Geheime Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken außerhalb des Gesetzes zur Beschränkung von Art. 10 GG (G10): Unter besonderer Berücksichtigung völkerrechtlicher Aspekte sowie einer rechtsvergleichenden Betrachtung mit den Vereinigten Staaten von Amerika [1 ed.] 9783428463985, 9783428063987

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Geheime Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken außerhalb des Gesetzes zur Beschränkung von Art. 10 GG (G10): Unter besonderer Berücksichtigung völkerrechtlicher Aspekte sowie einer rechtsvergleichenden Betrachtung mit den Vereinigten Staaten von Amerika [1 ed.]
 9783428463985, 9783428063987

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 531

Geheime Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken außerhalb des Gesetzes zur Beschränkung von Art. 10 GG (G10) Unter besonderer Berücksichtigung völkerrechtlicher Aspekte sowie einer rechtsvergleichenden Betrachtung mit den Vereinigten Staaten von Amerika

Von Egbert Beier

Duncker & Humblot · Berlin

EGBERT BEIER Geheime Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken außerhalb des Gesetzes zur Beschränkung von Art. 10 G G (G10)

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 531

Geheime Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken außerhalb des Gesetzes zur Beschränkung von Art. 10 GG (G10) Unter besonderer Berücksichtigung völkerrechtlicher Aspekte sowie einer rechtsvergleichenden Betrachtung mit den Vereinigten Staaten von Amerika

Von Dr. Egbert Beier

Duncker & Humblot · Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Beier, Egbert: Geheime Überwachungsmassnahmen zu Staatssicherheitszwecken ausserhalb des Gesetzes zur Beschränkung von Art. 10 GG (G 10): unter bes. Berücks. völkerrechtl. Aspekte sowie e. rechtsvergleichenden Betrachtung mit d. Vereinigten Staaten von Amerika / von Egbert Beier. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1988 (Schriften zum Öffentlichen Recht; Bd. 531) Zugl.: Heidelberg, Univ., Diss., 1987 ISBN 3-428-06398-8 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1988 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin 61 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-06398-8

Vorwort Diese Arbeit wurde im Sommersemester 1987 von der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Der Textteil wurde bereits im März 1986 fertiggestellt; in den Fußnoten sind Rechtsprechung und Literatur bis zum August 1987 ausgewertet worden. Die Absicht (und Hoffnung) des Verfassers ist es, hiermit einen Diskussionsbeitrag zu einer heiklen und sehr umstrittenen Frage zu leisten. I n diesem Sinne sollte auch der im letzten Kapitel erarbeitete Gesetzesvorschlag verstanden werden; im Grunde genommen stellt er lediglich eine andere Art der Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit in Thesenform dar. Ein Blick über die Grenzen der eigenen Rechtsordnung erscheint gerade bei der hier behandelten Problematik als sinnvoll; der Verlauf der Diskussion über die „Sicherheitsgesetze" hat m.E. zudem die Notwendigkeit einer von den tagespolitischen Aufgeregtheiten unberührten Untersuchung der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten in diesem Bereich unter Beweis gestellt. Zu danken habe ich an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Jochen Abr. Frowein für die Anregung zum Thema und die Betreuung der Arbeit; weiterhin ist hier Dank abzustatten bei Frau Petra Roth und den Herren Matthias Heger und Steven Less sowie dem Verlag Duncker & Humblot für die Aufnahme in die Reihe „Schriften zum Öffentlichen Recht". Gewidmet ist die Arbeit meiner Mutter, die mir Studium sowie Anfertigung und Veröffentlichung meiner Dissertation ermöglicht hat. Heidelberg, Ende Oktober 1987 Egbert Beier

Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

17

1. Allgemeine Feststellungen zur rechtlichen Beurteilung der Ermittlungstätigkeit der deutschen Nachrichtendienste

17

2. Möglichkeit und Notwendigkeit einer Lösung des Problems

19

Π. Die Möglichkeiten zum Einsatz geheimer Überwachungsmaßnahmen durch die Nachrichtendienste im Recht der Bundesrepublik Deutschland 23 1. Historisches zur Entwicklung der Rechtslage i n bezug auf geheime Überwachungsmaßnahmen durch die Nachrichtendienste seit 1949

23

2. Das G10 als Musterfall einer gesetzlichen Regelung und die Unterschiede zur Telefonüberwachung (TÜ) durch die Strafverfolgungsbehörden nach § 100 a StPO

27

a) Die gesetzlichen Unterschiede der nachrichtendienstlichen und der straf verfolgenden T Ü

27

b) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Verwertbarkeit der bei nachrichtendienstlicher und strafprozessualer T Ü gewonnenen Erkenntnisse als Beweismittel im Strafverfahren

30

3. Das Defizit: Die über die Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses hinausgehenden nachrichtendienstlichen Ermittlungsmethoden - Möglichkeiten und Grenzen einer gesetzlichen Regelung

34

a) Allgemeine Feststellungen und Eingrenzung des Gegenstandes der Untersuchung

34

b) Die „Raumgespräch"-Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen vom 16. 3. 1983 - BGHSt. 31, 296

37

c) Die Auslegung des Art. 13 GG und seiner Eingriffsvorbehalte - fallen „Lauschangriffe" unter Abs. 2 oder Abs. 3?

40

d) Möglichkeiten einer Lösung der Einordnungsschwierigkeiten

46

e) Die Beurteilung von Lauschmaßnahmen zum Zweck der Ausforschung von Wohnungen nach Art. 13 I I I und Art. 2 I GG

50

nsverzeichnis

8

f) Die Problematik der möglichen Verletzung des „Kernbereichs unantastbarer privater Lebensgestaltung"

55

g) Die Lösung durch die Anwendung des „strikten" Verhältnismäßigkeitsprinzips

57

h) Zusammenfassung der gefundenen Ergebnisse

61

4. Bisherige Rechtfertigungsversuche für geheime Überwachungsmaßnahmen außerhalb des G10-Bereichs

63

a) Das völlige Fehlen einer Rechtsgrundlage für BND und MAD

63

b) Die Beurteilung der Rechtsgrundlage für heimliche Ermittlungstätigkeit durch den Verfassungsschutz

65

c) Die Frage der analogen Anwendbarkeit des § 34 StGB im Bereich des Verfassungsschutzrechts

73

5. Ergebnis für den Geltungsbereich des Grundgesetzes

ΠΙ. Der völkerrechtliche Aspekt: Die Beurteilung der Spionage und die Frage der erlaubten Abwehr - insbesondere die Überwachung der offiziellen Vertreter fremder Mächte auf eigenem Staatsgebiet

74

76

1. Allgemeine Feststellungen

76

2. Die völkerrechtliche Beurteilung der Spionage

78

a) Die Regelungen über die Spionage im Verlauf bewaffneter Konflikte zwischen Staaten (Kriegsspionage)

78

b) Die Spionage in Friedenszeiten

79

c) Die Berücksichtigung besonderer völkerrechtlicher Rechte und Pflichten von einzelnen Personen oder Personengruppen bei der Beurteilung ihrer Ausspähungstätigkeit

82

3. Der völkerrechtliche Status der diplomatischen Vertreter fremder Mächte auf eigenem Staatsgebiet und die Möglichkeit zu geheimen Überwachungsmaßnahmen gegen diesen Personenkreis

86

a) Allgemeines zu den Privilegien der diplomatischen Vertreter fremder Mächte

86

b) Die Möglichkeit einer „Verwirkung" der diplomatischen Immunität bei völkerrechtswidriger Ausspähungstätigkeit 87 c) Die allgemeinen Reaktionsmöglichkeiten des durch ein völkerrechtliches Delikt verletzten Staates

89

d) Die völkerrechtliche Beurteilung von geheimen Überwachungsmaßnahmen gegen diplomatische Vertreter fremder Mächte durch den Empfangsstaat

90

nsverzeichnis e) Die Bedeutung der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes im Fall United States of America v. Iran vom 24. 5. 1980 und der Kodifikation der International Law Commission zur Staatenverantwortlichkeit für die hier zu klärende Frage

94

f) Der Ausschluß der Repressalie gegen diplomatische Vertreter fremder Mächte 100 g) Die Frage der sonstigen staatlichen Selbsthilfemaßnahmen

101

h) Ergebnis der völkerrechtlichen Betrachtung von geheimen Überwachungsmaßnahmen gegen diplomatische Vertreter fremder Mächte als Reaktion des Empfangsstaates auf eine von diesem Personenkreis ausgeübte völkerrechtswidrige Spionagetätigkeit 107

IV. Die amerikanische Regelung geheimer Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken 110 1. Die verfassungsrechtliche Ausgangslage in den USA und die Unterschiede zum Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland 110 2. Die Anwendung des vierten Zusatzartikels zur U.S.-Verfassung auf das heimliche Abhören von Gesprächen durch den U.S. Supreme Court: Von Olmsteadv. U.S. (1928) bis zu Katzv. U.S. (1967) 112 a) Der Fall Olmstead v. U.S

112

b) Der Federal Communications Act (FCA) von 1934

114

c) Der Widerruf der „trespass doctrine" : Die Fälle Berger v. State of New York und Katzv. U.S 118 3. Die erste gesetzliche Regelung: Title I I I des „Omnibus Crime Control and Safe Streets Act" (OCCA) von 1968 und sein „national security disclaimer" 123 a) Der Erlaß des OCCA durch den Kongreß

123

b) Der „national security disclaimer"

124

c) Die „Keith"-Entscheidung des Supreme Court

126

d) Vom „national security disclaimer" zur „foreign security exception" die widersprüchlichen Entscheidungen der Untergerichte nach „Keith" 129 4. Die jetzige Rechtslage: Der Foreign Intelligence Surveillance Act von 1978 („FISA") 134 a) Zur Gesetzesgeschichte

134

b) Die Änderungen der bisherigen Rechtslage durch den FISA

135

c) Der unterschiedliche Standard für „U.S. persons", „foreign visitors" und „officers and employees of a foreign power" 140

10

nsverzeichnis d) Überwachung ohne vorherige richterliche Anordnung nach dem Foreign Intelligence Surveillance Act 144 e) Die „minimization procedures" des FISA

145

f) Zur Verfassungsmäßigkeit des FISA

149

g) Die Beurteilung des FISA durch die Bundesgerichte

151

h) Abschließende Feststellungen

154

V. Möglichkeiten und Grenzen einer Übernahme der amerikanischen Regelung in das Recht der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Ausgangslage 161 1. Bemerkungen zu einem Bedarf der Orientierung an der amerikanischen Rechtslage in der Bundesrepublik 161 a) Die Erstreckung des FISA auf alle Arten der „electronic surveillance" 161 b) Die im amerikanischen Recht bestehende Differenzierung zwischen Überwachungsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit und Maßnahmen gegen eine „fremde Macht" 163 c) Die Abstufung der Überwachungsvoraussetzungen nach der Nähe zu einer „fremden Macht" im FISA 164 2. Die Möglichkeit einer Differenzierung bei geheimen Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken hinsichtlich der Beteiligung einer „fremden Macht" 165 a) Das Für und Wider einer solchen Differenzierung

165

b) Der Vergleich der FISA-Regelung mit der des G10

167

c) Der Einfluß des Verhältnismäßigkeitsprinzips

169

3. Die Möglichkeit einer Differenzierung nach dem zu überwachenden Personenkreis hinsichtlich der „Nähe" der von der Überwachungsmaßnahme Betroffenen zu einer fremden Macht 171 a) Die völkerrechtliche Beurteilung von gegen diplomatische Vertreter fremder Mächte gerichteten geheimen Überwachungsmaßnahmen . . . 172 b) Die Frage der Grundrechtsgeltung für diplomatische Vertreter fremder Mächte 172 c) Die Auslegung der betroffenen Grundrechte

176

d) Die Regelung für den Personenkreis der Ausländer ohne diplomatischen Status 179 e) Probleme bei der genauen Formulierung einer gesetzesförmigen Regelung 184 f) Ein Gesetzesvorschlag unter Berücksichtigung der bisher erarbeiteten Voraussetzungen 187

nsverzeichnis 4. Die weiteren Voraussetzungen für die Durchführung geheimer Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken 191 a) Die Frage der Anordnungskompetenz

191

b) Die Übernahme der „minimization procedures"

194

c) Die übrigen notwendigen Regelungen im Rahmen eines „G13"

203

Literaturverzeichnis

207

Abkürzungsverzeichnis a.

= auch

aaO.

= am angegebenen Ort

AdG

= Archiv der Gegenwart

AFDI

= Annuaire Français de Droit International

affd.

= affirmed

ähnl.

= ähnlich

AJIL

= American Journal of International Law

AK-GG

= Alternativkommentar zum Grundgesetz

Alt.

= Alternative

Am. Comp. L. J.

= American Journal of Comparative Law

Am. Crim. L. Rev.

= American Criminal Law Review

Anm.

= Anmerkung

App.

= Appendix

AöR

= Archiv des öffentlichen Rechts

ArchVR

= Archiv des Völkerrechts

Art.

= Artikel

BayVBl.

= Bayerische Verwaltungsblätter

Bd.

= Band

bes.

= besonders

Beschl.

= Beschluß

BfD

= Bundesbeauftragter für den Datenschutz

BfV

= Bundesamt für Verfassungsschutz

BGHSt.

= Entscheidung des Bundesgerichtshofes i n Strafsachen

BND

= Bundesnachrichtendienst

Boston College Internat'l & Comp. L.J.

= Boston College Journal of International and Comparative Law

Brooklyn J. Int'l L.

= Brooklyn Journal of International Law

BTM

= Betäubungsmittel

Buchh.

= Buchholz (Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts)

BVerfGE

= Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwGE

= Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

Calif.

California

Abkürzungsverzeichnis Can. Yb. of International Law

Canadian Yearbook of International Law

cert. den.

certiorari denied

CIA

Central Intelligence Agency

Cir.

(Judicial) Circuit

C. J. S.

Corpus Juris Secundum

Cornell L. R.

Cornell Law Review

CuR

Computer und Recht (Zeitschrift)

D. oder Dist.

(Judicial) District

D. C.

District of Columbia

Denver J. Int'l L. &

Denver Journal of International Law and Policy

Pol'y diss.

dissenting

Diss.

Dissertation

DÖV

Die öffentliche Verwaltung

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

DVB1.

Deutsches Verwaltungsblatt

Duke L. J.

Duke Law Journal

ebd.

ebenda

ed.

Edition oder Editor

E. D.

Eastern (Judicial) District

EKMR

Europäische Kommission für Menschenrechte

EPIL

Encyclopaedia of Public International Law

etc.

et cetera

EuGRZ

Europäische Grundrechte - Zeitschrift

(f.)f.

und folgende Seite(n)

FBI

Federal Bureau of Investigation

FCA

Federal Communications Act

FISA

Foreign Intelligence Surveillance Act

FISC

Foreign Intelligence Surveillance Court

Fn.

Fußnote

Fordham Int'l L. J.

Fordham Journal of International Law

FS

Festschrift

F.2d

Federal Reporter Second Series

F. Supp.

Federal Supplement

GA

Goldtdammers Archiv für Strafrecht

Georgetown L. J.

Georgetown Law Journal

GMB1.

Gemeinsames Ministerialblatt (des Bundes)

Abkürzungsverzeichnis

14

Golden Gate U. L. Rev. = Golden Gate University Law Review Harv. L. R.

= Harvard Law Review

ICJ

= International Court of Justice

Ind. L. J.

= Indiana Law Journal

i. e.

= im einzelnen

ILC

= International Law Commission

111.

= IUinois

ILM

= International Legal Materials

J.

= Justice oder Judge (Richter)

JIR

= Jahrbuch für Internationales Recht

JR

= Juristische Rundschau

JuS

= Juristische Schulung

JZ

= Juristenzeitung

Kap.

= Kapitel

m.

= mit

MAD

= Militärischer Abschirmdienst

M. D.

= Middle District

Mich.

= Michigan

Minn.

= Minnesota

m. (w.) N.

= mit (weiteren) Nachweisen

Nachw.

= Nachweise

N. D.

= Northern District

Ν. J.

= New Jersey

NJW

= Neue Juristische Wochenschrift

North Carolina J. Int'l & Comm. Reg.

= North Carolina Journal of International Law and Commereiai Regulation

NSA

= National Security Agency

NStZ

= Neue Zeitschrift für Strafrecht

NVA

= Nationale Volksarmee (der DDR)

NVwZ

= Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

N.Y.

= New York

NZWehrR

= Neue Zeitschrift für Wehrrecht

OCCA

= Omnibus Crime Control and Safe Streets Act

ο. V.

= ohne Verfasserangabe

Rdnr(n).

= Randnummer(n)

Abkürzungsverzeichnis RiA

= Recht im Amt

Rutgers L. Rev.

= Rutgers Law Review

s.

= siehe

S.

= Satz oder Seite

San Diego L. R.

= San Diego Law Review

S. Cal. L. R.

= Southern California Law Review

Sec.

= Section

StA

= Staatsanwaltschaft

StrVert

= Strafverteidiger (Zeitschrift)

Suffolk Transnat'l L. J. = Suffolk Journal of Transnational Law TÜ

= Telefonüberwachung

u.

= und

UNC

= United Nations Charter

U N Doc.

= United Nations Document

U. S.

= United States Reports

U. S. C.

= United States Code

U. S. Code Cong. & Adm. News

= United States Code Congressional and Administrative News

U. S. Const.

= United States Constitution

usw.

= und so weiter

v.

= versus (gegen)

v. a.

= vor allem

Va.

= Virginia

Vand. J. Transnat'l L.

= Vanderbilt Journal of Transnational Law

Verf.

= Verfasser

VerwArch.

= Verwaltungsarchiv

vgl.

= vergleiche

Virginia L. R.

= Virginia Law Review

WdStRL

= Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

VwV

= Verwaltungsvorschrift

WÜD

= Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen

ZaöRV

= Zeitschrift für Völkerrecht

z. B.

= zum Beispiel

ZRP

= Zeitschrift für Rechtspolitik

ZStW

= Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

zun.

= zunächst

ausländisches öffentliches

Recht und

I. Einleitung 1. Allgemeine Feststellungen zur rechtlichen Beurteilung der Ermittlungstätigkeit der deutschen Nachrichtendienste

Über die Tätigkeit der drei für die Bundesrepublik Deutschland arbeitenden Nachrichtendienste (Bundesnachrichtendienst, Militärischer Abschirmdienst, Verfassungsschutz) ist in den letzten Jahren immer ausführlicher juristisch diskutiert worden. Diese Diskussion hat den Umstand klar zutage treten lassen, daß die Rechtsgrundlage dieser notwendigerweise im Geheimen arbeitenden Behörden teilweise defizitär ist und teilweise völlig fehlt. Dieser Umstand begünstigt bzw. bedingt geradezu eine Betrachtungsweise, die die Befugnisse der Nachrichtendienste negativ einzugrenzen versucht, da es eben kaum auslegbare Kompetenznormen gibt, wohl aber die Grundrechte der von ihrer Ermittlungstätigkeit betroffenen Bürger. In den meisten der einschlägigen Veröffentlichungen werden den Nachrichtendiensten denn auch außerhalb des Gesetzes zu Art. 10 GG („G 10") kaum Eingriffsbefugnisse zuerkannt. 1 Ob die Zurückhaltung des Gesetzgebers auf diesem Gebiet ihre Gründe in einer „historischen Hypothek" 2 durch die Methoden des Dritten Reichs hat oder in der Angst vor der öffentlichen Meinung angesichts der heiklen Materie, kann hier dahinstehen.3 Jedenfalls hat sie zu dem unerfreulichen 1 Vgl. zunächst die aus dem Jahr 1958 stammende Bemerkung von Dürig in Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG-Kommentar, Rdnr. 39 zu Art. 2 Abs. 1 GG: „Weder traditioneller Kriminalschutz, noch neuzeitlicher Verfassungsschutz rechtfertigen Bandaufnahmen, bei denen der Sprechende über die Tatsache der Bandaufnahme belogen wurde. Insbesondere können die Usancen irgendwelcher Abwehrdienste verfassungsrechtlich auf keinen Fall berücksichtigt werden"; ferner die Arbeit von Schatzschneider, Ermittlungstätigkeit der Ämter für Verfassungsschutz und Grundrechte, Frankfurt 1979, der ζ. B. Erwägungen darüber anstellt, ob die in den Verfassungsschutzgesetzen enthaltene Ermächtigung zum Einsatz „nachrichtendienstlicher Mittel" überhaupt die Ausschöpfung offen zugänglicher Quellen erlaubt (S. 164, Fn. 218) sowie die im folgenden zitierten Aufsätze von Gusy und Riegel, die weite Bereiche der Tätigkeit der Dienste mangels einer gesetzlichen Befugniszuweisung für rechtswidrig halten, und Lisken, ZRP 1984, 144. 2 Dies vermutet Friedrichs, Der Einsatz von „V-Leuten" durch die Ämter für Verfassungsschutz, Göttingen 1981, S. 1. 3 Während der Entstehung dieser Arbeit waren Pläne der Regierungskoalition bekannt geworden, ein Gesetz über Aufgaben und Befugnisse des MAD, eine Neufassung des BVerfSchG und ein Gesetz über die Zusammenarbeit aller Sicherheitsbehörden bis zum Ende der zehnten Legislaturperiode (Januar 1987) vorzulegen (vgl. DER SPIEGEL 30/1985 vom 22.7.1985, S. 17ff.). Am 29.1.1986 verabschiedete dann das Bundeskabinett ein Gesetzespaket zur inneren Sicherheit, das u. a. enthielt:

2 Beier

18

I. Einleitung

Zustand geführt, daß lediglich für die Ämter für Verfassungsschutz eine schmale und mancherlei Deutungen zugängliche Aufgaben- und Befugnisnorm existiert (§ 3 BVerfSchG und die entsprechenden Landesgesetze), während die Tätigkeit von BND und MAD lediglich auf internen Dienstanweisungen basiert. 4 Das G 10 ist das einzige Gesetz, in dem BND und MAD - neben dem Verfassungsschutz - überhaupt Befugnisse zugestanden werden. Die dort unter bestimmten Voraussetzungen erlaubte Kontrolle des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs bildet nun aber nur eine von vielen Überwachungstechniken 5 und mit Sicherheit nicht die einzige, die von den Diensten angewandt wird. Inwieweit die Anwendung geheimer Überwachungsmaßnahmen außerhalb des G 10-Bereichs durch die Ämter für Verfassungsschutz von § 3 I I I 2 BVerfSchG und den entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen gedeckt wird (d.i. die Erlaubnis zum Einsatz „nachrichtendienstlicher Mittel"), ist eine Frage, über die sich immerhin streiten läßt. 6 Für BND und MAD fehlt es hier aber an einer wie auch immer gearteten rechtlichen Grundlage. Da hilft auch die Feststellung nichts, daß zumindest der BND nach seiner Dienstanweisung die im Geltungsbereich des Grundgesetzes lebenden Personen gar nicht behelligen dürfe, 7 da sich im Zusammenhang mit seiner „Auslandsaufklärung" auch einmal - vor allem im Rahmen der ihm ausdrücklich zugewiesenen Gegenspionage - die Notwendigkeit ergeben kann, auch Inländer zu überwachen. 8 Der MAD schließ-

(1) den Entwurf für ein neues BVerfSchG - E-BVerfSchG, BT-Drs. 10/4737 bzw. 10/ 5343, (2) den Entwurf eines Gesetzes über den MAD - E-MADG, BT-Drs. 10/4738 bzw. 10/ 5342, (3) den Entwurf eines Gesetzes über die informationelle Zusammenarbeit der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der Länder i n Angelegenheiten des Staats- und Verfassungsschutzes und nachrichtendienstlicher Tätigkeit (Zusammenarbeitsgesetz) - Ε-ZAG, BR-Drs. 66/86 bzw. BT-Drs. 10/5344. Zu einer Verabschiedung dieser Gesetzesentwürfe im Bundestag kam es in der zehnten Wahlperiode nicht; sie wurden vielmehr von Anfang an sehr kontrovers diskutiert. s. hierfür Bäumler, DÖV 1986, 496 (zum E-BVerfSchG); ders., DVB1. 1986, 496 (Zum E-MADG); Riegel, CuR 1986, 343 (zum Ε-ZAG) und ders., RiA 1986, 193. Die Texte der Gesetzesentwürfe sind auch abgedruckt bei Borgs / Ebert, Das Recht der Geheimdienste, Stuttgart 1986, Teil D, S. 246 - 264. 4 Die für den BND derzeit gültige Dienstanweisung vom 4.12.1968 findet sich bei Stern, Staatsrecht I, 2. Auflage, § 6 V I 2 (S. 220) sowie bei Rieger, ZRP 1985, S. 4 Fn. 14. Zum MAD s. Gusy, DÖV 1983, 60. 5 s. Schatzschneider, S. 216, der sie als „qualifizierte Informationseingriffe" aufzählt. 6 Vgl. die Kontroverse von Schlink, NJW 1980, 552 und Schwabe, NJW 1980, 2396 u. nochmals Schlink / Schwabe, NJW 1981, 565; s. a. Evers, Verfassungsschutz und Polizei, S. 69 Fn. 190 m.w.N. 7 Dies war die Auffassung Hans Hugo Kleins auf der Staatsrechtslehrertagung 1978, vgl. W D S t R L 37 (1979), S. 92. Ähnlich Friedrichs, S. 4, der i n der Tätigkeit des BND eher „völkerrechtliche Problematiken" sieht. Hier hätte bereits ein Blick in das G 10 geholfen; s. a. Gusy, Die Verwaltung 1984, S. 281 f. 8 Stern, S. 220f.; s. a. Riegel, NJW 1979, S. 955 Fn. 24 m.w.N.; Gusy NVwZ 1983, 322, 323; Lisken, ZRP 1984, 114, 115.

2. Möglichkeit und Notwendigkeit einer Problemlösung

19

lieh w i r d ohnehin entsprechend seiner Aufgabenstellung wohl nur auf dem Gebiet der Bundesrepublik tätig. 9 Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Volkszählungsgesetz vom 15. Dezember 1983 das aus Art. 2 I in Verbindung mit Art. 11 fließende Recht auf informationelle Selbstbestimmung ausdrücklich anerkannt und damit die staatliche Erhebung von Informationen über Personen ohne oder gegen deren Willen als Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen qualifiziert. Die Ermächtigung für diese Eingriffe bedarf einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die noch weiteren Voraussetzungen genügt (Normenklarheit, Verhältnismäßigkeit). 10 Zumindest für MAD und BND aber keine solche vorhanden, so daß viel für die Ansicht spricht, ihre in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführte verdeckte Ermittlungstätigkeit außerhalb der Ermächtigung des G 10 sei rechtswidrig. 1 1 2. Möglichkeit und Notwendigkeit einer Lösung des Problems

Gewonnen hat man mit dieser Erkenntnis jedoch noch nicht viel; es bleibt die Frage offen, wie denn eine gesetzliche Regelung nachrichtendienstlicher Eingriffsbefugnisse aussehen sollte. Für geheime Überwachungsmaßnahmen unter Zuhilfenahme technischer Mittel soll im Rahmen dieser Arbeit eine Lösung gefunden werden, die sowohl mit den Grundrechten der Betroffenen als auch mit den nachrichtendienstlichen Erfordernissen vereinbar ist. Um dieses Ziel zu erreichen, wird eine rechtsvergleichende Betrachtung mit den Vereinigten Staaten von Amerika vorgenommen werden. Während in der Bundesrepublik Deutschland die Diskussion über diese Fragen eigentlich erst ab 1977 („Fall Dr. Traube" mit seinen gesamten politischen und publizistischen Nachwehen) 12 richtig anlief, ist in den USA die Erkenntnis der Problematik von geheimen Überwachungsmaßnahmen durch staatliche Organe um Jahrzehnte älter. Aus einer rechtsvergleichenden Betrachtung ist damit durchaus Gewinn zu erwarten, zumal die dorti9 Gusy, DÖV 1983, 63; Riegel, NJW 1979, 952, 955 f. 10 BVerfGE 65, 1 (43 f.). Zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor dieser Entscheidung vgl. Denninger, ZRP 1981, 231, 232ff., und Gusy, VerwArch 74 (1983), S. 91 ff. Zur Grundrechtsberührung der staatlichen Ermittlungstätigkeit s. a. Friedrichs, S. 22 f. 11 s. Gusy, DÖV 1980, 433 und NVwZ 1983, 323; Riegel, RiA 1984, 49, 50 und schon in NJW 1979, 952, 956; s. dazu auch die Ausführungen hier in Kap. II, 4a). 12 Zum tatsächlichen Hintergrund s. den Beitrag von Klaus Traube selbst in WolfDieter Narr (Hrsg.), Wir Bürger als Sicherheitsrisiko, Reinbek 1977, sowie Dünnebier, Demokratie und Recht 1980, S. 383ff.; zur juristischen Beurteilung vgl. zunächst de Lazzer / Rohlf, JZ 1977, S. 207ff., sowie die Beiträge von Grünwald („Wanzen sollen zulässig sein?") und Denninger („Wo lag das extreme Risiko?"), in: DER SPIEGEL Nr. 11/1977 vom 7.3.1977, S. 22 - 24. 2*

20

I. Einleitung

gen W e r t v o r s t e l l u n g e n u n d Probleme i m K o n f l i k t Freiheitsrechte - Staatsschutz den unseren n i c h t u n ä h n l i c h sein dürften. E i n e „ V e r r e c h t l i c h u n g " dieses zweifellos h e i k l e n Gebietes s t a a t l i c h e n H a n d e l n s erscheint aber a u c h aus anderen G r ü n d e n als der d u r c h das „ V o l k s z ä h l u n g s - U r t e i l " des Bundesverfassungsgerichts geschaffenen Rechtslage als dringend notwendig. D i e Feststellung, eine effektive rechtsstaatliche K o n t r o l l e der verfassungsschützenden Organe könne n i c h t b e i der G e w i n n u n g der N a c h r i c h t e n , sondern erst bei deren Speicherung, A u s w e r t u n g u n d Weitergabe ansetzen, 1 3 ließe den Nachrichtendiensten b e i i h r e r I n f o r m a tionsbeschaffung freie H a n d . D i e „ N o t w e n d i g k e i t einer wenigstens r u d i m e n t ä r e n E i n b i n d u n g der Dienste i n unser rechtsstaatliches

System"14

besteht auch i n dieser H i n s i c h t . I m ü b r i g e n ist auch die B e h a n d l u n g dieses Themas d u r c h manche A u t o r e n eher unbefriedigend. D i e Behauptung, es sei „eine S e l b s t v e r s t ä n d l i c h k e i t " , daß die A u f k l ä r u n g v o n Straftaten, insbesondere z u m Schutz der Staatssicherheit, gewisse Opfer i m H i n b l i c k auf den Schutz der Privatsphäre verlange, w i r d i n dieser A l l g e m e i n h e i t den m i t dieser Frage verbundenen Prob l e m e n n i c h t gerecht. 1 5 Es v e r t r ä g t sich auch schlecht, den Vorschlag, m a n -

13 So Gusy, DÖV 1980, 431, 433. Aus dieser Einsicht heraus resultierte wohl die umfangreiche Diskussion der Amtshilfe zwischen Polizei und Verfassungsschutz: vgl. dazu die Beiträge von Lisken, NJW 1982, 1481; Riegel, NJW 1979, 952; Denninger, ZRP 1981, 231; Schlink, Die Amtshilfe, 1982, S. 284ff.; Borgs / Ebert (Fn. 3), Teil A, § 3Rdnrn. 171ff. 14 Ausdruck von Riegel, NJW 1979, 952, 956; s. a. Borgs-Maciejewski, Beilage „Aus Politik und Zeitgeschichte" zur Wochenzeitung „Das Parlament" Β 6/77 vom 12.2.1977, S. 17. 15 So Doehring, Staatsrecht der BRD, 3. Aufl., S. 334. Die zitierte Entscheidung BVerfGE 20, 162, 221 f. = NJW 1966, 1603 ff. eignet sich auch nicht sehr zum Nachweis dieser These. Es handelt sich um das sog. „SPIEGEL-Urteil" des BVerfG. Zum einen erfolgte die Zurückweisung der Verfassungsbeschwerden Augsteins u. a. bei 4:4 Stimmen im erkennenden Senat lediglich aufgrund § 15 I I 4 BVerfGG. Zum anderen wird zwar in der die Entscheidung tragenden Meinung die Auffassung Doehrings mehr oder weniger bestätigt (BVerfGE 20, 222: „Die Bundesanwaltschaft kann jedenfalls für sich ins Feld führen, . . . daß der Schutz des Staates ein verfassungsrechtliches Gebot obersten Ranges darstellt, dem der Grundrechtsschutz - auch nach dem Wortlaut der Verfassung - unter Umständen weichen muß . . . " ) , in der Meinung der die Entscheidung nicht tragenden Richter (kein dissenting vote!) heißt es aber: „Die Schwere des Deliktes des Landesverrats und die potentielle Gefährdung der Staatssicherheit durch den Verrat militärischer Geheimnisse dürfen allein nicht ausreichen, um den Schutz der Pressefreiheit grundsätzlich zurücktreten zu lassen und strafprozessuale Zwangsmaßnahmen jeder Art zu rechtfertigen . . . Im vorliegenden Falle handelte es sich aber nicht um eine bereits erwiesene Verletzung des durch die Landesverratsbestimmungen geschützten hohen Rechtsgutes, sondern es sollte erst ermittelt werden, ob und in welchem Umfang eine solche Verletzung vorlag. Wenn in diesem Verfahrensstadium, für das die Unschuldsvermutung des Art. 6 I I EMRK gilt, bereits der Umstand, daß ein Landesverrat zum Gegenstand der Untersuchung gemacht wird, ausreichen soll, um die an sich gebotene Abwägimg entfallen zu lassen oder milderen Anforderungen zu unterwerfen, so würde die freie öffentliche Diskussion in einem wesentlichen Bereich des staatlichen Lebens unvertretbar eingeengt . . . " (BVerfGE 20, 207 f.) Im ganzen Urteil ist schließlich auch nur von Pressefrei-

2. Möglichkeit und Notwendigkeit einer Problemlösung

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gelnde Rechtsgrundlagen der Nachrichtendienste durch verstärkte parlamentarische Kontrolle abzugleichen, 16 an der einen Stelle als „rechtsstaatlich bedenklich" abzutun und an einer anderen Stelle dieselbe parlamentarische Kontrolle als Kompensation für die faktische Beeinträchtigung der Rechtsweggarantie des Art. 19 IV GG durch die Heimlichkeit der nachrichtendienstlichen Maßnahmen zu fordern. 17 Auf der anderen Seite ist aber die Erkenntnis, daß die freiheitlich-demokratische Grundordnung gar nicht den Bestand „dieses" Staates (also der Bundesrepublik Deutschland) voraussetzt sowie die damit eigentlich verbundene Absage an staatsschützende Tätigkeit überhaupt auch nicht gerade hilfreich. 18 Auf die Vorschläge der „politischen Literatur" zum Thema Staatsschutz wird im Rahmen dieser Arbeit bewußt nicht eingegangen.19 Durch eine vergleichende Betrachtung der Rechtslage bezüglich geheimer Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken in den USA und der Bundesrepublik Deutschland soll nun untersucht werden, ob es möglich ist, dieses Problem rechtstechnisch „ i n den Griff zu bekommen" und den Konflikt Grundrechtsschutz - Effizienz der Nachrichtendienste zu bewältigen. Besonderes Gewicht w i r d hierbei auch auf die völkerrechtlichen Aspekte des Themas gelegt werden. Es gehört - zumindest zwischen den Supermächten und ihren jeweiligen Verbündeten - wohl zur allgemeinen Übung, die diplomatischen Vertreter und Botschaftsgebäude der jeweiligen „Gegenseite" im eigenen Land möglichst vollständig zu überwachen. 20 Dies mag heit die Rede, spezielle Einschränkungen der Privatsphäre werden nicht erörtert. Vgl. zur Entscheidung des BVerfG auch E vers, in: Verfassungsschutz 1966,S. 102, Fn. 136. 16 Der Vorschlag stammt von Borgs-Maciejewski, S. 22 ff. Krit. dazu Hömig, Beilage „Aus Politik und Zeitgeschichte" zu „Das Parlament" vom 22.10.1977 Β 42/77, S. 15 (28). 17 Dies tut jedoch Friedrichs, vgl. S. 50 und S. 144. Dieselbe K r i t i k ist auch bei der Argumentation von Hömig, S. 27ff. anzubringen. Man kann es nicht bei der erkannten „unbefriedigenden Rechtslage" bezüglich der Anwendung geheimer Überwachungsmaßnahmen durch die Nachrichtendienste mit der Begründung belassen wollen, daß diese Befugnisse einer detaillierten Regelung nicht zugänglich seien, anderérseits aber den Vorschlag einer verstärkten parlamentarischen Kontrolle als Ausgleich hierfür mit dem Argument der Aufrechterhaltung der „Gewaltenteilung" (und damit der eben sehr relativierten Rechtsstaatlichkeit!) abtun. 18 Schatzschneider, S. 8 m.w.N. Schatzschneider hält § 3 BVerfSchG wegen mangelnder Gesetzgebungskompetenz des Bundes ohnehin für nichtig (S. 52 ff. und 75). Vgl. a. die Besprechung bei E vers, NJW 1979, 2557. - Interessant ist übrigens auch, wie sich die unterschiedliche Einstellung der Autoren zum Thema Grundrechte und Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste in der Wortwahl manifestiert. Während Friedrichs stets vom „V-Mann" des Verfassungsschutzes spricht, ist bei Schatzschneider nur von „Spitzeln" die Rede. 19 Vgl. Freimut Duve, in: Narr, Wir Bürger als Sicherheitsrisiko, S. 325f.; besonders kraß Eckart Spoo, ebd., S. 133, 140ff.; ferner Gössner / Herzog, Im Schatten des Rechts - Methoden einer neuen Geheim-Polizei, Köln 1984, S. 168ff. und 259ff. 20 Dazu schon Evers, Privatsphäre und Ämter für Verfassungsschutz, Berlin 1960, S. 215 ff.

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I. Einleitung

einerseits zur Abwehr befürchteter Spionagetätigkeit des diplomatischen Personals geschehen, andererseits aber auch zur Befriedigung des Informationsbedarfs der eigenen Nachrichtendienste. Inwieweit diese Praxis mit dem Völkerrecht vereinbar ist, soll diese Arbeit ebenfalls beantworten. Abschließend wird untersucht, ob eine Übertragung der darzustellenden amerikanischen Regelung von geheimen Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken auf das Recht der Bundesrepublik Deutschland angesichts der unterschiedlichen Staatsverfassungen möglich, wünschenswert oder gar geboten ist - insbesondere in bezug auf die Überwachung des diplomatischen Personals fremder Mächte und diesen etwa vergleichbaren Personen. Unabhängig vom konkreten Ausgang dieser Frage dürfte aber eine rechtsvergleichende Betrachtung gerade bei diesen heiklen Rechtsproblemen stets von Nutzen sein.

I I . Die Möglichkeiten zum Einsatz geheimer Überwachungsmaßnahmen durch die Nachrichtendienste im Recht der Bundesrepublik Deutschland 1. Historisches zur Entwicklung der Rechtslage in bezug auf geheime Überwachungsmaßnahmen durch die Nachrichtendienste seit 1949

Zu Anfang allen Staatsschutzes in der Bundesrepublik Deutschland stand der sog. „Polizeibrief" der drei alliierten Militärgouverneure vom 14.4.1949, in dem dem Parlamentarischen Rat mitgeteilt wurde, man werde der künftigen Bundesregierung die Errichtung einer „Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische, gegen die Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten" gestatten, jedoch „(d)iese Stelle soll keine Polizeibefugnisse haben." 1 Aus dieser alliierten Auflage resultierten die vorsichtigen Formulierungen in Art. 73 Nr. 10 und Art. 87 I 2 GG sowie der Ausschluß jeder „polizeilichen Befugnis oder Kontrollbefugnis" in § 3 I I des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes vom 27. September 1950.2 Eine Ermächtigung zum Einsatz geheimer Überwachungsmaßnahmen ließ sich aus diesem Gesetz nicht herleiten. Lediglich die drei alliierten Besatzungsmächte hatten sich in Art. 5 I I des Vertrages über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten (sog. „Deutschlandvertrag") vom 26. Mai 1952 das Recht vorbehalten, den Brief-, Post- und Fernmeldeverkehr 1

Zit. nach Becker, in: Verfassungsschutz 1966, S. 142, und H. P. Schneider, in: Narr, Wir Bürger als Sicherheitsrisiko, S. 98 f. Krit. zur Frage des oft behaupteten Verfassungsranges dieser in Erinnerung des Wirkens der Gestapo gemachten Auflage Scholz / Pitschas, Informationelle Selbstbestimmung und staatliche Informationsverantwortung, S. 186 m.w.N. Im Zuge der Diskussion um die sog. „Sicherheitsgesetze" (dazu s. Kap. I, Fn. 3 und hier Fn. 200) wurde nach Abschluß der Arbeit auch die Frage des Verfassungsranges des Trennungsgebotes wieder verstärkt erörtert obwohl die Entwürfe ausdrücklich am Trennungsgebot festhalten, vgl. § § 2 1 3 , 5 1 2 E-BVerfSchG und §§ 1 II, 15 I 2 Ε-ZAG; s. hierzu Kutscha, ZRP 1986,194; Gusy, ZRP 1987, 45 (für Verfassungsrang); Roewer, DVB1. 1986, 205 u. ders., ZRP 1987, 5; Borgs / Ebert, Teil A, § 3 Rdnrn. 125ff. (gegen Verfassungsrang). Eine ganz andere Frage ist es, ob nicht das (gleich ob verfassungsrechtlich vorgegebene oder nur einfachgesetzlich begründete) Trennungsgebot durch die Übermittlungsregelungen insbesondere des Ε - Z A G überspielt wird; dies wird ζ. B. befürchtet von Riegel, RiA 1986,193, 201 f. und Simitis, NJW 1986, 2795, 2801 f. Zur Gegenposition s. Borgs / Ebert, Teil A, § 3 Rdnrn. 131 ff. 2 BGBl. 1950, S. 682. Allgemein zur Organisation des Bundesamtes für Verfassungsschutz s. Borgs / Ebert, Teil A, § 2 Rdnrn. 2 ff.

