erwirtschaften für die Kinder Essen, Kleidung und Schulbildung. Die überwiegende Zahl der Mikrofinanzinstitute arbeitet ertragsorientiert. Der Arme zahlt Schulden zuverlässiger zurück als die meisten Kreditnehmer. Die Rückzahlungsquote liegt bei durchschnittlich 98 Prozent.267 In einem Erdteil finanzieren sich die Kreditnehmer den Ankauf von wenigen Tieren zum Aufbau einer Zucht, am anderen Ende der Welt können sie durch die Anschaffung von kleinen Solarzellen länger und produktiver arbeiten. Egal, ob in Afrika, Südamerika, Osteuropa oder Zentralasien, Erfolgsmeldungen gibt es hinlänglich. Obwohl, es gibt Studien, wie Microcredit in Theory and Practice, die Freud und Leid mit Mikrokrediten ergeben. Die Ziele der Armutsbekämpfung und des Wirtschaftswachstums werden leider vielfach nicht erreicht. Die positive Wirkung der Mikrokredite ist bisher überschätzt worden, da sich viele Untersuchungen nur auf Erfolgsgeschichten konzentriert haben. Meistens wird davon ausgegangen, dass Mikrokreditnehmer in eine Firma investierten. Viele Menschen verwenden ihre Mikrokredite aber für Gesundheitsausgaben, Schulgebühren und Nahrung. Die Studie kam jedoch auch zu überraschenden positiven Ergebnissen  : So erhöht sich bei den Kreditnehmern deren Risikomanagement. Sie besitzen mit dem Mikrokredit einen Puffer gegen Einkommensschwankungen und unerwartete Ausgaben und können dadurch mit diesen Risiken umgehen. Die Studienautoren schlagen vor, Mikrokredite eher als Instrument für Haushalte zu benutzen als für Unternehmer und Wachstum.268 Wann ist im Finanzwesen das Limit erreicht  ? Die Bankenbranche hat sich wie ein Ufo vom Geschäft mit den Kunden entfernt. Das Umwälzen von Milliarden hat mit dem normalen Anlage- und Kreditgeschäft gar nichts mehr zu tun. Die Bank zurück zu den Menschen zu führen, mit anständigem Profit, ist das Anliegen nachhaltig agierender Institute. Die Gier limits in der wirtschaft und am ende der welt

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nach Provisionen war ein zu wichtiger Faktor bei der Fehlorientierung der letzten Entwicklungen.269 Ein Limit ist sicher dann erreicht, wenn Geldinstitute oder Finanzberater manipulative Kundenberatungen durchführen, aus diesen Gewinn lukrieren, die Menschen aber weitgehend auf wertgeminderten oder wertlosen Produkten sitzen bleiben. Was fehlt, ist das Verständnis für Zusammenhänge und wirtschaftliche Grundgesetze. Das exponentielle Wachstum geht immer weiter. Es hat seinem Wesen nach keine Grenze.270 Genau das bringt das System letztlich zum Kippen und viele Menschen an den Abgrund.

Personelle Limits Wenn die Wirtschaft boomt, sind die Auftragsbücher vieler Branchen voll. Was dann normalerweise fehlt, ist ausreichend Personal. Vor ein paar Jahren noch kämpften die jungen Leute um Ausbildungsplätze, heute kämpfen die Unternehmen um die guten jungen Leute. Der demografische Wandel hat uns erfasst. Bei vielen Unternehmen ist dieses Problem jetzt zentrales Thema. Sie sind vielleicht nicht schlecht aufgestellt, müssen aber in Zukunft besser kommunizieren, dass sie für junge Menschen ein attraktiver Arbeitgeber sind. Gute Leute sind knapp.271 Die Motivation der Menschen im Unternehmen ist nicht eintreibbar, nicht einklagbar. Leistung basiert auf leidenschaftlicher Begeisterung. Personelle Limits limitieren die Effizienz. Somit werden Unternehmen und Organisationen geradezu genötigt, enormen Wert auf ihre Mitarbeiter zu legen. Und darin liegt eine immense Chance. Es gibt Unternehmen, egal ob kleine oder ganz große, die an die Würde des einzelnen Mitarbeiters glauben.272 Genau das müsste und muss ein wesentlicher Faktor und Schlüssel für ein positives ökonomisches Ergebnis sein. Richtig spannend wird es jedoch erst, wenn so ein Erfolg mit ökologischer Verantwortung einhergeht.

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Ökologische und materielle Limits Nur der größte Ignorant unter uns kann noch daran zweifeln, dass das Ökosystem der Erde in Gefahr ist.273 Der Schlüssel zum Umgang mit ökologischen und materiellen Limits liegt in der Nachhaltigkeit, vor allem Nachhaltigkeit im Handeln des Einzelnen. Die von der Natur vorgegebenen Grenzen sind in vielen Fällen schon erreicht, was beim Öl, beim Kohlendioxid und beim Klima besonders deutlich ist.274 Hatten einige bei Tschernobyl noch im Hinterkopf, dass einmaliges menschliches Versagen schuld war, so ist vielen spätestens mit Fukushima bewusst geworden, an welch seidenem Faden vermeintliche Sicherheit hängt. Natur und Technik zeigen uns immer mehr die Grenzen auf. Die Grenzen unserer Verletzlichkeit. Und auch die ihrer. Der für uns unentgeltliche Raubbau an der Umwelt gipfelt in meiner Überzeugung, dass die Erde eines Tages sehr gut ohne uns Menschen auskommen kann, wir aber unsere Existenzgrundlage auf diesem wunderbaren Planeten verspielen können. Der österreichische Nobelpreisträger Konrad Lorenz äußerte als zivilisatorisch-ökologischer Gesellschaftskritiker  : »Ich hielt immer die Raumfahrt für eine sehr unnütze und leichtfertige Ausgabe großer Summen, und das Einzige, was ich an Gutem an Mond und anderen Raumfahrten sehe, ist, dass es den Menschen beigebracht hat  : Wie schön die Erde ist, wie scheußlich die Mondwüste ist, wie scheußlich der Mars ist und wahrscheinlich alle anderen Himmelskörper in unserer näheren Umgebung auch. Wie selten, wie wunderschön unsere kleine blaue Erde ist, wie klein sie ist, wie selten, wie isoliert sie ist, und wie wir vollkommen aufgeschmissen sind, wenn wir diese kleine blaue Erde kaputtmachen.«275 Diese Zeilen eignen sich zum Vorlesen und Weitererzählen.

Kommunikative Limits Alarmzeichen für eine Störung in der Kommunikation müssen bewusst wahrgenommen werden. Es ist wichtig, möglichst unmittelbar darauf zu reagieren. limits in der wirtschaft und am ende der welt

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Wenn es die Unternehmensführung nicht versteht, mit den Mitarbeitern zu kommunizieren, dann limitiert sie ihren Handlungsspielraum gegen null. Ein kommunikationsarmes, noch schlimmer kommunikationsloses, Unternehmen ist der Anfang allen Übels.276 Kommunikation mit lebenden Systemen folgt einer anderen Logik als die der technischen Anweisung.277 Eine sehr einfache technokratische, aber praktikable Kommunikationsregel stellt zwei Fragen. Wer muss wissen, was ich weiß  ? Wer weiß etwas, was ich wissen muss  ? Eine flache Führungshierarchie ist eine gute Möglichkeit, den Menschen im Unternehmen nahe zu sein  : durch direkte Kommunikation und verkürzte Entscheidungswege, ausgebaute Mitarbeiterkompetenzen und gemeinsame Aktivitäten, offene Türen und mitarbeiternahe Führungskräfte.278 Unsere Zukunft liegt in der Gesprächsführung. Alles hängt davon ab, wie gut wir Kontakte aufbauen und halten.279 Der beste Weg, die Qualität der Beziehungen in einem Unternehmen zu steigern, ist, die Qualität der Kommunikation zu steigern. Ein gut kommunizierendes Unternehmen stärkt das Selbstbild seiner Mitarbeiter, erhöht deren Arbeitsmotivation und bewirkt eine wünschenswerte Identifikation. Den kommunikativen Limits können wir mit einem idealisierten Führungsverhalten relativ einfach begegnen.

Führungsverhalten oder Human Leadership am Limit Die Bandbreite menschlichen Führungsverhaltens reicht von strikter militärischer Führung bis hin zu wesentlich kooperativeren Formen. Das jeweilige Führungsverständnis zeigt dabei Ausprägungen des Managers als delegierende Person oder im Leadership-Verständnis, bei dem man seinen Mitarbeitern unterstützend vorangeht. Viele verwechseln aktuell Management mit Führungskunst. Management ist ausgerichtet auf die funktionale täglich relevante Ebene eines Unternehmens. Führungskunst und Leadership beschäftigen sich mit der darüberliegenden Ebene der Ziele und Wege. Die Managementqualität bestimmt die Effizienz betrieblicher Abläufe. Das Führungsverhalten be106

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stimmt, ob die Ausrichtung passt. Vereinfachend ausgedrückt  : Management kann relativ gut gelernt werden. Human Leadership betont hingegen mehr den Persönlichkeitsaspekt des Leaders. Und weiter, schamlos vereinfachend  : Ein Manager hat eher Untergebene. Ein Leader ist mehr von Unterstützern umgeben. Sowohl Management als auch Führung sind von großer Bedeutung. Allerdings brauchen wir mehr Leadership. Exzellente Unternehmen leben eine exzellente Form von Human Leadership. Denn wer führt, gewinnt. Gerade die besten Manager fordern sich selbst und ihre Mitarbeiter oft bis ans Limit oder darüber hinaus. Das geht aber auf Dauer nie gut.280 Der Anspruch an sich selbst sollte permanent lauten, sich das Vertrauen des Teams jeden Tag neu zu erarbeiten. Eine aktuelle Studie zum Stellenwert der Personalführung in deutschen Unternehmen zeichnet ein sehr kontroversielles Bild  : Mitarbeiter verantwortungsvoll zu führen gleicht oft einem bloßen Lippenbekenntnis. Nicht selten wird schlechtes Führungsverhalten wissentlich von der Geschäftsleitung geduldet, sofern das operative Ergebnis stimmt. Können sich Vorstände und Geschäftsführer vor dem Hintergrund des demografischen Wandels sowie des bereits spürbaren Fachkräftemangels fehlende Leadership-Qualitäten überhaupt noch leisten  ? Haben sie die Zeichen der Zeit bereits erkannt  ? Messen sie dem Thema erhöhte Bedeutung bei  ? Insgesamt wurden 118 zufällig ausgewählte Unternehmen befragt. Die Untersuchung verdeutlicht zwei Dinge  : Schlechtes Führungsverhalten wird in der Regel nicht sanktioniert, solange das finanzielle Ergebnis stimmt. Zudem wird gutes Führungsverhalten bedauerlicherweise nicht belohnt. Die fehlende Ausbildung vieler Personen in Führungsverantwortung sorgt für eine schlechte Personalführung. Eine notwendige Führungskultur kann so nicht entstehen.281 Etwas vereinfachend mit den Worten Richard David Prechts ausgedrückt  : »Niemand wird deshalb besser bezahlt, weil er ein guter Mensch ist.«282 Es ist schwierig, aber keinesfalls unmöglich, führungsrelevante Situationen am Limit zu beherrschen. Als Vorgesetzter, der an die eigenen Grenzen stößt und damit offen und ehrlich umgeht, werden Sie zu einem geachtelimits in der wirtschaft und am ende der welt

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ten Vorgesetzten. Glaubwürdig macht Sie für andere Menschen innerhalb Ihrer Organisation dabei die Einsicht, dass Sie authentisch um ihre eigenen Limits ringen.

Organisatorische Limits Das Überschreiten wirtschaftlicher Limits führt manchmal mehr, manchmal weniger anhaltend zu Krisen innerhalb der Organisation. Diese Krisen sind keine Ausnahmesituationen, sondern Managementalltag. Umso erstaunlicher, dass niemand sie beherrscht.283 Wenn noch dazu interne und externe organisatorische Grenzen zu überwinden sind, stehen immense Herausforderungen an. Wenn Organisationen verschmelzen, weil Unternehmen andere erwerben, dann stülpen die Käufer dem neuen »Partner« nur zu gerne ihr Organisationsschema über. Anstatt Synergien und die Potenziale beider Organisationsformen zu nützen, werden die des Übernommenen und dessen Kultur vielmals missachtet und vorschnell beseitigt. Die Kultur einer Organisation ist so individuell und einzigartig ausgeprägt wie ein Fingerabdruck. Die Individualität der Organisationsform ist ihre Chance und zugleich ihr Risiko. Ein Geschäftsprozess wird im Normalfall immer an organisatorische Grenzen, wie Abteilungs- oder Unternehmensgrenzen, stoßen und diese zu überqueren versuchen. Dass alle Beteiligten jederzeit auf die relevanten Informationen zugreifen können, muss für Unternehmen, die ihren Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern wollen, selbstverständlich sein. Dabei ist die Organisation so zu gestalten, dass alle Informationen und Hintergründe überall dort zur Verfügung stehen, wo sie gebraucht werden. So wird eine wichtige Voraussetzung geschaffen, dass alle Beteiligten ihre Aufgaben effizient erfüllen können. Unternehmen scheitern häufig an einer mangelnden Organisationskultur. Deren Werte beeinflussen die Mitarbeiter nachweislich stärker als andere Faktoren. Die betriebliche Sozialatmosphäre und das Unternehmensklima rücken zunehmend in den Fokus der Organisationsgestaltung. 108

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Wie Organisationen am Limit handeln oder nicht handeln, sagt viel über ihr Menschenbild aus.

Limitüberschreitung als finaler Akt Es passiert, dass Entscheidungsträger oder Eigentümer an ihren unverrückbaren Paradigmen festhalten und sehenden Auges auf den Abgrund zusteuern. Sie vertrauen dann lediglich auf ihre Ausbildung und vermeintliche Erfahrung und forcieren möglicherweise eine nicht ertragreiche Produktlinie weiter, um recht zu haben. Oder sie setzen alles auf eine Idee, die nie zündet. Fehlentscheidungen werden dadurch, dass man an ihnen festhält, nicht richtiger. Die Grenze zwischen dem Charakter, zu Überzeugungen zu stehen, und blindwütigem Festhalten an ihrer Sinnlosigkeit sollte doch breit genug sein, um sie zu erfassen. Unternehmerische Entscheidungen, die eine oder andere Leistung nicht mehr selbst zu erbringen und auszulagern, gipfeln gerne in unbedachten Szenarien. Diese Unternehmen sind unweigerlich weniger breit aufgestellt. Sie bekommen Probleme, mit geringeren Wertschöpfungsanteilen ihre Gesamtkosten zu tragen. Ein Scheitern erscheint dann oft vorprogrammiert.

Exkurs  : Scheitern Schade, dass sich heutzutage so wenig Menschen für die Seefahrt interessieren. Sie wüssten mehr vom Leben. Auf See kam und kommt es gelegentlich vor, dass ein Sturm ein Schiff gegen tückische Felsklippen drückt, an denen das Holz der Planken zersplittert. Dies nannte man früher fachmännisch »scheitern«, denn was vom Schiff übrig blieb, war nicht viel größer als ein Holzscheit – und auch zu wenig mehr nützlich. Für viele ist Scheitern wie krank werden. Sie haben Angst, sich anzustecken, und meiden gescheiterte Personen und Institutionen. Diese Haltung gegenüber dem Scheitern ist aber zutiefst unvernünftig.284 Sie verändert limits in der wirtschaft und am ende der welt

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und führt zu nichts. Sie bringt niemanden weiter. Sie macht keinen Schaden kleiner. Im Scheitern erfahren wir unser Begrenztsein. Deshalb ist Scheitern eine stärkere Erfahrung als der Erfolg. Auf dem Gipfel angekommen zu sein bedeutet, es geschafft zu haben, mehr nicht. Das Ziel ist damit verschwunden. Mit dem Scheitern bleibt das Ziel. Das Scheitern an sich ist nicht wirklich wichtig. Das unmittelbar darauf Folgende, die innere Wirkung, das Infragestellen des Ichs, auch die Verzweiflung, ist der Schlüssel dazu. Scheitern birgt die enorme Chance für einen neuen Anfang in sich. Auch für die Möglichkeit, seine Grenzen zu erfahren und an seinen Zweifeln zu wachsen.285 Shackleton unterstelle ich ja gerne, wenn es denn diesen Begriff überhaupt gibt, »fulminantes Scheitern«. Egal, welche Limits sich ihm auftaten, sein Leadership war grenzgenial.

Die ideale Ritze Das wirtschaftliche Vorankommen am Limit können wir uns bildlich wie den Aufstieg bei einer schwierigen und ausgesetzten Klettertour vorstellen. Manche Kletterer schlagen dabei immer dann schnell einen Haken zum Sichern ein, wenn es brenzlig wird. Andere wiederum setzen genau dort einen Haken, wo sie eine ideale Ritze bei einem guten Standplatz antreffen. Dann können sie sicher stehen und den Haken optimal einschlagen. Wenn später eine brenzlige Stelle kommt, müssen sie nicht erst eine Ritze suchen, die es vielleicht nicht gibt. Sie sind in dieser Situation abgesichert.286 Hingegen müssen die Verfechter der ersten Methode immer dann schnell einen rettenden Haken einhauen, wenn sie gefährlich stehen, in Zeitnot sind und zudem keinen optimalen Spalt im Felsen vorfinden. Die Rückführung und Rückschlüsse aus dieser Kletterpartie in den wirtschaftlichen Alltag überlasse ich Ihrer Fantasie. Auch eine noch so detaillierte Betrachtung der wirtschaftlichen Limits wird der Realität nur in Ansätzen gerecht. Die Liste aller möglichen Limits und ihrer Ausprägungen ist ebenso lang wie ungewiss. Ähnliches dürfte für die retrospektive Aufrollung von Shackletons Limits gelten. 110

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Polarhistorische Limits In der Antarktis hat man den Zufall immer gegen sich Ob es bei Shackleton immer nur der Zufall war, den er gegen sich hatte, lässt sich analysieren und widerlegen. Folgende Situationen zeigen exemplarisch auf, wann die Nimrod-Expedition an Limits stieß und wie Shackleton mit diesen umging  : •

Privat finanziert konnte die Expedition nur starten, da Shackletons Gönner Mr. Beardmore mit einer 7.000-£-Bürgschaft aushalf.



In Australien musste der enorme Geldmangel durch 5.000 £ von der Regierung, die erste offizielle Unterstützung, gelindert werden.



Auf Neuseeland ging das Geld abermals aus. 1.000 £ von der Regierung und 500 £ eines eismeerbegeisterten Privatiers retteten den Expeditionsstart.



Im Inneren der völlig überladenen Nimrod fand zu wenig Kohle für die Überfahrt zur Antarktis Platz. Mit der Idee vom Schleppereinsatz der Kooyna beseitigte Shackleton diese Einschränkung.



Ein vom Ross-Schelfeis abgebrochener Tafeleisberg machte ihre Anlandung unmöglich. Shackleton entschied sich gegen das limitierende Versprechen, den McMurdo-Sound nicht anzulaufen, und für den Fortgang der Expedition.



Das Automobil erwies sich als nicht tragfähiges Transportsystem, Ponys und Männer übernahmen zusätzliche Lasten.



Der Weg zum unteren Ende der Welt war ab der alten Rekordmarke unbekannt. Shackleton entschied, diesen Weg selbst weiter zu erforschen.



Das Pony Socks stürzte in eine Gletscherspalte und riss Frank Wild beinahe mit. Die Pol-Truppe stellte sich auf die neuen Bedingungen ein.



Die Ponys litten viel und starben früh. So zogen die Männer alle Lasten selbst



Durch die Schlechtwettertage schrumpfte ihr Proviant übermäßig. So streck-



Beim Marsch zum Zielpunkt Furthest South waren die Furthest Four am un-

weiter. ten sie ihre Rationen, um zu überleben. teren Ende der Welt, und damit überall, Weltmarktführer in eisigen Gefilden. Alle damaligen Limits fielen. limits in der wirtschaft und am ende der welt

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Ende Januar 1909 erreichten die Männer das nächste rettende Depot fast nicht mehr. Sie setzten erstmals und einmalig auf eine grenzerweiternde Methode und nahmen Aufputschmittel zu sich.



Kurz vor Cape Royds lief ihnen die Zeit weg. Am 27. Februar 1909 trennten sich Shackleton und Wild von ihren schwachen Kameraden, um die abfahrende Nimrod aufzuhalten.



Die Schuldenlast erdrückte Shackleton nach der Rückkehr, er reiste von Vortrag zu Vortrag, baute die Nimrod zu einem Museum um und erhielt von der Regierung einen großen Zuschuss.

Diese Auflistung zeigt exemplarisch die Grenzbereiche des Überlebenskampfes. Geld, Nahrung und Zeit waren ständig knapp. Die Einschränkungen bei den Reisen zu den immer entfernteren Rekordpunkten und ihren stetig verschobenen Grenzen lassen sich wie folgt kategorisieren.

Zeitliche Limits Alle Polarforscher kämpften mit den zeitlichen Limits, die ihnen der antarktische Sommer setzte. Dieser ist nicht nur ausgesprochen kurz, sondern auch bitterkalt. Beim Wettlauf zum südlichsten Punkt der Erde entschärfte Amundsen die zeitlichen Restriktionen durch einen kürzeren Weg zum Pol. Auch durch eine viel höhere Durchschnittsgeschwindigkeit, welche die Hundeschlitten ermöglichten. Scott hingegen kam, sich selbst und seine Begleiter vor die Schlitten gespannt, wesentlich langsamer voran und hatte noch dazu eine längere Strecke zu bewältigen. Das Erfolgsrezept Amundsens war zugleich Scotts Anfang vom Ende. Shackleton und seine Kameraden hatten keine Zeitreserven für schlechtes Wetter oder Orientierungsprobleme zur Verfügung. Ihre zeitlichen Limits wurden durch Proviantknappheit zusätzlich verschärft. Seinem Tagebuch vertraute Shackleton an, dass sie nur wenig in der Hinterhand hätten, wenn es zu einem Rennen auf Leben und Tod kommen sollte. Vor allem die Rückkehr zum Schiff zeigte Ende Februar 1909, wie sehr sie an ihr zeitliches Limit gegangen sind. Die 112

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Männer waren im Dunstkreis des Südpols keine Stunde zu früh umgekehrt. So gesehen hatte Shackleton die zur Verfügung stehende Zeit ähnlich ausgereizt wie sein Expeditionsbudget.

Finanzielle Limits An Shackletons Nimrod-Expedition nahm als Gast Henry J. L. Dunlop, ein britischer Industrieller und Polarforscher, teil. Er war mit Shackleton befreundet und steuerte ein Darlehen bei, das Shackleton jedoch nie zurückzahlte. Mr. Beardmore unterstützte Shackleton mit einer Bürgschaft in Höhe von 7.000 £. Weitere Investoren blieben vorerst aus. Dennoch wagte es Shackleton 1907, seine Pläne der Royal Geographical Society zu präsentieren. 1.000 £ steuerte, wie schon früher zugesagt, seine alte Freundin Eliza­ beth Dawson-Lampton bei. Sir Philip Brocklehurst war mit einer Bürgschaft von 2.000 £ der erste zahlende Teilnehmer einer Antarktisexpedition. Bei seiner Rückreise erreichte Shackleton als Privatier seine Heimat. Schließlich finanzierte er seine Expedition durch privates Unternehmertum.

Nach der Nimrod-Expedition war Shackleton der gefeierte Star in England. Er war jedoch nicht in der Lage, ausstehende Darlehen zurückzuzahlen. Die englische Regierung bewahrte ihn durch einen Zuschuss in Höhe von 20.000 £ vor dem finanziellen Ruin.287 Ein Teil seiner Schulden wurde gestundet und schließlich nicht mehr eingefordert. Die Nimrod funktionierte Shackleton zu einer schwimmenden Ausstellung um, doch jeden Penny der Eintrittsgelder spendete er für wohltätige Zwecke. Das klingt nach gesellschaftlicher Verantwortung am Limit.

Shackleton hatte Schulden über Schulden. Die Expeditionskosten musste er noch über Jahre durch Vorträge abarbeiten.288 Als er in einer bedenklichen finanziellen Klemme steckte, machte er sich 1919 abermals zu einer limits in der wirtschaft und am ende der welt

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ehrgeizigen Vortragsreise auf. Während dieser hielt er unter anderem fünf Monate lang zweimal täglich an sechs Tagen die Woche Vorträge in der Royal Philharmonic Hall.289 Anlässlich Shackletons Tod veröffentlichte Hugh Robert Mill die erste Biografie The Life of Sir Ernest Shackleton. Die Verkaufserlöse kamen Shackletons Familie zugute, denn er hinterließ Schulden in Höhe von 40.000 £, das wären heute rund drei Millionen €.290 Damit war er weit entfernt von Reichtum. Im Mai 1922 wurde ein Komitee gebildet, um Geld für einen Shackleton-Gedächtnisfonds aufzutreiben und um Emily und die Kinder zu unterstützen.291 Man warf Shackleton oft vor, mitunter zu Recht, in der Realität wenig zustande zu bringen. Viele seiner geschäftlichen Unternehmungen endeten als enttäuschende Misserfolge, hinterließen ihm nichts als Schulden. Um einer Betrachtung von Shackletons Finanzgebarung und seinem Expedi­ tionsetat gerecht zu werden, müssen wir anerkennen, dass nie zuvor eine privat finanzierte Expedition so weit ins Ungewisse vordringen konnte. Die Finanzierung einer Südpolexpedition von damals ist vergleichbar mit einem Aufwand für einen Flug zum Mond in den 1960er-Jahren. Shackleton finanzierte somit eine Art »Private Mondlandung«.

Bei der weltweit ersten privaten Antarktisreise ging er bis auf 97 Meilen an den Pol heran. Er kehrte mit seinen drei Begleitern in unmittelbarer Nähe des Pols um. Den Pol, Ruhm und auch ausreichend Geld, zumindest für die Hinterbliebenen, hätten sie alle erreicht. Shackleton legte mit seiner Entscheidung den Grundstein für eine grandiose Schuldnerkarriere, welche er bei der Endurance-Expedition fortführte.292 Erwähnenswert ist heute, dass niemand Geringerer als die Irische Zentralbank 2008 »wertbeständige« 100-Euro-Goldmünzen mit dem Konterfei des Bankrotteurs Shackleton prägte. Ob ihn das wohl persönlich freuen würde  ?

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Personelle Limits Die Mitarbeitersuche für eine Polarexpedition zu Beginn des 20. Jahrhunderts war nicht ganz einfach. Woher erfahrene Männer nehmen, die nicht ihre Erfahrung bei einer vorangegangenen Expedition mit dem eigenen Leben bezahlt hatten  ? Offizielle Expeditionen rekrutierten ja bereits Mitte des 19. Jahrhunderts ihre Mannschaften verstärkt aus den Reihen des Militärs. Damit hatten sie zumindest genug Männer, ob die auch für ein so eisiges Unterfangen gewillt oder gar geeignet waren, bleibt wohl dahingestellt. In Personalentscheidungen wanderte Shackleton auf einem schmalen Grat. Er wollte Männer finden, die mit ihren Qualifikationen und Erfahrungen zum Erfolg im tiefen Süden beitragen konnten, ohne dass er von ihnen abhängig wurde.293 Shackleton konnte immer auf sein Personal, seine Mannschaft zählen. Auf jeden Einzelnen. Für seine spätere Endurance-Expedition bewarben sich mehr als 5.000 Menschen.

Wer dann in Shackletons Team seinen Platz fand, konnte sicher sein, am Limit bestehen zu müssen, aber auch uneingeschränkte Loyalität erleben zu dürfen. Shackleton lag viel daran, jeden einzelnen Mann am Erfolg teilhaben zu lassen. Er vergaß keinen einzigen und sprach nicht egozentrisch von sich selbst, sondern von der Leistung aller. Der Expeditionsleiter erzählte ständig, was er seinen Begleitern verdankte. Personelle Limits schien Shackleton nicht gekannt zu haben. Sein Charisma und seine kommunikative Art machten ihn als Expeditionsleiter für die Teilnehmer ausnehmend attraktiv.

Kommunikative Limits Die Zeit der heroischen Polarforschung war eine pathetische Welt, in der es weder Radio noch Telefon gab. In der die Menschen, am Ende der Welt limits in der wirtschaft und am ende der welt

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angekommen, mutterseelenallein waren. An Bord mancher Polarschiffe, wie später auf Shackletons Endurance, gab es zwar ein Funkgerät, doch die Handhabung war niemandem geläufig. Was die ohnehin fehlenden Batterien hinfällig machte. Wenn man sich nur annähernd vorstellt, um welche Entfernungen es bei der Nimrod-Expedition ging, dann wird einem die erdrückende Isolation dieser Reise bewusst. Nie wieder war eine Expedition auch kommunikativ dermaßen isoliert. Shackleton wirkte dem entgegen, indem er seine Männer demokratischer als damals üblich behandelte und für einen guten Kontakt sorgte. Seine kommunikative Fähigkeit war auffallend. Er brachte mit seiner Persönlichkeit und seiner kommunikativen Gabe alle dazu, sich als Team zu fühlen.

Seine gut eingestellte Mannschaft hing an seinen Lippen und zugleich in den Seilen der fürchterlichen Ausrüstung.

Technische Limits 1907 gab es nicht nur am Südpol technische Limits. Die Nimrod geriet mit ihren 334 Tonnen und lediglich 60 Pferdestärken zum Spielball der Elemente. Die erhältlichen Automobile und Motorfahrzeuge waren nicht einmal in England alltagstauglich. Mit den damaligen Navigationsgeräten und dem logischerweise fehlenden Kartenmaterial so eine Strecke in Angriff zu nehmen, führte zwangsweise an die Grenzen des Machbaren. Platztechnische Einschränkungen verspürten die Männer insbesondere während der Polarnacht, wenn die Enge von Nimrod Hut sie monatelang einschränkte. Es galt, das geringe Raumangebot so gut wie möglich auszureizen. Nach jedem Essen hievten sie ihren Tisch freudig mit Seilen an die Decke, um Platz zu schaffen.

Die verfügbare Kleidung sowie die Schneebrillen spotteten jeder Beschreibung. Die Schuhe wurden zu kalten Särgen der abgestorbenen Zehen. Die 116

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Zelte ohne Boden taten bei langen Schneestürmen ihr Übriges dazu. Kameras und Navigationsgeräte waren unhandlich und schwer. In Summe schleppten die Männer immenses Gewicht. Generell wogen die Bekleidung und Nahrung ungleich mehr als heute.

Nahrungstechnische Limits Die Gefahr, an Skorbut zu erkranken, schien vorprogrammiert, es gab keine gesicherten Hinweise, wie man dieser Mangelerscheinung begegnen konnte. Zu viele gescheiterte Polarreisen vor der Nimrod-Expedition belegten dies eindrücklich.

Im Vorfeld der Expedition sorgte Shackleton beim Provianteinkauf für möglichst frische Lebensmittel, nahm getrocknete und eingelegte Früchte mit und maß dem Frischfleisch der Ponys enorme Bedeutung zu. Diese Methode ging voll auf und ermöglichte die Rückkehr aller Männer. Doch konnte im Rahmen ihres einzigartig langen Spaziergangs ein einziges Stück Biskuitkeks zum Dreh- und Angelpunkt von Erfolg oder Scheitern werden. Wenn die Nahrungsmittel zur Neige gingen, begann Shackleton schon zeitig genug die Rationen zu strecken. Dabei musste er immer die Sicherheitsmarge außer Acht lassen. Auf ausreichend Mahlzeit bei den Depots folgten viele Hungerrationen. Die Männer akzeptierten den Hunger als ständigen Begleiter, so wie sie Shackleton uneingeschränkt als ihren Boss akzeptierten.

Leadership Limits Am und um den Pol wurde offensichtlich schon immer viel gestritten. Shackleton und Scott, Amundsen und Scott, Peary und Cook, auch Messner und Fuchs sind Beispiele dafür.

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Das Alleinstellungsmerkmal von Shackleton im Vergleich zu seinen Zeitgenossen zeigt sich in seiner Art zu führen. Er bewegte durch seine Leadership-Qualitäten ungleich mehr als andere tragische Helden, die mit Pflichtaufopferung und militärischem Stil ihre Expedition an den Pol, aber auch in den Abgrund führten. Als Leader ging Shackleton den gleichen Weg wie seine Mannschaftsmitglieder, nur ging er eben voran. Er hatte die Gabe, seine Leute unter widrigsten Umständen über sich hinauswachsen zu lassen.

Die schützende Hand Durch seinen Grenzgang beim Gewaltmarsch am unteren Ende der Welt war Shackleton zur nackten Seele des Menschen vorgedrungen. Er fühlte sich womöglich in seinem Glauben bestätigt, dass Gott existierte und zuweilen schützend die Hand über ihn und die Expedition hielt. Und damit hatte er alle Hände voll zu tun gehabt. Dass historische Belege von Expeditionen evidente Erklärungsansätze liefern, warum mutige und wissbegierige Männer ihren Zielen folgend das Leben einsetzten, ist wohl vermessen. Jedoch ist eine Ableitung aus den historischen Vorkommnissen keinesfalls dreist. Das Wohl der Mitarbeiter stand über dem Unternehmensziel. Da hielt Shackleton seine Hand darüber. Auch davon können Menschen heute nur lernen.294

Die Zeitreise ins ewige Eis führt zurück in unser eigenes Szenario im 21. Jahrhundert.

Erfolgsfaktoren am Limit Wenn sich Menschen wirtschaftliche oder sportliche Problemstellungen suchen, die noch nicht gelöst sind, wagen sie sich bewusst an Limits heran.295 Was sind eigentlich die kritischen Faktoren, die den Erfolg in Extremsituationen ermöglichen und bestimmen  ? 118

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Die sichere Wiederkehr der Nimrod-Expedition ist ein Paradebeispiel für einen Grenzgang. Das Überleben aller Mitglieder ist mehr als nur glücklichen Umständen zuzurechnen. Shackletons Strategien, vorbehaltlich es gab solche, kategorisierte der englische und amerikanische Sprachraum wie folgt für uns  : • Mit Ihren Verhaltensweisen und Handlungen sind Sie Vorbild für alle. • Beachten Sie das wesentliche Ziel, fokussieren Sie Ihre Energie auf kurzfristige Ziele. • Leben Sie Optimismus und Selbstvertrauen. • Achten Sie auf sich selbst. • Ihre Botschaft ist  : Wir sind eins – im Sieg wie in der Niederlage. • Minimieren Sie Hierarchieunterschiede, bestehen Sie auf Höflichkeit und ­Respekt. • Im Konflikt dosieren Sie Ihren Zorn und vermeiden Machtkämpfe. • Finden Sie etwas zum Feiern und Lachen. • Übernehmen Sie Risiko. • Geben Sie niemals auf – es gibt immer alternative Schritte.296

Diese Faktoren generieren am Limit Erfolg. Ihre Anwendung darf aber keinesfalls zu einem engstirnigen und einfallslosen Abarbeiten verkommen. Ihre Wirkung entfalten sie, wenn sie von den Leadern tatsächlich vorgelebt werden. Es hat etwas Faszinierendes, sich in einem Umfeld zu bewegen und zu arbeiten, das einen Erfolg lernen lässt. Um möglichst viel Balance in die eigenen Tätigkeiten zu bekommen, ist es für Menschen in Grenzbereichen sinnvoll, persönliches und berufliches Wachstum durch Experimentierfreudigkeit, Risiko-, aber auch Fehlerbereitschaft anzugehen.297

Gut sein, wenn es darauf ankommt Shackleton war immer dann gut, wenn er mit dem Rücken zur Wand stand. Seine Frau Emily zeigte sich von der Strategie ihres Mannes nicht überrascht. Er war immer am besten, wenn er eine verzweifelte Sache anführte, das setzte Reserven an Geduld und Einfühlsamkeit frei.298 limits in der wirtschaft und am ende der welt

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Reinhold Messner teilt die Ansicht von Shackletons Frau, erweitert sie aber nicht unwesentlich zu  : »Der Shackleton, der war doch immer nur dann gut, wenn er mit dem Rücken zur Wand stand.« Um dieses Wort »nur« drehte und dreht sich unser Diskurs weiter, da ich ihm nur zu gern meine Sicht der Dinge darlege. »Wann soll bitte ein Mensch sonst ›gut sein‹ als in den Momenten, wo er mit dem Rücken zur Wand steht  ?« Das zustimmende Nicken des größten Shackleton-Verehrers freut mich.* Shackletons Expeditionsphilosophie fokussierte sich im fast fanatischen Wunsch, seine Leute lebendig zurückzubringen, der Wunsch wurde zu seiner Triebfeder. Es war das Einzige, was ihn interessierte. Selbst wenn er grenzwertig mit dem Rücken zur Wand stand, ging er auch noch punktuell ein hohes Risiko ein, um das Überleben seiner Leute zu sichern. Shackleton meisterte mit Bravour viele Probleme in Zeiten höchster Bedrängnis und begrenzter Ressourcen. Er hatte Fähigkeiten, die weit über ein profan fachliches Wissen hinausgingen.299

Shackleton spürte, Erfolg ist nur eine Momentaufnahme, das Überleben seiner Männer hingegen würde die Augenblicke des Ruhms überdauern.

Exkurs  : Sportliche Limits – Erfolg ist nie endgültig Für körperliche Leistung am Limit gilt, dass Sportler beim Ausreizen und Verschieben ihrer Grenzen zwischen Rückschlägen und Bestätigung schweben. Damit natürlich auch zwischen überwältigender Leistung und einsamer Niederlage. Winston Churchill prägte einen auch für den Sport passenden Satz  : Erfolg ist nie endgültig.300 Somit wird das Dilemma des Athleten auf den Punkt gebracht. Meine erbrachte Spitzenleistung von heute kann morgen genauso gut Geschichte sein.

* Reinhold Messner nennt ja nicht nur den Originaldiavortrag auf Glasplatten und Shackle­ tons Expeditionsfernglas sein Eigen, sondern besitzt viele weitere Besonderheiten aus dessen Nachlass.

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Und doch haben sportlichen Erfolge etwas Faszinierendes an sich. Eine Leistung am Limit können sich gerade Menschen, die sich sonst wirklich alles leisten können, auch mit viel Geld niemals kaufen. Genau das fasziniert sie, das zieht sie an. Deswegen bewegen sich viele von ihnen gerne im Umfeld von Sportlern. Ein genialer Grenzgänger und Limitüberschreiter ist der Österreicher Wolfgang Fasching. Er sitzt mit mir gemeinsam viele Stunden auf dem Rennrad, und wir kreisen dabei um das Thema »Ausdauer und Grenzen«. In kritischen Situationen am Limit stellen wir uns jeder beständig die Frage  : Was denke ich und was wäre günstiger zu denken  ? Als dreifacher Race-­ Across-America-Sieger beim härtesten Radrennen der Welt hat er die sieben höchsten Gipfel aller Erdteile bestiegen. Er definiert es treffend  : Es sind immer die kritischen Situationen, die Sieger von Verlierern trennen.301 Menschen, die sich ständig in Grenzbereichen ihrer geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit aufhalten, kennen ihren Geist und ihren Körper sehr gut und wissen, wo ihre Grenzen liegen. Sie fühlen sich an ihrer Leistungsgrenze wohl, da sie den entscheidenden Schritt über dieses Limit erkennen und vermeiden können. Der Bergführer und Extremkletterer Max Berger erzählte mir zur Besteigung des extrem gefährlichen Cerro Torre (3.133 m) in Patagonien, einer der schwierigsten Berge der Welt, Folgendes  : »Felsstellen im 6. Schwierigkeitsgrad bin ich phasenweise mit Steigeisen geklettert. Ansonsten wäre ein zeitliches Problem aufgetreten und ich hätte den Gipfel nicht erreicht oder meine Rückkehr wäre ungewiss gewesen. Manchmal kann oder muss ich kurzfristig so agieren – auf Dauer ist das Risiko für so etwas viel zu groß.« Das Ziel kann es nur sein, das Limit am Cerro Torre nicht auszureizen. Reinhold Messner, der von Anfang an weiter gegangen ist als die anderen, hat immer wieder Tabus gebrochen und Limits überschritten. Es war oft genug gefährlich, doch dabei wollte er nie Kopf und Kragen riskieren. Auf den Punkt bringt es seine Aussage, dass er gar nicht ohne Grenzerfahrungen leben kann. Er balancierte dabei auf dem messerscharfen und in seinem Fall so langen Grat zwischen Leben und Tod. Nach seiner Bergsteigerkarriere ging Messner trotz Widerstand seiner Sponsoren in die Antarktis. Seine Geldgeber wollten keinen Grenzgänger im ewigen Eis, sondern limits in der wirtschaft und am ende der welt

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weiterhin den aktiven Bergsteiger am Dach der Welt. Doch wieder und wieder ging er an die äußersten Ränder der Zivilisation.302 Bergsteiger können abstürzen, Sportler können verlieren, aber wie andere Menschen auch im Stillen an den Anforderungen zerbrechen. Im November 2009 konnte das ganze deutschsprachige Europa an der Einsamkeit des deutschen Torhüters Robert Enke teilnehmen. Seit Jahren litt er an Depressionen, kaum jemand wusste davon. Auf dem Spielfeld und vor der Kamera war er der gefeierte Star. Enke war der Top-Tormann. Wenn keiner hinsah, war er traurig, einsam, erschöpft, allein.303 Es ist noch nicht lange her, als Sven Hannawald gefeiert wurde wie ein Popstar. Er gewann als erster und einziger Skispringer alle vier Teilbewerbe der Vierschanzentournee in einer Saison. Tausende jubelten ihm zu. Auch bei Hannawald spiegelte die Fassade das Innere nicht wider. Trotz seiner Siege und all des Jubels fühlte er sich immer ausgebrannter, kraftlos und ohne Perspektiven. Vielen Athleten klebt beim Erfolg am Limit die Frage im Nacken  : Denn wer sind wir, wenn wir einmal nicht mehr die Besten unseres Faches sind  ?304 Der Erfolg fordert gerade von siegreichen Athleten einen Preis, der für viele zu hoch ist. Dabei vergessen wir, dass jeder Erfolg begrenzt ist. Souveräne Menschen begrenzen ihr Ego sogar freiwillig.

Souveränität Sich der Grenze zwischen machbar und nicht machbar, zwischen Selbstverschwendung und Selbstzerstörung, zwischen Leben und Tod anzunähern setzt viel voraus  : Selbstsicherheit, Know-how und gute Partner, die etwas können, das man selber nicht kann.305 Mitarbeiter zu engagieren, die besser sind als man selbst, zeugt von einem hohen Maß an Souveränität. Shackleton zeigte zudem Kenntnisse über Teameffektivität. Nicht das Expertentum Einzelner zählt, sondern das Zusammenwirken unterschiedlichster Fähigkeiten.306 Die Quintessenz aus Shackletons historischer Reise ist, dass man, wie in seinem Fall, als Weltmarktführer in Eis, Schnee und Entlegenheit einen 122

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Schritt zurückgehen kann und Souveränität insbesondere bedeutet, nicht alles bis ans Limit auszureizen. Das wahre Souveräne an der Souveränität ist, nicht alles auszuspielen. Mit einem Porsche können wir auf der Autobahn auch normal fahren. Allein das Wissen, mehr zu können, genügt. Souveränität hat sicherlich einiges mit darüberstehen, vorwegnehmen und voraussehen zu tun. Was können wir von Männern lernen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts versuchen, als erste den Südpol zu erreichen  ? Ernest Henry Shackleton scheiterte im Januar 1909 so nahe wie niemand zuvor an diesem magischen Punkt. Er kehrte um und mit seiner Mannschaft wohlbehalten nach England zurück.307 Mit einem gewissen Abstand betrachtet, birgt dies viel Souveränität in sich. Und eine Menge moralischer Verantwortung. Oft scheinen Erfolgsfaktoren am Limit sich wenig an ethischen und moralischen Überlegungen zu orientieren. Ethik und Moral verkommen gerne zu realitätsfernen Begriffen. Welche Werte machen unsere Identität eigentlich aus  ? Können sich die heutigen Akteure ethische und moralische Intentionen leisten  ? Können Unternehmen überhaupt gut sein  ?