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II. Nachrichtendienstliche Überwachung im deutschen Recht

zu überwachen, falls es der Schutz der in der Bundesrepublik stationierten Besatzungsstreitkräfte erforderte. Dieses Recht sollte so lange bestehen bleiben, bis deutsche Sicherheitsbehörden durch den deutschen Gesetzgeber in die Lage versetzt würden, selbst diese Überwachungsmaßnahmen einzuleiten und damit den Schutz der alliierten Steitkräfte zu gewährleisten. 3 Die drei Besatzungsmächte nahmen also für sich das Recht in Anspruch, auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nach eigenem Ermessen Telefone abzuhören, Briefe zu öffnen, Telegramme mitzulesen und dergleichen mehr. Diese Situation war an sich unbefriedigend genug und bildete ein wesentliches Argument für den Erlaß des G 10, durch das diese alliierten Vorbehalte schließlich 1968 wegfielen. 4 Im sog. „Fall Pätsch" - auch „Telefonaffäre" genannt - brachte jedoch ein Bediensteter des Bundesamtes für Verfassungsschutz an die Öffentlichkeit, daß das Bundesamt selbst auf dem „Umweg" über die Alliierten ebenfalls Telefone abhören ließ - es gab diesen einfach entsprechende „Anregungen", wie und gegen wen sie ihre vorbehaltenen Rechte ausüben sollten. Die nachfolgende parlamentarische Untersuchung sowie das Gerichtsverfahren gegen den Informanten Werner Pätsch beschleunigte zwar den Erlaß des G 10, führte aber auch zu der abwertenden Qualifikation des Verfassungsschutzes als „Geheimdienst mit vorwiegend innenpolitischen Aufgaben". 5 Durch das G 10 (und seine Bestätigung durch das Bundesverfassungsgericht) wurden ab 1968 (1970) die Eingriffe des Verfassungsschutzes - zusammen mit BND und MAD - in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen legalisiert und einer gerichtlichen Kontrolle entzogen. Für Überwachungsmaßnahmen außerhalb der Eingriffe in Art. 101 GG jedoch war damit immer noch keine Regelung getroffen. Zur Rechtfertigung der sonstigen geheimen Überwachungstätigkeit des Verfassungsschutzes und der damit verbundenen Eingriffe in die Privatsphäre der Betroffenen mußte ein sehr problematischer Schluß von der i n § 3 I BVerfSchG 1950 statuierten Aufgabe der „Sammlung von Nachrichten" auf die Befugnis zu diesen Eingriffen herhalten. 6 Vollends unmöglich wurde 3 Abgedruckt in BGBl. 1955 II, S. 301, 305. Vgl. die Bekanntmachung der Erklärung der Drei Mächte vom 27. Mai 1968 zur Ablösung der alliierten Vorbehaltsrechte gemäß Artikel 5 Absatz 2 des Deutschlandvertrages vom 18. Juni 1968 (BGBl. 1968 I, S. 714ff.). Zur Diskussion um das G 10, auf die hier nicht eingegangen wird, s. Arndt, Das G 10-Verfahren, S. 44f. m.w.N., sowie die dazu ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 30,1, und nunmehr Borgs / Ebert, Teil B, Rdnrn. 1 - 1 1 vor § 1. 5 Zit. nach Becker, S. 139. Das BGH-Urteil des 3. Strafsenates zum Fall Pätsch findet sich in BGHSt. 20, 342 = NJW 1966,1227. Aufschlußreich für das Selbstverständnis des BfV zur Zeit dieser Vorkommnisse ist der Beitrag des damaligen Staatssekretärs im Bundesinnenministerium Dr. Hans Schäfer in Verfassungsschutz 1966, S. 37ff., in dem mit erstaunlicher Offenheit der Gleichsetzung von „politisch subversiven Kräften" mit Spionen das Wort geredet wird, die es mit „entsprechenden" M i t teln zu bekämpfen gelte; s. dazu Schatzschneider, S. 283 ff. 4

1. Die Entwicklung der Rechtslage seit 1949

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diese pauschale Rechtfertigung von Überwachungsmaßnahmen aller Art mit dem Inkrafttreten des „Gesetzes zum strafrechtlichen Schutz gegen den Mißbrauch von Tonaufnahme- und Abhörgeräten" vom 22.12.1967 am 1.1.1968, das §298 und § 353 d (als Amtsdelikt) in das StGB einfügte (seit 2.1.1975 sind beide Bestimmungen zusammengefaßt in § 201 StGB). 7 Damit hatte der Gesetzgeber ein absolutes Abhör- und Aufnahmeverbot geschaffen, das lediglich durch eine gesetzliche Ermächtigung oder allgemeine Rechtfertigungsgründe außer Kraft gesetzt werden konnte. 8 Für die Abhörtätigkeit der Nachrichtendienste unter Zuhilfenahme technischer Mittel ergab sich damit das Risiko der Strafbarkeit nach § 353 d StGB. Eine Präzisierung der Befugnisse der Nachrichtendienste war also dringend erforderlich. 9 Für den Verfassungsschutz erfolgte diese durch das Gesetz zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes von 1950 vom 7.8.1972 10 aber nur in geringem Maße. Vorausgegangen war das 31. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.7.1972 11 , durch das die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes wesentlich erweitert wurden (vgl. Art. 73 Nr. 10 Buchst, b und c GG). Dementsprechend war dem Gesetzgeber mit dem Verfassungsschutz-ÄnderungsG hauptsächlich daran gelegen, die Aufgabenzuweisung in § 3 BVerfSchG neu zu fassen und die Zuständigkeiten im Sinne der Grundgesetzänderung auszudehnen. War es vorher nur die Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden gewesen, den „Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung im Bund oder in einem Land" zu besorgen, kam nun der Schutz des Bestandes und der Sicherheit von Bund und Ländern hinzu (§3 1 Nr. 1), Spionageabwehr und -aufklärung (§3 1 Nr. 2), Überwachung von politisch extremistischen Ausländern (§3 1 Nr. 3) sowie Mitwirkung an Sicherheitsüberprüfungen (§ 3 II). 1 2 Inwieweit diese erhebliche Ausweitung der Zuständigkeiten tatsächlich zur Verwischung der Grenzen zwischen Polizei und Verfassungsschutz (das Trennungsgebot sowie das Verbot von polizeilichen Befugnissen war auch im neuen Gesetz enthalten, § 3 I I I 1, 3) und zu einer „Extremistenbekämpfung mit Methoden der Spionageabwehr" führen konnte, 13 ist an dieser Stelle nicht zu erörtern. 6 Schäfer, S. 55. Differenzierter hinsichtlich der Art der Maßnahmen Evers, Privatsphäre, S. 98ff. und ders., in: Verfassungsschutz 1966, S. 104ff. (112); s. dazu auch Schlink, NJW 1980, 552 f. 7 Hierzu s. Arzt, Der strafrechtliche Schutz der Intimsphäre, S. 237 ff. β Evers, ZRP 1970, S. 147ff. Arzt (Fn. 7), S. 77 und S. 254ff. w i l l beim Abhören ausschließlich die allgemeinen Rechtfertigungsgründe gelten lassen, geht aber auf das Problem der Kompetenzen der Nachrichtendienste nicht weiter ein. 9 Evers (Fn. 8), S. 149f.: „Muß es erst wieder einen ,Fall Pätsch' geben?" BGB1. 1972 I, S. 1382. 11 BGBl. 1972 I, S. 1305. 12 s. i.e. Schwagerl, Änderungen im Verfassungsschutzrecht, DÖV 1974, 109. 13 So H. P. Schneider, in: Narr, Wir Bürger als Sicherheitsrisiko, S. 102, der die „Vorverlagerung des Verfassungsschutzes in die Gesinnung" befürchtet. Weniger weitgehende verfassungsrechtlich-systematische Bedenken hinsichtlich des nunmehr

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II. Nachrichtendienstliche Überwachung im deutschen Recht

Wichtig ist hier lediglich, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz zur Wahrnehmung seiner Aufgaben auch ermächtigt wurde, „nachrichtendienstliche Mittel" anzuwenden (§ 3 I I I 2), ohne diesen Begriff aber näher zu präzisieren. Welche Befugnisse im Rahmen einer geheimen und verdeckten Informationsgewinnung seitens des Verfassungsschutzes damit nun legalisiert sind und welche nicht, bleibt also nach der derzeitigen Rechtslage den Spekulationen einer interessierten Öffentlichkeit überlassen. Die Begründung des Innenausschusses des deutschen Bundestages, weshalb sich eine Präzisierung des Begriffes „Nachrichtendienstliche Mittel" als „untunlich" erwiesen hatte, führt aus, daß verfasssungsfeindliche Bestrebungen und Spionagetätigkeit stets im Geheimen betrieben würden und die Informationen über solche Bestrebungen sammelnde Behörde sich daher nicht mit deren offen zugänglichen Teil begnügen könne. Sie muß, um der geheimen Arbeitsweise des Gegners auf die Spur zu kommen, ihre eigene Informationsgewinnung ebenfalls unter Geheimhaltung und Tarnung betreiben. Die nachrichtendienstliche Arbeitsweise von Sicherheitsdiensten, die Erkenntnisse über konspirativ geführte gegnerische Bestrebungen zu sammeln haben, ergibt sich daher mit Notwendigkeit aus ihrem gesetzlichen Auftrag. 1 4

Gerade der letzte Satz legt die Vermutung nahe, daß die Erwähnung der „nachrichtendienstlichen Mittel" im BVerfSchG 1972 nichts anderes sein sollte als der Segen des Gesetzgebers über den Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis, mit dem der Verfassungsschutz seine geheime Ermittlungstätigkeit schon früher rechtfertigte. Hierbei darf nicht vergessen werden, daß gleichzeitig - wie oben dargestellt - eine wesentliche Ausweitung eben dieser Aufgaben stattfand! Die Frage der Bedeutung der Ermächtigung zum Einsatz „nachrichtendienstlicher Mittel" wird noch näher untersucht werden. 15 Die Bundesländer haben mittlerweile fast alle ihre Verfassungsschutzgesetze der neuen bundesrechtlichen Regelung angepaßt. 16 1978 wurden das zutage getretenen „Staatsschutzes" und des Trennungsgebotes von Verfassungsschutz und Polizei äußert auch Schwagerl, (Fn. 12), S. 110 f. 14 BT-Drs. VI/3533, S. 5, zit. nach Herzog, Der Auftrag der Verfassungsschutzbehörden, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 13. 15 s. dazu unten 4. Verstärkt hat sich die Diskussion um diesen Begriff seit dem Fall „Traube" 1977; vgl. aber auch schon die Bedenken Schwagerls (Fn. 12), S. 113f. 16 Vgl. die Nachweise bei Friedrichs, S. 77ff. Von den zwei Bundesländern, die diese Ermächtigung zum Zeitpunkt seiner Arbeit (1979) noch nicht vollzogen hatten und deren Rechtslage daher bemängelt wird (S. 84ff.), hat inzwischen eines, Nordrhein-Westfalen, mit dem Gesetz über den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen vom 21.7.1981 (Ber. GV NW 1981, S. 462) eine Regelung getroffen, die die bundesrechtliche um einiges übertrifft; insbesondere werden analog dem G 10 tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen (i.S.d. § 3 1 BVerfSchG) gefordert, bevor „nachrichtendienstliche Mittel" (die aber auch hier nicht näher definiert werden) eingesetzt werden können und deren Einsatz wird unter das ausdrückliche Gebot des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gestellt; vgl. § 4 I 1

2. Das G10 als Musterfall und die Unterschiede zum § 100a StPO

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Gesetz über die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste 17 sowie die G 10-Novelle 18 verabschiedet. Die hier in Rede stehenden Befugnisse der Nachrichtendienste wurden dadurch jedoch nicht weiter präzisiert. 19 Eine weitere gesetzliche Regelung auf dem Gebiet der Nachrichtendienste ist bis heute nicht erfolgt. Das Fazit dieses Rückblicks ist also nicht gerade erfreulich - einen ernsthaften Versuch zur Regelung der Befugnisse der Nachrichtendienste außerhalb des G 10-Bereichs hat der Gesetzgeber bis heute nicht unternommen; gerade die Neufassung des BVerfSchG von 1972 kann man nach dem eben Gesagten wohl kaum als einen solchen bezeichnen. 20 2. Das G 10 als Musterfall einer gesetzlichen Regelung und die Unterschiede zur Telefonüberwachung (TÜ) durch die Strafverfolgungsbehörden nach § 100 a StPO

a) Die gesetzlichen Unterschiede der nachrichtendienstlichen und der strafv erfolg enden TÜ Das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 13.8.1968 (G 10) 21 war - zumindest hinsichtlich der in Art. 1 enthaltenen Abhörermächtigung für die Nachrichtendienste - von Beginn an sehr umstritten. Zwar ist die Diskussion, die vor allem durch das „ Abhör-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts ausgelöst wurde, inzwischen abgeflaut; jedoch w i r d zumindest in der staatsrechtlichen Kommentarliteratur auch heute noch die Verfassungswidrigkeit der dieses Gesetz ermöglichenden Grundgesetzänderung 22 (d.i. die Einfügung der Art. 10 I I 2 und 19 IV 3 GG) behauptet. 23 Die Gründe für die Schaffung des G 10 sind bereits angedeutet worden. Es bestand ein Regelungsbedarf auf dem Gebiet der staatlichen Eingriffsmöglichkeiten in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis des Bürgers, das bereits vom Parlamentarischen Rat unter einen einfachen und I I VSG NRW. Die Texte aller derzeit gültigen Landesverfassungsschutzgesetze sind abgedruckt bei Borgs / Ebert, Teil D, S. 265ff. 17 Vom 11.4.1978, BGBl. 1978 I, S. 453. 18 G vom 13.9.1978, BGBl. 1978 I, S. 1546; vgl. dazu und zum Vorhergehenden Arndt, Gesetzliche Neuregelungen auf dem Gebiet der Nachrichtendienste, DVB1. 1978, 385. 19 Signifikant dafür ist die Bemerkung von Evers, Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, NJW 1978, 1144, 1145: „Eine bemerkenswerte Besonderheit ist mithin, daß die Kontrollkommission i n weitem Umfange erst die Normen wird erarbeiten müssen, über deren Einhaltung sie zu wachen hat". 20 Zur Bewertung des Anfang 1986 von der Regierungskoalition vorgelegten „Pakets" von Sicherheitsgesetzen in dieser Hinsicht s. Fn. 200 hier. 21 BGBl. 1968 I, S. 949. 22 17. G zur Änderung des GG vom 24.6.1968; BGBl. 1968 I, S. 709. 23 s. Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG-Kommentar, Rdnrn. 3 7 - 4 6 zu Art. 10; Pappermann, in: von Münch (Hrsg.), GG-Kommentar, 3. Aufl., Rdnr. 36f. zu Art. 10; zumindest zweifelnd Hesse, Verfassungsrecht, 14. Aufl., § 12 I 3.

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II. Nachrichtendienstliche Überwachung im deutschen Recht

Gesetzesvorbehalt gestellt worden war (Art. 10 I I 1 G). In jedem Fall w i r d man nun über das G 10 sagen können, daß es den Versuch des Gesetzgebers darstellt, eine sehr heikle Materie - bestimmte geheime Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken - rechtsstaatlich zu regeln. 24 Um zur Feststellung zu gelangen, daß es sich hierbei wirklich um eine heikle Materie handelt, muß man nicht einmal Mutmaßungen über Auftrag und tatsächliche Praktiken der deutschen Nachrichtendienste anstellen. Es genügt schon ein Vergleich der Regelungen des G 10 mit denen der gleichzeitig vorgenommenen Änderung der StPO (§§ 100 a, 100 b, 101), die die Strafverfolgungsbehörden zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs ermächtigen. Zwischen der nachrichtendienstlichen Überwachung nach dem G 10 und der im Rahmen eines strafprozessualen Ermittlungsverfahrens besteht nämlich nicht nur der Unterschied, daß die TÜ in einem Fall vom Bundes (innen)minister 2 5 (§ 5 I G 10)) und im anderen von dem für das Ermittlungsverfahren zuständigen Richter (§ 100 b I StPO) angeordnet wird. Strafprozessuale TÜ setzt das Erreichen der sog. Strafbarkeitsgrenze voraus - überwacht werden kann, wer eine Katalogtat „begangen, zu begehen versucht oder durch eine Straftat vorbereitet hat." Nachrichtendienstliche Eingriffe sind bereits bei bloßer „Planung" einer Katalogtat möglich. Planen wird definiert als Erstellung eines systematischen gedanklichen Konzepts für künftiges Handeln - einer Vorbereitungshandlung in bezug auf eine Katalogtat bedarf es also nicht, bloßes Erzählen vom Vorhaben genügt. 26 Das Maß der geforderten Verdachtsintensität ist bei der G 10-Maßnahme erheblich geringer. Es genügen „tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht" einer Katalogtat (§ 2 I G 10). Strafprozessuale Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis sind dagegen erst dann möglich, wenn „bestimmte Tatsachen" den Verdacht einer Katalogtat begründen (§ 100 a S. 1 StPO). 27 24 Angesichts der von Arndt, NJW 1985, S. 107 re. Sp. berichteten Intentionen des damaligen Bundesinnenministers Gerhard Schröder, für die „strategische Kontrolle" der Post- und Fernmeldebeziehungen (nun geregelt in § 3 G 10) ein „Geheimgesetz" zu schaffen, „dessen Inhalt weder öffentlich beraten und verabschiedet noch verkündet werden sollte", möchte man das Wort „rechtsstaatlich" allerdings fast wieder streichen. 25 Arndt, Das G 10-Verfahren, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, Köln 1981. Bei Anträgen der Verfassungsschutzbehörden der Länder ist der jeweilige Landesinnenminister zuständig; s. z.B. § 1 des baden-württembergischen Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Art. 10 GG vom 13.5.1969 (GBl. S. 79), geänd. durch ÄndG vom 6.10.1970 (GBl. S. 459) und durch Ges. vom 24.7.1979 (GBl. S. 293). 26 Vgl. zu den Unterschieden zwischen der nachrichtendienstlichen und der strafprozessualen TÜ Welp, DÖV 1970, 267, 268, sowie Krückeis, Der Eingriff in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis des Beschuldigten des § 100 a StPO und des Verdächtigen des Art. 1 § 2 G 10, Diss. Köln 1974, passim. Nach Krückeis (S. 68) soll auch die Auslegung des Gesetzestextes bei § 2 G 10 frei von jeder strafrechtlichen Würdigung erfolgen können, da es sich bei G 10 um keine strafrechtliche Vorschrift handele. Zur Definition des „Planens" vgl. ebd. S. 79, und Borgs / Ebert, Teil B, § 2 Rdnrn. 12f.

2. Das G10 als Musterfall und die Unterschiede zum § 100a StPO

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Diese unterschiedlichen Befugnisse sind durch die verschiedenartigen Zielsetzungen der Maßnahmen bedingt. Aufgabe der Nachrichtendienste ist nicht primär die Strafverfolgung, sondern die Information der politischen Führung über staatsgefährdende Bestrebungen. Sie unterstehen daher im Hinblick auf ihre Beziehungen zu den Strafverfolgungsbehörden einem „Opportunitätsprinzip"; das diese beherrschende "Legalitätsprinzip" (d.i. der Zwang zur Verfolgung jeder erkannten Straftat) ist auf sie unanwendbar. 2 8 Es läßt sich daher zunächst einmal festhalten, daß die Nachrichtendienste bei der Durchführung von G 10-Maßnahmen sehr viel weniger Bindungen unterliegen als die Strafverfolgungsbehörden. Der gravierendste verfahrensmäßige Unterschied zwischen den beiden Regelungen ist allerdings inzwischen etwas abgeschwächt worden. Nach der ursprünglichen Fassung des G 10 sollte der von der Überwachungsmaßnahme Betroffene niemals etwas davon erfahren (§5 V G 10 in der vom Bundestag verabschiedeten Fassung) und der Rechtsweg war generell ausgeschlossen (§ 9 V G 10 a. F.). Dies fand auch die Mehrheitsmeinung des Bundesverfassungsgerichts in der „Abhör-Entscheidung" vom 15.12.1970 als mit Art. 10 I I 2 GG n.F. unvereinbar und deshalb als insoweit nichtig, als der Ausschluß der Unterrichtung des Betroffenen auch dann gelten sollte, wenn diese ohne Gefährdung des Zwecks der Beschränkungsmaßnahme erfolgen konnte. 29 Durch die bereits erwähnte G 10-Novelle von 1978 wurde daher eine entsprechende Benachrichtigungspflicht statuiert und der Rechtsweg insoweit zugelassen (§§ 5 V und 9 V I G 10 n.F.) 3 0 . Der Schriftsteller Günter Wallraff strengte, nachdem ihm der Bundesinnenminister mit Schreiben vom 28.6.1979 eine gegen ihn gerichtete Überwachungsmaßnahme aus der ersten Jahreshälfte 1974 bekanntgegeben hatte, ein verwaltungsgerichtliches Verfahren gemäß § 5 V G 10 an mit dem Ziel, diese Maßnahme nachträglich für rechtswidrig erklären zu lassen - in der ersten Instanz mit, in der zweiten ohne Erfolg. 31

27 Krückeis, S. 72f.; s. a. OVG Münster, NJW 1983, 2346, 2347 re. Sp.; Borgs / Ebert, Teil B, § 2 Rdnrn. 6 - 10. 28 Vgl. Evers, Privatsphäre, S. 129; Schäfer, in: Verfassungsschutz 1966, S. 46f.; Becker, ebd., S. 143; Krückeis, S. 68; Welp (Fn. 26), S. 269. 29 BVerfGE 30, 1 (17 f. u. 31 f.). 30 Vgl. dazu Arndt, DVB1. 1978, 385, 387 ff. sowie Rieger, DVB1. 1983, 1050. 31 VG Köln, NJW 1981, 1630, und OVG Münster, NJW 1983, 2346. Eine Entscheidung des BVerwG zu dieser Frage steht noch aus. Revision wurde vom OVG Münster zwar zugelassen, von Wallraff jedoch nicht eingelegt; s. hierzu und allg. zum Abhörfall Wallraff Werner Holtfort in Recht-Justiz-Kritik (FS Richard Schmid), BadenBaden 1985, S. 271 ff. (272 Fn. 3 a).

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II. Nachrichtendienstliche Überwachung im deutschen Recht

b) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Verwertbarkeit der bei nachrichtendienstlicher und strafprozessualer TÜ gewonnenen Erkenntnisse als Beweismittel im Strafverfahren Angesichts des erheblich leichteren Zugangs der Nachrichtendienste zu geheimen Überwachungsmaßnahmen stellt sich nun die Frage, ob sich dieser Umstand bei deren Verwertung zum Nachteil des Betroffenen irgendwie auswirkt. Hier ergibt eine Betrachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen, daß der Charakter der nachrichtendienstlichen T Ü als präventive und nicht primär strafverfolgende Maßnahme auch positive Auswirkungen für den von ihr Betroffenen zu haben scheint. Nach §7 I I I G 10 dürfen die durch die Beschränkungsmaßnahmen erlangten Kenntnisse und Unterlagen nicht zur Erforschung und Verfolgung anderer als der in § 2 G 10 genannten Handlungen (also den Katalogtaten) benutzt werden, es sei denn, daß sich aus ihnen tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, daß jemand eine andere in § 138 StGB genannte Straftat zu begehen vorhat, begeht oder begangen hat. Für alle anderen Straftaten, die weder in § 2 I Ziff. 1 - 7 G 10 noch in § 138 StGB enthalten sind, können die unmittelbar aufgrund der Beschränkungsmaßnahmen erlangten Beweismittel - also insbesondere die Tonträgeraufnahmen der abgehörten Telefongespräche nicht verwertet werden. Diesem Beweisverwertungsverbot hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes in einer Entscheidung vom 18.4.1980 32 eine sog. Fernwirkung zuerkannt; es soll sich also auch auf solche Beweismittel erstrecken, „die gegenüber den unmittelbar durch die Abhörmaßnahmen erlangten Beweisen Selbständigkeit besitzen, auf die der Zugriff aber erst durch die unmittelbar gewonnenen Erkenntnisse ermöglicht wurde". 3 3 Zu diesem Ergebnis kam der erkennende Senat über eine Betrachtung des Verhältnisses von G 10 und den in Art. 101 GG gewährleisteten Grundrechten. Das G 10 sei nicht als einseitige Beschränkung dieser Grundrechte aufzufassen, sondern es bestünde eine Wechselwirkung, nach der das einschränkende allgemeine Gesetz seinerseits wieder aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieser Grundrechte im freiheitlich-demokratischen Staat ausgelegt und so in seiner grundrechtsbeschränkenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müsse. 34 Die hiernach erforderliche Abwägung zwischen dem Wertgehalt der eingeschränkten 32 BGHSt. 29, 244 = NJW 1980, 1700 = JZ 1980, 776, sog. Dirnhofer-Verfahren. 33 Vgl. BGHSt. 29, 244 (247 ff.). 34 Nach BGHSt. aaO., S. 249 ff. ist dies eine Ausprägung des alle Grundrechtseinschränkungen beherrschenden Verhältnismäßigkeitsprinzips (unter Verweis auf die st. BVerfG-Rspr.). Vgl. dazu Hesse, VerfR, 14. Aufl., § 10 I I 2 m. w. N., sowie zuletzt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die „strategische Kontrolle" nach § 3 G 10 vom 20.6.1984, BVerfGE 67, 157 = NJW 1985, 121 (S. 122 re. Sp. oben m.w.N.).

2. Das G10 als Musterfall und die Unterschiede zum § 100 a StPO

31

G r u n d r e c h t e u n d dem Erfordernis eines w i r k s a m e n Schutzes v o r staatsf e i n d l i c h e n u n d sonst besonders gefährlichen S t r a f t ä t e r n ergäbe, daß der Schutz des Fernmeldegeheimnisses

n i c h t w e i t e r eingeschränkt

werden

dürfe, als es zur E r r e i c h u n g des gesetzgeberischen Zweckes u n b e d i n g t erforderlich sei. Z w i s c h e n d i r e k t b e i der A b h ö r m a ß n a h m e erlangten K e n n t nissen u n d U n t e r l a g e n u n d denjenigen, z u denen die ü b e r w a c h t e n Gespräche erst „ d e n Weg gewiesen h ä t t e n " , könne daher k e i n U n t e r s c h i e d gemacht werden. D a die Feststellung eines „ u r s ä c h l i c h e n Zusammenhanges" z w i schen der Ü b e r w a c h u n g des Fernmeldeverkehrs u n d der E r l a n g u n g der w e i teren selbständigen B e w e i s m i t t e l „ k e i n e S c h w i e r i g k e i t e n " bereite, erstrecke sich das Beweisverwertungsverbot des § 7 I I I G 10 auch auf diese. D e r B u n desgerichtshof stellte fest, „ i m L i c h t e der Verfassung" mache es k e i n e n wesentlichen Unterschied, ob der v o n einer G 10-Maßnahme Betroffene aufg r u n d der u n m i t t e l b a r oder n u r der m i t t e l b a r erlangten B e w e i s m i t t e l strafrechtlicher V e r f o l g u n g ausgesetzt w ü r d e . Diese sei aber eben n u r b e i K a t a logtaten möglich.35 Dieses sog. „ D i r n h o f e r - U r t e i l " b i l d e t e b i s l a n g die einzige E n t s c h e i d u n g des Bundesgerichtshofes z u r Reichweite des Beweisverwertungsverbotes i n § 7 I I I G IO.36 35 BGHSt. aaO., S. 251. Im konkreten Fall ging es um erst durch die T Ü aufgefundene Verfassungsschutzakten in einem Verfahren gegen einen ehemaligen Angehörigen des BfV wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses nach § 353 b StGB und wegen Verwahrungsbruch nach § 133 StGB - beides eben keine Katalogtaten nach § 2 I G 10 und auch in § 138 StGB nicht enthalten. Die geschilderte Auffassung des BGH führte immerhin zum Freispruch desjenigen Verfassungsschutzmitarbeiters, dem zur Last gelegt wurde, die die Abhöraffäre „Traube" enthüllenden geheimen Verfassungsschutzunterlagen an den SPIEGEL-Mitarbeiter Faust weitergegeben zu haben. Gegen letzteren kam es wegen § 7 I I I G 10 nicht einmal zur Eröffnung des Hauptverfahrens. 36 Zu diesem Verfahren s. Dünnebier, Das Erforschungs- und Verwertungsverbot des § 7 I I I G 10, in: Demokratie und Recht 1980, S. 383ff. mit einer genauen Sachverhaltsschilderung. Dünnebier vertritt in seiner Abhandlung die Auffassung (S. 392), der BGH hätte sich die Erwägungen über die „Fernwirkung" von Beweisverwertungsverboten überhaupt ersparen können, da in § 7 I I I G 10 bereits die „Erforschung und Verfolgung" anderer als der Katalogtaten mit den Erkenntnissen aus der TÜ nach G 10 untersagt sei - hieraus ergäbe sich aber schon die „Fernwirkung" kraft Gesetzes. Dem ist m.E. nicht so, vgl. dazu Fn. 45. Ebenfalls besprochen wurde diese Entscheidung des BGH von Riegel, JZ 1980, 757, für dessen Interpretation es aber im Urteil selbst wenig Anhaltspunkte gibt: Die Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage für die Eingriffstätigkeit von BND und MAD hat sicherlich ihre Berechtigung, ebenso nach einer Überprüfung ihrer Zusammenarbeitspraxis mit den Strafverfolgungsbehörden; aus dem Urteil, das schlicht die Reichweite eines Beweisverwertungsverbotes behandelt und über die eigentliche Ermittlungstätigkeit der in § 4 G 10 ermächtigten Behörden nur zu sagen weiß, es brauche nicht entschieden zu werden, ob die betreffende Überwachung nach dem G 10 rechtmäßig gewesen sei (vgl. BGHSt. 29, 244, 246 = NJW 1980, 1700 Ii. Sp. unten) bzw. ob die Feststellung der nach § 9 I G 10 entscheidenden Kommission über die Rechtmäßigkeit für die Strafgerichte eine Bindungswirkung besitzen würde (ebd.), kann man diese Forderung beim besten Willen nicht herauslesen. Dünnebier, S. 386 meint zu dieser Frage, die Gerichte dürften die Entscheidung der Kommission gar nicht überprüfen; ebenso auch Arndt, G 10-Verfahren, S. 61. M.E. kann man diese Auffassung nach der Änderung von §§ 5 V, 9 V I G 10 mit guten Gründen anzweifeln; vgl. dazu Kap. V, Fn. 87.

32

II. Nachrichtendienstliche Überwachung im deutschen Recht

Eine Betrachtung der BGH-Rechtsprechung zur Reichweite von Beweisverwertungsverboten bei Verfahrensfehlern bezüglich der strafprozessualen TÜ nach den §§ 100 a, 100b, 101 StPO zeigt aber, daß hier keineswegs mit so scharfen Maßstäben gemessen wird. Derselbe 2. Strafsenat, der das Dirnhofer-Verfahren entschied, hatte bereits am 22.2.1978 verkündet, 37 daß zwar die unmittelbar bei einer TÜ nach § 100 a StPO gewonnenen Erkenntnisse also die abgehörten Gespräche - zum Nachweis eines nicht im Katalog dieser Vorschrift enthaltenen Delikts unverwertbar seien und ebenso nicht eine Aussage des Beschuldigten, die unter dem Vorhalt der Tonbänder bezüglich einer Nicht-Katalogtat gemacht worden sei; ein weitergehendes Beweisverwertungsverbot könne aber nicht anerkannt werden. Insbesondere sei es den Ermittlungsbehören auch nicht verwehrt, den aus dem Tonband ersichtlichen Spuren nachzugehen und insoweit Ermittlungen zu führen. Dabei gefundene Beweismittel seien dann originärer Art und dürften verwertet werden. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in seinem Urteil vom 24.8.1983 38 diese Auffassung noch verschärft. War es bei der Entscheidung des 2. Strafsenates von 1978 noch eine anfangs von § 100a StPO gedeckte TÜ gewesen, bei der sich lediglich der Verdacht auf eine Katalogtat nicht bestätigt hatte, handelte es sich nunmehr um ein Ermittlungsverfahren wegen § 148 StGB (Wertzeichenfälschung), in dem eine TÜ angeordnet und durchgeführt worden war, obwohl dieses Delikt nicht zu den Katalogtaten des § 100 a StPO gehörte. Die Überwachungsmaßnahme war hier also von Anfang an rechtswidrig, da die Voraussetzungen des § 100 a StPO gar nicht vorlagen. Hier stellte der 3. Strafsenat des BGH fest, daß zwar die direkten Erkenntnisse aus der TÜ nicht verwertet werden dürften, ebensowenig die unter dem Eindruck des Vorhalts von solchen Erkenntnissen gemachten Aussagen des Beschuldigten. 39 Ein weitergehendes Beweisverwertungsverbot bestünde jedoch nicht. Im konkreten Fall ging es um die Verwertbarkeit der Bekundungen von zwei Zeugen, auf deren Spur die Polizei erst durch die - wohlgemerkt von Anfang an rechtswidrige! - TÜ gekommen war. Der BGH begnügte sich mit der Feststellung, die Aussagen der beiden Zeugen seien ohne einen - unzulässigen - Vorhalt der abgehörten Telefongespräche zustande gekommen und im übrigen läge „die Möglichkeit nicht fern, daß weitere Ermittlungen der deutschen Polizei auch ohne die Telefonüberwachung auf die Spur der Angeklagten und zur Aufklärung des Sachverhalts geführt hätten". 4 0 37

BGHSt. 27, 355 (357 f.). BGHSt. 32, 68 = BGH, NStZ 1984, 275 m. Anm. Wolter = BGH, JR 1984, 514 m. Anm. Schlüchter. 39 BGH aaO. im Anschluß an BGHSt. 27, 355 (357 f.) und BGHSt. 31, 304 (309). 40 BGHSt. 32, 68 (71) = NStZ 1984, S. 275 re. Sp. unten = JR 1984, S. 515, re. Sp. oben. 38

2. Das G10 als Musterfall und die Unterschiede zum § 100a StPO

33

Dieses Urteil ist sehr kritisiert worden, 41 vor allem wegen der eben genannten Formel des BGH. Zwar dürfe zu Lasten des Beschuldigten sehr wohl berücksichtigt werden, daß seine Schuld auch auf rechtmäßigem Wege hätte bewiesen werden können, die Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschriften also an seiner Überführung nicht geändert hätte. Die „nicht entfernt liegende Möglichkeit" der Sachverhaltsaufklärung auch ohne die rechtswidrige TÜ könne dafür aber nicht ausreichen. 42 Es soll an dieser Stelle nun keineswegs versucht werden, ein Konzept für die Verwertbarkeit von „Zufallsfunden" (bzw. sog. „originären" Beweismitteln) bei zulässiger oder unzulässiger TÜ nach der StPO bzw. dem G 10 herauszufinden. Dieses Thema wäre wegen der Vielzahl der denkbaren Alternativen allein schon eine eigenständige Arbeit wert. 4 3 Worauf es im hier interessierenden Zusammenhang aber ankommt, ist die Tatsache, daß der Bundesgerichtshof die Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs nach dem G 10 und die Telefonüberwachung nach dem § 100 a StPO offensichtlich als nicht vergleichbar ansieht und den schon nach dem Gesetzeswortlaut bestehenden unterschiedlichen Voraussetzungen für eine Einleitung von Überwachungsmaßnahmen auch unterschiedliche Kriterien für die Verwertbarkeit der hieraus resultierenden Erkenntnisse folgen läßt. 44 Diese Rechtsprechung wirft die Frage auf, ob etwa die geringeren Voraussetzungen für die Einleitung nachrichtendienstlicher Überwachungsmaßnahmen dadurch wettgemacht werden sollen (bzw. können), daß hinsichtlich der Verwertbarkeit der so erlangten Erkenntnisse in einem Strafverfahren gegen die von der Überwachung Betroffenen schärfere Maßstäbe ange41 Völlig ablehnend Wolter, NStZ 1984, 276; abl. zur Begründung, aber im Ergebnis zustimmend Schlüchter, JZ 1984, 517. Vgl. dazu auch den rechtsvergleichenden Beitrag von Carr, Wiretapping in West Germany, 29 Am. Comp. L. J. 607, 642 (1981). 42 Wolter, S. 277 Ii. Sp. unten und Schlüchter, S. 520. Schlüchter verlangt allerdings nur, es müsse das Auffinden der durch die rechtswidrige Maßnahme mittelbar erlangten „originären" Beweismittel auch auf legalem Wege wahrscheinlicher sein als das Gegenteil, während Wolter eine Verwertung nur zulassen willen, wenn die Behörden den Täter auch auf gesetzestreue Weise sicher oder höchstwahrscheinlich („mit besonders ernsthafter Chance") hätten überführen können. 43 Vgl. dazu die Vorschläge von Schumacher, Die Überwachung des Fernmeldeverkehrs im Strafverfahren, Diss. Hamburg 1976, S. 311ff., sowie Welp, JZ 1973, 288. 44 Auch in BGHSt. 30, 317 (319) (5. Sen. ν. 22.12.1981), wo es wiederum um die Verwertbarkeit von (zulässig!) nach § 100a StPO erlangten Erkenntnissen im Meineidsprozeß gegen einen Zeugen des vorherigen (Haupt-)Verfahrens ging, in dem dieser nach Vorhalt der TÜ-Erkenntnisse zugab, bei seiner vorangegangenen eidlichen Vernehmung gelogen zu haben, wird der Unterschied zwischen G 10-Maßnahmen und einer T Ü nach § 100 a StPO sowie die Besonderheit des Beweisverwertungsverbotes in § 7 I I I G 10 betont. In der Literatur scheint ebenfalls der Gedanke vorzuherrschen, daß zumindest hinsichtlich des Beweisverwertungsverbotes diese beiden Arten von Überwachungsmaßnahmen nicht vergleichbar sind; vgl. dazu Rieß, Anmerkung zu BayObLG v. 6.4.1982, JR 1983, 124 (ab S. 125); Schlüchter, S. 518; Dünnebier, S. 391f.; Laufhütte, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, Rdnr. 26 zu § 100a; a.A. Wolter, S. 276 Ii. Sp. unten; s. a. Schäfer, in: Löwe / Rosenberg, StPO-Großkommentar, 24. Aufl. (Stand 1.4.1986), Rdnr. 49 zu § 100 a.

3 Beier

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II. Nachrichtendienstliche Überwachung im deutschen Recht

legt w e r d e n als b e i den Resultaten einer strafprozessualen T Ü , w o i m m e r h i n zuvor der Richter b e m ü h t w e r d e n m u ß . 4 5 Das Fehlen der r i c h t e r l i c h e n K o n t r o l l e b e i G 10-Maßnahmen w ä r e w o h l auch das überzeugendste A r g u m e n t f ü r eine solche „ K o m p e n s a t i o n " . 4 6 I h r e T a u g l i c h k e i t w i r d an anderer Stelle n o c h näher z u untersuchen sein. 4 7 3. Das Defizit: D i e über die Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses hinausgehenden nachrichtendienstlichen Ermittlungsmethoden Möglichkeiten und Grenzen einer gesetzlichen Regelung a) Allgemeine Feststellungen des Gegenstandes der

und Eingrenzung Untersuchung

D e r A u f t r a g eines jeden Nachrichtendienstes ist - entsprechend seiner Rolle als I n f o r m a n t der obersten p o l i t i s c h e n F ü h r u n g des Staates -

die

G e w i n n u n g v o n Erkenntnissen über bestimmte, i n aller Regel n i c h t offen zugängliche Sachverhalte, die f ü r

die p o l i t i s c h e n Entscheidungen

der

S t a a t s f ü h r u n g v o n B e d e u t u n g sind. A l s M i t t e l der n a c h r i c h t e n d i e n s t l i c h e n E r k e n n t n i s g e w i n n u n g lassen sich i n erster L i n i e d e n k e n : 4 8

45 Entgegen Dünnebier, S. 392 ist m.E. der Wortlaut des § 7 I I I G 10 („Erforschung und Verfolgung") nicht so eindeutig, als daß sich die Erörterung einer „Fernwirkung" hier überhaupt verbieten würde, weil sie bereits kraft Gesetzes bestünde. Das Bemerkenswerte an der Dirnhofer-Entscheidung ist doch, daß der BGH hier dem Grundrechtsschutz des von der Beschränkungsmaßnahme Betroffenen aus verfassungsrechtlichen Erwägungen heraus eindeutig den Vorrang vor dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse einräumt, während bei der T Ü nach § 100 a StPO immer eine Lösung gesucht wird, die dieses Interesse nicht zu kurz kommen läßt. 46 s. Laufhütte (Fn. 44). 47 s. die Ausführungen in Kap. V, 3. Daß die „FernWirkung" von Beweisverboten für den BGH wirklich eine absolute Ausnahme darstellt, wird deutlich an der Entscheidung des fünften Strafsenates vom 28.4.1987 = BGH, StrVert 1987, 283 = BGH, NJW 1987, 2525. Hier hatte die Polizei dem in Untersuchungshaft einsitzenden Angeklagten einen zu „Hilfsdiensten für die Polizei" bereiten Mitgefangenen auf die Zelle gelegt, um ihn „aushorchen" zu können. Das erstinstanzliche Urteil des L G Hannover (StrVert 1986, 521) hatte die Angaben dieses Mitgefangenen in der Hauptverhandlung nicht verwertet. Dies hielt der BGH unter Berufung auf §§ 136a, 163 a IV 2 StPO aufrecht. Nicht verwertet hatte das L G Hannover aber auch die Aussage eines weiteren Zeugen, auf den die Polizei erst durch die Angaben des Mitgefangenen gestoßen war. Dieser Umstand ließ die Revision der Staatsanwaltschaft Erfolg haben, denn „eine so weitreichende Fernwirkung eines Verfahrensverstoßes wird nicht anerkannt." (BGH aaO.) BGHSt. 29, 244 sollte dem nicht entgegenstehen; diese Entscheidung (auf die sich das L G Hannover ausdrücklich berufen hatte, s. StrVert 1986, S. 522 re. Sp.) würde allein § 7 I I I G 10 betreffen. 48 Die wohl vollständigste Aufzählung, der hier gefolgt wird, findet sich bei Schatzschneider, S. 202f.; s. a. Schlink, NJW 1980, 552 und allg. zu den Aufgaben eines Nachrichtendienstes Rieger, ZRP 1985, 3 ff. und Gusy, Die Verwaltung 1984, 273, 277 ff.

3. Das Defizit: Die über G10 hinausgehenden Ermittlungsmethoden

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1. Offen zugängliche Quellen (Zeitungen, Zeitschriften, F l u g b l ä t t e r , W a h l aufrufe, Programme, M i t g l i e d e r - u n d K a n d i d a t e n l i s t e n p o l i t i s c h e r V e r einigungen usw.), 4 9 2. E i n h o l u n g v o n A u s k ü n f t e n b e i anderen Behörden i m Wege der A m t s hilfe, 50 3. Befragung der Betroffenen oder p r i v a t e r D r i t t e r , 4. Observation ohne technische M i t t e l , 5. Einsatz v o n sog. „ V - L e u t e n " (geheimen Informanten), 6. Observation u n t e r V e r w e n d u n g v o n technischen H i l f s m i t t e l n , 7. M a ß n a h m e n n a c h dem G 10. Diese A r b e i t w i r d sich auf die U n t e r s u c h u n g der Zulässigkeit der u n t e r P u n k t 6 angeführten M a ß n a h m e n - Ü b e r w a c h u n g u n t e r Z u h i l f e n a h m e technischer M i t t e l - beschränken. Dies geschieht aus mehreren Gründen. Ü b e r die meisten der anderen n a c h r i c h t e n d i e n s t l i c h e n E r m i t t l u n g s m e t h o d e n l i e gen schon z.T. recht umfangreiche A r b e i t e n vor; dies e r l a u b t hier eine Beschränkung, die angesichts der rechtsvergleichenden T h e m a t i k

wohl

auch n o t w e n d i g i s t . 5 1

49 Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll 80% seiner Erkenntnisse aus dem Studium dieser Quellen beziehen; so Borgs-Maciejewski (Kap. I, Fn. 14), S. 16. 50 Schwagerl / Walther, Der Schutz der Verfassung, Köln 1968, S. 87 ff. geben eine Aufstellung der für den Verfassungsschutz in Frage kommenden Behörden und Stellen. Die Amtshilfe zwischen dem nachrichtendienstlichen Verfassungsschutz und Polizei bzw. Bundesgrenzschutz war eine i n neuerer Zeit sehr diskutierte Frage; vgl. die Nachweise in Kap. I Fn. 13. 51 Eine Anmerkung zur Methode soll hier jedoch gemacht werden. Schatzschneider, S. 175 f. kommt in seiner Arbeit zu dem Ergebnis, daß den Landesämtern für Verfassungsschutz (das Bundesamt darf seiner Meinung nach ohnehin keine eigenen Ermittlungen durchführen, S. 52 und 75 ff.) auch das Ausschöpfen von offenen Quellen, jedenfalls soweit es systematisch bei den Äußerungen „politischer Randgruppen" geschieht, nur bei Bestrebungen, die „zumindest im Vorfeld eines Straftatbestandes liegen", gestattet ist. Der Weg zu diesem Ergebnis kann hier nicht erörtert werden vgl. dazu Evers, NJW 1979, 2557. Schlicht unzulässig ist es m.E. jedoch (vgl. nun S. 164), der Frage, weshalb dem Verfassungsschutz einerseits im G 10 recht weitgehende Eingriffsbefugnisse zugestanden sind, während ihm sonst im Regelfall sogar die Tätigkeit eines Meinungsforschungsinstituts verboten sein soll, durch einen Verweis auf die Ansicht von Welp, Die strafprozessuale Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, 1971, S. 35, Fn. 71 auszuweichen, Rückschlüsse von den G 10Maßnahmen auf die Zulässigkeit anderer Abhör- und Uberwachungsmaßnahmen von Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendiensten seien, da der Post- und Fernmeldeverkehr nur einen Ausschnitt der menschlichen Kommunikation darstelle, verboten. Diese Interpretation (der i. ü. natürlich zuzustimmen ist) bezieht sich erkennbar auf andere geheime Überwachungsmaßnahmen bei der unmittelbaren menschlichen Kommunikation, also sog. „Lauschangriffen" mittels Abhörgeräten aller Art. Die besondere Qualität dieser Maßnahmen erkennt Schatzschneider auch und erörtert sie in einem besonderen Kapitel (S. 216ff.: „Qualifizierte Informationseingriffe"). Für ein Verbot der Ausschöpfung offener Quellen durch den Verfassungsschutz gibt die Ansicht Welps jedoch nichts her. Ein übersichtlicherer und diskutabler Ansatz zur Frage der Ausschöpfung offener Quellen und der Notwendigkeit einer Rechtsgrundlage findet sich bei Bull, Datenschutz und Ämter für Verfassungsschutz, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 142.

3-

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II. Nachrichtendienstliche Überwachung im deutschen Recht Ferner sind geheime Ü b e r w a c h u n g s m a ß n a h m e n u n t e r Einsatz t e c h n i -

scher H i l f s m i t t e l wegen der d a m i t i n der Regel verbundenen E i n g r i f f e i n A r t . 13 G G b e i m Belauschen v o n i n der W o h n u n g geführten Gesprächen die w o h l intensivste F o r m des staatlichen E i n d r i n g e n s i n die Privatsphäre des B ü r g e r s 5 2 - die Frage n a c h der (ausnahmsweisen) Zulässigkeit solcher M a ß n a h m e n stellt sich daher als sehr interessant u n d e r ö r t e r u n g s w ü r d i g d a r u n d ist - soweit e r s i c h t l i c h - i n dem hier g e w ä h l t e n Z u s a m m e n h a n g m i t dem V ö l k e r r e c h t auch n o c h nie untersucht worden. I m ü b r i g e n d ü r f t e n sich die Nachrichtendienste selbst v o n E r m i t t l u n g s methoden w i e dem S t u d i u m offener Quellen oder der Befragung der B e t r o f fenen i m Bereich der Spionageabwehr, der h i e r besonders interessiert, n i c h t v i e l versprechen. 5 3 D i e A m t s h i l f e zwischen den N a c h r i c h t e n d i e n s t e n u n d den Strafverfolgungsbehörden

b l e i b t deshalb außer Betracht, w e i l sie

h a u p t s ä c h l i c h bei der T ä t i g k e i t der Verfassungsschutzbehörden gegen „ V e r fassungsfeinde i m I n n e r n " p r o b l e m a t i s c h w e r d e n dürfte, was i m Rahmen dieser A r b e i t n i c h t so sehr interessiert; z u d e m g i b t es hierüber schon eine 52 Vgl. de Lazzer / Rohlf, JZ 1977, 207, 211 m.w.N.; Rohlf, Der grundrechtliche Schutz der Privatsphäre, 1980, S. 152ff. und S. 169; Vahle, Polizeiliche Aufklärungsund Observationsmaßnahmen, Diss. Bielefeld 1983, S. 133. Die Gegenansicht von Friedrichs, S. 140, Art. 10 GG böte einen gleichwertigen, wenn nicht größeren Schutz der Privatspäre des Bürgers als Art. 13 GG, „weil der Schutz der a priori privaten Wohnung nicht so offensichtlich notwendig ist wie der der staatlich vermittelten Kommunikation" und zudem „Art. 13 GG anders als Art. 10 GG in Abs. 3, 1. Alt. sogar verfassungsunmittelbare Eingriffsmöglichkeiten (enthält)", was „nicht gerade für den (von de Lazzer / Rohlf aaO.) behaupteten stärkeren Schutz des Wohnungsgrundrechts" sprechen würde, ist unhaltbar. Gerade weil die Wohnung „a priori privat" ist (Wohnung = „räumliche Privatsphäre", vgl. die Nachweise bei Rohlf, S. 152, Fn. 98, v.a. die „Schnellreinigungs-Entscheidung" BVerfGE 32, 54 (72) = BVerfG, DVB1. 1971, 892, 894 Ii. Sp. Mitte) wird sie stärker geschützt als die Teilnahme an einem staatlich vermittelten Kommunikations Vorgang; und während der allgemeine Gesetzesvorbehalt in Art. 10 GG in das doch recht weitgehende G 10 umgeschlagen ist, kann das viel diffizilere System der Art. 13 I I und I I I GG doch auch nur bedeuten, daß Eingriffe schon von Verfassungs wegen nur in einem geringeren Umfang möglich sein sollen. Art. 13 I I I 1. Alt. GG trifft lediglich für Fälle des akuten Notstandes eine verbindliche Güterabwägung. Der Spielraum des Gesetzgebers ist bei Art. 13 GG kleiner und nicht größer als bei Art. 10 GG. Zu den Fällen, wo eine nach G 10 bzw. der StPO zulässige Beschränkung des Art. 10 GG zu einer Verletzung des Art. 13 GG führen kann, s. Kirchmann, Der Schutzbereich der Unverletzlichkeit der Wohnung, Diss. München 1977, S. 85 und S. 238, Anm. 32 sowie sofort die unter b) erörterte „Raumgesprächs-Entscheidung" des Bundesgerichtshofes vom 16.3.1983 - BGHSt. 31, 296. 53 Die Bekundung von Borgs-Maciejewski (Fn. 49), der Verfassungsschutz würde 80% seiner Erkenntnisse aus dem Studium dieser „offenen Quellen" gewinnen, soll hier nicht angezweifelt werden. Auch Schatzschneider gibt diese Zahl an (S. 151). Allerdings ist der Aufgabenbereich des Bundesamtes und der Landesämter für Verfassungsschutz nach § 3 I und I I BVerfSchG und den entsprechenden Landesgesetzen ziemlich weit gefaßt. Bei der Aufklärung von „Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind" (Abs. 1 Nr. 1) oder bei Sicherheitsüberprüfungen von Geheimnisträgern (Abs. 2) mag das Studium offener Quellen oder sogar die Befragung des Betroffenen durchaus eine angemessene Ermittlungsmethode sein; für den hier interessierenden Bereich der Spionageabwehr (Abs. 2) gilt dies jedoch sicher nicht. Zu den „Beschaffungspraktiken" des BND vgl. Rieger, ZRP 1985, S. 5f.