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5 . e t h i k u n d m o r a l Streng nach ethischen Kriterien können nur M ­ enschen außerhalb der ökonomischen Zwänge leben. Sehr junge, sehr alte, sehr reiche, sehr arme, Verrückte und Außenseiter. Und Philosophen, die mit der Ethik Geld verdienen.308 Gabriel Laub

Wir haben immer gewusst, dass rücksichtsloses Eigeninteresse moralisch schlecht ist  ; jetzt wissen wir auch, dass es wirtschaftlich schlecht ist.309 Franklin D. Roosevelt

Genau genommen könnte dieses Kapitel am besten von einem Ethiker und einem Moralphilosophen abgehandelt werden. Wenn sich ein Wirtschaftsingenieur und Dipl. Pädagoge an Ethik und Moral heranwagt, muss er bereit sein, den Vorwurf des Dilettantismus hinzunehmen. Doch beziehe ich einen Teil der Legitimation, darüber zu schreiben, aus ethischen und moralischen Entwicklungen, die ich nicht gutheißen will. Zu oft wurden in der Vergangenheit und werden aktuell moralische Limits nach unten durchbrochen. Der unüberhörbar gewordene »Ruf nach Ethik«, all unsere Lebensbereiche betreffend, kommt nicht von ungefähr. In den letzten Jahren ist nicht nur ein Mangel an Ethik feststellbar, sondern eine Abkehr vom Minimal­ ethos. Da es im Kontext dieses Buches um ethische und moralische Optionen in der Wirtschaft geht, wähle ich als ersten Zugang  : Wirtschaften, das sich allein an »wirtschaftlichen« Grundsätzen orientiert, ist langfristig zum Scheitern verurteilt.310 Ein Kapitalismus ohne Menschlichkeit, Solidarität und Gerechtigkeit hat keine Moral und auch keine Zukunft.311 ethik und moral

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Jede wirtschaftliche Entscheidung hat eine moralische Konsequenz. Alle handelnden Personen tragen unweigerlich eine gehörige Portion Verantwortung in sich. Hoffentlich. Fragen der Ethik und der Wertorientierung rücken zunehmend in den Vordergrund der öffentlichen Diskussion, doch waren sie schon immer für das wirtschaftspolitische Denken bestimmend. Adam Smith ging 1776 in seinem Hauptwerk vom Wohlstand der Nationen mit der Metapher von der »unsichtbaren Hand« davon aus, dass der Markt keine menschlichen Planer und Organisatoren braucht. Angebot und Nachfrage regeln, dass Arbeit und Essen für alle da sein wird. Von dieser geheimnisvollen Selbstverwaltung des Marktes zum Wohle aller ist kaum noch die Rede. Es wäre ein verhängnisvoller Irrtum, der Automatik des Marktes zuzumuten, eine Werteordnung zu schaffen.

Werte als Voraussetzung Immer wieder taucht im Umfeld krisenhafter Ereignisse dieser diffuse, schillernde, vieldeutige Wertebegriff auf. Viele rufen laut nach Werten in der Wirtschaft und werden kleinlaut, wenn ihnen niemand sagt, was richtig oder falsch ist. Wirtschaften setzt moralische Werte voraus, die nicht aus der Wirtschaft selbst erzeugt werden können. Unser Wirtschaftssystem ist nicht moralisch codiert. Moral hat im Wirtschaftssystem ungefähr so viel verloren wie Doping im Sport.312 Drastisch formuliert es ein Künstler  : »Wir reden über Werte, es gibt keine Werte auf dem Misthaufen, auf dem wir unser Leben aufbauen.« Und weiter. »Ja, ich glaube an die Welt, an das Gute in dieser Welt, an die Werte dieser Welt. Ich brauche keine Weltanschauung, ich schaue mir die Menschen an.«313 Werterelativismus und Wertewandel, Werteverluste und Werteumkehr sind heute feststellbar. Was gestern noch als Tugend galt, zum Beispiel in der Umwelt- und Energietechnik, kann heute schon Verantwortungslosigkeit bedeuten. Angesichts der Umweltschäden, der Um- und Neuvertei126

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lung der Arbeit und der Malversationen in Politik und Wirtschaft scheint eine neue Ethik immer dringlicher. Der Wertewandel entzweit die Generationen. Wertewandel ist immer Ausdruck großer Veränderungen, die unser Leben erfahren hat, und damit ein Zeichen unserer Anpassungsfähigkeit.314 Von einem Wertemangel an sich kann nicht die Rede sein. Das Problem scheint eher in einem Werteüberschuss und einer damit verbundenen Orientierungskrise der Priorisierung von Werten zu liegen.315 Es gibt vielleicht sympathischere Werte oder weniger sympathische. Aber in der Natur von Werten liegt es, dass sie subjektiv sind und nicht objektiv zu beweisen.316 Meist wandeln sich nicht die Werte selbst. Was sich wandelt, ist die Erfassung der Werte. Eine Gesellschaft, die keinerlei Begriff von »richtig« und »falsch« hat, ist so ungefähr das Schlimmste, was wir uns vorstellen können – wenn es denn überhaupt vorstellbar ist.317

Die Unausweichlichkeit moralischer Gefühle Die Wirtschaft braucht für ihr korrektes Funktionieren die Ethik. Nicht irgendeine Ethik, sondern eine menschenfreundliche Ethik. Heute sprechen wir viel von der Ethik der Wirtschaft und der Finanzen und stellen dabei auch eine gewisse Abnützung des Adjektivs »ethisch« fest. Die moderne Menschheit hat zwei Arten von Moral. Die eine, die sie predigt, aber nicht anwendet und eine andere, die sie anwendet, von der aber nicht gesprochen wird. Zumeist ist es so, dass der Einzelne für sich das Gelten von Normen reklamiert, die er in Bezug auf andere nicht anerkennen will. In diesem Zusammenhang erscheint der Begriff »Infantilität« der Wertorientierung angebracht.318 Die Unausweichlichkeit unserer moralischen Gefühle ist eine besondere Dimension menschlichen Empfindens und Handelns. Unsere Anteilnahme am Wohle anderer und das Mitfühlen und Mitschwingen zeichnen uns aus. Der Mensch ist Mensch, weil er mitfühlt und vergibt. Es kommt darauf an, persönliche und wirtschaftliche Entscheidungen, wenn manchmal auch zeitversetzt, im Mitgefühl gipfeln zu lassen.

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Worauf es ankommt Gewinnstreben per se ist legitim und nicht unanständig. Unternehmen müssen Gewinne machen, um das wirtschaftliche Überleben zu sichern. Worauf es ankommt, ist vielmehr, wie Gewinne erzielt und wie sie verteilt werden. Worauf es auch ankommt, ist, ob Schaden oder Nutzen für Dritte entsteht.319 Viele Akteure sehen sich häufig mit zwei Ansprüchen an ihr Handeln konfrontiert, mit moralischen und ökonomischen Forderungen. Nicht selten legen diese gegensätzliche Handlungsempfehlungen nahe. So können Renditeerwartungen Massenentlassungen fordern, die aber die Betroffenen in ein soziales Elend stürzen. In diesem Konflikt und anderen, ähnlich gelagerten Konflikten wird Hilfe von der Wirtschaftsethik erwartet.320 Die Kernfrage ist, wie es gelingen kann, im bestehenden System etwas Ethisches zu implementieren, das nicht die Spielregeln des Systems außer Kraft setzt, aber darüber hinaus Gutes in der Welt schafft.321 Ethik und Ökonomik könnten für Unternehmen zwei Seiten einer Medaille sein, nicht einander ausschließende Alternativen, sondern untrennbare Zwillingsschwestern. Ein denkbar guter Ansatz.

Können Unternehmen gut sein  ? Die leidvollen Erfahrungen mit den Auswüchsen des Kapitalismus stehen im Kontrast zu dem geschärften Sinn und dem wachsenden Bedürfnis nach dem rechten Maß in der Wirtschaft. Unternehmen werden heute mit moralischen Forderungen konfrontiert. Moral lässt im Allgemeinen keine Kompromisse zu und verschärft gesellschaftliche Konflikte eher. Das System der Marktwirtschaft versagt garantiert dann, wenn die entsprechenden moralischen Voraussetzungen bei den Menschen verschüttet sind oder generell fehlen. Bedauerlicherweise funktioniert die Delegation von Entscheidungsverantwortung an echte oder vermeintliche Fachleute nicht so, wie es sich 128

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viele wünschen. Die Menschen sind im Unternehmen mit ihren ethischen Fragen tatsächlich alleingelassen. Sie erhalten keine Orientierung und trauen sich selbst ein sicheres ethisches Urteil nicht zu.322 Ob Unternehmen gut sein können, sollten wir nicht fragen müssen. Eine Gesellschaft ohne Egoismus ist schwer vorstellbar. Aber eine Gesellschaft, die Egoismus und Habsucht verherrlicht, kann nur infam sein. Somit bleibt nur die Alternative, langfristig an das Gute im Menschen zu glauben.

Können Menschen im Unternehmen gut sein  ? Viele machen Erfahrungen mit falscher Autorität und mit Menschen, die ihre Machtpositionen missbrauchen. Menschen, die aufgrund ihrer Erfolge oder anderer Umstände die Bodenhaftung verlieren und sich zu Ekelpaketen fern aller Ethik entwickeln. Mal schwerwiegend, mal weniger.323 Machtmissbraucher sind auf vielen Unternehmensebenen anzutreffen. Ihr Machtmissbrauch darf nicht toleriert werden. Die positive Macht ist kein Gipfel, der bestiegen und dauerhaft eingenommen wird, sondern ein unaufhörlicher Grenzgang. Nur wer in Balance lebt, vermag auf Dauer zu führen und die ihm ohnehin nur verliehene Macht im Sinne aller zu nutzen. Natürlich können Menschen im Unternehmen gut sein. Viele sind es auch. Doch wie griffig und alltagstauglich sind die Wörter »gut«, »ethisch« und »moralisch«  ?

Allgemeine Zugänge und ihre Begriffe Die begriffliche Unterscheidung zwischen Ethik und Moral ist generell schwer abzugrenzen und durchzuhalten. Zu verschränkt scheinen die Ebenen. Einige Autoren lehnen eine Unterscheidung generell ab, da vergangene gesellschaftstheoretische Diskurse darauf verzichteten.324 Die Verwendung der beiden Begriffe Ethik und Moral ist nicht eindeutig. »Ethisch« meint den inhaltlichen Aspekt eines Handelns, »moralisch« ethik und moral

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meint die reine Gewissensgemäßheit. Ob eine Handlung ethisch ist, da­ rüber bleibt die Diskussion oftmals offen. Ob sie moralisch ist, entscheidet sich im Gewissen des Handelnden.325 Ethik entstammt dem griechischen »Ethos« (»äthos«), was Gewohnheit und Sitte, Charakter und Tugend bedeutet. Ethik reflektiert sittliche Fragen und moralische Entscheidungen. Moral wird gesehen als das, was wir tun, weil wir so sozialisiert wurden und das Umfeld eben Normen vorgibt. Moral beschreibt das, wozu ich mich als Handelnder entscheide in Übereinstimmung mit der umgebenden Moral oder eben gegen sie. Moral klingt vielen zu sehr nach »Moralin«, dem satirischen Kunstwort Friedrich Nietzsches. Er bezeichnete damit abfällig Handlungen und Ansichten, die von subjektiven Wertvorstellungen geprägt sind. Moral entsteht nicht durch Verpflichtung, sondern Moral entsteht durch Nachahmung.326 Wagen wir einen Blick in das vielleicht bekannteste Buch über die Moral in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In Eine Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls verfasst dieser auf atemberaubende und klare Weise einen Grundsatz  : Was fair ist für alle, ist auch gerecht.327 Während Moral im Wesentlichen aus einer Ansammlung von Geboten und Verboten besteht, ist es Aufgabe der Ethik, die jeweiligen Moralvorstellungen zu reflektieren und gegebenenfalls kritisch zu unterlaufen. Während Moral sagt, man solle dies tun und jenes lassen, ist es Aufgabe der Ethik, die Frage zu stellen und lösen, warum eigentlich dieses getan und jenes gelassen werden soll.328

Ökonomische Zugänge und ihre Brisanz Von diesen allgemeinen Zugängen zu Ethik und Moral nun zur Ökonomie. Definitionen von Wirtschaftsethik lauten  : Nach gesellschaftlichen Wertvorstellungen gewissenhafter handeln. Oder ganz einfach  : Die Ethik »für die Wirtschaft«. Wirtschaftsethik ist eine unter den sogenannten Bindestrich-Ethiken – wie Medizin-, Umwelt-, Sport-, Medien-, Bio-Ethik. Wirtschaftsethik dient als Oberbegriff für das wertorientierte Verhalten, sei es als politisch Verantwortliche, als Manager, als Mitarbeiter eines 130

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Unternehmens oder als Konsumenten. Die Ethik des Wirtschaftens bezieht sich auf das globale und national ökonomische Handeln. Unternehmensethik hingegen thematisiert das ökonomische Handeln auf der mittleren Ebene der Betriebe und Firmen. Das Agieren der Einzelperson auf der individuellen Ebene betrachtet die Management- oder Führungsethik ebenso wie die Mitarbeiter- und Konsumethik.329 Die Wirtschaftsethik steht im Brennpunkt einer weltbewegenden Herausforderung. Das fragwürdige Verhältnis zwischen ökonomischer Sachlogik und ethischer Vernunft muss von der Wirtschaftsethik neu bestimmt werden. Um eine Vernunftethik des Wirtschaftens zu leben, muss jedes Mitglied einer Gemeinschaft nach deren moralischen Grundsätzen handeln wollen.330 Der höchste wirtschaftsethische Wert besteht im Gemeinnutz. Wird dieser infrage gestellt, erübrigt sich jede weitere Diskussion. Prinzipien der Ethik sind unerlässlich, um der ökonomischen Rationalität, dem Gewinnstreben und der Ausbeutung, dem gnadenlosen Terror der Ökonomie 331 entgegenzuwirken. Stephen R. Covey unterscheidet Image-Ethik und Charakter-Ethik. Erstere bezieht sich auf Veröffentlichungen der letzten 50 Jahre. Die Wahrnehmung des sozialen Images steht dabei im Vordergrund. Bloße Techniken und Patentlösungen für akute Probleme, gelegentlich hilfreich, aber nicht mehr. Im krassen Gegensatz steht dazu die gesamte Literatur aus den davorliegenden 150 Jahren. Dort heißt die Voraussetzung für Erfolg  : Charakter-Ethik. Sie basiert auf charakterlichen Eigenschaften wie Integrität, Mäßigung, Mut, Gerechtigkeit, Geduld und Bescheidenheit. Diese Charakter-Ethik lehrte grundlegende Prinzipien. Menschen können Glück finden und Erfolg haben, wenn sie diese Prinzipien in ihr Wesen integrieren. Doch der Schwerpunkt verlagerte sich von der Charakter-Ethik zur Image-Ethik. Erfolg wurde eine Funktion der Außenwirkung, des öffentlichen Images und der Sozialtechniken.332 Die Leitfragestellung, auf die es Antworten zu finden gilt, heißt  : Was ist fachlich kompetent und zugleich moralisch gute ökonomische Praxis  ?

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Ethik und Moral. Und Wirtschaft Eine repräsentative Umfrage unter den 100 größten deutschen Unternehmen durch Identy Foundation aus Düsseldorf ergab nach Interviews mit Vorstandsvorsitzenden, Aufsichtsräten und Vorständen ein bemerkenswertes Bild. Nur jeder dritte Spitzenmanager glaubt, dass Moral in der Wirtschaft eine große Rolle spielt. Jeder achte Befragte denkt gar das Gegenteil. Die Wirtschaft erfordere geradezu ein Mindestmaß an Amoralität. Dazu wurde der Zwang, sich auf unmoralische Selbstverständlichkeits-Riten in anderen Ländern einlassen zu müssen, angeführt. Da müsse dann jeder Einzelne entscheiden, ob er Business mache oder eben nicht.333 Eine wirtschaftliche Tätigkeit kann nicht grundsätzlich amoralisch sein, da sie dem Überleben dient, meinte ein einflussreicher österreichischer Industrieller.334 Dies scheint mir als Legitimation jedoch zu kurz gegriffen. Einer derartigen Denkweise will ich nicht unreflektiert folgen, da dadurch ein Freibrief für uneingeschränktes Wirtschaftshandeln herbeiformuliert werden kann. Von Führungskräften wird zu Recht erwartet, dass sie nicht nur profes­ sio­nell einwandfreie Leistungen erbringen, sondern auch, dass sie ihre Handlungen ethisch verantworten. Ethik meint dabei nicht nur ethisch hoch bewertete ökologische, soziale oder kulturelle Aktivitäten. Ethik bezieht sich vielmehr auf den Kernbereich wirtschaftlichen Handelns. Ethische Dinge zu tun ist zu wenig, es geht darum, die Dinge ethisch zu tun.335

Sonderfall Governance-Ethik* Governance wird übersetzt als Regierungs-, Amts- oder Unternehmensführung. Governance bezeichnet die Lenkungsstruktur einer Institution. Die Weltökonomie und die neuen unternehmerischen Rollen haben ethische Fragestellungen nach der globalen Unternehmensverantwortung * Begriffsbestimmung nach dem von Josef Wieland entwickelten Konzept der Wirtschafts­ ethik.

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oder nach den Differenzen zwischen multinationalen Wertesystemen aufgeworfen. Die interne Unternehmensethik beschäftigt sich mit Beziehungsgeflechten, wie die der Führungskräfte zu ihren Mitarbeitern. In der externen Unternehmensethik geht es um die gesellschaftlichen Erwartungen und Lieferanten-, Konkurrenz- und Kundenbeziehungen.336 Moral erregt Anreize für Handeln. Moralische Anreize sind Reaktionen der Umwelt, die sich in Anerkennung oder Nicht-Anerkennung ausdrücken. Dabei zielen die Merkmale der Governance-Ethik auf die Umsetzung im Managementprozess  : • Gewinne sind eine unabdingbare Voraussetzung für die Unternehmen • Im Managementprozess muss die Moral ernst genommen werden • Ein Manager, der die Ressource Moral nicht zu nutzen versteht, ist nicht automatisch ein schlechter Mensch, aber ein schlechter Manager.337 Kritisiert wird das Modell, da die Gefahr einer Bürokratisierung bestehe. Auch solle aufgrund der mangelnden ethischen Reflexion der Begriff »Governance-Moral« verwendet werden. Egal, ob Ethik oder Moral, im Wettbewerb stoßen beide Begriffe schnell an ihre Grenzen.

Grundproblematik  : Wettbewerb und Ethik/Moral Wenn ein Unternehmen aus moralischen Gründen kostenintensive Voroder Mehrleistungen erbringt, gerät es im Wettbewerb gegenüber den weniger moralischen Konkurrenten in Nachteil. Soweit, dass es unter Umständen aus dem Markt ausscheiden muss. Moral und Ökonomie, Solidarität und Wettbewerb scheinen in einer wettbewerbsorientierten Marktwirtschaft in einem unlösbaren Gegensatz zu stehen. Genau diese Konkurrenzsituation hat aber auch Vorzüge, beruht doch auf ihr der Wohlstand der westlichen Welt.338 Der Wettbewerb provoziert und prämiert Innovationen. Der Wettbewerb scheint Moral ethik und moral

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unmöglich zu machen, zumindest deutlich einzuschränken. Obwohl, die wettbewerbsgestärkte Wirtschaftslandschaft sorgt zugleich für breiten Massenwohlstand, der unbedingt auch moralische Qualität hat. Hierzu meine unbescheidene Frage  : Können wir nicht beides zugleich haben, Wettbewerb und Moral  ? Mit Optimismus und Weitblick ist es möglich, den Wettbewerb in den Dienst ethischer und moralischer Intentionen zu stellen.

Ethische Orientierung gipfelt in ökosozialer Ausformung Die Folge einer konsequent ethischen Orientierung ist eine ökosoziale Marktwirtschaft. Die Ehrfurcht vor dem Menschen ist das soziale Element, der Respekt vor der Natur ist das ökologische Element. In der Marktwirtschaft ist nur der erfolgreich, der seinen Mitmenschen etwas anzubieten hat, was diese auch wünschen. Die marktwirtschaftliche Ordnung ist das dienlichste bisher bekannte Instrument zur Verwirklichung der Solidarität aller Menschen. Franz Josef Radermacher, Leiter des Forschungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung an der Universität Ulm, hält Vorträge zum Thema  : »Weltfinanzsystem am Limit – Chance für eine ökosoziale Marktwirtschaft«. Als Autor von Welt mit Zukunft ist er überzeugt, dass die globale Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise eine große Chance darstellt. Die Chance, weltweit eine ökosoziale Marktwirtschaft einzuführen.339 Die freie Marktwirtschaft wird unweigerlich in die Katastrophe führen, wenn die Natur nicht mitgerechnet wird beim Summieren des Brutto­ sozial­produktes. Es geht um einen signifikanten Schritt hin zu einer globalen ökosozialen Marktwirtschaft. Die Logik eines solchen Schrittes wurde über Jahre durch den Club of Rome, das Ökosoziale Forum Europa, die Global Marshall Plan Initiative, das Global Economic Network und andere erarbeitet.340 Die unteilbare Verantwortung der Unternehmen gegenüber Mensch und Natur muss, getragen von Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit, an vorderster Stelle stehen.

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Ehre versus Korruption Der ehrbare Kaufmann ist ein historisches Leitbild, dessen Anfänge in Europa im 11. und 12. Jahrhundert ihren Ausgangspunkt haben. Als »nachhaltig wirtschaftender Akteur« stützt er sich auf Tugenden, die den langfristigen Erfolg zum Ziel haben. In ihm sind Ethik und Wirtschaft untrennbar verbunden.341 Jeder möchte für das, was er anzubieten hat, möglichst viel verlangen und für das, was er erwerben will, möglichst wenig zahlen. Das ist nichts Verwerfliches, solange ehrbares Handeln die Grundlage dafür ist. In einer aktuellen Studie gelangte das Institut für Unternehmensethik zusammen mit der Personalberatung Boyden Executive Search zu einem spannenden Vorschlag. Der finanzielle Erfolg darf nicht allein im Vordergrund stehen, sondern die Art und Weise, wie er erwirtschaftet wird, muss Beachtung finden.342 Der englische Wirtschaftstheoretiker Robertson hat dazu schon 1955 die Frage aufgeworfen, was durch das wirtschaftliche Prinzip am meisten eingespart wird. Seine überraschende Erkenntnis lautete  : die Nächstenliebe.343 Die rund zweihundert Wirtschaftshochschulen in den USA haben dem Thema Ethik längst Platz in ihren Lehrplänen eingeräumt. Zum MBA-Programm der University of Maryland gehört, dass die Studierenden in Gefängnissen mit den Folgen von Wirtschaftskriminalität bekannt gemacht werden.344 Gespräche mit inhaftierten Wirtschaftskriminellen, die Bilanzen manipuliert, Steuern hinterzogen oder bestochen haben, sind unüblich, aber dafür unbestritten praxisnahe. In den USA verglichen Wissenschaftler Unternehmen, die keine illegalen Praktiken anwandten, mit Firmen, die unsauber agierten. Das Ergebnis spricht für sich. Die sauberen erwirtschafteten erheblich bessere Resultate. Der Aktionärsverband Institutional Shareholder Services untersuchte mehr als 5.000 Firmen. Die zehn verantwortungsvollsten Unternehmen daraus waren um elf Prozent profitabler als die zehn verantwortungslosesten.345 Als eine Art Gegengewicht der Logik muss die Ehre zweifelsfrei schwerer wiegen als jeder korrupte Akt. Manche Dinge lassen sich messen, andere nicht. Wie auch immer, dem ehrbaren Handeln ist im Vergleich zur Korruption weltweit mehr Platz einzuräumen. ethik und moral

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Globalisierung und ihre ethische Kritik Vor den Toren der modernen Gesellschaft wächst der Protest der Ausgeschlossenen und Ausgestoßenen. Diese zeigt uns das Fernsehen in den Internierungslagern, auf den überfüllten Schiffen der Menschenschlepper, in den Plattenbauten der Arbeitslosen.346 80 Prozent der gesamten Konsumgüter werden von 20 Prozent der Weltbevölkerung hergestellt. Das »globale Dorf« hat blinde Flecken. Die Weltwirtschaft würde von einem plötzlichen Verschwinden ganzer Regionen nichts merken.347 Die Globalisierung zieht zweifelsohne neue Formen sozialer und territorialer Ungerechtigkeit nach sich.348 Der tatsächlichen Abhängigkeit der Menschen und Völker untereinander entspricht keine ethische Wechselbeziehung der Beteiligten. Besonders zwei Orientierungsmaßstäbe sind für die Entwicklung einer Gesellschaft auf dem Weg zur Globalisierung erforderlich. Gerechtigkeit und Gemeinwohl. Die Globalisierung kann ohne globale Ethik keinen Erfolg haben. Manche Banker, Politiker und Wirtschaftswissenschaftler haben moralische Unterbauten für die Märkte verneint. Doch andere haben sich als bessere Diagnostiker erwiesen. Zum chronischen Mangel an Achtung der Armen und zu den schäbigen Geschäftspraktiken vieler weltführender Unternehmen kommt als Drittes der Moralverfall unserer Zeit hinzu. Es fehlen effektive Entscheidungen, die Erde vor Schädigungen und Ausbeutung zu schützen. Unsere wirtschaftliche Produktivität überrennt geradezu das Lebenserhaltungssystem der Erde. Unserer, wohlgemerkt, einzigen Erde. Mensch zu sein, muss der ethische Maßstab jeder wirtschaftlichen Handlung sein. Das Grundprinzip der Humanität beinhaltet, dass sich alle Menschen ihre Grundbedürfnisse erfüllen und in Würde leben können.349 Dagegen sprechen aktuelle Dumpingentwicklungen, die die Würde des Menschen antasten oder dies versuchen  : Moraldumping zeigt sich in der Verlegung von Unternehmen in Länder mit niedrigen moralischen Standards. Dies ermöglicht, die Standards weiter abzusenken. Demokratiedumping als Gefahr, dass Unternehmen an Standorte gehen, wo nicht die demokratische Politik regiert, sondern die Unternehmen 136

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die Politik dominieren. Obwohl Demokratie auch nie heißen darf, im Namen der Mehrheit ökonomischen Unsinn zu treiben. Sozialdumping, das uns nicht erlaubt, das hohe Niveau des Sozialstaates längerfristig aufrechtzuerhalten. Wettbewerbsdumping fußt darauf, dass sich durch Megafusionen eine Wettbewerbsschwächung ergibt, weil sich immer mehr Unternehmen zusammenschließen.350 Die globalen Dumpinggefahren sind latent vorhanden und aus ethischen Aspekten nicht aus den Augen zu lassen. Die zunehmend globalisierte Gesellschaft macht uns aktuell zu Nachbarn, aber nachhaltig nicht zu Geschwistern.

Nachhaltigkeit klingt altmodisch Zurück zur eingangs gestellten Frage  : Können Unternehmen gut sein  ? Corporate Social Responsibility, kurz CSR genannt, ist die Antwort darauf. Weil die Begriffe »Nachhaltigkeit« und »soziale Verantwortung« eine Spur zu altmodisch sein dürften, hat sich in jüngster Zeit der Begriff CSR durchgesetzt. Auch andere Definitionen halten Einzug. Eine FAIRantwortungsvolle Unternehmensführung beachtet soziale und ökologische Rahmenbedingungen für eine Balance zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist ein langfristiger Unternehmenserfolg und gesellschaftlicher Nutzen. CSR und FAIRantwortungsvolle Unternehmensführung sind Möglichkeiten, nachhaltige Entwicklung freiwillig zu erlangen.351 Es wird von Unternehmen zunehmend erwartet, dass sie sich ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und gegenüber unserer Umwelt bewusst werden und stellen.352 Woran orientieren wir uns auf dem Weg zur Nachhaltigkeit  ? Was sind die Werte, die unsere Identität ausmachen und uns über alle Grenzen hinweg verbinden  ? CSR beschreibt Konzepte und Initiativen, die sich mit der sozialen, ökonomischen und ökologischen Verantwortung über den reinen Wirtschaftsbetrieb hinaus befassen.353 Fast jedes westliche oder westlich denkende ethik und moral

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Großunternehmen will aktuell beweisen, dass es seine gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt. Der positive Nebeneffekt dabei ist der gesteigerte Wert des Unternehmens. Ein Ziel von CSR ist die Findung neuer Geschäftsfelder und besserer Wettbewerbsfähigkeit. CSR wurde erst vor einem halben Jahrhundert als Begriff geprägt und in den 1990er-Jahren populär. Shackleton dürfte uns Ähnliches schon viel früher auf allen Erdteilen vorgelebt haben. Durch seine spontanen und ehrlichen Gesten, wie Spenden für Kinderheime und allgemein wohltätige Zwecke im Anschluss an seine Vorträge, schlossen ihn die Menschen noch tiefer in ihre Herzen. Shackleton und mit ihm seine ganze Expeditionsgeschichte erhoben und erhöhten die begeisterten Massen dadurch noch einmal. Leider änderte dies nichts daran, dass er chronisch pleite war.

Soziales Engagement führt heute häufig zu mehr Gewinn. Nicht nur für die mit dem Engagement bedachten Personen oder Personengruppen, sondern auch für das Unternehmen. Viele von ihnen stecken aber bei diesem Thema noch in der Steinzeit der CSR. Unter der Vorstellung, handeln zu müssen, verschleudern Unternehmen Geld und Vertrauen. CSR ist jedoch kein Mäzenatentum durch Spenden aus philanthropischer Überzeugung. Unternehmen, die hohe Gewinne erwirtschaften, fühlen sich oft moralisch verpflichtet, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, sei es für Wissenschaft, Kunst, Kultur, gesundheitliche und soziale Belange. Dies ist insbesondere bei eigentümergeführten Unternehmen eine wesentliche Triebfeder für eine gesellschaftliche Verpflichtung.354 Unter CSR werden jenseits von Trends Engagements gesehen, die nahe am Kerngeschäft angesiedelt sind und einen Wertschöpfungsbeitrag begründen.

Nachhaltigkeit im Trend Unternehmen müssen zwei wesentliche Trends für einen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg berücksichtigen. Steigende Erwartungen wichtiger 138

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Anspruchsgruppen (sogenannte Stakeholder) gepaart mit besseren Informationsmöglichkeiten sowie empfindliche Sanktionspotenziale dieser Gruppen für Unternehmen.355 Der Erfolg von CSR-Aktivitäten wächst mit ihrem Grad der Einbindung in die Gesamtstrategie. Richtig implementiert bleibt durch CSR mehr Geld im Unternehmen.356 So kann es sinnvoll sein, gemeinnützige Projekte, die dem Unternehmensgegenstand nahe sind, zu fördern. Auch dann, wenn diese keinen direkten ökonomischen Nutzen bringen, aber Umwegrentabilitäten erschließen. Mit der »Brille« der Nachhaltigkeit sehen Sie und Ihre Mitarbeiter das Wirtschaften mit anderen Augen. Sie können Innovations- und Verbesserungspotenziale in der Wertschöpfungskette entdecken und heben durch  : • Kostensenkung als Ergebnis von Energie- und Ressourceneffizienz bei gleichzeitig positiven Umwelteffekten. • Höhere Kundenzufriedenheit und gesteigerten Kundennutzen, da Sie verbesserte Produkte und Dienstleistungen anbieten. • Eine gelebte Wertekultur. Dadurch identifizieren sich die Mitarbeiter stärker mit dem Unternehmen. Das ist die Basis für höhere Arbeitsqualität und Mitarbeiterbindung. • Einen Image- und Reputationsgewinn. Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und die Öffentlichkeit sehen Ihr Unternehmen in einem anderen Licht. Sie sind für neue Mitarbeiter attraktiver und heben sich von den Wettbewerbern ab.357 Der Einfluss von soft facts wie Mitarbeitermotivation oder Image auf den Unternehmensgewinn lässt sich unmittelbar schwer messen. Aber diese weichen Faktoren sind erfolgsentscheidend und die Basis für eine nachhaltige Gewinnerzielung. Eines ist dabei ausschlaggebend. Falls die Vorteile von CSR angestrebt werden, müssen sich Unternehmen langfristig darauf festlegen. Sie können nicht nach Belieben mal gut, mal böse sein. Manager sollen in ihren Verträgen für Nachhaltigkeit belohnt werden. Ein Bonus für wirklich Gutes, der sich am Gemeinwohl der Gesellschaft und langfristigem Erfolg orientiert. ethik und moral

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Nach einer Studie der Agentur Edelman wünschen zwei Drittel der Deutschen, dass Firmen ihre Werbe- und Marketingetats kürzen und stattdessen mehr Geld für gute Zwecke ausgeben. Die Strategieberatung Roland Berger erhob, dass sich 60 Prozent gezielt über das sozial- und umweltverträgliche Handeln von Unternehmen informieren.358 Nachhaltigkeit erfordert Kriterien für gutes und schlechtes Handeln. Die Motive und Folgen müssen transparent und nachvollziehbar sein. Interessant erscheint in diesem Kontext, dass immer mehr Bewerber für leitende Positionen in Vorstellungsgesprächen fragen  : »Wie sieht Ihre Unternehmenspolitik im Bereich sozialer Verantwortung aus  ?« Vielleicht glauben noch nicht viele Menschen, dass ein gewaltiger Ruck durch die Haltung der Unternehmen gegangen ist. Unvermeidlich scheint er zu sein. Durch das große öffentliche Interesse ist eine Beweglichkeit vorprogrammiert. Spätestens jetzt sollten sich auch die Allerletzten CSR auf ihre Fahnen heften. Der Trend zu mehr sozialer Verantwortung der Unternehmen wird sich weiter fortsetzen.

Exkurs  : Der Genossenschaftsgedanke Auf der Freiheit, verbunden mit der Verantwortlichkeit für deren Gebrauch, beruht die gesunde Existenz des Einzelnen wie der Gesellschaft. Hermann Schulze-Delitzsch folgte Mitte des 19. Jahrhunderts der Auffassung, dass der Mensch als moralisches Wesen für sein Handeln selbst verantwortlich ist, sofern er sich selbst frei zum Handeln bestimmt.359 Bei den Genossenschaften steht der Mensch im Mittelpunkt. Der Mensch als Mitglied, Miteigentümer und Kunde sowie die Mitarbeiter innerhalb der Genossenschaft. Sie ist ein sozial-produktives System und vereinigt nicht Kapital schlechthin, sondern wirtschaftliche Kräfte finanzieller und ethischer Art.360 Das Schulze-Delitzsch-Vermächtnis entspricht der von Peter F. Drucker aufgestellten Forderung  : Es genügt für die Wirtschaft oder ein Unternehmen nicht, wirtschaftlich erfolgreich zu sein, es muss auch Gutes tun. Das »faire Prinzip« der Genossenschaft verbindet die Hinwendung zum Kunden und Hinwendung zum Mitarbeiter.361 140

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Genossenschaften übernehmen die Verantwortung für die Um-, Mitund Nachwelt. Dienen, nicht nur verdienen beschreibt die Grundhaltung treffend. Die Genossenschaften tragen der Forderung nach ganzheitlicher Betrachtung von Wirtschaft und Gesellschaft Rechnung. Ohne aufbauende Menschen, ohne Wirtschaftsleute und Politiker, die in ihrem Gewissen den Aufruf zum Gemeinwohl leben, ist eine positive Entwicklung nicht möglich. Welchen Nachteil hat und welches Risiko trägt eigentlich unsere Gesellschaft, wenn sie den Genossenschaftsgedanken einschließlich seiner Möglichkeiten ethischer und moralischer Natur zum Gedanken aller macht  ?

Ethische und moralische Optionen Ohne ethische und moralische Verantwortung wären wir als Menschen um vieles ärmer. Wir dürfen unser tägliches Handeln keinesfalls durch ein Weglassen dieser Optionen schwächen. Es reicht nicht, Ethik auf Handlungsweisen zu reduzieren, damit wir nicht mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Ziel muss es sein, eine Unternehmenskultur des ethischen und moralischen Handelns zu entwickeln. Menschsein braucht eine ethisch reflektierte Kultur und den aufrichtigen Versuch, dieser auch im Alltag gerecht zu werden. Auf zweifelhafte Geschäfte müssen wir verzichten. Anstand, Fairness und moralisches Verhalten sind die Basis jedes nachhaltigen Gewinnstrebens. Der Gewinn ist immer dann nützlich, wenn er einem Zweck zugeordnet ist, welcher seiner Erlangung und Verwendung einen Sinn verleiht. Erfolg gibt es nur dort nachhaltig, wo ökonomische Effizienz mit Ethik und Moral einhergeht. Die alleinige Ausrichtung auf Gewinn läuft Gefahr, Vermögen zu zerstören und Armut zu schaffen. Mit unsauberen Geschäften wird zum Glück auch viel Geld verloren. Wer langfristig Geschäfte machen will, kann sich imagezerstörende Verhaltensweisen nicht leisten.362 Immer mehr Unternehmen erkennen, dass eine Wirtschaft ohne Korruption auch für sie selbst besser ist als unlautere Praktiken. Es muss im wirtschaftlichen Eigeninteresse liegen, sich um die Bekämpfung der Korruption zu bemühen. Korruptionsbekämpfung – eine ethik und moral

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unendliche Geschichte  ? Nein, bleibt zumindest zu hoffen  ! Zumal ja die Reputation ein wesentliches Kapital darstellt, das niemand leichtfertig aufs Spiel setzen wird. Was ebenfalls zu hoffen bleibt. Der bloße Appell an die Moral ist zu allen Zeiten und in allen Ländern verhallt und wirkungslos geblieben. Eine befohlene Ethik in der Wirtschaft wird nicht funktionieren. Der Unternehmer muss selbst Verantwortung tragen und eine Mitverantwortung übernehmen. Das, was so deutlich und oberflächlich zugleich Nachhaltigkeit heißt, gewinnt in vielen Unternehmen bereits jetzt Tag für Tag an Relevanz. Quer durch alle Branchen, quer durch alle Ebenen.363 Ethische und moralische Optionen, welche der nachhaltigen Entwicklung dienen, dienen den Unternehmen und den Menschen in den Unternehmen.

Rechnen sich Ethik und Moral  ? Wirtschaftsethik ist getreu den Worten des Ex-Nestlé-Chefs Helmut Maucher »ethisches Gesäusel« und für ein Unternehmen letztendlich pure Zeit- und Geldverschwendung.364 Das kann unkommentiert stehen lassen, wer will. Ich nicht. Da gibt es ja noch eine schöne Aussage, die allen Ernstes den Menschen das Recht auf Wasser abspricht.* Das wäre der Anfang vom Ende oder der Beginn einer neuen Ära. Konzerne könnten dann auch Wind, Regen oder Sonnenstrahlen verkaufen. Oder Luft zum Atmen. Das würde sich alles glänzend rechnen. Unvergleichlich mehr als ethisches und moralisches Geplänkel. Hans-Henning Herzog spricht da glücklicherweise

* Peter Brabeck, Präsident des Nestlé-Verwaltungsrates im Film We Feed the World (2005)  : »Also Wasser ist natürlich das wichtigste Rohmaterial, das wir heute noch auf der Welt haben. Es geht darum, ob wir die normale Wasserversorgung der Bevölkerung privatisieren oder nicht. Und da gibt es zwei verschiedene Anschauungen. Die eine Anschauung – ex­t­ rem, würde ich sagen – wird von einigen, von den NGOs vertreten, die darauf pochen, dass Wasser zu einem öffentlichen Recht erklärt wird. Das heißt, als Mensch sollen Sie einfach das Recht haben, Wasser zu haben. Das ist die eine Extremlösung. Und die andere, die sagt, Wasser ist ein Lebensmittel, so wie jedes andere Lebensmittel sollte das einen Marktwert haben.«

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eine andere Sprache  : Respektvoller Umgang mit Menschen und Natur ist der nachhaltigste Garant für wirtschaftlichen Erfolg.365 Es gibt Ethikbanken, die beachtenswerte Geschäfte mit dem Gutmenschentum machen. Die Ethikbank in Eisenberg wirtschaftet nach sozialen und ökologischen Regeln und erlebt die beste Phase ihrer Geschichte. Das Vertrauen der Kunden in die Institutionen des Finanzmarktes wurde erschüttert. Die Ethikbank verspürt jedoch Aufwind. Sie ist nur eine von mehreren deutschen Alternativbanken, die nach strengen ökologischen und sozialen Kriterien arbeiten.366 Kunden wenden sich von den herkömmlichen Geldinstituten ab. Es ist wahrlich keine Massenflucht, aber doch ein Trend. Alles, was auf ethischen Grundlagen beruht, wird Bestand haben und auch in Zukunft gelingen. Anselm Grün stellt sich die Frage, ob man selbst gewinnen kann, ohne dass ein anderer dabei verliert.367 Seinen Ansatz möchte ich erweitern zu  : Können wir in einer Art genialer Grenzgang gewinnen und andere daran teilhaben lassen  ?

Ethik und Moral am Limit Shackleton hat sich Ethik und Moral in einer Zeit geleistet, als bei allen anderen Polarexpeditionen die Menschen rücksichtslos geopfert wurden. Er macht als Vorbild Leadern von heute Mut, auch andere, vor allem nachhaltige Wege einzuschlagen. Die wirklich erfolgreichen Polarforscher waren die, die sich selbstlos um ihre Kameraden gekümmert haben, und keinesfalls jene, die ihr Ziel kompromisslos erreichten, weil sie den Weg dorthin mit Menschenleben pflasterten.368 Und heute  ?

Wir Menschen wollen und dürfen uns wirtschaftlich durchaus am Limit bewegen. Manchmal müssen wir es sogar. In vielen Facetten des Lebens sind diese Grenzgänge eine zeitlich beschränkte, aber extreme Zeit. Unter der Prämisse, am Limit alles zu geben, darf unser moralisches Gewissen nicht leiden. Der Wert einer wirtschaftlichen Existenz ist letztlich zu bemessen an der Nachhaltigkeit und an ihrem internen Veränderungspotenzial. ethik und moral

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Lassen Sie uns zumindest für eine Minimalethik eintreten, die das untere Limit tangiert  : Vor allen Dingen, niemandem zu schaden. Das ist wenig und viel zugleich. Geschäftspartner, Anleger und letztlich alle Konsumenten sind der Wirtschaft nicht willenlos ausgeliefert. Schlussendlich entscheiden wir alle über den Stellenwert einer ethischen und moralischen Haltung. Es sind Menschen, die das Geschehen steuern. Von deren fachlicher und vor allem persönlicher Kompetenz hängt es ab, ob die Akteure lediglich dem Geld verhaftet sind oder einem wertorientierten Menschenbild. Die eingangs erwähnte Unausweichlichkeit unserer moralischen Gefühle, in der wir Anteil nehmen am Wohl unserer Mitmenschen, ist zugleich unsere größte Chance, der Maßlosigkeit Einhalt zu gebieten. Ethik und Moral sind am Limit und nicht nur dort gefordert. Ethisches und moralisches Handeln ist die Grundlage, um für unsere Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen. Wie viel Ungleichheit hält unsere Gesellschaft eigentlich aus  ? Welche Quellen hat die Gier  ? Wann ist genug endlich genug  ?

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6. genug ist genug Perfektion gibt es nur im Kleinen.369 Leopold Kohr

Wenn wir ein bisschen nachdenken wollen, erkennen wir  : Wer weiß, dass er genug hat, ist reich.370 Und wenn wir uns gedanklich noch ein Stück weiter einlassen, haben wir Zugang zur Philosophie, dass weniger manchmal mehr ist. Alles auf einmal ist gegen die Natur des Lebens und funktioniert nicht.371 Gleichzeitig wäre die verblendete Haltung, dass genug immer genug ist, ein fataler Irrtum. Warten allein ist nicht genug. Warten allein darauf, dass von selbst etwas anders wird, ist nie genug. Nichts im Übermaß, lautet eine der zentralen Weisheiten, die – aus Griechenland stammend und über 2.500 Jahre alt – heute noch immer Gültigkeit besitzt.372 Mit jedem Tun, in besonderer Weise mit dem wirtschaftlichen Tun, ist ein Glaube verbunden. Ein Glaube an den Sinn des Tuns, aber auch eine Furcht vor Verlust dieses Sinns, wenn das Tun ins Leere geht, über das Ziel hinausschießt oder gar das Gegenteil von dem bewirkt, was ursprünglich angestrebt war.373 Dabei steht für mich die Frage nach dem Maß im Vordergrund. Die Dynamik der Wirtschaft scheint immer öfter zum Selbstzweck zu geraten und benötigt gerade deshalb eine Rückbindung an außerwirtschaftliche Maßstäbe, um maßvoll zu bleiben – oder maßvoll zu werden. Die Verantwortung für das Maß ist der Kernpunkt.374 genug ist genug

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Der Begriff »Zuvilisation« kennzeichnet, dass wir alle in einem Zeitalter des Zuviels leben.375 Unzählbare Werbebotschaften prasseln täglich auf uns ein. Jeden Abend können Sie und ich, ohne das Wohnzimmer zu verlassen, zwischen Dutzenden von Fernsehsendern, Hunderten von Zeitschriften und Millionen von Internetseiten wählen. Dazu versorgen uns Online-Händler mit maßgeschneiderten Angeboten, unser altmodischer Briefkasten und unser neumodisches E-Mail-Postfach quellen über. Vor so einem Überangebot flüchten manche bereits in die Konsumverweigerung, während der Nachbar womöglich den Überblick verliert und über sein Limit shoppt, bis das im Offenbarungseid gipfelt. Wiederholt beschleicht mich das Gefühl, dass es offensichtlich schon sehr reizvoll sein kann, dieses langsam wirkende Gift des mächtigen Konsumwahnsinns in sich eindringen zu lassen.

Die Macht der Gewohnheit Immer größer  ! Immer mehr  ! Immer weiter  ! So lautete die Maxime der vermeintlichen Wirtschaftselite. Ohne Maß trieb sie die Jagd nach Rendite vorwärts. Mit wenig wirtschaftlichem Verstand fusionierten viele nur der Größe willen. Dieser Größenwahn fraß sich in ihre Gehirne und verschluckte die unternehmerischen Gebote.376 Und die der Privaten auch. Denn wenn Mitte des 20. Jahrhunderts C. Northcote Parkinson in seinem zweiten Gesetz schrieb, Ausgaben steigen stets bis an die Grenzen des Einkommens377, dann nahm er damit schon viele aktuelle Entwicklungen und deren Gründe vorweg. Es gibt zumindest zwei Wege, um glücklich zu sein  : Wir verringern unsere Wünsche oder vergrößern unsere Mittel. Beides führt zum Ziel. Wer weise ist, wird beides gleichzeitig tun.378 Ein kurzer Rundumblick genügt. Glück und Zufriedenheit steigen nicht mit dem Einkommen. Im Gegenteil, bei den meisten Menschen ist das Verhältnis umgekehrt.379 Eigentlich verhängnisvoll, das Gesetz der Gewöhnung sorgt dafür, dass der erworbene Lebensstandard mit fortschreitender Zeit als Quelle für Glück und Erfüllung ausscheidet. Das Mehr wird relativ immer weniger. 146

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Jeder Einzelne sollte ein Gespür dafür bekommen, was genug ist. Bisher wussten wir vor allem oder glaubten zumindest, es zu wissen, dass uns immer noch irgendetwas zu unserem Glück fehlt. Deshalb versuchen wir immer mehr zu haben, mehr zu sein und mehr zu tun. Immer noch mehr. Doch die Macht der Gewohnheit hat dabei kein Exklusivrecht auf unsere wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung.

Die Kultur des Genughabens Die von den Eltern übernommene Einstellung, die Befriedigung von Bedürfnissen aufzuschieben oder gewisse Bedürfnisse gar nicht erst zu haben, gehört zu einer Kultur, die untergeht.380 Die Kultur des Genughabens ist der Weg zu einer neuen Zufriedenheit. Es geht beim Genughaben um das persönliche und wirtschaftliche Gleichgewicht. Vor allem darum, dass wir eine Ausgewogenheit finden, in der jeder genug hat.381 Lucius Annaeus Seneca formulierte es einfach und prägnant. Nicht wer wenig hat, sondern wer viel wünscht, ist arm.382 Je kleiner das Ego, desto größer der Wunsch nach Besitz. Ich kann nie zufrieden sein, denn meine Wünsche sind endlos. Ich muss jene beneiden, die mehr haben als ich, und mich vor jenen fürchten, die weniger haben.383 Wären diese Worte nur nicht für viele schon so wahr. Die Haben-Orientierung ist charakteristisch für den Menschen der Industriegesellschaft, in welcher die Gier nach Geld, Ruhm und Macht zum beherrschenden Thema wurde.384 Der Weg zum Genughaben ist kompliziert. Die Evolution hat uns von den Bäumen runtergeholt, uns Eiszeiten, Hungersnöte, Seuchen und Naturkatastrophen überleben lassen. Schließlich sind wir im Zeitalter des technologischen und materiellen Überflusses angekommen. Doch die alten Instinkte drängen noch immer nach »ich will mehr« und »ich will es sofort«.385 Heribert Schmitz, früher Chef beim Global Player Hewlett-Packard, hat dreißig Jahre im Top-Management auf dem Rücken. Heute setzt er sich dafür ein, dass Unternehmen beginnen, soziale und ökologische Verantworgenug ist genug

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tung zu übernehmen. Er plädiert für eine Welt im Gleichgewicht, denn was sich derzeit abspielt auf dem blauen Planeten, gefällt ihm gar nicht. Vieles laufe schief, weil die Menschen die Welt und sich gegenseitig ausbeuten. Wir können weiter globale Geschäfte machen – aber wir brauchen globale Spielregeln.386 Zu wenige stehen vermutlich hinter dem Erfolgsrezept  : Mensch vor Profit, Umwelt vor Fortschritt. Es gibt jedoch einen sehr einleuchtenden Grund, warum korrektes Handeln Sinn macht. Wer Erfolg hat, indem er die »Dummheit« anderer ausnutzt, zerstört längerfristig seine eigene Erfolgsgrundlage. Die Logik des Egoismus und Nicht-genug-Bekommens führt zum allgemein Schlechten.387 Top-Gehälter des Managements auf Kosten der Arbeitnehmer machen die Unternehmensführung unglaubwürdig. Wachsen, egal auf welchen Ebenen, zählt zu den grundlegenden Wünschen aller Menschen. Wachstum ist die Wurzel all jener Dinge und Situationen, die uns ein Gefühl von Leistung und Zufriedenheit, Bedeutung und Fortschritt vermitteln.388 Wenn möglichst viele in unserer Gesellschaft auf einem gewissen Niveau des Wachstums genug haben, dient dies allen.

Zurück in die Mitte der Gesellschaft Der Weg zurück in die Mitte der Gesellschaft ist lang. Die westliche Geldwertegemeinschaft ist am Limit angekommen. Eine tiefe Verunsicherung hat in der Mittelschicht Platz gegriffen. Sie scheint aufgerieben zu werden zwischen einer über ihr handelnden »Oligarchie« und einer zunehmend chaotischen »Anarchie« sozial schwächer Gestellter oder Randgruppen. Der Wohlstand im Ganzen vermehrt sich, zugleich aber vergrößert sich die Spaltung der Gesellschaft.389 Dies zeigt uns das Bild einer Gesellschaft, die darauf wartet, dass ihr im Fallen Flügel wachsen.390 In den reichsten Ländern der Welt vertiefen sich gerade die Einkommensunterschiede, aber auch die sozialen Unterschiede wieder.391 Die Schere zwischen Armen und Reichen geht auseinander. Um 1800 waren die reichsten Menschen um das Vierfache vermögender gewesen als die ärmsten. Heute sind sie schlagartig 20-mal so reich.392 So stellen die einkommensstärksten zehn Prozent 148

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der bundesdeutschen Bevölkerung mehr als fünfzig Prozent des Einkommensteueraufkommens.393 Mögen viele Länder über Massenarbeitslosigkeit klagen – die Millionäre dieser Welt haben die Wirtschafts- und Finanzprobleme offenbar gut weggesteckt.394 Weltweit ist die Zahl der Dollar-Millionäre so weit angestiegen, dass mittlerweile die Werte über dem Vorkrisenniveau liegen.395 In Österreich stieg der Anteil um zehn, im Nachbarland Deutschland um sieben Prozent. Das alles wird die Probleme unseres Zusammenlebens künftig potenzieren. Dies betrifft sowohl den Frieden innerhalb einer Gesellschaft als auch den Weltfrieden an sich. Dabei ist eine Umkehr zu einer Form wirtschaftlichen Handelns, die auch das Wohl des Nächsten im Blick hat, gefordert. Wir stehen an einem Scheidepunkt, an dem vieles im positiven Sinn möglich ist oder zerfällt. Für die Mitte der Gesellschaft, so fand das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in einer Studie heraus, ist das Abstiegsrisiko größer als die Aufstiegschance.396 Diese Erkenntnisse dürfen wir nicht gedanklich dem Schicksal zuordnen. Fatal sind sie allemal, sie aber mit Fatalität abzutun, wird der Sachlage nicht gerecht. Die Mittelschicht wird noch massiver und schneller von oben nach unten durchgereicht. Es fehlt zudem an Geld für die Transferempfänger zur Umverteilung.397 Zur Lösung des Dilemmas muss die Politik das wirkliche Problem angehen. Sie muss, und das auf weltweiter Ebene, die Einnahmen der öffentlichen Hände dringend erhöhen. Sie muss die Weichen für eine Lösung des Problems der fairen Partizipation an Wertschöpfung und Wohlstand stellen.398 Die Antworten der Politik sind nach der Erkenntnis, dass »wir über unsere Verhältnisse gelebt haben«, breite Kürzungen im Sozialwesen. Dazu kommt eine Fortsetzung des ökonomischen Drucks auf weite Kreise der Mittel- und Unterschicht. Wen meinen die Politiker aber mit »Wir«  ? Wer soll da über seine Verhältnisse gelebt haben  ?399 Jürgen Habermas philosophierte dazu in Der Zeit  : Was mich am meisten beunruhigt, ist die himmelschreiende soziale Ungerechtigkeit, dass die sozialisierten Kosten des Systemversagens die verletzbarsten Gruppen am härtesten treffen. Nun wird die Masse derer, die absolut nicht zu den genug ist genug

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Globalisierungsgewinnern gehört, für die realwirtschaftlichen Folgen des Finanzsystems noch einmal zur Kasse gebeten.400 Auf dem Weg zurück zur Mitte der Gesellschaft ist Pessimismus ebenso falsch wie sinnloser Aktionismus. Aber etwas muss, angesichts der großen Unterschiede, geschehen.

Wie viel Ungleichheit halten wir aus  ? Unsere gemeinsame wirtschaftliche Leistung bringt zunehmend dem Reichtum Erträge. Jene Menschen, die ohnehin bereits über hohe Einkommen und Vermögen verfügen, sind in der Lage, diese immer stärker zu steigern. Unter den bestehenden wirtschaftspolitischen Bedingungen sind breite Kreise der Bevölkerung schon seit Jahren vom Wohlstandszuwachs abgeschnitten.401 Gerade bei der ungleichen Einkommensverteilung können wir feststellen, dass die Gier einzelner Anspruchsgruppen und die Vernachlässigung anderer Personengruppen zu Ungleichgewichten und zu Habsucht geführt haben.402 Die Herrschaft gewisser Schichten, die sich selbst als Eliten glorifizieren, führt zu Gruppenegoismen. Über Menschen zu bestimmen, die nicht dieselbe Brutalität oder Cleverness an den Tag legen, ist offenbar faszinierend und verhängnisvoll zugleich.403 Es müsste und muss vielmehr eine Erkenntnis salonfähig sein. Wenn die Mittelschichten funktionieren, funktioniert auch die Demokratie. Diese Tatsache blenden zu viele aus. Wie viel Ungleichheit wird eine Gesellschaft ohne Radikalismus aushalten  ?404 Über Jahre hinweg verschlechterte und verschlechtert sich nach wie vor in vielen europäischen Ländern die Einkommenslage des Mittelstands. Von den Einkommensperspektiven am unteren Ende der Skala ganz zu schweigen.405 Als Folge daraus entstand eine polarisierte Gesellschaft. Den vielen mit verschlechterten Perspektiven stehen wenige mit glänzenden Aussichten gegenüber. Und dann fragen sich noch ernsthaft Ökonomen, warum der Privatkonsum einbricht. Eine französische Hotelkette ist zur Überzeugung gelangt, dass die Franzosen, insgesamt betrachtet, kaum noch die Mittel haben, sich einen 150

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Urlaub in Frankreich zu leisten, und ganz gewiss nicht mehr in den Hotels ihrer Kette. 75 Prozent ihrer Gäste stammen aus drei Ländern. China, Indien und Russland – in der Klasse »exklusive Luxushotels« steigt ihr Anteil gar auf 90 Prozent an.406 In Österreich sind trotz ganzjähriger Erwerbstätigkeit 175.000 Personen an die Grenze zur Armut gelangt. Insgesamt können rund eine Million Menschen oder zwölf Prozent in der Alpenrepublik als armutsgefährdet bezeichnet werden. Der Begriff working poor hat also eines der reichsten Länder der Welt erreicht.407 Wie distanziert können und wollen wir dies auf uns wirken lassen  ? Die Caritas veröffentlichte 2011 einen Artikel mit der Überschrift  : Leben am Limit  : Teuerungen treiben Menschen in die Armut.408 Wie oft haben wir den Satz »Der Mensch steht im Mittelpunkt« gehört  ? Und wie selten kann die Wirklichkeit mit dieser bedeutenden Aussage Schritt halten  ? Soziale Ungerechtigkeit wieder umzudrehen, wird das große Thema der nächsten Jahre. Aber das wird sehr, sehr schwer.409 Wenn heute den Wirtschafts- und Gesellschaftsordnungen ein erneuertes Profil gegeben wird, so sollten wir den Handelnden in Erinnerung rufen, dass das erste zu schützende Kapital der Mensch ist. Nicht das zügellose Wachstum, sondern die Person ist alleinig der Urheber, Mittelpunkt und das Ziel aller Wirtschaft.410

Unersättliches Wachstum Die Notwendigkeit eines weiteren Wirtschaftswachstums kann längst nicht mehr mit der Bedürftigkeit von Menschen begründet werden. Es folgt nur mehr dem Erfordernis, dass die Maschine von Unternehmen, Arbeitsplätzen und Konsum am Laufen gehalten wird.411 An einem Punkt ist es eben genug – was immer es sein mag. Zu viel ist zu viel, heißt es schon im Volksmunde.412 Naives Vergrößern und Vermehren führt zu sich monoton wiederholenden Grenzsituationen, deren Beherrschung nur zu gern misslingt. Unter Verlangsamung wird normalerweise verstanden, dass irgendeine Größe geringer wird.413 Wenn sich heute ein geschäftliches Wachstum verlangsamt, dann denken viele an Rückschritt und wirtschaftliche Depression. genug ist genug

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Ein normaler Zeitungsleser glaubt dies zu verstehen, aber er versteht nicht. Denn eine Verlangsamung eines Wachstums besagt lediglich, dass die bisherige Steigerungsrate leicht zurückgeht, aber eben noch immer Zuwachs generiert. Die Unersättlichkeit im Sinne des exponentiellen Wachstums ist das Grundprinzip unserer Wirtschaft. Exponentiell bedeutet, dass die Wachstumsrate jeweils auf die Vorperiode bezogen ist. Der Zuwachs wächst also mit. Ein exponentielles Wachstum des Sozialprodukts, das mit einem Verzehr natürlicher Ressourcen in unserer begrenzten Welt einhergeht, stößt unwillkürlich an seine Grenzen. Es gilt zu bedenken, dass der Mensch gar nicht existieren kann, wenn er nicht mit der Natur existiert. Auf einem toten Planeten können wir einfach keine Gewinne mehr erzielen. Natürlich können und dürfen wir aus der Natur mit unserer Erfindungsgabe mehr herausholen, als die Natur uns von sich aus bietet. Aber wir müssen dabei ihre Substanz als Wirtschaftsgrundlage bewahren.414 Kein vernünftiger Mensch wird heute behaupten wollen, dass das materielle Wachstum auf unserem Planeten endlos fortgesetzt werden kann.415 Erste ernst zu nehmende Stimmen erhoben sich in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Der Club of Rome sprach in den 1970er-Jahren von den Limits of Growth oder den Grenzen des Wachstums.416 Die Konsumspirale der Nachkriegszeit war gut für die Hersteller, doch nicht immer gut für die Menschen oder unseren Planeten.417 In der Natur gibt es kein permanent steigendes Wachstum von Lebensformen oder Ökosystemen, durchaus aber Wandlungsprozesse und neue Entwicklungsrichtungen. Natürlich auch Veränderungen im Rhythmus der Zeiten. Jedenfalls wächst in der Natur kein Organismus unbegrenzt.418 Ein Wald oder ein Korallenriff kann in einem gewissen Punkt ein quantitatives Endstadium erreichen und weiter existieren. Wird eine kritische Größe nicht überschritten, hat das System enorme Zukunftschancen. Das Ökosystem ist somit intelligenter als jedes Wirtschaftssystem. Wirtschaft als alleiniger Lebensinhalt ist eine tödliche Krankheit, weil unendliches Wachstum nicht in eine endliche Welt passt.419 Es geht nicht so sehr um das Für und Wider von Wachstum, sondern um die Art von Wachstum. 152

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Gewinn durch Verzicht Wir haben ohne Zweifel gelernt, ein Maximum an Gütern hoch effizient zu produzieren, das viele inzwischen erdrückt, während andere noch immer hungern. Was wir anscheinend nicht gelernt haben, das ist, genussvoll und maßvoll zu konsumieren. Der Anteil der dazu Unfähigen scheint rapide zu steigen.420 Eine Entsagung von den überholten Mechanismen des scheinbaren Steigerns der Zufriedenheit durch die Steigerung von Wachstum und Vermögen ist der Schlüssel zu mehr Lebensqualität. Der Schlüssel zu persönlichem Wachstum. Der Schlüssel zu Gewinn durch Verzicht. Wir müssen vom quantitativen Wachstum wegkommen und ein qualitatives Wachstum erreichen. Nicht Lebensstandard, sondern Lebensqualität muss das Ziel sein.421 Der Glaube an den hochstilisierten technologischen Optimismus als übliche Reaktion auf wachstumsbegrenzende Aussagen in einem begrenzten System ist gefährlich.422 Technologien wie Recycling, Umwelttechnologie, Nanotechnologie und viel mehr sind wichtig, jedoch nicht in der Lage, aus begrenzten Räumen endlose zu generieren. Technologiegläubigkeit ist dabei kein Hilfsmittel, nein, nicht einmal ein Krückstock. Wir sollten uns vielmehr überlegen, wie eine Gesellschaft aussieht, die langfristig gesehen nicht mehr wächst. Dafür haben wir bislang überhaupt noch kein Rezept. Dafür brauchen wir viele kluge Leute, die sich zukunftsweisend darüber Gedanken machen. Richard David Precht schlägt vor, nicht nur Technikfolgenabschätzungen zu machen, nicht nur Ökonomiefolgenabschätzungen zu machen, sondern Anthropologiefolgen abzuschätzen. Das heißt, wie werden sich Menschen unter veränderten Bedingungen ihrerseits verändern  ?423 Die Menschen haben sich verändert und werden sich weiter verändern. Aus den Wachstumsträumen wurden sie in der neuen und alten Welt schon abrupt gerissen.

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Der amerikanische Traum, aber auch der europäische Der Kapitalismus, eine beispiellose Erfolgsgeschichte gegenüber jedem anderen Wirtschaftssystem, hat einen Haken.424 Er hat unser Wirtschaftssystem entsprechend vorangebracht, aber auch an den Rand. Wie konnte es passieren, dass die Geldverhältnisse derart außer Kontrolle geraten sind  ? Wie war es möglich, dass inflationäre Entwicklungen immer weiter um sich greifen konnten, ohne dass jemand dagegen einschritt  ? Wie kam es zu einer langen Kette falscher Entscheidungen  ?425 Der freie Markt, das war die heilige Kuh, die niemand schlachten wollte in Zeiten der Schrotthypotheken. Dahinter stand die Überzeugung der Selbstregulierung eines funktionierenden Wirtschaftssystems. Der Glaube an die Macht des Marktes war einer der Gründe, warum die amerikanische Notenbank so lange zögerte, der Spekulationsblase die Luft zu entziehen. Als sie dann endlich begann, die Zinsen hinaufzusetzen, war es längst zu spät.426 Der Zug rollte ungebremst, mit immer höherem Tempo, dem Abgrund zu. Und es war ein großer Abgrund. Die Blase der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts wurde gigantisch groß. So groß, da sie so viele Märkte umfasste – Immobilien, Rohstoffe, Firmen, . . . –, dass nach ihrem Platzen Teile der Bankensysteme rund um den Globus verstaatlicht werden mussten. So groß, dass viele Staaten an den Rand des Bankrotts gerieten, dass Teile des Welthandels zum Erliegen kamen, dass Unternehmen massenhaft in Pleite gingen und die verbliebenen nicht mehr investierten. So groß, dass Massenarbeitslosigkeit die reichen Länder bedrohte und Hunger die armen Länder. Lernen wir daraus  ?427 Im Kleinen wie im Großen wurden Menschen beraten, informiert, auch zu Entscheidungen gedrängt. Egal, ob es um den Ankauf eines nicht selbst finanzierbaren Autos oder die Beteiligung einer Großbank an den Schrottpapieren einer »systemrelevanten« anderen ging. Die großen Erklärungen dazu sind hinlänglich bekannt, veröffentlicht und mittlerweile Gegenstand vieler Bücher oder Fernsehsendungen. Für das Grundverständnis ist es aufschlussreich, ein möglichst kleines und griffiges Beispiel zu betrachten. Ein deutscher Jungmanager will für seinen beruflichen Aufenthalt in den USA ein kleines Haus erwerben. Der Makle154

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rin nennt er sein finanzielles Limit und besichtigt mit ihr ein infrage kommendes Gebäude. Als er nach der ansprechenden Besichtigung nach dem Preis fragt, erfährt er, dass die Immobilie rund 160.000 Dollar kosten sollte. Er ist enttäuscht und sagt, dass er sich das Haus nicht leisten könne, da er nur 100.000 Dollar besitze. Die Maklerin reagiert erstaunt  : »Das hätten Sie mir doch gleich sagen sollen  ! Wenn Sie tatsächlich 100.000 Dollar haben, dann können Sie locker ein Haus für 250.000 bis 300.000 Dollar kaufen.« Klingt logisch, oder  ? Es handelt sich offensichtlich nur um marginale Unterschiede, ob ein Immobilienkäufer die gesamte Investitionssumme besitzt oder zwei Drittel davon als Kredit nehmen muss. Da träumten manche einen gewaltigen Traum und dachten noch, die anderen verschlafen das Beste.

Der gemeinsame Albtraum Wie wir wissen, stürzte das finanztechnische Kartenhaus ohne Vorwarnung und unwillkürlich in sich zusammen. Jenes Gebäude, in dem über die Verhältnisse gelebt wurde. Und das in über 25 Jahren unaufhörlichen Wachstums der US-Wirtschaft. Gespeist von ungebremstem Konsum, einer endlosen Immobilienflut und technischen Spielereien. Früher für ihre Innovationsfähigkeit geschätzt, konzentrierten sich die USA irgendwann offenbar nur noch auf die Entwicklung hoch riskanter Finanzprodukte. Leicht zugängliche Kredite entwickelten die Wirtschaft zu einem gigantischen Basar und Finanzmärkte in Casinos, in denen sich viele Spieler mit aberwitzigen Einsätzen auf schwindelerregende Wetten einließen. Eine große Sachkenntnis der Entscheidungsträger erachtete niemand für nötig. Das Kartenhaus implodierte aber nicht zum ersten Mal. In den 1870erund den 1930er-Jahren folgte so einem Einbruch eine Depression. Beide Male ging die Wirtschaft gesünder und gestärkt hervor. Das ist auch heute wieder möglich.428 Doch vieles läuft falsch, seit Jahren schon. Und niemand weiß, wie hoch die Rechnung am Ende ausfallen wird.429 Zu denken geben sollte uns  : »Wenn die Macht des Volkes durch jene des Kredites ersetzt wird, stellt sich die Systemfrage.«430 Wenn Überschreitungenug ist genug

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gen von Limits globale Ausmaße annehmen, dann hängt vieles davon ab, ob die internationale Gemeinschaft eher von Kooperation oder Konflikt geprägt ist, ob das Gemeinsame über das Trennende gestellt wird.

Überschrittene Limits Wie bei den meisten Unglücksfällen waren die Entwicklungen absehbar und wahrscheinlich. Auslöser ist jedes Mal eine Anhäufung bekannter wirtschaftlicher und finanzieller Schwächen, die irgendwann ein kritisches Limit überschreiten.431 Dass die Auswirkungen, im Großen oder Kleinen, im Nachhinein erkannt werden, ist logisch. Nur wo ist oder bleibt die Logik vorher  ? Wenn einerseits Bankinstitute auf fallende oder sinkende Kurse wetten und andererseits Privatpersonen kreditfinanzierte Aktien erwerben, da jede mögliche oder unmögliche Kapitalkraft ohnehin schon in Eigentumsrückzahlung oder Leasingrate des Autos gebunden ist  ? Leider klammern sich zu viele, egal ob an der Staatsspitze oder als Familienoberhaupt, durchaus intelligente Menschen an die Überzeugung, dass die zurückliegende Fehlentwicklung nicht vorhersehbar war. Frei nach der Devise, das konnte niemand kommen sehen und es wird sich auch nicht wiederholen.432 Das Weltfinanzdesaster gibt eine einmalige Chance. Diese Chance besteht darin, die Probleme, die wir heute haben, das heißt die Unterminierung der Sozialstandards, die Unterminierung der Umweltstandards, die Überbeanspruchung der Ressourcen zusammen zu lösen.433 Das Aufkaufen der natürlichen Ressourcen, die sich häufig gerade in den armen Ländern befinden, führt zu Ausbeutung und Konflikten, welche auf dem Boden dieser Länder mit einer bedrückenden Bilanz von Tod und Zerstörung ausgetragen werden. Die internationale Gemeinschaft hat die unumgängliche Aufgabe, Wege zu finden, um der unlimitierten Ausbeutung Einhalt zu gebieten. Insbesondere unter Einbeziehung der armen Länder, um mit ihnen gemeinsam die Zukunft zu planen.434 Der derzeitige Wettlauf um seltene Erden, Öl, auch Wasser gipfelt ansonsten 156

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in grenzenloser Übervorteilung und militärischen Auseinandersetzungen. Eine Analyse unserer Zeit zeichnet ein seltsames Bild.

Der Stand der Dinge An Erklärungsversuchen für die Ursachen und Erholungsvorhersagen mangelt es nicht. Der Blick zurück in verheerende und leidvolle Zeiten ermöglicht ein Lernen für die Zukunft. Ein Vakuum wird nicht geduldet. Für jede versagende Institution, für jede totgelaufene Geschäftsidee entstanden und entstehen sehr schnell neue und bessere. Dadurch kommen neue Technologien und Geschäftsmodelle, neue Wirtschaftsformen und völlig neue Arbeitsweisen auf. Dies ist grundsätzlich sehr positiv. Dessen ungeachtet, eine reale und dauerhafte Erholung erfordert mehr als technische Innovationen. Der Finanzcrash der gelobten freien Wirtschaft stürzte den Kapitalismus in ein Legitimationsproblem und erschütterte den Glauben in den Markt. Protagonisten des völlig freien Marktes riefen nach Regulierung. Krampfhaft gesucht wurde, ganz untypisch, der starke Staat, der plötzlich Konjunktur hatte. Staatliche Interventionen bekamen eine neue Qualität.435 Die Konsequenzen für die Entscheidungen der Spekulanten trugen somit die Steuerzahler. Staatliche Eingriffe in bisher nicht gekanntem Umfang wurden und werden gefordert und akzeptiert.436 Alle Skandale der Vergangenheit, die Unmoral, die Korruption lösen ja immer wieder die bekannte Forderung nach mehr Kontrolle durch den Staat und öffentlicher Intervention aus. Irgendwie seltsam, einerseits wollen konsequent marktwirtschaftlich orientierte Unternehmer unendliche ökonomische, ökologische und arbeitsrechtliche Freiheiten, andererseits rufen sie reflexartig nach staatlicher Kontrolle, sobald ihr System ins Ungleichgewicht gerät. Stürzt das System dann völlig ab, ist erneut die »sichtbare« öffentliche Hand am Zug.

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Absturz und Reset Warum Wirtschaftssysteme und sogar unser gesamtes Weltwirtschaftssystem ins Trudeln geraten, wissen im Nachhinein fast alle, die Warnrufe zur rechten Zeit bleiben zu oft ungehört. Der Crash der Jahre 1929 und 2008 fußt im Wesentlichen auf fünf Bereichen  : • ungleiche Einkommensverteilung • schlechte Struktur der Kapitalgesellschaften • schlechte Struktur des Bankensystems • unausgeglichene Außenhandelsbilanz • schlechter Zustand der Wirtschaftswissenschaften sowie fehlerhafte Empfehlungen437 Haben Sie sich schon einmal gefragt, welchen Traditionen und Regeln die Wirtschaft eigentlich folgt  ? Zu den Wirtschaftswissenschaften erlaube ich mir eine übertreibende Fragestellung  : Wieso kann eine Fachrichtung, die nicht einmal in der Lage ist, verifizierbare Prognosen zu stellen, als Wissenschaft angesehen werden  ? Sämtliche Theorien, die wirtschaftliche Phänomene zu erklären und ihre Entwicklung vorhersagen zu versuchen, kommen mir zusehends immer unbegründeter und gewagter vor. Wenn heute Experten ihre Prognosen abgeben, wird man in zwei Wochen oder schon in einer feststellen, dass alle ihre Prognosen falsch waren. Dann hängen wir an den Lippen eines anderen Experten oder noch einmal an denselben wie zuletzt, und der Experte stellt ebenso selbstsicher neue Prognosen. Dass viele wirtschaftliche Theorien so abwegig sind und sich letztlich als falsch herausstellen, liegt vermutlich daran, dass die Motivation der Erzeuger wie auch der Verbraucher völlig unbestimmbar ist. Die Existenz irrationaler ökonomischer Faktoren war schon immer die Schattenseite, der blinde Fleck, aller Wirtschaftstheorien.438 Fehlen uns eine Äquidistanz zu und ein gebotenes Augenmaß für wirtschaftliche Phänomene und simpler Hausverstand  ? Wenn Geldmengen sowie Erträge aus deren Anlage aberwitzige Größen annehmen, müsste und muss jeder Mensch zum Nachdenken innehalten und zum Nachfragen 158

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beginnen. Doch geradezu automatisiert fortschrittsgläubig und mit einer enormen Irrationalität gesegnet, beteten zu viele die Zinssätze auf dem Papier an und finden sich nun in die unausweichliche Realität zurückgeworfen. Argumentativ folge ich Hans Hofinger, der das ganze Desaster als das Ergebnis von Handlungen, über deren mögliche Konsequenzen für die Wirtschaft und die Menschen vorher nicht nachgedacht worden ist, beschreibt.439 Für die derzeitige Situation hege ich Sympathie für jene Erklärungen, die sie nicht als einen Zyklus, sondern als einen Reset betrachten. Einen emotionalen, sozial harten, wirtschaftlichen Reset.440 Reset bedeutet ja, etwas in eine bestimmte Ausgangslage zurückzuversetzen oder einen Neustart durchzuführen. Der jetzige wirtschaftliche Reset ist schwer abzuschätzen, vollzieht sich aber sicher schubweise. Zugegeben, »Genug ist genug« scheint unattraktiv, keinesfalls cool genug und obendrein rückständig zu sein. Doch ist es unsere einzige Chance für zukünftige Innovations- und Produktionsweisen, welche zu einer neuen Wirtschaftslandschaft führen. Entwicklungen, die zu infrastrukturellen Neuerungen sowie menschengerechteren Arbeitsplätzen beitragen. Auch zu neuen Lebensweisen, Bedürfnissen und geänderten Konsumvorstellungen. Sind die real existierenden Krisen lösbar oder nicht  ? Wie auch immer, die Menschen wollen definitiv Hoffnung haben und nicht irgendein Krisengeschrei. Das Auf und Ab ist etwas ganz Normales.441

Ganz normal Eine geänderte oder neue Normalität wird sich wahrscheinlich weniger an Autos, Häusern oder Vororten orientieren. In einer Welt, in der sich alles um Mobilität und Flexibilität dreht, wird ein fremdfinanziertes und unverkäufliches Haus zu einer ökonomischen Falle. Für die alte Lebensweise wird, relativ gesehen, weniger Geld ausgegeben. Denn Geld muss für neue, nachhaltige Industriezweige übrig bleiben. genug ist genug

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Hoch verschuldete Bürger, egal ob in den USA oder in Mitteleuropa, so wichtig sie dem Immobiliensektor oder der Automobilindustrie erscheinen und sind, wurden und werden ansonsten erneut eine Gefahr für unser System. Kleinere Häuser, kleinere und finanzierbarere Wohnungen, wirtschaftlich und ökologisch sinnvollere Fahrzeuge werden an Attraktivität und Ansehen zulegen. Die dichten Verkehrslagen in den Städten und die Brennstoffpreise unterstützen diese Entwicklung beharrlich, auch gegen die Wünsche vieler automobilgläubiger Produzenten und Konsumenten. Verringerte Fixkosten und optimierter Energieeinsatz beim Wohnen und bei der Mobilität sind für die gesellschaftliche und persönliche Entwicklung keineswegs bremsende Faktoren.

Beschleunigung ohne Ende Beschleunigung ohne Ende ist der untaugliche Versuch, täglich relevante ökonomische Probleme zu lösen. Die Hauptursache für die Beschleunigung in der heutigen Zeit ist der Zwang, Entfernungen zu überwinden. Die wachsenden Entfernungen zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Die wachsende Entfernung zwischen spezialisierten Fabriken, die Einzelteile herstellen, und Fabriken für den Zusammenbau. Die wachsende Entfernung zwischen Hersteller und Verbraucher, zwischen Wohnort und Schule und Theater und Gaststätte. Je weiter die Entfernungen werden, desto größer wird das soziale Tempo, müssen doch Menschen Tag für Tag mehrere dieser Entfernungen überbrücken.442 Genug Tempo ist vielen, zu vielen, noch immer nicht schnell genug. Die Beschleunigung der persönlichen Geldvermehrung verknüpfen viele fälschlicherweise mit der Erwartung, dass ihre Glücksvermehrung ebenfalls zunimmt. Intensivierter Geldzuwachs ist aber nicht linear mit Glückszuwachs in Verbindung zu bringen. Auf der nächsten »Vermögensebene« warten schon wieder andere, welche es sich dort bereits häuslich eingerichtet haben. Mit Schmunzeln denke ich an unvermeidliche Gesprächsthemen  : »Welcher Wagen ist der Ihre  ?« Oder  : »Fahren Sie schon das neue Modell  ?« Beim 160

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beruflichen Einstieg erscheint vielen der erste Firmenwagen als toll. Das zweite Dienstfahrzeug soll dann noch besser sein. Und erst das dritte, vierte, . . . Dieses ganze Getue hatte schon immer etwas Lächerliches an sich. Grundlegend anders betrachte ich diesen Umstand jedoch seit jenem Zeitpunkt, als mich das erste Mal eine berufliche Mitfahrt in den Genuss eines Chauffeurs brachte. Damit stellte sich die Frage nach Automarke und Prestigeergänzungen nicht mehr. Es ist auf einmal völlig egal, was da für ein Wagen vorfährt. Und das Schöne dabei ist, die Geschichte geht ja weiter, denn Firmenhubschrauber oder Firmenjet erweitern die Skala des Machbaren noch zusätzlich. Dessen ungeachtet beginnt der wahre Luxus dann, wenn der eigene Wagen von Zeit zu Zeit einfach stehen bleiben kann und gar nicht die Notwendigkeit besteht, wegfahren zu müssen. Natürlich gibt es uns als Menschheit auf dem heutigen Niveau nur durch Weiterentwicklung und Fortschritt. Niemand wird sich dagegenstellen. Es geht nur um das richtige Maß der Dinge. Meine Haltung gibt am treffendsten der Slogan des Sierra Clubs wieder  : Keine blinde Opposition gegen Fortschritt, aber Opposition gegen blinden Fortschritt.443

Die Entdeckung der Langsamkeit In Zeiten wie diesen, in denen Langsamkeit zu einer Kunst verkommt, da nur größer, schneller, weiter zu zählen scheint. In Zeiten wie diesen, in denen der Rhythmus des Lebens sich den Gegebenheiten des Marktes unterzuordnen hat, weil nur diese das Tempo vorgeben. In Zeiten wie diesen, in denen Moral und Charakter den Götzen des schnellen Reichtums geopfert werden, weil weniger Moral mehr Geld bedeutet. In dieser Zeit ist so manches wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Weniger Geschwindigkeit muss nicht zwangsläufig weniger Erfolg bedeuten. Langsamkeit war und ist schon immer ein wichtiger Schritt zu einem bewussten Leben. Die Langsamkeit beginnt mit einem bewussten Innehalten in dem »Hamsterrad« von »Immer mehr und immer schneller«. Stillstand im Hamsterrad. Wo bin ich hingeraten  ? Wie sehe ich meine Welt  ? Wer bin ich  ?444 genug ist genug

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Eine der bedeutsamsten Grundlagen ist die Einsicht, nicht gegen das Unvermeidliche anzukämpfen, sondern es geschehen zu lassen, abzuwarten, es zu analysieren und schließlich zum geeigneten Zeitpunkt mental und kräftemäßig wieder voll einsatzbereit zu sein.445 Nicht alles um jeden Preis und sofort. Die größte Vision macht keinen Sinn, wenn man sie nicht in Wirklichkeit umsetzen kann. Auch historisch verausgabten sich viele völlig sinnlos. Etwa bei der idealen Bestimmung der geografischen Länge, welche durch die Ausführungen im Longitude Act im England von 1714 fürstlich belohnt werden sollte. Auf der Suche nach der Lösung irrten Menschen heischend im Dunkeln der Begierde nach Geld und Ruhm. Manch ein hoffnungsfroher Kandidat war im Geschwindigkeitsrausch der eigenen Geldgier so elektrisiert und blind, dass er nicht einmal die Bedingungen der Ausschreibung zur Kenntnis nahm und nutzlose Vorschläge wie verbesserte Schiffsruder und Trinkwasserbereitung auf hoher See ausarbeitete.446 John Harrison hingegen, dem die Sache an sich ein Bedürfnis war, wies durch Entschlossenheit und Ausdauer über vier Jahrzehnte beim Bau der weltbesten Uhren allen anderen den Weg. Geld war dabei nie sein Hauptmotivator, außerdem erhielt er die ausgelobte Summe nur in Tranchen und unvollständig. Wohl eine Ironie des Schicksals. Harrison perfektionierte aus eigenem Antrieb die Zeitmessung, welche allen Forschern bei der Vermessung der Welt diente.

Die vermessene Welt und das Handeln ihrer Protagonisten Genug Geldgläubigkeit Die letzte »kleine« Finanzkrise ist nicht das Ende unseres Wirtschaftswachstums, aber sie ist ein Vorbote für viele andere Finanzkrisen, die unabwendbar kommen müssen, weil das ganze System in der Tat ausgesprochen marode ist.447 Dabei ist erstaunlich, wie wenig Interesse manche Menschen ihrem Geld wirklich widmen. Dieses Desinteresse ist von Politik und Zentralbanken gewollt. Niemand soll verstehen, was Geld wirklich ist. Jeder soll nur 162

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daran glauben. In diesem Zusammenhang sprechen wir von »Geldillusion«, denn eigentlich ist Geld nichts  ! Bloß Papier oder Zahlenkolonnen am Bildschirm oder im Rechner. Seinen eigentlichen Wert erhält Geld erst, weil die Menschen daran glauben. Dieser Glaube kann an Zuspruch verlieren, wenn wir uns fragen, wer soll diese Schulden überhaupt jemals zurückzahlen  ?448 Wenn sich die Geld- beziehungsweise die Schuldenmenge erhöht, nimmt umgekehrt die Kaufkraft ab. Und das tut sie auch. Erst langsam, schließlich schneller und schneller – und am Ende ist zu viel Geld im Umlauf, und auch der Letzte kapiert, jetzt gibt es den großen Knall.449 An den Börsen der Welt wird die 13-fache Menge des Geldes gehandelt, das real vorhanden ist. Wir haben zuletzt ein ganz klein bisschen Luft aus dem Ballon abgelassen, aber es werden andere Finanzkrisen ohne Zweifel folgen.450 Tritt dies wirklich ein, wird ein Verfall der Geldwerte kaum aufzuhalten sein.

Genug Dekadenz Eine historische These geht auf die Dekadenztheorie zum Untergang des Römischen Reichs zurück. Während die unteren Schichten mehr und mehr verarmten, hat das Patriziertum in Luxus und viel zu verschwenderisch gelebt. Woran ist denn das römische Imperium, wenn es denn an Dekadenz zugrunde gegangen ist, zugrunde gegangen  ? An der Dekadenz der Führungseliten und nicht an der Dekadenz der Unterprivilegierten.451 »Reicher als reich«, schmettert uns die Werbung unablässig entgegen. Erfassbarer oder gewöhnlicher Reichtum, für die Mehrheit unrealistisch genug, wird in dieser Ansage zusätzlich persifliert. Den Zustand absonderlichen Reichtums beschreibt die dekadente Situation sehr genau. An dem einen Ende der Skala die täglich um ihre Existenz Kämpfenden und ihnen gegenüber die abnorm Reichen und reicher Werdenden. Genug Dekadenz meint auch ein Aufbegehren gegen dieses maßlose Nehmen und Bedienen, über die Grenzen hinaus. Nicht weniger dekadent empfinde ich eine zu Papier gebrachte These, die mir so ähnlich bei einem Vortragstermin abendlich ins Ohr geflüstert genug ist genug

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wurde  : Ein historischer Rückblick zeigt, dass eine Deflation nur durch massive Sachkapitalvernichtung beendet werden kann. Insbesondere in einem Krieg wird genügend Realkapital zerstört, so dass danach beim Wiederaufbau eine ausreichende Rendite des Kapitals gesichert ist.452 Scheinen zeitweise die Chancen auf ausreichende Gewinne ganz gut zu stehen, fragen sich doch einige Menschen, ob das, was wir derzeit erleben, nur ein Vorspiel auf einen noch viel größeren, weltumfassenden Crash ist  ? Kann das Geldsystemdesaster gar zu einem Auslöser für einen Krieg werden  ? Ist der Kampf um Ressourcen, Öl und Gold bereits voll entbrannt  ? Die Welt der Finanzen, der Wirtschaft und der Politik ist zweifellos aus den Fugen geraten.453 Betrachten wir es nüchtern, die Dinge stehen nicht zu gut. Der Internationale Währungsfonds warnte davor, dass die globale Finanzkrise, die sich immer mehr Richtung »Große Depression 2.0« bewegt, zu sozialen Unruhen und sogar zu Krieg führen könnte. Finance crisis could lead to war.454 Gut, nicht jede Wirtschaftskrise hat in der Vergangenheit in einen Krieg geführt, aber viele Kriege haben mit einer Wirtschaftskrise begonnen. Nach Friedrich Nietzsche ist Krieg ein Winterschlaf der Kultur. Wenn wir Dekadenz als Verfall und Niedergang ansehen, dann wird daraus resultierend die Vollendung der Dekadenz wohl eine militärische Auseinandersetzung sein. Wir dürfen nicht wie das Geldsammelkaninchen vor der Geldverschlingungsschlange sitzen und uns zitternd, aber bewegungsunfähig ergeben. Der Wirtschaftsfaktor Krieg zur Bewältigung von wirtschaftlichen Extremsituationen ist diskussionslos zurückzuweisen. Der Krieg als Vater aller Dinge, als finaler dekadenter und gieriger Akt, ist abzulehnen und mit ganzer Kraft zu verhindern.

Genug Gier Es gibt keine »gute Gier«  !455 Durch die stetige und maßlose Anhäufung von Waren, Geld, Vermögen, Macht und Prestige soll fehlendes Lebensglück kompensiert werden.456 Wurzel allen Übels ist die Gier  : Gier nach Geld, Ruhm und Macht. Gier als süchtig machende Verführerin, als ansteckender 164

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Bazillus, der Manager ebenso befallen kann wie Politiker und Privatpersonen. Gier ist entgleistes Verlangen. Eine positive Form der Gier ist in unserer Gesellschaft die Neugier. Sie produziert primär Innovationen und Fortschritt, wobei auch sie negative Ausprägungen, wie distanzlosen Klatsch und unterstellbare Intrige, in sich trägt.457 Ein wenig hängt die Betrachtung, was Gier ist und was nicht, auch von den Moden und Zeiten ab. Als am Wechsel vom 20. zum 21. Jahrhundert die Unternehmen an der Börse Monopoly spielten und erfolgreiche Topmanager die Idole der neuen Zeit waren, galten Millionenbeträge als verdient, auch wenn das Geld erzockt worden war.458 Nachhaltigkeit, ein Fremdwort aus längst vergangener Zeit. Die Akteure trieben und waren doch selbst Getriebene. Die Gier führt geradewegs zu einer »Krankheit« der Habsucht und Vernachlässigung des rechten Maßes. Habgier, die zur Habsucht führen kann, ist der Gewinnsucht nahe, die ebenso zu Abhängigkeiten führen kann wie Drogensucht.459 Wozu langfristige Ziele verfolgen, wenn die gierigen Shareholder ohnehin nur kurzfristigen Erfolg honorieren  ? Gier an sich wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu oft zu einer Kardinalstugend stilisiert. Unternehmen ignorierten die gesellschaftliche Verantwortung und erlagen dem Shareholder-Value in anbetender Huldigung.460 Vor dieser Phase dienten europäische Unternehmen in sozialer und ökonomischer Verantwortung ihren Stakeholdern und berücksichtigten auch die Interessen der Öffentlichkeit, des Staates, der Mitarbeiter und Umweltverbände. Dies liegt scheinbar wieder stärker im Trend. Der Shareholder-Value-Ansatz hat abrupt und krass an Ansehen verloren.461 Hoffen wir es. Mitte des 18. Jahrhunderts hegte Adam Smith noch die Hoffnung, dass soziale Gefühle die Gier in Zaum halten werden. Bedauerlicherweise ist das Verschwinden des sozialen Verantwortungsgefühls der Stolperstein des aktuellen Kapitalismus. Ein Stolperstein, der beseitigt werden muss. Mit Managern, die genug haben von Gier. Mit Managern, die auf Nachhaltigkeit setzen. Mit Managern, die Zukunft gestalten. Welche Quellen hat die Gier als individuelles oder gesellschaftliches Phänomen  ? Gier und Habsucht treten systemunabhängig auf und wirken genug ist genug

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immer wieder zerstörerisch und auch selbstzerstörerisch. Sie sind klare Indikatoren für Maßlosigkeit.462 Die unersättliche Gier treibt die Menschen zu einem hektischen Streben nach Profit und Ansammlung persönlichen Besitzes jenseits irgendwelcher Grenzen.463 Der Gier lässt sich, für mich, mit Anselm Grüns Worten der Wind aus den Segeln nehmen. Nach ihm geht es um die Freiheit von der Frage, was es mir bringt. Was wir wirklich brauchen, sind nicht höhere Gebäude, sondern höhere Ideale.