3. Das Defizit: Die über G10 hinausgehenden Ermittlungsmethoden

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ganze Reihe von Veröffentlichungen. 54 Ebenso spielt der Einsatz von V-Leuten wohl mehr bei der Überwachung „radikaler" bzw. „extremistischer" politischer Gruppierungen eine Rolle. 55 Eingriffe nach dem G 10 schließlich sind nicht Gegenstand dieser Arbeit, auch wenn dieses Gesetz hier sehr häufig Erwähnung finden wird. b) Die „Raumgespräch"-Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen vom 16.3.1983 - BGHSt. 31, 296 Nach dieser thematischen Abgrenzung muß nun das in der Kapitelüberschrift behauptete „Defizit" aufgeklärt werden, das hinsichtlich der über Beschränkungsmaßnahmen nach dem G 10 hinausgehenden Ermittlungsmethoden besteht. Hierzu ist - in gebotener Kürze - noch einmal eine Rückbesinnung darauf erforderlich, was das G 10 eigentlich regeln will. Es erlaubt den Nachrichtendiensten Eingriffe in das durch Art. 10 I GG verbürgte Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis. Beim hierdurch betroffenen Brief-, Post- und Fernmeldeverkehr handelt es sich um Kommunikationsformen, die weder für jedermann zugänglich sein sollen, noch es aufgrund ihrer technischen Eigenart sind, aber wegen der Distanz der Kommunikationspartner zueinander einer Übermittlung bedürfen. 56 Adressat des durch Art. 10 I GG verbürgten Schutzes ist die gesamte öffentliche Gewalt und nicht nur die den Kommunikationsvorgang in der Regel vermittelnde Deutsche Bundespost. 57 Weitergehende Überwachungsmaßnahmen mittels moderner elektronischer Abhörgeräte außerhalb des Fernmeldeverkehrs, also das Belauschen des unmittelbar gesprochenen Wortes („Lauschangriff"), sind weder vom G 10 noch von §§ 100a, 100b, 101 StPO gedeckt. Diese in der Literatur 54 Bei Eingriffen in das Post- und Fernmeldegeheimnis s. Welp, DÖV 1970, 267, 269ff.; allgemein s. etwa die Aufsätze von Denninger, in: JA 1980, 280ff., ZRP 1981, 23Iff., und in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat 1981, 19ff.; ferner hierzu Lisken, NJW 1982, 1481 ff., Riegel, NJW 1979, 952ff., Gusy, NVwZ 1983, 322 (325f.), sowie die Kontroverse Ganßer / Riegel, BayVBl. 1983, 711/717 hinsichtlich der landesrechtlichen Regelung in Bayern (§ 4 BayLfVG), und schließlich Scholz / Pitschas (Fn. 1), S. 184 ff. 55 Zu diesem Thema s. die Monographie von Friedrichs aaO., deren Einzelergebnissen im Hinblick auf Detailfragen des V-Mann-Einsatzes man kaum widersprechen kann, auch wenn man - wie der Verf. - i n einigen Fällen Bedenken gegen die Argumentationsweise des Autors erhebt. 56 Allg. Meinung: vgl. Badura, in: Bonner Kommentar zum GG, Rdnrn. 26 ff. zu Art. 10; Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Rdnrn. 13ff. zu Art. 10; Pappermann, in: von Münch, Rdnr. 10ff. zu Art. 10. 57 Badura (Fn. 56), Rdnr. 21; Pappermann (Fn. 56), Rdnrn. 6, 11, 14; man kann sogar sagen, daß sich Art. 10 I GG hauptsächlich gegen die „postfremde Exekutive" richtet, da Verletzungen des Geheimnisschutzes in erster Linie von dieser zu erwarten sind, vgl. Welp, Strafprozessuale Überwachung, S. 23, und Aubert, Fernmelderecht, 3. Auflage 1978, Bd. 1, S. 44ff.

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ziemlich einhellig vertretene Meinung 58 ist neuerdings für den Bereich der strafprozessualen TÜ vom Bundesgerichtshof in seiner sog. „Raumgespräch "-Entscheidung vom 16.3.1983 bestätigt worden. 59 Ihr lag folgender Sachverhalt zugrunde: in einem Ermittlungsverfahren wegen gewerbsmäßigem Rauschgifthandels wurde gegen einen der späteren Angeklagten eine (nach § 100 a S. 1 Ziff. 4 StPO rechtmäßige) TÜ angeordnet und durchgeführt. Während dieser Überwachungsmaßnahmen war es der Polizei möglich gewesen, nicht nur die Telefongespräche des Angeklagten, sondern auch mehrmals Unterhaltungen mit seiner Ehefrau zu belauschen, die in dem Zimmer stattfanden, in dem sich der Telefonapparat befand. Dies kam daher, weil von einem der Hausbewohner nach Beendigung eines Telefongesprächs der Hörer nicht richtig auf die Gabel gelegt worden war - das Telefon wurde damit zur „Wanze". In einem der abgehörten Gespräche hatte der Angeklagte gegenüber seiner Ehefrau „Bilanz" aus seinen bisherigen Heroingeschäften gezogen. Dieses „Raumgespräch" war von der erstinstanzlich urteilenden Strafkammer des L G Wiesbaden verwertet und der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Auf seine Revision hin hob der BGH das Urteil auf. Unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien zum G IO 6 0 und der „Schranken-Schranke"-Argumentation aus dem Dirnhofer-Urteil lehnte der erkennende 2. Strafsenat eine Ausdehnung des § 100 a StPO auf „eine Unterhaltung, die ohne Inanspruchnahme einer Fernsprecheinrichtung im häuslichen Bereich stattfindet", ab, da diese unter den Begriff „Fernmeldeverkehr" nicht subsumierbar und § 100 a StPO wegen seines Eingriffs sowohl in das Grundrecht der Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnisses als auch in das aus Art. 2 I GG fließende allgemeine Persönlich58 So schon Welp, Strafprozessuale Überwachung, S. 35, Fn. 71 und Arzt (Fn. 7), S. 75ff.; ders., JZ 1973, 506; de Lazzer / Rohlf, JZ 1977, 207, 211; Grünwald, „Wanzen sollen zulässig sein?", in: DER SPIEGEL Nr. 11/77 vom 7.3.1977, S. 24; vgl. für das Abhören nach § 100 a StPO Laufhütte, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, Rdnr. 4 vor § 94 und Rdnr. 1 zu § 100a, sowie Schumacher (Fn. 43), S. 131 f. Die nach Wissen des Verf. einzige Gegenmeinung äußert Weber, DOV 1970, 416, allerdings nahezu ohne Begründung. Kamiah, DÖV 1970, 44 (47) hat im Wege einer rechtsvergleichenden Betrachtung mit den USA und der Rechtsprechung des United States Supreme Court versucht, das Abhören von Telefongesprächen und von direkt geführten Gesprächen i n der Privatwohnung (also die Beeinträchtigung von Art. 10 und Art. 13 GG) auf eine Stufe zu stellen, allerdings - vor der Entscheidung des BVerfG über das G 10 am 15.12.1970, BVerfGE 30, 1 - nur mit dem Ziel, den Richtervorbehalt i n Art. 13 I I GG auf alle Abhörmaßnahmen auszudehnen. Angesichts der unterschiedlichen Verfassungslage (in den USA gilt jede Abhörmaßnahme als „Durchsuchung", in der BRD keineswegs) stellte dies wohl einen „untauglichen Versuch" dar. Sehr kritisch daher Welp und Schumacher jeweils ebd. Immerhin kann Kamiah aber für sich in Anspruch nehmen, das hier darzustellende „Defizit" als erster angesprochen zu haben. ss BGHSt. 31, 296 = BGH, NStZ 1983, 517 m. Anm. Geerds = BGH, NJW 1983, 1569 = BGH, JZ 1984, 385 mit Besprechung Gössel (ab S. 361) = BGH, JR 1984, 254 m. Anm. Amelung. 60 BT-Drs. V/1880, S. 7, 9 u. 11; vgl. BGHSt. 31, 296 (298). Zum folgenden s. S. 299ff. dort.

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keitsrecht einer erweiterten Auslegung unzugänglich sei. Eine Verwertbarkeit des Raumgesprächs als Beweismittel sei daher ebenfalls ausgeschlossen; das Belauschen der in der eigenen Wohnung geführten Unterhaltung des Angeklagten mit seiner Ehefrau habe auch den unantastbaren Bereich der privaten Lebensgestaltung - nämlich den „engsten Familienkreis" berührt, der durch Art. 2 I in Verbindung mit Art. 11 GG absolut geschützt sei und in den die öffentliche Gewalt nicht einwirken dürfe. Eine Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an Strafverfolgung und Kriminalitätsbekämpfung sei hier unstatthaft. Diese Entscheidung wurde zwar in bezug auf die strafprozessuale TÜ nach § 100 a StPO gefällt, hat aber zweifellos auch für die im Rahmen von § 2 G 10 durchgeführten Beschränkungsmaßnahmen der Nachrichtendienste Gültigkeit. Das G 10 senkt zwar die Verdachtsschwelle, die für die Einleitung einer Überwachungsmaßnahme genügen soll, erheblich ab, ermächtigt aber auch nur zum Abhören des Fernmeldeverkehrs und seiner Aufnahme auf Tonträger wie § 100 a StPO, nicht aber zu darüber hinausgehenden Lauschaktionen. Angesichts der dargestellten Literaturmeinung und der „ Raumgespräch " Entscheidung des Bundesgerichtshofes erhebt sich natürlich - und berechtigterweise - die Frage, ob es das in der Kapitelüberschrift behauptete „Defizit" überhaupt gibt oder ob über die Telefonüberwachung hinausgehende staatliche Abhörmaßnahmen („Lauschangriffe") nicht schlicht und einfach von Verfassungs wegen verboten sind. 61 Nach Meinung des Verf. ist dieses „Defizit" vorhanden und die von der generellen Verbotenheit solcher Maßnahmen ausgehende Meinung unzutreffend. Die Richtigkeit dieser These soll im weiteren Verlauf dieses Kapitels unter Beweis gestellt werden. Zunächst sei nur angemerkt, daß die Diskussion durch die „Raumgespräch "-Entscheidung des BGH jedenfalls nicht beendet sein wird. Der BGH hat in seiner Entscheidung nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht und den absolut geschützten Bereich privater Lebensgestaltung aus Art. 2 I, 1 I GG erörtert; den absolut geschützten Bereich sah er deshalb verletzt, weil es sich um ein unter Ehegatten geführtes Gespräch handelte. Methodisch richtig und im Anschluß an die intensive Diskussion von „Lauschangriffen" i n der Literatur wohl auch geboten wäre es gewesen, zunächst einmal das Spezialgrundrecht des Art. 13 GG zu erörtern. Nach nahezu allgemeiner Meinung ist nämlich zu allererst dieses Grundrecht betroffen, wenn durch den Einsatz technischer Lauschmittel in die „räumliche Privat61 Vgl. z.B. Rohlf (Fn. 58), S. 161 f.; Grünwald (Fn. 58), S. 22 Ii. Sp. („Derartige Eingriffe i n die Rechte des Bürgers kennt unsere Rechtsordnung nicht"); wohl auch Denninger (Kap. I Fn. 12), S. 24; s. a. H. P. Schneider, in: Narr, Wir Bürger als Sicherheitsrisiko, S. 127f.; de Lazzer / Rohlf (Fn. 58), S. 211ff. u. Schatzschneider, S. 240f. (teilweise mit einer bedeutsamen Einschränkung; s. Fn. 116-118 hier und den zugeh. Text).

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Sphäre" der Wohnung eines Bürgers eingedrungen wird. 6 2 Der Frage nach der Reichweite dieses Abwehrrechts ist der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung ausgewichen; daß er zusätzlich auch noch so sehr auf die Beeinträchtigung gerade der ehelichen Kommunikation als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts abhob, legt die Vermutung nahe, daß er sich „noch manche Hintertür für die Beurteilung von Lauschangriffen auf Wohnungen und nichteheliche Gemeinschaften offenhalten" wollte. 6 3 c) Die Auslegung des Art. 13 GG und seiner Eingriffsvorbehalte -fallen „Lauschangriffe" unter Abs. 2 oder Abs. 3? Diese Nicht-Klärung der Frage nach der Zulässigkeit des „technischen" Belauschens von Privatgesprächen durch den BGH erfordert also eine genaue Überprüfung der einschlägigen verfassungsrechtlichen Bestimmungen. Bei Sachverhalten, die dem durch das „Raumgespräch"-Urteil entschiedenen gleichkommen, ist die bestehende Rechtslage schon relativ oft erörtert worden. Zu messen ist das Abhören von in der Wohnung geführten Gesprächen grundsätzlich an Art. 13 GG, der die Unverletztlichkeit der Wohnung garantiert und Eingriffe und Beschränkungen nur unter bestimmten Voraussetzungen zuläßt. Als Schutzbereich der Wohnung wird nicht nur deren räumliche Integrität und die Verfügungsmacht der Bewohner hierüber, sondern auch ihre Eigenschaft als „räumliche Privatsphäre" angese62 s. die Anmerkung von Amelung, JR 1984, 256 und seine Nachweise in Fn. 1 dort (re. Sp. unten). 63 So Amelung (Fn. 62), der damit hinter seine anfängliche Charakterisierung der Entscheidung als „Haltezeichen vor dem Weg in den Überwachungsstaat" wieder ein Fragezeichen setzt. Die Besprechungen von Geerds, NStZ 1983, 518, und Gössel, JZ 1984, 361 ff., gehen auf diesen Gesichtspunkt nicht ein. Gössel, S. 362, möchte anders als der BGH dem Gespräch über die Ergebnisse kriminellen Handelns mit der Ehefrau einen so starken „Sozialbezug" beimessen, daß damit der absolut geschützte „Intimbereich" bereits verlassen ist und es zu einer Abwägung mit dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse kommen kann, die dann freilich zugunsten des Privatsphärenschutzes ausfallen soll. Krit. zu diesem Lösungsansatz, der für die Ermittlung der Schutzwürdigkeit die Kenntnisnahme des Gesprächsinhalts und damit einen Eingriff in den Schutzgegenstand der Privatsphäre verlangt, Rohlf, S. 112; s. dazu auch Fn. 132 hier. Bei den seit Abschluß der Arbeit (März 1986) veröffentlichten höchstrichterlichen Entscheidungen zum Belauschen von direkt oder fernmündlich geführten Gesprächen wurden hauptsächlich strafprozessuale Aspekte (§§ 81a, 81b, 100a, 100b, 136,136a StPO) erörtert; eine dem „Raumgespräch"-Fall vergleichbare Grundsatzentscheidung erging bislang nicht mehr. s. i.e. BGHSt. 33, 217 (1. Sen. ν. 9.5.1985) = BGH, StrVert 1986, 185 m. Anm. Kühl (ab S. 187) (durch polizeiliches Handeln „veranlaßtes" Telefongespräch während laufender T Ü nach § 100 a StPO - zulässig); BGHSt. 33, 347 (2. Sen. ν. 5.11.1985) = BGH, StrVert 1986,1 = BGH, NStZ 1986, 323 und dazu Welp, NStZ 1986, 294 sowie Rieß JZ 1987, 77 (TÜ des Strafverteidigers als „Nachrichtenmittler" seines flüchtigen Mandanten - unzulässig wegen § 148 StPO); BGHSt. 34, 39 (3. Sen. ν. 9.4.1986) = BGH, StrVert 1986, 325 = BGH, NJW 1986, 2261 und dazu Wolfslast, NStZ 1987, 103 (Beweisführung durch heimliche Aufzeichnung der Stimme des Angeklagten beim „Aufnahmegspräch" mit dem Leiter der JVA unzulässig wegen Art. 2 I i. V.m. Art. 1 GG).

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hen, 64 weswegen heimliche Ausforschungs- (Abhör-)maßnahmen als Beeinträchtigung des Schutzgegenstandes von Art. 13 GG zu werten sind. 65 Wenn es aber nun die Vorgänge in der Wohnung sind, die vor staatlicher Ausforschung geschützt werden sollen, kann auch die räumliche Position des Lauschmittels keine Rolle spielen, sondern einzig und allein dessen Auswirkimg: es reicht aus, wenn das Gerät eine Überwachung der privaten Vorgänge in der Wohnung erlaubt; gleichgültig ist dagegen, ob es innerhalb der Wohnung („Wanze") oder außerhalb davon (Röntgen- oder Mikrowellentechniken) angebracht ist. Auf die Art der technischen Durchführung der Überwachimg im einzelnen kommt es also nicht an. 6 6 Es stellt sich somit nur die Frage, ob geheime Überwachungsmaßnahmen zur Ausforschung von Vorgängen in einer Wohnung unter Abs. 2 oder Abs. 3 des Art. 13 GG zu fassen sind. Eine Qualifizierung dieser Maßnahmen als „Durchsuchung" im Sinne des Art. 13 I I GG wird allgemein abgelehnt; hauptsächliches Argument dafür ist, daß die Durchsuchung einer Wohnung zwingend einen körperlichen Eingriff („Eindringen") in die Wohnung voraussetzt, geheime Überwachungsmaßnahmen dagegen allenfalls bei der Anbringung des Lauschmittels - und dies nicht unbedingt. Tatsächlich ist der Durchsuchungsbegriff und damit die Abgrenzung zwischen Art. 13 I I und Art. 13 I I I GG in der Literatur heftig umstritten; man kann aber festhalten, daß der einzige gemeinsame Nenner aller Theorien darin besteht, daß die Durchsuchung ein „physisches Betreten" der Wohnung durch Träger der öffentlichen Gewalt voraussetzt. 67 64 Vgl. dazu die „Schnellreinigung"-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 32, 54 = BVerfG, DVB1.1971, 892, 894f., wo dieser Begriff vom erkennenden Senat zunächst dazu benützt wird, den Schutzbereich des Art. 13 I GG auch auf Betriebs- und Geschäftsräume auszudehnen (keine wörtliche Auslegung der „Wohnung", s. DVB1. 1971, S. 894 Ii. Sp. Mitte) und sodann dazu, den Schutz für diese Räume zu relativieren (wegen der „Öffnung nach außen" durch den Inhaber, aaO., S. 895 Ii. Sp. unten). Krit. dazu Schwan, DÖV 1975, 661 f. 65 Zum Schutzgegenstand des Art. 13 1 GG vgl. außerdem Dagtouglou, in: Bonner Kommentar zum GG, Rdnr. 1 zu Art. 13; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, GG-Kommentar, Rdnr. 1 zu Art. 13; Pappermann, in: von Münch, GG-Kommentar, 3. Auflage, Rdnr. 1 zu Art. 13 (wohl allg. M.); s. a. Evers, Privatsphäre, S. 201. 66 So de Lazzer / Rohlf, S. 208, Schatzschneider, S. 240, Schumacher, S. 77, Rohlf, S. 202, Vahle (Fn. 52), S. 42f., Kamiah (Fn. 58), S. 47. Eine andere strikt auf den räumlichen Bereich der Wohnung abstellende Auffassung müßte zudem zu denselben sonderbaren Unterscheidungen hinsichtlich der Art der Montage des Abhörgerätes führen, wie sie jahrzehntelang die Rechtsprechung des United States Supreme Court beherrschten. Diese sind ausführlich im Abschnitt über die amerikanische Rechtsentwicklung dargestellt; s. dazu Kapitel IV 2 a) - d). Zudem bliebe ein dermaßen reduzierter Schutz i n Anbetracht der heutigen technischen Möglichkeiten wohl weitgehend wirkungslos. Als - soweit ersichtlich - einziger Vertreter dieser Ansicht in der deutschen Literatur w i r d allgemein Evers, Privatsphäre, S. 202 angegeben, der sich aber eher ungeschickt ausgedrückt und die neueren technischen Entwicklungen nicht bedacht hat. Daß auch er eine solche Differenzierung nicht vertritt, wird klar aus seinem Beitrag „Die rechtlichen Grenzen der Nachrichtensammlung durch die Ämter für Verfassungsschutz", in: Verfassungsschutz 1966, S. 93, llOf.; s. a. Rohlf, S. 157 Fn. 12.

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Dieses Betreten durch Vertreter der Staatsgewalt darf nun aber auch nicht mit einer Durchsuchung gleichgesetzt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muß noch das „ziel- und zweckgerichtete Suchen nach Personen oder Sachen hinzukommen, um etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung nicht von sich aus offenlegen oder herausgeben w i l l " . 6 8 Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage der Unterscheidung zwischen Art. 13 I I und Art. 13 I I I GG trotz mehrfacher Gelegenheit nicht beantwortet, sondern nur auf die eben angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen. 69 Man muß dieser nahezu allgemeinen Meinung im Ergebnis zustimmen, wenn sie „Lauschangriffe" auf eine Wohnung nach Art. 13 I I I GG beurteilt. M i t den herkömmlichen Abgrenzungsmethoden zwischen den „Durchsuchungen" des Abs. 2 und den „Eingriffen und Beschränkungen" des Abs. 3 ist dieses Ziel jedoch schwer zu erreichen; aus ihrer Betrachtung ergibt sich im Gegenteil, daß sich solche heimliche Überwachungsmaßnahmen der Systematik der Einschränkungen des Art. 13 I I GG eigentlich entziehen. 70 Ursache dafür ist, daß sie sich unter den Begriff „Durchsuchung" in Art. 13 I I GG nicht subsumieren lassen, da bei ihrer Durchführung die Wohnung nicht betreten werden muß. 7 1 Unter dieser Voraussetzung aber geht der Abgrenzungsversuch der h.M., der nach der „Schwere" des Eingriffs zwischen Art. 13 I I (der schwerste Eingriff mit Richtervorbehalt) und Art. 13 I I I GG (leichtere Eingriffe, die unter gewissen Voraussetzungen hinzunehmen sind) differenzieren w i l l , 7 2 hier ins Leere. Betrachtet man den „Lauschangriff" auf Wohnungen nämlich unter dem Gesichtspunkt seiner Auswirkungen auf die Privatsphäre des Betroffenen, die Art. 13 GG nach insoweit allgemeiner Meinung ja schützen soll, dann ergibt sich, daß eine solche Maßnahme in ihren Auswirkungen denen einer „körperlichen" 67 s. dazu Kirchmann (Fn. 52), S. 102 m.w.N. sowie zu den einzelnen Theorien auch Friedrichs, S. 129ff. 6 8 BVerwGE 28, 285 (287ff.) und 41, 31 (37). Krit. dazu Schwan, DÖV 1975, 667f., der nach der Zweckrichtung des Eingriffs differenzieren w i l l - bei solchen zur Gefahrenabwehr oder -Verhütung soll immer Art. 13 I I I GG in Betracht kommen, auch wenn es sich um eine Durchsuchung nach der BVerwG-Definition handelt. Zu den diversen Abgrenzungstheorien s. sofort im Text. 69 Vgl. die „Schnellreinigung"-Entscheidung BVerfGE 32, 54 (73) und die Entscheidung zum Durchsuchungsrecht des Gerichtsvollziehers nach § 758 ZPO, BVerfGE 51, 97 (106f.). 70 Bezeichnend für die Einordnungsschwierigkeiten ist die Behandlung der „Lauschangriffe" bei Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Rdnr. 9a zu Art. 13, die in ihrer Unklarheit kaum zu überbieten ist. Maunz scheint alle Arten von geheimen Überwachungsmaßnahmen unter Art. 10 GG ziehen zu wollen, was nicht richtig sein kann. 71 Gentz, Die Unverletzlichkeit der Wohnung, 1968, nennt solche Maßnahmen (S. 144) demzufolge auch „Gebrauchsbeeinträchtigungen". 72 s. etwa Rohlf, S. 157 ff. und Gentz, S. 135 ff.

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Durchsuchung kaum nachsteht. Durch sie können zwar keine körperlichen Objekte sichergestellt werden, der räumliche Schutzbereich der Wohnung wird aber genauso „durchsichtig" gemacht. Während eine Durchsuchung auch nach einigen Stunden beendet sein wird, kann eine solche Überwachungsmaßnahme über einen beliebig langen Zeitraum durchgeführt werden. Eher ließe sich vertreten, daß eine solche Maßnahme gegenüber der Durchsuchung im Sinne der Art. 13 I I GG einen schwereren Eingriff in die Privatsphäre des Betroffenen darstellt. Eine Abgrenzung zwischen Art. 13 I I und I I I GG mit der Begründung der h. M. würde auch angesichts der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu offenkundig unrichtigen Ergebnissen führen. Nach seiner Entscheidung zum Durchsuchungsrecht des Gerichtsvollziehers nach § 758 ZPO ist nun bei der vollstreckungsrechtlichen Durchsuchung, also dem Forschen des Gerichtsvollziehers nach pfändbaren Gegenständen in der Wohnung des Vollstreckungsschuldners, ebenfalls eine vorherige richterliche Anordnung notwendig. 73 Eine geheime wohnungsbezogene Überwachungsmaßnahme unterfällt dem Richtervorbehalt des Art. 13 I I GG dagegen nicht, da sie unter den Begriff „Durchsuchung" nicht subsumierbar ist. 7 4 Nun wird sich der Vollstreckungsschuldner beim Eintreffen des Gerichtsvollziehers an seiner Wohnungstür recht wenig Sorgen um die Aufrechterhaltung seiner Privatsphäre machen, sehr viele dagegen um seine Video- oder Stereoanlage, seinen Farbfernseher, Pelzmantel o.ä. Ein „Lauschangriff" dagegen ist die wohl intensivste Form der Privatsphärenverletzung, die zudem noch ohne Wissen des Betroffenen geschieht. Daß eine solche Maßnahme für die Privatsphäre des von ihr Betroffenen nun weniger belastend sein soll als der einmalige „Besuch" des Gerichtsvollziehers, wird niemand ernsthaft behaupten wollen. Es ist daher auch gar nicht verwunderlich, wenn die nach der „Schwere" differenzierenden Autoren von der generellen Unzulässigkeit solcher Maßnahmen ausgehen. 75 Dieser Ansatz läßt sich allerdings nicht konsequent durchhalten. 76 Im Falle einer Geiselnahme oder eines erpresserischen Menschenraubs w i r d niemand dem Verbot technischer Beobachtungs- oder Lauschmittel das Wort reden wollen, weil das Grundrecht des Täters aus Art. 13 GG (bzw. sein allgemeiner Privatsphärenschutz nach Art. 2 I in Verbindung mit 73

BVerfGE 51, 97 = BVerfG, NJW 1979, 1539; s. a. die Anschlußentscheidung zur Durchsuchungsbefugnis der Vollziehungsbeamten gemäß § 287 AO im gleichen Sinne, BVerfGE 57, 346 und allgemein zur Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bei Durchsuchungen BVerfGE 59, 95. 74 Vgl. dazu etwa de Lazzer / Rohlf, S. 208 re. Sp. Mitte und Friedrichs, S. 133, nach denen eine Einordnung von „Lauschangriffen" unter Art. 13 I I GG eine „unnatürliche Aufblähung" bzw. „gekünstelt" wäre. 75 Vgl. etwa Gentz (Fn. 71), S. 154 und Rohlf, S. 161 f., die beide mit der Wesensgehaltsschranke und dem Schutz der Menschenwürde argumentieren, s. a. Pappermann, in: von Münch, Rdnr. 46 zu Art. 13. 76 Vgl. die Bemerkung von de Lazzer / Rohlf, S. 209 Fn. 37 und S. 212 Fn. 85; hierzu richtig Hans Hugo Klein, W d S t R L 37 (1979), S. 97, Fn. 198.

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II. Nachrichtendienstliche Überwachung im deutschen Recht

Art. 11 GG) dem entgegenstünde. An dieser so nicht haltbaren Behauptung des absoluten Verbots manifestiert sich auch das ganze Dilemma der Diskussion und die Rechtfertigung des eingangs behaupteten „Defizits": da sich die Diskussion über solche Maßnahmen regelmäßig an Vorkommnissen entzündet, bei denen der staatliche Einbruch in die Privatsphäre einzelner Bürger unter keinem Gesichtspunkt zu rechtfertigen ist, neigt man leicht zu absoluten Auffassungen, obwohl das Problem eigentlich erkannt wird. Auf die beiden anderen Methoden zur Abgrenzung von Abs. 2 und Abs. 3 des Art. 13 GG kann man im hier interessierenden Zusammenhang nicht ausweichen. Mit diesen wäre zwar eine „flexiblere" Subsumtion möglich, aber es entstehen dogmatische Bedenken gegen ihre Richtigkeit. Wenn man nur einheitliche Eingriffe in das Wohnungsgrundrecht zuläßt und lediglich nach deren Zweckrichtung unterscheidet (alle Eingriffe, die nicht einen gefahrenabwehrenden oder -verhütenden Zweck verfolgen, unterfallen Art. 13 I I GG und damit dem Richtervorbehalt, gleichgültig in welcher Form sie erfolgen), 77 also entgegen der herrschenden Auffassung 78 nicht von einer gegenseitigen Ausschließlichkeit der Begriffe „Durchsuchung" und „Eingriffe und Beschränkungen" ausgeht, kommt man um die Problematik des Durchsuchungsbegriffes herum und kann somit wohnungsbezogene geheime Überwachungsmaßnahmen wahlweise bei Abs. 2 und bei Abs. 3 einordnen. 79 Gegen diesen Ansatz sprechen jedoch schon Bedenken aus dem Wortlaut, 8 0 und er scheint im übrigen auf einer Vermengung von Ursache und Folge zu beruhen: der Richtervorbehalt in Art. 13 I I GG ist nicht damit zu erklären, daß es sich bei den Durchsuchungen um „gerichtliche Eingriffe" handelt, sondern er hat etwas mit dem besonderen Eingriffscharakter dieser Maßnahmen zu tun. 8 1 Auch dieser Abgrenzungsversuch ist daher für die Einordnung von „Lauschangriffen" nicht verwertbar. Das Bundesverfassungsgericht scheint dieser Abgrenzung auch nicht folgen zu wollen, wie der Verweis in seiner Entscheidung zu § 758 ZPO auf die dargestellte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zeigt. 82 Eine dritte Auffassung schließlich erkennt grundsätzlich die Zweiteilung der Schranken des Art. 13 GG in Durchsuchungen und sonstige Eingriffe und Beschränkungen, klammert aber alles hoheitliche Betreten und Suchen 77 s. Dagtoglou, in: Bonner Kommentar zum GG, Rdnr. 7Iff. zu Art. 13 (Kommentierung von 1966); ders., i n JuS 1975, 753ff. 78 Vgl. BVerwGE 28, 285 (287); 47, 31 (35ff.); s. a. BVerfGE 51, 97 (105). 79 Dagtoglou stellt aaO., Rdnr. 42, die Verletzung des Art. 13 I GG durch das Anbringen von Abhörgeräten in der Wohnung fest. Eine Einordnung dieser Maßnahmen in sein System der „gerichtlichen" und „administrativen" Eingriffe nimmt er aber leider nicht vor. 80 Es müßte dann in Art. 13 I I I GG „die übrigen Eingriffe und Beschränkungen" heißen, vgl. Kirchmann, S. 104 und Anm. 166 (S. 259). 81 So auch Schatzschneider, S. 232, der hier einen „Zirkelschluß" erkennt. 82 Vgl. Fn. 69 und 78; insoweit richtig Friedrichs, S. 130f. Krit. auch Pappermann, in: von Münch, Rdnr. 19 zu Art. 13, allerdings ohne zureichende Begründung.

3. Das Defizit: Die über G10 hinausgehenden E r m i t t l u n g s m e t h o d e n 4 5

in einer Wohnung, das zu Zwecken der Gefahrenabwehr und -Verhütung erfolgt, aus Art. 13 I I GG aus und zählt es zu den Eingriffen und Beschränkungen des Art. 13 I I I GG. 8 3 Da sich diese Auffassung aber ebenfalls auf den wörtlich verstandenen Durchsuchungsbegriff stützt, ist auch hier für eine Subsumtion des „Lauschangriffes" unter Art. 13 I I GG kein Platz, sondern er ist immer Art. 13 I I I GG zuzuordnen. 84 Nach dieser Methode ließe sich eine eindeutige Zuordnung der „Lauschangriffe" unter Art. 13 I I I GG also begründen. Aber auch gegen diese Meinung lassen sich Einwendungen erheben; sie ist nämlich gerade im „kritischen" Bereich nicht aufrechtzuerhalten und ermöglicht deshalb auch allgemein keine sauberen Abgrenzungen. 85 W i l l man sämtliche in die Wohnungsfreiheit eingreifenden Maßnahmen, die zwar die äußeren Durchsuchungsmerkmale aufweisen (ziel- und zweckgerichtetes Suchen nach Personen oder Sachen), aber in der Absicht polizeilicher Gefahrenabwehr oder -Verhütung vorgenommen werden, aus Art. 13 I I GG ausklammern und dem Abs. 3 dieser Vorschrift zuorden, so ergibt sich folgende Situation: Durchsuchungen der Strafverfolgungsbehörden unterfallen Art. 13 I I GG und damit dem Gebot der vorherigen richterlichen Anordnung, da es sich bei der Strafverfolgung materiell nicht um Gefahrenabwehr handelt. Sie ist deshalb auch nicht eigene Aufgabe der Polizei, sondern obliegt den Staatsanwaltschaften mit der Polizei als Hilfsorgan (§§ 161, 163 StPO, § 152 GVG). Die Verhütung von Straftaten ist dagegen ureigene polizeiliche Aufgabe; Durchsuchungen, die die Polizei im Rahmen ihrer präventiven Aufgabe vornimmt, müßten somit also Art. 13 I I I GG unterfallen und vom Richtervorbehalt freigestellt sein. Dieses Ergebnis entspricht zum einen nicht der unterverfassungsrechtlichen Rechtslage, zum anderen ist es auch imbefriedigend. Eine scharfe Unterscheidung zwischen präventiv-polizeilicher und strafverfolgender Tätigkeit ist oftmals schwierig, insbesondere bei den sog. „doppelfunktionalen Maßnahmen", die ihre Grundlage sowohl in den Polizeigesetzen wie in der StPO haben können. 86 Die „Durchsuchung" ist eine solche Maßnahme; man vergleiche etwa § 25 des Polizeigesetzes von Baden-Württemberg und die §§ 102 ff. StPO. Hinsichtlich ihrer Durchführung wird es bei der präventiv-polizeilichen und der strafverfolgenden Durchsuchung auch kaum bedeutsame Unterschiede geben. 87 In den meisten Polizeigesetzen der Länder ist deshalb - außer bei 83 So Gentz, S. 129ff. (138); ähnl. Schwan, DÖV 1975, 661, 667ff. (zugleich eine Bespr. von BVerfGE 32, 54) - allerdings einschränkend hinsichtlich der sog. „doppelfunktionalen Maßnahmen" (s. sofort im Text), bei denen es genügen soll, wenn sie nach einer der beiden möglichen Rechtsgrundlagen durchgeführt werden können. 84 Vgl. Schwan (Fn. 83), S. 667 re. Sp. oben und S. 669. 85 So auch Pappermann, in: von Münch, Rdnr. 19 zu Art. 13. 86 Vgl. hierzu Eike Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Württemberg, 1984, Rdnrn. 485ff. (487), sowie Eggert Schwan, VerwArch 70 (1979), S. 109, 126ff. 87 Diese Einsicht veranlaßt Gentz, einen Vertreter der o.a. Ansicht, Wohnungseingriffe der Kriminalpolizei sowohl zu straftatverhütenden wie auch zu strafverfolgen-

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II. Nachrichtendienstliche Überwachung im deutschen Recht

Gefahr i m Verzug - die vorherige r i c h t e r l i c h e A n o r d n u n g Zulässigkeitsvoraussetzung f ü r die p r ä v e n t i v - p o l i z e i l i c h e D u r c h s u c h u n g . 8 8 Ergebnis dieses k u r z e n Ausfluges i n die D o g m a t i k des A r t . 13 G G ist also, daß einerseits n u r die A b g r e n z u n g s m e t h o d e z w i s c h e n Abs. 2 ( „ D u r c h suchungen") u n d Abs. 3 ( „ E i n g r i f f e u n d Beschränkungen i m ü b r i g e n " ) dieser V o r s c h r i f t s t i c h h a l t i g sein k a n n , die auf die Schwere des E i n g r i f f s f ü r den Betroffenen

abstellt u n d den R i c h t e r v o r b e h a l t

des A r t . 13 I I G G

damit

e r k l ä r t , 8 9 u n d andererseits, daß diese Theorie eine B e g r ü n d u n g f ü r die Z u o r d n u n g v o n „ L a u s c h a n g r i f f e n " auf W o h n u n g e n z u den „ E i n g r i f f e n u n d Beschränkungen" des A r t . 13 G G n i c h t geben k a n n . E i n e S u b s u m t i o n derselben u n t e r die „ D u r c h s u c h u n g e n " des A r t . 13 I I G G erscheint jedoch n a c h fast einhelliger M e i n u n g ausgeschlossen. D a m i t ist offensichtlich,

daß

geheime Ü b e r w a c h u n g s m a ß n a h m e n i n die S y s t e m a t i k des A r t . 13 G G n i c h t hineinpassen u n d daß jeder n u r auf diese G r u n d r e c h t s n o r m abstellende Interpretationsversuch notwendigerweise scheitern m u ß . 9 0

d) Möglichkeiten

einer Lösung der

Einordnungsschwierigkeiten

Angesichts der z i e m l i c h umfangreichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts z u m aus A r t . 2 I i n V e r b i n d u n g m i t A r t . 1 1 G G abgeleiteden Zwecken wegen ihrer Schwere und des „Diskriminierungseffekts" für die Betroffenen immer Art. 13 I I GG und damit dem Richtervorbehalt zuzuordnen. Andere polizeiliche Durchsuchungen dagegen sollen wegen ihres gefahrenabwehrenden Zweckes unter Art. 13 I I I GG fallen. Vgl. dort S. 132 f. (mit Fn. 18) und zusammenfassend S. 138. Damit hätte man aber gleich ein neues Abgrenzungsproblem „gewonnen", dessen Kriterien nicht gerade viel hergäben. Das von Gentz richtig erkannte und gewertete Problem der Abgrenzung zwischen präventivem und repressivem polizeilichen Handeln dürfte zudem nicht nur bei den Handlungen der Kripo bestehen. 88 Vgl. § 25 V PolG BaWü und dazu Mußmann (Fn. 84), Rdnr. 256; zur Rechtslage in den übrigen Bundesländern s. die Nachweise bei Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Auflage 1982, § 10 I I I 5 (S. 159). A.A. schließlich - systemgerecht Dagtoglou, JuS 1975, 753, 760: die polizeiliche Generalklausel ist für die von ihm allesamt unter Art. 13 I I I GG gerechneten präventiv-polizeilichen Durchsuchungen ausreichend. 89 s. a. Pappermann, in: von Münch, Rdnr. 18 a.E. zu Art. 13 mit weiteren Nachweisen. 90 Deutlich w i r d dies bei H. H. Klein, W d S t R L 37 (1979), 96ff. und ihm folgend mit ausführlicherer Begründung Friedrichs, S. 134 ff., wo ein dem G 10 entsprechendes „ G 13" (allerdings ohne Rechtswegausschluß) zur Regelung von „Lauschangriffen" auf Wohnräume für machbar gehalten wird, wenn man nur Art. 13 I I I 2. Alt. GG heranzieht. Friedrichs (S. 135) zitiert zum Begriff der „dringenden Gefahr" im Sinne dieser Vorschrift BVerfGE 17, 232, 235f., die sich mit dem Betretungs- und Besichtigungsrecht der Aufsichtsbehörden nach § 18 ApothekenG (!) befaßt, und kommt angesichts der dort enthaltenen Erlaubnis zu vorbeugenden Maßnahmen gegen abstrakte Gefahren für „hochwertige Rechtsgüter" im Rahmen des Art. 13 I I I 2. Alt. GG zu der Erkenntnis, daß diese Vorschrift „die Einbruchsstelle für Eingriffe der Verfassungsschutzbehörden i n das Wohnungsgrundrecht" darstellt. Auf dieser Basis soll dann auch ein „ G 13" möglich sein. Schon diese - nach Ansicht des Verf. unbedingt abzulehnende - Argumentationsweise zeigt, welche Ergebnisse bei einer isolierten Betrachtung von „Lauschangriffen" nach Art. 13 GG drohen.

3. Das Defizit: Die über G10 hinausgehenden Ermittlungsmethoden

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ten Schutz der Privatsphäre des Bürgers 91 könnte man zur Lösung des unter c) dargestellten Einordnungsproblems daran denken, wohnungsbezogene geheime Überwachungsmaßnahmen nicht als Problem des Art. 13 GG zu betrachten, sondern sie - einheitlich mit anderen Observations- und Lauschmaßnahmen - ausschließlich an den zum allgemein Persönlichkeitsrecht entwickelten Maßstäben zu messen.92 Dies hieße allerdings, „das Kind mit dem Bade auszuschütten" und entspräche auch nicht der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung, nach der die Wohnung als räumlich abgegrenzte Privatsphäre durch Art. 13 GG besonders geschützt werden soll. Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnimg ist bei auf Ausforschung von Wohnungen gerichteten geheimen Überwachungsmaßnahmen nach insoweit einhelliger Meinung verletzt. 93 Es erscheint jedoch angebracht, das Verhältnis des allgemeinen grundrechtlichen Anspruchs auf staatliche Achtung der Privatsphäre aus Art. 2 I in Verbindung mit Art. 11 GG zu dem Spezialgrundrecht des Art. 13 I GG näher zu beleuchten. Über das allgemeine Verhältnis des Art. 2 I GG zu den Spezialgrundrechten der Art. 2 I I und 4 ff. GG besteht insoweit Einigkeit, daß Art. 2 I GG als lex generalis erst dann anwendbar ist, wenn die Art. 4 ff. GG als leges speciales nicht eingreifen. Wollte man nun die Meinung vertreten, daß Art. 13 GG für den Bereich der Wohnung auch als „räumlicher Privatsphäre" dem Art. 2 I GG absolut vorginge, könnte man sich die Erörterung des letzteren sparen und sich auf eine weite/enge Auslegung der Schranken des Art. 13 I I I GG beschränken. Auch diese Auffassung würde aber der Problematik nicht gerecht. Wie gezeigt, entziehen sich heimliche Überwachungsmaßnahmen zur Ausforschung von Wohnungen der Schrankensystematik des Art. 13 GG; es ist daher zu prüfen, inwieweit die aus Art. 2 I GG herauskonkretisierten Grundsätze zum Schutz der Privatsphäre zur Lösung des Problems nützlich sein können. Grundrechtssystematisch ist dies auch nicht ausgeschlossen. Der Schutz der Privatsphäre hat zwar in Art. 13 GG eine Ausprägung erfahren; er ist jedoch dort - auch für seinen „räumlichen" Bereich der Wohnung - nicht abschließend oder erschöpfend geregelt. Dies läßt sich an einem einfachen Beispiel belegen. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im bekannten Elfes-Urteil festgehalten, daß durch das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in Art. 2 I GG in 91 Eine Darstellung findet sich bei Rohlf, S. 81 ff. sowie bei Scholz, AöR 100 (1975), S. 265 ff. 92 Dieser Gedanke klingt an bei Vahle (Fn. 52), Anm. 293 (S. 159); an anderer Stelle scheint es aber, daß er Art. 2 I und Art. 13 GG nebeneinander anwenden will, vgl. S. 77 f., S. 122 f. Diese Lösung - die Vahle leider nicht weiter verfolgt - wird auch hier für richtig gehalten, vgl. dazu sofort im Text. 93 s. Dagtoglou, in: Bonner Kommentar zum GG, Rdnr. 42 zu Art. 13; Pappermann, in: von Münch, Rdnr. 46 zu Art. 13 m.w.N.; unklar Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Rdnr. 9 a zu Art. 13 (vgl. dazu Fn. 70 hier). Diese Auffassung ist neuerdings in einem obiter dictum des ΒVerf G im Urteil zum Volkszählungsgesetz bestätigt worden, vgl. BVerfGE 65, 1 (40); s.a. Rohlf, S. 237f.