Genug Mittelmaß Mittelmaß ist in diesem Zusammenhang nicht mit dem gesunden Mittelstand einer Gesellschaft gleichzusetzen. Der Mittelmaßbegriff steht vielmehr für Unternehmen, die im Mittelmaß versinken. Sie bieten überwiegend das, was andere auch bieten. Doch auf den dicht besetzten Märkten von heute genügt das auf keinen Fall. Verdammtes Mittelmaß  ! Dort, wo alle sind, ist nichts zu holen.464 Durchschnittliche Erzeugnisse zu Durchschnittspreisen führen im Wettbewerb mehr und mehr ins Abseits. So, wie der gesellschaftliche Mittelstand wegbröckelt, so verliert auch der Markt in der Mitte an Attraktivität. Dieses Marktsegment bezeichne ich als die tote Mitte. Nicht im mittleren Preis- oder Qualitätssegment zu produzieren bedeutet für ein Unternehmen, sich markant darüber oder darunter zu positionieren. Mittelmaß in der Wirtschaft dürfen wir hier keineswegs verwechseln mit mittelständischem Unternehmertum. Der Mittelstand gerät zwischen den großen globalen Unternehmen und Nischenanbietern unter Druck.465 Dabei sind gerade die mittelständischen Unternehmen das Rückgrat unserer Wirtschaft. Rund 60 Prozent der Beschäftigten finden in ihnen Anstellung. Wenden wir uns in der Mittelmaßbetrachtung den Menschen zu, so ergibt sich folgendes Bild. Das Mittelmaß müssen viele für ihr Leben neu schätzen lernen. Mittelmaß heißt dann nicht zwangsläufig Stillstand. Auch das Mittelmaß bedarf einer gewissen Motivation und Anstrengung, 166

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aber eben auf einem anderen als dem obersten oder untersten Niveau. Es heißt aber sehr wohl, die Beschränktheit menschlicher Möglichkeiten anzuerkennen. Das Mittelmaß ist somit das menschengerechteste Maß. Das Mittelmaß an sich kann glücklich machen. Überforderung und Unterforderung sind besondere Motivationskiller im Leben.466

Genug gelogen Der moderne Konsument kann sich mit der Formel identifizieren  : Ich bin, was ich habe und was ich konsumiere.467 Viele sind jedoch über diese Identifikation hinausgegangen und mehr und mehr infiziert von anderen Handlungsmustern. Konsumrausch in Vollendung ist dann erreicht, wenn die Menschen mit dem Geld, das sie nicht haben, Dinge kaufen, die sie nicht brauchen. Würden nur jene Fahrzeuge auf der Straße fahren, die bezahlt sind, gäbe es keinen morgendlichen Stau. Dürften reine Konsumgüter nicht fremdfinanziert werden, gäbe es weniger Neid auf letztlich nichts. Aus Angst, mit wenigem auskommen zu müssen, lassen sich Menschen zu Taten hinreißen, die ihre Angst erst recht vermehren.468 Sie kaufen tatsächlich Dinge, die sie keinesfalls brauchen, um Leute zu beeindrucken, die sie nicht mögen. Noch dazu mit Geld, das sie nicht haben. Einleuchtend, oder  ? Warum machen sich so viele so vieles vor  ? Ein tolles Haus wird errichtet, ein Unternehmen aufgebaut, die Kinder erzogen, so manche Urlaubsreise genossen, das Auto wird alle zwei Jahre gegen das neueste Modell eingetauscht, die Bekleidung ist neu und modern, . . . – alles geht. Die nächtlichen Sorgen werden die Nachbarn und Arbeitskollegen nicht sehen. Zumindest nicht sofort. Warum sagen zwei Drittel der Neuwagenbesitzer zu ihrem geleasten oder kreditfinanzierten Fahrzeug, das ist »mein« Wagen  ? Entfliehen sie dadurch in eine Parallelwelt unerhörter Realitätsverweigerung, oder ist es ein Schutzmechanismus, sich selbst die wahre Finanzlage zu verschweigen  ? Profan ausgedrückt beginnt die Tragik, wenn am Ende des Geldes noch zu viel Monat übrig ist. genug ist genug

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Genug Schulden Bei vielen Schuldnern reicht das eine Leben nicht mehr zum Zurückzahlen der angehäuften Verpflichtungen, bei manchen würden nicht einmal drei Leben etwas daran ändern. Das Anheizen des Konsums auf Schulden zeigt deutliche kulturelle Degenerationserscheinungen. Menschen, die sich Dinge anschaffen, die sie gar nicht mehr anziehen und benutzen, und Unternehmen, die Dinge verkaufen, die keiner braucht, stacheln sich gegenseitig zu einem Kreislauf an, der mit den ursprünglichen Vorstellungen von gesundem Wirtschaften nichts mehr zu tun hat.469 Heute kaufen und morgen bezahlen, oder übermorgen, scheint normal zu sein. Wieso geben Geldinstitute Menschen und Unternehmen am finanziellen Limit mit der nächsten Schuldenoption den kalkulierten wirtschaftlichen Todesstoß  ? Wann verstehen Kreditnehmer und Kreditgeber, dass es, am monatlichen Zahlungslimit angekommen, keinen weiteren »günstigen« Kredit mehr geben kann  ? Private und unternehmerische Insolvenzen dürfen keinesfalls übliche Methoden zum Schuldentilgen sein. Sie sind für absolute Extremsituationen gedacht. Es kommt aber vor, dass Entschuldungsverfahren gezielt zum eigenen Vorteil eingesetzt werden. Den finanziellen Schaden tragen dann die Gläubiger oder die Gesellschaft. Viele wissen wohl, dass es besser ist zu sparen als das auszugeben, was man nicht hat. Weit verbreitet dürfte diese Ansicht aber nicht sein. Das ist mehr als fatal. Dabei müsste und muss ein Schritt zurück erfolgen. Ein Schritt, der, zuerst Geld anzusparen und es dann erst auszugeben, wieder salonfähig macht. Alles andere ist präpotent und infam, zugleich gewissenlos den eigenen Nachfahren gegenüber. Es sind keine finanzmathematischen Rechenoperationen nötig, um die alltäglichen Gesetze des harten Geldverdienens und lockeren Geldausgebens zu begreifen. Eine Statistik aus dem Allensbacher Archiv belegt, dass trotz kontinuierlich gestiegenen Lebensstandards Zufriedenheit und glücklich sein keineswegs zugenommen haben. Infolge der rapiden Beschleunigung der Lebensprozesse sind immer mehr Menschen ausgepo168

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wert und unzufrieden.470 Trotz neuem Haus, Auto und Telefonkommunikationswunder am Ohr. Arthur Schopenhauer meinte dazu schon wesentlich früher  : Wie vieles gibt es noch, was ich nicht nötig habe  ?471 Das von allen Industrieländern angestrebte Wachstum, insbesondere jenes auf Schulden, führt also nicht zu glücklicheren Menschen. Ganz im Gegenteil zahlen Menschen für das Wachstum den hohen Preis von weniger Glück.472 Es ist eben ein beträchtlicher Unterschied, ob man in Zentren des Wohlstandes lebt oder in Zonen des Wohlbefindens.

Genug Spezialisierung und Zentrenbildung Wenn namhafte Mediziner* die Errichtung von medizinischen Zentren als vergebens abtun, wenn die schwedische Außenministerin Anna Lindh als Opfer eines Messerattentats laut Aussagen von Ärzten** auch ein Opfer der Zentrenbildung im Gesundheitswesen wurde, dann sollte ein Nachdenken einsetzen. Die Politikerin wurde in das Vorzeigehospital Schwedens, das Karolinska-Institut bei Stockholm, eingeliefert. Diese medizinische Universität ist das Nobelpreis-Institut und gilt als eine der besten medizinischen Forschungseinrichtungen der Welt. Ungeachtet dessen rannen 90 Blutkonserven durch Anna Lindhs Körper. Bis zu ihrem Exodus. Der richtige »Spezialist« kam nicht rechtzeitig, und der diensthabende Arzt, ein »Spezialist« für ein anderes Fachgebiet, war völlig überfordert, er bekommt nur alle zehn Jahre so einen Fall zu sehen. Undenkbar, ein weniger spezialisierter und umfassender ausgebildeter Mediziner in einem gewöhnlichen Krankenhaus hätte Frau Lindh retten können. Zentren sind groß und unpersönlich. Wer braucht sie  ? Da der Mensch klein ist, müssen auch seine Institutionen – Familie, Betrieb, Gastwirtschaft, Krankenhaus, Dorf, Stadt – relativ klein bleiben, wenn sie ihn nicht zerquetschen wollen.473

*

Eröffnungsrede von Prof. Dr. Matthias Birth, 187. Tagung der Nordwestdeutschen Chirurgen, Stralsund, 3. 6. 2011.

** Referat von Prof. Dr. Hans-Peter Bruch, 187. Tagung der Nordwestdeutschen Chirurgen, Stralsund, 3. 6. 2011

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Wir brauchen keine engstirnigen und überspezialisierten Experten, sondern verantwortungsbewusste und kenntnisreiche Menschen, die das wenige, was wir bisher wissen, wirklich verstehen.474 Entscheidend ist es, eine breite Ausbildung zu haben und dann an bestimmten Stellen in die Tiefe gehen zu können. Ein Experte ist jemand, der so viel von einer bestimmten Sache weiß, bis er irgendwann von nichts alles weiß. Das klingt verstörend genug. Da kann es als Reaktion reizvoll sein, sich manchmal dem Nichtwissen vertrauensvoll hinzugeben. Wie wir alle wissen, ist jeder ein besserer Coach oder Mentor und sicher ein glücklicheres Individuum, wenn er ein bisschen was von verschiedenen »Künsten« wie Kochen, Bauen, Autoreparatur, Tischlern, . . . versteht, anstatt als hochspezialisierter, genialer Fachidiot im Sumpf des Nichtwissens hilflos stecken zu bleiben.475 Unser Überleben ist heute, in einer Ära der Spezia­ lisierung, stärker denn je gefährdet. Die von uns betriebene kurzsichtige Planung und Ausrichtung wird künftigen Generationen ein schweres Erbe hinterlassen.476 Die Frage, ob eine übermäßige Spezialisierung und Zentrenbildung, die überlastete Menschen hervorrufen, Sinn macht, stellt sich wohl nur rhetorisch.

Genug Überlastung Die Arbeitslast nimmt mit Tempo und Sparmaßnahmen zu. Das gesteigerte Arbeitstempo mindert die Qualität, zerstört Freundschaften, bedeutet Innovationshemmung und führt oft zu Burn-out. Sparmaßnahmen halten die Mitarbeiter dazu an, die menschlichen Limits auszureizen. Die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust setzt eine Abwärtsspirale in Gang.477 Wenn die Unternehmensleitung zusätzliche Verantwortung auf den Rücken eines ausgelasteten Mitarbeiters abladen kann und dieser sich freudig bereit erklärt, lässt sich nicht genau feststellen, auf welcher Seite der Fehler im System ist. Erkennen die Vorgesetzten die Situation nicht oder schätzt der Mitarbeiter das Ganze auch noch als Anerkennung ein  ? 170

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An so mancher Bürotür und so mancher Werkshalle müsste in leuchten­ den Lettern stehen  : Wenn alle erschöpft sind, macht es keinen Sinn, weiterzumachen.478 Diese Erkenntnis ist nicht der Gipfel des Fortschritts. Aber was uns bei einem überhitzten Motor einleuchtet, was ein erschöpfter Sportler für sich beanspruchen darf, das sollten wir in unserem Arbeitsalltag für unsere Zukunft berücksichtigen.

Genug rückwärtsgerichtete Energieformen Wir verbrauchen auf der Erde in einem Jahrhundert die Energie, die in Millionen Jahren gespeichert worden ist. Wir verbrauchen sie jetzt. Für immer.479 Die einzige Einnahmequelle der Erde ist die Sonne. Wasser- und Windenergie sind Nebenprodukte der Sonnenenergie. Fossile Brennstoffe und Atomenergie sind von vorgestern. Wir kommunizieren ja auch per EMail und nicht per Morseapparat. Die technologisch fortschrittlichen Gesellschaften müssen und können ihren Energieverbrauch verringern und alternative Energieformen vorantreiben, gerade weil sich unter ihren Bürgern eine größere Sensibilität für die Umwelt verbreitet. Alternative Energieformen bedürfen auch wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, die eine optimale Entwicklung fördern. Die ökologischen Elemente der ökosozialen Marktwirtschaft lassen uns dahingehend hoffen und sich wie folgt skizzieren  : • Ehrfurcht und Achtsamkeit vor den Menschen • Achtsamkeit vor materiellen Gütern • Achtsamkeit vor der Natur480 Die kostenlose Ausnutzung der Umwelt führt dazu, dass wir den Planeten Erde dauerhaft gefährden und uns selbst damit schaden und zudem nachfolgende Generationen belasten. Wir haben definitiv keine Verbindung zu den Menschen, die in den übrigen vier Fünfteln der Erde um ihre Existenz kämpfen. Wir Glücklichen haben ja geradezu eine Wahnsinnszeit, weil wir uns auf ihrem Rücken genug ist genug

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ausruhen und von ihren Rohstoffen leben.481 Unser Verhalten stellen wir nicht oder zumindest nicht wiederholt infrage. Anstatt dankbar für unsere Situation zu sein, streben wir schlecht gelaunt nach mehr, immer mehr. Deutlicher werdend schwebt die Überlebensfrage der Menschheit über uns. Wie schaffen wir es, Wohlstand auf ökologisch erträglicher Grundlage zu realisieren  ? Wenn wir nicht lernen, freiwillig zu verzichten, werden wir zum Verzicht gezwungen werden. In der Energieproblematik sind vehemente Sparmaßnahmen sinnvoll, aber das ist nicht überall so.

Genug Sparmaßnahmen Kein vernünftiger Mensch wird sich gegen sinn- und maßvolle Einsparungen, die allen dienen, stellen. Denn genauso, wie Private sparen müssen oder besser sollen, um auf lange Sicht Dinge finanzieren zu können, müssen auch Unternehmen und Staaten an sich sparen. Die Frage ist nur, bringen Sparmaßnahmen ein System automatisch weiter  ? Wenn uns das englische Bahnsystem durch Einsparungen und Privatisierungen in Europa einen schlimmen Misserfolg vormacht, wenn das Schienennetz verkommt und die Unfallzahlen emporschnellen, dann kann diese Vorgehensweise nicht unser Vorbild sein. Wenn im Norden Deutschlands Stadtwerke ihre Leitungsschächte und Verteilerkästen in den Städten aus Kostengründen nicht regelmäßig warten und reinigen und dort keine Rattenköder mehr auslegen, dann häufen sich Schäden. Sie summieren sich zu Beträgen auf, die eine Kommune und somit alle Bürger zusätzlich belasten. Es kommt zu exorbitanten Folgeschäden, Strom- und damit Produktionsausfällen. Wenn Sparmaßnahmen in letzter Konsequenz zu mehr Ausgaben oder weniger Sicherheit führen, sind diese von vornherein abzulehnen. Eines steht ohnehin fest  : In dem Maße, in dem unser Staat bankrottgeht, müssen die Bürger ihre Verantwortung für die gesellschaftlichen Belange zunehmend selbst übernehmen.482 Die Bürger müssen dann auch die kaputtgesparte Infrastruktur stärker subventionieren. Die Vermutung 172

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liegt nahe, dass die gestiegenen Verbraucherpreise mit den überzogenen Sparmaßnahmen und deren Folgeschäden zu tun haben. Es ist unbestritten äußerst sinnvoll zu sparen. Aber wenn das Sparen auf Kosten der Menschen geht, wie aktuell in vielen Unternehmen, im Spitalswesen oder im Bildungsbereich, dann ist es verantwortungslos. Die Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren basierte auf dem sogenannten Sparparadoxon. Das hatte man in den 1970er-Jahren auch allgemein begriffen – doch nach 30 Jahren neoliberaler Marktreligiosität haben die ökonomischen Geistesgrößen diese Erkenntnis wieder vergessen.483 Ein Sparparadoxon löst wegen des dadurch einsetzenden Nachfrageausfalls negative Prozesse aus. Eine vermehrte Sparanstrengung macht sich dadurch volkswirtschaftlich selbst zunichte. Reflexartige Rufe nach Sparmaßnahmen sind nicht automatisch intelligent. Noch weniger intelligent sind über Sparmaßnahmen hinausreichende Kürzungen.

Genug Kahlschläge Als nach dem Wachstumswahn die Ernüchterung einsetzte, verfiel die Wirtschaft, um ihre ehrgeizigen Ziele nicht aufgeben zu müssen, einem wahren Rationalisierungswahn. Ob in guten oder schlechten Zeiten, die Kahlschlagstrategie steht im Leitfaden für Manager offensichtlich ganz vorne. 2004 verzeichnete Henkel ein Rekordjahr und strich 3.000 Arbeitsplätze. Eine Ausnahmeerscheinung  ? Mitnichten  ! Beim Reifenhersteller Continental retteten auch Rekordgewinne vier Jahre in Folge nicht alle Jobs. 2005 verkündete die Deutsche Bank stolz 4,1 Milliarden € Gewinn und im gleichen Atemzug den Abbau von 6.400 Stellen. Bei der Deutschen Telekom, Daimler Chrysler oder MAN war es nicht anders. Überall stiegen die Gewinne, und Personal musste gehen. Im Januar 2010 kündigte Siemens trotz Milliardengewinn den Wegfall von 2.000 Arbeitsplätzen an.484 Wenn ein Börsenindex positiv schließt, wird das immer begrüßt, ohne zu fragen, was dahintersteht. Man hat Zusammenhänge nicht aufgezeigt, zum Beispiel, genug ist genug

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dass hohe Umsatzzahlen mit Kündigungen einhergehen können.485 Viele mussten schmerzhaft lernen, dass sich üppige Renditen und Entlassungen nicht ausschließen.486 Hier fehlt jede Art von Ausgewogenheit zwischen der Raffgier der Führungskräfte und Investoren einerseits und der Verarmung der Mitarbeiter andererseits. Gewinnstreben ist durchaus nicht obszön. Doch wie werden Gewinne erzielt und wie werden sie verteilt  ? Führungsmodelle, die davon ausgehen, dass nur die Verschlankung der Unternehmen zu verbesserten Gewinnmöglichkeiten und zu höheren Aktienkursen führen, sind von Fantasielosigkeit und Seelenlosigkeit gekennzeichnet.487 Die Extremposition Kahlschlag dient, wie die Verschwendung, weder den Menschen noch den Unternehmen.

Genug Verschwendungssucht Überfluss herrscht, wo es von einer Sache weit mehr als nötig gibt, wo wir uns in einem quantitativen Luxus bewegen, wo wir kaum noch wissen, wie wir eine Sache sinnvoll verwenden. Überfluss hängt mit Überschuss und Übermaß zusammen, mit Verschwendung und Vergeudung, mit Überfülle und Übersättigung.488 Kulturgeschichtlich betrachtet hat die »Liebe zu den Dingen« in den industrialisierten Ländern heute einen Höhepunkt erreicht, den es so noch nie zuvor gab. Unsere Wirtschaft lebt in einem nie gekannten kurzatmigen Takt davon, Neues zu erfinden und Altes zu vergessen.489 Doch die Pfeiler der modernen Wirtschaft beginnen zu modern. Werbung, geplante Obsoleszenz und Kredit stützen unsere Verschwendungssucht – noch. Die Obsoleszenz als wünschenswerter Produktverfall baut auf möglichst vergängliche Produkte. Egal, ob technische oder psychologische Vergänglichkeit, Obsoleszenz ermuntert zur Maßlosigkeit. Sie fördert eine Vergeudungsökonomie zum Schaden der Kunden und der Umwelt. Ein Fragespiel zum Gedankenanregen  : Wie viele Telefone haben unsere Großeltern besessen  ? Und unsere Eltern  ? Und wir selbst bis heute  ? Und unsere Kinder  ? 174

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Verschwendungssucht durch mangelndes Selbstwertgefühl oder durch inneres Chaos ist bereits ein alltägliches Problem vieler Menschen, aber deswegen noch lange nicht hinzunehmen oder gutzuheißen. Müssen wir es allen zeigen und erzählen, wie viel uns in unserer Großspurigkeit zur Verfügung steht  ?490 Nein, das müssen wir nicht. Wir haben vielmehr die Verpflichtung, uns innerhalb der eigenen finanziellen Grenzen zu bewegen und diese freiwillig auch enger zu ziehen.

Genug geredet Folgendes Kuriosum betrachte ich mit einer gewissen Sympathie. Wenn Theaterleute zusammenkommen, reden sie über Geld. Wenn Bankiers sich treffen, reden sie über Kunst. Die einen verstehen üblicherweise nichts vom Geld und reden, die anderen nichts von der Kunst und reden. Bei manchen Institutionen und in gewissen Branchen dauert die Begrüßung immer länger als die eigentliche Veranstaltung. Ausufernde Reden, Grußworte und Selbstbeweihräucherungen interessieren genau genommen niemanden. Reden über das Maß hinaus nimmt dem Publikum die Spannung und dem Sprecher jedwede Möglichkeit einer exzellenten Darbietung. Einen Satz, den ich wie gemünzt auf die Situation so mancher Redner empfinde, lautet. Anbetend breche ich vor mir zusammen.* Und zugleich bricht das Publikum zusammen oder verfällt in den Stühlen. Tragisch ist es immer dann, wenn die Zuhörer empfinden, mit diesen Ausführungen, dieser Vortragsweise und dieser Selbstgefälligkeit ist der Redner noch eine Nuance unter sein eigenes Niveau gegangen. Und das will schon etwas heißen. Wer noch nicht gut reden kann, soll es einfach anderen überlassen oder faszinierend vortragen lernen. Dazu gehört oftmals mehr, als Rhetorikbücher am Nachtkästchen oder am Schreibtisch zu stapeln. Albert Schweitzers Worte mahnen zur Vorsicht  : Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er in die *

Aus der Feder von Robert Gernhardt.

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Kirche geht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in einer Garage schläft. Reden nur um des Redens willen allein, ist in grenzwertigen Situationen eine Unart. Weil die Wahrheit dessen, was man redet, das ist, was man tut, kann man das Reden ja gleich sein lassen. Somit gibt es keine Endlosdiskussionen, und das Wort hat in jeder Situation Gewicht. Anders gelagert ist die Situation, wenn es darum geht, zu reden statt zu schweigen, wenn Unrecht geschieht.491 In einer faszinierenden Rede andere zu begeistern, das können wir erreichen, indem wir uns das Wissen darüber aneignen.

Genug Geld gegen Wissen Die Erfahrung lehrt, dass all das, was nicht gemessen werden kann, im unternehmerischen Alltag wenig Beachtung findet.492 Ein sehr kurzfristiger und eingeschränkter Horizont tut sich auf, wenn alle nicht in Geld darstellbaren Werte unbeachtet bleiben und wir uns an rein quantitativen Größen orientieren. Manche Menschen, die zu viel Geld gekommen sind, verwechseln zu gerne Geldbesitz mit Wissensbesitz. Die dicke Brieftasche kann morgen Geschichte sein, vielleicht heute Nacht schon. Eine hochwertige Schul- und Menschenbildung überdauert wirtschaftliche Berg- und Tal-Fahrten Einzelner oder ganzer Wirtschaftsstrukturen. Die Fähigkeit, Wissen und Know-how zu erwerben und anzuwenden, ist die neue Quelle von Reichtum.493 Wissen wird wichtiger sein als Geld und Information wichtiger als Macht. Regieren und Führen wird nie mehr so sein wie bisher.494 Wissen als Wettbewerbsfaktor hat schlagartig den Sprung in die Schlagzeilen geschafft. Tatsache ist, dass zahlreiche wissensintensive Unternehmen in den vergangenen Jahren spektakuläre Erfolge erzielt haben. Die schiere Größe von Produktionsstätten und Verwaltungsgebäuden taugt augenscheinlich immer weniger als alleiniger Maßstab für wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Bedeutung eines Unternehmens.495 176

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Wissen ist keine »Tiefkühlkost«, die nach Belieben gelagert, zerteilt und transportiert werden kann.496 Wissen und damit »Vom Wissen zum Können« zu gelangen, ist eine der größten Formen individueller Freiheit für eine angstfreie Zukunft.

Genug gefürchtet Sich zu Tode fürchten ist auch eine Art zu sterben.497 Epikur kleidete seine Philosophie in radikale und zeitlose Worte. Solange wir da sind, ist der Tod nicht da, wenn aber der Tod da ist, dann sind wir nicht mehr da.498 Wie oft ist die Welt schon untergegangen  ? Auch unsere persönliche Lebenswelt  ? Und wie oft war sie am nächsten Morgen doch wieder da  ? Wir fürchten uns vor absurden Vorkommnissen, die dann letztlich gar nicht passieren. 99 Prozent aller Dinge, über die ich mir Sorgen machte oder vor denen ich Angst hatte, passierten nie. Das größte Problem, beinahe das einzige, mit dem Sie und ich uns herumschlagen müssen, ist die Wahl der richtigen Gedanken. Wir können nicht immer alles lösen. Das ist auch gut so. Das befreit. Ich bin nicht Gott, betitelte der Rennradfahrer Frank Vandenbroucke seine Biografie. Damit befreite er sich. Befreien wir uns vor dem täglichen Druck, der Einstellung, dass uns etwas verhasst ist. Jede Form von Liebe ist ohnehin viel besser als der Hass.

Genug Gefühle  ? Captain Robert Falcon Scott wurde im ewigen Eis ein Opfer der tradierten Strukturen der britischen Kriegsmarine, die ihren Angehörigen den bedingungslosen Befehlsgehorsam einbläute. Aus Erfahrungen und Fehlern zu lernen vermittelte ihm die Kadettenanstalt von Darthmouth nicht, nur das falsche Selbstverständnis, dass ein Untertan Ihrer britischen Majestät überall in der Welt zurechtkommt, da ja Erfahrung und althergebrachtes Wissen auch für die Zukunft ausreichen. Doch Scotts Persönlichkeit und genug ist genug

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seine starre Ausbildung ergaben eine mehr als tödliche Mischung für sein Unternehmen.499 Scott und seine Männer verloren dadurch das Rennen zum Südpol und ihr Leben.500 Fraglich erscheint in diesem Kontext die Rolle von Scotts Ehefrau Kathleen. Vor seinem Aufbruch hatte sie ihn gebeten, sich nicht um ihres Willen oder ihres gemeinsamen Sohnes Peters Willen zurückzuhalten. Das Ziel war in Kathleens Augen so bedeutend, dass ihm keine persönlichen Gefühle im Weg stehen durften (sic  !). Dies war eine Anspielung auf Shackletons Entschluss, aus Sorge um seine Familie und seine Männer kurz vor dem Pol umzukehren.501 Die Reise zum Südpol hatte aus Kathleens Sicht eine übersteigerte Romantik eines mystischen Grenzgangs. Der Pol war auch ihr Gral. Ihr Mann war ihr Held, der allen Widrigkeiten trotzte, um diesen Gral zu suchen und letztendlich dabei sein Grab zu finden. Genug ist genug kam im Denken Scotts nicht vor. Das hat ihn unbestritten weltberühmt gemacht, aber auch genauso unzweifelhaft tot. Die zweifelhafte Anspielung von Kathleen Scott veranlasst mich, an dieser Stelle zwei Menschen zu zitieren. Auf die Frage, was er als die größte Leistung seines Lebens betrachte, antwortete Reinhold Messner  : »Überlebt zu haben.«502 Der Augenblick des Überlebens, schrieb Elias Canetti, ist der Augenblick der Macht.503 Im wirtschaftlichen Alltag geht es heute eher selten um zu viele Gefühle. Mitgefühl auf einem niedrigen Niveau scheint manchen Akteuren zu genügen.

Genug Grenzgänge ? Nein. Geniale Grenzgänger haben die Menschheit weitergebracht und bringen sie nach wie vor weiter. Egal ob in der Technik, Literatur, Medizin oder in vielen anderen Gebieten, die sich nur am Limit entfalten konnten. Sei es bei der 40 Jahre andauernden Entwicklung der ersten ganggenauen Uhr im 18. Jahrhundert oder dem Geistesblitz zur Programmierung der Google-Suchmaschine in einer Garage. Die Leistung des Uhrengenies Harrison wurde finanziell nie ausreichend honoriert, die Internetfreaks Page 178

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und Brin googeln sich unendlich reich. Der finanzielle Ertrag hat bei der Bewertung von Grenzgängen sowieso nichts verloren. Genug Grenzgänge  ? Ja. Grenzgänge als bloßes Spektakel immer verrückterer und gefährlicherer Sportarten, bei denen der Unfall am Limit mit hohen Geldbeträgen kalkulierbar scheint, sind genauso zu hinterfragen wie wirtschaftliche Grenzgänge, bei denen wenige Gewinner zulasten vieler Verlierer das System ins Wanken bringen.

Wirklich genug Hubert Neuper, ehemaliger Skisprungweltcupsieger, zweimaliger Gewinner der Vierschanzentournee, später Privat- und Linienpilot sowie höchst­ erfolgreicher Vortragender und Organisator internationaler Topevents wie der Skiflug-WM und der World Sports Awards, beschreibt in seinem Buch Flatline die Annäherung an ein Zuviel  : Ich musste feststellen, dass mein Gefühlsleben der Flatline gefährlich nahe gekommen war. Das tat weh. So einfach war das. Und so schwer. Denn diesem Zustand, der sich unbemerkt, fast schleichend eingenistet hatte, war ich lange genug ausgesetzt, und ich fürchtete mich davor, in Zukunft damit leben zu müssen.504 Seine Erkenntnis, dass es endlich einmal wirklich genug ist, wird als schmerzhaft, schwierig und angsteinflößend geschildert. Wer könnte dies Menschen an so einem Punkt verdenken  ? Aus negativen Erlebnissen hat Hubert Neuper seine persönlichen Lehren gezogen. Er engagiert sich nur noch für Dinge, von denen er voll überzeugt ist, und versucht, alles dafür zu tun, um glücklich zu sein. Für ihn findet das Leben jetzt statt. Wenn man seiner Intuition folgt, wird man in zehn oder 15 Jahren genau das tun, was man machen will. Unser innerer Kritiker soll uns sein heilsames »Nein« zurufen. Ich votiere für folgende Aussage  : Auch, wenn es ohne Geld nicht geht – das persönliche Lebensglück gilt es auf anderen Wegen zu suchen.505 In seiner vielbeachteten Studie Wendezeit hat Fritjof Capra schon vor 30 Jahren vorausgesehen und festgestellt  : Vielleicht mussten wir bis heute genug ist genug

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warten – bis zu unserer Zeit nachindustriellen Überflusses, des Massenkonsums, von den steigenden sozialen und Umweltkosten, ganz zu schweigen von der sich stetig verkleinernden Rohstoffbasis –, damit eine ökologisch-harmonische Gesellschaftsordnung Wirklichkeit werden kann.506 Die positive Umkehr der »vermessenen Welt« steckt noch in den Kinderschuhen, wird aber diesen entwachsen und, so bleibt zu hoffen, uns künftig prägen. Der Erfolg dieser Trendwende wird von uns allen und verantwortungsvollen Unternehmenslenkern zugleich abhängig sein. Für die Philosophie des Genughabens in unserer vermessenen Welt ist es sinnvoll, vernünftige Grenzen einzuhalten. Genug arbeiten, aber auch Zeit und Raum für Zufriedenheit übrig haben. In einem gewissen Maß von der Arbeit gefordert, aber auch im Leben erfüllt zu sein. Lieben Sie die Arbeit, die Sie machen  ? Lieben Sie den Menschen, mit dem Sie leben  ? Lieben Sie den Ort, an dem Sie wohnen  ?

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7. l e b e n s - u n d a r b e i t s b a l a n c e Wir haben genug, wovon wir leben können, aber zu wenig, wofür. Viktor Frankl

Seien Sie gut und gütig zu sich, denn die wirtschaftliche Landschaft wird einer weitreichenden Wandlung unterworfen – und mit ihr die Landschaft der Möglichkeiten für jeden Einzelnen von uns. Die wirtschaftswissenschaftliche Literatur, aber auch unser täglicher Sprachgebrauch, enthält eine Vielzahl von Anglizismen, bei denen es uns vielfach schwerfällt, passende deutschsprachige Synonyme zu finden. WorkLife-Balance ist hierzu ein allzu typisches Beispiel.507 Grundsätzlich halte ich mich deshalb an die gewählte Kapitelbezeichnung, in den Zitaten bleibe ich überwiegend bei den dort gewählten Versionen der Schreibweise. Unter Lebens- und Arbeitsbalance verstehen wir klassisch die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben eines Menschen. Zahlreiche Werke bieten Ratschläge, wie diese Ausgewogenheit zu erreichen sei. Grundlegendes Paradigma ist dabei die Annahme, einer Art inneren Waage, mit der Beruf und Freizeit in Balance zu bringen sind. Sind Berufs- und Privatleben zwei strikt voneinander getrennte Lebensbereiche  ? Um glücklich zu sein, bedarf es mehr, als den Spagat zwischen Karriere und Privatleben zu schaffen. Nachhaltiger ist es, seine Bedürfnisse in allen Facetten des Lebens zu bedenken und somit eine ganzheitliche Lebensbalance zu erreichen.508 Genauso, wie ein Unternehmen in Summe seines ökonomischen Handelns am Ende des Tages beziehungsweise am Tag der Bilanzlegung angenug ist genug

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nähernd in Balance sein muss, sollte dieses Verständnis auch für die Menschen im Unternehmen gelten. Balance ist meiner Überzeugung nach dabei nicht als statisches Gleichgewicht, sondern als verhältnismäßige Ausgewogenheit zu sehen. Der Balance wohnt immer Dynamik inne. Es geht nicht darum, ständig in Balance zu leben. Dies ist nahezu unmöglich und würde zu sehr den eigenen situativen Hochs und Tiefs und deren sofortiger Bewältigung Platz einräumen. Es geht darum, Ausgewogenheit über einen längeren Zeitraum anzustreben und herzustellen. Das Ziel ist nicht, primär mehr aus sich herauszuholen, das Ziel ist vielmehr, Leben und Arbeiten effektiv und ausgeglichen zu gestalten. Bedenken wir, speziell in Krisensituationen kann nur der angemessen und zielführend oder gar rettend reagieren, der sich zu hundert Prozent mit seinem Tun identifiziert.509 Um diese Leistung an der Grenze zu vollbringen, muss es auch Zeiten ohne Bedrängnis geben. Wir hören die Klagen, dass unser aktuelles Wirtschaftssystem schon längst nicht mehr dem Menschen dient. Die Wirtschaft, so empfinden es viele, gleicht heute einem nicht ausbalancierten Individuum, das gierig immer mehr haben möchte. Immer mehr Erfolg, immer mehr Umsatz, immer mehr . . . Ökonomisch auf den Punkt gebracht, können sich die Akteure dabei monoton wiederkehrend nur zwei Fragen stellen  : Wie geht es schneller  ? Und  : Wie geht es noch schneller  ? Die Verbindung zur Entwicklung des Menschen, zur Wertschätzung jedes Einzelnen geht dabei verloren. Viele Menschen bauen darauf, von der Wirtschaft gebraucht zu werden. Sie geben ihre Zeit, ihre Gesundheit und oftmals ihre Lebensfreude auf, um Teil eines Systems zu werden, das sie vernachlässigen wird, sobald es sie nicht mehr brauchen kann.

Ein Leben für den Beruf Den klassischen Feierabend und die dann mögliche Hinwendung zum Privaten gibt es für viele nahezu nicht mehr. Die ständige Erreichbarkeit sorgt dafür, innerlich unablässig auf dem Sprung zu sein. Die daraus resultierende Daueranspannung zwingt auf lange Sicht jeden in die Knie. 182

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Irgendwann wird es den Akteuren nicht mehr reichen, nur zu arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Früher oder später wird der Tag kommen, an dem sie auf ihr bisheriges Leben zurückblicken, Bilanz ziehen und darüber nachdenken, welchen Beitrag der Beruf zu ihrem Lebensglück geleistet hat.510 Immer mehr Menschen wollen und können nicht mehr nur für ihren Beruf leben. Ob Arbeitnehmer, Manager oder Unternehmer. Viele beklagen Gesundheitsprobleme, Burn-out-Anzeichen, Überforderungssymptome und Sinnkrisen bis hin zu zerrütteten Partnerschaftsbeziehungen. Leben ist schrecklich oft das, was den meisten passiert, während sie eifrig dabei sind, andere Pläne zu machen. Manche halten einen ausgefüllten Terminkalender für ein ausgefülltes Leben. Aus großer Distanz können Außenstehende beobachten, dass sich das Dasein der Menschen um die Arbeit dreht, die den größten Teil ihres Lebens in Anspruch nimmt und in Organisationen unterschiedlicher Größe verrichtet wird. Das Grundmuster der westlichen Denkweise bedrängt die Balance im Leben zusätzlich. Berufserfolg sei nun mal Lebenserfolg, Ohne Schweiß kein Preis, Mehr Geld – mehr Glück oder Das hole ich später nach verbauen uns den direkten Zugang zu mehr Ausgeglichenheit. Solche restriktiven Ansätze, welche die Arbeitsaufgabe zum Selbstzweck und Lebensinhalt degradieren, fallen letztendlich in ihren Handlungen auseinander. Sie dienen keinem. Weder dem Unternehmen noch den Menschen. Vor allem Männer definieren ihren Selbstwert oftmals allein über beruflichen Erfolg. Natürlich machen das auch Frauen. Der berufliche Erfolg vermag zu einer Zufriedenheit beitragen, doch die volle Lebenserfüllung bezieht Familie und Freunde, Gesundheit und Freizeit mit ein.511 Klugen Unternehmern wird nahegelegt, ihre Zeit, Energie und Innova­ tionskraft auf drei Bereiche zu verteilen: • das Tagesgeschäft managen • die Unternehmenszukunft gestalten • ein Privatleben führen  : Familie, Freunde, Gesundheit, Sport, . . .

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Mit dieser Empfehlung konfrontiert, äußert sich ein Jungunternehmer  : Also, was ich nicht loslassen will, ist mein Privatleben. Meine Familie, meine Freunde und meinen Sport.512 Er dürfte viel vom Wesentlichen erfasst haben. In unserer Gesellschaft besteht eine hohe Leistungsbereitschaft, diagnostiziert Stephan Letzel, der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsund Umweltmedizin. Wenn wir auf dem internationalen Markt bestehen wollen, müssen wir aber auch verstehen, dass dies nur mit einer ausgewogenen Work-Life-Balance möglich ist.513 Die Lebens- und Arbeitsbalance ist kein Schlagwort, sondern essenziell wichtig für unsere Gesundheit.

Ein Sterben für den Beruf Arbeit macht Spaß oder krank. Wenn Sie Ihren Job nicht lieben, können Sie es sich nicht leisten, ihn zu behalten. Wirtschaftswunderland Japan  ? Stress ist dort seit Langem ein weit verbreitetes Phänomen. Selbst die kaiserliche Familie ist nicht immun. Im Japanischen gibt es ein eigenes Wort für den Tod durch Überarbeitung  : »Karoshi«. Dieses Phänomen stellt ein gesellschaftliches Problem dar, das sich in Zeiten wirtschaftlicher Schieflagen zusehends verschärft. Wenn Entlassungen drohen, steigt der Druck auf die Arbeitnehmer. Eine gesetzlich vorgeschriebene 40-Stunden-Woche gilt für viele Japaner nur auf dem Papier. Ein Viertel arbeitet mehr als 50 Stunden wöchentlich, zehn Prozent sogar mehr als 60 Stunden. Am meisten leiden Männer an Überarbeitung, viele sind zwischen 30 und 40 Jahre alt und gerade dabei, die Karriereleiter zu erklimmen. Da bleibt für sie kein Raum mehr zum Atmen. Unzählige kämpfen mit extremen Arbeitsbedingungen. Tausende arbeiten sich zu Tode. Schätzungen zufolge erleiden jedes Jahr rund 10.000 Menschen wegen des Stresses auf dem Arbeitsplatz zum Teil tödliche Herzinfarkte oder Schlaganfälle. Nur jeder Zehnte dieser Fälle wird den Behörden und Firmen gemeldet. Viele Angehörige schrecken vor Anträgen auf Entschädigung für »Karoshi«-Opfer zurück, weil die Beweisführung sehr langwierig und die Chancen gering sind. Immerhin wächst der öffentliche Druck, diese Fälle extrem hoher Anstrengung anzuerkennen.514 184

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Hohe Belastungen, die weiter steigen Das moderne Wirtschaftsgeschehen fordert einen oft übermenschlichen persönlichen Einsatz. Es lässt kaum Spielräume, verbrauchte Kräfte zu regenerieren. Mehr als uns allen lieb sein darf, wird das Geschehen von Menschen bestimmt, die am Rande von Auszehrung Entscheidungen treffen. Es ist wohl nicht gänzlich abwegig, die derzeitige wirtschaftliche Anspannung als Ausdruck eines Handelns aus persönlicher Überforderung heraus anzusehen. Die individuellen Belastungen steigen deutlich. Der harte Verdrängungswettlauf, geringer werdende Absatzmärkte und die tendenzielle Aufholjagd nach Wirtschaftsdellen oder -krisen betreffen alle. Einerseits die Unternehmer im Positionierungskampf um Marktanteile und anderseits die Mitarbeiter in der Karriereperspektive oder im Einsatz um den Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes. Diese Tendenzen sind gekennzeichnet von  : • Verbleib immer weniger Langzeitangestellter • weitere Forcierung der sogenannten »Gründerszene« in Marktnischen • Anstieg der hochqualifizierten Mitarbeiter • optimale Nutzung der Mitarbeiterpotenziale • Anstieg von Zeitarbeit und befristeten Arbeitsverträgen • Arbeitslosigkeit durch Qualifizierungsdefizite und Zunahme von Randgesellschaften • Verstärkung der globalen Gegensätze von Haben-, Weniger-Haben- und Nicht-Haben-Staaten515 Die Liste der Tendenzen ist ebenso lang wie ungewiss. Sicherheit besteht nur darin, dass alle merken, wie die Belastungen unaufhörlich steigen. Wie können Sie persönlich mit hohen Belastungen am besten umgehen  ? Halten Sie aus eigenem Interesse Ihre persönliche Leistungsbilanz im Lot. Versuchen Sie persönliche Ziele und Ziele in Beruf und Familie zu kombinieren und daraus ein lebenswertes Gesamtpaket zu schnüren. Nur so können Sie sicher stellen, dass Sie keine der Faktoren Ihrer persönlichen Leistungsbilanz sträflich außer Acht lassen.516 lebens- und arbeitsbalance

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Die Qualität der persönlich erlebbaren Lebens- und Arbeitsbalance wird von Wechselwirkungen beeinflusst  : • Berufsleben und Anerkennung  : Jeder Mensch hat ein natürliches Bedürfnis nach Anerkennung. Im Berufsleben ist sie einer der wichtigsten Faktoren zur Motivation. • Berufsleben und Gesundheit  : Im negativen Sinne sind dies mögliche psychische Folgen dauernder Überlastung und physische Erkrankungen durch Voll- und Fehlbelastungen. • Berufsleben und Familie, Freunde, soziale Bindungen  : Wer von privaten Problemen erfasst wird, kann kaum Auswirkungen auf das Berufsleben verhindern. Umgekehrt kann das Privatleben durch Störungen aus dem Beruf aus der Balance geraten. • Berufsleben und Religion, Ideologie  : Solange unser kultureller und ideologischer Kontext nicht gestört wird, profitiert unser Berufsleben davon. Die Problematik der Wiedervereinigung Deutschlands zeigte  : Nichts, was vorher galt und funktionierte, blieb übrig. • Gesundheit und Anerkennung  : Ein bewusstes und gesundheitsorientiertes Leben wird in der Gesellschaft, privat und beruflich, als erstrebenswert angesehen. Eine konsequent praktizierte, gesunde Lebensweise sollte von allen Seiten honoriert werden. 517 Die entstehenden Belastungen innerhalb des Unternehmens optimal zu verteilen ist erfolgsrelevant. Mit einem Zuviel entmutigt der Führungsverantwortliche seine Mitarbeiter. Mit einem Zuwenig wird er ihnen nicht gerecht. Eine Überforderung der Mitarbeiter kann zu seelischen und physischen Problemen und Krankheiten führen. Auf der anderen Seite kann auch die Nichtauslastung, das Nichtfordern zu Unlustgefühlen und Unausgewogenheit führen.518 Wobei insgesamt betrachtet, der Fokus auf die Überforderung zu legen ist.