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II. Nachrichtendienstliche Überwachung im deutschen Recht

Verbindung mit dem Schutz der Menschenwürde aus Art. 11 GG und der Wesensgehaltsschranke des Art. 19 I I GG dem Bürger „eine Sphäre privater Lebensgestaltung verfassungskräftig vorbehalten ist, also ein letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit besteht, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist." 9 4 Dieser unantastbare Kern ist nach Auffassung des Gerichts offensichtlich der Wesensgehalt der freien Entfaltung der Persönlichkeit; 95 danach gibt es die (weitere) Privatsphäre, die nicht absolut geschützt ist. Grenze zwischen beiden soll die Aufnahme der Kommunikation zu den Mitmenschen bilden. 9 6 Der Rückzug in die „Nichtkommunikation" und damit in die absolut geschützte Sphäre kann häufig mit dem Begeben in abgeschlossene Bereiche wie der Wohnung verbunden sein. Bedingung ist dies aber nicht. 9 7 Dieser Kernbereich ist daher inner- wie außerhalb der Wohnung durch Art. 2 I in Verbindung mit Art. 11 GG absolut geschützt; Art. 13 GG kann diesen absoluten Schutz auch innerhalb der Wohnung nicht noch verstärken. Es ist daher falsch, den Privatsphärenschutz für innerhalb der Wohnung geschehende Vorgänge nur nach Art. 13 GG beurteilen zu wollen; Art. 2 I GG muß mit berücksichtigt werden. Aus dem angeführten Beispiel ist auch ersichtlich, daß das Konkurrenzverhältnis des Art. 2 I GG zu den speziellen Freiheitsrechten nicht notwendig das der Subsidiarität sein muß. Gerade im „Kernbereich" ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts Art. 2 I GG in der Regel spezieller. 9 8 Fraglich ist nun, wie sich der über Art. 2 I in Verbindung mit Art. 11 GG gewährleistete Schutz der Privatsphäre für die Auslegung des Art. 13 GG nutzbar machen läßt. Festzuhalten ist nochmals, daß die verfassungsrechtliche Beurteilung des „Lauschangriffs" auf Wohnungen an Art. 13 GG nicht vorbeigehen darf. Eine Bestimmung seiner Schranken nach Art. 13 I I GG ist jedoch aus Gründen der Definition des Begriffes „Durchsuchung" nicht möglich. Eine alleinige Bestimmung nach Art. 13 I I I GG dagegen wäre nicht sachgerecht, da die dort geregelten Eingriffsmöglichkeiten nur „weniger intensive" Beeinträchtigungen des Wohnungsgrundrechts ermöglichen sollen; der „Lauschangriff" als ausforschender Eingriff ist aber keineswegs weniger intensiv als eine Durchsuchung. 99 Auch an den in Art. 13 I I I 2. Alt. GG aufgestellten 94

BVerfGE 6, 32 (41), weitergeführt z.B. in BVerfGE 32, 372 (378ff.). s. Scholz, S. 265ff.; zum dahinterstehenden allgemeinen Problem des „Kernbereichsdenkens" Häberle, Der Schutz des Wesensgehalts der Grundrechte nach Art. 19 I I GG, 3. Auflage 1982, S. 58ff. (64) und S. 288ff. (absolute und relative Theorien), und speziell zum hier interessierenden Bereich schon Evers, Privatsphäre, S. 58 ff. (für behördliche Ausforschung ist dieser Bereich ohne Bedeutung). 96 Scholz, S. 266; Rohlf, S. 71ff. und S. 227; beide m.w.N. Zur „Kernbereichsproblematik" s. unter f). 97 Rohlf, S. 227. 98 Vgl. Scholz, S. 116 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG. 99 Die Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung des Art. 13 I I I GG verneint z.B. Rohlf, S. 229, während er sie für Art. 13 I I GG verlangt; von seinem Standpunkt, 95

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beispielhaften Eingriffs- und Beschränkungsmöglichkeiten auf Grund eines Gesetzes wird deutlich, daß hier hauptsächlich Beschränkungen der Wohnungsnutzimg (zulässige Größe, hygienische Ausstattung) gemeint sind. Art. 13 I I I GG, nach dem wohnungsbezogene geheime Überwachungsmaßnahmen nunmehr beurteilt werden müssen, bedarf daher der einschränkenden Auslegung unter Zuhilfenahme des aus Art. 2 I GG entwickelten Privatsphärenschutzes. Diese „Verstärkung" des Art. 13 GG durch Art. 2 I GG im Wege der sog. Supplementarität ist angesichts der dargestellten Einordnungsschwierigkeiten von „Lauschangriffen" nicht nur verfassungsrechtlich möglich, 1 0 0 sondern geboten. Einer solchen Konstruktion steht auch nicht die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der geheimen Überwachungsmaßnahmen entgegen. Im Beschluß zur „strategischen" Post- und Telefonkontrolle nach § 3 G 10 vom 20.6.1984 w i r d zwar ausdrücklich gesagt, daß hier nur Art. 10 GG Prüfungsmaßstab sein könne, da dieser als spezielles Grundrecht in dem von ihm geschützten besonderen Lebensbereich dem allgemeinen Grundrecht aus Art. 2 I GG vorginge. 101 Die Probleme der Verträglichkeit von „Lauschangriffen" mit Art. 13 GG liegen jedoch anders; hier läßt sich der betroffene Bereich nicht so leicht aus dem allgemeinen Privatsphärenschutz des Art. 2 I GG in Verbindung mit Art. 11 GG ausgrenzen, wie es bei brieflichen und telefonischen Äußerungen der Fall sein mag. Der gerade vom Bundesverfassungsgericht statuierte „Kernbereich" spielt bei Eingriffen in Art. 10 GG nach zumindest herrschender Ansicht 1 0 2 keine Rolle, bei Art. 13 GG dagegen sehr wohl. Zuzugeben ist ferner zwar, daß das Bundesverfassungsgericht in seinen bekanntesten Entscheidungen zu Art. 13 I I GG für den Privatsphärenschutz gerade nicht an Art. 2 I GG anknüfte; 1 0 3 jedoch hat sich für das Gericht die Frage der Abgrenzung von Art. 13 I I und Art. 13 I I I GG, an der die Problematik des „Lauschangriffes" deutlich wird, der keinerlei heimliche staatliche Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 13 1 GG (auch nicht durch den Einsatz von V-Leuten) zulassen will, vgl. S. 161 f., ist dies konsequent. 100 s. dazu Scholz, S. 119ff. m.Nachw. aus der BVerfG-Rechtsprechung. A.A. z.B. Merten, JuS 1976, 345, 347f., der von einer strikten Subsidiarität der allgemeinen Handlungsfreiheit gegenüber den einschlägigen Spezialgrundrechten ausgeht, da „ein voreiliger Rückgriff auf die lex generalis die Gefahr einer Verkürzung des Grundrechtsschutzes mit sich bringen kann". Bei der zu beurteilenden Problematik würde aber gerade das erreicht, wenn man Mertens Auffassung folgte und die aus Art. 2 I GG entwickelten Grundsätze des Privatsphärenschutzes außer acht ließe. ιοί BVerfGE 67, 157 (171) = BVerfG, NJW 1985, 121, 122 Ii. Sp.; s. a. Arndt, NJW 1985, 107, 109 Ii. Sp. 102 A.A. wohl Ohlraun, Die Neufassung des Art. 10 GG durch das 17. Gesetz zur Ergänzung des GG als Eingriff in die Privatsphäre, Diss. München, 1971, S. 116ff. i° 3 s. BVerfGE 32, 54 („Schnellreinigung") und v.a. BVerfGE 51, 97, 105 („Vollstreckungsdurchsuchung"); vgl. aber auch BVerfGE 42, 212, 219f. („Quick-Durchsuchung"), wo das Gericht die Grundrechte aus Art. 2 I und Art. 13 GG durch eine Durchsuchung betroffen sieht. 4 Beier

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noch nie gestellt bzw. es hat ihr immer ausweichen können. 1 0 4 Insofern ist auch dies kein Argument gegen die hier vorgetragene Lösung. Angesichts der Tatsache, daß der Privatsphärenschutz aus Art. 2 I in Verbindung mit Art. 11 GG teilweise weitergeht als der Schutz der „räumlichen Privatsphäre" des Art. 13 GG, können aus Art. 13 I I I GG keine „Eingriffe und Beschränkungen" gerechtfertigt werden, die den eben angesprochenen „Kernbereich" verletzen und die im übrigen dem hier „strikt" anzuwendenden Verhältnismäßigkeitsprinzip widersprechen würden. 1 0 5 Daneben dürfen natürlich auch die sonstigen Schranken des Art. 13 I I I GG nicht übergangen werden, da diese generell für „Eingriffe und Beschränkungen" des Art 13 I GG gelten. e) Die Beurteilung von Lauschmaßnahmen zum Zweck der Ausforschung von Wohnungen nach Art. 13 III und Art. 2 I GG Nach alledem sind für geheime Überwachungsmaßnahmen zur Ausforschung von Vorgängen in einer Wohnung folgende Grundsätze zu beachten: Diese Maßnahmen beeinträchtigen das in Art. 13 1 GG garantierte Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und ebenso die über Art. 2 I in Verbindung mit Art. 11 GG geschützte Privatsphäre des Betroffenen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I GG tritt hier nicht hinter das spezielle Einzelfreiheitsrecht des Art. 13 I GG zurück, da wohnungsbezogene Überwachungsmaßnahmen, die eine schwerwiegende Verletzung der Privatsphäre darstellen, sich der ratio der Abgrenzung zwischen den beiden Schranken des Art. 13 GG in dessen Abs. 2 und Abs. 3 weitgehend entziehen. Es sind daher ergänzend die Schranken des Privatsphärenschutzes heranzuziehen. Im Rahmen des Art. 13 GG bleibt nur eine „Einordnimg" unter Art. 13 I I I GG übrig, da geheime Überwachungsmaßnahmen per definitionem keine „Durchsuchungen" im Sinne des Art. 13 I I GG sein können. Damit sind zunächst dessen Grenzen zu beachten, was bedeutet, daß diese Maßnahmen nur zu gefahrenabwehrenden bzw. -verhütenden Zwecken (Abs. 3, 1. und 2. Alternative) zulässig sein können. „Lauschangriffe" zu Strafverfolgungszwecken sind durch die Verfassung selbst ausgeschlossen;106 die Statuierung 104

Vgl. die Nachweise in Fn. 69. s. Scholz, S. 267 ff. mit Nachweisen aus der BVerfG-Rechtsprechung. Allgemein zum Verhältnismäßigkeitsprinzip Herzog, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 20 Kap. V I I Rdnrn. 71 bis 77, sowie von Münch, in: ders., Rdnrn. 54 bis 56 vor Art. 1 - 19. 106 So auch Vahle, S. 114; s. auch Laufhütte, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, Rdnr. 4 vor § 94. 105

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entsprechender Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden in der StPO bedürfte in jedem Falle einer vorherigen Verfassungsänderung. Das wesentlichste Hindernis für die Zulässigkeit geheimer wohnungsbezogener Überwachungsmaßnahmen bildet die Nähe zum bereits genannten absolut geschützten Bereich privater Lebensgestaltung. 107 Identisch mit diesem Bereich ist die „räumliche Privatsphäre" aber keineswegs; in der Wohnung findet sich ebenfalls der „kommunikative Privatbereich", in dem der Mensch als „gemeinschaftsbezogener und gemeinschaftsgebundener Bürger" auftritt, der „prinzipiell staatliche Maßnahmen hinnehmen (muß), die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots erfolgen". 108 Die Abgrenzung zwischen beiden Bereichen ist allerdings sehr unsicher und schwankt auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. 109 Ohne diese Frage der Abgrenzung hier im einzelnen klären zu wollen, ist festzuhalten, daß das Vorhandensein eines absolut geschützten Kernbereichs dann kein Argument für das behauptete Verbot heimlicher Eingriffe in Art. 13 GG sein kann, wenn es Möglichkeiten gibt, die konkrete Überwachungsmaßnahme so auszugestalten, daß dieser Kernbereich nicht betroffen wird. Wie die Rechtsvergleichung mit den Vereinigten Staaten von Amerika zeigen wird, sind solche Möglichkeiten zumindest denkbar. 110 Eine dem G 10 entsprechende „ G 13"Regelung wäre - da hier unterschiedslos alle Telefongespräche abgehört werden dürfen 1 1 1 - schon aus diesem Grunde und auch wegen des zu langen Drei-Monats-Zeitraums in § 5 I I I G 10 verfassungsrechtlich unzulässig. 112

107

Rohlf, S. 228 (sog. „forum internum"). los BVerfGE 27, 344, 351 („Scheidungsakten I"); s. a. BVerfGE 34, 205, 209 („Scheidungsakten II") und BVerfGE 34, 238, 244ff. („Tonbandaufnahme"). Die Schlagworte stammen übrigens aus einer Aufzählung bei Rohlf, S. 254ff. 109

Vgl. die Nachweise bei Rohlf, S. 78ff. Es handelt sich um das sog. „minimization requirement" in den Abhörgesetzen der USA, das keine automatische Aufzeichnung der abgehörten Gespräche zuläßt, sondern verlangt, daß das Lauschmittel jeweils zu- und abgeschaltet wird, um das Aufzeichnen und nach Möglichkeit auch schon das Belauschen von nicht zum Untersuchungszweck gehörenden Gesprächen zu vermeiden; s. dazu rechtsvergleichend Carr, Wiretapping i n West Germany, 29 Am. Comp. L. J. 607 (1981), bes. S. 617 Fn. 69 u. S. 631. 111 Diese - nach Ansicht des Verf. - sehr unerfreuliche Tatsache nötigt auch die Verfechter des absoluten „Lauschangriff"-Verbots, bei Telefongesprächen einen gegenüber in der Privatwohnung geführten Gesprächen deutlich niedrigeren Vertraulichkeitsgrad anzunehmen, vgl. etwa Rohlf, S. 169 und 231, und de Lazzer / Rohlf, S. 211 re. Sp. oben. Die bloße Notwendigkeit, bei der „Fernkommunikation" einen (hierzulande staatlichen) Kommunikationsträger zwischenzuschalten, rechtfertigt diese generelle Aussage jedoch nicht; aus dieser Tatsache ließe sich auch das Bedürfnis nach einem besonderen rechtlichen Schutz vor Eingriffen in diesen Bereich herleiten (was z.B. Rohlf nicht verkennt, vgl. dort S. 231 Fn. 201). 112 A.A. H. H. Klein (Fn. 90), S. 96, und Friedrichs, S. 140, die Art. 13 I I I 2. Alt. GG pauschal als Eingriffsgrundlage annehmen, sich mit der Frage der Durchführung einer solchen Maßnahme aber nicht auseinandersetzen. 110

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II. Nachrichtendienstliche Überwachung im deutschen Recht

Art. 13 I I I GG kennt zwei Eingriffsvorbehalte. Der erste davon, „zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder Lebensgefahr für einzelne Personen", ist verfassungsunmittelbarer Art und bildet einen vom Grundgesetz selbst anerkannten „Notstandsfall". 1 1 3 „Lauschangriffe" auf Wohnungen sind in diesen Situationen (Abhören von Geiselnehmern; Belauschen einer „konspirativen Wohnung", in der eine Terroristengruppe den nächsten Anschlag auf das Leben von Mitbürgern verabredet) auch unter dem Gesichtspunkt des hier besonders zu betonenden Privatsphärenschutzes aus Art. 2 I GG zulässig, da es sich hier um die Abwehr von konkreten Gefahren für höchste Rechtsgüter (das Leben einzelner oder vieler Personen) geht. 1 1 4 Es handelt sich hier um eine Grundrechtskollision zwischen dem Recht der Geiseln bzw. der potentiellen Opfer des verabredeten Anschlags auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 I I 1 GG und dem Recht auf Gewährleistung der räumlichen Privatsphäre aus Art. 13 I und 2 I GG, die nach dem Grundsatz der Güterabwägung zu lösen ist. 1 1 5 Zweifelhaft kann das Ergebnis hier nicht sein. Entscheidend für die Eingrenzung der Ermächtigung in Art. 13 I I I 1. Alt. GG ist, daß hier der Schadenseintritt in nächster Zukunft mit Wahrscheinlichkeit bevorstehen muß (sog. konkrete Gefahr), um einen Eingriff zulässig werden zu lassen. 116 Für nachrichtendienstliche Überwachungsmaßnahmen gibt diese Eingriffsermächtigimg aber fast nichts her. Denn diese Behörden werden eben typischerweise nicht zur Gefahrenabwehr („polizeimäßig") tätig, sondern ihre Aufgabe besteht im Erkennen von möglicherweise gefährlichen Entwicklungen für die von ihnen zu schützenden Rechtsgüter vor dem Erreichen der „Gefahrenschwelle" - was auch der Grund für die beschriebene weitgehende Vorverlagerung der G 1 0 Beschränkungsmaßnahmen („plant") gegenüber der strafprozessualen T Ü nach § 100 a StPO ist. 1 1 7 Völlig sollte man diese Eingriffsermächtigung für die Nachrichtendienste aber nicht ausschließen; denkbar sind solche Fälle schon. 118 Insbesondere kann man aus der Versagung polizeilicher Befugnisse für den Verfassungsschutz in § 3 I I I 1 BVerfSchG nicht schließen, daß den Nachrichtendiensten ein Tätigwerden zur Abwehr einer solchen konkreten schwerwiegenden Gefahr untersagt wäre. Mit Sicherheit läßt sich aus der 113

Vgl. Evers, Privatsphäre, S. 199. A.A., soweit ersichtlich, nur Grünwald und Denninger, beide in DER SPIEGEL 11/77 vom 7.3.1977, S. 22 re. Sp. Mitte und S. 24 re. Sp. Mitte, und Rohlf, S. 161 und S. 228f. 115 Vgl. Scholz, S. 117 m.w.N. 116 Allg. Meinung, vgl. Dagtoglou, in: Bonner Kommentar zum GG Rdnr. 115 zu Art. 13; Pappermann, in: von Münch, Rdnr. 34 zu Art. 13; de Lazzer / Rohlf, S. 209 Ii. Sp. oben; Gentz, S. 97; Schatzschneider, S. 237; sowie Evers, Privatsphäre, S. 199. 117 Vgl. die Darstellung i n Punkt 2. a) dieses Kapitels. 118 Für einen solchen Ausschluß de Lazzer / Rohlf und Schatzschneider (wie Fn. 116), sowie neuestens H. Joachim Schwagerl, Verfassungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland, Heidelberg 1985, S. 157 und 160ff.; dagegen zu Recht H. H. Klein, S. 96 und Friedrichs, S. 122; s. a. Evers (wie Fn. 116). 114

3. Das Defizit: Die über G10 hinausgehenden E r m i t t l u n g s m e t h o d e n 5 3

Versagung polizeilicher Befugnisse in § 3 I I I Satz 1 BVerfSchG und dem „Trennungsgebot" in § 3 I I I Satz 3 für die Befugnisse des Verfassungsschutzes nur herleiten, daß die sog. polizeilichen Standardmaßnahmen (Sistierung, unmittelbarer Zwang, Verhaftung, Durchsuchung, erkennungsdienstliche Maßnahmen etc.) sowie der Erlaß polizeilicher Verwaltungsakte ausgeschlossen sind. Zumindest zweifelhaft ist es, ob diese Bestimmungen über die Zusammenarbeit von Polizei und nachrichtendienstlichem Verfassungsschutz (v.a. den Daten- und Informationsaustausch) viel aussagen können; 1 1 9 wegen der teilweisen Überschneidung der Aufgaben von Polizei und Verfassungsschutz lassen sich daraus jedenfalls keine Maßstäbe ableiten, bei welcher Gefahrenlage die nachrichtendienstliche Tätigkeit zu enden hat. 1 2 0 Als mögliche Eingriffsgrundlage für den Einsatz geheimer Überwachungsmaßnahmen zur Ausforschung von Vorgängen in einer Wohnung bleibt also nur Art. 13 I I I 2. Alt. GG übrig. Diese Ermächtigung ist jedoch keineswegs als die „Einbruchstelle für Eingriffe der Verfassungsschutzbehörden in das Wohnungsgrundrecht" 121 zu betrachten. Aus dieser Bestimmimg selbst sowie aus dem vorher Gesagten ergibt sich vielmehr folgendes: Erforderlich ist eine gesetzliche Grundlage; in diesem förmlichen Gesetz kann der Eingriff nur „zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" angeordnet werden. Die Aufzählung in Art. 13 I I I 2. Alt. GG ist hierfür freilich nur beispielhaft; 122 es muß sich aber immer um eine Gefahr von ähnlichem Gewicht wie dem der Beispielstatbestände handeln. 123 Berücksichtigt man, daß unter „dringender Gefahr" nach inzwischen wohl herrschender Meinung „eine Sachlage oder ein Verhalten zu verstehen (ist), das bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein wichtiges

119 Vgl. dazu Scholz / Pitschas (Fn. 1), S. 186ff., die auch den oft behaupteten „Verfassungsrang des Trennungsgebotes anzweifeln. Zur neueren Diskussion vgl. die Nachweise in Fn. 1 hier. 120 v g l Evers, Verfassungsschutz und Polizei, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, Köln 1981, S. 68ff. (Überschneidungen der Aufgaben von Polizei und Verfassungsschutz sind möglich, wenn das zu beobachtende Verhalten polizei- oder strafrechtlich relevant ist). Wenn Schwagerl (Fn. 118) anführt, der Verfassungsschutz könne i n einer hohen, aktuellen Gefahrenlage (wie sie Art. 13 I I I 1. Alt. GG voraussetzt) grundsätzlich nicht mehr die Verantwortung für deren Beseitigung übernehmen (vgl. dort S. 160), ist ihm natürlich Recht zu geben - mangels eigener Zwangsmittel ist der Verfassungsschutz dazu nicht in der Lage. Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel zur Gewinnung weiterer Erkenntnisse kann aber u. U. noch geboten sein, bevor (oder sogar während) die „polizeimäßige" Gefahrenbeseitigung erfolgt. Vgl. dazu auch Friedrichs, S. 122, sowie allgemein Borgs / Ebert, Teil A, § 3 Rdnrn. 169f. Zu den polizeilichen Standardmaßnahmen s. Götz (Fn. 88), § 10 I I I (S. 150 ff.). 121

Der Ausdruck stammt von Friedrichs, S. 136. 122 Allg. M., vgl. Pappermann, in: von Münch, Rdnr. 35 zu Art. 13 m.w.N. 123 So schon BVerfGE 17, 232, 251; s. a. Gentz, S. 117ff.

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II. Nachrichtendienstliche Überwachung im deutschen Recht

Rechtsgut schädigen w i r d " , 1 2 4 die Gefahr also n i c h t gesteigert (konkret) sein u n d der Schadenseintritt n i c h t u n m i t t e l b a r drohen muß, sondern bereits eine E n t s t e h u n g v e r h i n d e r t w e r d e n s o l l , 1 2 5 d a n n w i r d d e u t l i c h , w i e w e n i g Schutz eine formalistische B e t r a c h t u n g a l l e i n des A r t . 13 G G v o r w o h nungsbezogenen „ L a u s c h a n g r i f f e n " bieten w ü r d e : u n t e r die V e r h ü t u n g dermaßen „ d r i n g e n d e r " Gefahren f ü r die öffentliche Sicherheit u n d O r d n u n g ließen

sich

die

allgemeine

nachrichtendienstliche

Beobachtungsarbeit

unschwer subsumieren. A u f diesem Weg käme m a n t a t s ä c h l i c h z u einem dem G 10 i n seiner U n b e s t i m m t h e i t entsprechenden „ G 1 3 " . 1 2 6 M i t einer solchen A r g u m e n t a t i o n sind jedoch die Maßstäbe, die das Grundgesetz selbst i m Verein m i t der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts f ü r die Zulässigkeit v o n „ L a u s c h a n g r i f f e n " g i b t , n o c h lange n i c h t ausgeschöpft. Andererseits verbietet sich aber auch die Behauptung, i m Rahmen des A r t . 13 G G w ä r e n h e i m l i c h e E i n g r i f f e des Staates generell unzulässig. F ü r den „ N o t s t a n d s f a l l " des A r t . 13 I I I 1. A l t . G G ist die U n r i c h t i g k e i t dieser Auffassung ohne weiteres ersichtlich. Es läßt sich aber auch n i c h t begründen, w a r u m diese E i n s c h r ä n k u n g n u n b e i der E r m ä c h t i g u n g des A r t . 13 I I I 2. A l t . G G gelten soll. D i e K l ä r u n g der Frage, welche Bereiche 124

BVerwGE 47, 31 (40) = BVerwG, NJW 1975, 130, 132 Ii. Sp. unten. 125 Pappermann, in: von Münch, Rdnr. 37 zu Art. 13; Gentz, S. 118 ff. m.N. 126 Man beachte hierbei die Argumentationsweise von H. H. Klein, S. 96 ff. und Friedrichs, S. 134ff. Während Klein die Notwendigkeit eines solchen „ G 13" schlicht mit der „bisherigen Abhörpraxis des M A D " begründet - diese ist dargestellt i n BTDrs. VIII/3835, S. 36f. - versucht Friedrichs, dieses gewünschte Ergebnis dogmatisch sauber herzuleiten: Es w i r d BVerfGE 17, 232 (251) zur Definition der „dringenden Gefahren" im Sinne des Art. 13 I I I 2. Alt. GG herangezogen. Bei dieser Entscheidung ging es um das Betreten und Besichtigen von Geschäftsräumen durch die Aufsichtsbehörde nach § 18 ApothekenG. Was das Bundesverfassungsgericht von der Beeinträchtigung der Privatsphäre des Betroffenen durch solche behördlichen Aufsichtsmaßnahmen hält, bei denen es lediglich zum Besichtigen von Geschäftsräumen während der normalen Geschäftszeiten kommt, hat es ja in der „Schnellreinigung"-Entscheidung BVerfGE 32, 54 (76) = BVerfG, DVB1. 1971, 892, 895 Ii. Sp. mit einer nicht sehr überzeugenden Argumentation (s. Schwan, DÖV 1975, 662 Ii. Sp.: „psychologisierende Grundrechtsinterpretation" zur Belehrung der Beschwerdeführer über deren „wahre Empfindungen") deutlich gemacht: „ I n dem bloßen Betreten der Räume (durch Behördenbeauftragte), die er (der Geschäftsinhaber) durch ihre Zweckwidmung nach außen geöffnet hat, wird er im allgemeinen (!) eine Beeinträchtigung seiner Grundrechtssphäre nicht erblicken". Zu dieser Begründung sah sich das Bundesverfassungsgericht in der „Schnellreinigung"-Entscheidung deshalb gezwungen, weil es dort ebenfalls die Geltung des Schutzes aus Art. 13 I GG auch für Geschäftsund Betriebsräume festgestellt hatte - vgl. BVerfGE 32, 54 (69ff.) = BVerfG, DVB1. 1971, 892, 893f. Auf der anderen Seite fiel die in Frage stehende Kontrollbefugnis der Verwaltungsbehörden auch bei weitherziger Auslegung nicht mehr unter die „Gefahrverhütung" des Art. 13 I I I 2. Alt. GG. Daher sah das Gericht zur Aufrechterhaltung der Verfassungsmäßigkeit solcher Befugnisse nur den Ausweg, bereits ihre Eigenschaft als „Eingriffe" im Sinne des Art. 13 I I I GG zu verneinen. - In BVerfGE 17, 232 (251 f.), wo es um die behördliche Aufsicht über Apotheken ging, war die Subsumtion unter „Gefahrverhütung" noch möglich gewesen. Ansonsten handelte es sich aber um gleichgeartete behördliche Aufsichtsrechte wie oben. Schon dies hätte davor warnen müssen, diese Entscheidung im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von „Lauschangriffen" überhaupt ins Feld zu führen.

3. Das Defizit: Die über G10 hinausgehenden Ermittlungsmethoden

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von Eingriffen des Staates unberührt bleiben sollen, kann eben allein aus Art. 13 GG nicht beantwortet werden; es bedarf zusätzlich der Heranziehung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 I GG. f) Die Problematik der möglichen Verletzung des „Kernbereichs unantastbarer privater Lebensgestaltung" Wie bereits dargelegt, verbietet es die mögliche Verletzung des „Kernbereichs", eine wohnungsbezogene Abhörmaßnahme analog den Regelungen des G 10 durchzuführen. Ein automatisches Aufzeichnen aller Geräusche und Gespräche in der Wohnung wäre genauso unzulässig wie eine dreimonatige Dauer der Maßnahme. Die Beantwortung der Frage, welche Gespräche denn nun abgehört und aufgezeichnet werden dürften, ist naturgemäß genauso schwierig wie die Abgrenzung des „Kernbereichs" selbst. Hierfür muß man nun nicht dauernd auf das berühmte „Selbstgespräch" oder die „tiefsten Seufzer" des von der Abhörmaßnahme Betroffenen abstellen; 127 es gibt auch Kommunikationsformen, die genauso schutzwürdig sein könnten. Hier ist nochmals an die Argumentation des Bundesgerichtshofes in der „Raumgespräch"-Entscheidimg zu erinnern, 128 wo auch die Unterhaltung zwischen Eheleuten in der ehelichen Wohnung dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zugerechnet wird, da es unvereinbar mit der Menschenwürde sei, wenn der Staat für sich das Recht in Anspruch nehmen könne, die im engsten Familienkreis geführten Gespräche zu kontrollieren. 1 2 9 Man wird dem so kaum widersprechen können. Die Folgerungen für das hier interessierende Problem sind jedoch bei weitem nicht so eindeutig, wie dies auf den ersten Blick (totales Überwachungsverbot) erscheinen mag. Sieht man die Kernbereichsverletzung in einem solchen Fall nämlich darin, daß hier ein Gespräch unter Eheleuten abgehört worden ist, so ergibt sich folgendes Problem: Hätte der bei der „Raumgespräch"-Entscheidung von der Telefonüberwachung nach § 100 a StPO Betroffene die bewußte Unterhaltung mit seiner Ehefrau nicht in der Wohnung, sondern fernmündlich geführt, wobei sie dann berechtigterweise von der Polizei hätte abgehört und aufgezeichnet werden können, wäre das Gespräch ohne weiteres 127 Vgl. etwa Friedrichs, S. 119 und 140, für den die Tatsache, daß der V-Mann des Verfassungsschutzes das „für die Wesensgehaltsgarantie relevante Selbstgespräch des betroffenen Bürgers" nicht belauschen könne, ein wesentliches Argument dafür darstellt, daß der V-Mann-Einsatz in fremden Wohnungen gegenüber dem „Lauschangriff" ein weniger intensiver Eingriff sei. 1 28 Vgl. nochmals BGH, NJW 1983, 1569, 1570 Ii. Sp. Mitte. 129 Krit. hierzu Gössel, JZ 1984, S. 362 re. Sp., der den unantastbaren Kernbereich bereits verlassen sieht, da es ein Gespräch über gemeinsames kriminelles Tun war. Die anschließende Abwägung des (nicht mehr absoluten) Privatsphärenschutzes mit dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse löst er aber zugunsten des ersteren.

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II. Nachrichtendienstliche Überwachung im deutschen Recht

i m Prozeß v e r w e r t b a r gewesen. 1 3 0 U m begründen zu können, daß ein fernmündliches Gespräch u n t e r Eheleuten n i c h t m e h r i n den „ K e r n b e r e i c h der ehelichen K o m m u n i k a t i o n " f ä l l t , muß m a n annehmen, daß die Eheleute b e i einer

fernmündlichen

Kommunikation

„ihr

Gespräch selbst aus

dem

geschützten f a m i l i ä r e n I n n e n r a u m i n den w e i t e r e n Bereich der N a c h r i c h t e n ü b e r m i t t l u n g s t e c h n i k u n d d a m i t mindestens aus dem absolut geschützt e n K e r n b e r e i c h der Privatsphäre her aus v e r l a g e r t " h ä t t e n 1 3 1 - andernfalls w ä r e n die A b h ö r e r m ä c h t i g u n g e n s o w o h l des G 10 w i e der StPO mangels entsprechender Schutzklauseln w o h l als verfassungswidrig z u betrachten. M a n w i r d also n i c h t sagen können, daß die K o m m u n i k a t i o n

zwischen

bestimmten, einander nahestehenden Personen v o n vorneherein v o n einer Ü b e r w a c h i m g ausgenommen sein muß. Andererseits k a n n m a n den v o m B G H p o s t u l i e r t e n absoluten Schutz auch n i c h t daraus herleiten, daß es sich u m e i n i n der P r i v a t w o h n u n g geführtes Gespräch handelte. Es w u r d e bereits erörtert, daß schon wegen der u n m i t telbaren E i n g r i f f s e r m ä c h t i g u n g i n A r t . 13 I I I 1. A l t . G G e i n völliges Ü b e r wachungsverbot f ü r den Bereich der P r i v a t w o h n u n g n i c h t gelten k a n n . 1 3 2 130 Gespräche unter Eheleuten oder sonstigen einander nahestehenden Personen sind im Bereich der T Ü nach § 100 a StPO in keiner Weise privilegiert; vgl. dazu Rudolphi, in: FS Schaffstein, 1975, S. 433, 445 f. Dieser Punkt blieb i n allen Besprechungen der „Raumgespräch"-Entscheidung unberücksichtigt, obwohl die Argumentation des BGH dazu eigentlich anregen müßte. Eine Ausnahme wird allerdings bei der T Ü nach § 100 a StPO für den Fall gemacht, daß einer der Gesprächspartner der Verteidiger desjenigen ist, gegen den sich die TÜ-Anordnung richtet. Dies ergibt sich jedoch aus § 148 I StPO, dessen Schutzzweck nicht auf die Privatsphäre abstellt. Vgl. hierzu auch Kap. V, Fn. 89 und Fn. 93 m.w.N. sowie nunmehr BGHSt. 33, 347 = BGH, StrVert 1986,1 = BGH, NStZ 1986, 323 und die Anmerkungen von Welp, NStZ 1986, 294, und von Rieß, JR 1987, 77. Im Strafvollzugsrecht wird ein Recht des Gefangenen auf unüberwachte Telefongespräche mit seinem Verteidiger aber von der h. M. verneint; vgl. L G Hamburg StrVert 1986, 444 (m. abl. Anm. Joester). Vgl. zur Problematik der BGH-Entscheidung auch EKMR v. 12.7.1984, in: EuGRZ 1986, 276 = NJW 1987, 563. 131 So Gössel, JZ 1984, S. 363 re. Sp. Mitte. 132 An diesem Umstand scheitert auch das von Rohlf, S. 225 ff. entwickelte System des grundrechtlichen Privatsphärenschutzes, das nach ausschließlich objektiv feststellbaren Kriterien vorzugehen sucht: Der Kernbereich („forum internum") endet bereits mit Aufnahme der Kommunikation zu den Mitmenschen; i n die nächste („Rückzugs-")Sphäre, deren Prototyp die Privatwohnung ist, darf von staatlicher Seite aus nur kurzfristig und offen eingegriffen werden, da hier noch ein enger Bezug zum forum internum besteht. Größere Eingriffsvorbehalte bestehen dann bei den „sonstigen Sphären privater Abgeschlossenheit", zu der etwa auch die „Fernkommunikation" gerechnet w i r d (Rohlf rechtfertigt so zumindest die strafprozessuale Telefonüberwachung, vgl. dort S. 232). Dieser Versuch bietet zwar als einziger eine „exakte" Abgrenzung des „Kernbereichs" und verzichtet auf das heikle Kriterium des „Sozialbezugs", nach dem das BVerfG seine Sphärentheorie konzipierte (sehr kritisch zur Sphärentheorie wegen dieses Merkmals Podlech, in: AK-GG, Rdnr. 38 zu Art. 2 I GG, und Pieroth / Schlink, Grundrechte-Staatsrecht II, Heidelberg 1985, Rdnr. 434f.), ist jedoch hinsichtlich der Wohnung nicht vollkommen durchzuhalten, wie Rohlf an anderer Stelle auch zugibt (vgl. den Nachw. i n Fn. 76 hier). Eine vollkommen „objektivierte" Bestimmung der verschiedenen Sphären der Persönlichkeitsentfaltung wird es wohl auch kaum geben können.

3. Das Defizit: Die über G10 hinausgehenden Ermittlungsmethoden

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D e r n a c h A n s i c h t des B G H absolute Schutz v o n Gesprächen u n t e r E h e gatten i n der ehelichen W o h n u n g k a n n sich also n u r darauf stützen, daß es sich u m ein bestimmtes

Gespräch

(zwischen Eheleuten) an einem

bestimm-

ten Ort ( P r i v a t w o h n u n g ) handelte. Ist aber der besondere Schutz des K e r n bereichs erst d u r c h die K o m b i n a t i o n dieser beiden U m s t ä n d e gegeben, k a n n es f ü r dessen Respektierung genügen, w e n n die k o n k r e t e Ü b e r w a c h u n g s maßnahme so ausgestaltet w i r d , daß dieser Bereich u n b e r ü h r t b l e i b t . W i r d diese Voraussetzung beachtet, k a n n m a n das Vorhandensein des absolut geschützten Kernbereichs ( „ f o r u m i n t e r n u m " ) n i c h t als A r g u m e n t gegen wohnungsbezogene Ü b e r w a c h u n g s m a ß n a h m e n ins F e l d f ü h r e n . 1 3 3

g) Die Lösung des „strikten"

durch die

Anwendung

Verhältnismäßigkeitsprinzips

Ü b e r die eben getroffene E i n g r e n z i m g hinaus k a n n m a n aber aus der „Kernbereich"-Definition w a n n wohnungsbezogene

k e i n e n w e i t e r e n Aufschluß darüber Überwachungsmaßnahmen

erwarten,

eingesetzt

werden

dürfen. D i e B e a n t w o r t u n g dieser Frage muß sich aus dem „ s t r i k t e n " V e r h ä l t n i s m ä ß i g k e i t s g r u n d s a t z 1 3 4 ergeben, der b e i staatlichen E i n g r i f f e n i n die Privatsphäre stets angelegt w e r d e n m u ß . 1 3 5 K l a r ist, daß staatliche Ü b e r w a 133 Die gesamte Diskussion darüber, in welche Bereiche staatliche Eingriffstätigkeit nicht vordringen darf, hat sich heute an drei Prämissen auszurichten, wenn man überhaupt zu konstruktiven Ergebnissen gelangen will: 1. Auch menschliche Handlungen im „unantastbaren Kernbereich menschlicher Freiheit" können einen „Sozialbezug" haben - letzterer kann daher kein ausreichendes Indiz dafür sein, wann dieser Bereich verlassen ist (Podlech, in: AK-GG, Rdnr. 38 zu Art. 2 I GG). 2. Unter den Bedingungen der modernen Informationsgesellschaft gibt es kein „belangloses Datum", auch wenn es noch so weit vom Kernbereich entfernt scheinen mag (dieser Umstand wurde vom BVerfG im Urteil zum Volkszählungsgesetz sehr betont, vgl. BVerfGE 65, 1, 45). 3. Es gibt kein menschliches Verhalten bzw. diesbezügliche Informationen, für die nicht im Einzelfall Situationen angebbar sind, die einen hoheitlichen Eingriff legitim erscheinen lassen (Podlech aaO., Rdnr. 37). Ob man wegen der Aussagen unter 1. und 2. bereits die Sphärentheorie für den Bereich der staatlichen Informationseingriffe generell verabschieden sollte, wie es Pieroth / Schlink, Rdnr. 435 befürworten, erscheint fragwürdig: auch das BVerfG spricht i n E 65, 1 (46) von „Daten mit Sozialbezug" und „unzumutbar intimen Angaben", differenziert also doch nach verschiedenen Lebensbereichen. Aus den dargestellten Prämissen ergibt sich jedoch, daß bei den die Privatsphäre des einzelnen Bürgers berührenden staatlichen Eingriffen die Frage des „Wie" eher noch bedeutsamer ist als die Frage des „Ob überhaupt". Vgl. auch die Ausführungen hier im Text unter Punkt 4 b) hinsichtlich der Frage der Notwendigkeit einer Neugestaltung der allgemeinen Ermächtigimg zu Informationseingriffen in § 3 BVerfSchG. 134 „Strikt" meint: in allen seinen Elementen (Geeignetheit, Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit i.e.S.); s. dazu Grabitz, AöR 98 (1973), 568 (590). 135 Unter der Privat- oder Geheimsphäre versteht das BVerfG den außerhalb der „innersten Sphäre" liegenden Bereich des privaten Lebens, in dem jedermann „staatliche Maßnahmen hinnehmen (muß), die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit unter strikter Wahrnung des Verhältnismäßigkeitsprinzips erfolgen"; vgl. z.B. BVerfGE 27, 344 (351); weitere Nachweise bei Scholz, S. 267, Fn. 293.

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II. Nachrichtendienstliche Überwachung im deutschen Recht

chungsmaßnahmen nur zum Schutz verfassungsmittelbar garantierter Rechtsgüter von größerem Gewicht als dem der Privatsphäre des einzelnen vorgenommen werden dürfen. Insoweit wird man die in § 1 1 G 10 festgelegten Schutzgüter auch auf Abhörmaßnahmen anderer Art übertragen können. Im übrigen fordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlicher Maßnahmen, „daß konkrete Umstände den Verdacht eines verfassungsfeindlichen Verhaltens rechtfertigen und daß dem verfassungsfeindlichen Verhalten im konkreten Fall nach Erschöpfung anderer Möglichkeiten der Aufklärung" nur durch eine Abhörmaßnahme „beigekommen" werden kann. Aus diesen vom Bundesverfassungsgericht 136 für die Brief-, Post- und Telefonüberwachung nach G 10 dargelegten Voraussetzungen ergibt sich, daß „Lauschangriffe", wenn überhaupt, nur bei konkretem Verdacht und nur als „letztes Mittel" vorgenommen werden dürfen. Damit kann man sich angesichts der Schwere einer geheimen Überwachungsmaßnahme zur Ausforschung von Wohnungen nicht zufriedengeben, zumal es sich bei der eben genannten Formel um eine Auslegung des verfassungsändernden Art. 10 I I 2 GG handelt, die mit dem zu dessen Ausführung erlassenen G 10 nur bedingt übereinstimmt. 1 3 7 Die Betrachtung der Voraussetzungen für einen individualbezogenen Eingriff nach § 2 G 10 hat nämlich bereits ergeben, daß - entsprechend der präventiven Aufgabe der Nachrichtendienste - schon weit vor Beginn der eigentlichen Strafbarkeitsgrenze bei den Katalogtaten überwacht werden kann. 1 3 8 Es ist hier ausdrücklich daran zu erinnern, daß im vieldiskutierten „Fall Dr. Traube" neben dem im Januar/Februar 1976 durchgeführten „Lauschangriff" auf dessen Wohnung von Juli 1975 bis Juni 1976 eine Post- und Telefonüberwachung nach §2 G 10 vorgenommen wurde, die zuvor von der nach § 9 I I G 10 zuständigen Kommission genehmigt worden war. 1 3 9 Einen solchen „Gefahrerforschungseingriff", wie er aufgrund der niedrigen Voraussetzungen des G 10 für die Einleitung einer Beschränkungsmaßnahme offensichtlich möglich ist, kann man aber bei einer wohnungsbezogenen geheimen Überwachungsmaßnahme keinesfalls zulassen, ganz gleich, ob man dies mit der Unzumutbarkeit für den Betroffenen im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips oder aber mit der sog. „Wechselwirkungstheorie" begründet, nach der Grundrechtseinschränkungen (hier Art. 13 I I I 2. Alt. GG) ihrerseits wie136 vgl. BVerfGE 30, 1 (22). 137 Vgl. die K r i t i k der drei überstimmten Verfassungsrichter in BVerfG 30, 33 (34 38). 138 v g l dazu nochmals die Untersuchung von Krückeis (Fn. 26), S. 68ff. Zu den Mängeln des § 100 a StPO i n diesem Bereich s. Rudolphi (Fn. 130), S. 433 ff. 139 s. Dünnebier (Fn. 36), S. 383; Traube, in: Narr, Wir Bürger als Sicherheitsrisiko, S. 63; vgl. a. die Erldärung des damaligen Bundesinnenministers Maihofer, in: Presseund Informationsamt der Bundesregierung, Bulletin Nr. 27 vom 18.3.1977, S. 243 re. Sp. Mitte; dazu auch Gusy, NJW 1981, 1581, 1584 (Fn. 35 dort) und Schwagerl (Fn. 118), S. 161 ff.

3. Das Defizit: Die über G10 hinausgehenden Ermittlungsmethoden

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der im Lichte des eingeschränkten Grundrechts auszulegen und immer auf das „unumgänglich Notwendige" zu beschränken sind. 1 4 0 Im Endeffekt hieße dies nämlich, Vorgänge wie den „Fall Traube" zukünftig gesetzgeberisch zu ermöglichen. Aber selbst die Vertreter von erweiterten nachrichtendienstlichen Befugnissen zu „Lauschangriffen" analog der G 10-Regelung haben dies wohl nicht beabsichtigt. 141 Es wäre also erforderlich, die Zulässigkeit von „Lauschangriffen" an das Überschreiten der Strafbarkeitsgrenze zu binden, d. h. auf einen dringenden Verdacht abzustellen, der etwa dem für den Erlaß eines Haftbefehls nach §112 I I StPO entsprechen müßte. 142 Wegen des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Bestimmtheit staatlicher Befugnisnormen wäre auch eine Anbindung an bestimmte Straftatbestände unumgänglich; eine Indizierung der zur Überwachung berechtigenden Straftaten durch die Angabe einer Mindest- oder Höchststrafe 143 wäre damit nicht vereinbar. Der G 10-Katalog bietet sich hierbei zur Übernahme geradezu an, obwohl man bei einigen Tatbeständen wegen des Verhältnismäßigkeitsprinzips Einwendungen erheben muß; z.B. bei den §§ 80 a und 86 StGB schon wegen der Erforderlichkeit bzw. Geeignetheit des Mittels - ebenso dürfte eine Lauschmaßnahme bei einem Vergehen des „Sicherheitsgefährdenden Abbildens" nach § 109 g StGB nicht erfolgversprechend sein. Wegen der unbestreitbaren Schwere des Eingriffs wird man sogar erwägen müssen, ob nicht nur Delikte mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsentzug, die nach § 12 I StGB ihre Einstufung als Verbrechen bedingt, in ein solches eventuell zu schaffendes Gesetz zur Regelung von „Lauschangriffen" aufgenommen werden dürften. 1 4 4 Übrig blieben dann aus dem Katalog in § 2 I GG nur die §§ 80, 81, 82, 83, 94, 96, 97 a, 97 b, 100 sowie 129 a I I StGB. Diese Beschränkung 140 Ygi dazu die Argumentation und auch die Nachweise der BVerfG-Rechtsprechung im „Dirnhofer-Urteil" BGHSt. 29, 244, 249f. = BGH, NJW 1980, 1700, 1701 Ii. Sp. 141 Vgl. etwa H. H. Klein, S. 96ff. Zumindest inkonsequent Friedrichs, S. 140ff., der einerseits eine - abgesehen vom Rechtswegausschluß - dem G 10 entsprechende Regelung auch im Bereich des Art. 13 I I I GG, „also ein G 13 zur Verwendung technischer Lauschmittel für zulässig" hält und mit dem Hinweis auf „enge, wie im G 10 gezogene Grenzen" die von George Orwells „Big Brother" sprechenden Befürchtungen von de Lazzer / Rohlf, S. 211 Ii. Sp. Mitte, i n das Reich der Fabel verweist, dann aber selbst unter Hinweis auf die oben angedeutete „ Wechsel Wirkungstheorie" „Lauschangriffe" nur bei konkretem Verdacht „von dringenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung"(!) zulassen will. Endlich konstatiert Friedrichs auf S. 141: „Damit entfällt also die Möglichkeit, durch ein G 13 Lauschangriffe wie z.B. im Fall,Traube' gesetzlich abzudecken. Diese Einsicht vermag vielleicht die verfassungsrechtliche Diskussion um den ,Lauschangriff' etwas zu entspannen." Der Verf. kann diese Hoffnung nicht teilen. 142 So ein Vorschlag von Hall, JZ 1968, 159, 162, aus der Zeit vor Erlaß des G 10 für die geplante Regelung des strafprozessualen Abhörens. 143 So ein Vorschlag von Welp, Die strafprozessuale Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs 1971, S. 65, ebenfalls für die T Ü nach § 100a StPO. 144 So Welp (Fn. 143), der diese Delikte allerdings nicht spezifizieren will, für die TÜ nach § 100 a StPO.

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II. Nachrichtendienstliche Überwachung im deutschen Recht

erscheint auch deshalb sinnvoll, da es sich hierbei (bis auf §§95,1291 StGB, bei denen die Mindeststrafe zu niedrig liegt) um die genaue „Schnittmenge" zwischen dem § 2 I G 10 und der strafbewehrten Anzeigepflicht in § 138 StGB handelt. Ob diese Aufzählung für eine nachrichtendienstliche Überwachungstätigkeit ausreichend wäre, sei dahingestellt; die zweifellos ebenfalls wichtigen Auffangtatbestände der §§98 und 99 StGB (Landesverräterische bzw. geheimdienstliche Agententätigkeit) kämen dann nicht in Betracht. Auf jeden Fall bedingt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hier eine sorgfältigste Auswahl. Bagatelldelikte, auch wenn sie „nachrichtendienstlich relevant" wären, hätten hier keinen Platz. Im übrigen ist noch einmal festzuhalten, daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht nur auf die Frage, ob überhaupt abgehört werden darf, Anwendung finden müßte, sondern auch auf die Frage, wie dies im einzelnen zu geschehen hat. Wie bereits erwähnt, käme eine unterschiedslose Aufzeichnung aller Geräusche und Gespräche in der Wohnimg nicht in Betracht. Dies würde, wie bereits unter f) dargelegt, den absolut geschützten Kernbereich der privaten Lebensgestaltung verletzen. Aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergibt sich darüber hinaus, daß nur solche Gespräche abgehört und aufgezeichnet werden dürfen, die für den gefahrenabwehrenden Zweck der Maßnahme „relevant" sind, d.h. einen konkreten Bezug zu der das Belauschen rechtfertigenden Straftat haben. Keinesfalls dürften erkennbar „intime" Unterhaltungen zwischen Ehepartnern oder anderen Familienmitgliedern abgehört oder gar aufgezeichnet werden. 145 Auch die Dauer der Maßnahme müßte durch den Zweck der Gefahrenabwehr bestimmt sein; eine generelle dreimonatige Dauer, wie sie bei G 10-Maßnahmen die Regel zu sein scheint, 146 wäre unvertretbar. Die geschilderten, sich aus dem Grundgesetz selbst ergebenden Bedingungen für wohnungsbezogene geheime Überwachungsmaßnahmen mögen für die Nachrichtendienste nicht einfach zu erfüllen sein. Generell läßt sich jedoch sagen, daß solche „Lauschangriffe" viel zu schwerwiegend sind, um sie zu gewöhnlichen „nachrichtendienstlichen Mitteln" werden zu lassen. Ein „Richtervorbehalt" w i r d weder von Art. 13 I I I 2. Alt. noch von Art. 2 I GG gefordert. Auch Art. 19 IV GG verlangt nur die Gewährleistung einer richterlichen ex-post-Kontrolle, nicht dagegen die Verlagerung von Entscheidungen aus dem Exekutivbereich auf ein Gericht. Beantwortet werden soll die Frage der Notwendigkeit einer vorherigen richterlichen Anordnung der Maßnahme erst nach Abschluß der vergleichenden Betrach145

Die technische Durchführbarkeit dieser Voraussetzung w i r d i n Kap. IV 4 e) und in Kap. V 4b) im einzelnen erörtert, da hier erst die Rechtsvergleichung mit den USA näheren Aufschluß geben kann (s. a. Fn. 110 hier). So Carr (Fn. 110), S. 632.