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Exkurs  : Gelebte Work-Life-Balance-Ernährung auf Kreta In den 1950er-Jahren hat ein amerikanisches Forscherteam eine Untersuchungsreihe begonnen. Über einen Zeitraum von fünfzehn Jahren quantifizierten Wissenschaftler die Sterblichkeitsrate von Krebs- und Herzgefäßerkrankungen in den USA, West-Deutschland, Finnland, Niederlande, Italien, damaliges Jugoslawien, Japan und Griechenland. Die Ergebnisse waren verblüffend und eindeutig  : • in den Mittelmeerländern traten signifikant weniger Arterienerkrankungen auf • auch für Krebsfälle konnte dies verifiziert werden • Kreta verfügte über die niedrigste Sterblichkeitsrate Diese, anfangs als »Kretaparadoxon« bezeichnete, Erkenntnis wurde zum Gegenstand von weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen, welche die Ernährung als Ergebnis brachten. Die Kreter aßen deutlich mehr Obst und Gemüse, viel weniger Fleisch (als wir) und Fisch (als die Japaner) und tranken viel weniger Alkohol (als vor allem Franzosen und Italiener). Kretische Ernährung ist nicht nur von ihrer Zusammenstellung her gesund, sondern phasenweise als spartanisch zu beschreiben, was noch einmal positiven Einfluss hat. Kardialen Studien zufolge können Herz-Risikopatienten bei Umstellung auf kretische Ernährung die Wahrscheinlichkeit eines Zweitinfarkts um 70 bis 76 Prozent reduzieren.519 Eine nicht näher verifizierte persönliche Beobachtung eines rasenmähenden Gärtners, einer Schalterbeamtin in der Behörde, eines Kapitäns beim Anlegen der Fähre und unzähliger Verkäufer in den Geschäften auf Kreta lässt erahnen, dass gesunde Ernährung und ein Arbeitstempo des rechten Maßes wirklich gesund sind. Es hat nichts Anrüchiges, eine gewisse Grenze nicht zu überschreiten, nicht zu viel arbeiten, zu streng zu sich selbst sein, zu genau, zu schnell. 520 Sich Muße zu gönnen ist letztlich leistungssteigernd. Wer nicht träumt, ist nicht kreativ. Arbeit als alleiniger Lebenssinn ist ein Alarmsignal. Oder um lebens- und arbeitsbalance

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es mit Voltaire auszudrücken  : Die Kunst des Ausruhens ist ein Teil der Kunst des Arbeitens.

Arbeit als Lebenssinn Was definiert einen Menschen  ? Welche ist die erste Frage, die man einem Menschen stellt, wenn man sich nach ihm erkundigen will  ? In manchen Gesellschaften fragt man ihn zunächst, ob er verheiratet ist und ob er Kinder hat. In unseren Gesellschaften fragt man ihn als Erstes nach seinem Beruf. Den westlichen Menschen definiert vor allem seine Stelle im Produktionsprozess und nicht die im Fortpflanzungsprozess.521 Viele Menschen definieren sich heute leider fast ausschließlich über ihre Arbeit, die sie noch dazu krank machen kann. Die anderen sollen doch erst einmal so viel und hart arbeiten wie sie selbst, geben Menschen dann von sich. Sie verstecken sich hinter ihrer Arbeit, um sich scheinbar unangreifbar zu machen. Es fällt ihnen schwer, mit Konflikten umzugehen, noch dazu stauen sich Aggressionen auf. Dies kann zu einem schlechten Betriebsklima und einer Unternehmenskultur führen, die weder produktiv noch menschlich ist. Die Lebens- und Arbeitsbalance bleibt somit auf der Strecke. Wenn sich jemand ganz für seine Firma aufopfert und selbst dabei zu kurz kommt, wird er innerlich hart werden und die Härte seine Mitarbeiter spüren lassen. Wenn sich ein Mensch ständig selbst überfordert oder überfordert wird, kann er der Gemeinschaft nicht wirklich helfen.522 Bei manchen Betroffenen finalisieren sich die Ausprägungen durch Überarbeitung in einer Mitgliedschaft bei den Anonymen Arbeitssüchtigen. Ja, richtig, in den USA gibt es die Vereinigung der Workaholics Anonymus523, die ein Zwölf-Punkte-Programm anbieten, welches auf dem Konzept der Anonymen Alkoholiker basiert. Die Entscheidung, wie viel Raum der Beruf im Leben einnimmt, ist auch eine Frage der persönlichen Einstellung, des Alters und der beruflichen Position. Gerade Führungskräfte können mit dem eigenen »WorkaholicVerhalten« Signale an ihre Mitarbeiter senden, die den Druck erhöhen und den Beschäftigten wenig Spielraum lassen.524 188

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Das Streben nach mehr Glück durch Geldverdienen scheint begrenzt zu sein. Immer mehr Menschen leiden unter Stress, Depressionen und Burnout, obwohl es uns materiell so gut geht wie nie zuvor. Viele Menschen, zu viele, sind heute emotionell, geistig und physisch erschöpft. Ihre Einsatzbereitschaft scheint zu schwinden. Dies stellt einen Verschleiß von Werten und Würde, Geist und Wille dar, der Krankheits­ symp­tome weckt.525 Es gibt drei zentrale Ansätze, sich vor Burn-out zu schützen. Prävention, Prävention und nochmals Prävention. Dies ist die beste Möglichkeit, mit Burn-out umzugehen. Burn-out ist nun mal sehr teuer. Es kostet viel  : Gesundheit, Lebensenergie, Zeit und Geld, bis hin zur Existenz. Und mit etwas Pech kostet es auch die Partnerschaft. An dieser Stelle seien die Kosten für das Unternehmen nur aus Gründen der Vollständigkeit erwähnt. Burn-out ist, wie jede Limitüberschreitung, eine Chance, Dinge völlig neu zu sehen, neu zu ordnen. War die Arbeitsaufgabe für die Person richtig  ? Scheitern in dieser Situation immer wieder Mitarbeiter  ? Hier bietet sich ein enormes Potenzial, endlich eingefahrene Strukturen, die kaum balancefördernd sein können, aufzubrechen. Menschen und Unternehmer sollen Überlastungssymptome nicht ignorieren oder verleugnen.526 Entlastung wird oft erst sehr spät gesucht. Es ist erstaunlich, wie lange sich Menschen und Unternehmen ausgebrannt dahinschleppen können. Wir können uns die Frage stellen, was uns das eigene Leben wert ist. Wozu wir täglich aufstehen, wofür wir uns einsetzen. Ob es sich lohnt. Dass sich Arbeit und Privatleben wechselseitig beeinflussen, ist zwar an sich ganz normal. Allerdings, behauptet der Arbeits- und Organisa­ tions­psychologe Dieter Zapf von der Goethe-Universität in Frankfurt, übt der lange Arm der Arbeit viel größeren Einfluss auf das Familienleben aus als umgekehrt.527 Diese Erkenntnis dürfte Grund genug sein, dem eigenen Beruf den richtigen Platz und Raum, auch den richtigen Sinn, im Leben einzuräumen.

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Berufung statt Beruf Der eigenen Berufung zu folgen hat für uns als Individuen zwei positive Auswirkungen. Auf individueller Ebene dahin gehend, dass diese Menschen gut auf sich selbst schauen. Sie sind sich im Klaren, welche ihre wesentlichen Bedürfnisse sind. Außerdem überlegen sie sich Visionen und Szenarien in ihrem Leben, die ihre Bedürfnisse erfüllen. Auf gesellschaftlicher Ebene dahin gehend, dass Menschen, die ihrer Berufung folgen, in der Regel selbstbewusste und selbstverantwortliche Mitglieder der Gesellschaft sind. Sie gestalten, bewegen und verändern positiv.528 Ein guter Arbeitsplatz ist ein bestimmender Faktor für ein gutes Leben. Nicht nur durch das Einkommen, sondern durch Sozialkontakte, Selbstachtung und mehr Lebensqualität. Angenehme Arbeitsbedingungen in einem sozial ansprechenden Umfeld wirken sich positiv auf die Zufriedenheit der Menschen aus.

Sozial kompetent handeln Eine gute Lebens- und Arbeitsbalance wird im Alltag erleichtert durch  : • Kooperationsfähigkeit, welche Ideen annimmt, dabei den eigenen Standpunkt zulässt. • Sensibilität als Voraussetzung für Kooperationsfähigkeit, damit Balance gewahrt bleibt. • Kontaktfähigkeit, die ein Aufeinander-Zugehen und Ziele kommunizieren unterstützt. • Integrationsfähigkeit, damit ein Team im Sinne der »Übersummativität« – das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile – agieren kann. • Selbstkontrolle und Reflexion, um verlässlich und für andere berechenbar zu sein.529 Heute ist es leider so, dass der Mensch vielfach seinem Leben keinen Sinn mehr abzugewinnen vermag. Ein Sinnlosigkeitsgefühl, ein Leeregefühl, 190

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welches auch als existenzielles Vakuum bezeichnet wird, nimmt überhand. Profan ausgedrückt  : Geldmittel vorhanden, Lebenszweck gesucht.530 Sozialkontakte, innerhalb und außerhalb des Unternehmens, kalkulieren viele knapp ein, bis sie zur Mangelware werden und irgendwann ein Limit unterschreiten und gar nicht mehr verfügbar sind. Dabei bleibt am Ende des Tages nur der Sozialkontakt als ausgleichendes Moment übrig, alles andere verliert an Bedeutung.

Ausgleich finden Im April 1919 kehrte Shackleton für vier Tage nach Eastbourne zurück. Das war, wie er feststellte, während der letzten fünf Jahre seine längste Zeit zu Hause. Seine Frau Emily empfand die andauernde Trennung als nahezu unerträglich.

Besonders kritisch wird es, wenn die Betroffenen in der Freizeit keinen Ausgleich mehr finden, weil private Konflikte den nötigen Stressabbau verhindern. Oder wenn sie schon nicht mehr wissen, was sie mit ihrer wenigen freien Zeit anfangen sollen.531 Heute lassen sich Manager coachen, um das Gleichgewicht in ihrem Leben zwischen Arbeit und einer Reihe anderer Faktoren, wie Partner, Kinder, Freizeit, Relaxen, Gesundheit und Gemeinschaft, zu stärken.532 Zu Ihrem Gleichgewicht für Ihr Lebensglück können Sie sich drei Fragen stellen  : • Lieben Sie die Arbeit, die Sie machen  ? • Lieben Sie den Menschen, mit dem Sie leben  ? (Wenn Sie allein leben, sind Sie der Mensch, mit dem Sie leben.) • Lieben Sie den Ort, an dem Sie wohnen  ? Wenn Sie zumindest zwei dieser Fragen mit »Ja« beantworten können und eine drittes »Ja« in Aussicht haben, dann sind Sie auf einem guten Weg. Finden Sie Ihr natürliches Gleichgewicht zwischen positivem und negativem Stress und eine Balance zwischen An- und Entspannung im Lelebens- und arbeitsbalance

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ben. Das erfordert, dass Sie zuerst zur Ruhe kommen. Wer sich nur mehr auf seine Arbeit konzentriert, ist nicht in der Lage, erfüllte Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen oder bestehende Beziehungen aufrechtzuerhalten.

Wohlbefinden anstreben Das eigene Wohlbefinden erreichen wir nicht unbedingt am Limit der beruflichen Leistungsfähigkeit. Erfolg ist wichtig, aber nur ein Kriterium, und dabei nicht einmal ein essenzielles, für Zufriedenheit. So trägt beispielsweise Berühmtheit die Gefahr in sich, dass man zu viel auf den Applaus hört und zu wenig auf seine eigenen Leistungen und Talente blickt. Erfolg muss geradezu genossen werden und soll dabei nicht automatisch nur den Ausgangspunkt für den nächsten Höhenflug liefern. Ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der mit so viel Gefallen den Erfolg genießt, schrieb Shackletons späterer Biograf Hugh Robert Mill.533 Genau das ist wichtig für die weitere Motivation und für das Erlangen der nächsten positiven Erlebnisse.

Manager bekommen einen Herzinfarkt nicht vom vielen Arbeiten, sondern weil sie überlastet sind mit der Situation oder einem Problem. Die Menschen sterben nicht unbedingt an Überarbeitung. Sie sterben an Unkonzentriertheit und vor allem an innerer Unruhe. Und das ist die tragischste Ernte der ungezügelten Selbstausbeutung in unserer Zeit. Die Arbeit hat am Esstisch zu Hause nichts mehr verloren.534 Um persönliches Wohlbefinden zu erlangen und abzusichern, müssen wir versuchen, die Freiheit zu erlangen und bestimmten Dingen gegenüber gleichgültig zu werden, das ist die Voraussetzung für die Möglichkeit vollkommener Gelassenheit. So, wie Unternehmer auf die eigenen Leute schauen müssen, müssen sie auch auf sich selbst schauen. Es ist ein ständiger Grenzgang, den Bedürfnissen des Unternehmens und jenen der Menschen im Unternehmen gerecht zu werden. Jeder Mensch ist bereit, alles für eine Sache zu geben, 192

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wenn er einen Sinn hinter seiner Tätigkeit sieht. Wenn die an ihn gestellte Aufgabe genau dem entspricht, was er zu leisten imstande ist, ist er belastbarer und ausdauernder. Hubert Neuper ist überzeugt, dass man sich bei seiner Suche nach Glück oder Wohlbefinden im Grunde nur nach Harmonie sehnt.535 Er hat bitterlich erfahren, was es heißt, wenn die Lebens- und Arbeitsbalance aus den Fugen gerät. Zugleich hat er vorgelebt, welche Wege es gibt, diese Balance nachhaltig wieder zu erreichen. Sein Ziel war, das wiedererlangte Wohlbefinden weiter ausbauen zu können.

Was Unternehmen tun können Oder nicht tun können  ? Ein reales Beispiel  : Bei einem Bewerbungsgespräch für eine Geschäftsführerposition in einem Technologieunternehmen fragte der Konzernchef den später erfolgreichen Anwärter natürlich auch Privates. Als dieser von seiner Sportleidenschaft berichtete und anführte, im Sommer nächsten Jahres bei den Landesmeisterschaften teilnehmen zu wollen, erntete er als Antwort  : »Das kann ich mir nur vorstellen, wenn die Produktion bis dahin einwandfrei läuft.« So ein Eingriff in die Lebens- und Arbeitsbalance bedarf keines weiteren Kommentars. Außer jenem, dass der sportliche Manager für diesen Job seine Heimat verlassen hat, mit seiner Frau über eine Distanz von 800 Kilometern umgezogen ist und wohl unbestritten ein Recht auf Privat-»Leben« hat. Kranke Unternehmen machen Menschen krank. Sei es durch mangelnde Führungskompetenz und schlechte Arbeitsbedingungen, durch Mobbing, Burn-out oder durch fehlende Anerkennung guter Arbeit. Kranke Menschen wiederum machen Unternehmen krank. Ein Mensch in einer Führungsposition, dem es persönlich schlecht geht, wird andere Menschen selten gut behandeln und seine Macht eher für persönliche Interessen ausnutzen.536 Manche Unternehmen fordern nicht nur viel von ihren Mitarbeitern, sondern sie bieten ihnen auch ein ansprechendes Arbeitsumfeld. Ein gutes Verhältnis mit den Arbeitskollegen führt nachweislich zu einem gesünderen und längeren Leben. lebens- und arbeitsbalance

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Zwanzig Jahre lang erforschten Mitarbeiter der Tel Aviv University Menschen aus verschiedensten Berufsgruppen, die zu einem Routinecheck zu ihrem Hausarzt kamen. Die 820 Studienteilnehmer arbeiteten durchschnittlich 8,8 Stunden am Tag und wurden auf psychische und physiologische Risikofaktoren untersucht. Die Wissenschaftler interessierten sich für das Verhältnis zu Vorgesetzten und Arbeitskollegen. Waren diese freundlich und konnte mit ihnen über persönliche Probleme geredet werden  ? Es zeigte sich, dass der Großteil jener 53 Arbeitnehmer, die während des zwanzigjährigen Untersuchungszeitraums starben, kaum soziale Kontakte zu Kollegen hatte. Die Studie Work-Based Predictors of Mortality  : A 20-Year Follow-Up of Healthy Employees sieht Verbesserungsbedarf, denn moderne und scheinbar innovative Bürostrukturen tragen kaum Positives bei. Die Probleme liegen woanders. Anstatt miteinander zu reden, werden oft nur unpersönliche E-Mails geschrieben. Soziale Netzwerke können helfen, Freundschaften mit Arbeitskollegen aufzubauen, leider sind diese meistens gesperrt. Die in der Fachzeitschrift Health Psychology erschienene Studie zeigt, dass Arbeitgeber jedoch die Möglichkeit haben, ohne großen finanziellen Aufwand die Situation der Angestellten zu verbessern. So kann ein internes soziales Netzwerk eingerichtet werden. Auch vertrauliche Gespräche mit Psychologen über arbeitsspezifische Probleme haben sich bewährt. Abgesehen von Netzwerken und psychologischen Gesprächen ist eine altmodische Kaffee-Ecke, vielleicht in moderner Anmutung, hilfreich.537 Den meisten Unternehmen ist bewusst, dass nur körperlich und mental ausgeglichene Mitarbeiter gute Arbeitsergebnisse liefern können. Lebens- und Arbeitsbalance-Programme kommen nicht nur dem Mitarbeiter zugute, sondern auch dem Unternehmen. Diese Balance-Programme sind in Mitteleuropa längst nicht so weit verbreitet wie in den USA. Immerhin wäre es verhältnismäßig einfach, aus den bisherigen Erfahrungen zu erkennen, was Unternehmen für die Lebens- und Arbeitsbalance ihrer Mitarbeiter tun und bieten können  : • Informations- und Fortbildungsgelegenheiten • Flexibilität bei Arbeitszeiten und Auszeiten 194

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• Entlastungsmaßnahmen (Kinderbetreuung, Wäschereinigungsservice, . . .) • Fitness- und gesundheitsfördernde Angebote • Arbeitsplatzgestaltung Diese exemplarische Darstellung ist nicht allgemeingültig, und es bieten sich ergänzende und verbessernde Ideen an. Je mehr sich Unternehmer mit balancefördernden Maßnahmen für das Wohl der Mitarbeiter engagieren, desto motivierter, ausgeglichener und effektiver werden diese arbeiten.538 Erfolg ist dann erlebbar, wenn unternehmerische Unterstützungen zu keinen Pro-forma-Aktivitäten verkommen, sondern nachhaltige Hilfen bereitstellen. Unbestritten ist, dass unzufriedene Mitarbeiter weniger leisten. Gleichzeitig stellen die Mitarbeiter das wichtigste Kapital eines Unternehmens dar. Daraus lässt sich relativ einfach eine positive oder negative Schlussfolgerung ziehen. Unternehmer müssen ihre Firma so gestalten, dass sie an den jeweiligen Arbeitsplätzen selbst ein Leben lang gerne arbeiten würden.

Beeinflusste Lebenserwartung Eine methodisch aufwendige Studie in Nordamerika belegt, dass die Lebenserwartung in den letzten 100 Jahren um etwa 35 Jahre angestiegen ist. Dieser erfreuliche Umstand scheint keinesfalls verwunderlich. Nur sind die Gründe für diesen Anstieg, von dem wir alle profitieren, unerwartet, geradezu unerhört. Der Anteil der medizinischen Versorgung zur Verlängerung der Lebensspanne beträgt lediglich vier Jahre und somit elf Prozent. Eineinhalb Jahre, folglich ganze drei Prozent Lebensverlängerung verdanken wir präventiven Maßnahmen. Die Zunahme der Lebenserwartung wird zu 80–90 % Prozent durch die veränderten alltäglichen Lebens- und Arbeitswelten der Menschen bewirkt.* *

Vortrag von Prof. Dr. Eva Höltl  : Zur Gesundheit führen – was kann Gesundheitsförderung im Unternehmen bewirken  ? (Studie von Bunker, Fraizer und Mosteller), Wien, 19. 10. 2011

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Der Beitrag der Gesundheitsversorgung zur Verlängerung des Lebens und Verbesserung der Lebensqualität wird erheblich überschätzt. Die Lebens- und Arbeitswelt kann die Dauer und Qualität des Lebens hingegen positiv wie negativ enorm beeinflussen.

Lebens- und Arbeitsbalance dient allen Die enorme Relevanz der Lebens- und Arbeitsbalance für unser Lebensglück verbietet halbherzige Zugänge und Lösungen. Eine Umsetzung der Lebens- und Arbeitsbalance im Rahmen der Organisationsentwicklung kann erheblich zur Dynamisierung Ihres Unternehmens, Ihrer Abteilung oder Ihres Teams beitragen.539 Wenn die innere Einstellung der Menschen im Unternehmen stimmig ist, wenn sie dazu stehen, was sie tun, lässt sich vieles leichter realisieren. Menschen können, auch als Grenzgänger, immer dann eine ansprechende Leistung bringen, wenn sie sich wiederkehrend zum »Erfrischen« an eine »Quelle« begeben. Trübe Quellen wie Ehrgeiz, zu viel wollen, sich beweisen wollen, führen zum Ausgebranntsein. Anders verhält es sich mit »müde sein« nach körperlicher Betätigung oder Arbeit, da sind wir im Einklang mit uns selbst. Maßgeblich ist es, aus den richtigen Quellen zu schöpfen. Klare Quellen sind besondere Begabungen oder auch spirituelle Quellen. Wo Energie strömt, ohne müde zu werden. Diese Quellen erfrischen, geben Kraft, befruchten, reinigen und geben Sicherheit. Die Sehnsucht, aus anderen Quellen zu schöpfen, als sie uns die gegenwärtigen betriebswirtschaftlichen Modelle anbieten, ist heute groß. Menschen in beruflicher Verantwortung sehnen sich nach innerlicher Freiheit von dem Druck, der sie in den Firmen erwartet.540

Gegenwart und Zukunft Wenn man Shackleton, gewiss auch leicht entmythifizierend, etwas vorwerfen darf, dann genau das, was heutige Führungspersönlichkeiten ihren 196

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Mitarbeitern und auch sich selbst manchmal vorwerfen dürfen  : eine mangelnde Lebens-Arbeitsbalance. Mehr oder weniger. Natürlich ist die Lebens- und Arbeitsbalance ein Thema unserer Zeit. Vermessen wäre es, sie jedoch zu einem Kind der Zeit zu machen. Auch die Generationen vor uns hätten sich oft genug ihr Leben und ihre Arbeit besser ausbalanciert gewünscht. Denn es gab und gibt es noch, dieses stille Heldentum, das Jeden-Tag-zur-Arbeit-Gehen und einen Lebensunterhalt für die Familie verdienen. 40 Jahre lang und länger. Und das Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr. Je weiter das, was Sie die letzten sieben Tage Ihres Lebens machen würden, von dem entfernt ist, was Sie heute tun, desto intensiver sollten Sie darüber nachdenken, was Sie ändern können.541 Heute beginnt der Rest Ihres Lebens. Es geht nicht darum, das Leben mit möglichst vielen Tagen zu füllen, sondern darum, die Tage mit möglichst viel Leben. Keine Zukunft kann je wieder gutmachen, was Sie in der Gegenwart versäumen. Eine ausgeglichene Lebens- und Arbeitsbalance ist kein Garant für ein perfektes Leben. Doch persönliches Lebensglück und ein optimistischer Blick in die Zukunft bauen darauf auf. Die unternehmerische Zukunft hingegen baut auf die Beantwortung einiger Leitfragestellungen auf. Können wir ein Unternehmen von der Zukunft her führen  ? Was gibt dabei Orientierung  ? Wie sind Unternehmen nachhaltig erfolgreich  ?

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8. unternehmerische zukunft Ein Mensch muss sich sofort ein neues Ziel setzen, wenn sich das alte als unerreichbar erweist. Sir Ernest Shackleton

In Zeiten wie diesen gibt es offensichtlich nur ein einfaches und zugleich universelles Erfolgsrezept für die Zukunft. Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein. Die öffentlichen Schulden müssen verringert, die Arroganz der Behörden muss gemäßigt und kontrolliert werden. Die Zahlungen an ausländische Regierungen müssen reduziert werden, wenn der Staat nicht bankrottgehen soll. Die Leute sollen wieder lernen zu arbeiten, statt auf öffentliche Rechnung zu leben.542 Wenn Sie mit dem Verfasser dieser Zeilen Kontakt aufnehmen möchten, so muss ich Sie enttäuschen. Marcus Tullius Cicero schrieb diese Sätze in Rom, 55 vor Christus. Alles war irgendwie schon einmal da – auch die Sorgen, Ängste und Sehnsüchte, die uns Menschen beschäftigen. Sie sind uns nicht unbekannt, und wir stehen damit nicht alleine da. Wir müssen sie nur anpacken. Wieder und immer wieder neu. Es gilt, Grenzbereiche am Limit erfolgreich auszuloten. unternehmerische zukunft

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Die Geschwindigkeit der Veränderung in Wirtschaft und Gesellschaft steigt unaufhaltsam. Der Anpassungsdruck auf Unternehmen und Institutionen nimmt ständig zu.543 Damit auch der auf die Menschen. Sie suchen nach Antworten auf diese Herausforderungen. Die Zeiten ändern sich, aber nicht mehr lange,544 ist der Wunsch eines demenzkranken Mannes, dem ich Verständnis und Sympathie entgegenbringe. Dahinter verbirgt sich viel Sehnsucht. Sehnsucht nach Ruhe und Gelassenheit. Sehnsucht nach weniger Zukunftsängsten. Alle Prozesse in Organisationen stehen unter dem Erwartungsdruck der Beschleunigung.545 Die Blicke ins Gestern und Morgen werden kurz. Besonnenes und geduldiges Vor- und Nachdenken kosten rare Zeit.546 Rare Zeit, die wir uns nehmen sollen und müssen, wenn uns die Zukunft kostbar erscheint. Ideale Ansätze für eine unternehmerische Zukunft sorgen schon für ein neues Ziel, bevor die alten Ziele abhandenkommen. Rückwärtsgerichtetes Denken ist fehl am Platz. Die Erfolge von gestern sollen heute kein Unternehmen beruhigen.547 In diesem Kapitel entwerfe ich divergierende und sich doch ganz nahe stehende Optionen für die Gestaltung einer unternehmerischen Zukunft in Zeiten enormen Wandels. Dafür stellen sich verantwortungsvolle Entscheidungsträger eine Frage  : Wie müssen die Prozesse in einem Unternehmen gestaltet werden, damit es in einer komplexen Umwelt nachhaltig erfolgreich ist  ? Erfolgreiche Unternehmen stiften einen überlegenen Kundennutzen. Dieser ist nur aufrechtzuerhalten, wenn das Unternehmen über einen Vorteil in der Transformation von Ressourcen in Resultate verfügt. Nachhaltige Wettbewerbsvorteile gründen somit auf Managementvorteilen, die gewährleisten, in der Gegenwart erfolgreich zu bleiben und zukünftig erfolgreich zu werden. Eine nachhaltige Erfolgsstrategie unterstützt heute, die Herausforderungen von morgen zu bewältigen.548

Erfolgspotenziale Um in der wirtschaftlichen Landschaft dauerhaft existieren zu können, verfügt ein Unternehmen, wenn auch nicht zwingend, über ein Allein200

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stellungsmerkmal. Genau dieses Alleinstellungsmerkmal ist die Basis für weitere positive Effekte. Ein erfolgreiches Unternehmen unterscheidet sich von wenig erfolgreichen dadurch, dass es dem Management gelingt, stets rechtzeitig bestehende Erfolgspotenziale zu sichern und neue Erfolgspotenziale zu schaffen. Was an Erfolgsquellen nicht ermöglicht und gesichert wird, lässt sich auch durch die größten Anstrengungen aus dem Unternehmen nicht mehr herausholen. Zukünftige Erfolgspotenziale sind dabei gute Produkte und ergiebige Märkte, leistungsfähige Ausstattung und eine günstige Kostenstruktur. Aber auch unternehmerisch denkende Eigen- und Fremdkapitalgeber, qualifizierte Mitarbeiter, die bestmöglich ausgebildet und gefördert werden und ein entschlussfähiges, auf die Zukunft fokussiertes Management.549

Die Zukunft ist nicht gratis Kein Unternehmen hat von vornherein eine gesicherte Zukunft. Ganz im Gegenteil. Mehr denn je ist es dem Zwang ausgesetzt, Chancen und Risiken frühzeitig zu erkennen. Chancen sind dabei zu maximieren, Risiken zu minimieren. Da die Zukunft nicht vorhersehbar ist, kann ein darauf abzielendes System nicht im Detail gestaltet werden. Jedoch können Institutionen so strukturiert werden, dass sie kurzfristig agieren können.550 Nur weil wir heute beginnen, für morgen vorzudenken, wird die Zukunft nicht gleich gratis, aber ihr Potenzial lässt sich früher und besser zu unserem Wohle nutzen. Investitionen in die Zukunft finde ich wesentlich charmanter als Rückzahlungen für die Vergangenheit. Vorausdenkend zu sein meint hier, das richtige Ziel anzuvisieren. Es geht um die Richtung, den Zeitpunkt und nicht in erster Linie darum, nur mit Geschwindigkeit irgendwohin zu gelangen.

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Mega Speed versus »Speed kills« An allen Enden fehlen heute Begriffe für das Neue, für die Dimensionen und die Geschwindigkeit des Wandels und für das Unwissbare, das er mit sich bringt. Fredmund Malik prägte dafür den Namen »Die Große Transformation«. Der Wechsel von der Alten Welt zur Neuen Welt verändert dabei fundamental fast alles.551 Doppelt so gut zu funktionieren mit der Hälfte des Geldes sei nur eine von vielen Herausforderungen, deren Lösung nur wenige für möglich gehalten hätten, obwohl sie bereits Praxis sei. Statt Museen für überholte Methoden der vorangegangenen Jahrhunderte zu erhalten, solle man Universitäten eines neuen Typus errichten. Als Zielformulierung für eine glänzende Zukunft in einer Neuen Welt steht final  : Mega Change of Mega Systems with Mega Speed.552 Man kann dieses Mega-Wortspiel auf verschiedene Weise fortsetzen, aber man sollte ihm nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Beim fundamentalen Wandel und seinen Dimensionen gehe ich argumentativ voll mit. Der Forderung nach doppeltem Ausstoß bei halbem Finanzaufwand darf ich im Sinne der Ausführungen der vorangegangenen Kapitel Genug ist genug sowie Lebens- und Arbeitsbalance ein, ich borge bei Malik, megagroßes Fragezeichen entgegenstellen. Wer soll das wie leisten  ? »Mega Speed« erinnert mich eigentlich zu sehr an die Aussagen und das Motto einer früheren österreichischen Bundesregierung, die sich »Speed kills« an die schönen neuen Anzugrevers heftete und diese Denkweise auch im negativen Zusammenhang nicht mehr loswurde. Stephen R. Covey und Bob Whitman führen unter Mehr mit weniger erreichen aus  : Natürlich versucht jeder, mehr mit weniger zu erreichen. Nur lautet die entscheidende Frage  : Mehr wovon  ? Sie sehen die Antwort nicht im »Doppelt-so-groß und Halb-so-teuer-Mythos«, sondern im mehr von dem, was den Kunden wirklich wichtig ist. Der Kundennutzen steht heute im Vordergrund.553

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Gestern. Heute. Morgen. Genügte es vielen Führungspersonen bislang  : Ihr Unternehmen mit den Erfolgsrezepten und Strategien von früher zu managen. So empfinden es manche vielleicht als modern  : Am Puls der Zeit zu sein. Doch ist heute für morgen nur eines wirklich innovativ  : Das Unternehmen von der Zukunft her führen. Bei Erneuerungsprozessen ist das prompte und ungefilterte Herunterladen von noch so erfolgreichen Mustern aus der Vergangenheit kontraproduktiv.554 Allerorts beklagen wir die Abwesenheit einer großen Vision und den Mangel an Einsicht und Voraussicht. Es gibt zu viele alte Antworten auf neue Herausforderungen. Wer sich nur den Tagesproblemen stellt, kann nicht motivieren und nichts Wesentliches verändern. Er wird im Heute verhaftet und hängen bleiben. Gestern war heute Morgen. Wie haben wir die Zukunft interpretiert  ? Was haben wir aus ihr gemacht  ? Welches Spiel haben wir gespielt  ?

Ein etwas unübliches Beispiel Ein berühmter Regisseur suchte für die Hauptrolle in seinem nächsten Film einen ganz besonderen Schauspieler. Drei Darsteller hatten es in die letzte Runde geschafft. Einer nach dem anderen bekam nun ein und dieselbe Aufgabe. »Sie spielen mir jetzt bitte ein Huhn vor, das in Panik gerät, weil in fünf Minuten eine Atombombe einschlägt.« Das erste Talent gackerte lauthals herum, schlug mit den Armen flügelartig um sich und machte große Augen. Der Regisseur bedankte sich und ließ den zweiten begabten Mann seine Version vorspielen. Dieser starrte zum Himmel, sah sich hilfesuchend um, rannte im Kreis und wurde zunehmend panischer. Von der Leistung angetan, verabschiedete das Aufnahmeteam den zweiten Kandidaten und holte den letzten zu sich. Nachdem er hörte, was von ihm verlangt wurde, ging er gebückt herum und suchte total unbekümmert mit seinem »Schnabel« Würmer oder Körner vom Boden und pickte diese in absoluter Ruhe auf. Mit dieser Leistung erhielt er die Hauptrolle. Warum  ? unternehmerische zukunft

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Ein Huhn weiß nicht, dass in fünf Minuten eine Bombe einschlagen wird. Somit hatte der Schauspieler mit seiner Darstellung die Verhaltensweise in der Gegenwart in Bezug auf die Zukunft richtig interpretiert. Der Mensch ist in der Lage, bei Motiven, die er seinen Handlungen zugrunde legt, zu unterscheiden, ob sie aus der Vergangenheit oder aus der Zukunft stammen. Die Ausbildung dieser Fähigkeit macht den Menschen zukunftsfähig. Dass der Mensch nicht allein von der Vergangenheit her determiniert ist, sondern sich von der Zukunft her selbst bestimmen und entwickeln kann, bildet hierzu den Grundgedanken.555 Die Zukunft größer als die Vergangenheit zu machen, bedeutet letztlich Wachstum. Sie ist Vision, und indem sie wächst, wird sie Wirklichkeit.556 Ich plädiere für persönliche, qualitative, wertebildende, wertschätzende und vor allem menschliche Wachstumsmöglichkeiten. Wenn gewünscht, auch mit der Vorsilbe »mega«. Es sind nicht immer die schnellen, lauten, herumschlagenden, panischen Akteure mit großen Gesten, die den Weg nach vorn für sich gepachtet haben. Empathischen und intuitiven Menschen gelingt es oft besser, in die Zukunft zu weisen.

Das Unternehmen von der Zukunft her führen Eine erwünschte Unternehmenszukunft gedanklich vorwegzunehmen und diese Vision im morgigen Tagesgeschäft umzusetzen, das ist Können. Das ist Führen von der Zukunft her. Daraus leiten sich drei Anforderungen ab  : Erstens  : Die Unternehmensführung ist willens und fähig, eine erstrebenswerte Zukunft zu entwerfen. Drei Fragestellungen, welche Zeit und Kraft erfordern, stehen im Zentrum  : • Wohin will ich mit meinem Unternehmen  ? (Unternehmensvision) • Wie komme ich dort hin  ? (Unternehmensstrategie) • Wofür steht unser Unternehmen  ? (Unternehmensleitbild)

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Zweitens  : Im Mittelpunkt stehen Visionen, Neuausrichtungskompetenzen und ertragreiches Verwerten. All das greift ineinander und wirkt somit ganzheitlich. Drittens  : die Umsetzung des visionären Zukunftsentwurfes im operativen Tagesgeschäft.557

Unternehmerische Visionen Visionen drücken fundamentale Ziele aus, sie fokussieren die eigenen Aktivitäten, konzentrieren sich auf Stärken und geben der Zukunft ein Bild.558 Visionäre Führung heißt, Sehnsucht lehren und Wege weisen.559 Ein visionäres Unternehmen strebt nicht nach Behaglichkeit, sondern ergreift Maßnahmen zur Vermeidung von Selbstzufriedenheit. Es fördert auf diese Weise Veränderung und Verbesserung, noch bevor die Organisation durch externe Faktoren dazu gezwungen wird.560 Mit der Vision verhält es sich wie mit dem Genie. Zu viel davon ist schädlich. Wo Visionen alltäglich werden, beginnt die Traumtänzerei. Mehr Bescheidenheit im Umgang mit dem Begriff kann da nicht schaden. Wem ab und zu ein Blick über den Tellerrand glückt, der ist noch kein Visionär.561 Wenn ein Unternehmen in einer Branche immer ein kleines Licht war und die Manager plötzlich davon fantasieren, Nummer eins werden zu wollen, handelt es sich eher um ein Hirngespinst, nicht um eine Vision.562 Ein Unternehmen mit Visionen wird nicht nur Schritt halten mit den anderen, sondern es wird vorausdenken und vorauseilen, weil es seine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft kennt. Visionäre Unternehmen investieren laut einer Studie mehr in ihre Zukunft als Vergleichsunternehmen. Zusätzlich reinvestieren sie einen höheren Prozentsatz des jeweiligen Jahresüberschusses und schütten weniger Bardividenden an ihre Aktionäre aus.563 Ausschlaggebend ist, die Vision zu kommunizieren und tatsächlich umzusetzen. Visionen müssen dabei unbedingt einen hohen Identifika­ tionsgrad der Menschen im Unternehmen gewährleisten, damit diese die Unternehmenszukunft mitgestalten wollen und können. unternehmerische zukunft

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Topmanager befassen sich idealerweise mit den Aufgaben und Zielen von morgen. Und übermorgen. Sie sind nur in Ausnahmesituationen im Tagesgeschäft tätig. Ein Unternehmen, das ohne eine Vision und eine tragfähige Unternehmensphilosophie arbeitet, kann kurzfristig Erfolg haben. Doch nach einiger Zeit bekommt es möglicherweise Probleme.

Wie Strategie aussieht, wenn man die Zukunft nicht kennen kann Strategie ist das Umgehen mit einem nicht zu beseitigenden Mangel an Wissen. Denn wenn wir alle Gegebenheiten für eine weitreichende Entscheidung wüssten, wäre keine Strategie nötig, sondern nur simple Planung. Wir können nie alles wissen, was wir wissen müssten. Allein schon deshalb, weil wir in einer Komplexität vernetzter Systeme und enormer Dynamik des sich beschleunigenden Wandels arbeiten und führen müssen.564 Wir sind Leidende. Leidende an einem ständigen Mangel an Information und Wissen. Damit ist nicht gemeint, dass wir über die Zukunft gar nichts wissen oder wissen könnten. Wie wir alle wissen, gehen Strategien nicht immer auf. So hat etwa die Lissabon-Strategie der EU ihr anspruchsvolles Ziel, Europa zum ambitioniertesten und dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, verfehlt – dies aber nicht nur wegen der Entwicklungen der letzten Jahre.565 Strategie ist keineswegs Taktik, denn diese ist viel zu kurzfristig ausgelegt. Strategie selbst verfolgt langfristigere Ziele. Strategie muss daher immer auch der Umgang mit Nichtwissen sein. Dabei erscheint einmal mehr wichtig, dass es einem Unternehmen gelingt, die Zukunft strategisch aktiv gestalten zu können und sie nicht passiv erdulden zu müssen.

Zwei Strategien für eine unternehmerische Zukunft Die Unternehmensstrategie ist ein Instrument zum Führen von der Zukunft her. Strategie legt fest, welche Schritte zu gehen sind, um die unternehmerische Vision zu erreichen. 206

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Hier stehen sich zwei letztlich völlig unterschiedliche Philosophien gegenüber. Auf der einen Seite das klassische mechanistische Managementmodell, das auf kurzfristige Optimierung setzt oder implizit setzen muss und in allen kritischen Situationen sinnvoll ist. Krisenmanagement mit dem Rücken zur Wand gelingt oft nur so. Auf der anderen Seite das systemische Management, das die Komplexität anerkennt und auf nachhaltige Eingriffe in das System aufbaut.566 In den letzten Jahren war und ist es zunehmend am Puls der Zeit, sich als Anhänger des systemischen Ansatzes zu outen. Ich erinnere mich mit einem Schmunzeln an unzählige Gespräche auf Früh- und Spätflügen, in denen immer wiederkehrend die Frage nach »strategisch oder systemisch  ?« auftauchte. Je nach aktuellem Fall und dessen Lagerung gab ich mich als Verfechter des einen oder anderen Ansatzes aus, jedoch nicht ohne verbindende Worte für die jeweils ungenutzte Strategie zu äußern. Beide Strategien existieren nun mal in den Managementwelten und der Realität nebeneinander.

Beraterorientierte Strategieentwicklung Die beraterorientierte Strategieentwicklung stärkt durch Fachwissen die Überlebensfähigkeit eines Unternehmens.567 Ihre Eckpfeiler lassen sich wie folgt kritisch umreißen  : • Delegation der Problemlösung an Berater  : Die Delegation an meist externe Berater impliziert vielfach eine Asymmetrie. Hier das Klientensystem, das Defizite hat, dort das mit Lösungswissen ausgestattete Beratersystem. • Sicherheit durch rationale Analyse  : Die Zukunft wird simplifizierend eingeschätzt, weil die Spezialisten Unsicherheiten offenbar kalkulierbar gestalten können. Das funktioniert gut bei einfachen Situationen, wirkt aber schlechter, je höher die Komplexität ist.568 • Das Unternehmen als Mittel zum Zweck  : Strategien müssen lediglich umgesetzt werden, damit eine Optimierung greift. unternehmerische zukunft

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• Standardisierte Problemlösungen  : Die Klientenprobleme werden oftmals mit »passenden« Standardlösungen behandelt. In der Standardisierung dieses Ansatzes liegt der Hauptkritikpunkt. Dem stärker werdenden Ruf nach prozessorientierten Vorgehensweisen wird ein systemischer Ansatz gerecht.

Systemische Strategieentwicklung Als Grundannahme dient die Überzeugung, dass Führungskräfte es immer mit lebenden sozialen Systemen zu tun haben. Die Zukunftsausrichtung des Unternehmens fußt auf gemeinschaftlicher Führungsleistung.569 Erfolgsentscheidende Faktoren sind demnach  : • Von der Zukunft her führen  : Die alleinige Analyse der Vergangenheit ist weitverbreitet, hat sich aber zu einem nicht unerheblichen Risiko gewandelt. • Die schöpferische Kraft der unternehmerischen Intuition  : Die Freude des Gestaltens gepaart mit gewissen unternehmerischen Risiken. • Auszeiten für die Beteiligten  : Die Daueraufgabe der Auseinandersetzung mit der Überlebensfähigkeit des Unternehmens ist fordernd genug. • Perspektiven durch Unterscheidungen  : Leitdifferenzen wie »Innen und Außen« oder »Gestern und Morgen« sind Sinnbild für das Oszillieren auf der Suche nach der idealen Realität. • Der offen gestaltete Strategieprozess  : Als Wechselspiel und Synthese zwischen dem Gesamtsystem und seinen integrierten Nebensystemen (Geschäftsfelder, Abteilungen, . . .). • Strategieintegration  : Unter einer parallelen Miteinbeziehung betriebswirtschaftlicher Fragen. Systemische Strategieentwicklung ist die Auseinandersetzung mit der Überlebensfähigkeit eines Unternehmens als Daueraufgabe für das Management quer über alle Hierarchieebenen. 208

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Zwei Wege – ein Ziel Bei einer Gegenüberstellung der beiden Ansätze sollten wir ein »Entwederoder« vermeiden. Es geht nicht darum, was generell richtig ist, sondern was für die jeweilige Situation angemessen erscheint.570 Es wird idealerweise ein Gleichgewicht zwischen strategischem und operativem Denken im Unternehmen bestehen oder zumindest geschaffen. Ein Bewusstsein, dass operative Alternativen von den Entscheidungsträgern jeweils danach zu beurteilen sind, ob sie strategisch vorteilhaft oder nachteilig sind. Dabei gilt der Grundsatz, dass der beste Kenner seines Systems noch immer der Betroffene und nicht der Berater ist. Shackleton gelang die Rettung aus aussichtsloser Situation nicht im Alleingang. Er sorgte aber beizeiten dafür, ein hervorragendes Team um sich zu haben. An eine Hilfe von außen war nie zu denken. Dies bringt Shackletons Vorgehensweise nahe an die systemische Strategieform heran.