3. Das Defizit: Die über G10 hinausgehenden Ermittlungsmethoden

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tung der amerikanischen Rechtslage. 147 Mindestens ebenso wichtig wie eine vorherige richterliche Anordnimg, von der der Betroffene ja nichts erfährt, ist die Statuierung einer Benachrichtungspflicht nach Abschluß der Maßnahme bzw. Fortfall der abzuwehrenden Gefahr, die ihm einen nachträglichen Rechtsschutz ermöglicht. Eine letzte Ausformung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und dem gefahrenabwehrenden Charakter der Maßnahme angemessen wäre schließlich die Statuierung eines dem § 7 I I I G 10 entsprechenden Beweisverwertungsverbotes (mit Fernwirkung), daß allerdings entsprechend dem hier vorgeschlagenen engeren Straftatenkatalog modifiziert werden müßte. Da ein „Lauschangriff" immer das letzte Mittel nachrichtendienstlicher Ausforschung bleiben müßte, wäre es angebracht, die Verwertung der gewonnenen Erkenntnisse in einem Strafverfahren an das Vorliegen einer Straftat nach § 138 StGB zu binden, da „von dem jedermann treffenden Anzeigegebot des § 138 StGB . . . der Staat auch für sich keine Ausnahme machen (kann); es bildet die letzte Linie, bis zu der er zurückweichen kann". 1 4 8 Da bei einem eventuellen „ G 13" der Rechtsweg selbstverständlich nicht ausgeschlossen werden sollte, könnte die Rechtmäßigkeit der Maßnahme also auch in einem Strafverfahren gegen den Betroffenen, bei dem die gewonnenen Erkenntnisse verwendet werden sollen, gerichtlich nachgeprüft werden. 149 h) Zusammenfassung der gefundenen Ergebnisse Ein „nachrichtendienstlich sinnvoller" (d.h. vor einer Erreichung der Schwelle zur konkreten Gefahr für Leib und Leben einzelner oder vieler Personen einsetzender) „Lauschangriff" auf Wohnungen unterliegt damit von Verfassungs wegen (Art. 13 I I I 2. Alt. in Verbindung mit Art. 2 I GG) folgenden Bedingungen: (1) Die Befugnis hierzu müßte in einem förmlichen Gesetz unter Beachtung des Zitiergebotes aus Art. 19 12 GG zumindest bezüglich des Grundrechts aus Art. 13 1 GG statuiert werden. 150 147 Vgl. zu dieser Frage auch Vahle, S. 98 ff. (für polizeiliche Überwachungsmaßnahmen dieser Art) und S. 135f. (für „Lauschangriffe" des Verfassungsschutzes), der prinzipiell dem Nutzen einer richterlichen Kontrolle vor Beginn der Maßnahme zweifelnd gegenübersteht; wegen ihres besonders gravierenden Charakters hält er sie hier aber für erforderlich. 148 Dünnebier (Fn. 36), S. 391, Fn. 39; vgl. auch die Ausnahme von der Schweigepflicht des Verteidigerpost überwachenden Richters i n § 148 a I I 2 StPO. 149 füj. G 10-Beschränkungsmaßnahmen wegen dieses Ausschlusses (m.E. zu Unrecht) bestritten, s. Arndt, G 10-Verfahren, S. 61 und Dünnebier, S. 386. Der BGH hat diese Frage bislang noch nicht entschieden (vgl. BGHSt. 29, 244, 246 = BGH, NJW 1980, S. 1700 Ii. Sp. unten). 150 Für Beschränkungen des Art. 2 I GG als „Auffangnorm" soll das Zitiergebot nicht gelten, da in Art. 2 I GG kein formeller Gesetzesvorbehalt statuiert ist, vgl. Rohlf, S. 239 m.w.N.

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II. Nachrichtendienstliche Überwachung im deutschen Recht

(2) Wegen der möglichen Verletzung des „Kernbereichs unantastbarer privater Lebensgestaltung" bei wohnungsbezogenen Abhörmaßnahmen ist ein automatisches Aufzeichnen aller Gespräche und Geräusche in der Wohnung genauso unzulässig wie eine längere Dauer der Maßnahme; ihre Durchführung hat sich strikt an dem gefahrenabwehrenden Zweck zu orientieren, zu dem sie unternommen w i r d und darf keine Lebensbereiche des Betroffenen erfassen, die hierfür irrelevant sind. Bestimmte Gespräche, z.B. von Ehegatten untereinander, von einer Überwachung generell auszunehmen, kann hierbei wegen der oben unter f) angesprochenen Problematik der Verletzung des Kernbereichs unantastbarer privater Lebensgestaltung erforderlich sein. Einzelheiten, ob und wie diesen Geboten genügt werden kann bzw. welche Folgen sich hieraus für die konkrete Durchführung der Überwachungsmaßnahme ergeben, werden erst nach Abschluß der rechtsvergleichenden Betrachtung mit den USA erörtert. (3) Aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergibt sich, daß der „Lauschangriff" nur das letzte Mittel zur Aufklärung einer möglichen Gefahrensituation sein darf, wenn alle anderen Methoden nachrichtendienstlicher Erkenntnisgewinnung versagen oder unanwendbar sind, daß er ferner nur bei einem dringenden Verdacht auf eine schwerwiegende Straftat (etwa alle Verbrechen im Sinne des § 12 I StGB mit „nachrichtendienstlichem Gehalt") zulässig sein kann und daß bei seiner Durchführung nur die Gespräche abgehört und aufgezeichnet werden dürfen, die zur Erfüllung des gefahrenabwehrenden Zweckes der Maßnahme notwendig sind. (4) Ferner erscheint ein Beweisverwertungsverbot für alle Erkenntnisse erforderlich, die nicht eine Tat betreffen, wegen der abgehört werden darf bzw. die im Katalog des § 138 StGB enthalten ist. Ein Unterschreiten der Grenze des § 138 StGB verstieße jedoch gegen den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung. Inwieweit Rechtsschutzgesichtspunkte aus Art. 19 IV GG eine präventive richterliche Kontrolle notwendig machen oder ob die Einsetzung eines Expertengremiums mit richterlicher Unabhängigkeit analog der G 10-Regelung genügen würden, soll erst nach Abschluß des rechtsvergleichenden Teils diskutiert werden. Eine Benachrichtigungspflicht entsprechend der Regelung im G 10 wäre aber in jedem Falle selbstverständlich.

4. Rechtfertigungsversuche für Maßnahmen außerhalb G10

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4. Bisherige Rechtfertigungsversuche für geheime Überwachungsmaßnahmen außerhalb des G 10-Bereichs

a) Das völlige Fehlen einer Rechtgrundlage für BND und MAD Bei der Suche nach Befugnisnormen für die deutschen Nachrichtendienste, die den im vorigen Kapitel dargelegten Kriterien entsprechen könnten, muß man feststellen, daß es für zwei der drei Behörden dieser Art überhaupt keine gesetzliche Grundlage gibt. Der die „nachrichtendienstliche Auslandsaufklärung" betreibende Bundesnachrichtendienst (BND) 1 5 1 und der für die Sicherheit der Bundeswehr sorgende Militärische Abschirm-Dienst (MAD) 1 5 2 sind durch Organisationserlasse der Bundesregierung errichtet worden; sie erscheinen nur im G 10 (zugleich ihre einzige Befugniszuweisung), im Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes sowie - sehr mittelbar - in den die finanziellen Mittel für ihre Arbeit bereitstellenden Haushaltsplangesetzen. 153 Für diese beiden Dienste ist daher die Stellungnahme sehr einfach: eine entsprechende Befugnisnorm existiert nicht. Da auch der Einwand, dem BND obliege nur die Auslandsaufklärung und er dürfe nach seiner Dienstanweisung „auf innenpolitischem Gebiet nicht tätig" werden, nicht durchschlägt 154 und nachrichtendienstliche Ermittlungsmethoden zumindest in die durch Art. 2 I GG geschützte Privatsphäre eingreifen können, scheint der Schluß unausweichlich, daß die inländische Informationsermittlung durch BND und MAD, soweit sie verdeckt und ohne Wissen des Betroffenen geschieht, schlicht rechtswidrig ist und sie zu ihrer Legalisierung einer gesetzlichen Grundlage dringend bedürfte. 155 Um der - unsinnigen - Folge151 Nach seiner Dienstanweisung vom 4.12.1968 (u.a. abgedruckt i n BT-Drs. VII/ 3246, S. 47) hat der BND folgende Aufgaben: Gegenspionageabwehr (d.i. Eigensicherung zum Schutz vor Infiltration durch fremde Agenten), Gegenspionage (d.i. die „Aufklärung" fremder Nachrichtendienste), Auslandsaufklärung und „Sonderaufträge" seitens der Bundesregierung; s. dazu die Erläuterungen von Rieger, ZRP 1985, S. 4f., und Gusy, Die Verwaltung 1984, 273, 277ff. 152 Zum MAD s. Gusy, DÖV 1983, 63ff., und Lisken, ZRP 1984, 144ff. 153 So Friesenhahn, Die Kontrolle der Dienste, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat 1981, S. 90, für den darin die Billigung des Gesetzgebers für die Tätigkeit dieser Dienste - im Rahmen der Verfassung - liegt. Krit. dazu Rieger, ZRP 1985, S. 8, sowie Gusy, Die Verwaltung 1984, S. 275ff. 154 Gerade aus der Dienstanweisung ergibt sich das Gegenteil, da jedenfalls die Eigensicherung des BND notwendigerweise in der BRD stattfinden muß. Daß er dabei außerhalb des G 10 keine nachrichtendienstlichen Mittel einsetzt, wird niemand ernsthaft behaupten wollen. Aus seinem Sicherungsbedürfnis resultiert ja auch seine Ermächtigung i n § 4 I I 1 d) G 10 zu individualbezogenen Eingriffen i n das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis; s. a. Riegel NJW 1979, 952, 955f., und Rieger (wie Fn. 153), S. 7, sowie Gusy (wie Fn. 153), S. 280ff. Interessant ist der Meinungsumschwung von Stern, der in Staatsrecht I, München 1977, S. 186 die fehlende gesetzliche Grundlage für den BND wegen des mangelnden Inlandsbezuges seiner Tätigkeit für unbedenklich hielt, nunmehr aber (s. sein Staatsrecht I, 2. Auflage 1983, S. 220) eine solche für erforderlich erachtet.

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II. Nachrichtendienstliche Überwachung im deutschen Recht

r u n g eines r a d i k a l e n Verbotenseins aller I n f o r m a t i o n s e r m i t t l u n g

durch

B N D u n d M A D außerhalb des d u r c h das G 10 abgedeckten Bereichs auszuweichen, b l e i b t n u r ü b r i g , an die „ S t i l l h a l t e p r a x i s " des Bundesverfassungsgerichts b e i ä h n l i c h e n K o n s t e l l a t i o n e n z u e r i n n e r n . 1 5 6 D u r c h diese b e k a m der Gesetzgeber die Gelegenheit z u m Erlaß der erforderlichen gesetzlichen Regelung m i t den entsprechenden Eingriffstatbeständen. W ä h r e n d der h i e r f ü r b e n ö t i g t e n „gewissen Übergangszeit" w ä r e n d a n n diejenigen E i n g r i f f s maßnahmen rechtens, die f ü r einen geordneten V o l l z u g der j e w e i l i g e n staatl i c h e n E i n r i c h t u n g u n e r l ä ß l i c h sind. V ö l l i g u n t ä t i g d ü r f t e der Gesetzgeber allerdings n i c h t b l e i b e n . 1 5 7 M i t dieser Feststellung w i r d die B e h a n d l u n g dieser Frage h i e r abgeschlossen. Es ist n i c h t T h e m a der A r b e i t , R i c h t l i n i e n f ü r eine gesetzliche A u f g a b e n · u n d Befugnisregelung b e i B N D u n d M A D herauszuarbeiten; dies soll h i e r n u r f ü r eine spezielle E r m i t t l u n g s m e t h o d e , die gleichzeitig die i n t e n s i v ste u n d u m s t r i t t e n s t e sein dürfte, geschehen. D e r Verf. möchte allerdings n i c h t verhehlen, daß er Z w e i f e l hat, ob das Bundesverfassungsgericht seine i m U r t e i l z u m Volkszählungsgesetz festgestellten A n f o r d e r u n g e n f ü r E i n griffe i n das G r u n d r e c h t auf i n f o r m a t i o n e l l e Selbstbestimmung bei der Beurteilung nachrichtendienstlicher

Inlandsaktivitäten

aufrechterhalten

würde.158

155 Diese Meinung vertreten Riegel, NJW 1979, 952, 955f.; ders., RiA 1984, 49f. und 123ff.; Gusy, DÖV 1983, 60, 65; ders., Die Verwaltung 1984, 273, 291ff.; Lisken, ZRP 1984, 144, 146; Rieger, ZRP 1985, 3, 11. 156 Meistzitiertes Beispiel ist BVerfGE 33, 1 (12 f.) („Strafvollzug") sowie neuerdings BVerfGE 58, 257 (280); bestätigt z.B. auch von BVerwG, NJW 1984, 1636 (S. 1637 re. Sp. unten). Vgl. a. die weiteren Nachweise bei Vahle, S. 78f. und S. 159f. (Anm. 297 - 299 dort). Schließlich bleibt zu bemerken, daß auch von Seiten der Dienste selbst die Forderung nach einer Rechtsgrundlage zur Legalisierung ihrer Arbeit erhoben wird; vgl. die Bemerkung des früheren stellvertretenden M AD-Amtschef s Joachim Krase, in: DER SPIEGEL 36/38 vom 2.9.1985, S. 24: „Die Dienste, da man ihre Existenz ja gemeinhin bejaht, müssen endlich aus dem Dunstkreis einer übelriechenden Notwendigkeit heraus." 157 Zu dem Ende Januar 1986 eingebrachten „Paket" von Sicherheitsgesetzen vgl. die Nachweise in Kap. I, Fn. 3, sowie die kurze Erörterung i n Fn. 200 hier. 158 v g l den nach BVerfGE 65,1 ergangenen Beschluß des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der „strategischen" Post- und Telefonkontrolle durch den BND nach § 3 G 10 vom 20.6.1984, BVerfGE 67,157 = BVerfG, NJW 1985,121, wo zwar das Verbot, diese Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Bereich der inneren Sicherheit einzusetzen, aufgestellt w i r d (Leitsatz 3 der Entscheidung), jedoch gleichzeitig i m Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung das Argument, ähnliche Erkenntnisse könnten auch durch die Unterhaltung von „Auskunftspersonen im Gefahrengebiet" (d.s. Spione und Agenten „vor Ort") gewonnen werden, mit dem Hinweis auf die Gefährdung dieser Personen abgelehnt w i r d - BVerfGE 67,157 (177) = NJW 1985,121,123 Ii. Sp. unten; s. auch die Anmerkung von Arndt, NJW 1985, 107, 109f. (re. Sp. unten). Zu Ende gedacht bedeutet das, daß ein die eigenen Staatsbürger betreffender nicht unerheblicher Grundrechtseingriff (freilich sach- und nicht personenbezogen) der Leib und Leben der „Auskunftspersonen" gefährdenden Auslandsspionage vorgezogen wird. Trotz der scheinbar eindeutigen Güterabwägung ist diese Argumentation m.E. nicht unangreifbar.

4. Rechtfertigungsversuche für Maßnahmen außerhalb G10

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b) Die Beurteilung der Rechtsgrundlage für heimliche Ermittlungstätigkeit durch den Verfassungsschutz Die einzige erkennbare Ermächtigungsnorm, die für Art. 13 I I I 2. Alt. GG in Betracht kommen könnte, bezieht sich lediglich auf das Bundesamt für Verfassungsschutz. 159 In § 3 I I I 2 BVerfSchG ist es dieser Behörde gestattet, zur Erfüllung ihrer in § 3 I und I I näher spezifizierten Aufgaben „nachrichtendienstliche Mittel" anzuwenden. Aufgaben des Verfassungsschutzes sind nach § 3 I BVerfSchG die „Sammlung und Auswertung von Auskünften, Nachrichten und sonstigen Unterlagen" über u.a. „Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind" bzw. über „sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten... für eine fremde Macht" sowie nach § 3 I I Ziff. 1 und 2 die Mitwirkung bei der Sicherheitsüberprüfung von Geheimnisträgern. Eine nähere Spezifizierung des Begriffes „nachrichtendienstliche Mittel" findet sich weder im BVerfSchG noch in irgendeinem anderen Gesetz; die Unklarheit dieses Begriffes hat auch der Gesetzgeber gesehen und zumindest in Kauf genommen. 160 Es bedarf nun eigentlich keiner weiteren Erörterung, daß diese Ermächtigung in keiner Weise den dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, die an ein zu „Lauschangriffen" ermächtigendes Gesetz gestellt werden müßten. Soweit ersichtlich, w i r d auch von niemandem behauptet, daß § 3 I I I 2 BVerfSchG wohnungsbezogene Abhörmaßnahmen rechtfertigen könnte; es wird allenfalls vorsichtig angemerkt, daß die „unbefriedigende Rechtslage im Schutzbereich des Art. 13 GG" auf „legitime Erwägungen des Gesetzgebers" über die mangelnde Kodifizierbarkeit nachrichtendienstlicher Befugnisse zurückzuführen sei. 161 Im Schutzbereich des Art. 13 I in Verbindung mit Art. 2 I GG sind diese Erwägungen fehl am Platze; w i l l man derart gravierende Maßnahmen wie „Lauschangriffe" rechtsstaatlich zulassen, müssen Voraussetzungen und Schranken der Anwendung vorher festgelegt und die Überwachung derselben sichergestellt werden. Im Zusammenhang mit der Ermächtigung des Verfassungsschutzes zum Einsatz „nachrichtendienstlicher Mittel" kann man also allenfalls darüber streiten, ob und welche Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 2 I GG allein 159 Zu der Rechtslage in den einzelnen Bundesländern vgl. Friedrichs, S. 77 ff., und hier Fn. 16. 160 Dazu die Bemerkung von Borgs-Maciejewski, in: „Aus Politik und Zeitgeschichte", Beilage zu „Das Parlament" Β 6/77 ν. 12.2.1977, S. 20: „Einen schillernderen Begriff als „nachrichtendienstliche Mittel" wird man in der Rechtsordnung lange suchen müssen". Zur Begründung von § 3 I I I 2 BVerfSchG durch den Gesetzgeber vgl. die Nachweise in Fn. 14 sowie ferner Friesenhahn (Fn. 153), S. 94 f. 161 Vgl. Hömig, in: „Aus Politik und Zeitgeschichte", Beilage zu „Das Parlament" Β 42/77 v. 22.10.1977, S. 27 f. Zu dieser Argumentationsweise vgl. die K r i t i k i n Kap. I, Fn. 17.

5 Beier

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II. Nachrichtendienstliche Überwachung im deutschen Recht

§ 3 I I I 2 BVerfSchG erlaubt. Nach dem Verständnis der Verfassungschutzbehörden fallen unter den Begriff der „nachrichtendienstlichen Mittel" das heimliche Beobachten (Observieren), das geheime Fotografieren, die Anwerbung und Führung von geheimen Mitarbeitern in Beobachtungsobjekten (sog. V-Leute) sowie das einfache oder technische Belauschen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes. 162 Daß diese Vorgehensweisen allesamt schon einen Eingriff in die durch Art. 2 I GG geschützte Privatsphäre und damit erst recht in das vom Bundesverfassungsgericht aus derselben Vorschrift hergeleitete Recht auf „informationelle Selbstbestimmung", nach dem jedermann das Recht hat, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen, 163 bedeuten, muß hier nicht im einzelnen dargelegt werden. 164 Beschränkungen dieses Rechts bedürfen nach dem BVerfG einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht; ferner ist bei diesen Regelungen durch den Gesetzgeber der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. 165 Ob die Ermächtigung zum Einsatz „nachrichtendienstlicher Mittel" zur Erfüllung der in § 3 I und I I BVerfSchG bestimmten Aufgaben einem so verstandenen Bestimmtheitsgrundsatz genügt, ist seit ihrer Einfügung in dieses Gesetz im Jahre 1972 bezweifelt worden. 1 6 6 Durch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil über das Volkszählungsgesetz bekommen diese Bedenken neue Aktualität. Nun ist es ebenfalls nicht Thema oder Ziel dieser Arbeit, Vorschläge zur Novellierung des BVerfSchG zu unterbreiten. Völlig unberücksichtigt soll das Problem hier jedoch nicht bleiben, da darüber insbesondere nach der in nächster Zeit zu erwartenden Novellierung des BVerfSchG 167 eine intensive Diskussion zu erwarten ist. Da § 3 BVerfSchG nur von „Aufgaben" spricht, läßt sich zunächst einmal die Frage aufwerfen, ob diese Aufgabenzuweisung überhaupt zu Eingriffen in die Grundrechte des einzelnen ermächtigen kann. Der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis - betraut der Gesetzgeber schon eine staatliche Stelle mit bestimmten Aufgaben, so w i l l er sie auch in die Lage versetzen, 162 Herzog (Fn. 14), S. 13 m.w.N.; Riegel, NJW 1979, 952, 953; Rieger, ZRP, 1985, S. 7 Fn. 55. Zu den nachrichtendienstlichen Mitteln s. nunmehr auch Borgs / Ebert, Teil A, § 3 Rdnrn. 156ff. und Kniesel / Tegtmeyer / Vahle, Handbuch des Datenschutzes für Sicherheitsbehörden, Stuttgart 1986, Rdnr. 800ff. 163 BVerfGE 65, 1 (S. 43 unten). 164 Vgl. dazu statt aller Riegel, DVB1. 1985, 765, 768ff. und Bäumler, AöR 110 (1985), 30, 42ff. sowie ders., DÖV 1986, 496ff. 165 BVerfGE 65, 1 (S. 44 Mitte und S. 54). 166 Vgl. Schwagerl (Fn. 12), S. 113f.; Borgs-Maciejewski (Fn. 160), S. 20f.; Bull (Fn. 51), S. 146; H. H. Rupp, Rechtsschutz und Verfassungsschutz, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 165; de Lazzer / Rohlf, S. 209f. 167 vgl. Kap. 1, Fn. 3.

4. Rechtfertigungsversuche für Maßnahmen außerhalb G10

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diese mit den erforderlichen Maßnahmen zu verwirklichen - begegnet allgemeinen rechtsstaatlichen Bedenken, wurde aber für den Bereich des Verfassungsschutzes bis zur ersten Novellierung des BVerfSchG vertreten. 168 Seitdem kann diese Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben „nachrichtendienstliche Mittel" einsetzen. Diese Ermächtigung läßt sich nunmehr nach zwei Richtungen hin interpretieren. Entweder lehnt man ab, daß damit überhaupt eine Trennung von Aufgabe und Befugnis stattgefunden hat und bezeichnet diese Befugnis als bloße „Spezialermächtigung" in einem im übrigen nicht näher beschriebenen Kompetenzbereich, 169 so daß die Gesetzesänderung von 1972 das allgemeine Problem gar nicht berührt hätte. Oder aber man sieht darin eine immerhin generalklauselartige Ermächtigung zu Eingriffen in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre der Betroffenen bzw. in deren Grundrecht auf „informationelle Selbstbestimmung", wobei dann die Frage nach der Übereinstimmung mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz auftaucht. Der letztere Ansatz ist richtig. Die Anwendung „nachrichtendienstlicher Mittel" bedeutet zwangsläufig einen Eingriff in die Privatsphäre des Bürgers, da sie auf Erlangung von Informationen gerichtet ist, die typischerweise geheimgehalten werden sollen. Aus den (dürftigen) Gesetzesmaterialien 1 7 0 ergibt sich zwar, daß das Problem des Grundrechtseingriffs vom Gesetzgeber nicht behandelt (und wohl auch nicht erkannt) wurde; jedoch hat sich das Verständnis von hoheitlichen „Informationseingriffen" erst in den letzten Jahren stark gewandelt. An diesem Verständnis hat sich die Interpretation der Norm nunmehr auszurichten; ihr Ermächtigungscharakter wird dadurch zunächst nicht beseitigt. 171 Eine andere Frage ist, inwieweit diese generalklauselartige Ermächtigung nach den heute an Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre bzw. das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung anzulegenden Maßstäben genügen kann. Mißt man also § 3 BVerfSchG insgesamt an den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil zum Volkszählungsgesetz, so ist wohl die Voraussetzimg der Beschränkung (also die staatliche Informationshebung) durch die Aufgabenbeschreibung in § 3 I und BVerfSchG und die Bindung des Einsatzes „nachrichtendienstlicher Mittel" an diese Aufgabenerfüllung noch als hinreichend präzis zu betrachten, auch wenn hier teilweise ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe verwendet werden („Bestrebungen gegen die

168 Vgl. Evers, Privatsphäre, S. 98ff.; ders., in: Verfassungsschutz 1966, S. 104f.; Schäfer, ebd., S. 50ff.; Rundel, Die rechtlichen Grenzen der Nachrichtenbeschaffung durch die Ämter für Verfassungsschutz, Diss. Köln 1959, S. 13 ff. lß 9 So H. H. Rupp (Fn. 166), S. 165. no BT-Drs. VI/3533, S. 5. 171 Vahle, S. 129 m.w.N.; vgl. a. Schlink, NJW 1980, 552f.; als Generalklausel w i r d § 3 I I I 2 BVerfSchG auch gewertet von Schatzschneider, S. 86 f.

5*

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freiheitliche demokratische Grundordnung"). 172 In diesem Bereich stellt sich m.E. wirklich die Frage nach sinnvollen Formulierungsalternativen; eine Bindung der gesamten Eingriffstätigkeit des Verfassungsschutzes an die Verwirklichung von Strafbeständen durch die zu überwachenden Personen oder Personengruppen würde dem „Vorfeldcharakter" von dessen Arbeit mit dem Ziel der Gefahrverhütung nicht gerecht. Entscheidend ist damit, ob auch Umfang und „Reichweite" des staatlichen Informationseingriffes präzis genug festgelegt sind. Auch wenn die „nachrichtendienstlichen Mittel" ausdrücklich keine polizeilichen Befugnisse und Kontrollbefugnisse umfassen sollen (§ 3 I I I 1 BVerfSchG), so ist ihr Umfang doch nicht klar bestimmt und insbesondere die Grenzen der zulässigen Anwendung sind nicht klar festgelegt. 173 Es hilft hier auch der Hinweis wenig, daß bei der Anwendung „nachrichtendienstlicher Mittel" die Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 I I I GG) weder aufgehoben noch gelockert sei, 174 weil § 3 I I I 2 BVerfSchG gegenüber einigen dieser Rechtsvorschriften gerade als Erlaubnisnorm verwendet wird (§ 201 I I StGB!). 1 7 5 Zu Ende gedacht führt diese Erklärung in einen Teufelskreis, präzisieren kann sie dagegen nichts. Dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Bestimmtheit und Normenklarheit dürfte die Ermächtigung zum Einsatz „nachrichtendienstlicher Mittel" daher nicht genügen. Man kann versuchen, diesem an sich unerfreulichen Ergebnis auf verschiedene Weise auszuweichen; m.E. führt jedoch keiner dieser Versuche zum Erfolg, d. h. zu der Möglichkeit, auf der bisherigen gesetzlichen Basis dauerhaft weiterarbeiten zu können. Definiert man als zulässige „nachrichtendienstliche Mittel" diejenigen Methoden der Erkenntnisgewinnung, denen ein Bürger, wenn ein anderer Bürger sie ihm gegenüber einsetzen würde, sich tatsächlich entziehen, aber rechtlich nicht erwehren könnte, 1 7 6 ist eine nähere Auflistung im Gesetz freilich nicht mehr nötig; die Schran172 Der Begriff der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung" ist durch das BVerfG in den beiden - freilich schon sehr alten - Parteiverbotsurteilen von 1952 und 1956 definiert worden, vgl. BVerfGE 2, 1 (12) und BVerfGE 5, 85 (140). Zu den einzelnen Elementen s. Bäumler, AöR 110 (1985), 30 (S. 37ff. m.w.N.). 173 A.A. Roewer, NJW 1985, 773, 776 re. Sp. Mitte, der aber offenbar das Problem des Eingriffsumfangs nicht erkennt. 1 74 So ζ. Β. Herzog (Fn. 14), S. 13. 175 Vgl. z.B. Arndt, DVB1. 1978, S. 386 re. Sp. Mitte u. Fn. 21, sowie Friedrichs, S. 57, bei dem § 201 StGB zum Argument für (!) die Zulässigkeit nachrichtendienstlichen Belauschens wird, da es ja auch „befugtes" Abhören geben muß; s. hierzu auch Deninger, W d S t R L 37 (1979), S. 39. 176 s. Schlink, NJW 1980, 552ff., 558: Diese Definition bemißt die Befugnisse des Verfassungsschutzes gar nicht so eng; sie deckt „das Einschleusen von Bediensteten und V-Leuten i n Wohnungen, Vereinigungen und Veranstaltungen, das Photographierez wenn es die vertrauliche Situation ausspart, und das Abhören, wenn es vor der Vertraulichkeit des Wortes haltmacht". Krit. zu diesem Ansatz Schwabe, NJW 1980, 2396 mit den im Text dargelegten Argumenten, darauf Schlink, NJW 1981, 565 und wieder Schwabe, ebd., S. 566.

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ken würden sich dann aus der Privatrechtsordnung ergeben. Gegen diesen Ansatz sind aber zu Recht Bedenken erhoben worden, da die Grenzen hoheitlichen Handelns mit denen des Privatrechtsverkehrs nicht notwendig identisch sind und auch die hierzu notwendige Identität von Aufgaben und rechtlich anzuerkennenden Zwecken der verfassungsschützenden und privaten Tätigkeit nicht besteht. Eine solche Gleichartigkeit wäre für diesen Ansatz aber nötig, um die privatrechtliche Interessenabwägung auf die Tätigkeit des Verfassungsschutzes übertragen zu können. 177 Möglich ist es natürlich auch, auf die „Reichweite" der im Urteil zum Volkszählungsgesetz aufgestellten Grundsätze abzuheben, um ihre Gültigkeit für die nachrichtendienstliche Ermittlungstätigkeit generell in Frage zu stellen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil auch ausdrücklich betont, es bestehe kein Anlaß zu einer erschöpfenden Erörterung des Rechts auf „informationelle Selbstbestimmung"; es sei nur über die Tragweite dieses Rechts für Eingriffe zu entscheiden, durch welche der Staat die Angabe personenbezogener Daten vom Bürger verlangt. 178 Wegen der Besonderheiten des in diesem Verfahren zu entscheidenden Sachverhalts gibt es auch Stimmen, die die Gültigkeit des informationellen Selbstbestimmungsrechts gleich auf Angelegenheiten der elektronischen Datenverarbeitung beschränken wollen. 1 7 9 M.E. kann man allerdings aus der Tatsache, daß das Gericht mehrfach die von der EDV ausgehenden Gefahren hervorhebt, nicht schließen, daß damit auch der Anwendungsbereich der im Urteil aufgestellten Grundsätze für staatliche Informationseingriffe eingegrenzt werden soll. Bei der Beurteilung der Frage, auf welche staatlichen Tätigkeitsbereiche sich die Grundsätze aus diesem Urteil erstrecken, ist natürlich zu bedenken, daß es sich bei dem zu beurteilenden „Volkszählungsgesetz 1983" um eine alle Bundesbürger erfassende statistische Erhebung handelte, während es hier um die Frage der Befungnisse eines nachrichtendienstlich arbeitenden Verfassungsschutzes zu individualbezogenen Eingriffen geht. Die „Eigen177 s. Evers, Verfassungsschutz und Polizei, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 69 Fn. 19; Schwabe, NJW 1980, 2396; Vahle, S. 131. Zuzugeben ist, daß man mit dieser Auffassung aus dem circulus vitiosus herauskommt, den die - in einigen neueren Verfassungsschutzgesetzen explizite, vgl. jew. § 4 nds., hamb. und bad.württb. VerfSchGe - Erlaubnis zum Einsatz „nachrichtendienstlicher Mittel" und gleichzeitige Bindung an die allgemeinen Rechtsvorschriften verursacht (einerseits ist die Abhörmaßnahme im Sinne des § 201 StGB „befugt", die Befugnisnorm bindet aber gerade wieder an die Beachtung dieser strafrechtlichen Verbotsnorm - s. Schlink, NJW 1980, 552, 555 Ii. Sp. unten). Da dieser Ansatz aber nicht tragfähig ist, ergibt sich ein neues Argument für die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung. 178 BVerfGE 65, 1 (S. 44f.). 179 Vgl. Roewer, NJW 1985, 773, 775 Ii. Sp. Mitte, der auch in der Befugniszuweisung i n § 3 I BVerfSchG kein Problem sieht; die Begriffe „sammeln", „auswerten" und „Amtshilfe leisten" seien ausreichend auch unter Zugrundelegung der Maßstäbe aus BVerfGE 65, 1. Ähnlich BVerwG, NJW 1984, 1636 = BVerwG, JZ 1984, 737 mit abl. Anm. Bull, JZ 1984, 740f. Zur Frage der Tragweite des VZG-Urteils s. a. Rogali, GA 1985, 1, 13ff.; gegen eine Einschränkimg auf den EDV-Bereich Gola, NJW 1985, 1196, 1197 re. Sp. u. Fn. 22 dort m.w.N. sowie Scholz / Pitschas, S. 141ff.

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arten" dieser Arbeitsweise wurden in der Vergangenheit auch ausgiebig herangezogen, um die Forderung nach einer genaueren Befugnisregelung zurückzuweisen. 180 M.E. werden nun genauere Befugnisregelungen durch eben diese „Eigenheiten" geradezu bedingt, auch ohne daß man das im Urteil zum Volkszählungsgesetz statuierte Prinzip der Normenklarheit sowie das Grundrecht auf „informationelle Selbstbestimmung" überhaupt allzu sehr strapaziert. Bei den heimlichen Observationshandlungen, also dem Einsatz „nachrichtendienstlicher Mittel" handelt es sich um Grundrechtseingriffe in die durch Art. 2 I GG geschützte Privatsphäre der Betroffenen, bei der Ermächtigung hierzu mithin um eine grundrechtsbeschränkende Entscheidung. Solcherart „wesentliche" Entscheidungen hat der Gesetzgeber grundsätzlich selbst zu treffen; er muß die Voraussetzungen zumindest so genau bestimmen, daß die Befugnis zur Begrenzung der Grundrechte nicht völlig in das Ermessen der Verwaltung oder des Richters gelegt w i r d . 1 8 1 Auf genau dies läuft die unbestimmte Ermächtigung zum Einsatz „nachrichtendienstlicher Mittel" aber hinaus; Maßstäbe dafür, in welchen Situationen wieweit in die Privatsphäre einer Person eingegriffen werden darf, lassen sich dem BVerfSchG nicht entnehmen. Nun kann man natürlich nicht bestreiten, daß dem nachrichtendienstlichen Verfassungsschutz ein weiter Bewegungsrahmen 1 8 2 zur Erfüllung seiner Aufgaben zugestanden werden muß. Dies ergibt sich gerade aus seiner ebenfalls recht unbestimmten Aufgabenstellung in § 3 I BVerfSchG, die aber kaum zu ändern ist - eine Anbindung der Eingriffstätigkeit an Straftatbestände würde dem Zweck des Verfassungs180 vgl. f ü r alle Friedrichs, S. 49 ff. 181 Zur sog. „Wesentlichkeitstheorie" das BVerfG vgl. BVerfGE 41, 251, 259 m.w.N. sowie Hesse, Verfassungsrecht 14. Auflage, Rdnrn. 313 u. 509. Krit. hierzu Kisker, NJW 1977, 1313 (S. 1317 re. Sp. unten: „fatale Rechtsunsicherheit") und Kloepfer, JZ 1984, 685 (S. 692 re. Sp. oben: „Wesentlich ist, was das BVerfG dafür hält"). Aber auch nach den Kriterien dieser Autoren dürfte ein staatlicher Eingriff i n die Privatsphäre durch die Nachrichtendienste dem Gesetzesvorbehalt unterfallen. Kisker stellt für die Regelungsbedürftigkeit durch Gesetz auf die politische Umstrittenheit der Materie ab und wagt die Gleichung: Wesentlich = politisch kontrovers (aaO., S. 1318 Ii. Sp. unten). Dieses Kriterium erfüllen Eingriffsbefugnisse in Grundrechte des Bürgers zu staatsschützenden Zwecken zu allen Zeiten. Kloepfer hält bei Grundrechtseingriffen wenigtens einen sog. „Rechtssatzvorbehalt" (aaO., S. 693 f.) für erforderlich, also eine Regelung durch zumindest materielles Gesetz, welche durch interne Verwaltungsvorschriften nicht geschaffen werden kann (S. 693 Fn. 94). Andere Richtlinien gibt es im Bereich des Einsatzes „nachrichtendienstlicher Mittel" aber bislang nicht. 182 Der Ausdruck stammt von Friedrichs, S. 53, der diesen weiten Rahmen aber gleich damit begründet, der Verfassungsschutz müsse, „wohlgemerkt ausnahmsweise", im Falle hochgradiger Gefährdungen der Allgemeinheit „bis an die Grenzen dessen gehen können, was vom Rechtsstaat erlaubt und geboten ist" (nach Helmut Schmidt). Das ist wiederum falsch. Der weite Bewegungsrahmen des Verfassungsschutzes resultiert aus seiner Aufgabe in der Normallage; er ist nicht zur Bewältigung von Ausnahmesituationen irgendwelcher Art gedacht. Vgl. zu diesem Thema Böckenförde, Der verdrängte Ausnahmezustand, NJW 1978, 1881 ff.

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schutzes nicht entsprechen, sondern ihn vielmehr zunichte machen. 183 Diese notwendig unbestimmte Regelung der Eingriffsvoraussetzung bringt jedoch noch einen anderen Aspekt ins Spiel. Lassen sich die materiellen Voraussetzungen für eine staatliche Maßnahme nur durch ausfüllungsbedürftige Normbegriffe und Generalklauseln umschreiben, werden Organisationsund Verfahrensnormen um so wichtiger, zum möglicherweise einzigen Mittel der Grundrechtsverwirklichung und -Sicherung. 184 Auch von daher wird die rechtsstaatliche Notwendigkeit einer genaueren Regelung der Befugnisse des nachrichtendienstlichen Verfassungsschutzes deutlich. Es handelt sich hier eben nicht nur um eine „rechtspolitische Frage". 1 8 5 Es ist also - unabhängig von der möglichen „Reichweite" des Urteils zum Volkszählungsgesetz 1983 davon auszugehen, daß in jedem Falle die Notwendigkeit besteht, § 3 BVerfSchG hinsichtlich der Befugnis zum Einsatz „nachrichtendienstlicher Mittel" neu zu fassen. 186 Aus dem angesprochenen weiten Bewegungsrahmen, der für die Erfüllung der Aufgaben des Verfassungsschutzes notwendig ist, ergibt sich die Unmöglichkeit einer abschließenden Definition der einsetzbaren Mittel. Nichts hindert aber die Kombination einer beispielhaften Aufzählung solcher Mittel mit einer beschränkten Generalklausel über weitere Maßnahmen, die in ihrer Eingriffsintensität nicht schwerer sein dürfen und einer Klarstellung der ausdrücklich nicht zugelassenen Mittel. 1 8 7 Durch Organisations- und Verfahrensnormen muß ferner sichergestellt werden, daß eine grundlose Überwachung durch den Verfassungsschutz nicht zulässig ist, also zureichende tatsächliche Anhalts183

A.A. z.B. Schatzschneider, S. 175f. Direkt angesprochen im Sondervotum Simon und Heußner zum MühlheimKärlich-Beschluß, BVerfGE 53, 30 (75ff.) m.w.N., aber auch schon in der KalkarEntscheidung BVerfGE 49, 89 (133ff.) und in BVerfGE 33, 303 (341). Allgemein zum Grundrechtsschutz durch Verfahrensnormen Hesse, Verfassungsrecht 14. Auflage, Rdnrn. 358 - 360, und ders., EuGRZ 1978, 427, 434ff. Auch die oben angeführte Wesentlichkeitstheorie ist eine Ausprägung des Grundrechtsschutzes durch Verfahrensnormen, s. ebd., S. 435 re. Sp. oben. 185 Dies meint offenbar Vahle, S. 135 f., der allerdings die „nachrichtendienstlichen Mittel" so interpretiert, daß Verstöße gegen § 201 StGB durch § 3 BVerfSchG pauschal nicht gedeckt sein sollen; s. nunmehr hierzu auch Kniesel / Tegtmeyer / Vahle (Fn. 162), Rdnrn. 805ff., die ebenfalls Abhörmaßnahmen „i.d.R. nicht durch §3 BVerfSchG gedeckt" wissen wollen (Rdnr. 816 dort). 186 Für besonders intensive Ermittlungsmethoden im polizeilichen Bereich wird ebenfalls verstärkt die Forderung nach einer gesetzlichen Befugnisregelung erhoben, vgl. Rogali, GA 1985, 1, 25f. für die polizeiliche Überwachung und Beobachtung („Befa") sowie die Rasterfahndung, und Felix Herzog, NStZ 1985, 153, 158 für „tatprovozierende verdeckte Ermittlungen" (also V-Leute), jeweils im Rahmen eines „§ 100c StPO" unter Übernahme der Voraussetzungen für die strafprozessuale TÜ. Zum letzteren Vorschlag bleibt allerdings zu sagen, daß die staatliche Provokation zur Begehung von Delikten durch eine richterliche Anordnung um keinen Deut besser wird. Eine gesetzliche Befugnisnorm für das präventive wie repressive Datensammeln der Polizei (die Regelungen i n den Polizeigesetzen und §§161, 163 StPO genügen nicht) fordert auch Merten, DÖV 1985, 518ff. 184

1 87 Vgl. Bull (Fn. 51), S. 146; s. a. Riegel, DVB1. 1985, 765, 768 und Bäumler (Fn. 172), S. 49.

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punkte für verfassungsfeindliche Betätigungen vorliegen müssen. 188 Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot der Sammlung von Daten „auf Vorrat" betont und die Gefahr einer persönlichkeitsfeindlichen Katalogisierung und Registrierimg des einzelnen hervorgehoben. 189 Auch dies bedingt eine genauere Befugniszuweisung. Die dagegen vorgebrachten „praxisnahen" Bedenken halten nicht stand. 190 Die nachrichtendienstlichen Techniken mögen sich rasch ändern: die Grundrechtsbeeinträchtigungen, um deren Begrenzungen es hier geht, dürften wohl immer dieselben bleiben. Um eine exakte Aufzählung der zulässigen und unzulässigen Techniken kann es sich wegen der Eigenart nachrichtendienstlichen Handelns freilich nicht handeln, sondern um eben diese „Grenzziehung". 191 Diese ist gesetzestechnisch möglich. Auch der Einwand, es sei „gerade für einen Nachrichtendienst unerträglich . . . , wenn er in seinen Handlungen ,ausgerechnet 4 werden könnte", 1 9 2 vermag keineswegs zu überzeugen: Dann könnte man ja auch gegen das G 10 zu Felde ziehen mit dem Argument, es würde gerade die gefährlichsten, weil eventuell strafrechtlich relevanten „Verfassungsfeinde" dazu veranlassen, bei ihren konspirativen Verabredungen nunmehr auf das Telefonieren und die sonstigen Dienstleistungen der Post zu verzichten. Zusammenfassend läßt sich daher sagen, daß verfassungsrechtliche Gründe auch die Neufassung des § 3 BVerfSchG fordern. Hierbei geht es nicht um eine Präzisierung der Aufgabenstellung, da diese nicht genauer zu bestimmen ist, wenn der Verfassungsschutz seine „Vorfeldbeobachtung" noch effizient erfüllen soll. Hinsichtlich der den Einbruch in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre erlaubenden bzw. notwendigerweise mit sich bringenden „nachrichtendienstlichen Mittel" ist eine Präzisierung hinsichtlich der Voraussetzungen und der Grenzen ihrer Anwendung dringend erforderlich; besonderes Gewicht ist hierbei auf Organisations- und Verfahrensnormen zu legen. So könnte man für bestimmte schwerwiegende Maßnahmen durchaus ein Antragserfordernis und eine Benachrichtigungspflicht vorsehen. Für das notwendige Fortwirken der Ämter für Verfassungsschutz kann man sich - wie bei BND und M A D - wieder an die „Schonfrist" des Bundes188 s. auch Vahle, S. 135 sowie Friesenhahn (Fn. 153), S. 95 oben. Eine dieser Forderung entsprechende Regelung w i r d versucht in den neueren Verfassungsschutzgesetzen von NRW (vgl. Fn. 15 hier) und von Rheinland-Pfalz (vom 26.3.1986, GVBl. S. 73), wo allerdings eine Definition der „nachrichtendienstlichen Mittel" ebenfalls unterbleibt. Zur Problematik solcher Regelungen s. a. Fn. 200 hier. 189 Vgl. BVerfGE 65, 1 (S. 46, 48 und 57) - die Frage der Reichweite stellt sich hier natürlich nicht, vgl. schon den Mikrozensus-Beschluß BVerfGE 27,1 (6). 190 Zu diesen Bedenken s. Friedrichs, S. 50ff. und Hömig (Fn. 161), S. 25ff. 191 So schon Schwagerl, DÖV 1974, 109, 114 Ii. Sp. Mitte. 192 Friedrichs, S. 52.