Generell ist Strategie der Versuch des Managements, die Zukunft in den Griff zu bekommen, ein Schritt zur überraschungsfreien Unternehmensführung.571 Mut, Fantasie und Können sind dazu in höchstem Maße erforderlich. Strategie ist dabei nicht alles, aber ohne Strategie ist alles nichts.

Originelle Strategien Wirklich erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich durch originelle Strategien aus. Der Drang nach origineller Weiterentwicklung ist die Bedingung für den Fortbestand eines Unternehmens und dessen Philosophie. Ohne fortwährende Veränderung wird es in einer sich ständig ändernden Welt ins Hintertreffen geraten und seine Leistungsfähigkeit verlieren, vielleicht sogar zugrunde gehen.572 Dabei ist eine eigenständige Performance der Veränderung unentbehrlich. Denn wer immer in die Fußstapfen anderer tritt, hinterlässt keine Eindrücke.573 Unternehmerische Zukunft hat auch mit Risikoabwägung zu tun. Am Limit können einfach Fehler passieren. Maßgeblich ist, wie die Entscheiunternehmerische zukunft

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dungsträger damit umgehen. Die Öffentlichkeit nimmt einem Unternehmen nicht Fehler übel, sondern erst den fahrlässigen Umgang damit. Sie will in so einem Fall Offenheit und Betroffenheit, Ehrlichkeit und Selbstkritik der Verantwortlichen sehen.574 Wenig originell, aber richtig  : Die Erfolge von gestern dürfen heute kein Unternehmen beruhigen. Ganzheitlichkeit und nachhaltige Führung sind originell genug. Das Unternehmen orientiert sich dabei an einem künftigen attraktiven Identitätsentwurf. Die Leidenschaft für Lösungen mitzubringen ist ein origineller Zugang. Außergewöhnliche Situationen verlangen außergewöhnliche Maßnahmen. Für Dinge, die Sie noch nie zuvor erreicht haben, müssen Sie zukünftig ganz einfach Dinge tun, die Sie noch nie zuvor getan haben.

Orientierung rückwärts Vielen mag vorschweben, in großer Sicherheit etwas zu wagen. Doch dieser unmögliche Weg in zukünftige Unternehmenswelten ist vergebens. Kein erfolgreicher Grenzgänger könnte sich daran orientieren. Das Paradoxon, in Sicherheit Wagnisse einzugehen, macht dies deutlich. Dennoch kann eine scheinbare Rückwärtsorientierung unter bestimmten Voraussetzungen ein Unternehmen vorwärtsbringen. Es gibt ein Paradebeispiel für eine gelungene rückwärtsgerichtete Orientierung. Natürlich nur vermeintlich. Porsche macht es uns seit Jahrzehnten vor. Das Modell 911 wird seit Produktionsbeginn im Jahr 1963 andauernd neu erfunden. Technisch immer weiterentwickelt, aber optisch konservativ, bewahrend nur adaptiert, um die Käufer an die ewig zeitlose Form zu binden. Das Unternehmen wahrt so konsequent sein Alleinstellungsmerkmal auf dem Markt. Seit der Erfindung des Kultmodells scheint Porsche unberührt am ewig gleichen Auto herumzuschrauben, meinen Kritiker. Denn beim Karosseriedesign blicken die Entwickler lieber rückwärts als nach vorn. Doch, das ist kein Fehler.575 Gerade in einer Zeit, in der alles vom Wandel geprägt scheint. 210

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Der Wandel, unsere einzige Konstante Unternehmensführung ist ein sich ständig ändernder Prozess. »Dinge ändern sich« beschreibt dies treffend, auch die Aussage »Wandel ist die einzige Konstante«. Diese Aspekte sind selbst im 21. Jahrhundert imstande, Manager zu verunsichern. Nämlich vorrangig dann, wenn traditionelle Verhaltensmuster noch nicht aufgebrochen werden konnten, zwangsläufig oder aus freien Stücken. Viele Menschen in Führungspositionen teilen diese Ansicht uneingeschränkt, allein die Umsetzung lässt noch auf sich warten. Unsere Enkel werden wahrscheinlich Stabilität, wie wir sie kannten, niemals erfahren. Sie werden mit dem Wandel als Norm aufwachsen. Sie müssen mit der variierenden Geschwindigkeit des Wandels fertigwerden. Wir hingegen schlagen uns damit herum, die Illusion von Stabilität aufzugeben.576 Im Wandel gilt es, die richtigen Dinge zu tun. Die englischsprachige Unterscheidung von Manager und Leader veranschaulicht gleichzeitig die beiden unterschiedlichen Führungsstile transaktional und transformal. Manager, im Sinne von transaktional, führen analytisch, sachlich, distanziert. Sie konzentrieren sich eher auf die Prozesssteuerung und Ressourcenplanung, Maßnahmenumsetzung und Erfolgskontrolle. Leader, im Sinne von transformational, vermitteln darüber hinaus durch intensive Kommunikation die Sinnhaftigkeit von Veränderungen. Transformiert werden dabei die Werte und Motive der geführten Personen. Leader entfesseln idealerweise ihre Mitarbeiter und entwickeln deren Fähigkeiten und Eigenverantwortung kontinuierlich weiter. Dadurch schaffen sie Rahmenbedingungen, damit alle im Unternehmen den Herausforderungen positiv begegnen können. Manager tun in erster Linie Dinge richtig, Leader sehen sich als Gestalter, die die richtigen Dinge tun.577 Forschungsergebnisse bestätigen, dass charismatische Leader bei Mitarbeitern höhere Motivation und Leistungsfähigkeit bewirken als technokratische Manager.578 Veränderungsprozesse benötigen demnach mehr Leadership und weniger Management.

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Shackletons Werte bilden eine ideale Basis, ein Unternehmen immer wieder neu auszurichten und in Zeiten des Wandels zu begleiten.579 Seine Leadership-Qualitäten schufen eine Expeditionsphilosophie, die sich in ständig ändernden Gegebenheiten bewährte. Shackletons Erfolg basierte auf dem kollektiven Wissen seiner Männer und gegenseitigem Lernen.

Welche Bedeutung das Lernen für Ihr Unternehmen hat, wissen Sie, wenn Sie Ihre Mitarbeiter anregen und motivieren, sich der Forderung nach ständigem Wandel zu stellen. So schaffen Sie es, dem Wandel durch Innovationen ein Stück voraus zu sein.

Ansätze zu Innovationen Was ist Innovation  ? Sicher denken wir an Produkte und Verfahren, welche durch ein Produkt- und Ingenieursdenken zu innovativen Produkten aufsteigen. Der Innovationsbegriff vereint neue und neuartige Produkte und neue, wirtschaftlichere Prozesse.580 Dies erscheint mir ein wenig zu kurz greifend. Für viele liegt der Schlüssel der Erneuerung insbesondere in der »Zerstörung« des Alten. Um neue Ideen zu verwirklichen, müssen wir vor allem den Mut haben, revolutionär zu denken. Innovative Entwicklungsprozesse gibt es nicht nur technologiegetrieben. So finden wir Innovationstreiber auf der Angebots- und auf der Nachfrageseite. Diese beiden Mechanismen werden als »technology push« und »market pull« bezeichnet.581 Fundamentale technologische Erneuerungen prägen die wirtschaftliche Entwicklung tief greifend. Sogenannte Basisoder Schlüsselinnovationen generieren große Umsätze, lassen viele neue Arbeitsplätze entstehen, lösen Modernisierungsimpulse aus und prägen den wirtschaftlichen Wandel über Jahrzehnte.582 Geradezu perfekt für ein Buch über Limits in der Wirtschaft und am Ende der Welt ist der Satz  : Innovativ ist nur der, der dorthin geht, wo die anderen nicht sind.583 Es gibt, mehr oder weniger verbreitet, die Ansicht, dass es für ein Unternehmen nicht unbedingt vorteilhaft ist, innovative Produkte auf den Markt 212

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zu bringen. Zu beobachten, was die Konkurrenz macht, wäre demnach effektiver. Also, zu warten, bis andere ihre Produkte herausgebracht und sich mit den Schwierigkeiten, die mit jeder Neuerung verbunden sind, ausei­ nandergesetzt haben. Solche Mitbewerber sehen zu, wie Innovativen sich mit Kinderkrankheiten herumschlagen, und überschwemmen anschließend den Markt mit preiswerten Imitationen dieser Produkte. Gleichzeitig bleiben diese Unternehmen in einer selbstgewählten Gefahr freiwillig immer einen Schritt zurück und beschränken sich selbst. Fraglich ist auch, wie viel Spaß es bereitet, so ein Unternehmen zu führen beziehungsweise für so ein Unternehmen tätig zu sein. Für kein Unternehmen ist es auf Dauer eine Lösung, dem Druck des Wandels in Gesellschaften und Märkten nur adaptiv zu begegnen. Dem Trend immer nur hinterherzulaufen ist sinnlos und führt ins Abseits. Dort wird der Wettbewerb nur mehr über Effizienz und Kosten geführt, doch die Möglichkeiten, darauf zu reagieren, sind gering. Innovationen bergen nun mal Risiken in sich. Den Finanzsektor haben seine eigenen Innovationen vom Weg, der Realwirtschaft zu Diensten zu sein, abgebracht. Aus Banken sind Handelshäuser geworden, die mit Wertpapieren und Finanzanlagen spekulierten. Mit ihren innovativen, aber letztlich fiktiven, von der Realwelt abgelösten Finanzprodukten (Derivaten, Bankgarantien, Risikowetten) lassen sich zwar Unsummen von Geld verdienen, aber eben auch verlieren. Zudem schaffen solche Innovationen keinen realen Volkswohlstand wie Sachwerte oder Arbeitsplätze.584

Warum überhaupt Innovationen  ? Menschen und Unternehmen, die visionslos sind, sind keine Neuerer, nur Ausführer und Abwickler. Visionäre Unternehmen denken ökologisch, zukunftsbezogen und verändern zum Positiven. Wer bloß auf den Status quo bedacht ist, hat schon verloren.585 Einem Unternehmen stehen in Grenzbereichen des wirtschaftlichen Handelns drei Möglichkeiten offen  :

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• Innovation  : Es kann sich neu organisieren und neue Wege der Ressourcenbeschaffung und -nutzung erschließen (»new level«). • Resilienz  : Das System überdauert die Zeit der Änderung in einem eingeschränkten Funktionszustand und versucht später in den vorherigen Zustand zurückzukehren (»old level«). • Tod  : Das Unternehmen bewältigt und übersteht den Wandel nicht (»no more level«).586 Untersuchungen belegen, dass sich innovative Unternehmen im Wettbewerb durchsetzen, schneller wachsen und mehr Arbeitsplätze schaffen als weniger innovative Unternehmen.587 Der Erneuerungswettbewerb wird sich zudem beschleunigen, weil weltweit aus bisherigen Imitatoren sehr rasch Innovatoren werden. Innovationen sind ohne Zweifel der Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit und zum Überleben von Unternehmen. Innovationen sind in der Lage, Marktstrukturen und Machtverhältnisse nachhaltig zu verschieben. Das gilt auf der Unternehmensebene wie auf der Ebene von Volkswirtschaften, Nationen und Kulturen.588 Die Grenzen zwischen sinnvoller und sinnfreier Innovation scheinen recht diffus zu sein. Auf Dauer kann ein Unternehmen nicht nur von Geschäftsideen und dem Zukunftspotenzial leben, sondern braucht Umsätze und Gewinne. Immer neue Variantenvielfalten erhöhen oft nur die Kosten. Die Wirtschaftlichkeit aber geht für das Unternehmen nach unten. Während es sich »innovativ« mit den Auswirkungen herumschlägt, können Mitbewerber die Zeit für radikale Konzepte und Perspektiven nutzen.

Perspektiven für die unternehmerische Zukunft Ein hochgestecktes Ziel, egal ob in der Wirtschaft oder im Alltag, sollte so klar und überzeugend sein, dass es kaum oder gar keiner Erklärungen bedarf. Bedenken Sie, dass Ihr hochgestecktes Ziel ein »Ziel« ist – vergleichbar mit dem Erreichen eines Berggipfels oder dem Flug zum Mond – und keine Beschreibung.589 214

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Patentrezepte für Innovationsfähigkeit gibt es keine. Ob und wie gut eine Organisation Innovationen einleitet und bewältigt, ist abhängig von ihrer Führungskultur. Bezieht Führungskultur die unternehmerische Zukunft in ihre Überlegungen mit ein und schafft der Führungsstil einen guten Nährboden für innovatives Handeln im Unternehmen, dann kann und wird sie zum Gelingen von Erneuerung und Wandel beitragen. Für die Gestaltung der unternehmerischen Zukunft sind drei Perspektiven anzuführen  : • Die Erneuerungsperspektive  : Was ist der Schlüssel zu mehr Innovation  ? • Die Perspektive des Wandels  : Wie erreichen wir ständige Innovationsfähigkeit  ? • Die Führungsperspektive  : Wie treiben wir Innovationen gekonnt an  ?590 Der Schlüssel für erfolgreiches Erneuerungsmanagement liegt primär nicht in der perfekten Ausstattung, sondern im Personal. Streben Sie ein Umfeld mit motivierten, kreativen und leistungsorientierten Mitarbeitern an. Schaffen Sie eine Kultur, welche durch Ihre verantwortungsteilende, vertrauensbasierte und vorbildliche Leaderpersönlichkeit lebt.591 Die besten Innovationserfolge entstehen durch eine ideale Unternehmenskultur. Übliches zu hinterfragen und Bewährtes zu verbessern muss der unternehmensinterne Standard sein. Neun verschiedene Kameratypen hatte Shackleton für die Nimrod-Expedition angekauft und damit seine Expedition vom damals üblichen Expeditionsmaler kreativ Richtung Fotografie weiterentwickelt. Später perfektionierte und revolutionierte er bei der Endurance-Expedition mit dem genialen Frank Hurley diese Technik. Sie drehten den ersten Film der Antarktis.

Ein Denkansatz  : Sie geben sich einfach nicht mit dem zufrieden, was Sie heute bieten. Ihre Innovationskraft muss zukünftig so groß sein, dass Sie Ihre eigenen Produkte auf dem Markt ablösen. Zudem wissen Sie, nur wenn Sie hinter Ihren Mitarbeitern stehen, schafft dies ein innovatives Klima. Sie in Ihrer Verantwortung stehen für Ihre Leute ein. Innovative Ununternehmerische zukunft

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ternehmen ersetzen heute offizielle Feiern durch lockeres Beisammensein. Für Sie bedeutet dies mitfeiern und auch mitarbeiten, ohne dabei Autorität oder gar Respekt einzubüßen. Innovationen lassen sich nicht verordnen. Hilfreich ist jedoch die Fähigkeit, Markt- und Kundenwünsche zu erahnen, eine Art soziales Hören und Erspüren zu erlangen.592 Unter Druck gibt es keine Kreativität. Innovationen entspringen nicht allein der Kreativität. Kreativ sein nur als Selbstzweck ist mit Innovationen nicht gemeint. Und doch ist Kreativität die zentralste Eigenschaft, die heute von Leadern gefordert wird. Der Gipfel der Kreativität wird am besten von Josef Zoderer beschrieben  : Dass wir echt waren, werde ich auch noch erfinden. Selbsterlebte Krea­ tivitätserlebnisse finden ihren Höhepunkt in Situationen, in denen mein Vortragspartner argwöhnt  : »Ich frage mich, ob die Leute im Raum wissen, wer wir sind  ?« Und ich antworte  : »Ich frage mich, ob wir das wissen  ?«

Wissen teilen Unter dem Schlagwort »Wissensmanagement« versuchen Unternehmen das Wissen ihrer Mitarbeiter effizienter zu nutzen. Wissen wird in der heutigen Gesellschaft immer öfter als die wichtigste Ressource für den Unternehmenserfolg betrachtet. Wissen kann nur geteilt, bewahrt und weiterentwickelt werden, wenn die Menschen, die dieses Wissen besitzen, bereit und fähig sind, mit anderen zu kooperieren. Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss der Organisation auf die Wissenskooperation. Kooperation braucht die Gelegenheit dazu, und zwar sowohl räumlich als auch zeitlich. Büros, Arbeitsplätze und Pausenräume müssen zum Gespräch und Austausch einladen, wichtige Kooperationspartner sollen ohne großen Aufwand für direkte Gespräche erreichbar sein, Sitzungen müssen genügend Zeit für den Austausch lassen. Wir sprechen in diesem Zusammenhang vom Aufforderungscharakter der Umwelt.593 Idealerweise sind die Bedingungen so gestaltet, dass das kooperative Verhalten immer das Naheliegendere ist. Bezogen auf die Wissenskooperation bedeutet das  : 216

unternehmerische zukunft

• Die Menschen müssen selbst erleben, dass nicht nur sie, sondern alle ihr Wissen zur Verfügung stellen, damit ein Ausgleich im Wissensaustausch zustande kommt. • Erfolgreicher Wissensaustausch setzt eine längerfristige Perspektive voraus. Die Vorteile stellen sich frühestens mittelfristig ein. • Die Beteiligung an Entscheidungen sowie flache Hierarchien und geringe Barrieren sind hilfreich. Alles andere führt zu isolierten Wissens­ inseln innerhalb eines Unternehmens. • Wissenskooperation kostet. Die Aus- und Weiterbildung braucht Zeit und Gelegenheit. • Wissen zu teilen setzt eigenständige und initiative Mitarbeiter voraus. Je transparenter kommuniziert wird und je demokratischer die Strukturen gestaltet sind, desto eher sind die Menschen bereit, ihr Wissen zu investieren und zu teilen. Diese Voraussetzungen sind keine Selbstverständlichkeit im betrieblichen Alltag und werden gerne unterschätzt. Kooperation kann nicht von oben herab als Unternehmensziel verordnet und ohne zusätzliche Kosten in den betrieblichen Alltag integriert werden.594 Shackleton bedachte schon 1902, oben im Ballon, dass noch niemand so eine Perspektive auf die Route zum Pol bekommen hatte, und machte das erste Luftbild vom Weg zum Pol. Damit begann er, Wissen zu teilen.

Wissen ist, nach Robert Jungk, das einzige Gut, das wir mit anderen teilen können, ohne dabei etwas zu verlieren. Jeder muss sich überlegen, ob er in der Lage ist und sich leisten kann, Aufgaben mangelhaft zu erledigen. Und er muss sich überlegen, ob er in der Lage und gewillt ist, Wissen für sich zu behalten. Geteiltes Wissen erhöht die Reaktionsfähigkeit einer Organisation.

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Überraschungsgrad und Flexibilität Heutige Veränderungen für unsere morgige Zukunft erfordern Mut, erschließen aber lohnenswerte Perspektiven.595 Ein frühzeitiges Erkennen und Einbinden relevanter Nachhaltigkeitsperspektiven ist ein lohnenswerter Weg mit dem banalen Ziel, Strategien für neue Herausforderungen zu entwickeln. Der Überraschungsgrad der Umfeldentwicklung wird ständig höher. Die Veränderungsgeschwindigkeit steigt und ist inzwischen höher als die Reaktionsgeschwindigkeit vieler Unternehmen.596 Die erfolgreiche Entwicklung einer Organisation hängt letztlich davon ab, ob sie in ihren jeweiligen sozialen Umfeldern flexibel reagieren kann.597 Dies leuchtet ein, ist aber um lediglich zwei Buchstaben zu kurz gegriffen – oder zu lang. Das Wort »rea­ gieren« ersetze ich nur zu gerne durch »agieren«. Der gezielte Einsatz von Mitarbeitergesprächen, eine optimierte Ausbildung und der richtige Mensch am richtigen Ort – unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten und Bedürfnisse – ist ein Erfolgsgeheimnis. Ziel kann es nur sein, die Arbeitsplatzzufriedenheit, die Identifikation der Mitarbeiter, deren Motivation und deren Leistungsqualität zu erhöhen. Dieses Bestreben schafft Vertrauen und führt zu einer Verbesserung des Personalmanagements.

Auf Intentionen vertrauen Vorausblickende Unternehmen warten nicht, bis eine zugespitzte Situation die notwendige Veränderung erzwingt. Sie bleiben flexibel und, statt auf die jeweils aktuelle krisenhafte Entwicklung zu reagieren, stellen sie sich auf die Zukunft ein, bevor die anderen es tun. Selbst in Zeiten umwälzender Veränderung sehen sie einen Weg in eine bessere Zukunft, kommunizieren diese intern und extern und gehen voran.598 Linda Pelzmann, Professorin für Wirtschaftspsychologie an der Universität Klagenfurt, meint, es sind nur jene Führungskräfte interessant, die Courage haben und im Dienst der Zukunft die richtigen Entscheidungen treffen. Dabei müssen und dürfen sie auf ihre Intention vertrauen.599 218

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Wachstum, Wettbewerb und Unternehmertum gedeihen nur in einem Klima, das geprägt ist von Zuversicht, Vertrauen und aktiver Gestaltung der Zukunft anstelle von Misstrauen, Angst und Hilflosigkeit. Deshalb kommt es nicht nur auf brillante Argumente, sondern mehr noch auf gute Umsetzungen an. Zu einer Gewinnorientierung, die sich dem Gemeinwohl als Grundlage erfolgreichen unternehmerischen Handelns verpflichtet fühlt.600 Shackleton bewies eine auf die Zukunft fokussierte Energie, eine ruhige, maßvolle Entscheidungsfähigkeit, ständige Zuversicht und die Gabe, andere mitzureißen. Für Frank Wild stand außer Zweifel, dass Shackleton der größte Leader war, der jemals auf Gottes Erde gewandelt ist.601

Die Ausblicke auf die unternehmerische Zukunft lassen sich in letzter Konsequenz auf eine berechtigte Aussage der Präventivpsychologen reduzieren  : Tun wir etwas, damit nichts passiert. Ideen sind frei. Sich mit kompromisslosem Einsatz auf das Neue einzulassen ist unsere einzige Chance. Die Wahrheit ist dabei nie ein Kompromiss. Doch wozu Wahrheit  ? Sind sich Wahrheit und Enttäuschung nahe  ? Lohnt sich der Mut zur Wahrheit  ?

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9 . d i e w a h r h e i t i s t k e i n kompromiss Vom Wissen zum Können  : Wir sind nicht alle gleich. Man muss nicht alles wissen. Aber man sollte etwas können.602 Wolf Lotter

Diese Kapitelüberschrift stellt keine unlautere Nähe von Wahrheit und meiner Person her, habe ich doch auch nur eine Idee vom Leben. Das menschliche Bewusstsein, damit Ihres und auch meines, wurde nicht durch die drängende Frage ausgeformt  : »Was ist Wahrheit  ?« Wahrheit ist wohl das dehnbarste Wort der Welt. Wie oft wünschen wir uns Wahrheit und es wird dann nur ein schlechter Kompromiss aus Selbstüberschätzung und scheinbarer Unausweichlichkeit. Wahrheit bezieht sich an dieser Stelle auf die nicht wegdiskutierbaren Auswirkungen von Entscheidungen. Vor allem von sogenannten wirtschaftlichen Entscheidungen und deren Auswirkungen auf die Menschen. Der Grenzgang des Wirtschaftssystems ist vielmals fern von genialen Grenzgängen. Relativierungen und Floskeln werden der vorherrschenden Realität nicht gerecht. Es ist Zeit, dass der Wahrheit als kompromissloser Tugend Raum gegeben wird. Wahrheit meint, mit Mut zu sagen, was wirklich Sache ist. Wenn wir diese Produktionslinie dorthin verlegen, vernichten wir damit hier Arbeitsplätze. Wenn wir zusätzliche Rohstoffe aus dem Land benötigen, zerstören wir die Existenzgrundlage der Einwohner. Wenn wir die Gewinne oben unternehmerische zukunft

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abschöpfen, bleibt weniger für die Umverteilung übrig. Wir machen das, stehen dazu, weil uns das eben so oder so viel wert ist. Leider finden wir die Botschaften nie offen, immer seltener wird den Menschen mit Aufrichtigkeit begegnet. Es muss einen Wert darstellen, wenn jemand zum Vorteil aller etwas kann, egal auf welcher Unternehmensebene. Die dadurch erwirtschafteten Finanzvorteile müssen allen zugutekommen. Was immer möglich sein muss, ist zumindest wahrheitsgemäß den Stand der Dinge und Planungen zu kommunizieren. Alle leben mit ehrlichen Antworten besser als ohne. Die Nimrod-Expedition geriet am Rand der Welt an Punkte, an denen sich alles zuspitzte, an denen die Männer wissen wollten, wie es weitergehen würde. Shackleton blickte dabei der Wahrheit am Limit immer ins Auge, er machte sich und seinen Männern nichts vor.

Am Scheitelpunkt Wenn man nicht vorn ist, an der Spitze, sondern hinten, dann schmerzt es am meisten. Ein hoffnungsloser Schmerz. Vorn an der Spitze schmerzt es auch, aber weil man sich Hoffnung auf den Sieg macht, ist der Schmerz nur halb so schlimm. Welche der folgenden Einstellungen ist richtig  ? Im Buch Shaolin – Du musst nicht kämpfen, um zu siegen  ! vermittelt Bernhard Möstl, wie jeder von uns mit der Kraft des Denkens zu Ruhe, Klarheit und innerer Stärke gelangt. Man muss kämpfen  ! Nicht aufgeben – Siegen lernen, lautet hingegen der Titel des Werkes von Jens Voigt, einem deutschen Rennradprofi, der sich immer durch ein großes Kämpferherz ausgezeichnet hat. Das zeigt, wie unterschiedlich wir Menschen auf die jeweilige Realität zugehen. Wenn einer der Begleiter bei Shackletons Expeditionen meinte, er wolle nicht immer kämpfen, entgegnete Shackleton  : »Was wäre denn das Leben wert, Männer, wenn wir nicht darum kämpfen müssten  ?« 222

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Am Scheitelpunkt des Erfolges tritt die persönliche Wahrheit oder treten Wahrheiten allgemein stärker in unser Bewusstsein. Erfolg ist kein Kriterium der Unterscheidung zwischen wahr und unwahr, zwischen Wahrheit und Lüge. Die Wahrheit ist eher unter den Trümmern der Gescheiterten zu bergen, als in der Geste des Triumphes derer, die sich durchgesetzt haben.603 Unser erworbenes Wissen und Können, unsere Einstellungen und Haltungen wiegen schwer.

Wissen und Können Wir müssen nicht alles wissen, aber wir sollten etwas können. Wenn wir uns und anderen nur Leistungen vortäuschen, ist das zwar auch eine Kunst, aber keine sehr erstrebenswerte. Die meisten Menschen wollen nur das, was sie können. Sie sollen aber das können, was sie wollen  !604 Etymologisch bedeutet die Wortwurzel von Macht, »magh«, Erstaunliches. Wir dürfen sie als »können« übersetzen, nicht als »machen«. Auch das lateinische »potentia« verweist auf ein »Sein-Können«.605 Mächtig ist also der, der ein Könner ist. Wenn jemand nur an die Macht an sich glaubt, auch an die ausufernde Macht, dann wird dies schnell zur toten Vision. Die eigene Faktizität unserer Lebensgegenwart ist der Boden, auf dem Wahrheit möglich ist.606 Die Umsetzung des Wissens in Können macht Leistungen unterscheidbar, dort, wo nichts mehr zählt als die faktische Wahrheit.

Annäherungen an die Wahrheit Es gibt nur wenige Wahrheiten. Der Durchschnittsmensch zweifelt sie an. Das Talent versucht, sie zu vermehren. Und das Genie wiederholt sie. Egon Friedell Bekanntlich beginnt die uns vertraute Philosophie mit den Griechen. Bei ihnen heißt die Wahrheit »aletheia«, was sich wörtlich mit »Unverborgendie wahrheit ist kein kompromiss

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heit« übersetzen lässt.607 Doch dem Wahrheitsverständnis der Griechen auf die Spur zu kommen, ist für manche als gescheitert zu betrachten.608 Manch ein Gelehrter hat sich durch die verschiedenen Wahrheitstheorien gearbeitet und war anschließend ratlos, verstand sie bisweilen selber nicht.609 Wer würde sich nicht mit dem Pathos des von aller Welt unverstandenen Wahrheitssuchers umgeben wollen  ? Søren Kierkegaard hat uns auf Dimensionen der Wahrheit hingewiesen, die Wahrheit lebt von ethischen Voraussetzungen und hat ethische Konsequenzen. Eine einfache, wiederholt anzutreffende, aber keinesfalls simplifizierende Definitionsmöglichkeit sieht Wahrheit als Übereinstimmung von Aussage und Sachverhalt. Wahrheit ist somit die Interpretation des Wahrgenommenen.

Wozu Wahrheit  ? Weil Lügen langfristig nicht sinnvoll ist, könnten wir daraus eine Notwendigkeit für Wahrheit ableiten. Brauchen wir die Lüge, um Wahrheit erkennen zu können  ? Nein, wir brauchen lediglich die Unterscheidung von wahr und falsch. Lügen sind in den meisten Fällen defensiv. Wozu aber Wahrheit  ? Wir brauchen sie, um tatsächlich in Freiheit zu leben.610 Gemeinsames Fragen nach der Wahrheit erweist sich als Überlebensfrage für die Gesellschaft. Der Mensch will die Wahrheit erkennen. Denn Wahrheit gibt Orientierung. Wir können uns stets auf die Menschen verlassen, die die Wahrheit sagen. Weil die Wahrheit existenziell so wichtig ist, wird um sie nicht bloß gestritten, sondern auch gefeilscht. Selbst unter Freunden kommt vor, was in der Wirtschaft und in der Politik fast üblich ist. Man bietet Halbwahrheiten und Dreiviertelwahrheiten an und selten die reine Wahrheit. Die Grenzen verschwinden. Die Grenzen des guten Geschmacks und die der Charakterstärke. Einigen Menschen kommen sie früher abhanden, anderen erst nur allmählich, zu wenigen nie. Ist die erforderliche Trennschärfe nicht mehr gegeben, werden Ungenauigkeiten in der Diktion salonfähig, 224

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dann ist ein Anfang gemacht. Manche Politiker, Wirtschaftsbosse und Personen des öffentlichen Lebens, egal, welchen Landes, egal, welche vorbildhafte Position sie einnehmen oder auszukleiden versuchen, empfanden und empfinden wenig Scham und vermissen noch weniger einen Fairness-Gedanken. Ehrlichkeit, ein knappes Gut  ? An Beispielen mangelt es nicht. Leider. Das trifft sich ganz gut mit der Einsicht, dass wir uns mit der Wahrheit nicht immer nur Vorteile verschaffen. Auch die Ansicht, dass Sachzwänge die Ehrlichkeit vereiteln, kommt dem nahe. Das trifft sich dann mit der Intention, elegant an der Wahrheit vorbeigehen zu wollen. Aber Lüge und Täuschung, Betrug und Hinterlist verwehren uns das Leben, führen uns hinter das Licht. Wahrheiten werden nach wie vor mit wirtschaftlichen, aber auch politischen Mitteln durchzusetzen versucht. So ist ein gesellschaftlich-politischer Machtverlust schwer zu ertragen und verlangt nach Relativierungen, mit deren Hilfe Wahrheit nachträglich konstruiert wird. Keine gute Methode zur Erlangung von Wahrheit.

Anspruch auf Wahrheit Manche verwehren den Menschen ihren Anspruch auf Wahrheit. Es wäre geradezu gefährlich, alles zu sagen. Die Rentenbescheide der heute 30–40-jährigen Menschen sind ja bestenfalls so etwas Ähnliches wie Belletristik.611 Bedeutet Wahrheitsanspruch nicht, dass die Wahrheit einen Anspruch an uns stellt, sie gemeinsam zu erfragen, zu suchen, zu verstehen  ? Nichts nimmt uns die Mühe und letztlich Verpflichtung ab, uns selbst auf die Erforschung und Suche nach der Wahrheit zu machen und darum zu ringen. Wir besitzen die Wahrheit nicht, sondern nähern uns ihr an. Die Wahrheit zu erkennen, ist selten ein Triumph. Es geht nicht um den absurden und unmöglichen Anspruch auf die totale oder gar totalitäre Wahrheit. Doch der schleichende Siegeszug der Lügen, durch die Menschen nach leeren Versprechungen nun als gescheiterte Existenzen dastehen, ist nicht zu tolerieren. die wahrheit ist kein kompromiss

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Realistisch denkend werden wir nie »die« Wahrheit für uns beanspruchen, wissen, dass es zeitweilig eine Art von Balance zwischen wahr und halb wahr gibt, jedoch immer auf der Suche nach der eigentlichen Wahrheit sein.

Wahrheit und Enttäuschung Mit der Verzerrung der Wahrheit beginnt ein fließender Übergang. Bereits eine Auslassung ist ein Verschweigen und auch ein Täuschungsverhalten. Richtig ist nicht, dass eine Enttäuschung im Grunde negativ ist. Richtig ist vielmehr, dass Enttäuschung nichts anderes bedeutet als das Ende einer Täuschung. Enttäuschung, als Aufheben einer Täuschung, aus einer Täuschung herausreißen. Eine Enttäuschung bringt Klarheit und das ist unbedingt als positiv zu bewerten. Die Grenze des Bekannten sind Orte der Erkenntnis. Damit auch Orte für Enttäuschungen. Wahrheit kann weh tun. Nein, Wahrheit tut weh. Wie die Lüge. Aber die Lüge tut nur weh, wenn sie ans Licht kommt – ansonsten bleibt sie die Wahrheit. Fakten bewirken Wahrheiten und Fakten ändern Gefühle. Unsere Leidenschaft für die Wahrheit des anderen ist begrenzt. Jeder Konflikt ist ein Hinweis, dass die Streitenden von der Wahrheit bereits Wesentliches verstanden und für sich gesichert haben, was sie für wahr halten. Die Konfliktpartner haben im Diskurs die Chance, zu lernen und Erkenntniszuwachs zu erlangen. Im Fall immer neu aufbrechender Konflikte ist es hilfreich, sich darauf zu verpflichten, im Gespräch zu bleiben.612 Die eigene Wahrheit infrage zu stellen ist schwierig. Das sind die Weisen, die durch Irrtum zur Wahrheit reisen. Die bei dem Irrtum verharren, das sind die Narren.*

* Rückert, Friedrich  : Gesammelte Gedichte, Bd. II (Erlangen 1836), S. 408.

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Kompromisslose Wahrheitsliebe Es ist ohnehin bekannt, dass sich Personen selbst schwer schädigen auf den Schlachtfeldern des Konjunktivs. Tatsächliche Wahrheitsliebe lässt sich mit dem Indikativ besser ausdrücken und leben. Wahrheit zeigt sich in Tat und Tugend. Eine Gesellschaft, die dem Menschen und seiner Würde und Berufung gerecht wird, klingt idealistisch. Die Treue zur Wahrheit allein ist Garant der Freiheit und der Möglichkeit einer ganzheitlichen menschlichen Entwicklung. Freiheit ohne Gerechtigkeit gerät hingegen zu einem hohlen Begriff, da sie nur die Freiheit der Eliten begünstigt. Wir sollen dazu beitragen, die Wahrheit und ihre Überzeugungskraft im gesellschaftlichen Leben deutlich zu machen. Das ist heute von nicht geringer Bedeutung in einem sozialen und kulturellen Umfeld, das die Wahrheit relativiert und ihr gegenüber oft gleichgültig eingestellt ist.613 Die Wahrheit zu verteidigen, sie überzeugt vorzubringen, ihr auch gegen Widerstände zu folgen, ist faszinierend.

Der Wahrheit folgen Es ist an der Zeit, falscher und missbräuchlicher Autorität entgegenzutreten mit der Kraft des Wissens, dass die Wahrheit immer überlebt. Dass letzten Endes Demut und ein Maß an Bescheidenheit immer überleben.614 Wenige Unterschiede in der Gesellschaft würden weniger Lügen in der Politik provozieren, weil das System weniger zusammengehalten werden muss.615 Politik und Wahrheit scheinen tendenziell in einem eigenartigen Bezug zueinander zu stehen. Nicht automatisch besitzen die Angriffslustigen, die Präpotenten und die Lärmenden die Wahrheit. Auch Schweigen gehört zur Wahrheit. Wahrheit bedingt auch Mut. Ohne Mut weichen Menschen in ihre altvertrauten Denkmuster zurück, kleben alle Risse und stopfen jedes Loch, durch das sie die Wahrheit draußen sehen könnten. Mutige Menschen stellen sich den Herausforderungen, die die Wahrheit mit sich bringt, und verändern sich. die wahrheit ist kein kompromiss

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Der Preis der Wahrheit Wahrheit haben wir nicht zum Besitz, so wie wir Wasser und Luft nicht besitzen können. Den Preis der Wahrheit zahlen oft die anderen. Die Unterprivilegierten, die Ungebildeten und die in unglückliche Umstände oder unwirtliche Regionen Hineingeborenen. Wenn dann jemand kommt und Arbeit mitbringt oder gleich die Ressourcen und Arbeitskräfte vor Ort ausbeutet, dann verkommt der Wert eines Menschenlebens zu einer Randnotiz. Die USA verhindern, zum Wohl des eigenen Landes, mit einem meterhohen Grenzwall das illegale Einwandern aus Lateinamerika. US-amerikanische Erdölfirmen, kanadische Bergbauunternehmen, nordamerikanische Tropenholzfirmen, europäische Fischfangflotten, spanische Elektrizitätsbetriebe dringen hingegen sehr wohl in Lateinamerika ein und schöpfen dort ihre Gewinne ab. Das Wohl dieser Länder und der dort ansässigen Menschen ist dabei bestenfalls zweitrangig oder überhaupt kein Thema.616 Angesichts der Millionen Opfer eines von Gier nach Profit geleiteten Wirtschaftssystems, angesichts skrupelloser Interessen, angesichts der hemmungslosen Zerstörung der ökologischen Grundlage anderer Völker, ihrer und unserer Existenz, angesichts dieses Skandals kann das Selbstbild der »entwickelten Länder« nur als Produkt einer kollektiven gigantischen Verdrängung verstanden werden.617 Die Absurdität, sogenannte wirtschaftliche Entscheidungen nur auf die Wirtschaft zu beziehen, sucht ihresgleichen. Diese Entscheidungen haben stets soziale und gesellschaftliche Auswirkungen, mitunter fataler Natur. Kann die Logik eines Unternehmens, die Menschenopfer zulässt oder gar einkalkuliert, Anspruch auf irgendeine Wahrheit erheben  ? Wo bei der Arbeit für Privilegierte gehungert und gestorben wird, zerfällt alles in sich. Der Existenzkampf der Bewohner der leidenden Erdteile gegen den ungerechten und vorzeitigen Tod ermöglicht uns preiswerte Waren und besondere Kostbarkeiten. Den ökologischen Fußabdruck, das Zu-Ende-Gehen natürlicher Ressourcen, die Ausbeutung von Mensch und Natur blenden wir geschickt aus. Die erkennbaren Tatsachen sagen uns  : Das muss aufhören, anders werden. Dieser Weg führt zur Zerstörung. Aber die Wahrheit will nicht bloß ge228

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wusst werden, sie will auch getan werden. Alle wissen es, wann wird sich etwas ändern  ? Wahrheit ereignet sich nicht dort, wo wir den anderen mit der Waffe unseres starken Arguments niederstrecken und er sich der zwingenden Logik beugen muss, sondern dort, wo wir uns vom bedrohten Leben der anderen infrage stellen lassen.618 Wer in seinem Handeln nicht der Wahrheit entspricht, gefährdet in letzter Konsequenz seine eigene Existenz und auch die anderer. Die Wahrheit ist auch für den Mächtigen, der sie in einem letzten Sinn missachtet, bedrohlich. Am Limit überragt sie alle menschliche Macht.

Wahrheit am Limit Die Wahrheit wird am Limit nur zu gern den Versprechungen, den Prognosen und den Erträgen geopfert. Daraus entstehen Konflikte, wie innerbetriebliche, soziale und gesellschaftliche Differenzen. Es sind diese provozierten Konflikte, an deren Grenzen die Wahrheit sich zeigt. Wenn Entscheidungsträger in der Wirtschaft glaubwürdiger und authentischer agieren, kann unsere Gesellschaft mehr erreichen. Natürlich ist es unlauter, die eisigen Gefilde der Antarktis mit den Gebieten der Ökonomie zu vergleichen. Das antarktische Revier ist viel zu bizarr, um daraus Parallelen zur Wirtschaft zu ziehen. Manchmal aber nicht bizarr genug. Denn die Natur weiß, wann genug genug ist. Warum folgten Shackleton seine Männer bei insgesamt vier Expeditionen nur zu gern, auch an das sprichwörtliche, nein, an das tatsächliche Ende der Welt  ? Die Antwort lautet  : Sie folgten ihm wegen seiner Fähigkeit, Menschen ehrlich zu begeistern und in seinem Tun Grenzen zu erkennen. Die Authentizität einer Persönlichkeit und die Fähigkeit, Mitarbeiter zu begeistern, sind wichtige Faktoren für den Erfolg der Unternehmensführung. Diese Erkenntnis ist heutzutage unbestritten. Der einzigartige Polarforscher konnte dies alles ausgezeichnet umsetzen.

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Dank seiner Ruhe, Gelassenheit und Fairness gelang die Rettung seiner Mannschaft. Mit menschlicher Größe gab er seinen Männern Mut und Willenskraft.619

Mut zur Wahrheit Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht. Mut bedeutet vorwärtszugehen, sich dem Risiko zu stellen, Entscheidungen zu treffen und hinter seinen Werten und Prinzipien zu stehen, auch wenn es einfacher wäre, sie preiszugeben. Wirklich couragierte Leader scheuen die ehrliche Kommunikation mit ihren Mitarbeitern nicht und holen bewusst deren Meinung ein.620 Mut machen die Schilderungen von kleinen und großen Katastrophen, die dennoch die Loyalität von Shackletons Mannschaft nicht erschütterten. Die Respektbekundungen, die ihm gezollt wurden, weil er nichts von seiner Mannschaft erwartete, was er nicht auch von sich erwartet hat.621

Unternehmer, welche der Wahrheit mit Mut begegnen, erkennen zwei Geheimnisse für ihren wirtschaftlichen Erfolg  : • Alles, was Leader brauchen, sind gute Leute, wirklich gute Leute. • Die einzige Leaderkompetenz, die wirklich zählt, ist die, die Ihnen Ihre Leute freiwillig und mit vollem Bewusstsein einräumen.622 Die Wahrheit zu suchen fordert den Mut, sich aus der Deckung hervorzuwagen und sich auf schwankenden Boden zu begeben. Wahrheit muss nicht zwingend dort zu finden sein, wohin die Mehrheit der Stimmen weist. Sie kann auch auf der Seite derer sein, die den Mut haben, allein gegen den erdrückenden Konsens aufzustehen, ihrem eigenen Wahrheitsgewissen zu folgen und dabei ein Risiko einzugehen.623 Obwohl ich als Mensch weiß, dass es unbeliebt macht, seine Wahrheit zu sagen, sage ich die meine. 230

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Die Konfrontation mit der Wahrheit Sehr salopp formuliert gilt für das Ringen um die Wahrheit  : die Bescheidwisser, die Besserwisser, die Klugscheißer – sie sind der Tod der Wahrheit.624 Reden bewahrt mich davor, mit mir selbst in Berührung zu kommen. Das Schweigen öffnet mir den Weg zu mir selbst. Der Zuviel-Sprechende flieht oft nur vor sich selbst. Schweigen und Zuhören gibt anderen und der Wahrheit Raum. Martha Zechmeister hält es in Der Preis der Wahrheit für unverzichtbar, am Anspruch der »einen« Wahrheit und ihrer universalen Gültigkeit festzuhalten.625 Dies trifft sich sehr gut mit meiner Sichtweise der Dinge. Überlegungen, die von der Überzeugung getragen sind, dass die Wahrheit kein Kompromiss ist. In Anlehnung an Anselm Grün formuliere ich als Zugang dafür  : Halte dem anderen die Wahrheit wie einen Mantel hin, in den er hi­neinschlüpfen kann, schlage sie ihm nicht wie ein nasses Tuch um die Ohren.626 Leichtnehmen, was sein muss und das Unvermeidliche zu akzeptieren, ist ein probates Mittel. Wahrheit ist ein Kriterium für persönliche Freiheit. Letztendlich kann nur jeder Einzelne für sich ein positives Erleben der Wahrheit in seinem Tun Wirklichkeit werden lassen.