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Verfassungsgerichts halten. 1 9 3 Allzulange dürfte der Gesetzgeber aber auch hier nicht untätig bleiben. c) Die Frage der analogen Anwendbarkeit des § 34 StGB im Bereich des Verfassungsschutzrechts Da § 3 BVerfSchG keine wohnungsbezogenen „Lauschangriffe" stützt, wurde im „Fall Traube" 1 9 4 wie auch bei anderen Abhörmaßnahmen und sonstigen befugnislosen staatlichen Eingriffen („Kontaktsperre") 1 9 5 auf die Anwendimg des § 34 StGB im öffentlichen Recht zurückgegriffen. Im hier interessierenden Zusammenhang braucht diese Frage aber nicht erschöpfend erörtert zu werden. Es entspricht der wohl allgemeinen Meinung, daß der Rückgriff auf § 34 StGB jedenfalls dann unzulässig ist, wenn ein bestimmter Interessenkonflikt durch öffentlich-rechtliche Sondervorschriften abschließend geregelt ist. 1 9 6 I n Art. 13 I I I 1. Alt. GG findet sich eine verfassungsunmittelbare Eingriffsermächtigung zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder Lebensgefahr für einzelne Personen. Ansonsten sind nach der zweiten Alternative des Art. 13 I I I GG nur Eingriffe auf Grund eines Gesetzes zur Verhütung von bestimmten Gefahren zulässig. Hierin muß man eine abschließende Regelung der staatlichen Eingriffsbefugnisse in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung sehen; eine Lücke, die § 34 StGB ausfüllen könnte, gibt es nicht. Art. 13 I I I 1. Alt. GG enthält insoweit eine eigenständige „Notstandsregelung". 197 Bei den übrigen, nicht wohnungsbezogenen Überwachungsmaßnahmen, die lediglich Art. 2 I GG beeinträchtigen, stellt sich das Problem der Notstandsrechtfertigung gar nicht, da die Schwellenwerte für staatliche Eingriffe hier in der Regel mangels einer „Kernbereichsberührung" niedriger 193 v g l Nachweise i n Fn. 156. Daß diese Duldung keinesfalls für Eingriffe der Verfassungsschutzbehörden i n Art. 13 GG gelten kann, da ihnen diese Befugnisse schon seit jeder abgesprochen wurden (vgl. etwa Evers, Privatsphäre, S. 198 ff.), bedarf keiner weiteren Erörterung. 194 Bundesinnenminister Maihofer vor dem Bundestag am 16. 3. 1977, vgl. Bulletin (Fn. 139), S. 244 re. Sp. 195 Eine zusammenfassende Schilderung findet sich bei Ruppelt, Maßnahmen ohne Rechtsgrundlage, 1984, S. 3 - 6 m.w.N. sowie bei Grebing, GA 1979, 81, 102ff.; s. a. Böckenförde (Fn. 182), S. 1882 Ii. Sp., und speziell zur Überwachung von Verteidigergesprächen Dahs, ZRP 1977, 164, 168. 196 Vgl. Lenckner, in: Schönke / Schröder, StGB-Kommentar, 21. Auflage 1982, Rdnr. 7 zu § 34 m.w.N. 197 s. Grebing (Fn. 195), S. 102; Friedrichs, S. 125; de Lazzer / Rohlf, S. 212 re. Sp. oben; unklar, aber wohl ebenso Denninger, in: DER SPIEGEL 11/77 vom 7.3.1977, S. 24 re. Sp. Mitte. Nicht berücksichtigt w i r d dies z. B. von Lenckner aaO., wo zwar zunächst das eben angeführte Rückgriffsverbot bei abschließender öffentlich-rechtlicher Sonderregelung erkannt, dann aber doch die Möglichkeit der Rechtfertigung eines „Lauschangriffes" auf Terroristen nach § 34 StGB bejaht wird, sowie von Gössel, JuS 1979,162, 166 a.E.

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II. Nachrichtendienstliche Überwachung im deutschen Recht

angesetzt werden. Die Diskussion um die Übertragbarkeit des rechtfertigenden Notstandes aus dem Strafrecht in das öffentliche Recht kann daher im weiteren außer Betracht bleiben. 198 5. Ergebnis für den Geltungsbereich des Grundgesetzes

Geheime Überwachungsmaßnahmen außerhalb des G 10 sind in der Bundesrepublik Deutschland de lege lata nur in beschränktem Umfang zulässig. In ihrer schwersten, auf die Ausforschung von Wohnräumen gerichteten Form können sie nur auf die verfassungsunmittelbare Eingriffsermächtigung des Art. 13 I I I 1. Alt. GG gestützt werden, die nur Abwehr konkreter Gefahren für höchste Rechtsgüter erlaubt. Für eine Ausweitimg auf gefahrverhütende und damit zu nachrichtendienstlichen Zwecken erst sinnvolle „Lauschangriffe" bedarf es nach Art. 13 I I I 2. Alt. GG eines formellen Gesetzes, das wegen der Nähe dieser Eingriffe zum durch Art. 2 I in Verbindung mit Art. 11 GG absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung strengsten Anforderungen zu genügen hat und keinesfalls eine bloße Ausweitung des G 10 auf das Abhören unmittelbar geführter Gespräche darstellen darf. Ein solches Gesetz ist derzeit nicht existent; derartige Maßnahmen durch die Nachrichtendienste wären damit rechtswidrig. 199 Sonstige, die Grundrechte des Betroffenen aus Art. 10 und Art. 13 GG nicht tangierende Überwachungsmaßnahmen sind an dem durch Art. 2 I GG gewährleisteten Schutz der Privatsphäre zu messen. Staatliche Eingriffe zur Erhaltung wichtiger Gemeinschaftsgüter sind hier unter weniger strengen Voraussetzungen möglich, sofern der erwähnte Kernbereich 198 Die wohl vollständigste Aufzählung der verschiedenen Autoren findet sich bei Ruppelt (Fn. 195), S. 114 f. Fn. 1 sowie bei Lenckner aaO. Manche Thesen i n diesem Zusammenhang sind allerdings erstaunlich; vgl. etwa Sydow, JuS 1978, 222, 224 re. Sp. unten, nach dem ein Polizeibeamter, der einen des erpresserischen Menschenraubes nach § 239 a StGB dringend Verdächtigen durch „Drohungen und Tätlichkeiten" dazu zwingt, den Aufenthaltsort des Opfers preiszugeben, durch § 32 StGB (Nothilfe) gerechtfertigt und nur die erzwungene Aussage wegen des Verstoßes gegen § 136 a StPO unverwertbar sein soll. Zum neuesten Stand der Diskussion s. Riegel, NVwZ 1985, 639, nach dem sich inzwischen das Verbot des staatlichen Rückgriffs auf die §§ 32, 34 StGB als herrschende Meinung durchgesetzt hat, der betroffene Beamte sich jedoch i n einem eventuellen Strafverfahren mit diesen Normen rechtfertigen könne. Anhaltspunkte für diese (wohl richtige) Ansicht meint Riegel im Urteil des BVerfG zum Volkszählungsgesetz entdecken zu können und versieht sie mit der „Bindungswirkung" des § 311 BVerfGG. Zu seiner Methode der Auslegung von Gerichtsentscheidungen vgl. schon Fn. 36 und Kap. V, Fn. 112). 199 i n § h des Landesverfassungsschutzgesetzes von Rheinland-Pfalz vom 26.3.1986 (GVB1. S. 73) ist bestimmt, daß auf Grund dieses Gesetzes das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) eingeschränkt werden kann. Zusätzlich findet sich i n § 5 I des Gesetzes eine Ermächtigung zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel unter Voraussetzungen („tatsächliche Anhaltspunkte"), die etwa denen des § 6 I I E-BVerfSchG entsprechen. Daß dies zur Rechtfertigung wohnungsbezogener Überwachungsmaßnahmen nach dem hier Gesagten natürlich nicht ausreicht, bedarf keiner weiteren Erörterung.

5. Ergebnis für den Geltungsbereich des Grundgesetzes

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p r i v a t e r Lebensgestaltung n i c h t b e r ü h r t w i r d . D i e einzige h i e r f ü r i n Frage k o m m e n d e E r m ä c h t i g u n g i n § 3 I I I 2 BVerfSchG, die dem Bundesamt f ü r Verfassungsschutz den Einsatz „ n a c h r i c h t e n d i e n s t l i c h e r M i t t e l "

erlaubt,

genügt jedoch weder dem rechtsstaatlichen Gebot, daß der Gesetzgeber die Voraussetzungen z u Grundrechtseinschränkungen i n i h r e n wesentlichen Z ü g e n selbst b e s t i m m e n muß u n d dies n i c h t der E x e k u t i v e überlassen darf, n o c h gewährleistet sie eine K o n t r o l l e der n a c h r i c h t e n d i e n s t l i c h e n E i n g r i f f s t ä t i g k e i t u n d d a m i t einen effektiven Grundrechtsschutz der Betroffenen. Sie ist daher entsprechend umzugestalten. B e i den beiden anderen N a c h r i c h t e n d i e n s t e n des Bundes - Bundesnachrichtendienst u n d M i l i t ä r i s c h e r A b s c h i r m d i e n s t - entbehrt die gesamte E i n g r i f f stätigkeit zur I n f o r m a t i o n s e r m i t t l u n g außerhalb des G 10-Bereichs einer gesetzlichen Grundlage. Dieser Z u s t a n d ist rechtsstaatlich n i c h t h i n n e h m bar. D i e d r i n g e n d erforderliche gesetzliche Regelung f ü r B N D u n d M A D ist entsprechend dem z u r Eingriffsbefugnis des Verfassungsschutzes Gesagten vorzunehmen.200

200 Ob die Ende Januar 1986 von der Regierungskoalition vorgelegten Entwürfe für ein neues BVerfSchG, ein MAD-Gesetz (E-MADG) und ein Zusammenarbeitsgesetz betreffend die Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden (E-ZAG) - vgl. hierzu die Fundstellen in Kap. I, Fn. 3 - an der hier dargestellten unbefriedigenden Rechtslage im Falle ihrer Verabschiedung viel geändert hätten, erscheint fraglich. Begrüßenswert ist zwar die Absicht, auch die Arbeit von MAD und BND (letzteres i n § 15 E-ZAG) gesetzlich zu regeln. Hinsichtlich des Einsatzes „nachrichtendienstlicher Mittel" haben die Gesetzesentwürfe jedoch nicht das hier für erforderlich gehaltene Maß an Klarheit auf zuweisen - vgl. §§ 5 I, II, 6 I I E-BVerfSchG, § 4 I E-MADG, § 15 I, I I E ZAG. Eine Definition des Begriffes „nachrichtendienstliche Mittel" unterbleibt auch hier völlig; s. dazu die Begründimg in BT-Drs. 10/4737, S. 52 (mit derselben Argumentation wie 1972; vgl. dazu Fn. 14 hier). Insbesondere fehlt es den Entwürfen an der angesprochenen „Grenzziehung" (vgl. Fn. 190 - 192 hier und den zugehörigen Text) zwischen erlaubten und nicht erlaubten Maßnahmen. Die Anbindung des Einsatzes der Mittel an das Vorhandensein „tatsächlicher Anhaltspunkte" für verfassungsfeindliche Betätigung (§ 6 I I Nr. 1 E-BVerfSchG, § 4 I E-MADG, § 15 I I 1 Nr. 1 E-ZAG) erscheint ebenfalls als nicht völlig ausreichend; wegen der „Bandbreite" der Aufgaben des Verfassungsschutzes in § 3 I E-BVerfSchG wäre hier eine noch genauere Differenzierung geboten gewesen. Zu begrüßen ist die mehrmalige Erwähnung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (§§5 II, 6 I I E-BVerfSchG, § 4 I E-MADG, § 15 I I E-ZAG), wobei aber wieder offengelassen wird, gegen wen sich das nachrichtendienstliche Mittel richten darf bzw. unter welchen Voraussetzungen auch die Überwachung unbeteiligter Dritter möglich ist. Vgl. hierzu die gute K r i t i k von Bäumler, DÖV 1986, 496, 498f. u. ders., DVB1. 1986, 496, 499 (zum E-MADG) sowie Riegel, RiA 1986, 193, 197 u. ders., CuR 1986, 343, 348.

I I I . Der völkerrechtliche Aspekt: Die Beurteilung der Spionage und die Frage der erlaubten Abwehr insbesondere die Überwachung der offiziellen Vertreter fremder Mächte auf eigenem Staatsgebiet 1. Allgemeine Feststellungen

Von den im vorigen Kapitel erörterten Befugnissen der Nachrichtendienste zum Einsatz geheimer Überwachungsmaßnahmen w i r d man mit Sicherheit sagen können, daß sie - auch unter Juristen - ein innenpolitisches Reizthema darstellen. Diejenigen Autoren, die mit einer Erweiterung der nachrichtendienstlichen Befugnisse und einer Erleichterung des Einsatzes solcher Maßnahmen durch diese Behörden den „Weg in den Überwachungsstaat" beschritten sehen, monieren insbesondere, „daß bei der Beobachtung von Einzelpersonen oder Organisationen, die sich um politische Partizipationschancen bemühen, Methoden eingeschleppt werden, die dem Gesetz der Gesetzlosigkeit in der Spionage entstammen." 1 Anlaß zu dieser Klage ist die Aufgabenzuweisung für das Bundesamt für Verfassungsschutz in § 3 I Ziff. 1 - 3 BVerfSchG, die den vorbeugenden Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung mit der Aufgabe der Spionageabwehr für dieselbe Behörde kombiniert. Diese Zusammenfassung mag ihre Ursache darin haben, daß eine genaue Trennung zwischen verfassungsgefährdenden „inneren" Bestrebungen und vom Ausland her kommender nachrichtendienstlicher Agententätigkeit schwer möglich ist. 2 Es bedarf aber keiner weiteren Erörterung, daß die Beobachtimg und Abwehr zumindest der „inneren" Verfassungsgegner nur im Rahmen der geltenden Rechtsordnung geschehen darf. Dies war auch die wesentlichste Aussage der im letzten Jahrzehnt recht intensiv gewordenen Diskussion um die Befugnisse speziell des Verfassungsschutzes. Dessen Befugnisse auf dem Gebiet der Spionageabwehr waren dagegen nur im obenerwähnten Zusammenhang Gegenstand von Erörterungen, um vor der Übertragung „gesetzloser" Spionageabwehrmethoden in den innenpolitischen Bereich zu warnen. Fraglich ist, ob eine unterschiedliche Behandlung des innenpolitischen Sicherungsdienstes zur Abwehr von verfassungsgefährdenden Bestrebun1 So Schatzschneider, S. 283; vgl. a. H. P. Schneider, in: Narr, Wir Bürger als Sicherheitsrisiko, S. 112f., und Lisken, NJW 1982, 1481, 1484 re. Sp. oben. 2 Vgl. Hans Detlev Becker, in: Verfassungsschutz 1966, S. 144f., und nunmehr auch Borgs / Ebert, Teil A, § 3 Rdnrn. 87 - 92.

1. Allgemeine Feststellungen

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gen und der Spionageabwehr, die von diesen Meinungen offenbar vorausgesetzt wird, auch gerechtfertigt wäre. Unter der Spionageabwehr ist die Abwehr von Bestrebungen fremder Mächte zur Beeinträchtigung der äußeren Sicherheit des eigenen Staates, also die Abwehr von außen kommender Einflüsse zu verstehen. Ob für die Beobachtung und Verfolgung von Agenten einer fremden Macht mittels geheimer Überwachungsmaßnahmen in dem im vorigen Kapitel beschriebenen Sinne andere rechtliche Maßstäbe3 zu gelten haben als bei der Überwachung „subversiver" Kräfte im innenpolitischen Bereich, soll im Rahmen dieser Arbeit geklärt werden. Zur Entscheidung über diese Frage ist die völkerrechtliche Beurteilung der Spionage eines Staates gegen einen anderen von Bedeutung. Falls man z.B. die Spionage als ein völkerrechtliches Delikt einzustufen hätte, könnten sich hieraus bei der Frage der gebotenen Abwehrmaßnahmen des ausgespähten Staates die eben genannten „anderen rechtlichen Maßstäbe" vielleicht rechtfertigen. Angesichts der modernen technischen Methoden zur Ausspähung fremder Staaten (z.B. Beobachtungssatelliten, Horchstationen in Grenznähe, Beobachtung aus Luftfahrzeugen in großen Höhen, „Spionageschiffe" ect.), die offensichtlich immer bedeutungsvoller werden, liegt der Gedanke nahe, die „klassische Spionage" durch das Eindringen von Agenten in sicherheitsrelevante Bereiche des auszuspähenden Staates als altmodisch und obsolet anzusehen.4 Gerade die Enttarnung bzw. das Sich-Absetzen mehrerer DDRAgenten in letzter Zeit widerlegen diese These jedoch recht eindrucksvoll. Die Lage der Bundesrepublik Deutschland an der Nahtstelle der zwei militärischen Machtblöcke scheint den Einsatz vor allem der von der DDR gesteuerten Agenten besonders lohnend zu machen. Den gleichen Schluß läßt auch die Statistik der rechtskräftigen Verurteilungen wegen Landesverrats, geheimdienstlicher Agententätigkeit oder sicherheitsgefährdenden Nachrichtendienstes (§§ 98, 99, 109f StGB) zu; von 1970 bis 1979 bewegten sich die Zahlen der Verurteilungen in der Bundesrepublik Deutschland immer zwischen 30 und 50.5 Im Jahre 1982 haben Gerichte der Bundesrepu3 s. Becker, S. 141, wo vom „gesetzlosen Raum" gesprochen wird, in dem sich die Spionage und ihre Abwehr abspielen sollen. Vgl. a. Bäumler, AöR 110 (1985), S. 36: „Der Spion, der Strafrechtsnormen verletzt, w i r d sich weit weniger auf Grundrechtsnormen berufen können, als ein Teilnehmer am politischen Willensbildungsprozeß. Vereinfacht könnte man sagen: Was gut und richtig für die Bekämpfung von Spionen einer fremden Macht ist, muß nicht unbedingt gut und richtig für die Beobachtung extremistischer Bestrebungen im eigenen Volk sein". 4 So z.B. Rauch, in: EPIL Instalment 3, Stichwort „Espionage", S. 171 li. Sp. unten; s. dagegen bereits die Ausführungen im Urteil zu § 3 G 10, BVerfGE 67,157 (176ff.) = BVerfG, NJW 1985, 121, 123 re. Sp. oben, und die Anm. von Arndt, NJW 1985, S. 109 re. Sp., wonach es eben nicht möglich ist, die Gefahr eines Angriffskrieges rechtzeitig allein durch Satellitenbeobachtung zu erkennen. 5 Diese Angaben stammen von Fricke, Spionage gegen die Bundesrepublik Deutschland, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, 1981, S. 297, 316.

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III. Der völkerrechtliche Aspekt: Spionage und ihre Abwehr

blik einschließlich West-Berlin 25 Personen rechtskräftig wegen Straftaten im Bereich „Landesverrat und äußere Sicherheit" (§§ 93 bis 101 a StGB) verurteilt. 6 Insgesamt soll es in der Bundesrepublik ungefähr 3500 bis 4.000 Spione geben, 80% davon im Auftrage der DDR. 7 Letzteres sind natürlich Angaben, die weder exakt zu ermitteln noch hier nachprüfbar sein können. Es ist aber wenigstens die Feststellung möglich, daß gerade für die Bundesrepublik Deutschland die Frage nach der erlaubten Abwehr der Spionage durch Agenten für eine fremde Macht ihre Bedeutung behält und nicht hinter die erwähnten modernen Ausspähungstätigkeiten zurücktritt. 8 Die völkerrechtliche Beurteilung dieser Techniken („Weltraumausspähung" etc.) w i r d hier nicht untersucht. 9 2. Die völkerrechtliche Beurteilung der Spionage

a) Die Regelungen über die Spionage im Verlauf bewaffneter Konflikte zwischen Staaten (Kriegsspionage) Die völkerrechtliche Relevanz nachrichtendienstlicher Tätigkeit im Ausland w i r d meist unter dem besonderen Aspekt des Kriegsvölkerrechts untersucht, wobei im Mittelpunkt die Frage steht, ob ergriffene Spione den völkerrechtlichen Kombattantenstatus in Anspruch nehmen können. 10 An der völkerrechtlichen Erlaubtheit der Spionage in Kriegszeiten wird man kaum zweifeln können; gerade neuere Kodifikationen zum Kriegsvölkerrecht sprechen sehr hierfür. So verbietet Art. 39 des 1. Zusatzprotokolls zu dem 6 Vgl. Harnischmacher / Heumann, Die Staatsschutzdelikte in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart u.a. 1984, S. 145. Im Jahre 1986 kam es lediglich zur Verurteilung von 14 Personen wegen Straftaten in diesem Bereich. Im gleichen Zeitraum wurden aber 43 Personen wegen des Verdachts auf geheimdienstliche Agententätigkeit für östliche Nachrichtendienste durch die Strafverfolgungsbehörden festgenommen; in 32 Fällen wurde Haftbefehl erlassen. Vgl. Verfassungsschutzbericht 1986, S. 265. 7 Harnischmacher / Heumann, ebd. In den fünfziger Jahren lagen die Zahlen bei den Verurteilungen erheblich höher, die entsprechenden Delikte waren aber auch weiter gefaßt, s. dazu Evers, Privatsphäre, S. 91 - 93, sowie für 1959 bis 1964 die Zahlen von Könitzer, Methoden und Täter bei politischen Straftaten gegen Strafgesetze der Bundesrepublik Deutschland, Diss. Köln 1966, S. 11, der i.ü. (1966) von 16 000 östlichen Agenten auf dem Gebiet der BRD ausgeht. Vgl. zur Schwierigkeit solcher Schätzungen auch die Bemerkungen von Martin, JZ 1975, 312, 313 re. Sp., und Schwagerl, JZ 1975, 664 re. Sp. β So auch Gusy, NZWehrR 1984, 187; a. A. Rauch, in: EPIL (Fn. 4). 9 Zu einem neueren Fall der Ausspähung durch (Unter-) Wasserfahrzeuge vgl. Berg, ZaöRV 42 (1982), S. 295 ff., und zu den Schwierigkeiten der Klassifizierimg dieser Praktiken als „Spionage" Cohen-Jona than / Kovar, Annuaire Français de Droit International Bd. 6 (1960), S. 239, 246ff. 10 Dazu Berber, VölkerR II, 2. Aufl. 1969, S. 147 f. Ein Spion als Angehöriger der feindlicher Streikräfte ist ein sog. illegaler oder nichtprivilegierter Kombattant und unterliegt lediglich einem menschenrechtlichen „Minimalschutz", der in letzter Zeit etwas präzisiert wurde, vgl. Art. 45 (3) des im Text erwähnten 1. Zusatzprotokolls zum Genfer Abkommen von 1977.

2. Die völkerrechtliche Beurteilung der Spionage

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Genfer Abkommen vom 12.8.1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (unterzeichnet am 12.12.1977) 11 den kriegführenden Parteien den Gebrauch von Flaggen, Uniformen, Abzeichen o. ä. neutraler oder anderer Staaten bzw. der gegnerischen Truppen. In Abs. 3 dieser Vorschrift heißt es jedoch, daß die „existing generally recognized rules of international law applicable to espionage" durch diese Verbote unberührt bleiben sollen. Diese Regelung wäre bei einem generellen Verbot der Spionage in Kriegszeiten nicht notwendig gewesen; sie hätte dann auch keinen Anwendungsbereich. Man kann daher von der völkerrechtlichen Erlaubtheit der Kriegsspionage ausgehen.12 b) Die Spionage in Friedenszeiten Im Rahmen dieser Arbeit ist aber allein die Ausspähung eines Staates durch einen anderen in Friedenszeiten interessant. Die Völkerrechtswissenschaft hat sich der Frage nach ihrer rechtlichen Beurteilung bislang wenig angenommen; in den neueren Standardwerken und Lehrbüchern in deutscher Sprache 13 w i r d sie jedenfalls nicht behandelt. Feststellen läßt sich zunächst, daß positive Regelungen, wie sie für die Kriegsspionage z.B. in den Art. 29 bis 31 der Haager Landkriegsordnung und den Art. 39 und 45 bis 47 des erwähnten 1. Zusatzprotokolls zum Genfer Abkommen über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte vorhanden sind, für die Friedensspionage nicht existieren. Einen völkergewohnheitsrechtlichen Satz, der den Organen eines Staates nachrichtendienstliche Betätigung im Ausland verbietet, w i r d man angesichts der allgemeinen staatlichen Praxis zur Unterhaltung geheimer Nachrichtendienste kaum annehmen können. Der hierfür erforderliche enorme finanzielle Aufwand 1 4 muß von den verantwortlichen Regierungen politisch 11 Der gesamte Text findet sich im Anhang zu Bothe / Ipsen / Partsch, ZaöRV 38 (1978) 1, 86ff. Vgl. ferner hierzu Kimminich, Einführung i n das Völkerrecht, 2. Aufl. 1984, S. 427 ff. 12 Rauch, in: EPIL (Fn. 4); ebenso Hinz, in: Strupp / Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, 2. Auflage, Bd. 3, Stichwort „Spionage", S. 298ff. und Langkau, Völker· und landesrechtliche Probleme der Kriegs- und Friedensspionage - unter besonderer Berücksichtigung der Ausspähung aus dem Luft-, See- und Weltraum, Diss. Würzburg 1971, S. 84ff. 13 Vgl. Menzel / Ipsen, Völkerrecht, 2. Aufl. 1979; Kimminich (Fn. 11); Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht, 1976 und 2. Aufl. 1981 (s. aber jetzt die 3. Aufl. 1984, § 1177 u. S. 774 Fn. 52); Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Bde. I - III, 2. Aufl., 1969 - 1977. 14 Der Etat der diversen US-amerikanischen Geheimdienste (s. zur amerikanischen „Intelligence Community" auch Kap. IV., Fn. 169) hat einen jährlichen Umfang von mehreren Milliarden US-Dollar; vgl. dazu die Angaben i n Encyclopaedia Britannica, 15. Aufl. 1985, Macropaedia Bd. 21, S. 719 - 721, und bei Fain / Plain / Milloy, The Intelligence Community, New York and London 1978, S. 155 ff. Der deutsche Bundesnachrichtendienst hatte nach Presseberichten (s. DER SPIEGEL Nr. 12/1984 vom

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III. Der völkerrechtliche Aspekt: Spionage und ihre Abwehr

gerechtfertigt werden; „Ergebnisse" kann ein geheimer Nachrichtendienst aber nur durch das Auskundschaften fremder Staatsgeheimnisse beibringen, also eben durch Spionage. 15 Andererseits pflegen Staaten, die selbst solche „Dienste" unterhalten, ergriffene Spione fremder Mächte bei sich streng zu bestrafen (es sei denn, es bietet sich eine günstige Gelegenheit zum Austausch „eigener Leute"). Hält man diese beiden Praktiken - einerseits das Betreiben staatlicher Einrichtungen zur Spionage im Ausland, andererseits die strenge Bestrafung enttarnter Spione im eigenen Land - gegeneinander, so ergibt sich hier die „eigentümliche Dialektik, daß dieselbe Tätigkeit auf der einen Seite rechtmäßig, auf der anderen Seite rechtswidrig sein kann". 1 6 Dieser Zustand in der Rechtswirklichkeit spricht nun sehr für die Auffassung, daß auch die Friedensspionage eine vom Völkerrecht geduldete oder zumindest nicht bewertete Handlung darstellt, so daß ihre Anwendung, aber auch ihre Abwehr völkerrechtlich erlaubt ist. 1 7 Gegen diese Auffassung lassen sich einige Argumente anführen. Im Unterschied zur Kriegsspionage gilt in Friedenszeiten das Gebot der Achtung der territorialen Integrität anderer Staaten, 18 das durch die Tätigkeit von Agenten einer fremden Macht verletzt sein könnte. Da die Spionage (nicht immer, aber wohl in den meisten Fällen) eine hoheitliche Handlung des ausspähenden Staates darstellen wird, 1 9 läßt sich darin eine völkerrechtswidrige Beeinträchtigimg der Territorialhoheit des ausgespähten Staates durch den ausspähenden Staat erblicken. 20 Nun kann man aber die Territorialhoheit eines Staates auch von ihrem Schutzgegenstand her definieren, nämlich als die Gewährleistung der ungehinderten Ausübung der Hoheitsrechte durch die etablierte Staatsgewalt. Die so verstandene Territorialhoheit soll dann von den lediglich ausspähenden Aktivitäten der Organe eines anderen Staates nicht berührt werden, da ihre Durchsetzung keinen Zwangscharakter trägt. 2 1 19.3.1984, S. 39 Ii. Sp.) im Jahre 1983 einen „offiziellen" Etat von 216 Mill. DM; weitere 600 Mill. D M an Mitteln für den BND sollen aber in anderen Haushaltsposten „versteckt" gewesen sein. Die Zahl der hauptamtlichen BND-Mitarbeiter wird in DER SPIEGEL aaO. mit 6500 und bei Gusy, Die Verwaltung 1984, 273, 275, mit 6000 angegeben. 15 Vgl. die Definition bei Hinz (Fn. 12), S. 298 re. Sp. unten. 16 Berber, VölkerR II, 2. Aufl., S. 147 bezüglich der Kriegsspionage. 17 Hinz (Fn. 12), S. 300 Ii. Sp. Mitte; Gusy, NZWehrR 1984, 187, 198; Erasmus, Der geheime Nachrichtendienst, 2. Aufl. 1955, S. 54ff.; s. a. Cohen-Jonathan / Kovar (Fn. 9), S. 252f.; „un mal, mais un mal nécessaire". 18 Allgemein zur Territorialhoheit s. Berber, VölkerR I, 2. Aufl., S. 185 u. 205ff., sowie Menzel / Ipsen, Völkerrecht, 2. Aufl., S. 146ff. 19 Langkau (Fn. 12), S. 171ff.; Erasmus (Fn. 17), S. 63ff. 20 So Langkau, S. 230ff.; diese Meinung wird ebenfalls vertreten von dem amerikanischen Völkerrechtler Quincy Wright, in: R. J. Stanger (ed.), Essays on Espionage and International Law, 1962, S. 12ff. 21 Vgl. Gusy, NZWehrR 1984, 187, 192ff., und die Gegenposition zu Wright von Julius Stone, in: Stanger, wie vor, S. 32 ff.

2. Die völkerrechtliche Beurteilung der Spionage

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Tatsächlich scheint es, daß die Meinung, die die Spionage auch in Friedenszeiten als nicht völkerrechtswidrig ansieht, zumindest das tatsächliche Staatenverhalten besser erklären kann. Hält man nämlich die Spionage für ein völkerrechtliches Delikt, so muß man angesichts der Staatenpraxis gerade auch der Bundesrepublik Deutschland, im Fall der Enttarnung oder Verhaftung der Organe fremder Nachrichtendienste bei deren Entsendestaat nicht wegen der Verletzung der eigenen Gebietshoheit zu protestieren, 22 auf einen „stillschweigenden Verzicht" hinsichtlich der Achtung der eigenen territorialen Integrität rekurrieren. 23 Angesichts des beträchtlichen Aufsehens, das noch jeder „größere" Spionagefall erregt hat, und der möglichen Folgen für die politisch Verantwortlichen erscheint die Annahme eines „Verzichts" der bundesdeutschen Regierung auf völkerrechtliche Abwehrmittel gegen Spionage anderer Staaten reichlich gewagt. Die „Hinnahme" solcher Verhaltensweisen läßt sich doch eher damit erklären, daß sie innerhalb der Völkerrechtsgemeinschaft zwar als anstößig, jedoch nicht als rechtswidrig betrachtet werden. Da man auch aus der Personalhoheit eines Staates kein sicheres Indiz auf die Völkerrechtswidrigkeit der Spionage auf fremdem Staatsgebiet ableiten kann (die Herrschaftsbefugnis des Staates über seine Angehörigen w i r d dadurch nicht beeinträchtigt), 24 gibt das gegenwärtige Völkerrecht wohl keine ausreichende Grundlage für die Behauptung, die heimliche Ausspähung von Staatsgeheimnissen durch fremde Nachrichtendienste stelle ein völkerrechtliches Delikt dar. 25 Da das Völkerrecht andererseits keinen ausdrücklichen Erlaubnissatz für die Spionage kennt, ist davon auszugehen, daß es diesem Phänomen „neutral" gegenübersteht - insoweit besteht hier ein rechtsfreier Raum. 26

22 Stone, ebd., S. 33; s. a. Erasmus, S. 56ff. mit Beispielen, deren jüngstes zwar aus dem Jahre 1951 datiert; an der völkerrechtlichen Praxis hat sich aber - soweit ersichtlich - wenig geändert. Vgl. a. Cohen-Jonathan / Kovar (Fn. 9), S. 249 ff. 23 So tatsächlich Langkau, S. 242 f. für die Bundesrepublik Deutschland, der sogar von einer Einwilligung (!) der BRD in die Verletzung ihrer Gebietshoheit durch ausländische Agenten spricht. Diese Aussage geht wohl an der Realität vorbei. 24 Gusy, NZWehrR 1984, 187, 194. 25 So auch Rauch, in: EPIL (Fn. 4), S. 172 re. Sp. unten; vgl. ferner Hinz (Fn. 12), S. 300; Erasmus (Fn. 17), S. 62; Gusy, NZWehrR 1984, 187, 195; Cohen-Jonathan / Kovar (Fn. 9), S. 253. 26 Gusy NZWehrR 1984, 187, 195. Am besten wird dieser Zustand mit den Worten von Cohen-Jonathan / Kovar, S. 255 illustriert, mit denen sie ihre Abhandlung „L'espionage en temps de paix" beschließen: „En réalité, i l apparaît que, dans cette matière, les considérations d'ordre politique masquent jusqu'à les faire disparaître les éléments de nature juridique".

6 Beier

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III. Der völkerrechtliche Aspekt: Spionage und ihre Abwehr

c) Die Berücksichtigung besonderer völkerrechtlicher Rechte und Pflichten von einzelnen Personen oder Personengruppen bei der Beurteilung ihrer Ausspähungstätigkeit Mit dem Ergebnis, daß das Völkerrecht zur Frage der Friedensspionage keine Stellung nimmt, ist das zugrunde liegende Problem jedoch noch nicht gelöst. Fest steht bis jetzt nur, daß jeder Staat eigene Gesetze zur Spionageabwehr erlassen und im Rahmen seiner Rechtsordnung gegen Agenten fremder Mächte vorgehen kann. Insoweit hat es also bei der im vorangegangenen Kapitel aufgezeigten Regelungsmöglichkeit für „Lauschangriffe" auch gegen diesen Personenkreis im allgemeinen zu verbleiben. Bei den Spionage betreibenden Personen lassen sich jedoch noch einige Differenzierungen treffen. Man kann z.B. zwischen Spion und Landesverräter unterscheiden. Beim Landesverräter, der nur ein Bürger des betroffenen Staates sein kann, liegt ein „Treuebruch" gegenüber der Gemeinschaft vor, in der er als Staatsbürger lebt. Bei dem aus dem Ausland kommenden und im Auftrag einer fremden Macht arbeitenden Spion existiert ein solches „Treueband" nicht; er kann mangels geschuldeter Loyalität zum ausgespähten Staat auch keinen „Verrat" begehen.27 Von der möglichen strafrechtlichen Verfolgung in der Bundesrepublik Deutschland her gesehen, hat eine solche Einteilung jedoch keinerlei Bedeutung; die Strafvorschriften der §§ 94 ff. StGB (Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit) gelten bis auf § 100 StGB (Friedensgefährdende Beziehungen) für In- und Ausländer, und zwar unabhängig davon, ob die Tathandlung auf dem Gebiet der Bundesrepublik oder im Ausland begangen wurde, §§3 und 5 Ziff. 4 StGB. Theoretisch könnte damit auch der Bedienstete eines fremden Staates bestraft werden, der in seinem Heimatland mit der Ausforschung von Staatsgeheimnissen der Bundesrepublik Deutschland betraut ist. Gesetzgeberisches Motiv für die Landesverratsdelikte ist denn auch nicht die Bestrafung des oben angesprochenen „Treuebruchs", sondern vielmehr die schlichte Abwehr der Ausspähung von eigenen Staatsgeheimnissen durch fremde Mächte, 28 gleichgültig ob dies durch In- oder Ausländer geschieht. Völlig außer acht zu lassen ist die Einteilung der Spionage treibenden Personen in In- und Ausländer jedoch nicht. Wie Ereignisse auch in jüngerer Zeit belegen, richtet sich der Verdacht ausforschender und nachrichtendienstlicher Tätigkeit auch, wenn nicht sogar überwiegend, gegen diplomatische und sonstige „offizielle" Vertretungen von Staaten des jeweils anderen Machtblocks (Gesandtschaft, Botschaft, Konsulat, Handelsmission, 27 Diese Einteilung wird etwa vorgenommen von Könitzer (Fn. 7), S. 23 f. sowie von Langkau (Fn. 12), S. 152. 28 s. Lackner, Landesverräterische Agententätigkeit, ZStW 78 (1966), S. 695, 710f. sowie die Nachweise in Kap. V, Fn. 58.

2. Die völkerrechtliche Beurteilung der Spionage

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Pressebüro). 29 Fraglich ist, ob auch das nachrichtendienstliche Handeln dieses Personenkreises gegen die Interessen des Empfangsstaates vom Völkerrecht hingenommen wird. Für Personen mit diplomatischem Status gilt die Wiener Diplomatenrechtskonvention (Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen) vom 18.4.1961, 30 deren Regelungen angesichts der Tatsache, daß sie von 108 Staaten ratifiziert wurde und weitere ihr beigetreten sind, als allgemeines Völkerrecht angesehen werden können. 31 In dieser Kodifikation des 29 Vgl. hierzu zunächst die Angaben von Langkau, S. 265 Fn. 3, demzufolge ein von 1966 bis 1969 beim Auswärtigen Amt in Bonn als Leiter der politischen Abteilung der russischen Botschaft akkreditierter sowjetischer Diplomat in Wirklichkeit erwiesenermaßen Chef des KGB-Spionagenetzes in der BRD gewesen sein soll sowie aus neuerer Zeit folgende Vorfälle: Am 24.9.1971 erklärte die britische Regierung dem sowjetischen Geschäftsträger in Großbritannien die Ausweisung von 90 sowjetischen Diplomaten und sonstigen Funktionären sowie für weitere 15 das Verbot der Wiedereinreise nach Großbritannien. Grund für diese Maßnahme war die von diesem Personenkreis ausgeübte Spionagetätigkeit; entsprechende Informationen hatte die britische Regierung durch einen übergelaufenen hohen KGB-Beamten, der als Mitglied der sowjetischen Handelsmission in London fungierte, erhalten. Vgl. Archiv der Gegenwart vom 28.9.1971, AdG 1971, S. 16570 B. Die sowjetische Regierung wies daraufhin am 8.10.1971 4 britische Diplomaten und einen Geschäftsmann aus der UdSSR aus und untersagte weiteren 12 die Wiedereinreise; als Begründung wurde ebenfalls die gegen die Interessen der Sowjetunion gerichtete nachrichtendienstliche Tätigkeit dieser Personen genannt. Vgl. AdG vom 9.10.1971, AdG 1971, S. 16599 B. Am 5.4.1983 wies die französische Regierung 40 sowjetische Diplomaten, 5 Angestellte von Handelsvertretungen und 2 Journalisten samt ihren Familien aus Frankreich aus. Das französische Innenministerium begründete die Maßnahme mit der unter Ausnutzung des diplomatischen Status betriebenen Ausspähungstätigkeit der betroffenen Sowjetbürger. Vgl AdG vom 5.4.1983, AdG 1983, S. 26516 B. Am 29.4.1983 ließ der Schweizer Bundesrat das Berner Büro der sowjetischen Nachrichtenagentur „Nowosti" (APN) schließen und verwies den Direktor dieses Büros, einen Sowjetbürger, des Landes. Ursache war die „nicht mit der Agenturtätigkeit zu vereinbarende fortgesetzte und gravierende Einmischung in innerschweizerische Angelegenheiten" (Desinformation, Subversion, Agitation). Vgl. AdG vom 29.4.1983, AdG 1983, S. 26585 A. Schließlich verwies die britische Regierung am 12.9.1985 erneut 25 Sowjetbürger (Diplomaten, sonstige Missionsangehörige, Vertreter sowjetischer Handelsdelegationen und sonstige Geschäftsleute) des Landes und drohte im Falle sowjetischer Gegenmaßnahmen mit der Ausweisung von 20 weiteren Personen. Die betroffenen Sowjetbürger waren wiederum durch die Enthüllungen eines übergelaufenen KGB-Agenten und Botschaftsmitglieds mit Spionageaktivitäten belastet worden. Wenige Tage später wurden 25 britische Staatsbürger (überwiegend Botschaftsangehörige) zum Verlassen der UdSSR aufgefordert. Am 16.9.1985 verwies die britische Regierung weitere 6 Sowjetbürger des Landes; am 18.9.1985 führte dies zur Ausweisung exakt der gleichen Anzahl von Briten aus der UdSSR. Vgl. dazu AdG vom 22.9.1985, AdG 1985, S. 29141 A. Zu den Streitigkeiten zwischen der USA und der UdSSR im Jahre 1986, die zur Ausweisung von 25 Mitgliedern der sowjetischen U N Missionen in New York (17.9.1986) und - im Gefolge der Daniloff / Sacharow-Affäre - von insgesamt 55 sowjetischen Diplomaten aus den Vereinigten Staaten (21.10.1986) führten (was die UdSSR mit der Ausweisung von 5 US-Diplomaten und dem Abzug der rd. 260 bei der US-Botschaft in Moskau und dem US-Generalkonsulat in Leningrad beschäftigten Sowjetbürgern beantwortete) vgl. AdG vom 21.4.1986, AdG 1986, S. 29840ff. (Punkt 6); AdG vom 10.10.1986, AdG 1986, S. 30347 (Punkt 2); und AdG vom 22.10.1986, AdG 1986, S. 30405 A. Auch hier erhoben beide Seiten jeweils massive Spionagevorwürfe gegeneinander. 30 BGBl. 1964 II, S. 958; i n Kraft seit 24.4.1964. 31 Kimminich (Fn. 11), S. 343 f.

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III. Der völkerrechtliche Aspekt: Spionage und ihre Abwehr

Gesandtschaftsrechts gibt es nun mehrere Bestimmungen, die auf ein Verbot heimlicher ausspähender Tätigkeit der den diplomatischen Status genießenden Personen hindeuten: Art. 3 I Buchst, d sieht vor, daß sich das Personal der Vertretungen „mit allen rechtmäßigen Mitteln" über Verhältnisse und Entwicklungen im Empfangsstaat unterrichten darf. Diese Bestimmung kann so interpretiert werden, daß „rechtmäßig" nur im Sinne von „vom Völkerrecht gestattet" verstanden wird. Begründen läßt sich dies damit, daß eine Bezugnahme auf bloße völkerrechtliche Verbote (also eine Auslegung im Sinne von „vom Völkerrecht nicht verboten") sinnlos wäre, da es nicht Aufgabe der diplomatischen Vertretungen sein kann, Völkerrechtsverstöße zu begehen.32 Stärker und unmißverständlicher kommt ein Verbot der nachrichtendienstlichen Betätigimg des diplomatischen Personals jedoch in einigen anderen Bestimmungen der Konvention zum Ausdruck: In Art. 411 wird die Pflicht aller die diplomatischen Immunitäten und Privilegien genießenden Personen festgestellt, die Gesetze und sonstigen Vorschriften des Empfangsstaates zu beachten und sich nicht in dessen innere Angelegenheiten einzumischen. Bei der Pflicht zur Beachtung der Gesetze und sonstigen Vorschriften des Empfangsstaates handelt es sich um eine echte Rechtsunterworfenheit des Diplomaten, dessen persönliche Immunität ihn nur vor der zwangsweisen Durchsetzung dieser Rechtspflichten oder der Strafverfolgung als Sanktion bei einer Verletzung derselben schützt. 33 Es dürfte nun kaum einen Staat geben, der gegen seine Interessen gerichtete nachrichtendienstliche Tätigkeit nicht unter Strafe stellt. Man könnte dieses Tun auch als Einmischung in innere Angelegenheiten definieren; damit sind aber wohl eher Handlungen gemeint, die nach der Rechtsprechung des Gaststaates erlaubt und lediglich der Stellung des Diplomaten als Vertreter einer fremden Macht abträglich sind (z.B. Wahlempfehlungen zugunsten einer bestimmten Partei, Subventionierung eines bestimmten Teils der Presse ect.). 34 Entsprechend w i r d in Art. 41 I I I verlangt, die Gebäude der diplomatischen Mission nur im Rahmen der von der Konvention, allgemeinem Völkerrecht oder zwischen dem Entsende- und dem Gaststaat bestehenden Abkommen erlaubten Funktionen zu benützen. Diese Regelung ist wiederum das Gegenstück zur grundsätzlichen Unverletzlichkeit der Gebäude der diplomatischen Mission (Art. 22 bis 25 WÜD). Angesichts dieser Bestimmungen kann man darauf schließen, daß ein Staat völkerrechtswidrig handelt, wenn er seine diplomatischen Vertreter 32

Gusy, NZWehrR 1984, 187, 191. Vgl. Art. 29 bis 35 der Wiener Diplomatenrechtskonvention (fortan als „ W Ü D " bezeichnet); s. dazu Berber, VölkerR 12. Aufl., S. 293, sowie Eileen Denza, Diplomatie Law, Dobbs Ferry (USA) 1977, S. 264f. 34 Berber (Fn. 33), S. 293; Denza, S. 266. 33

2. Die völkerrechtliche Beurteilung der Spionage

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gegen das Gastland gerichtete nachrichtendienstliche Aktivitäten betreiben läßt. 35 Die erforderliche Mißbilligung dieser Aktivitäten kommt schon durch die regelmäßige Erklärung des Betroffenen zur „persona non grata" und dem Verlangen nach dessen umgehender Abberufung zum Ausdruck (gemäß Art. 9 WÜD). 3 6 Als Zwischenergebnis ist damit festzuhalten, daß Spionage durch Angehörige des eigenen diplomatischen Personals ein völkerrechtliches Delikt gegenüber dem Empfangsstaat darstellt, das dem Entsendestaat zugerechnet wird. Fraglich ist nun, wie sich der Gaststaat im Falle der nachrichtendienstlichen Ausspähung durch diplomatische Vertreter einer fremden Macht schützen kann. Ihm stehen natürlich die Mittel der Erklärung zur „persona non grata" und das Verlangen nach Abberufung des Betroffenen zu Gebote. 37 Um eine schädliche Ausspähung aber nicht nur im nachhinein und dazu nicht gerade sehr wirkungsvoll - zu sanktionieren, sondern von vorneherein soweit wie möglich zu erschweren, bedarf es derselben geheimen Überwachungsmaßnahmen, die im vorigen Kapitel für das nationale Recht erörtert wurden. Inwieweit diese - zunächst nur vom Völkerrecht her gesehen - gegen fremde Diplomaten und die von ihnen benutzten Räumlichkeiten (Botschaftsgebäude, aber auch Privatwohnungen) zulässig sind, w i r d im folgenden untersucht.

35 Hinz (Fn. 12), S. 300 re. Sp. oben; Erasmus (Fn. 17), S. 62f.; Langkau (Fn. 12), S. 263f.; Cohen-Jonathan / Kovar (Fn. 9), S. 250. 36 Vgl. die geschilderten Vorgänge in Fn. 29. 37 Dies ist nach der Antwort des ehemaligen Staatsministers Cortérier auf eine parlamentarische Anfrage im Bundestag vom 27.5.1982 nicht einmal notwendig. Enttarnte „legale Residenten" östlicher Geheimdienste (d. s. Mitglieder der diplomatischen Missionen oder sonstiger offizieller Auslandsvertretungen, vgl. Langkau, S. 265 Fn. 3) würden auch schon bei bloßem „Nahelegen" des Verlassens der BRD den Wünschen der Bundesregierung entsprechen. Diese „diskrete" Form sei daher effektiv genug. Zit. nach: Die völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1982, Punkt 46, in: ZaöRV 44 (1984), 534. Der Anteil der erkannten Nachrichtendienst-Offiziere oder der einer geheimdienstlichen Tätigkeit dringend verdächtigen Mitarbeiter der amtlichen und halbamtlichen sowjetischen Vertretungen i n der Bundesrepublik und der sowjetischen Militärmissionen soll lt. Verfassungsschutzbericht 1986, S. 258, bei fast 52% liegen. Von den Legalresidenturen der CSSR wird Vz des Personals dem nachrichtendienstlichen Bereich zugerechnet; für die Volksrepublik Polen soll der Anteil sogar 70% ausmachen. Vgl. ebd., S. 262ff.

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III. Der völkerrechtliche Aspekt: Spionage und ihre Abwehr 3. Der völkerrechtliche Status der diplomatischen Vertreter fremder Mächte auf eigenem Staatsgebiet und die Möglichkeit zu geheimen Überwachungsmaßnahmen gegen diesen Personenkreis

a) Allgemeines zu den Privilegien der diplomatischen Vertreter fremder Mächte Um den Diplomaten die Möglichkeit zu geben, ihr Amt in voller Freiheit auszuüben, räumt ihnen das Völkerrecht bestimmte Vorrechte ein. Wie bereits gezeigt, sind aber der Missionschef und alle übrigen Mitglieder der diplomatischen Mission grundsätzlich verpflichtet, die Gesetze und übrigen Rechtsvorschriften des Empfangsstaates zu beachten (Art. 411WÜD); lediglich einzelne dieser Normen finden auf sie überhaupt keine Anwendimg (vgl. Art. 33 bis 36 WÜD), welche aber in unserem Zusammenhang nicht weiter interessieren. Die übrigen Teile der Rechtsordnung des Empfangsstaates sind auch für Diplomaten rechtsverbindlich, lediglich nicht mit den staatlichen Zwangsmitteln durchsetzbar. Die so geschützten Personen 38 genießen Immunität von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates (Art. 31 WÜD) und sind durch ihre persönliche Unverletzlichkeit auch von seiner Zwangsgewalt sowohl für dienstliche wie für private Handlungen ausgenommen (Art. 29 WÜD). Ihre Privatwohnungen sind ebenso wie die Räumlichkeiten der Mission unverletzlich (Art. 30 WÜD). Ein Strafverfahren wegen eines Spionagedelikts gegen Mitglieder des diplomatischen Personals und die an ihrer Immunität partizipierenden Personen ist daher grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. auch §§ 18, 19 GVG). In ähnlicher Weise „unverletzlich" sind die Räumlichkeiten der diplomatischen Mission: sie dürfen nicht ohne Zustimmung des Missionschefs betreten und durchsucht werden (Art. 22 I WÜD). Man kann daher zu dem Ergebnis kommen, daß sowohl auf die Mission wie auf die Privatwohnung des Diplomaten gerichtete geheime Überwachungsmaßnahmen generell unzulässig sind. Die entsprechenden Bestimmungen des WÜD bedürfen jedoch noch einer genaueren Überprüfung. Es soll hier nicht darüber spekuliert werden, inwieweit die Überwachung des diplomatischen Personals aus den Ländern des jeweils anderen Machtblocks zum internationalen „guten Ton" gehört. 39 Angemerkt werden muß aber, daß eine strikte Anwendung der genannten Prinzipien und ein Gewäh38 Dies sind nach dem WÜD die „Diplomaten", d.h. der Missionschef und die M i t glieder des diplomatischen Personals der Mission (Art. 1 Buchst, e) und die gemäß Art. 37 an deren Immunität partizipierenden Personen. 39 Vgl. Evers, Privatsphäre, S. 216: „Dagegen entspricht es der Übung, die Exterritorialen in gewissem Umfang zu überwachen und dadurch auch in ihre Privatsphäre einzudringen", sowie aus amerikanischer Sicht Nesson, 49 Ind. L. R. 399, 418ff., und Wilson, Cold War Diplomacy, 1966, S. 19 ff.

3. Überwachungsmaßnahmen gegen Diplomaten fremder Mächte

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renlassen der unzulässige Ausspähung vornehmenden diplomatischen Vertreter in Anbetracht des Art. 25 WÜD, nach dem der Empfangsstaat „der Mission jede Erleichterung zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben" gewähren soll, geradezu auf einen Zwang zur vorsätzlichen Selbstschädigung des Empfangsstaates hinausliefe. Es dürfte klar sein, daß sich hierzu kein Staat bereitfinden w i r d 4 0 und dies auch durch die Wiener Diplomatenrechtskonvention nicht verlangt sein kann. Zu beachten ist aber auch, daß die persönliche Immunität des diplomatischen Personals ausdrücklich nicht von der Beachtung der Gesetze und Rechtsvorschriften des Empfangsstaats abhängig gemacht wurde (Art. 411 WÜD). Das gleiche hat grundsätzlich auch von der Unverletzlichkeit der Mission zu gelten. 41 b) Die Möglichkeit einer „Verwirkung" der diplomatischen Immunität bei völkerrechtswidriger Ausspähungstätigkeit Es wäre unrichtig, aus der eben geschilderten Rechtslage den Schluß zu ziehen, daß die Bedürfnisse der Staatssicherheit des Empfangsstaates generell hinter den Vorrechten der diplomatischen Vertreter fremder Mächte zurückstehen müßten. 42 Es ist aber zweifellos völkerrechtswidrig, für den Fall einer Verwicklung in gegen die Gesetze des Empfangsstaates verstoßende Spionagetätigkeit deren Immunitäten nicht mehr gelten zu lassen. Zwar sind gerade in der Wiener Diplomatenrechtskonvention gewisse Tendenzen erkennbar, zumindest die Immunität von der Zivilgerichtsbarkeit des Empfangsstaates einzuschränken (Art. 311 WÜD); 4 3 in Anbetracht der 40 Evers (Fn. 39), S. 216; s. a. Ward, „Espionage and the Forfeiture of Diplomatie Immunity", International Lawyer Bd. 11 (1977), S. 657, 666 Fn. 61. Vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwGE 37,116 (120 f.), nach der Art. 25 WÜD den Empfangsstaat nicht von der Beachtung seiner eigenen Rechtsordnung befreit, wenn er dem Grundsatz des ne impediatur legatio nachzukommen sucht, auf dem diese Vorschrift basiert. 41 s. Denza, S. 267. 42 So Langkau, S. 266f.; Ward (Fn. 40), S. 667 spricht sogar von „the diplomat's license to commit espionage"; s. a. Note, A Comparison and Analysis of Immunities Defenses Raised by Soviet Nationals Indicted Under United States Espionage Laws, 6 Brooklyn J. Int'l. L. 259 (1980). 43 Damit argumentiert Ward, ebd., und plädiert für eine Ausdehnung der Ausnahmen auf die Strafgerichtsbarkeit des Empfangsstaates für den Fall der Spionage durch Diplomaten. Es ist nun zwar richtig, daß die im WÜD statuierten Ausnahmen von der Immunität alle mit der „offiziellen" Tätigkeit des Diplomaten nichts zu tun haben (vgl. jeweils die „Ausnahme von der Ausnahme" i n Art. 311 Buchst, a - c am Ende) und daß sich insofern die Parallele zu einer Strafverfolgung wegen Spionage, die ja ebenfalls nicht zu den diplomatischen Aufgaben gehört, anbietet. Gegen eine solche „funktionelle Immunität" auch hinsichtlich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit erheben sich jedoch Bedenken; da die Immunität des Diplomaten vor strafrechtlicher Verfolgung durch den Empfangsstaat länger besteht als die vor zivilrechtlicher Inanspruchnahme und eine Verurteilung von diplomatischen Vertretern wegen eines Spionagedelikts i n der völkerrechtlichen Praxis noch nie vorgekommen ist, schließlich es sich bei der Zivilgerichtsbarkeit nicht um unmittelbare Einwirkungen

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III. Der völkerrechtliche Aspekt: Spionage und ihre Abwehr

seit jeher unterschiedlichen E n t w i c k l u n g der I m m u n i t ä t e n v o n der Z i v i l u n d der Strafgerichtsbarkeit des Empfangsstaates läßt dies jedoch keine Rückschlüsse zu. Z w a r s i n d b e i der v ö l k e r r e c h t l i c h a n e r k a n n t e n allgemein e n strafrechtlichen I m m u n i t ä t f ü r fremde Staatsorgane Spionagedelikte a u s d r ü c k l i c h ausgenommen; 4 4 wegen deren persönlicher I m m u n i t ä t g i l t sie jedoch i m m e r f ü r ausländische Staatsoberhäupter u n d d i p l o m a t i s c h e V e r treter, ganz gleich, welches D e l i k t i n Frage s t e h t . 4 5 A u f diesem Wege k a n n m a n den n a c h r i c h t e n d i e n s t l i c h e n A k t i v i t ä t e n der d i p l o m a t i s c h e n Vertreter fremder M ä c h t e i m Empfangsstaat also n i c h t beikommen.

der Staatsgewalt des Empfangsstaates, sondern um Rechtsschutz für dessen Bürger handelt, erscheint eine Analogie hier unmöglich. Vgl. a. Denza, (Fn. 33), S. 149ff. Wie bei Ward wird argumentiert in Note, 6 Brooklyn J. I n t ' l L. 259, 288 (Fn. 42). 44 Vgl. Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, § 1177 (S. 774 Fn. 52 m.w.N.), sowie Bothe, ZaöRV 31 (1971) 246, 252. Ohne diese Ausnahme wären auch absurde Ergebnisse zu befürchten. Der enttarnte DDR-Spion Guillaume soll sich bei seiner Verhaftung am 24.4.1974 als Hauptmann der NVA zu erkennen gegeben und geäußert haben, er bäte darum, gemäß seinem Offiziersrang behandelt zu werden. Bei Anerkennung seiner Immunität als gleichsam „inoffiziell-offizieller" Repräsentant der DDR-Staatsführung hätte man ihn also, mit allen militärischen Ehren, sofort wieder in die DDR zurückschicken müssen! 45 Vgl. Bothe, S. 264. Zu beachten bleibt freilich, daß diese absolute Immunität nur so lange andauert, wie die diplomatischen Funktionen tatsächlich ausgeübt werden. Nach Art. 39 I I 2 WÜD bleibt nur „ i n bezug auf die von der betreffenden Person in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit als Mitglied der Mission vorgenommenen Handlungen" die Immunität auch nach Beendigung der offiziellen Funktionen bestehen. Da nun - schon wegen Art. 3 IV WÜD - Spionage nicht zu den dienstlichen Tätigkeiten eines Diplomaten gehören kann, scheint sich diese Form der Immunität ohne zeitliche Beschränkung nicht auf nachrichtendienstliche Aktivitäten zu erstrekken. Es könnte also beispielsweise ein Diplomat, der deswegen zur „persona non grata" erklärt und abberufen wurde, nun aber - nicht mehr in diplomatischer Funktion - Einreise in den Empfangsstaat begehrt, festgenommen und abgeurteilt werden. Vgl. i. e. zu dieser Auffassung das Rechtsgutachten des Eidgenössischen politischen Departements vom 31.1.1979, dargestellt bei Lucius Caflisch, La pratique suisse en matière de droit international public 1979, in Schweizerisches Jahrbuch für Internationales Recht Bd. 36 (1980), S. 139, 210ff. (212) m.w.N. Zu dieser Ansicht paßt es, daß lt. „DER SPIEGEL" 17/1985 vom 22.4.1985, S. 236 re. Sp. unten die Staatsanwaltschaft Düsseldorf „nach einjähriger Auseinandersetzung mit dem Auswärtigen Amt" (! ) wieder einen nationalen Haftbefehl gegen den am 8.1.1983 nach seiner Einreise i n die BRD wegen BTM-Besitzes festgenommenen, aber auf Intervention des AA bald wieder freigelassenen iranischen Politiker Sadegh Tabatabai erwirken konnte; s. dazu nunmehr die den Haftbefehl bestätigende Entscheidung des OLG Düsseldorf als Gericht der weiteren Beschwerde (§ 310 I StPO) vom 20.3.1986, in: NJW 1986, 2204. Zum „Fall Tabatabai" allgemein s. die Darstellungen in: Deutsche Rechtsprechung i n völkerrechtlichen Fragen im Jahre 1983, Punkt 15, ZaöRV 45 (1985), 74ff., und in: Deutsche Völkerrechtspraxis 1983, Punkt 49, ZaöRV 45 (1985), 750f. Erörtert werden die zugrunde liegenden rechtlichen Probleme auch von Rüping, in: Gössel / Kaufmann (Hrsg.), Strafverfahren im Rechtsstaat (FS Th. Kleinknecht zum 75. Geburtstag), München 1985, S. 397, 406ff. Der das erstinstanzliche Urteil des L G Düsseldorf (3 Jahre Freiheitsstrafe!) aufhebende Beschluß des BGH ist abgedruckt in BGHSt. 32, 275 (3. Sen. ν. 27.2.1984) = BGH, NJW 1984, 2048 = BGH, EuGRZ 1984, 273. Hierbei hatte der BGH es auch implizit offen gelassen, nach Ablauf der Immunität Tabatabais als iranischer ad hoc-Botschafter ein neues Verfahren gegen ihn mit den alten Vorwürfen zu betreiben, vgl. B G H S t 32, 275 (287ff.).

3. Überwachungsmaßnahmen gegen Diplomaten fremder Mächte

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c) Die allgemeinen Reaktionsmöglichkeiten des durch ein völkerrechtliches Delikt verletzten Staates Die Unterhaltung von diplomatischen Beziehungen setzt auch zwischen Staaten mit entgegengesetzter Gesellschaftsordnung ein Mindestmaß an gegenseitigem Vertrauen voraus. Der Empfangsstaat hat daher nicht nur einen gewissen Einfluß auf die Größe und personelle Zusammensetzung der Mission, sondern er darf auch erwarten, daß sich die akkreditierten Diplomaten bei ihren Aktivitäten zum Zweck der Unterrichtung des Entsendestaates über die Verhältnisse im Empfangsstaat (was ausdrücklich zu ihren Aufgaben gehört, Art. 3 I Buchst, d WÜD) auf offene und legale Erforschungsmethoden beschränken. 46 Tun sie dies nicht, bildet ein solches Vorgehen nicht nur einen unfreundlichen Akt, sondern sogar - wie gezeigt - ein völkerrechtliches Delikt seitens des Entsendestaates.47 Um solchen Verhaltensweisen zu begegnen, kennt das Völkerrecht mehrere Möglichkeiten für den in seinen Rechten bzw. Interessen beeinträchtigten Staat; am bekanntesten hierbei sind die Retorsion und die Repressalie. 48 Die Retorsion als mildeste Selbsthilfemaßnahme im zwischenstaatlichen Verkehr w i r d vorgenommen, um auf die schädigende Handlung eines anderen Staates zu antworten und ihn zur Änderung seines Verhaltens sowie zur Schadenswiedergutmachung zu veranlassen, wobei der reagierende Staat seine vom allgemeinen Völkerrecht oder seinen vertraglichen Verpflichtungen gezogenen Schranken bei der Gegenmaßnahme aber nicht überschreitet, sondern höchstens eine sog. unfreundliche Handlung begeht. Repressalien sind dagegen von den sonst gültigen völkerrechtlichen Regeln untersagte Zwangsmaßnahmen, welche der betroffene Staat in Erwiderung der von einem anderen Staat gegen ihn begangenn rechtswidrigen Akte verhängt, um den Verletzer zur Achtung des Rechts zu zwingen. Der Retorsion kann, der Repressalie muß ein völkerrechtliches Delikt desjenigen Staates vorausgegangen sein, gegen den sich die Maßnahme richtet; da Spionage durch diplomatische Vertreter ein solches Delikt darstellt, ergibt sich hieraus also kein Unterschied. Entscheidend ist hier vielmehr der Charakter der verhängten Maßnahme selbst: Die Retorsionsmaßnahme hält sich im Rahmen des völkerrechtlich erlaubten und könnte auch ohne Veranlassung durch einen anderen Staat vorgenommen werden. Die Repressalienhandlung dagegen ist selbst völkerrechtswidrig und nur durch das vorangegangene Delikt des Staates, gegen den sie sich richtet, ausnahmsweise erlaubt. Um zu 46 Langkau, S. 265 m.w.N.; s. a. Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht 5. Auflage 1984, Rdnr. 293. 47 Vgl. unter Punkt 2 c. 48 Zum folgenden vgl. Partsch, in: Strupp / Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. 3, 2. Auflage, S. 103 ff. (Stichwort „Repressalie") und S. 110 (Stichwort „Retorsion").

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III. Der völkerrechtliche Aspekt: Spionage und ihre Abwehr

einer Klassifikation zu kommen, müssen also geheime Überwachungsmaßnahmen des Empfangsstaates gegen diplomatische Vertreter fremder Mächte, die der Spionage verdächtig sind, daraufhin untersucht werden, ob sie „an sich" gegen das Völkerrecht verstoßen. d) Die völkerrechtliche Beurteilung von geheimen Überwachungsmaßnahmen gegen diplomatische Vertreter fremder Mächte durch den Empfangsstaat Falls es tatsächlich der „ Ü b u n g " 4 9 entsprechen sollte, das diplomatische Personal fremder Mächte in gewissem Umfang zu überwachen, könnte man schon an eine gewohnheitsrechtliche Rechtfertigung dieser Praktiken denken, zumal in der Präambel der Wiener Diplomatenrechtskonvention festgelegt ist, daß das Völkergewohnheitsrecht für nicht ausdrücklich in der Konvention geregelte Fragen weiterhin Gültigkeit besitzen solle. Jedoch gibt es im WÜD mehrere Bestimmungen, die ein Verbot der dort nicht ausdrücklich behandelten „Lauschangriffe" gegen fremde Diplomaten und Botschaften nahelegen. So Art. 22, wo in Abs. 1 von der „Unverletzlichkeit" der diplomatischen Mission gesprochen und in Abs. 3 jede „Durchsuchung" ausgeschlossen wird, Art. 27, der in Abs. 1 den Empfangsstaat dazu verpflichtet, den freien Verkehr der Mission für alle amtlichen Zwecke zu gewährleisten und in Abs. 2 die „Unverletzlichkeit" der amtlichen Korrespondenz der Mission garantiert sowie die Art. 29 bis 31, die die Unverletzlichkeit der Person und der Privatwohnimg des Diplomaten sowie seine Immunität von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates regeln. Bei der Entscheidung der Frage, ob die Bestimmungen der Wiener Diplomatenrechtskonvention gegen fremde Botschaften sowie Personen mit diplomatischer Immunität gerichtete geheime Überwachungsmaßnahmen verbieten, ist zweierlei zu beachten: Zum einen befindet sich in der Präambel der Konvention der Grundsatz, daß die diplomatischen Vorrechte und Privilegien nicht dem Zweck dienen, „einzelne zu bevorzugen" (d.h. das diplomatische Personal im Vergleich zu den sonstigen der Jurisdiktion des Empfangsstaats unterliegenden Personen), sondern zum Ziel haben, den diplomatischen Missionen als Vertretungen von Staaten die wirksame Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu gewährleisten. Das kann nur bedeuten, daß die völkerrechtlichen Regeln über den diplomatischen Status nicht etwa den Schutz der Privatsphäre des betroffenen Personenkreises beabsichtigen; diesbezügliche Erwägungen, die im vorangegangenen Kapitel so viel Raum beansprucht haben, können daher hier außer Betracht bleiben. Ziel dieser diplomatischen Vorrechte ist allein die einwandfreie Funktion der 49

Vgl. nochmals die Nachweise in Fn. 39.

3. Überwachungsmaßnahmen gegen Diplomaten fremder Mächte

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zwischenstaatlichen Beziehungen. 50 Zum anderen ist aber zu berücksichtigen, daß diese Vorrechte und Immunitäten nicht etwa an das Gebot der Einhaltung der Rechtsnormen des Empfangsstaates gebunden sind (vgl. Art. 411 WÜD); auch bei groben Verstößen gegen die Rechtsordnung des Empfangsstaates w i r d weder die persönliche Immunität und Unverletzlichkeit des diplomatischen Personals noch die Unverletzlichkeit der diplomatischen Mission verwirkt. 5 1 Betrachtet man nun zunächst die dem persönlichen Schutz des Diplomaten dienenden Vorschriften, die sowohl seine Unverletzlichkeit wie seine Immunität garantieren (Art. 29 bis 31 WÜD), so können schon Zweifel aufkommen, ob hierdurch tatsächlich gegen den Diplomaten gerichtete geheime Überwachungsmaßnahmen verboten sind, sofern diese ohne Zwangsausübung erfolgen und nicht auf die Erlangung von in einem Strafverfahren gegen ihn zu verwertenden Beweismitteln gerichtet sind. 52 Insoweit ergibt sich bezüglich solcher Maßnahmen eine gewisse „Grauzone" - daß man mit der Verpflichtung des Empfangsstaates zu „allen geeigneten Maßnahmen", um jeden Angriff auf Person, Freiheit und Würde des Diplomaten zu verhindern und ihn mit gebührender Achtimg zu behandeln (Art. 29 S. 3 WÜD) bereits ein Gebot zur Achtung der Privatsphäre der diplomatischen Vertreter für den Empfangsstaat begründen kann, erscheint nach dem oben Gesagten als ausgeschlossen.53 Nun erklärt aber Art. 22 I WÜD die Räumlichkeiten der Mission für „unverletzlich" und verbietet den Vertretern des Empfangsstaates, diese ohne Zustimmung des Missionschefs zu betreten; grundsätzlich sind in Absatz 3 die Räumlichkeiten der Mission und das darin Befindliche „von jeder Durchsuchung, Beschlagnahme, Pfändung oder Vollstreckung" ausgenommen. Gemäß Art. 30 I WÜD gilt dasselbe für die Privatwohnung des Diplomaten. Faßt man die „Unverletzlichkeit" in Art. 22 I als Oberbegriff auf, der generell von dem in der diplomatischen Mission arbeitenden Personal Störungen durch offizielle Organe und auch Private des Empfangsstaates fernhalten soll, und das zusätzlich erwähnte „Betreten", „Durchsuchen" etc. in Art. 22 I I I lediglich als typische Erscheinungsformen dieser Störungen, 54 so kommt man zu dem Ergebnis, daß auch die sonstige Kenntnis50

Denza, S. 7ff.; Menzel / Ipsen, Völkerrecht, 2. Auflage 1979, S. 273; SeidlHohenveldern (Fn. 46), Rdnrn. 709ff. 51 Seidl-Hohenveldern, Rdnrn. 721a und 727 a. Dies gilt auch im Hinblick auf die noch zu erörternde Notwehrproblematik; s. dazu hier die Fn. 80 bis 82 und den zugehörigen Text. 52 Die Befreiung von Zwangsmaßnahmen seitens der Organe des Empfangsstaates folgt aus der Unverletzlichkeit der Person, die Befreiung von der Strafgerichtsbarkeit aus der Immunität. Vgl. Menzel / Ipsen, S. 276ff. 53 Vgl. die Nachweise i n Fn. 50 und den zugehörigen Text. 54 So z.B. Note, Legal Implications of the Soviet Microwave Bombardment of the U.S. Embassy, 1 Boston College Internat! Comp. L. J. 91, 100f. (1978).

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III. Der völkerrechtliche Aspekt: Spionage und ihre Abwehr

nähme von Vorgängen innerhalb der Mission, soweit sie nicht von einer Erlaubnis des Missionschefs gedeckt wird, von Art. 22 WÜD verboten wird. Gleiches hätte dann nach Art. 301 WÜD für die Privatwohnung des Diplomaten zu gelten. Geheime Überwachungsmaßnahmen gegen diplomatische Vertreter wären damit ein Verstoß gegen das WÜD und völkerrechtlich verboten. Ein mögliches Gegenargument dazu könnte sein, daß die gesamten in Art. 22 WÜD für den Empfangsstaat enthaltenen Verbote sich nur auf physisches Eindringen in die Räumlichkeiten der Mission beziehen würden und sonstige Möglichkeiten der Kontrolle offenließen, bei denen die räumliche Integrität der Mission nicht verletzt wird. 5 5 Indessen spricht noch eine andere Bestimmung des WÜD sehr dafür, gegen diplomatische Missionen gerichtete geheime Überwachungsmaßnahmen für völkerrechtswidrig zu halten, auch wenn zu ihrer Ausführung die Räumlichkeiten der Botschaft nicht betreten werden. In Art. 271 WÜD w i r d dem Empfangsstaat die Pflicht auferlegt, den „freien Verkehr" der Mission für alle amtlichen Zwecke zu gestatten und zu schützen; in Art. 27 I I w i r d deren amtliche Korrespondenz für unverletzlich erklärt. Die freie und geheime Kommunikation der diplomatischen Mission gehört nun zu den wichtigsten Voraussetzungen ihrer effektiven Tätigkeit. 5 6 Es kann kaum einen Zweifel daran geben, daß Art. 27 I WÜD dem Empfangsstaat die Pflicht auferlegt, gerade diese vertrauliche Kommunikation zu schützen und zu respektieren. Seine Behörden dürfen daher grundsätzlich nicht versuchen, offen oder heimlich von den von der Mission ausgehenden oder empfangenen Kommunikationsströmen Kenntnis zu nehmen. Explizit w i r d dies von Art. 27 I I WÜD ausgedrückt, der eine Postüberwachung durch den Empfangsstaat verbietet. 57 Ferner kann die Beschränkung auf den Verkehr für alle „amtlichen Zwecke" nicht bedeuten, daß das WÜD dem Empfangsstaat ein Kontrollrecht darüber einräumen will, ob es sich um „zulässige" Kommunikation handelt - der Schutz des Art. 27 11 WÜD wäre dann praktisch wirkungslos. Auch die Erlaubnis für die Mission in Art. 27 I 2 WÜD, sich zur Durchführung des Verkehrs mit der Regierung oder anderen Mission des Entsendestaates „aller geeigneter Mittel einschließlich diplomatischer Kuriere und verschlüsselter Nachrichten (zu) bedienen", betont die vom Empfangsstaat zu respektierende Vertraulichkeit - bestünde nämlich das eben angesprochene „Kontrollrecht" des Empfangsstaates, hätte das 55 Im amerikanischen Schrifttum verbreitete Meinung, vgl. Nesson, 49 Ind. L. J. 399, 418 Fn. 61 (1973/74); Shapiro, 15 Harv. J. Legis. 119, 178 Fn. 204 (1978); Note, 70 Virginia L. R. 297, 319 Fn. 97 (1984). 56 Vgl. Denza, S. 119: "The reporting of a diplomatic mission would have virtually no advantage over press reporting, if its confidence could not be relied on". 57 Dazu i.e. Denza, S. 124f.

3. Überwachungsmaßnahmen gegen Diplomaten fremder Mächte

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WÜD in derselben Bestimmung den Diplomaten des Entsendestaates die Möglichkeit eingeräumt, sich dieser Kontrolle zu entziehen - ein wenig überzeugendes Ergebnis. Diese Betrachtung des Regelungsgehaltes von Art. 27 1 und I I WÜD läßt daher die erste Interpretation des Art. 22 I WÜD als vorzugswürdig erscheinen, da nur dann diese Bestimmungen überhaupt zur Geltung kommen können. Angesichts der Bedeutung der freien und geheimen Kommunikation der Mission mit der Regierung des Entsendestaates für ihre Funktionsfähigkeit spricht auch die dem WÜD zusammen mit der Repräsentationstheorie zugrunde liegende Theorie der funktionalen Notwendigkeit der diplomatischen Immunitäten und Vorrechte 58 für dieses Ergebnis. Trotz des in vielen Fällen wohl abweichenden Staatenverhaltens 59 sind daher geheime Überwachungsmaßnahmen gegen diplomatische Missionen völkerrechtswidrig und unter dem Gesichtspunkt der Retorsion niemals als erlaubt zu betrachten. Der „freie Verkehr", den Art. 27 I WÜD für die diplomatische Mission garantiert, erstreckt sich nun nicht nur auf die in Satz 2 dieser Vorschrift erwähnten Kontakte zwischen der Mission und der Regierung, anderen Missionen oder Konsulaten des Entsendestaates, sondern auch auf Kontakte zu Staatsbürgern des Entsendestaates im Empfangsstaat sowie mit internationalen Organisationen. 60 Da sich der notwendige „amtliche Verkehr" ebenfalls nicht allein auf Tätigkeiten in der Botschaft bezieht, 61 wäre zu erwägen, ob Art. 27 1 WÜD nicht auch die Überwachung diplomatischer Aktivitäten außerhalb der Botschaft (Mission) verbietet. Da diese Vorschrift aber ausdrücklich vom „freien Verkehr der Mission" spricht, w i r d man ihren Schutzbereich nicht über die von dieser ausgehenden oder empfangenen Kommunikationsströme hinaus ausdehnen können. 62 Da hier auch - im Gegensatz zur Ausforschung von Vorgängen im Botschaftsgebäude Art. 22 I WÜD keine Rolle spielt, w i r d man solche Überwachungsmaßnahmen als vom WÜD nicht verboten ansehen müssen. Einen ähnlichen Standpunkt könnte man auch für die Privatwohnung des Diplomaten vertreten, da sich aus einer dem Art. 22 I entsprechenden Anwendung des Art. 30 I WÜD vorwiegend ein Schutz der Privatsphäre des Diplomaten ergeben

58 Menzel / Ipsen, S. 273; Denza, S. 7ff. m.N.; s. a. Siefker, Die Rechtsstellung der diplomatischen Vertreter i n der Bundesrepublik Deutschland, Diss. München 1961, S. 22 ff. 59 Vgl. Denza, S. 119 und Wilson, Cold-War Diplomacy, S. 19 ff. 60 s. Denza, S. 120. Eine Verpflichtung des Empfangsstaates, seinen Angehörigen den Zugang zu ausländischen Missionen zu gestatten, enthält das WÜD aber keineswegs. Diese Personen dürfen also vor Betreten der Mission durch Organe des Empfangsstaates kontrolliert werden; s. Verdross / Simma, 3. Auflage, § 896 (S. 572). 61 Dazu ausführlich Berber, VölkerR I, § 41 V i l e (S. 285). 62 Art. 27 1 WÜD wird von manchen Autoren auch als „Depeschenrecht" beschrieben, vgl. Verdross / Simma, 3. Aufl., § 897 (S. 573) sowie Berber, VölkerR I, § 41 V i l e (S. 285).

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III. Der völkerrechtliche Aspekt: Spionage und ihre Abwehr

dürfte. Die historische Entwicklung 6 3 dieses Schutzes der diplomatischen Privatwohnung und der eindeutige Wortlaut des Art. 301 WÜD führen aber zur Unzulässigkeit von geheimen Überwachungsmaßnahmen gegen die Privatwohnung des diplomatischen Vertreters, da diese hinsichtlich ihres Schutzes der diplomatischen Mission gleichgestellt ist. Auch hier kann also von einer Erlaubtheit im Wege der Retorsion nicht ausgegangen werden. e) Die Bedeutung der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes im Fall United States of America v. Iran vom 24.5.1980 und der Kodifikation der International Law Commission zur Staatenverantwortlichkeit für die hier zu klärende Frage Neuere Entwicklungen sowohl in der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofes als auch in den Kodifikationsbemühungen der International Law Commission über die Staatenverantwortlichkeit 64 lassen auch eine Rechtfertigung von derartigen geheimen Überwachungsmaßnahmen nach den allgemeinen völkerrechtlichen Rechtfertigungsgründen (Selbstverteidigung, Repressalie, Selbsthilfe) - deren es wegen ihrer Völkerrechtswidrigkeit ja bedarf - als ausgeschlossen erscheinen. Sollte dies zutreffen, so hätte man tatsächlich von einem Verbot derartiger Überwachungsmaßnahmen auszugehen. Der Internationale Gerichtshof hatte am 24.5.1980 in seinem Urteil über den „Case Concerning United States Diplomatie and Consular Staff in Teheran" (United States of America v. Iran) 6 5 Gelegenheit, neben der Entscheidung über das Kernproblem, der Frage nach der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit des Iran für die Gefangennahme des amerikanischen Botschaftspersonals durch die „Muslim Students Followers of the Imam's Policy" sowie für die Fortdauer dieses Zustandes, 66 auch einige Ausführun63 Vgl. Denza, S. 142f.: Früher wurde zwischen der Botschaft und der Privatwohnung des Diplomaten kein Unterschied gemacht; es waren vielfach auch dieselben Räumlichkeiten. 64 s. dazu zunächst Verdross / Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Auflage 1984, S. 845f., Fn. 1 zum Gang der Beratungen der ILC. Die Arbeit ist noch nicht abgeschlossen, jedoch liegen Teile des Kodifikationsentwurfes bereits vor; vgl. die ersten 35 „draft articles" i n ILC-Yearbook 1980 Bd. 2, Teil 2, S. 30ff. zum ersten Teil über den Eintritt der Staatenverantwortlichkeit sowie den Vorschlag von Riphagen zum zweiten Teil betreffend die Rechtsfolgen der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit in UN-Doc. A./CN.4/380 (1984). Auf den letzteren Entwurf wird noch näher einzugehen sein. 65 ICJ-Reports 1980, 3 ff. = I L M 19 (1980), 553 ff. Eine auszugsweise deutsche Übersetzung findet sich in EuGRZ 1980, 394ff. 66 Zu dieser Frage sehr ausführlich Wolf, Die gegenwärtige Entwicklung der Lehre über die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Staaten, ZaöRV 43 (1983), S. 481 ff.; s. a. Oellers-Frahm, in: EPIL Instalment 2, Stichwort „United States Diplomatie and Consular Staff in Tehran Case", S. 282ff.; L. C. Green, The Tehran Embassy Incident, ArchVR 19 (1980), 1; H.-E. Folz, Bemerkungen zur völkerrechtlichen Beurteilung der

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gen zu der hier interessierenden Fragestellung zu machen. Der Iran war zwar weder im Verfahren vor dem IGH erschienen noch reagierte er in irgendeiner Weise auf die gegen ihn ausgesprochene Verurteilung, unverzüglich alle Schritte zur Beendigung der Geiselaffäre zu unternehmen, die aus ihr entstandene Situation wiedergutzumachen und der US-Regierung Reparation für das erlittene Unrecht zu leisten. 67 In zwei fernschriftlichen Mitteilungen an das Gericht vom 9.12.1979 und 16.3.1980 legte aber der Außenminister des Iran dessen offizielle Position dar und beschuldigte die Vereinigten Staaten einer über 25 Jahre andauernden Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Iran und zahlreicher Verbrechen gegen das iranische Volk. Ferner wurden von den Besetzern der Botschaft Vorwürfe der Spionage gegen die von ihnen gefangengehaltenen Botschaftsangehörigen erhoben; eine Meinung, die sich die iranische Regierung sofort zu eigen machte. 68 Diese Behauptungen nahm der IGH zum Anlaß, um herauszuarbeiten, daß selbst für den Fall der Richtigkeit der Beschuldigungen (d.h. wenn das gefangengehaltene Botschaftspersonal tatsächlich Spionage gegen den Iran betrieben hätte) diese keine Rechtfertigung für die ergriffenen Zwangsmaßnahmen bieten könnten, denn „this is because diplomatic law itself provides the necessary means of defence against, and sanctions for, illicit activities by members of diplomatic and consular missions". 69 Als „systemimmanentes" Hilfsmittel 7 0 gegen Verletzungen des Interventionsverbotes bzw. der Verpflichtung zur grundsätzlichen Beachtimg der Gesetze und sonstigen Rechtsvorschriften des Empfangsstaates durch diplomatische Vertreter fremder Mächte soll daher die Möglichkeit der Erklärung des betroffenen Diplomaten zur „persona non grata" ohne Angabe von Gründen gemäß Art. 9 I WÜD und im Falle der Nichtabberufung durch den Entsendestaat der Entzug der diplomatischen Vorrechte durch den Empfangsstaat nach Art. 9 I I WÜD gelten. In der Tatsache, daß der die Abberufung verlangende Empfangsstaat sein Handeln gegenüber dem Entsendestaat in keiner Weise zu begründen hat, sah der IGH ein wirkungsvolles und ausgleichendes Gegenmittel, um Mißbräuche der diplomatischen Vorrechte zu verhindern: die Schwierigkeit, dem betroffenen Diplomaten nachzuweisen, daß sich seine Tätigkeit nicht mehr im legalen Rahmen des Art. 3 I d WÜD gehalten Vorgänge um die amerikanischen Geiseln im Iran, in: v. Münch (Hrsg.), StaatsrechtVölkerrecht-Europarecht (FS H. J. Schlochauer), Berlin 1981, S. 271 ff. Zu den vorgenannten Beiträgen kontrastieren sehr gut die kritischen Bemerkungen des amerikanischen Völkerrechtlers Richard A. Falk, Comments on international law and the United States's response to the Iranian revolution, 33 Rutgers L. Rev. 399 (1981). 67 ICJ-Reports 1980, 44f. (Ziff. 95 des Urteils). 68 Ebd., S. 8 (Ziff. 10), s. a. Green (Fn. 66), S. 6f.; entsprechende Äußerungen der iranischen Machthaber bei Folz (Fn. 66), S. 275 Fn. 12. 69 ICJ-Reports 1980, 38 (Ziff. 83 des Urteils). 70 Ausdruck von Verdross / Simma, 3. Aufl., § 891, S. 568 Fn. 29.

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habe, sondern schon in eine Verletzung seiner Pflichten aus Art. 411 WÜD umgeschlagen sei, würde sich damit für den Empfangsstaat nicht stellen. Überdies hätte jener im Falle gravierender Mißbräuche auch noch die Möglichkeit zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit dem Entsendestaat, verbunden mit dem Verlangen nach umgehender Schließung der Botschaft. 7 ! Daher gelangte der Internationale Gerichtshof in seinem Urteil zu dem Resümee: „The rules of diplomatic law . . . constitute a self-contained régime which lays down the receiving State's obligations regarding the facilities, privileges and immunities to be accorded to diplomatic missions and. . . foresees their possible abuse by members of the mission and specifies the means at the disposal of the receiving State to counter such abuse. These means are, by their nature, entirely efficacious". 72 Der Internationale Gerichtshof betrachtet also die im WÜD niedergelegten Regeln des diplomatischen Verkehrs als „self-contained régime", ein in sich geschlossenes System von Pflichten und Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen. Für geheime Überwachungsmaßnahmen zur Verhinderung von rechtswidriger Ausspähungstätigkeit durch Diplomaten wäre damit wohl kein Platz mehr. Bemerkenswert ist jedoch, daß der IGH das Recht, einen Diplomaten zum Zweck der Verhinderung einer Straftat vorübergehend festzunehmen, ausdrücklich anerkennt und ihm richtigerweise nur für den zu entscheidenden Fall jede Bedeutung abspricht. 73 In Anbetracht dieser Aussage des Internationalen Gerichtshof läßt sich die Meinung vertreten, daß andere völkerrechtliche Sanktionsformen bei Mißbrauch der diplomatischen Immunität durch gegen den Empfangsstaat gerichtete Spionagetätigkeit als der der Erklärung zur „persona non grata" nicht in Frage kommen. Daß gegen „die das Recht der Exterritorialität genießenden Personen" keine Repressalien ergriffen werden dürften, war schon vor dem angeführten Urteil des IGH vertreten worden; 7 4 nunmehr hat dieser Gedanke auch Eingang in die Kodifikationsbemühungen der International Law Commission (ILC) über die Rechtsfolgen einer völkerrechtswidrigen staatlichen Handlung gefunden. Im von dem „special rapporteur" Willem Riphagen am 4.4.1984 vorgelegten Teil II, Art. 1 bis 16 des Entwurfs über die Staatenverantwortlichkeit, 75 der die „legal consequences of any internationally wrongful act of a State, except where and to the extent that 71 ICJ-Reports 1980, 39 f. (Ziff. 85). Daß die iranischen Vorwürfe gegen die USA i n dieser Hinsicht nicht völlig aus der Luft gegriffen waren, ist inzwischen wohl allgemein bekannt; vgl. dazu auch Richard A. Falk (Fn. 66), S. 408. 72 ICJ-Reports 1980, 40 (Ziff. 86 des Urteils). 73 ICJ-Reports 1980, ebd. 74 Vgl. Berber, VölkerR III, 2. Auflage, S. 97f. 75 UN-Doc. A/CN. 4/380 (dated 4/4/1984), d.i. der 5. Bericht des „special rapporteurs" Willem Riphagen an die ILC.

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those legal consequences have been determined by other rules of international law relating specifically to the internationally wrongful act in question" regelt, sind die Reaktionsmöglichkeiten des durch ein völkerrechtliches Delikt verletzten Staates festgelegt. Dieser kann „by way of reciprocity" seine Verpflichtungen gegenüber dem Verletzerstaat, die direkt mit der durch diesen begangenen Pflichtverletzung zusammenhängen, sofort suspendieren; mit der Erfüllung seiner anderen Verpflichtungen gegenüber dem Verletzerstaat kann er allerdings erst dann aussetzen, wenn er die „international procedures for peaceful settlement of the dispute available to i t " ausgeschöpft hat (vgl. Art. 8 bis 10 des Entwurfs zu Teil II). Diese Möglichkeit der Repressalie ist dem verletzten Staat jedoch u. a. dann nicht eröffnet, wenn es sich um seine Verpflichtungen als Empfangsstaat bezüglich der „immunities to be accorded to diplomatic and consular missions and staff" handelt (Art. 12 Buchst, a des Entwurfs). Diese Ausnahme folgt dem Grundsatz der ILC, in der geplanten Kodifikation zur Staatenverantwortlichkeit nur sog. „secondary rules" aufzustellen, d.h. nur solche Bestimmungen, die die Rechtsfolgen einer völkerrechtswidrigen Handlung regeln, nicht jedoch solche Rechtssätze, deren Verletzung eine solche Handlung erst ausmacht (die sog. „primary rules"). 76 Da es sich nun nach Auffassung des jetzigen Sonderberichterstatters Willem Riphagen bei den Regelungen über Rechte und Pflichten der Diplomaten gemäß den Ausführungen des IGH im Fall United States or America v. Iran um solche „primary rules" handelt, die „ i t self (particularly if stated in conventional form) may explicitly or implicitly determine legal consequences of its breach", 77 ist eine solche Ausnahme unvermeidlich, da die „secondary rules" bereits in den „primary rules" enthalten sind. Angesichts dieser vom „special rapporteur" der ILC rezipierten Auffassung des IGH über das „self-contained régime" des Diplomatenrechts gegenüber dem allgemeinen Völkerrecht und dessen Sanktionsformen ist es naheliegend, zu dem Schluß zu gelangen, daß jede Abwehrmaßnahme des Empfangsstaates gegenüber dem Mißbrauch diplomatischer Privilegien außer dem Verlangen nach Abberufung des Betroffenen verboten wäre. In dieser Allgemeinheit läßt sich ein solcher Grundsatz jedoch nicht einmal auf die IGH-Entscheidung stützen. Dort wurde nämlich auch festgestellt, daß der Grundsatz des „self-contained régime" nicht verlangen würde, „that a diplomatic agent caught in the act of committing an assault or other offence may not, on occasion, be briefly arrested by the police of the receiving State 76 Vgl. ILC-Yearbook 1980, Bd. 2, Teil 2, S. 27 (Para. 23) = UN-Doc. A/35/10 (Teil III). Krit. hierzu („It only serves a pragmatic purpose") und zu anderen Schwächen in den ersten 35 „draft articles" der ILC Malanczuk, ZaöRV 43 (1983), 705, 708ff. 77 Vgl. ILC-Yearbook 1981, Bd. 2, Teil 1, S. 85f. (Para. 51 u. 59) = UN-Doc. A/CN.4/344 (1981), d.i. der zweite Bericht Riphagens an die International Law Commission.

7 Beier

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in order to prevent the commission of the particular crime." 7 8 Daß gegen einen eine Straftat begehenden Diplomaten von privater Seite Notwehr geübt werden darf, braucht nicht weiter erörtert zu werden. Schwieriger ist die Einordnung der gerade erwähnten staatlichen Maßnahmen zur Verhinderung einer Straftat. Sie als „staatliche Notwehr" qualifizieren zu wollen, erscheint insoweit problematisch, als auf diese Weise - der diplomatische Vertreter unterliegt gemäß Art. 411 WÜD den Gesetzen des Empfangsstaates und kann somit rechtswidrig handeln 79 - jede Normübertretung die Berechtigung zur „Notwehr" auch für staatliche Organe herbeiführen und damit die Befreiung des Diplomaten vom Verwaltungszwang des Empfangsstaates weitgehend aufheben würde. 80 Damit wäre Art. 29 WÜD, der die Unverletzlichkeit der Person des Diplomaten garantiert, weitgehend außer Kraft gesetzt. Auch hier ist wieder das Spannungsverhältnis zu bemerken, das zwischen der in der Präambel des WÜD getroffenen Bestimmung, nach der die diplomatischen Privilegien nicht der Bevorzugung von Einzelpersonen dienen sollen, und Art. 411 WÜD, wonach diese Vorrechte nicht an die Beobachtung der Pflicht zur Gesetzestreue gebunden sind, existiert. Zur Lösung dieses Konflikts kann man einmal annehmen, daß die Empfangsstaaten dann nicht auf die Ausübung ihrer Verwaltungshoheit gegenüber einem diplomatischen Vertreter verzichten wollen, wenn vitale Staatsinteressen einem verhältnismäßig geringen Interesse des Entsendestaates an der Aufrechterhaltung der Ausnahme gegenüberstehen. 81 In Anbetracht der eindeutigen Bestimmung des Art. 41 WÜD erscheint diese These in ihrer Allgemeinheit schon fraglich. Vollends ins Rutschen kommt sie aber dann, wenn man berücksichtigt, daß bei einem Musterfall des überwiegenden (Gefahrenabwehr-)Interesses des Empfangsstaates das Zurücktreten des Interesses des Entsendestaates an der Aufrechterhaltung der Ausnahme von der Verwaltungshoheit gerade verneint wird: Bei einem die öffentliche Sicherheit bedrohenden Notfall auf dem Botschaftsgelände (z.B. Feuer) tritt keine Ausnahme von der Pflicht des Art. 22 WÜD für die Behörden des Empfangsstaates ein, vor dem Betreten des Geländes die Zustimmung des Missionschefs einzuholen. Entsprechende Anträge sind bei den Beratungen des WÜD sämtlich gescheitert, da es der Mehrzahl der Delegierten (v. a. der aus den Staaten des Ostblocks) zu gefährlich schien, den Empfangsstaat darüber 78 ICJ-Reports 1980, 40 (Ziff. 86 des Urteils); s. a. Menzel / Ipsen, Völkerrecht, 2. Auflage 1979, S. 276. 79 Vgl. die Ausführungen hier unter Punkt 2 c (Fn. 33). 80 s. z.B. Siefker (Fn. 58), S. 90ff. Vgl. hierzu auch ILC-Yearbook 1957, Bd. 2, S. 138 = UN-Doc. A/3623 (1957); d.i. der Kommentar zu Art. 22 des WÜD-Entwurfs, der schließlich zu Art. 29 wurde: "Being inviolable, the diplomatic agent is exempted from certain measures that would amount to direct coercion. This principle does not exclude either self-defence or, in exceptional circumstances, measures to prevent the diplomatic agent from committing crimes or offences". si So Siefker,'S. 91.