Die Wahrheit ist größer als wir Ein Satz eines Mannes, der sich sein ganzes Leben um den Freiraum von Löwen in der Natur kümmerte, fällt mir dazu ein  : Wer wird seine Stimme erheben, wenn meine mit dem Wind fortgetragen ist  ? Sollte es Ihnen einmal schwerfallen, der Wahrheit zu folgen, so formulierte Romy Schneider treffend  : Das Nicht-Leichte ist das Reizvolle. Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar. Ingeborg Bachmann

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1 0 . n a c h w o r t  : h u b e r t n e u p e r Über den kritischen Punkt In meinem Leben habe ich sehr viele Aufgaben gestellt bekommen. In unterschiedlichsten Formen wurde ich in Grenzbereichen gefordert. Sportlich, beruflich oder wirtschaftlich ging ich an Limits. Immer wieder suchte ich dabei nach einem Patentrezept für Erfolg beziehungsweise für ein glückliches Leben. Nach all den Wegen, die ich als Grenzgänger gegangen bin, weiß ich heute, dass die scheinbar so wichtige Anerkennung von außen nur mit Maßen konsumiert und nicht überbewertet werden sollte. Im Grunde bedeutet sie nichts. Sie ist wie Tag und Nacht, sie kommt und geht. Die einzige Anerkennung, die bleibt, ist jene Achtung, die wir vor uns selbst haben. Ist man abhängig von der Bestätigung durch andere, geht man nicht mehr seinen Weg. Man richtet sein Leben nach falschen Bedürfnissen aus und bleibt selbst dabei auf der Strecke. Hinzu kommt, dass uns vorgelebt wird, keine Schwächen zu zeigen. Man spielt oft eine Rolle, durch welche man seine Mitmenschen und vor allem sich selbst täuscht. Die Seele lässt sich jedoch auf dieser unmöglichen Gratwanderung nicht belügen. Kompromisslos, wie die Wahrheit ist, fordert sie ihren Raum. Das Einzige, was bleibt, ist die Flucht vor sich selbst. Probleme lösen wir aber genau mit dem Gegenteil  : Die Situation anzunehmen und sie mit Aufrichtigkeit ertragen und besser gestalten – das ist oft schwer, aber die einzige Möglichkeit für eine positive Entwicklung. Vor nicht allzu langer Zeit durchlebte ich grenzwertig fordernde Phasen und hatte erfahren, was es heißt, wenn die Lebens- und Arbeitsbalance genachwort : hubert neuper

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nau an einem kritischen Punkt aus den Fugen gerät. Nach Analysen, wieso es so weit kommen konnte, stellte ich am Ende des Tages fest, dass ich aufgehört hatte, meiner Intuition zu folgen. Alles musste ich verstehen, alles musste ich selbst ausarbeiten und analysieren. Ich glaubte, dass eine noch so gute Sache negative Seiten hatte – ein großer Irrtum der Menschen. Wenn Sie spüren, etwas ist richtig, dann handeln Sie einfach mit positiver Kraft danach. Überlastung, Zweifel und Furcht hingegen hinterlassen dunkle Flecken auf jeder Seele. Auf Ihrer und auch auf meiner. Irgendwann halten das Menschen nicht mehr aus und werden durch Situationen wie Burn-out, Krankheit oder dergleichen aufgefordert, etwas zu ändern – das Leben wieder in die Hand zu nehmen. Das sehe ich als leidenschaftliches Wiedererlangen der Souveränität über sich selbst. Mein Leben selbst zu gestalten, das versuche ich seit dem Durchleben eines Burn-outs jeden Tag. Ich will unmöglich Erscheinendes Realität werden lassen. Motivation, Begeisterung und Leadership stehen heute im Zent­rum meines Lebenskonzeptes. Um die richtigen Entscheidungen für Ihre Zukunft zu treffen, müssen und dürfen Sie, wie Shackleton, auf Ihre Intuition vertrauen. Hubert Neuper Bad Mitterndorf

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nachwort : hubert neuper

11. epilog Shackletons Rückzug aus der Wildnis der Antarktis ist zweifellos spannender als alle Erfolge anderer Abenteurer. Reinhold Messner

Der Mann, der immer zurückkam Ein Polarforscher in seiner irrwitzigen weißen Welt von gestern kann uns heute für morgen Wege und Ziele eröffnen. Ein genialer Grenzgang erhält sein Attribut nicht umsonst. Er ist das Erkennen der Grenze und deren maßvolles oder zeitlich beschränktes Überschreiten. Nicht mehr und nicht weniger. Klagen über Langeweile scheint es bei Shackletons Expeditionen kaum gegeben zu haben, und letztlich sollte man Frank Wilds Worte über die Gewöhnung an die Schrecken des Eises und der Finsternis ernst nehmen.627 Reinhold Messner bezeichnet Shackleton als einen seiner Helden, der bei all seinen Touren gescheitert ist. Wie aber sein vorbildliches Leadership alle Rückzüge aus der Antarktis gelingen ließ, ist zweifellos spannender als alle Erfolge anderer Abenteurer. Shackleton verlangte sich selbst und seinen Männern das Äußerste ab. Er bewies seine wahre Größe im Angesicht grandiosen Scheiterns und verlor auf seinen waghalsigen Expeditionen nie ein Menschenleben. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, sind seine Taten unerreicht. Die große Kunst des Grenzgängers besitzt jener, der immer wieder überlebt.628 Genial ist ein Grenzgang nur, wenn er uns wieder gesund nach 11. epilog

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Hause kommen lässt. Alles andere ist unnötiges Risiko für sich selbst und andere. Nur wer seine eigenen Grenzgänge erzählen kann, ist dadurch auch in der Lage, ein Wegbereiter für andere Menschen zu werden. Dass wir persönlich an ein Limit geraten, ist meist leicht zu erkennen, doch schwer zu ertragen. Jedes Erlebnis am Limit verändert uns unweigerlich.

Wer dorthin geht, kommt als anderer zurück Wie diejenigen, die auf dem Mond gewesen sind, scheinen Polarforscher für immer durch ihre Erfahrung geprägt zu sein. Ernest Shackleton muss etwas darüber gewusst haben, wie man in der Eiswüste den Tod besiegt. Sein Können war zu mannigfaltig ausgeprägt, um alle Facetten mit einem Anspruch auf Vollständigkeit darzulegen. Was bleibt übrig von ihm, »außer« dass der Shackleton-Krater am Südpol des Mondes seinen Namen trägt  ? Ich weiß nicht die zutreffendste und ehrlichste Antwort, die man geben kann, aber selbst bei der kritischsten Betrachtung  : Shackleton war, ist und bleibt revolutionär  ! Bei einer Abstimmung in der Fernsehsendung 100 Greatest Britons des Senders BBC wurden die bedeutendsten Persönlichkeiten in der Geschichte Großbritanniens gewählt. Von Zuschauern aus Großbritannien und Nordirland erhielt Shackleton so viele Stimmen, dass er rund 100 Jahre nach der Nimrod-Expedition auf Platz elf landete.* Die Annahme ist berechtigt, dass Shackleton dies freuen würde wie kaum etwas zuvor.

Am Limit wie nie zuvor Das Ende der großen heroischen Ära fiel zeitlich unmittelbar mit Shackletons Tod zusammen. Was die Persönlichkeiten und Umstände betrifft, ist sie unwiederbringlich dem Gestern zugeordnet. Keine weitere Expedition, * Sein ewiger Rivale Scott rangiert nur auf Platz 54.

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11. epilog

egal ob an das obere oder untere Ende der Welt, war jemals dermaßen isoliert, auf sich gestellt und somit am Limit unterwegs. Nie wieder. Josef Hoflehner, der als Fotograf* mehrmals Nimrod Hut und die Umgebung dokumentierte, schrieb  : Betrachten wir die zur Verfügung gestandene Ausrüstung, so erscheint das Vorhaben als praktisch unmöglich und ist für mich auch in Ansätzen nicht nachvollziehbar. Und dennoch, es steht außer Zweifel, dass die Eroberung des Südpols für Shackleton machbar gewesen wäre, hätte er verantwortungslos agiert. Bewusst verzichtete er auf extreme Risiken, nur um ein gestecktes Ziel zu erreichen.** Hätte Shackleton die richtigen Ratschläge erhalten, insbesondere was Pelzkleidung, Ski und Schlittenhunde anbelangt, die Amundsen-Scott-Station am Südpol würde heute einen anderen Namen tragen.629 Die weißen Flecken der Landkarte haben sich gefüllt, und im gleichen Maße sind die Erkunder ausgestorben. Wo gibt es heute noch den heldenhaften Forschungsreisenden  ? Selbst auf dem Mond wäre er nicht so allein, wie die Männer dieser Expedition es zeitweilig waren.630 In der Geschichte der Polarforschung geziemt Sir Ernest Shackleton ein Ehrenplatz. Nicht, weil er wissenschaftliche Erkenntnisse mitgebracht hätte. Daran lag ihm offenbar wenig. Vielmehr wegen seiner von Mut und Beharrlichkeit geprägten Expeditionen, auf denen er zwar nie das Ziel erreichte, die aber immer glücklich endeten. Dies ließ ihn aufsteigen zu einem der größten Heroen aller Zeiten.631

Der Stein auf dem Schreibtisch Auf meinem Schreibtisch liegt ein Stein. So wie bei Ihnen zu Hause oder am Arbeitsplatz vielleicht einer von den Bergen oder vom Urlaubsstrand liegt. Als Erinnerung an schöne und besondere Tage. Der Stein auf meinem Tisch ist ebenfalls von einem Strand. Einem besonderen südlichen Strand, nahe

*

Bildbände  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton & Southern Ocean.

** Ausführungen von Josef Hoflehner im Nachwort zu meinem Buch »Manager müssen Mut machen – MYTHOS SHACKLETON«.

11. epilog

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dem unteren Ende der Welt. Einem Ufer, auf dem schon Ernest Shackleton stand und von dem er seine Männer zurück in die Zivilisation rettete. Das mag ich an dem Stein, weil er mich in Shackletons Nähe bringt. Dieses Buch kann Ihnen, in Gedanken, Shackleton nahebringen. Das würde mich freuen. Sehr sogar. Shackleton war ein Wanderer zwischen den Welten. Seine Spaziergänge waren nur etwas einsamer und länger als unsere. Und seine Welten waren weiter voneinander entfernt. Einen Luxusartikel hat er sich dabei immer geleistet  : Charakter. Literarisch und damit unerhört überhöhend im Ausdruck hege ich große Sympathie für meine Behauptung  : Nansen und Amundsen reichen bis zum Himmel, Shackleton kommt von dort  ! Wir können ohnehin nur die Schatten unserer Träume verwirklichen, zehn Prozent möglicherweise. Unsere Träume, unsere Sehnsüchte und Hoffnungen wollen ernst und wichtig genommen werden. Wer sie verdrängt, unterdrückt das Beste in sich und wird ein leerer Mensch. Zwischen Genie und Wahnsinn liegt eine schmale Grenze. Das Genie geht glatt durch die Wand . . . . . . auch, wenn es dazu 97 Meilen vor dem Pol umdreht.

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11. epilog

12. danksagung

Wie bei »Manager müssen Mut machen« geriet auch dieses Mal der Weg von der Idee bis zum vorliegenden Buch zu einer Art Grenzgang. Von Genialität wohl weit entfernt, aber mit einem gewissen Anspruch. Am Limit habe ich mich dabei auch bewegt. Manchmal, mehr oder weniger. Möglich war es nur durch jene Menschen, die mich auf dem Weg dabei auf ihre Art und Weise unterstützt haben und denen ich von Herzen danken möchte  : Prof. DDr. Hans Hofinger für seine Anregungen und sein Vorwort zum Buch. Auch, ja noch viel mehr, freue ich mich über seine bedingungslose Herzlichkeit und absolute Verlässlichkeit in allen Facetten des Lebens. Heute seltene Tugenden, die er wahrlich beherrscht und vorlebt. Hubert Neuper, dem begnadeten Visionär und Grenzgänger, welchen ich mir für das Nachwort wünschte, für seine ganz besonderen Ausführungen. Wir beide sitzen jeweils an einem Ende oder Anfang des Salzkammerguts, und uns verbindet die Leidenschaft für Grenzgänge am Limit. Prof. Mag. Norbert Huber, meinem ehemaligen Professor und heutigen Freund, für die Gedanken aus zwei gemeinsamen Jahrzehnten in den Bergen und Büchern, seine Stilberatung und Korrektur. Dipl.-Oec. Rainer Hornbostel, mit dem mich viele geniale wirtschaftliche Grenzgänge und das Buch Manager müssen Mut machen verbinden, für seine exakten Anmerkungen zur Endfassung. Der Autorin Kari Herbert, die selbst das ewige Eis von frühester Kindheit an kennt, für ihr Buch Polarfrauen, welches ich im Sommer 2011 gelesen 11. epilog

239

hatte. Ihre Ausführungen haben meine Gedanken angeregt und in mir die Begeisterung geweckt, Geniale Grenzgänge zu verfassen. Meiner Frau Elke, meiner Muse, die in ihrer beinahe unendlichen Gelassenheit und damit als Ausgangspunkt und Ruhepol für meine Leidenschaften die wesentliche Basis für mein Leben ist. Die mir meine Grenzgänge in Beruf und Sport zugesteht. Unserer Hannah für ihre unkomplizierten Ansichten und den Blick von außen. Meinen Eltern. In Liebe, Respekt und Dankbarkeit. Für die erlebte Liebe. Für den selbstverständlichen Respekt. In Anerkennung für ihr stilles Heldentum, jeden Tag zur Arbeit zu gehen und meine Ausbildung zu unterstützen. Meinen Schwiegereltern, die uns im Leben so vieles ermöglichen. Zudem danke ich  : Dr. Eva Reinhold-Weisz von der Programmplanung, meinen Verlegern Dr. Peter und Mag. Johannes Rauch und all ihren Mitarbeitern im Böhlau Verlag. Jenni Chrisstoffels von der Alexander Turnbull Library, The Library Of New Zealand in Wellington, für ihre Auskünfte zu den Originalbildern. Den Mitarbeitern des Alfred Wegener Institutes in Bremerhaven für die Beratung zu den Expeditionsbildern. Josef Hoflehner, dem genialen Fotokünstler aus Wels, für seine Erzählungen von Nimrod Hut. Wolfgang Zopf für das offizielle Autorenbild.

240

danksagung

13. anmerkungen Die Nimrod-Expedition – Shackletons genialer Grenzgang  1 Felsch, Philipp  : Wie August Petermann den Nordpol erfand, S. 14–16  2 Huntford, Roland in Universum – Wettlauf zum Südpol, Erstausstrahlung 13. 12. 2011 auf ORF2  3 Koehn, Nancy F.  : Ernest Shackleton – Exploring Leadership, S. 7  4 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 7  5 Felsch, Philipp  : Wie August Petermann den Nordpol erfand, Innenumschlag vorne  6 Felsch, Philipp  : Literaturen, S. 35  7 Felsch, Philipp  : Wie August Petermann den Nordpol erfand, S. 81–84  8 Baumgartner, Peter P./Hornbostel, Rainer  : Manager müssen Mut machen – Mythos Shackleton, S. 194  9 Niven, Jennifer  : Packeis – Das Drama der kanadischen Polarexpedition von 1913, S. 19–20 10 Felsch, Philipp  : Literaturen, S. 32 11 Huntford, Roland  : Shackleton, S. 3 12 Alexander, Caroline  : Die Endurance – Shackletons legendäre Expedition in die Antarktis, S. 16 13 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 47–49 14 Smith, Michael  : The Boss, S. 11 15 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 87 16 Felsch, Philipp  : Literaturen, S. 35 17 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 99 18 Smith, Michael  : The Boss, S. 15 19 Baumgartner, Peter P.  : Cooperativ, S. 6 20 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 19 21 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 93 22 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 37 23 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 93 24 Zeilinger, Johannes  : Auf brüchigem Eis, S. 37

anmerkungen

241

25 Hess, Asmus  : spiegelonline 26 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 94 27 Alexander, Caroline  : Die Endurance – Shackletons legendäre Expedition in die Antarktis, S. 16 28 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 18 29 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 35 30 Huntford, Roland  : Shackleton, S. 161 31 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 163 32 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 157–158 33 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 96 34 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 34–35 35 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 39 36 Huntford, Roland  : Shackleton – Die Reisen, S. 86 37 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 97 38 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 39 39 Worsley, Henry  : In Shackleton’s Footsteps, S. 39 40 Kostyal, K. M.  : Trial By Ice, S. 26 41 Plimpton, George  : Ernest Shackleton, S. 38 42 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 169–171 43 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 39 44 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 184 45 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 40 46 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 174 47 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 39 48 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 40 49 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 173 50 Worsley, Henry  : In Shackleton’s Footsteps, S. 241 51 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 176–177 52 Worsley, Henry  : In Shackleton’s Footsteps, S. X 53 Huntford, Roland  : Shackleton – Die Reisen, S. 86 54 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 179–180 55 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 85 56 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 36 57 Huntford, Roland  : Shackleton – Die Reisen, S. 87 58 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 86

242

anmerkungen

59 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 98 60 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 41 61 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 196–199 62 Huntford, Roland  : Shackleton – Die Reisen, S. 88 63 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 88 64 Mercy, David  : Berserk, S. 85 65 Bickel, Lennard  : Shackleton’s Forgotten Men, S. 17 66 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 45 67 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 98–99 68 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 45 69 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 155 70 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 226 71 Huntford, Roland  : Shackleton – Die Reisen, S. 90 72 Morrell, Margot/Capparel, Stephanie  : Shackletons Führungskunst, S. 303 73 Kostyal, K. M.  : Trial By Ice, S. 29 74 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 46 75 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 76 76 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 74 77 Gunkel, Christoph  : Der Ruhm des Scheiterns, spiegelonline 78 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 87 79 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 86 80 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 188 81 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 169–170 82 Klausbruckner, Bruno  : Ausgangspunkt Antarktis, S. 91 83 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 149–152 84 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 170 85 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 146 86 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 74 87 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 98 88 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 244 89 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 74 90 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 132–135 91 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 245–246 92 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 254–255

anmerkungen

243

 93 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 111–113  94 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 114–115  95 Huntford, Roland  : Shackleton – Die Reisen, S. 83  96 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 116–117  97 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 142  98 polarnews  : polarnews.de, 22. 12 .2009  99 bbc news magazine  : 17. 11. 2009 & bbc news magazine  : 4. 4. 2011 100 weltonline  : 6. 4. 2010 101 weltonline  : 6. 4. 2010 102 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 343 103 Huntford, Roland  : Shackleton, S. 89 104 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 124 105 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 124 106 Huntford, Roland  : Shackleton – Die Reisen, S. 93 107 Gunkel, Christoph  : Der Ruhm des Scheiterns, spiegelonline 108 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 136 109 National Maritime Museum  : Aurora Australis  : printed at The Sign of the Penguins 110 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 249 111 National Maritime Museum  : Aurora Australis  : printed at The Sign of the Penguins 112 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 136 113 Gunkel, Christoph  : Der Ruhm des Scheiterns, spiegelonline 114 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 47 115 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 47–48 116 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 266 117 Worsley, Henry  : In Shackleton’s Footsteps, S. 99 118 Plimpton, George  : Ernest Shackleton, S. 42 119 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 267 120 Gunkel, Christoph  : Der Ruhm des Scheiterns, spiegelonline 121 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 48 122 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 268 123 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 48 124 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 268–269 125 Huntford, Roland  : Shackleton – Die Reisen, S. 96 126 Kostyal, K. M.  : Trial By Ice, S. 31 127 Alexander, Caroline  : Die Endurance – Shackletons legendäre Expedition in die Antarktis, S. 17 128 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 272

244

anmerkungen

129 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 48 130 Huntford, Roland  : Shackleton, S. 249 131 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 48 132 Messner, Reinhold  : Antarktis – Himmel und Hölle zugleich, S. 233 133 Huntford, Roland  : Shackleton – Die Reisen, S. 98 134 Cherry-Garrard, Apsley  : Die schlimmste Reise der Welt, S. 45 135 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 274 136 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 166–167 137 Gunkel, Christoph  : Der Ruhm des Scheiterns, spiegelonline 138 Gunkel, Christoph  : Der Ruhm des Scheiterns, spiegelonline 139 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 48 140 Gunkel, Christoph  : Der Ruhm des Scheiterns, spiegelonline 141 Worsley, Henry  : In Shackleton’s Footsteps, S. 158 142 Huntford, Roland  : Shackleton – Die Reisen, S. 98 143 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 293 144 Worsley, Henry  : In Shackleton’s Footsteps, S. 143 145 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 295–298 146 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 48 147 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 298 148 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 303 149 Messner, Reinhold  : Antarktis – Himmel und Hölle zugleich, S. 121 150 Gunkel, Christoph  : Der Ruhm des Scheiterns, spiegelonline 151 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 305 152 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 49 153 Huntford, Roland  : Shackleton, S. 272 154 Ebert, Wolfgang/Graffe, Georg/Klein, Günther  : Unterm Kreuz des Südens, S. 246 155 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 100 156 Huntford, Roland  : Shackleton – Die Reisen, S. 99 157 Worsley, Henry  : In Shackleton’s Footsteps, S. 7 158 Smith, Michael  : The Boss, S. 122 159 Worsley, Henry  : In Shackleton’s Footsteps, S. 7 160 Huntford, Roland  : Shackleton – Die Reisen, S. 145 161 Worsley, Henry  : In Shackleton’s Footsteps, S. 193 162 Messner, Reinhold  : Antarktis – Himmel und Hölle zugleich, S. 215 163 Gunkel, Christoph  : Der Ruhm des Scheiterns, spiegelonline 164 Messner, Reinhold  : Antarktis – Himmel und Hölle zugleich, S. 51

anmerkungen

245

165 Gunkel, Christoph  : Der Ruhm des Scheiterns, spiegelonline 166 Huntford, Roland  : Shackleton – Die Reisen, S. 99 167 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 49 168 Sobel, Dava  : Längengrad, S. 18 169 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 49–50 170 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 101 171 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 329 172 Messner, Reinhold  : Antarktis – Himmel und Hölle zugleich, S. 125 173 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 331 174 Mercy, David  : Berserk, S. 83 175 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 101 176 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 334 177 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 50 178 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 336 179 Ebert, Wolfgang/Graffe, Georg/Klein, Günther  : Unterm Kreuz des Südens, S. 251 180 Gunkel, Christoph  : Der Ruhm des Scheiterns, spiegelonline 181 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 339 182 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 50 183 Huntford, Roland  : Shackleton – Die Reisen, S. 100 184 Kostyal, K. M.  : Trial By Ice, S. 32 185 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 50 186 Alexander, Caroline  : Die Endurance – Shackletons legendäre Expedition in die Antarktis, S. 17 187 Messner, Reinhold  : Antarktis – Himmel und Hölle zugleich, S. 43 188 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 360 189 Huntford, Roland  : Shackleton – Die Reisen, S. 103 190 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 367–368 191 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 371 192 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 103 193 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 50 194 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 375 195 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 103 196 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 376–377

246

anmerkungen

197 Huntford, Roland  : Shackleton – Die Reisen, S. 150 198 Huntford, Roland  : Shackleton, S. 299 199 Huntford, Roland  : Shackleton – Die Reisen, S. 151 200 Baumgartner, Peter P.  : Privatfoto des Autors, aufgenommen im Dulwich College, Zeitungsauschnitt in der großen Halle 201 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 379–380 202 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 248 203 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 250 204 Im Buch von Kari Herbert dürfte hier ein Umrechnungsfehler passiert sein, da sie lediglich 150.000 € angibt. Vergleiche mit anderen Quellen und dem Umrechnungsprogramm auf MeasuringWorth.com ergeben rund 1,5 Millionen € 205 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 249 206 Huntford, Roland  : Shackleton, S. 316 207 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 403–404 208 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 388 209 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 251 210 The London Gazette, Titelblatt (9763) 211 Lansing, Alfred  : 635 Tage im Eis, S. 19–20 212 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 251 213 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 255 214 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 51 215 Baumgartner, Peter P.  : Management & Qualität, S. 8 216 Kremla, Andreas  : Buchkultur, S. 50 217 Baumgartner, Peter P.  : Cooperativ, S. 7–9 218 Universum  : In der Hölle des Packeises 219 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 124 220 Scott Research Polar Institute  : Reference number  : 1537/1/1  ; SL 221 The New York Times, 31. 1. 1922 222 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 346 223 weltonline  : 6. 4. 2010 224 Ebert, Wolfgang/Graffe, Georg/Klein, Günther  : Unterm Kreuz des Südens, S. 251 225 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, S. 154 226 Amundsen, Roald  : Die Eroberung des Südpols, S. 50 227 Zimmermann, Christa-Marie  : Gefangen im Packeis, S. 93 228 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 409 229 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 352 230 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 350 231 Kvam, Ragnar jr.  : Im Schatten, S. 26 232 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 332

anmerkungen

247

233 Langner, Rainer K.  : Duell im ewigen Eis, S. 9 234 Zeilinger, Johannes  : Auf brüchigem Eis, S. 9 235 Messner, Reinhold  : Literaturen, S. 13–14 236 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 395 237 Messner, Reinhold  : Antarktis – Himmel und Hölle zugleich, S. 233 238 Bickel, Lennard  : Shackleton’s Forgotten Men, S. 12 239 Baumgartner, Peter P./Hornbostel, Rainer  : Manager müssen Mut machen – mythos shackleton, S. 123 240 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 307 241 Messner, Reinhold  : Antarktis – Himmel und Hölle zugleich, S. 361 242 Zeilinger, Johannes  : Auf brüchigem Eis, S. 319 (Ebenda im Bezug auf Nordpol verwendet) 243 Fasching, Wolfgang  : Leben am Limit, S. 18

Limits in der Wirtschaft und am Ende der Welt 244 Hofinger, Hans  : Die Gewerbliche Genossenschaft, 2/2009, S. 13 245 Messner, Reinhold  : Mein Leben am Limit, S. 158 246 Sedlacek, Norbert  : Icelimit, S. 11 247 Messner, Reinhold  : Berge versetzen – Das Credo eines Grenzgängers, S. 196 248 Fasching, Wolfgang  : Leben am Limit, S. 30 249 Fasching, Wolfgang  : Du schaffst, was Du willst, S. 60 250 Messner, Reinhold  : Literaturen, S. 15 251 Fuchs, Arved  : Grenzen sprengen – Erfahrungen aus Extremsituationen erfolgreich nutzen, S. 153 252 Fuchs, Arved  : Grenzen sprengen – Erfahrungen aus Extremsituationen erfolgreich nutzen, S. 27 253 Messner, Reinhold  : www.reinhold-messner.de, 11. 2. 2012 254 Nagel, Gerhard  : Chefs am Limit  : 5 Coaching-Wege aus Burnout und Jobkrisen, S. 144 255 Götzl, Stephan  : Gedanken zu Ethik und Moral in der Wirtschaft, S. 23 256 Binswanger, Hans Christoph  : Die Glaubensgemeinschaft der Ökonomen, S. 15 257 F.A.Z.-Institut für Management  : Stress, S. 16 258 Wagner, Yvonne  : Frankfurter Allgemeine – faz.net, 3. 12. 2008 259 Sebastian Vettel nach dem Formel-1-Grand Prix von Kanada, in dem er in einer der letzten Kurven unter Bedrängnis kurzzeitig von der trockenen Ideallinie abwich und dadurch seinen Sieg denkbar knapp verschenkte. (12. 6. 2011) 260 Havermann, Juliane  : Handelsblatt-Perspektiven, S. 15 261 Noe, Manfred  : Crash-Management in Projekten, S. 11 262 Malik, Fredmund  : Wenn Grenzen keine sind, CD-Beschreibung 263 Müngersdorf, Jörg  : Geheimnis Leadership, S. 12 264 Naish, John  : Genug – Wie Sie der Welt des Überflusses entkommen, S. 39–40

248

anmerkungen

265 Nax, Wilfried  : Wenn am Limit produziert wird, Informationsdienst Wissenschaft, idwonline.de, 30. 7. 2007 266 Nax, Wilfried  : Wenn am Limit produziert wird, Informationsdienst Wissenschaft, idwonline.de, 30. 7. 2007 267 Brand, Jobst-Ulrich/Elfein, Christoph/Pawlak, Carin/Ruzas, Stefan  : Die Moral-Macher, S. 200 268 Hammer, Mark  : Freud und Leid mit Mikrokrediten, 10. 6. 2011 269 Brand, Jobst-Ulrich/Elfein, Christoph/Pawlak, Carin/Ruzas, Stefan  : Die Moral-Macher, S. 159–164 270 Binswanger, Hans Christoph  : Die Glaubensgemeinschaft der Ökonomen, S. 13 271 Wochenblatt  : Produktion am Limit, wochenblatt.de, 20. 5. 2011 272 Covey, Stephen R.  : Die sieben Wege zur Effektivität, S. 128 273 Naish, John  : Genug – Wie Sie der Welt des Überflusses entkommen, S. 13 274 Hofinger, Hans  : Die Gewerbliche Genossenschaft, 2/2009, S. 17 275 Lorenz, Konrad  : Umweltgewissen 276 Hofinger, Hans  : Benedikt als Menschenführer, S. 195 277 Nagel, Reinhart  : Hernsteiner, 4/2001, S. 16 278 Baumgartner, Peter P./Hornbostel, Rainer  : Manager müssen Mut machen – mythos shackleton, S. 89 279 Braun, Roman  : Die Macht der Rhetorik, S. 2 280 Nagel, Gerhard  : Chefs am Limit  : 5 Coaching-Wege aus Burnout und Jobkrisen, Buchrückseite 281 Halstrup, Dominik/Steinert, Carsten  : Studie  : Schlechte Führung wird toleriert, wenn die Zahlen stimmen, Hochschule Osnabrück, 4. 7. 2011 282 Precht, Richard David  : Freiheitskongress »Chancen für morgen«, Berlin, 3. 10. 2010 283 Moeller, Klaus-Ulrich  : brand eins, 9/2007, S. 14 284 Lotter, Wolf  : brand eins, 9/2007, S. 118–119 285 Messner, Reinhold  : Mein Leben am Limit, S. 134–135 286 Messner, Reinhold  : Mein Leben am Limit, S. 31 287 Huntford, Roland  : Shackleton – Die Reisen, S. 153 288 Messner, Reinhold  : Antarktis – Himmel und Hölle zugleich, S. 362 289 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 343 290 Im Buch von Kari Herbert dürfte hier vermutlich ein Umrechnungsfehler passiert sein, da sie lediglich eine Million Euro angibt. Vergleiche mit anderen Quellen und dem Umrechnungsprogramm auf MeasuringWorth.com ergeben rund drei Millionen Euro. 291 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 348 292 Baumgartner, Peter P.  : Cooperativ, S. 6 293 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 174 294 Hübner-Weinhold, Hamburger Abendblatt, S. 61 295 Messner, Reinhold  : Mein Leben am Limit, S. 136 296 Perkins, Dennis  : Leading at the Edge. Leadership lessons from the extraordinary saga of Shakleton’s Antarctic Expedition, S. XVIII

anmerkungen

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297 Perkins, Dennis  : Leading at the Edge. Leadership lessons from the extraordinary saga of Shakleton’s Antarctic Expedition, S. 225 298 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 259 299 Baumgartner, Peter P.  : Die Furche, S. 23 300 Birchler, Verena, Antenne, S. 6 301 Fasching, Wolfgang  : Du schaffst, was Du willst, S. 128 302 Messner, Reinhold  : Mein Leben am Limit, S. 133 303 Birchler, Verena, Antenne, S. 5 304 Birchler, Verena, Antenne, S. 7 305 Messner, Reinhold  : Mein Leben am Limit, S. 267–268 306 Havermann, Juliane  : Handelsblatt-Perspektiven, S. 15 307 Karner, Andrea  : Cooperativ, S. 3

Ethik und Moral 308 Köhler, Thomas/Mertens, Christian (Hg.)  : Jahrbuch für Politische Beratung, S. 57 309 Leyendecker, Hans  : Die große Gier – Korruption, Kartelle, Lustreisen  : Warum unsere Wirtschaft eine neue Moral braucht, S. 23 310 Brandner, Walter/Hofinger, Hans (Hg.)  : Moral und Verantwortung in der Wirtschaft, S. 67 311 Hofinger, Hans  : Die Gewerbliche Genossenschaft, 1/2009, S. 23 312 Precht, Richard David  : Freiheitskongress »Chancen für morgen«, Berlin, 3. 10. 2010 313 Pellert, Wilhelm  : Oskar Werner – Ein Monodrama, S. 51, 62–63 314 Brandner, Walter/Hofinger, Hans (Hg.)  : Moral und Verantwortung in der Wirtschaft, S. 11 315 Köhler, Thomas/Mertens, Christian (Hg.)  : Jahrbuch für Politische Beratung, S. 39–40 316 Precht, Richard David  : Wer bin ich und wenn ja, wie viele  ?, S. 343 317 Precht, Richard David  : Wer bin ich und wenn ja, wie viele  ?, S. 168 318 Brandner, Walter/Hofinger, Hans (Hg.)  : Moral und Verantwortung in der Wirtschaft, S. 69 319 Hofinger, Hans  : Benedikt als Menschenführer, S. 119 320 Homann, Karl/Lütge, Christoph  : Einführung in die Wirtschaftsethik, S. 21 321 Precht, Richard David  : Konferenz Ethik und Innovation, Freie Universität Berlin, 3. 6. 2010 322 Hemel, Ulrich  : Wert und Werte – Ethik für Manager, S. 4–5 323 Buholzer, Sonja A.  : INsight, S. 4 324 Stehr, Nico  : Die Moralisierung der Märkte, S. 13 325 Brandner, Walter/Hofinger, Hans (Hg.)  : Moral und Verantwortung in der Wirtschaft, S. 16–17 326 Precht, Richard David  : Konferenz Ethik und Innovation, Freie Universität Berlin, 3. 6. 2010 327 Precht, Richard David  : Wer bin ich und wenn ja, wie viele  ?, S. 338 328 Köhler, Thomas/Mertens, Christian (Hg.)  : Jahrbuch für Politische Beratung, S. 58–59

250

anmerkungen

329 Götzelmann, Arnd  : Wirtschaftsethik Workshop kompakt, S. 6 330 Ulrich, Peter  : Integrative Wirtschaftsethik  : Grundlage einer lebensdienlichen Ökonomie, S. 26 331 Köhler, Thomas/Mertens, Christian (Hg.)  : Jahrbuch für Politische Beratung, S. 67 332 Covey, Stephen R.  : Die sieben Wege zur Effektivität, S. 12 333 Brand, Jobst-Ulrich/Elfein, Christoph/Pawlak, Carin/Ruzas, Stefan  : Die Moral-Macher, S. 53 334 Brandner, Walter/Hofinger, Hans (Hg.)  : Moral und Verantwortung in der Wirtschaft, S. 135 335 Brand, Jobst-Ulrich/Elfein, Christoph/Pawlak, Carin/Ruzas, Stefan  : Die Moral-Macher, S. 110–111 336 Khomeriki, Elena  : Governanceethik nach Josef Wieland, S. 10 337 Homann, Karl/Lütge, Christoph  : Einführung in die Wirtschaftsethik, S. 122 338 Homann, Karl/Lütge, Christoph  : Einführung in die Wirtschaftsethik, S. 25 339 buergerhaus-neumarkt.de  : 21. 4. 2011 340 Solte, Dirk  : Weltfinanzsystem am Limit – Einblicke in den »Heiligen Gral« der Globalisierung, S. 14–15 341 Bürger, Tobias  : Berichterstattung am Limit  ?, S. 5 342 Brand, Jobst-Ulrich/Elfein, Christoph/Pawlak, Carin/Ruzas, Stefan  : Die Moral-Macher, S. 70–71 343 Hofinger, Hans  : Benedikt als Menschenführer, S. 117 344 Leyendecker, Hans  : Die große Gier – Korruption, Kartelle, Lustreisen  : Warum unsere Wirtschaft eine neue Moral braucht, 17–18 345 Leyendecker, Hans  : Die große Gier – Korruption, Kartelle, Lustreisen  : Warum unsere Wirtschaft eine neue Moral braucht, 23 346 Bolz, Norbert  : Das Wissen der Religionen, S. 9 347 Müngersdorf, Jörg  : Geheimnis Leadership, S. 10 348 Polak, Regina (Hg.)  : Zukunft. Werte. Europa, S. 42 349 Sachs, Jeffrey im Vorwort zu  : Küng, Hans/Leisinger, Klaus M./Wieland, Josef  : Manifest Globales Wirtschaftsethos, S. 16–18 350 Homann, Karl/Lütge, Christoph  : Einführung in die Wirtschaftsethik, S. 116 351 respACT  : CSR Leitfaden Erfolgsfaktor FAIRantwortung, S. 5 352 Herchen, Oliver  : Corporate Social Responsibility  : Wie Unternehmen mit ihrer ethischen Verantwortung umgehen, S. 2 353 Zirnig, Daniel  : Corporate Social Responsibility, S. 2 354 Habisch, Andre/Schmidpeter, Rene/Neureiter, Martin (Hg.)  : Handbuch Corporate Citizenship  : Corporate Social Responsibility für Manager, S. 5 355 Habisch, Andre/Schmidpeter, Rene/Neureiter, Martin (Hg.)  : Handbuch Corporate Citizenship  : Corporate Social Responsibility für Manager, S. 6 356 www.lisa-consulting.at, 12. 10. 2011 357 www.vohrmann-consulting.de, 10. 11. 2011 358 Brand, Jobst-Ulrich/Elfein, Christoph/Pawlak, Carin/Ruzas, Stefan  : Die Moral-Macher, S. 51

anmerkungen

251

359 Brandner, Walter/Hofinger, Hans (Hg.)  : Moral und Verantwortung in der Wirtschaft, S. 31 360 Hofinger, Hans  : Die Gewerbliche Genossenschaft, 9/2002, S. 9 361 Brandner, Walter/Hofinger, Hans (Hg.)  : Moral und Verantwortung in der Wirtschaft, S. 33 362 Leyendecker, Hans  : Die große Gier – Korruption, Kartelle, Lustreisen  : Warum unsere Wirtschaft eine neue Moral braucht, S. 332 363 Brand, Jobst-Ulrich/Elfein, Christoph/Pawlak, Carin/Ruzas, Stefan  : Die Moral-Macher, S. 67 364 Fürst, Michael  : Forum Wirtschaftsethik, 4/1999 365 Herzog, Hans-Henning  : MQ Business Excellence, S. 10 366 Seith, Anne  : Ethikbanken – Gute Geschäfte mit dem Gutmenschentum, spiegelonline 367 Grün, Anselm  : Menschen führen – Leben wecken, S. 123 368 Karner, Andrea  : Cooperativ, S. 3

Genug ist genug 369 Kohr, Leopold  : Small is beautiful, Buchrückseite 370 Naish, John  : Genug – Wie Sie der Welt des Überflusses entkommen, S. 9 371 Philipp, Andreas F.  : Die Kunst ganzheitlichen Führens, S. 9 372 Hofinger, Hans  : Die Gewerbliche Genossenschaft, 1/2009, S. 23 373 Binswanger, Hans Christoph  : Die Glaubensgemeinschaft der Ökonomen, S. 9 374 Binswanger, Hans Christoph  : Die Glaubensgemeinschaft der Ökonomen, S. 9–10 375 Scherer, Hermann  : Jenseits vom Mittelmaß, S. 27 376 Brand, Jobst-Ulrich/Elfein, Christoph/Pawlak, Carin/Ruzas, Stefan  : Die Moral-Macher, S. 13 377 Parkinson, C. Northcote  : Parkinsons neues Gesetz, S. 34 378 Münchhausen, Marco von  : Die vier Säulen der Lebensbalance, S. 81 379 Münchhausen, Marco von  : Die vier Säulen der Lebensbalance, S. 19 380 Geiger, Arno  : Der alte König in seinem Exil, S. 37 381 Naish, John  : Genug – Wie Sie der Welt des Überflusses entkommen, S. 10 382 Naish, John  : Genug – Wie Sie der Welt des Überflusses entkommen, S. 127 383 Geiger, Erich, Haben oder Sein, S. 17–18 384 Geiger, Erich, Haben oder Sein, S. 31 385 Naish, John  : Genug – Wie Sie der Welt des Überflusses entkommen, S. 10–11 386 Für eine Wirtschaft in Balance, Südkurier, 13. 5. 2011 387 Hofinger, Hans  : Benedikt als Menschenführer, S. 120 388 Sullivan, Dan/Nomura, Catherine  : No Limits  !, S. 15 389 Werle, Klaus  : Die Perfektionierer  : Warum der Optimierungswahn uns schadet – und wer wirklich davon profitiert, S. 22 390 Falco alias Hölzel, Hans in Falco Gaga, Erstausstrahlung 2. 11. 2011 auf 3sat 391 Pfriem, Reinhard  : Innovationen und Leadership, S. 19

252

anmerkungen

392 Brand, Jobst-Ulrich/Elfein, Christoph/Pawlak, Carin/Ruzas, Stefan  : Die Moral-Macher, S. 197 393 Werle, Klaus  : Die Perfektionierer  : Warum der Optimierungswahn uns schadet – und wer wirklich davon profitiert, S. 21 394 spiegelonline, Reiche haben mehr Geld als vor der Krise, 22. 6. 2011 395 ORF/APA, Trotz Krise  : Zahl der Dollar-Millionäre steigt, 11. 6. 2011 396 Werle, Klaus  : Die Perfektionierer  : Warum der Optimierungswahn uns schadet – und wer wirklich davon profitiert, S. 19 397 Precht, Richard David in Vis-à-vis, befragt von Frank A. Meyer, Erstausstrahlung 11. 7. 2011 auf 3sat 398 Solte, Dirk  : Weltfinanzsystem am Limit – Einblicke in den »Heiligen Gral« der Globalisierung, S. 191–192 399 Horn, Gustav  : Des Reichtums fette Beute – Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert, S. 14 400 Habermas, Jürgen  : Nach dem Bankrott, S. 53–54 401 Horn, Gustav  : Des Reichtums fette Beute – Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert, S. 10 402 Hofinger, Hans  : Die Gewerbliche Genossenschaft, 2/2009, S. 14 403 Brandner, Walter/Hofinger, Hans (Hg.)  : Moral und Verantwortung in der Wirtschaft, S. 35 404 Solte, Dirk  : Weltfinanzsystem am Limit – Einblicke in den »Heiligen Gral« der Globalisierung, S. 191 405 Horn, Gustav  : Des Reichtums fette Beute – Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert, S. 11 406 Houellebecq, Michel  : Karte und Gebiet, S. 64 407 Fuchs, Anneliese/Kaiser, Alexander (Hg.)  : Der Ausbruch aus dem Hamsterrad – Werkzeuge zur harmonischen und befriedigenden Verbindung von Leben und Arbeit, S. 137 408 caritas-linz.at  : 1. 4. 2011 409 Augstein, Jakob, in: »Menschen bei Maischberger«, Erstausstrahlung 13. 12. 2011 auf ARD 410 Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz (Hg.)  : Enzyklika Caritas in veritate von Papst Benedikt XVI, S. 36 411 Pfriem, Reinhard  : Innovationen und Leadership, S. 19 412 Watzlawick, Paul  : Vom Schlechten des Guten, S. 25 413 Dörner, Dietrich  : Die Logik des Misslingens, S. 171 414 Binswanger, Hans Christoph  : Die Glaubensgemeinschaft der Ökonomen, S. 13–14 415 Meadows, Dennis  : Die Grenzen des Wachstums, S. 137 416 Binswanger, Hans Christoph  : Die Wachstumsspirale – Geld, Energie und Imagination in der Dynamik des Marktprozesses, Metropolis, S. 2 417 Naish, John  : Genug – Wie Sie der Welt des Überflusses entkommen, S. 224 418 Diefenbacher, Hans/Zieschank, Roland  : Woran sich Wohlstand wirklich messen lässt, S. 11 419 Geiger, Erich, Haben oder Sein, S. 158 420 Pfriem, Reinhard  : Innovationen und Leadership, S. 19 421 Lüpke, Geseko von  : Zukunft entsteht aus Krise, S. 22 422 Meadows, Dennis  : Die Grenzen des Wachstums, S. 139

anmerkungen

253

423 Precht, Richard David, in  : Sternstunde Philosophie, Erstausstrahlung 8. 11. 2009 auf SF 424 Precht, Richard David  : Freiheitskongress »Chancen für morgen«, Berlin, 3. 10. 2010 425 Müller, Henrik  : Sprengsatz Inflation, S. 7 426 Brand, Jobst-Ulrich/Elfein, Christoph/Pawlak, Carin/Ruzas, Stefan  : Die Moral-Macher, S. 40 427 Müller, Henrik  : Sprengsatz Inflation, S. 12 428 Florida, Richard  : Reset – Wie wir anders leben und arbeiten und eine neue Ära des Wohlstands begründen werden, S. 13–14 429 Müller, Henrik  : Sprengsatz Inflation, S. 8 430 Weimer, Wolfgang in Maybritt Illner, Erstausstrahlung 14. 7. 2011 auf ZDF 431 Roubini, Nouriel/Mihm, Stephen  : Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft, S. 30 432 Roubini, Nouriel/Mihm, Stephen  : Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft, S. 357 433 Paal, Gábor  : Die Erde am Limit, Hörbuch 434 Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz (Hg.)  : Enzyklika Caritas in veritate von Papst Benedikt XVI, S. 79–80 435 Leyendecker, Hans  : Die große Gier – Korruption, Kartelle, Lustreisen  : Warum unsere Wirtschaft eine neue Moral braucht, S. 7 436 Hofinger, Hans  : Die Gewerbliche Genossenschaft, 1/2009, S. 23 437 Hofinger, Hans  : Benedikt als Menschenführer, S. 229 438 Houellebecq, Michel  : Karte und Gebiet, S. 320 439 Hofinger, Hans  : Die Gewerbliche Genossenschaft, 2/2009, S. 14 440 Florida, Richard  : Reset – Wie wir anders leben und arbeiten und eine neue Ära des Wohlstands begründen werden, S. 19 441 Lotter, Wolf  : brand eins, 9/2007, S. 117 442 Kohr, Leopold  : Small is beautiful, S. 123 443 Meadows, Dennis  : Die Grenzen des Wachstums, S. 140 444 Sieböck, Gregor  : Der Weltenwanderer, S. 48 445 Fuchs, Arved  : Grenzen sprengen – Erfahrungen aus Extremsituationen erfolgreich nutzen, S. 187 446 Sobel, Dava  : Längengrad, S. 76 447 Precht, Richard David, in  : Sternstunde Philosophie, Erstausstrahlung 8. 11. 2009 auf SF 448 Mross, Michael  : Der Währungscrash kommt  ! Retten Sie Ihr Geld – mit Gold, S. 9–10 449 Mross, Michael  : Der Währungscrash kommt  ! Retten Sie Ihr Geld – mit Gold, S. 11 450 Precht, Richard David, in  : Sternstunde Philosophie, Erstausstrahlung 8. 11. 2009 auf SF 451 Precht, Richard David, in  : Anne Will, Erstausstrahlung 28. 2. 2010 auf ARD 452 Der Zusammenhang zwischen Krieg und Kapital  : Im Krieg steigen die Renditen, Das weiße Pferd, 8/1999 453 Schall, Lars  : Erst Krise, dann Krieg  ? mmnews.de, 28. 5. 2010 454 Walker, Kirsty  : IMF warns, Daily Mail – www.dailymail.co.uk, 24. 3. 2010 455 Wahren, Heinz-Kurt  : Gier – Der menschliche Faktor in der Finanzkrise, aus  : forum idependent 2011, S. 15 456 Hofinger, Hans  : Die Gewerbliche Genossenschaft, 2/2009, S. 11 457 Hofinger, Hans  : Die Gewerbliche Genossenschaft, 2/2009, S. 11–13

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anmerkungen

458 Leyendecker, Hans  : Die große Gier – Korruption, Kartelle, Lustreisen  : Warum unsere Wirtschaft eine neue Moral braucht, S. 35 459 Hofinger, Hans  : Benedikt als Menschenführer, S. 229 460 Hofinger, Hans  : Benedikt als Menschenführer, S. 119 461 Hofinger, Hans  : Die Gewerbliche Genossenschaft, 9/2002, S. 2 462 Hofinger, Hans  : Die Gewerbliche Genossenschaft, 2/2009, S. 15 463 Grof, Stanislav  : Die Wurzeln von Gewalt und Gier, Vortrag beim Kongress  : Welt Psychedelik Forum – Bewusstseinswandel als Herausforderung des 21. Jahrhunderts, Basel, 21.–24. 3. 2008 464 Scherer, Hermann  : Jenseits vom Mittelmaß, S. 343 465 Müngersdorf, Jörg  : Geheimnis Leadership, S. 8 466 Münchhausen, Marco von  : Die vier Säulen der Lebensbalance, S. 53 467 Geiger, Erich  : Haben oder Sein, S. 37 468 Epikur  : Philosophie der Freude, S. 73 469 Pfriem, Reinhard  : Innovationen und Leadership, S. 19–20 470 Münchhausen, Marco von  : Die vier Säulen der Lebensbalance, S. 178 471 Schopenhauer, Arthur  : Der Mensch mit sich allein, S. 125 472 Precht, Richard David  : Wer bin ich und wenn ja, wie viele  ?, S. 352 473 Kohr, Leopold  : Small is beautiful, S. 23 474 Ford, J. Brian  : Der Expertenkult – Vom maximalen Minimum, S. 10 475 Kohr, Leopold  : Small is beautiful, S. 227 476 Ford, J. Brian  : Der Expertenkult – Vom maximalen Minimum, S. 10 477 Hofinger, Hans  : Benedikt als Menschenführer, S. 190 478 Reisenbichler, Tina  : Kurier-Karrieren, S. 1 479 Messner, Reinhold  : Berge versetzen – Das Credo eines Grenzgängers, S. 104 480 Hofinger, Hans  : Benedikt als Menschenführer, S. 234 481 Naish, John  : Genug – Wie Sie der Welt des Überflusses entkommen, S. 270 482 Precht, Richard David  : Konferenz Ethik und Innovation, Freie Universität Berlin, 3. 6. 2010 483 Schulmeister, Stephan  : taz.de, 26. 9. 2011 484 Brand, Jobst-Ulrich/Elfein, Christoph/Pawlak, Carin/Ruzas, Stefan  : Die Moral-Macher, S. 21–22 485 Nigischer, Sandra  : Ethik und Krise  : Reicher als reich, reicht das  ?, S. 7 486 Werle, Klaus  : Die Perfektionierer  : Warum der Optimierungswahn uns schadet – und wer wirklich davon profitiert, S. 22 487 Grün, Anselm  : Menschen führen – Leben wecken, S. 10 488 Lederhilger, Severin J. (Hg.)  : Wozu Wahrheit  ?, S. 20 489 Precht, Richard David  : Wer bin ich und wenn ja, wie viele  ?, S. 333 490 Grün, Anselm  : Menschen führen – Leben wecken, S. 28 491 Buholzer, Sonja A.  : INsight, S. 4 492 North, Klaus  : Wissensorientierte Unternehmensführung – Wertschöpfung durch Wissen, S. 3 493 Covey, Stephen R./Colosimo, Jennifer  : Vom Beruf zur Berufung, S. 39 494 Malik, Fredmund  : Navigieren in der Komplexität der Neuen Welt, S. 12

anmerkungen

255

495 Probst, Gilbert/Raub, Steffen  : Wissen managen – Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen, S. 3 496 North, Klaus  : Wissensorientierte Unternehmensführung – Wertschöpfung durch Wissen, S. 2 497 Androsch, Hannes  : Österreich, 3. 7. 2010 498 Precht, Richard David  : Wer bin ich und wenn ja, wie viele  ?, S. 360 499 Baumgartner, Peter P./Hornbostel, Rainer  : Manager müssen Mut machen – mythos shackleton, S. 207 500 Hoflehner, Josef  : Southern Ocean, S. 108 501 Herbert, Kari  : Polarfrauen, S. 326 502 Messner, Reinhold  : Mein Leben am Limit, Piper, S. 255 503 Düker, Roland  : Literaturen, S. 37 504 Neuper, Hubert  : Flatline, S. 12 505 Münchhausen, Marco von  : Die vier Säulen der Lebensbalance, S. 19 506 Capra, Fritjof  : Wendezeit, S. 221

Lebens- und Arbeitsbalance 507 Cassens, Manfred  : Work-Life-Balance – Wie Sie Berufs- und Privatleben in Einklang bringen, S. 7 508 Brand, Markus/Ion, Frauke K.  : 30 Minuten für mehr Work-Life-Balance durch die 16 Lebensmotive, S. 11 509 Fuchs, Arved  : Grenzen sprengen – Erfahrungen aus Extremsituationen erfolgreich nutzen, S. 63 510 Covey, Stephen R./Colosimo, Jennifer  : Vom Beruf zur Berufung, S. 9 511 Münchhausen, Marco von  : Die vier Säulen der Lebensbalance, S. 17 512 Schuhmann, Jörg  : Führungswechsel – Das Unternehmen von der Zukunft her führen, S. 44 513 Wagner, Yvonne  : Frankfurter Allgemeine – faz.net, 3. 12. 2008 514 Novotny, Patrice  : science orf.at, 24. 2. 2009 515 Cassens, Manfred  : Work-Life-Balance – Wie Sie Berufs- und Privatleben in Einklang bringen, S. 1 516 Luano, Claire  : Kreativer Grenzgang  : Familie und Beruf(ung), S. 9 517 Cassens, Manfred  : Work-Life-Balance – Wie Sie Berufs- und Privatleben in Einklang bringen, S. 61–66 518 Hofinger, Hans  : Benedikt als Menschenführer, S. 105 519 Cassens, Manfred  : Work-Life-Balance – Wie Sie Berufs- und Privatleben in Einklang bringen, S. 141–142 520 Grün, Anselm  : Menschen führen – Leben wecken, S. 98 521 Houellebecq, Michel  : Karte und Gebiet, S. 151–152 522 Grün, Anselm  : Menschen führen – Leben wecken, S. 107 523 Naish, John  : Genug – Wie Sie der Welt des Überflusses entkommen, S. 133

256

anmerkungen

524 Wagner, Yvonne  : Frankfurter Allgemeine – faz.net, 3.12.2008 525 Hofinger, Hans  : Benedikt als Menschenführer, S. 105–106 526 Bergner, Thomas M. H.  : Burnout-Prävention, S. 1–2 527 Wagner, Yvonne  : Frankfurter Allgemeine – faz.net, 3.12.2008 528 Fuchs, Anneliese/Kaiser, Alexander (Hrsg)  : Der Ausbruch aus dem Hamsterrad – Werkzeuge zur harmonischen und befriedigenden Verbindung von Leben und Arbeit, S. 33 529 Cassens, Manfred  : Work-Life-Balance – Wie Sie Berufs- und Privatleben in Einklang bringen, S. 155–157 530 Wörterbuch der Logotherapie und Existenzanalyse von Viktor Emil Frankl, S. 84 531 Wagner, Yvonne  : Frankfurter Allgemeine – faz.net, 3.12.2008 532 Whitmore, John  : Coaching für die Praxis, S. 11 533 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, S. 51 534 Grün, Anselm  : Menschen führen – Leben wecken & Quellen innerer Kraft, Vortrag im Bildungshaus Puchberg/OÖ, 7. 10. 2006 535 Neuper, Hubert  : Flatline, S. 195 536 Fournier, Cay von  : Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen – Wie Sie langfristigen Erfolg schaffen, S. 17 537 Science orf.AT  : Nette Kollegen verlängern das Leben, science orf.at, 5. 8. 2011 538 Münchhausen, Marco von  : Die vier Säulen der Lebensbalance, S. 228–232 539 Cassens, Manfred  : Work-Life-Balance – Wie Sie Berufs- und Privatleben in Einklang bringen, S. 159 540 Grün, Anselm  : Menschen führen – Leben wecken & Quellen innerer Kraft, Vortrag im Bildungshaus Puchberg/OÖ, 7. 10. 2006 541 Philipp, Andreas F.  : Die Kunst ganzheitlichen Führens, S. 243

Unternehmerische Zukunft 542 Fuchs, Arved  : Grenzen sprengen – Erfahrungen aus Extremsituationen erfolgreich nutzen, S. 215 543 Kruse, Peter  : Erfolgreiches Management von Instabilität, S. 7 544 Geiger, Arno  : Der alte König in seinem Exil, S. 148 545 Müngersdorf, Jörg  : Geheimnis Leadership, S. 6 546 Köhler, Thomas/Mertens, Christian (Hg.)  : Jahrbuch für Politische Beratung, S. 26 547 Nagel, Reinhart  : Hernsteiner, 4/2001, S. 17 548 Klauser, Marius  : Lenke, was dein Unternehmen lenkt, S. 11 549 Brandner, Walter/Hofinger, Hans (Hg.)  : Moral und Verantwortung in der Wirtschaft, S. 112–113 550 Klauser, Marius  : Lenke, was dein Unternehmen lenkt, S. 30 551 Malik, Fredmund  : Navigieren in der Komplexität der Neuen Welt, S. 12–13 552 Malik, Fredmund  : Navigieren in der Komplexität der Neuen Welt, S. 13–15 553 Covey, Stephen R./Whitman, Bob  : Führen unter neuen Bedingungen, S. 13

anmerkungen

257

554 Schuhmann, Jörg  : Führungswechsel – Das Unternehmen von der Zukunft her führen, S. 53 555 Gleide, Corinna  : Von der Zukunft her führen, S. 77 556 Sullivan, Dan/Nomura, Catherine  : No Limits  !, S. 22 557 Schuhmann, Jörg  : Führungswechsel – Das Unternehmen von der Zukunft her führen, S. 14–15 558 Philipp, Andreas F.  : Die Kunst ganzheitlichen Führens, S. 244 559 Schuhmann, Jörg  : Führungswechsel – Das Unternehmen von der Zukunft her führen, S. 116 560 Collins, James C./Porras, Jerry I.  : Visionary Companies – Visionen im Management, S. 263 561 Deysson, Christian  : Visionen, 22/04 562 Hegele-Raih, Cornelia  : Harvard Business Manager, S. 37 563 Collins, James C./Porras, Jerry I.  : Visionary Companies – Visionen im Management, S. 271 564 Malik, Fredmund  : Navigieren in der Komplexität der Neuen Welt, S. 19 565 Köhler, Thomas/Mertens, Christian (Hg.)  : Jahrbuch für Politische Beratung, S. 310 566 Nagel, Gerhard  : Chefs am Limit  : 5 Coaching-Wege aus Burnout und Jobkrisen, S. 6 567 Nagel, Reinhart  : Hernsteiner, 4/2001, S. 14–15 568 Nagel, Gerhard  : Chefs am Limit  : 5 Coaching-Wege aus Burnout und Jobkrisen, S. 5 569 Nagel, Reinhart  : Hernsteiner, 4/2001, S. 17–18 570 Nagel, Gerhard  : Chefs am Limit  : 5 Coaching-Wege aus Burnout und Jobkrisen, S. 6 571 Brandner, Walter/Hofinger, Hans (Hg.)  : Moral und Verantwortung in der Wirtschaft, S. 114 572 Collins, James C./Porras, Jerry I.  : Visionary Companies – Visionen im Management, S. 127 573 Sprenger, Reinhard K.  : Das Prinzip Selbstverantwortung, S. 137 574 Moeller, Klaus-Ulrich  : brand eins, 9/2007, S. 16 575 Manhart, Thomas  : Salzburger Nachrichten, S. 15 576 Whitmore, John  : Coaching für die Praxis, S. 38 577 Dörr, Stefan  : Wirtschaftspsychologie aktuell, S. 23 578 Dörr, Stefan  : Wirtschaftspsychologie aktuell, S. 23 579 Baumgartner, Peter P., GfiVE Newspaper, S. 2 580 Becker, Lutz/Ehrhardt, Johannes/GORA, Walter (Hg.)  : Innovationen und Wandel, S. 20 581 Pfriem, Reinhard  : Innovationen und Leadership, S. 16 582 Pfriem, Reinhard  : Innovationen und Leadership, S. 15 583 Messner, Reinhold  : Homepage  : www.reinholdmessner.it, 12. 1. 2012 584 Hankel, Wilhelm/Isaak, Robert  : Geldherrschaft  : Ist unser Wohlstand noch zu retten, S.22 585 Messner, Reinhold  : Berge versetzen – Das Credo eines Grenzgängers, S. 107 586 Becker, Lutz/Ehrhardt, Johannes/Gora, Walter (Hg.)  : Führen in der Krise, S. 19 587 Köhler, Thomas/Mertens, Christian (Hg.)  : Jahrbuch für Politische Beratung, S. 314 588 Becker, Lutz/Ehrhardt, Johannes/Gora, Walter (Hg.)  : Innovationen und Wandel, S. 15 589 Collins, James C./Porras, Jerry I.  : Visionary Companies – Visionen im Management, S. 163 590 Becker, Lutz/Ehrhardt, Johannes/Gora, Walter (Hg.)  : Innovationen und Wandel, S. 10 591 Becker, Lutz/Bley, Simon/u.a. (Hg.)  : Die frühe Innovationsphase, S. 25

258

anmerkungen

592 Brand, Jobst-Ulrich/Elfein, Christoph/Pawlak, Carin/Ruzas, Stefan  : Die Moral-Macher, S. 87 593 Moser, Karin  : Erfolgreich Wissen teilen, S. 22 594 Moser, Karin  : Erfolgreich Wissen teilen, S. 23 595 Fuchs, Arved  : Grenzen sprengen – Erfahrungen aus Extremsituationen erfolgreich nutzen, S. 63 596 Brandner, Walter/Hofinger, Hans (Hg.)  : Moral und Verantwortung in der Wirtschaft, S. 113 597 Nagel, Reinhart/Wimmer, Rudolf  : Systemische Strategieentwicklung, S. 129 598 Goleman, Daniel  : Emotionale Führung, S. 301 599 Brand, Jobst-Ulrich/Elfein, Christoph/Pawlak, Carin/Ruzas, Stefan  : Die Moral-Macher, S. 81 600 Habisch, Andre/Schmidpeter, Rene/Neureiter, Martin (Hg.)  : Handbuch Corporate Citizenship  : Corporate Social Responsibility für Manager, S. 521 601 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 294–295

Die Wahrheit ist kein Kompromiss 602 Lotter, Wolf, brand eins, 1/2008 603 Lederhilger, Severin J. (Hg.)  : Wozu Wahrheit  ?, S. 181 604 Fasching, Wolfgang  : Du schaffst, was Du willst, S. 38 605 Lederhilger, Severin J. (Hg.)  : Wozu Wahrheit  ?, S. 92 606 Lederhilger, Severin J. (Hg.)  : Wozu Wahrheit  ?, S. 39 607 Lederhilger, Severin J. (Hg.)  : Wozu Wahrheit  ?, S. 16 608 Enders, Markus/Szaif, Jan  : Die Geschichte des philosophischen Begriffes der Wahrheit, S. 6 609 Grün, Anselm  : Von Wahrheit und Wahrhaftigkeit, S. 9 610 Lederhilger, Severin J. (Hg.)  : Wozu Wahrheit  ?, S. 146 611 Macho, Thomas  : Talk im Hangar-7  : Lug und Trug – Wie viel Unwahrheit braucht der Mensch  ?, Servus TV, 1. 9. 2011 612 Lederhilger, Severin J. (Hg.)  : Wozu Wahrheit  ?, S. 101–102 613 Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz (Hg.)  : Enzyklika Caritas in veritate von Papst Benedikt XVI, S. 6–7 614 Buholzer, Sonja A.  : INsight, S. 4 615 Sommer, Volker  : Talk im Hangar-7  : Lug und Trug – Wie viel Unwahrheit braucht der Mensch  ?, Servus TV, 1. 9. 2011 616 Sieböck, Gregor  : Der Weltenwanderer, S. 150 617 Lederhilger, Severin J. (Hg.)  : Wozu Wahrheit  ?, S. 177 618 Lederhilger, Severin J. (Hg.)  : Wozu Wahrheit  ?, S. 180 619 Yang, Li Li  : Personalmanager, S. 57 620 Ederer, Brigitte  : Trend, S. 114

anmerkungen

259

621 Mayer-Schaffer, Katharina  : Personalwirtschaft, S. 62 622 Baumgartner, Peter P.  : Cooperativ, S. 9–10 623 Lederhilger, Severin J. (Hg.)  : Wozu Wahrheit  ?, S. 180 624 Lederhilger, Severin J. (Hg.)  : Wozu Wahrheit  ?, S. 166 625 Lederhilger, Severin J. (Hg.)  : Wozu Wahrheit  ?, S. 179 626 Grün, Anselm  : Menschen führen – Leben wecken, S. 38

Epilog 627 Baron, Ulrich  : Der Mann, der immer zurück kam, 16. 12. 2006 628 Messner, Reinhold  : Berge versetzen – Das Credo eines Grenzgängers, S. 48 629 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, S. 164 630 Cherry-Garrard, Apsley  : Die schlimmste Reise der Welt, S. 8 631 Bachmann, Klaus  : GEO, S. 130

260

anmerkungen

1 4 . l i t e r at u r , q u e l l e n u n d ­f o t o r e c h t e

Literatur Alexander, Caroline  : Die Endurance – Shackletons legendäre Expedition in die Antarktis, Berlin Verlag, 1998 Amundsen, Roald  : Die Eroberung des Südpols, Knaur, 1990 Bachmann, Klaus  : Das Shackleton Abenteuer, 635 Tage im Eis, GEO, 10/1998 Baron, Ulrich  : Der Mann, der immer zurück kam, weltonline, 16. 12. 2006 Baumgartner, Peter P./Hornbostel, Rainer  : Manager müssen Mut machen – mythos shackleton, Böhlau, 2. Auflage, 2008 Baumgartner, Peter P.  : Cooperativ-Management in Krisenzeiten, Die Gewerbliche Genossenschaft, 1/2011 Baumgartner, Peter P.  : Dossier – Manager müssen Mut machen, Die Furche, 11. 10. 2007 Baumgartner, Peter P.  : Führen mit Werten, GfiVE Newspaper, 7/2011 Baumgartner, Peter  : Führungskunst aus dem ewigen Eis, Management & Qualität, 10/2007 BBC News Magazine, What would Shackleton’s whisky tast like  ?, 17. 11. 2009 BBC News Magazine, Whisky buried by Ernest Shackleton expedition recreated, 4. 4. 2011 Becker, Lutz/Bley, Simon/u.a. (Hg.)  : Die frühe Innovationsphase, Symposion Publishing, 1. Auflage, 2010 Becker, Lutz/Ehrhardt, Johannes/Gora, Walter (Hg.)  : Führen in der Krise, Symposion Publishing, 1. Auflage, 2009 literatur, quellen und fotorechte

261

Becker, Lutz/Ehrhardt, Johannes/Gora, Walter (Hg.)  : Innovationen und Wandel, Symposion Publishing, 1. Auflage, 2008 Bergner, Thomas M. H.  : Burnout-Prävention, Schattauer, 2. Auflage, 2010 Bickel, Lennard  : Shackleton’s Forgotten Men, Adrenaline Classics, 1. Auflage, 2001 Biller, Karlheinz/Lourdes-Stiegeler, Maria de  : Wörterbuch der Logotherapie und Existenzanalyse von Viktor Emil Frankl, Böhlau, 2008 Binswanger, Hans Christoph  : Die Glaubensgemeinschaft der Ökonomen, Murmann, 1. Auflage, 1998 Binswanger, Hans Christoph  : Die Wachstumsspirale – Geld, Energie und Imagination in der Dynamik des Marktprozesses, Metropolis, 3. Auflage, 2009 Birchler, Verena  : Leistung am Limit, Antenne, 2/2010 Bolz, Norbert  : Das Wissen der Religionen, Fink, 1. Auflage, 2008 Brand, Markus/Ion, Frauke K.  : 30 Minuten für mehr Work-Life-Balance durch die 16 Lebensmotive, Gabal, 1. Auflage, 2009 Brand, Jobst-Ulrich/Elfein, Christoph/Pawlak, Carin/Ruzas, Stefan  : Die Moral-Macher, Redline, 1. Auflage, 2010 Brandner, Walter/Hofinger, Hans (Hg.)  : Moral und Verantwortung in der Wirtschaft, Österreichischer Volksbankenverlag, 1987 Braun, Roman  : Die Macht der Rhetorik, Piper, 2004 Bürger, Tobias  : Berichterstattung am Limit  ?, Diplomica, 1. Auflage, 2010 Buholzer, Sonja A.  : Die Frau im Haifischbecken, INsight, 3/2011 Capra, Fritjof  : Wendezeit, Scherz, 7. Auflage, 1984 Cassens, Manfred  : Work-Life-Balance – Wie Sie Berufs- und Privatleben in Einklang bringen, dtv, 2003 Cherry-Garrard, Apsley  : Die schlimmste Reise der Welt, Semele, 1. Auflage, 2006 Collins, James C./Porras, Jerry I.  : Visionary Companies – Visionen im Management, Artemis & Winkler, 1. Auflage 1995 Covey, Stephen R.  : Die sieben Wege zur Effektivität, Heyne, 7. Auflage, 2000 Covey, Stephen R./Colosimo, Jennifer  : Vom Beruf zur Berufung, Gabal, 1. Auflage, 2011 Covey, Stephen R./Whitman, Bob  : Führen unter neuen Bedingungen, Gabal, 2. Auflage, 2010 262

literatur, quellen und f­ otorechte

Deysson, Christian  : Visionen, WirtschaftsWoche, 22/2004 Diefenbacher, Hans/Zieschank, Roland  : Woran sich Wohlstand wirklich messen lässt, Oekom, 2011 Dörr, Stefan  : Fit für den Wandel durch transaktionale und transformale Führung, Wirtschaftspsychologie aktuell, 1/2007 Dörner, Dietrich  : Die Logik des Misslingens, rororo-science, 1997 Düker, Roland  : Literaturen – Nachrichten aus der Todeszone, 1/2012 Ebert, Wolfgang/Graffe, Georg/Klein, Günther  : Unterm Kreuz des Südens, Serie Piper, 2002 Ederer, Brigitte  : Mutig vorangehen, Trend, 9/2007 Enders, Markus/Szaif, Jan  : Die Geschichte des philosophischen Begriffes der Wahrheit, Gruyter, 1. Auflage, 2006 Epikur  : Philosophie der Freude, Alfred Kröner, 1973 Fasching, Wolfgang  : Du schaffst, was Du willst, Colorama, 4. Auflage, 2008 Fasching, Wolfgang  : Leben am Limit, Styria, 1. Auflage, 2001 F.A.Z.-Institut für Management  : Stress, 2009 Felsch, Philipp  : Literaturen – Die schlimmste Reise der Welt, 1/2012 Felsch, Philipp  : Wie August Petermann den Nordpol erfand, Luchterhand, 1. Auflage, 2010 Fisher, Margery/Fisher James: Shackleton, James Barrie Books, 1. Auflage, 1957 Florida, Richard  : Reset – Wie wir anders leben und arbeiten und eine neue Ära des Wohlstands begründen werden, Kindle Edition, 1. Auflage, 2010 Ford, J. Brian  : Der Expertenkult – Vom maximalen Minimum, Paul Zsolnay, 1985 Fournier, Cay von  : Die 10 Gebote für ein gesundes Unternehmen – Wie Sie langfristigen Erfolg schaffen, Campus, 2. Auflage, 2010 Geiger, Erich  : Haben und Sein, dtv, 19. Auflage, 1990 Fuchs, Anneliese/Kaiser, Alexander (Hg.)  : Der Ausbruch aus dem Hamsterrad – Werkzeuge zur harmonischen und befriedigenden Verbindung von Leben und Arbeit, Böhlau, 1. Auflage, 2010 Fuchs, Arved  : Grenzen sprengen – Erfahrungen aus Extremsituationen erfolgreich nutzen, Delius Klasing, 2. Auflage, 2005 Fürst, Michael  : Forum Wirtschaftsethik, Rezensionen, 4/1999 literatur, quellen und f­ otorechte

263

Geiger, Arno  : Der alte König in seinem Exil, Hanser, 2011 Goleman, Daniel  : Emotionale Führung, Ullstein, 1. Auflage, 2003 Götzelmann, Arnd  : Wirtschaftsethik Workshop kompakt, Books on Demand, 1. Auflage, 2010 Götzl, Stephan  : Gedanken zu Ethik und Moral in der Wirtschaft, Genossenschaftsverband Bayern, 2010 Grün, Anselm  : Menschen führen – Leben wecken, dtv, 2. Auflage, 2006 Grün, Anselm  : Von Wahrheit und Wahrhaftigkeit, Goldmann, 1. Auflage, 2011 Gunkel, Christoph  : Der Ruhm des Scheiterns, spiegelonline, 15. 1. 2009 Habermas, Jürgen  : Nach dem Bankrott. Der Privatisierungswahn ist an sein Ende gekommen, Die Zeit, 6. 11. 2008 Habisch, Andre/Schmidpeter, Rene/Neureiter, Martin (Hg.)  : Handbuch Corporate Citizenship  : Corporate Social Responsibility für Manager, Springer, 1. Auflage, 2007 Halstrup, Dominik/Steinert, Carsten  : Studie  : Schlechte Führung wird toleriert, wenn die Zahlen stimmen, Hochschule Osnabrück, 2011 Hammer, Mark  : Freud und Leid mit Mikrokrediten, science.orf.at, Zugriff am 10. 6. 2011 Hankel, Wilhelm/Isaak, Robert  : Geldherrschaft  : Ist unser Wohlstand noch zu retten  ?, Wiley-VCH, 1. Auflage, 2011 Havermann, Juliane  : Manager müssen Mut machen, Handelsblatt-perspektiven, 21. 9. 2007 Hegele-Raih, Cornelia  : Was ist Leadership  ?, Harvard Business Manager, 4/2004 Hemel, Ulrich  : Wert und Werte – Ethik für Manager, 2. Auflage, Hanser, 2007 Herbert, Kari  : Polarfrauen, Malik, 1. Auflage, 2010 Herchen, Oliver  : Corporate Social Responsibility  : Wie Unternehmen mit ihrer ethischen Verantwortung umgehen, Books on Demand, 1. Auflage, 2007 Herzog, Hans-Henning  : Ethik rechnet sich, MQ Business Excellence, 11/2006 Hess, Asmus  : In den eisigen Hütten der Helden, spiegelonline, 4. 3. 2007 264

literatur, quellen und f­ otorechte

Hofinger, Hans  : Benedikt als Menschenführer, Österreichischer Genossenschaftsverband, 5. Auflage, 2009 Hofinger, Hans  : Ethische Führung ist gefragt, Die Gewerbliche Genossenschaft, 1/2009 Hofinger, Hans  : Soziale Verantwortung versus verordnete Ethik durch Gesetz, Statut und Leitbild, Die Gewerbliche Genossenschaft, 9/2002 Hofinger, Hans  : Regula Benedicti und Genossenschaftsphilosophie, Die Gewerbliche Genossenschaft, 4/2002 Hofinger, Hans  : Regula Benedicti und Ökosoziale Marktwirtschaft, Die Gewerbliche Genossenschaft, 2/2009 Hoflehner, Josef  : Frozen History – The Legazy of Scott and Shackleton, Hoflehner Verlag, 1. Auflage, 2003 Hoflehner, Josef  : Southern Ocean, Hoflehner Verlag, 1. Auflage, 2002 Homann, Karl/Lütge, Christoph  : Einführung in die Wirtschaftsethik, LIT, 2. Auflage, 2005 Houellebecq, Michel  : Karte und Gebiet, Dumont, 3. Auflage, 2011 Horn, Gustav  : Des Reichtums fette Beute – Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert, Campus, 1. Auflage, 2011 Hübner-Weinhold, Mark  : Beruf & Erfolg. Führungskunst – Was Manager von Ernest Shackleton lernen können, Hamburger Abendblatt, 26./27. 4. 2008 Huntford, Roland  : Shackleton, Carroll & Graf Publishing, 2000 Huntford, Roland  : Shackleton – Die Reisen, Delius Klasing, 1. Auflage, 2003 Gleide, Corinna  : Von der Zukunft her führen, die Drei, 6/2010 Karner, Andrea  : Cooperativ-Management in Krisenzeiten, Die Gewerbliche Genossenschaft, 1/2011 Khomeriki, Elena  : Governanceethik nach Josef Wieland, GRIN, 1. Auflage, 2007 Klauser, Marius  : Lenke, was dein Unternehmen lenkt, Campus, 1. Auflage, 2010 Köhler, Thomas/Mertens, Christian (Hg.)  : Jahrbuch für Politische Beratung, Böhlau, 1. Auflage, 2011 Koehn, Nancy F.  : Ernest Shackleton – Exploring Leadership, New Word City, 1. Auflage, 2010 literatur, quellen und f­ otorechte

265

Kohr, Leopold  : Small is beautiful, Deuticke, 1995 Kostyal, K. M.  : Trial By Ice, National Geographic Society, 1999 Kremla, Andreas  : Scheitern im Eis – Erfolg im Unternehmen  ; Buchkultur, (2/3)/2008 Kruse, Peter  : Erfolgreiches Management von Instabilität, Gabal, 2. Auflage, 2005 Kvam, Ragnar jr.  : Im Schatten, Berliner Taschenbuch Verlag, 2002 Langner, Rainer K.  : Duell im ewigen Eis, Fischer, 1. Auflage, 2001 Lansing, Alfred  : 635 Tage im Eis – Die Shackleton Expedition, Goldmann, 1. Auflage, 1999 Lederhilger, Severin J. (Hg.)  : Wozu Wahrheit  ?, Peter Lang, 1. Auflage, 2009 Leyendecker, Hans  : Die große Gier – Korruption, Kartelle, Lustreisen  : Warum unsere Wirtschaft eine neue Moral braucht, rororo, 2009 Lotter, Wolf  : Vorwärts  ! Aufstehen  ! Weiter  ! Los  !, brand eins, 9/2007 Lotter, Wolf  : Wir sind nicht alle gleich, brand eins, 1/2008 Luano, Claire  : Kreativer Grenzgang  : Familie und Beruf(ung), Books on Demand, 1. Auflage, 2010 Lüpke, Geseko von  : Zukunft entsteht aus Krise, Riemann, 1. Auflage, 2009 Malik, Fredmund  : Navigieren in der Komplexität der Neuen Welt, Campus, 1. Auflage, 2011 Manhart, Thomas  : Das fünfte Element, Salzburger Nachrichten, 28. 2. 2005 Mayer-Schaffer, Katharina  : Management – Manager müssen Mut machen, Personalwirtschaft, 1/2008 Meadows, Dennis  : Die Grenzen des Wachstums – Bericht des Club of Rome, dva informativ, 1972 Mercy, David  : Berserk, marebuch, 2007 Messner, Reinhold  : Antarktis – Himmel und Hölle zugleich, Serie Piper, 4. Auflage, 1995 Messner, Reinhold  : Berge versetzen – Das Credo eines Grenzgängers, BLV, 6. Auflage, 2010 Messner, Reinhold  : Mein Leben am Limit, Piper, 7. Auflage, 2010 Messner, Reinhold  : Zurückkommen ist die wahre Erschütterung, Literaturen, 12/2000 Messner, Reinhold  : www.reinhold-messner.de 266

literatur, quellen und f­ otorechte

Moeller, Klaus-Ulrich  : Schwimmen mit Michelangelo, brand eins, 9/2007 Morrell, Margot/Capparel, Stephanie  : Shackletons Führungskunst, Eichborn, 2003 Mortimer, Gavin  : Shackleton und die Eroberung der Antarktis, Delius Klasing, 1. Auflage, 2000 Moser, Karin  : Erfolgreich Wissen teilen, Unimagazin Universität Zürich, 3/2002 Mross, Michael  : Der Währungscrash kommt  ! Retten Sie Ihr Geld – mit Gold, Börsenmedien, 1. Auflage, 2011 Müller, Henrik  : Sprengsatz Inflation  : Können wir dem Staat noch vertrauen  ?, Campus, 1. Auflage, 2010 Münchhausen, Marco von  : Die vier Säulen der Lebensbalance, Ullstein, 3. Auflage, 2009 Müngersdorf, Jörg  : Geheimnis Leadership, Synnecta-Führungswerkstatt, 2001 Nagel, Gerhard  : Chefs am Limit  : 5 Coaching-Wege aus Burnout und Jobkrisen, Carl Hanser, 1. Auflage, 2010 Nagel, Reinhart  : Strategieberatung  : Expertenorientiert oder systemisch, Hernsteiner 4/2001 Nagel, Reinhart/Wimmer, Rudolf  : Systemische Strategieentwicklung, Modelle und Instrumente für Berater und Entscheider, Klett-Cotta, 2008 Naish, John  : Genug – Wie Sie der Welt des Überflusses entkommen, Bastei Lübbe, 1. Auflage, 2010 National Maritime Museum  : Aurora Australis  : printed at The Sign of the Penguins, nmm.ac.uk, Zugriff am 11.3.2012 Nax, Wilfried  : Wenn am Limit produziert wird, Informationsdienst Wissenschaft, idw-online.de, Zugriff am 30.7.2007 Neuper, Hubert  : Flatline, Ibera, 2003 Nigischer, Sandra  : Ethik und Krise  : Reicher als reich, reicht das  ?, Die Furche, 14. 5. 2009 Niven, Jennifer  : Packeis – Das Drama der kanadischen Polarexpedition von 1913, Hoffmann und Campe, 1. Auflage, 2000 Noe, Manfred  : Crash-Management in Projekten, Publics Publishing, 1. Auflage, 2006 literatur, quellen und f­ otorechte

267

North, Klaus  : Wissensorientierte Unternehmensführung – Wertschöpfung durch Wissen, Gabler, 4. Auflage, 2005 Novotny, Patrice  : Karoshi  : Tod durch Arbeit, science orf.at, Zugriff am 24. 2. 2009 Paal, Gábor  : Die Erde am Limit, Hörbuch, Forum für Verantwortung – SWR, 2009 Parkinson, C. Northcote  : Parkinsons neues Gesetz, rororo, 1991 Pellert, Wilhelm  : Oskar Werner – Ein Monodrama, Literaturedition Niederösterreich, 1. Auflage, 2009 Perkins, Dennis  : Leading at the Edge. Leadership lessons from the extraordinary saga of Shackleton’s Antarctic Expedition, McGraw-Hill, 2000 Pfriem, Reinhard  : Innovationen und Leadership, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, 2009 Philipp, Andreas F.  : Die Kunst ganzheitlichen Führens, Verlag Systemisches Management, 1. Auflage, 2010 Plimpton, George  : Ernest Shackleton, DK Publishing, 2003 Polak, Regina (Hg.)  : Zukunft. Werte. Europa., Böhlau, 1. Auflage, 2011 polarnews  : polarnews.de, Zugriff am 22.12.2009 Precht, Richard David  : Wer bin ich und wenn ja, wie viele  ?, Goldmann, 42. Auflage, 2011 Probst, Gilbert/Raub, Steffen  : Wissen managen – Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen, Gabler, 6. Auflage, 2010 Reisenbichler, Tina  : Vorbild Shackleton, Kurier-Karrieren, 8. 11. 2007 respACT – austrian business council for sustainable development  : CSR Leitfaden  : Erfolgsfaktor FAIRantwortung, 2009 Riffenburgh, Beau  : Nimrod – Ernest Shackleton und die außergewöhnliche Geschichte der Südpolexpedition, Berlin Verlag, Deutsche Erstausgabe, 2006 Roubini, Nouriel/Mihm, Stephen  : Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft, Campus, 1. Auflage, 2010 Sachs, Jeffrey im Vorwort zu  : Küng, Hans/Leisinger, Klaus M./Wieland, Josef  : Manifest Globales Wirtschaftsethos, dtv, 2010 Scherer, Hermann  : Jenseits vom Mittelmaß, Gabal, 1. Auflage, 2009

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literatur, quellen und f­ otorechte

Schopenhauer, Arthur  : Der Mensch mit sich allein, Georg Prachner, 2. Auflage, 1952 Schuhmann, Jörg  : Führungswechsel – Das Unternehmen von der Zukunft her führen, Books on Demand, 1. Auflage, 2010 Schulmeister, Stephan  : Hört auf die Spekulanten, taz.de, Zugriff am 26. 9. 2011 Sedlacek, Norbert  : Icelimit, Delius Klasing, 1. Auflage, 2002 Seith, Anne  : Ethikbanken – Gute Geschäfte mit dem Gutmenschentum, spiegelonline, Zugriff am 30.6.2009 Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz (Hg.)  : Enzyklika Caritas in veritate von Papst Benedikt XVI, Libreria Editrice Vaticana, 2009 Sieböck, Gregor  : Der Weltenwanderer, Tyrolia, 2. Auflage, 2009 science orf.AT  : Nette Kollegen verlängern das Leben, science orf.at, Zugriff am 5.8.2011 Smith, Michael  : The Boss, The Collins Press, 1. Auflage, 2004 Sobel, Dava  : Längengrad, Berliner Taschenbuch Verlag, 4. Auflage, 2007 Solte, Dirk  : Weltfinanzsystem am Limit – Einblicke in den »Heiligen Gral« der Globalisierung, Terra Media, 2. Auflage, 2009 Sprenger, Reinhard K.  : Das Prinzip Selbstverantwortung, Campus, 7. Auflage, 1997 Stehr, Nico  : Die Moralisierung der Märkte, Suhrkamp, 1. Auflage, 2007 Südkurier  : Für eine Wirtschaft in Balance, Südkurier, 13. 5. 2011 Sullivan, Dan/Nomura, Catherine  : No Limits  ! Die 10 Gesetze für Wachstum und Glück, MVG, 2006 The London Gazette, Number 28321, 24. 12. 1909 Ulrich, Peter  : Integrative Wirtschaftsethik  : Grundlage einer lebensdienlichen Ökonomie, Haupt, 4. Auflage, 2008 Wagner, Yvonne  : Arbeiten am Limit – Heute wird es wieder spät, Frankfurter Allgemeine – faz.net, Zugriff am 3. 12. 2008 Wahren, Heinz-Kurt, Gier – Der menschliche Faktor in der Finanzkrise, Wilhelm Fink, 1. Auflage, 2011 Watzlawick, Paul  : Vom Schlechten des Guten, Piper, 1986 weltonline  : Ernest Shackletons Whisky in Antarktis entdeckt, Zugriff am 6. 4. 2010 literatur, quellen und f­ otorechte

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Werle, Klaus  : Die Perfektionierer  : Warum der Optimierungswahn uns schadet – und wer wirklich davon profitiert, Campus, 1. Auflage, 2010 Whitmore, John  : Coaching für die Praxis, allesimfluss, 1. Auflage, 2006 Wochenblatt  : Produktion am Limit, wochenblatt.de, Zugriff am 20. 5. 2011 Worsley, Henry  : In Shackleton’s Footsteps – A Return to the Heart of the Antarctic, Virgin Books, 2011 Yang, Li Li  : Manager müssen Mut machen, Personalmanager, 2/2008 Zeilinger, Johannes  : Auf brüchigem Eis, Matthes & Seitz, 1. Auflage, 2009 Zimmermann, Christa-Marie  : Gefangen im Packeis – Die abenteuerliche Fahrt der Endurance, Arena, 3. Auflage, 2005 Zirnig, Daniel  : Corporate Social Responsibility  : Definitorische Abgrenzung, Instrumente und betriebswirtschaftliche Erfolgswirkungen, Diplomica, 1. Auflage, 2009

Filme  In der Hölle des Packeises, Universum, ZDF/ORF, 2001 Shackleton’s Boat, The James Caird Society and Dulwich College, 2008 Shackleton – Verschollen im ewigen Eis, Polyband and Toppic, 2002 Verschollen im Packeis – Die Antarktis Abenteuer des Sir Ernest Shackleton, br/arte, 2000

Tonträger Lorenz, Konrad  : Umweltgewissen, LP, CBS, 1989 Malik, Fredmund  : Wenn Grenzen keine sind, CD, Malik on Management, 2007

Sonstige Quellen Alfred-Wegener-Institut, Bremerhaven/Deutschland 270

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Dulwich College, London/England James Caird Society, London/England Josef Hoflehner, Wels/Österreich National Library of New Zealand, Wellington/Neuseeland National Maritim Museum, London/England Reinhold Messner, Juval/Italien Royal Geographic Society, Cranbrook/England Scott Polar Institut, Cambridge/England Shackletonmuseum, Kildare/Irland The Shackleton Foundation, London/England

Bilderherkunft und Fotorechte Autorenbild  : Wolfgang Zopf; Karte der Nimrod-Expedition auf Seite 6: The Library of Congress, Washington D.C./USA; Kapitelüberschriften: Der Autor; Bilder auf Seite 21, 27: James Caird Society, Cranbrook/England; Bild auf Seite 43  : Royal Geographical Society, London/England; Bilder auf Seite 24, 31, 33, 34, 36, 37, 39, 44, 45, 47, 48, 53, 56, 76, 78, 84  : ­Alexander Turnbull Library, National Library Of New Zealand, Wellington/Neuseeland; Titelbild und alle übrigen Bilder  : Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven/Deutschland.

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PETER BAUMGARTNER, RAINER HORNBOSTEL

MANAGER MÜSSEN MUT MACHEN MYTHOS SHACKLETON FÜHRUNGSKUNST – UNTERNEHMENSPHILOSOPHIE – NEUAUSRICHTUNG

Eine Expedition bricht ins Eismeer auf. Im Sommer 1914 entschwindet sie beinahe aus der Welt, um fast hundert Jahre später in der Managementliteratur wieder aufzutauchen. Ihr Expeditionsleiter: der legendäre AntarktisForscher Sir Ernest Shackleton, Gentleman, Charmeur und Abenteurer – sein Charisma ist schon zu Lebzeiten berühmt. Sein Name wird oft mit dem Attribut „mythisch“ bedacht. „Wenn die europäische Industrie Shackletons Leadership als Vorbild predigen würde, wäre sie auch in 10 Jahren weltweit führend.“ Reinhold Messner (in seinem Vorwort zum Buch) 251 SEITEN. 32 S/W-ABB. ISBN 978-3-205-77793-9

„Abgesehen von den interessanten, […] innovativen Ansätzen ist das Buch auch nett zu lesen, weil man viel über Shackleton und dessen Expedition erfährt.“ Wiener Zeitung

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