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entscheiden zu lassen, wann eine solche Gefahrenlage vorliegen sollte. 82 Die These von der stillschweigenden „Ausnahme von der Ausnahme" der Verwaltungshoheit überzeugt also nicht; man kann sie daher auch nicht für die Rechtfertigung von geheimen Überwachungsmaßnahmen heranziehen. Beispiele aus der Staatenpraxis warnen auch davor, die Unverletzlichkeit der diplomatischen Vertreter allzu sehr relativieren zu wollen. So ist Mitte der siebziger Jahre die amerikanische Botschaft in Moskau so intensiv mit Mikrowellen „bestrahlt" worden, daß bei dem dort tätigen diplomatischen Personal ernsthafte Gesundheitsschäden befürchtet wurden. 8 3 Als die sowjetischen Behörden ihre Praxis im Feburar 1976 offiziell zugaben, rechtfertigten sie sich damit, durch die Mikrowellenbestrahlung die Benutzung von auf dem US-Botschaftsgelände angebrachten Abhörvorrichtungen unmöglich machen zu müssen; 84 in ihren Augen gehörten solche Maßnahmen also ebenfalls zur erlaubten Abwehr von Spionagetätigkeit des diplomatischen Personals. Daß dies nicht richtig sein kann, liegt auf der Hand: Als Repressalie - unterstellt, eine solche wäre gegen diplomatische Vertreter fremder Mächte überhaupt zulässig - zu den behaupteten „Lauschangriffen" aus der US-Botschaft stünde eine solche gesundheitsgefährdende Gegenmaßnahme in einem auffälligen Mißverhältnis und wäre damit unzulässig. 85 Es dürfte aber leicht einsehbar sein, daß eine solche Maßnahme auch unter Notwehrrechtsgesichtspunkten nicht gerechtfertigt sein kann. Die wichtige Begrenzung für völkerrechtliche Selbstverteidigungshandlungen bildet ebenfalls das Proportionalitätsprinzip. 86 Das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit gilt also sowohl für staatliche Maßnahmen im Wege der Repressalie wie auch für Selbstverteidigungshandlungen. 87 Tatsächlich liegt der wesentliche Unterschied zwischen bei82 Denza, S. 82ff. m.N.; vgl. Menzel / Ipsen, S. 273f.; Verdross / Simma, 3. Auflage, S. 570f. (§ 895). Das Feuer-Beispiel stammt von Siefker selbst, vgl. S. 92 dort; s. dazu auch Herdegen, ZaöRV 46 (1986), 734, 739ff. 83 Vgl. dazu Note, Legal Implications of the Sovjet Microwave Bombardment of the U.S. Embassy (Fn. 54), S. 91 ff. 84 Note, Legal Implications, S. 104. Weitere Beispiele rigoroser „Abwehrmaßnahmen" gegen diplomatische Vertreter des jeweils anderen Machtblocks in der Zeit des „Kalten Krieges" bei Clifton E. Wilson, Cold War Diplomacy, 1966, S. 26ff., und ders., Diplomatie Privileges and Immunities, 1967, S. 62ff. 85 Note, Legal Implications, S. 106 ff. Allgemein zum Proportionalitätserfordernis bei der Repressalie s. Partsch, in: Strupp / Schlochauer, Bd. 3, S. 103 ff. 86 Vgl. Malanczuk (Fn. 76), S. 768f., wo dieses Erfordernis auf Maßnahmen nach Art. 51 UNC bezogen wird (mit Nachw. i n Fn. 287 zur Geltung dieses Grundsatzes bereits vor Errichtung der UNC); die Geltung des Proportionalitätserfordernisses für alle völkerrechtlichen Selbstverteidigungshandlungen ist aber allgemein anerkannt, s. Verdross / Simma, 3. Aufl., S. 290 (§ 472 a.E.) m.w.N. 87 Vgl. für die Repressalie auch Verdross / Simma, 3. Aufl., S. 911 (§ 1343 a.E.), und für Selbstverteidigungshandlungen Kewenig, in: Schaumann, Völkerrechtliches Gewaltverbot und Friedenssicherung, Baden-Baden 1971, S. 175, 201 ff.

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III. Der völkerrechtliche Aspekt: Spionage und ihre Abwehr

den nicht hierin, sondern in der jeweiligen Zielrichtung. Hierauf wird noch näher einzugehen sein. f) Der Ausschluß der Repressalie gegen diplomatische Vertreter fremder Mächte Als Ergebnis dieser Betrachtung der neueren Entwicklung des Völkerrechts, wie sie im Urteil des Internationalen Gerichtshofes zum „Tehran Hostages Case" und den Kodifikationsbemühungen der International Law Commission zum Ausdrück kommt, läßt sich also festhalten: Repressalien gegen diplomatische Vertreter werden als unzulässig angesehen, da die Pflichten wie auch die Rechtsfolgen eines Pflichtenverstoßes durch diesen bevorrechtigten Personenkreis in der Wiener Diplomatenrechtskonvention geregelt sind. Außer den in dieser Kodifikation erlaubten Sanktionen, nämlich der Erklärung zur „persona non grata" verbunden mit dem Verlangen nach sofortiger Abberufung durch den Entsendestaat, bleibt dann nur noch eine Maßnahme übrig, an die in bezug auf Diplomaten zu denken wäre. Es ist dies das bereits erörterte 88 , in seinen Grenzen noch ziemlich unbestimmte „Abwehrrecht" des Empfangsstaates im Falle einer flagranten Verletzung der Pflicht zur Gesetzestreue durch den Diplomaten, das sich völkergewohnheitsrechtlich begründen läßt und dem auch die Bestimmungen der Wiener Diplomatenrechtskonvention nicht entgegenstehen. 89 Die dogmatische Einordnung dieses „Abwehrrechts" in das System der völkerrechtlichen Rechtfertigungsgründe muß noch vorgenommen werden; hiernach läßt sich dann beurteilen, ob geheime Überwachungsmaßnahmen gegen der Spionage verdächtige diplomatische Vertreter fremder Mächte doch zu rechtfertigen sind. In seinem Urteil zum Fall United States of America v. Iran bezog sich der IGH ersichtlich 90 auf die Fallkonstellation, daß diplomatische Vertreter im Empfangsstaat ihre Vorrechte mißbrauchen und gegen die Pflicht zur Gesetzestreue in Art. 411 WÜD verstoßen. Der Ausschluß der Repressalie als mögliche Reaktionsform des verletzten Empfangsstaates durch den IGH (was zur Entscheidung des Falles nicht notwendig gewesen wäre 91 ) ist hier 88

Vgl. nochmals die Fn. 78 bis 82 und den zugehörigen Text. Vgl. den letzten Absatz der Präambel des WÜD, in dem der Grundsatz bekräftigt wird, „daß die Regeln des Völkergewohnheitsrechts auch weiterhin für alle Fragen gelten sollen, die nicht ausdrücklich i n diesem Übereinkommen geregelt sind"; s. a. Denza, S. 9. 90 Vgl. nochmals ICJ-Reports 1980, 38ff. (Ziff. 83 - 87 des Urteils). 91 Darauf wird hingewiesen bei Dominicé, Représailles et droit diplomatique, in: Recht als Prozeß und Gefüge (FS Hans Huber zum 80. Geburtstag), Bern 1981, S. 541, 548: Dem Iran hätte es oblegen, die in seinen beiden Schreiben vom 9.12.1979 und 16.3.1980 an das Gericht erhobenen Vorwürfe zumindest näher zu spezifizieren und 89

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sicherlich berechtigt. Der Empfangsstaat hätte es sonst in der Hand, durch die Behauptimg von kriminellen Aktivitäten der diplomatischen Vertreter fremder Mächte das gesamte System der diplomatischen Vorrechte in sein genaues Gegenteil zu verkehren. Fraglich ist, ob der Ausschluß der Repressalie auch für andere Fallgestaltungen gelten muß, bei denen ein Staat gegenüber den bei ihm akkreditierten diplomatischen Vertretern eines anderen Staates gegen die Regeln des Diplomatenrechts verstoßende Maßnahmen vornimmt, ohne dazu durch ein bestimmtes rechtswidriges Verhalten dieser Personen veranlaßt worden zu sein und der betroffene Staat gegen die Diplomaten des Verletzerstaates die gleichen Maßnahmen verhängt. 92 Angesichts des vom Gericht ebenfalls betonten „fundamental character" der Normen des Diplomatenrechts läge dies nahe. 93 In solchen Fällen dürfte allerdings die Grenzziehung, was noch eine nach Art. 47 I I (a) WÜD erlaubte „einschränkende Anwendung" bestimmter WÜD-Vorschriften ist und welche Maßnahmen diesen Rahmen überschreiten, schwierig werden. 94 Zu beachten bleibt hier ebenfalls, daß das vom IGH zur Begründung des „self-contained régime" herangezogene jederzeitige Abberufungsverlangen des Entsendestaates95 nach Art. 9 WÜD für solche Fallgestaltungen nicht unbedingt als wirksame Abhilfe erscheint. Jedoch soll diese Frage hier nicht weiter vertieft werden.

g) Die Frage der sonstigen staatlichen Selbsthilfemaßnahmen Die Unanwendbarkeit der Repressalie im Recht der diplomatischen Beziehungen muß aber, wie bereits erwähnt, nicht bedeuten, daß es für geheime Überwachungsmaßnahmen gegen diplomatische Vertreter fremder Mächte keinerlei Rechtfertigung gibt. In diesem Zusammenhang sind noch dafür Beweis anzubieten. Da dies nicht geschah, hätte sich der IGH genauso gut darauf beschränken können, dieses Vorbringen als unerheblich zurückzuweisen. 92 Beispielhaft sind hier die im Gefolge des „kalten Krieges" vorgenommen, von der UdSSR ab 1947 initiierten Reisebeschränkungen für diplomatische Vertreter der Westmächte, die zu entsprechenden Gegenmaßnahmen gegen sowjetische Diplomaten im Westen führten. Genaue Angaben hierüber finden sich bei Wilson, Cold-War Diplomacy, S. 43f.; s. dazu auch Tomuschat, ZaöRV 33 (1973), 179. 93 Vgl. ICJ-Reports 1980, 42 (Ziff. 91 u. 92 des Urteüs); sowie Dominicé (Fn. 91), S. 548ff., der den generellen Ausschluß der Repressalie im Diplomatenrecht hierauf zurückführt, so daß auch bei anderen Konstellationen als der vom I G H entschiedenen Fallgestaltung die Anwendung von Maßnahmen mit Repressaliencharakter gegen Diplomaten immer ausgeschlossen sein soll. 94 Vgl. a. Tomuschat (Fn. 92), S. 182 Fn. 10 m.w.N., sowie Denza, S. 284; unklar Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 5. Aufl., Rdnrn. 712f., 727 a und 748, der als staatliche Reaktionen in solchen Fällen offenbar sowohl Retorsion wie Repressalie als zulässig ansieht, letztere aber an der diplomatischen Immunität enden läßt. M.E. hat das IGH-Urteil im „Tehran Hostages Case" hier erhebliche terminologische Schwierigkeiten aufgeworfen. 95 Vgl. die Fn. 69, 71 und 72 hier sowie den zugehörigen Text.

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III. Der völkerrechtliche Aspekt: Spionage und ihre Abwehr

andere Erlaubnisformen zu untersuchen, die dem durch ein völkerrechtliches Delikt verletzten Staat Reaktionsmöglichkeiten eröffnen, allerdings auch nur in erheblich eingeschränkterem Rahmen zulässig sind. Unbestritten steht dem Empfangsstaat gegen flagrante Gesetzesverletzungen diplomatischer Vertreter ein „Abwehrrecht" zu; festgestellt werden muß nun, aus welchem völkerrechtlichen Rechtfertigungsgrund dies begründet werden kann und ob auch geheime Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken als Ausübung dieses Rechts zulässig sein können. Repressalie und Retorsion werden von der wohl allgemeinen Meinung in der Völkerrechtslehre als Ausformungen der möglichen staatlichen Selbsthilfemaßnahmen klassifiziert, mit denen ein Staat seine Rechte und Interessen in einer völkerrechtlichen Konfliktsituation gegenüber anderen Staaten eigenmächtig durchsetzen und damit in deren Rechts- und Interessenbereich eindringen kann. 9 6 Repressalie und Retorsion lassen sich von den übrigen Selbsthilfemaßnahmen jedoch abschichten. Es handelt sich bei ihnen um aggressive Maßnahmen zur Wiederherstellung der durch eine unfreundliche bzw. völkerrechtswidrige Handlung des Verletzerstaates gestörten Rechtsordnung. Sie können daher etwa auch auf den Ersatz des verursachten Schadens gerichtet sein. Hiervon zu unterscheiden sind die rein defensiven Maßnahmen, die sich unmittelbar gegen den rechtswidrigen Angriff wenden. Man könnte sie allgemein mit dem Begriff der „Selbstverteidigung" charakterisieren, wenn dieser durch die Diskussion um das Gewaltverbot in Art. 2 IV UNC und die eng begrenzte Ausnahme in Art. 51 UNC nicht schon zu sehr auf Abwehrmaßnahmen unter Zuhilfenahme militärischer Gewalt verengt worden wäre. 97 Nach Art. 2 IV in Verbindung mit Art. 51 UNC ist die Androhung oder Anwendung von „gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines (anderen) Staates gerichtete(r) oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare(r) Gewalt" grundsätzlich verboten und nur durch „das naturgegebene Recht der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung" ausnahmsweise erlaubt; nach insoweit ganz überwiegender Meinung sind bewaffnete Repressalien damit durch die UN-Charta verboten, 98 da sie keine bloßen Selbstverteidigungshandlungen 96 Die Terminologie ist allerdings nicht einheitlich; vgl. dazu Bryde, in: EPIL, Instalment 4, S. 215 li. Sp. (Stichwort „Self-Help"). Partsch, in: Strupp / Schlochauer, Bd. III, S. 255, verwendet den Begriff „Selbsterhaltung", der nach heute wohl h. M. aber nur die Fälle betrifft, i n denen kein anderer Staat für die schadensstiftende Ausgangslage verantwortlich zu machen ist (sog. „Nothandeln" des geschädigten Staates, in den ILC-Artikeln unter dem Begriff „Necessity" in Art. 33 behandelt). 97 Vgl. Bryde, in: EPIL, Instalment 4, S. 212 re. Sp. (Stichwort „Self-Defence"); s. a. Seidl-Hohenveldern, Rdnr. 1295 f. 98 Derek W. Bowett schreibt in seinem Aufsatz „Reprisals Involving Recourse to Armed Force", 66 AJIL 1 (1972), beispielsweise: "Few propositions about international law have enjoyed more support than the proposition that, under the Charter of the United Nations, the use of force by way of reprisals is illegal"; s. die Nachweise

3. Überwachungsmaßnahmen gegen Diplomaten fremder M ä c h t e 1 0 3 sind. H a n d e l t es sich also u m die B e u r t e i l u n g m i l i t ä r i s c h e r A k t i o n e n eines Staates u n t e r Verletzung der T e r r i t o r i a l h o h e i t anderer Staaten, w i r d die U n t e r s c h e i d u n g zwischen Repressalie u n d Selbstverteidigungshandlung sehr b e d e u t s a m : 9 9 n u r i m letzteren Falle ist ü b e r h a u p t eine Rechtfertigung - über A r t . 51 U N C - d e n k b a r . 1 0 0 Daß es sich b e i Selbstverteidigung u n d Repressalie u m A u s f o r m u n g e n desselben G r u n d p r i n z i p s der staatlichen Selbsthilfe handelt, rechtfertigt also keineswegs den Schluß auf ihre mangelnde U n t e r s c h e i d b a r k e i t : w ä h r e n d die Repressalie aus einem selbstständigen E i n g r i f f i n e i n G u t des Gegners besteht, der dem h a n d e l n d e n Staat ein völkerrechtliches U n r e c h t zugefügt hat, beschränkt sich die Selbstverteidigung auf die A b w e h r eines bestehenden A n g r i f f s - i n dieser „ R e i c h w e i t e " der getroffenen Maßnahme l i e g t denn auch das eigentliche U n t e r s c h e i d u n g s m e r k m a l . 1 0 1 D i e Frage n a c h der Zulässigkeit v o n gewaltsamen staatlichen M a ß n a h m e n auf d e m Gebiet eines anderen Staates (sog. Interventionen) soll hier jedoch n i c h t w e i t e r v e r t i e f t werden; i m Rahmen dieser A r b e i t geht es ausschließlich u m staatliches H a n d e l n auf eigenem S t a a t s g e b i e t . 1 0 2 Festgestellt w e r d e n k a n n also zunächst, daß M a ß n a h m e n z u r A b w e h r einer Gefahr dort, S. 1 Fn. 2 sowie bei Malanczuk, S. 727f. Fn. 79 und 82, und bei Bryde, in: EPIL, Instalment 4, S. 217 (Stichwort „Self-Help"). 99 Vgl. Partsch, in: EPIL, Instalment 4, S. 218 re. Sp. unten (Stichwort „Self-Preservation"). 100 Die Schwierigkeiten bei der Bewertung militärischer Aktionen unter dem Gewaltverbot des Art. 51 UNC veranlassen z.B. Tucker, „Reprisais and Self-Defence - The Customary Law", 66 AJIL 586 (1972), die Unterscheidung von Selbstverteidigung und Repressalie als „at best, a very tenuous one" (S. 593) zu bezeichnen und daher eine weite Auslegung der unter der UN-Charta ausschließlich zulässigen gewaltsamen Selbstverteidigung zu fordern (S. 594 - 596). Die Unterscheidbarkeit von Selbstverteidigung und Repressalie bezweifelt auch Bowett (Fn. 98), S. 2 - 4. Für die nach Meinung d. Verf. überzeugendere Gegenansicht, die von einer solchen Unterscheidbarkeit ausgeht, vgl. Verdross / Simma, 3. Aufl., S. 295 (§ 480) und sofort im Text. ιοί Vergoss / Simma (Fn. 100); s. a. Dahm, JIR Bd. 11 (1962, zugleich Festschrift für Laun), S. 48, 59f. Fälle, in denen das Gewaltverbot in Art. 2 IV UNC in Frage gestellt werden könnte, haben mit einer Repressalie nichts zu tun (was Tucker aaO. z.B. verkennt) - die Befreiung eigener Staatsangehöriger aus den Händen terroristischer Geiselnehmer für den Fall, daß der Staat, in dem sich Terroristen und Geiseln aufhalten, jegliche Hilfe gegenüber dem Heimatstaat ablehnt oder sogar mit den Geiselnehmern zusammenwirkt (vgl. die Ereignisse um Besatzung und Passagiere der entführten TWA-Maschine im Juni 1985 in Beirut). Für die Rechtfertigung einer damit verbundenen gewaltsamen Befreiungsaktion kann es nur auf eine Auslegung des Art. 51 UNC ankommen, nicht dagegen auf das mögliche Wiederaufleben der gewaltsamen Repressalie. Eine solche Interpretation versucht Strebel, Nochmals zur Geiselbefreiung von Entebbe, ZaöRV 37 (1977), 691, 701 ff. (gegen Beyerlin, ebd., S. 213, 219ff.). Zum Streitstand s. a. Malunczuk, S. 727ff. 102 Auf diese Frage gibt auch der ILC-Entwurf keine Antwort, obwohl Art. 33 („State of necessity") für solche Fallgestaltungen durchaus in Betracht kommen könnte; vgl. Malanczuk, S. 779 f. Eine dogmatische Einordnung solcher Befreiungsaktionen als „völkerrechtliche Notstandsmaßnahme" wird angedeutet bei Folz (Fn. 66), S. 285ff.

104

III. Der völkerrechtliche Aspekt: Spionage und ihre Abwehr

(Selbstverteidigung bzw. Selbsthilfe) und darüber hinausgehende Maßnahmen mit Vergeltungscharakter (Repressalien) zwar gemeinsame Wurzeln haben, jedoch unterscheidbar sind. Da gewaltsame Selbstverteidigungsmaßnahmen nur noch unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen zulässig sind, bleibt angesichts des festgestellten Unterschieds zur Repressalie ein „Rest" an Maßnahmen mit ausschließlichem Verteidigungscharakter übrig, die nicht durch den bewaffneten Angriff eines anderen Staates ausgelöst werden, denen aber dennoch ein völkerrechtswidriges Verhalten desselben vorausgeht und die nur unter Beachtung des Gewaltverbots in Art. 2 IV UNC durchgeführt werden dürfen. Es ist daher nicht nur eine Frage der Terminologie, ob man diese Maßnahmen, bei denen es sich genauso um Selbstverteidigungsakte des verletzten Staates handelt, der Begriff „Selbstverteidigung" aber nach allgemeinem Sprachgebrauch nur noch Maßnahmen unter Anwendung militärischer Gewalt umfassen soll, 1 0 3 als die eigentliche Form der „Selbsthilfe" (also die nicht durch Repressalie, Retorsion, Selbstverteidigung oder Notstand abgedeckten Formen staatlicher Selbsthilfeoder Selbsterhaltungsmaßnahmen) bezeichnen soll. 1 0 4 Als Oberbegriff für den gesamten Bereich ist dann die staatliche „Selbsterhaltung" (self-preservation) vorzuziehen. 105 Der mögliche Umfang dieser Selbsthilfemaßnahmen ist, da sie eigentlich der Selbstverteidigung eines Staates gegen andere als „bewaffnete Angriffe" im Sinne des Art. 51 UNC dienen, zunächst an den Bestimmungen der UN-Charta zu messen, deren Art. 2 IV das Recht zur Selbstverteidigung wesentlich eingeschränkt hat: Gewaltsame militärische Maßnahmen zu diesem Zweck sind nur noch unter den Voraussetzungen des Art. 51 UNC möglich. In allen anderen Fällen (abgesehen von der Beteiligung an Zwangsmaßnahmen des Sicherheitsrates) stünde eine gewaltsame Selbstverteidigung im Widerspruch zu Art. 2 IV UNC. 1 0 6 Dies kann aber nicht bedeuten, daß es in

loa vgl. Bryde, in: EPIL, Instalment 4, S. 212 re. Sp. Mitte (Stichwort „SelfDefence"): "A broad understanding of self-defence as legitimate protection against a wide variety of violations of State rights and interests - often understood to be identical w i t h self-preservation - has given way to a much narrower concept of self-defence as a restricted exception to the general prohibition of the use of force in a system of collective security". Ähnlich Seidl-Hohenveldern, Rdnr. 1295; s. a. Malanczuk, S. 774 oben, und Beyerlin, ZaöRV 37 (1977) 213, 221ff., sowie nunmehr Herdegen (Fn. 82), S. 750 - 752. 104 Ygi Bryde, S. 215 re. Sp. oben, der von der Zulässigkeit von Selbsthilfemaßnahmen ohne Anwendung von militärischer Gewalt ausgeht; s. a. Partsch, in: EPIL, Instalment 4, S. 218ff. (Stichwort „Self-preservation"), der auch „Selbsterhaltung" als Oberbegriff nennt, aber offensichtlich alles, was nicht unter gewaltsame „Selbstverteidigung" fällt, der Repressalie zuordnen will; richtig hiergegen Seidl-Hohenveldern, Rdnr. 1295. 105 Zwar taucht in Art. 29 - 35 des ILC-Entwurfs der Begriff „Self-Help" nicht auf, aber es wird auch von seinen „Schöpfern" hinsichtlich der Aufzählung völkerrechtlicher Rechtfertigungsgründe keine Vollständigkeit beansprucht, vgl. Malanczuk, S. 712 f. und 795 f.

3. Überwachungsmaßnahmen gegen Diplomaten fremder Mächte

105

allen anderen F ä l l e n als denen des bewaffneten A n g r i f f s ü b e r h a u p t keine Abwehrmöglichkeiten

des betroffenen

Staates geben w ü r d e ;

lediglich

gewaltsame M a ß n a h m e n i m Sinne des Gewaltbegriffs i n A r t . 2 I V U N C s i n d d a n n ausgeschlossen. 1 0 7 D i e „ R e i c h w e i t e " des Gewaltverbots i n A r t . 2 I V U N C ist i n einzelnen A s p e k t e n u m s t r i t t e n ; insbesondere v o n Staaten der „ D r i t t e n W e l t " u n d des sozialistischen Lagers g i b t es Bestrebungen, auch w i r t s c h a f t l i c h e Pression e n eines Staates gegen einen anderen h i e r u n t e r z u fassen. 1 0 8 F ü r die hier z u klärende Frage k a n n dieser Meinungsstreit jedoch dahinstehen. A r t . 2 I V U N C verbietet die A n d r o h u n g oder den Gebrauch v o n bewaffneter G e w a l t i n den i n t e r n a t i o n a l e n Beziehungen zwischen den Staaten. G e w a l t a u s ü b u n g (auch bewaffnete) ausschließlich i n n e r h a l b der eigenen Staatsgrenzen w i r d h i e r v o n n i c h t e r f a ß t . 1 0 9 Ferner muß die n a c h A r t 2 I V U N C verbotene G e w a l t gegen die t e r r i t o r i a l e I n t e g r i t ä t oder politische U n a b h ä n g i g k e i t eines anderen Staates gerichtet oder auf sonstige Weise m i t den Z i e l e n der Vereinten N a t i o n e n u n v e r e i n b a r sein. Es ist r i c h t i g , daß die letztere Aussage n i c h t i m Sinne einer E i n s c h r ä n k u n g des v ö l k e r r e c h t l i c h e n Gewaltverbots gemeint sein k a n n , d . h . daß m i l i t ä r i s c h e A k t i o n e n (sog. „Gegenschläge") auch d a n n n i c h t e r l a u b t sind, w e n n sie weder die t e r r i t o riale I n t e g r i t ä t n o c h die politische U n a b h ä n g i g k e i t des angegriffenen Staa106 Hieraus ergibt sich ja die Problematik der Geiselbefreiung auf fremdem Territorium, da man die Unterstützung der Geiselnehmer durch den Aufenthaltsstaat kaum als „bewaffneten Angriff" im Sinne des Art. 51 UNC auf den Heimatstaat der Geiseln deuten kann (s. Folz, S. 287). Vgl. hierzu a. das obiter dictum des I G H im „Tehran Hostages Case" zur gescheiterten amerikanischen Rettungsaktion am 24725.4.1980, ICJ-Reports 1980, 43 (Punkt 93 d. Urt.): Einerseits sei die Sorge um das Wohlergehen der damals seit fünf Monaten gefangengehaltenen „Geiseln" und ein Gefühl der Frustration angesichts des iranischen Verhaltens auf amerikanischer Seite verständlich, andererseits seien solche Aktionen während eines laufenden Verfahrens vor dem IGH "of a kind calculated to undermine respect for the judicial process in international relations". Vgl. dazu die abweichende Meinung des sowjetischen Richters Morozow, der sich eine etwas deutlichere Sprache hinsichtlich der Einhaltung des Gewaltverbotes gewünscht hätte (ICJ-Rep. 1980, 55ff., Punkt 8). 107 Vgl. Dahm, JIR Bd. 11 (1962, zugl. FS Laun), S. 48, 56ff., der auch solche Maßnahmen als „Selbstverteidigung" bezeichnet, was im Widerspruch zum heute wohl herrschenden Sprachgebrauch steht, damit nur noch die nach Art. 51 UNC zulässigen Maßnahmen zu bezeichnen - vgl. die Nachweise in Fn. 103 hier. 108 Zu dieser Frage s. Kewenig, in: Schaumann, Völkerrechtliches Gewaltverbot und Friedenssicherung, 1971, S. 175,188ff. sowie sehr differenziert Brun-Otto Bryde, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln, in: von Münch (Hrsg.), StaatsrechtVölkerrecht-Europarecht (FS. H. J. Schlochauer zum 75. Geburtstag), Berlin 1981, S. 227 ff. mit der richtigen Feststellung, daß aufgrund des Zusammenhanges zwischen Art. 2 IV und Art. 51 UNC eine möglichst umfassende Subsumtion von eventuell „anstößigen" Verhaltensweisen zwischen Staaten unter Art. 2 IV UNC wegen der hierdurch über Art. 51 UNC eröffneten Möglichkeit der gewaltsamen Beantwortung weniger friedensstiftend ist, als es auf den ersten Blick scheint (S. 233 dort). 109 Vgl. Randelzhofer, in: EPIL, Instalment 4, S. 269 li. Sp. oben (Stichwort „Use of force"); zu einem besonderen Aspekt vgl. Kewenig (Fn. 108), S. 179f. (internationalisierter Bürgerkrieg).

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III. Der völkerrechtliche Aspekt: Spionage und ihre Abwehr

tes ernsthaft b e d r o h e n . 1 1 0 A u c h gewaltsame M a ß n a h m e n k ö n n e n aber d a n n n i c h t u n t e r das G e w a l t v e r b o t fallen, w e n n v o n i h n e n ü b e r h a u p t keine A u s w i r k u n g e n auf ein fremdes Staatsgebiet ausgehen, sondern sie i n i h r e r W i r k u n g l e d i g l i c h auf das T e r r i t o r i u m desjenigen Staates begrenzt sind, der sie v o r n i m m t . D i e Befugnis z u r zwangsweisen D u r c h s e t z u n g v o n H o h e i t s a k t e n auf eigenem Staatsgebiet w i r d d u r c h A r t . 2 I V U N C m i t Sicherheit n i c h t berührt. 111 U n t e r diesem Gesichtspunkt der „ e i g e n t l i c h e n " staatlichen Selbsthilfe lassen sich n u n M a ß n a h m e n gegen d i p l o m a t i s c h e Vertreter fremder M ä c h t e rechtfertigen, die sich - gerade d u r c h S p i o n a g e a k t i v i t ä t e n - einer Z u w i d e r h a n d l u n g gegen die i h n e n i n A r t . 4 1 1 W Ü D auferlegte P f l i c h t zur Gesetzesbeachtung i m Empfangsstaat s c h u l d i g machen. Solche M a ß n a h m e n w e r d e n d u r c h das G e w a l t v e r b o t des A r t . 2 I V U N C n i c h t b e r ü h r t 1 1 2 u n d f i n d e n i h r e Rechtfertigung

i n der A b w e h r

des vorangegangenen

völkerrechtlichen

D e l i k t s der d i p l o m a t i s c h e n Vertreter b z w . des sie beauftragenden Entsendestaates. 1 1 3

110

s. z.B. Randelzhof er, S. 270 Ii. Sp. oben und Kewenig, S. 182 ff. - Ansonsten hätte man bewaffnete Repressalien „durch die Hintertür" wieder eingeführt. Etwas anders Dahm (Fn. 108), der Gewaltanwendung bei der Repressalie dann zulassen will, wenn diese „unterhalb der Schwelle des Art. 2 IV der UNC verbleibt, z.B. die gewaltsame Wegnahme von Schiffen" (vgl. S. 57 dort). 111 Vgl. dazu Menzel / Ipsen, S. 450; Kimminich (Fn. 11), S. 278ff.; Kewenig, S. 178ff.; Dahm, S. 56ff.; Seidl-Hohenveldern, Rdnr. 1295 a.E. Die Abgrenzung nach dem Erfordernis einer irgendwie gearteten physischen Grenzüberschreitung erscheint m.E. immerhin tragfähiger als die eben erörterte nach der Bedrohung der territorialen Integrität und politischen Unabhängigkeit, bei der man mit einigem „guten Willen" auch Maßnahmen rechtfertigen kann, die einer bewaffneten Repressalie gleichkommen (vgl. Dahm, wie vor). Zweifelsfragen gibt es aber natürlich auch hier, namentlich bei sog. „internationalisierten Bürgerkriegen"; s. dazu den Beitrag von Rauschning, in: Schaumann aaO. (Fn. 108), S. 75ff. 112 So ausdrücklich Dahm, S. 57, und Seidl-Hohenveldern, Rdnr. 1295; s. a. Denza, S. 267f. Auch im IGH-Urteil zum Fall United States of America v. Iran findet Art. 2 IV UNC bei der Beurteilung des iranischen Verhaltens keine Erwähnung. 113 Auch nach dem Inkrafttreten des WÜD haben Staaten in Fällen des extremen Mißbrauchs der diplomatischen Vorrechte Abwehrmaßnahmen durchgeführt, die unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Selbsthilfe gerechtfertigt sein können. Vgl. Denza, S. 84 und S. 267f. So durchsuchten am 11.2.1973 die Behörden Pakistans gegen den ausdrücklichen Widerspruch des Botschafters die diplomatische Mission des Irak, da Verdachtsmomente für einen unter dem Schutz der diplomatischen Immunität geführten Waffenschmuggel nach Pakistan vorlagen. Tatsächlich wurde in der irakischen Botschaft ein umfangreiches Waffenlager entdeckt. Die Regierung Pakistans erhob scharfen Protest bei der irakischen Regierung, erklärte den irakischen Botschafter und einen Attaché zur persona non grata und brach die diplomatischen Beziehungen ab. Sie wurden jedoch schon nach einigen Monaten, am 25.4.1973 wieder aufgenommen. Vgl. dazu AdG vom 25.4.1973, AdG 1973, S. 17486 B. Neuere Vorfälle in diesem Zusammenhang (tödliche Schüsse auf eine britische Polizistin aus der lybischen Botschaft in London am 17.4.1984 und die Reaktionen Großbritanniens) werden untersucht bei Herdegen, ZaöRV 46 (1986), 734. Zum tatsächlichen Hintergrund der Vorfälle s. a. AdG vom 17.4. und vom 22.4.1984, AdG 1984, S. 27602 Β und S. 27627 A.

3. Überwachungsmaßnahmen gegen Diplomaten fremder M ä c h t e 1 0 7

h) Ergebnis der völkerrechtlichen Betrachtung von geheimen Überwachungsmaßnahmen gegen diplomatische Vertreter fremder Mächte als Reaktion des Empfangsstaates auf eine von diesem Personenkreis ausgeübte völkerrechtswidrige Spionagetätigkeit Als Ergebnis läßt sich daher zunächst festhalten, daß geheime Überwachungsmaßnahmen gegen diplomatische Vertreter fremder Mächte als Selbsthilfemaßnahmen des Empfangsstaates völkerrechtlich zulässig sein können. Aus dem diesen notwendigerweise eigenen Abwehrcharakter ergeben sich jedoch einige bedeutsame Einschränkungen, die bei der - wie gezeigt undurchführbaren - Kategorisierung als Retorsion bzw. Repressalie nicht vorhanden wären. So wird man, da es sich auch bei der Selbsthilfe um Maßnahmen mit Selbstverteidigungscharakter handelt, die hierfür entwikkelten Kriterien anlegen können: Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit und Unmittelbarkeit. 1 1 4 Dies bedeutet für die hier in Rede stehenden geheimen Überwachungsmaßnahmen zunächst, daß eine generelle Überwachung von Botschaften oder diplomatischen Vertretern bestimmter fremder Mächte unzulässig ist. Dies hat dann zu gelten, wenn die Maßnahme stattfinden soll, ohne daß ausreichende Anhaltspunkte für eine völkerrechtswidrige Ausspähungstätigkeit der betreffenden Diplomaten zum Zeitpunkt des Einsatzes der Maßnahme vorliegen, und natürlich erst recht dann, wenn die Maßnahme lediglich aus „nachrichtendienstlichem Interesse" heraus erfolgt, um Staatsgeheimnisse des Entsendestaates zu erfahren. Eine solche Vorgehensweise stünde im Widerspruch zu den Bestimmungen des WÜD und wäre damit völkerrechtswidrig, da überhaupt kein völkerrechtliches Delikt des Entsendestaates vorläge, aufgrund dessen der Rechtfertigungsgrund der Selbsthilfe ins Feld geführt werden könnte. Für eine völkerrechtliche Erlaubtheit von gegen Diplomaten gerichteten geheimen Überwachungsmaßnahmen ist also zunächst erforderlich, daß tatsächliche Anhaltspunkte auf eine gegen Art. 41 WÜD verstoßende Ausspähungstätigkeit der betroffenen dioplomatischen Vertreter hindeuten. 115 Wegen der zu fordernden Unmittelbarkeit der Abwehrmaßnahmen muß es sich aber auch um noch andauernde Spionageaktivitäten handeln. Bloße

114

s. Malanczuk, S. 767 f. Inwieweit der mit diesem Begriff charakterisierte G 10-Standard herangezogen werden kann oder ob die Verdachtsschwelle (noch) niedriger zu stecken ist, soll hier offenbleiben. Einen Verdachtsgrad analog § 100 a StPO zu fordern wäre natürlich absurd. Da aber - wie gezeigt - die Überwachung der diplomatischen Vertreter an sich völkerrechtswidrig ist und der (einzig möglichen) Rechtfertigung durch die staatliche Selbsthilfe bedarf, kann man auf das Vorliegen gewisser Verdachtsmomente nicht verzichten, bevor es zum Einsatz geheimer Überwachungsmaßnahmen kommen darf. 115

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III. Der völkerrechtliche Aspekt: Spionage und ihre Abwehr

„Erforschungseingriffe" sind damit ebenso wie reine „Vergeltungsaktionen" in jedem Falle ausgeschlossen. Das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt, da sich Spionagehandlungen durch diplomatische Vertreter als völkerrechtswidrige Angriffe auf die Sicherheit des Empfangsstaates darstellen und geheime Überwachungsmaßnahmen die Anwendung physischer Gewalt nicht beinhalten. 116 Da sich Selbsthilfemaßnahmen immer direkt gegen das völkerrechtswidrige Verhalten eines anderen Staates richtet, entfällt auch die bei Repressalien regelmäßig notwendige vorherige Aufforderung an den Verletzerstaat, die völkerrechtswidrige Handlung einzustellen und eventuell entstandenen Schaden wiedergutzumachen. Eine Anwendung des Grundsatzes über die Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges wäre hier ohnehin neben der Sache. 117 Der IGH hat in seinem Urteil zum „Case Concerning United States Diplomatie and Consular Staff in Tehran" das Diplomatenrecht als ein „selfcontained régime" bezeichnet, das bei Mißbräuchen der diplomatischen Vorrechte und Immunitäten die geeigneten Mittel bereitstellt, mit denen sich der verletzte Empfangsstaat dagegen zur Wehr setzen könnte. Zugleich hat er jedoch weitergehende Abwehrmaßnahmen unter Anwendung physischer Gewalt gegen diplomatische Vertreter fremder Mächte zugelassen, die im WÜD, das als kodifiziertes Gewohnheitsrecht gelten kann, nicht enthalten sind. 1 1 8 Letzten Endes geht es um nichts anderes als die richtige dogmatische Einordnung dieser Maßnahmen. Man kann natürlich vertreten, daß es sich bei der Abwehr von Übergriffen durch Personen mit diplomatischem Status nicht um Selbstverteidigung handele, sondern lediglich um die Grenzen der diesen zuerkannten Vorrechte. 119 I m WÜD sind jedoch diese Grenzen nicht definiert; es wird im Gegenteil eine Bindung der diplomatischen Vorrechte an die Beobachtung der Pflicht zur Gesetzestreue im Empfangsstaat ausdrücklich verneint (Art. 411 WÜD). 1 2 0 Aus diesem Grund ist es besser, diese Grenzen nicht mit Hilfe gleichsam „immanenter Schranken" definieren zu wollen, sondern sie aus allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen zu erklären. Generell ist zwar die Frage 116 Nach der hier vertretenen Auffassung würde eine Rechtfertigung der iranischen Aktion gegen das amerikanische Botschaftspersonal - die Richtigkeit der gegen diese Personen erhobenen Vorwürfe einmal unterstellt - unter dem Gesichtspunkt einer „Selbsthilfe" spätestens hieran scheitern. Da es sich aber offensichtlich um eine reine Vergeltungsaktion handelte, ist eher eine Klassifizierung als Repressalie angebracht, die man - mit dem IGH - aus dem Diplomatenrecht verbannen sollte. 117 Vgl. Verdross / Simma, 3. Aufl., S. 886 (§ 1309). 118 s. nochmals ICJ-Reports 1980, 40 (Ziff. 86 des Urteils). 119 So Partsch, in: Strupp / Schlochauer, Bd. III, S. 257 Ii. Sp. unten (Stichwort „ Selbsterhaltungsrecht " ). 120 Vgl. dazu Denza, S. 263 ff.

3. Überwachungsmaßnahmen gegen Diplomaten fremder M ä c h t e 1 0 9

umstritten, ob bei zunächst geschlossenen sog. völkerrechtlichen Teil- oder Subsystemen 121 bzw. „self-contained régimes" die Wiedergutmachungs-, Streiterledigungs- und Sanktionsmechanismen des allgemeinen Völkerrechts für den Fall wieder anwendbar werden, daß die Spezialnormen des Subsystems nicht zur Anwendung kommen oder sich als unwirksam erweisen. 122 Bei der Frage der zulässigen Abwehr von Spionagehandlungen diplomatischer Vertreter ist ein solcher „Rückgriff" schon deshalb angezeigt, da das WÜD keine Maßstäbe anbietet: Von einer völligen Verbotenheit der hier in Rede stehenden geheimen Überwachungsmaßnahmen auszugehen, liefe darauf hinaus, von dem Empfangsstaat ein letztendlich selbstschädigendes Verhalten zu verlangen. 123 Eine unbeschränkte Erlaubtheit dieser Maßnahmen würde die Botschaften fremder Mächte „durchsichtig" machen und damit ihre Funktionsfähigkeit übermäßig beeinträchtigen. Beide Positionen lassen sich nach dem Wortlaut des WÜD vertreten. Tragfähig ist keine von ihnen. Maßstäbe zur Lösung dieser Frage können daher nur vom allgemeinen Völkerrecht erwartet werden und sind dort - wie gezeigt - auch zu finden. 1 2 4 Das Problem der möglichen „Umsetzung" dieser Maßstäbe in das Recht der Bundesrepublik Deutschland w i r d i n Kapitel V dieser Arbeit behandelt werden.

121 Der Begriff stammt von Riphagen in seinem 3. Bericht an die ILC, UN-Doc. A/CN. 4/354 (Add. 1), S. 7ff. 122 s. zu diesem noch nicht geklärten Problem Verdross / Simma, 3. Auflage, S. 886f. (§ 1309) und Rauschning, Die· Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidriges Verhalten, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Bd. 24 (1984), S. 20ff. 123 v g l die Ausführungen hier unter Punkt 3 a; s. dazu auch Herdegen (Fn. 82), S. 757: "To the extent that States are driven to opt between either their own vital interests . . . and the rigid observance of diplomatic privileges, public international law lends itself to erosion." 124 Vgl. zu der hier aufgezeigten Problematik auch den Diskussionsbeitrag von Bruno Simma auf der 19. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 1983, in: Berichte DGVR Bd. 24, S. 86 f.

IV. Die amerikanische Regelung geheimer Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken 1. D i e verfassungsrechtliche Ausgangslage in den U S A und die Unterschiede zum Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland

Von staatlicher Seite durchgeführte geheime Überwachungsmaßnahmen gegen bestimmte Einzelpersonen oder Personengruppen werden typischerweise als Ermittlungstechniken eingesetzt, entweder zu präventiven Zwekken als Mittel der Gefahrenabwehr oder zu repressiven Zwecken als Mittel zur Strafverfolgung. Es verwundert daher zunächst einmal nicht, daß sich der Streit um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit solcher Maßnahmen auf den gegen ungerechtfertigte Durchsuchungen und Beschlagnahmen schützenden vierten Zusatzartikel zur US-Verfassung zuspitzte. Einen speziellen Schutz der Post- und Fernmeldebeziehungen gibt es in der US-Verfassung nämlich genauso wenig wie ein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Dieser Artikel lautet: The right of the people to be secure in their persons, houses, papers and effects, against unreasonable searches and seizures, shall not be violated, and no warrants shall issue, but upon probable cause supported by oath or affirmation, and particularly describing the place to be searched, and the person or things to be seized.

Geheime Überwachungsmaßnahmen staatlicher Behörden wurden damit zum Auslegungsproblem: Wenn solche Maßnahmen „searches and seizures" im Sinne des vierten Zusatzartikels zur US-Verfassung darstellten, wäre zu ihrer Durchführung eine vorherige richterliche Anordnung („warrant") notwendig und es bestünde somit eine justizförmige Kontrolle der Exekutive bei der Anwendimg solcher Techniken. Wären sie aber unter den Begriff „searches and seizures" nicht subsumierbar, stünde es der Exekutive zunächst einmal - vorbehaltlich einfachgesetzlicher Regelungen dieser Materie - frei, solche Maßnahmen nach Belieben einzusetzen. Es bedurfte einer vierzig Jahre dauernden Entwicklung der Rechtsprechung, die keineswegs immer geradlinig verlief, bis sich die erstere Auslegung durchsetzte. Am Wortlaut des vierten Zusatzartikels w i r d auch ein wesentlicher Unterschied zum deutschen Verfassungsrecht erkennbar. Während im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland geheime Überwachungsmaßnahmen je nach Art ihrer Durchführung und Zielrichtung unter Art. 10 GG oder Art. 13 GG fallen können, ist in den USA für alle Arten der vierte Zusatz-

1. Die Unterschiede zum deutschen Verfassungsrecht

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artikel maßgebend. Weil diese Bestimmung aber darüber hinaus für alle staatlichen Akte gilt, die das Auffinden und Ergreifen bestimmter Objekte zum Ziel haben, stellt sich im amerikanischen Verfassungsrecht die Frage nicht, ob auch geheime Überwachungsmaßnahmen gegen Wohnungen eine „Durchsuchung" darstellen oder andere „Eingriffe und Beschränkungen", die im deutschen Recht bei Art. 13 GG - wie gezeigt - so problematisch wird. 1 Sämtliche für das Suchen nach körperlichen Gegenständen entwikkelten Schranken sind damit im amerikanischen Recht - zumindest theoretisch - auch auf geheime Überwachungsmaßnahmen anwendbar. 2 Eine weitere Folge der Tatsache, daß alle Arten von geheimen Überwachungsmaßnahmen unter einer Grundrechtsnorm zusammengefaßt werden (im Englischen beschreibt der Begriff „wiretapping" das Abhören von Telefongesprächen und der Begriff „eavesdropping" das Belauschen des direkt gesprochenen Wortes) ist das Fehlen des im deutschen Recht so häufig anzutreffenden Versuchs, zwischen den beiden hier relevanten Grundrechtsnormen (Art. 10 und 13 GG) möglichst viele Unterschiede zu konstruieren, um so einer „Übernahme" der G 10-Regelung auf Art. 13 GG vorzubeugen. 3 Im weiteren Verlauf der Untersuchung der amerikanischen Rechtsentwicklung wird sich zudem herausstellen, daß durch diese unterschiedliche verfassungsrechtliche Ausgangslage ein etwas-„flexiblerer" Maßstab für die Beurteilung geheimer Überwachungsmaßnahmen gefunden werden kann als dies im deutschen Recht der Fall ist. Andererseits werden sich auch einige parallele Entwicklungen zeigen, die allerdings infolge verschiedener höchstrichterlicher Urteile von Bundesverfassungsgericht und U.S. Supreme Court bald wieder auseinanderliefen. Die Entwicklung der Rechtsprechung des U. S. Supreme Court zur Frage der geheimen Überwachungsmaßnahmen soll im folgenden zunächst kurz nachgezeichnet werden.

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Vgl. die Ausführungen hier in Kap. I I 3 c; s. a. Carr, Wiretapping in West Germany, 29 Am. Comp. L. J. 607, 609f. 2 Praktisch schafft dies wegen der unterschiedlichen Natur des Suchens nach körperlichen Gegenständen und dem Abhören von Gesprächen natürlich Probleme, vgl. Fishman, Wiretapping and Eavesdropping, Rochester (Ν. Y.) 1978, S. 7f. und Carr, wie vor, S. 610. 3 Vgl. die Ausführungen hier in Kap. I I Fn. 111 und die dortigen Nachweise. Kamiah, DÓV 1970, 44, 47 hat - offenkundig von der amerikanischen Rechtslage inspiriert - versucht, zwischen Art. 10 und Art. 13 GG eine „Konkordanz" herzustellen und den für das G 10 (vor der Entscheidung BVerfGE 30, 1) gewünschten Richtervorbehalt schließlich aus Art. 13 I I GG (!) begründet. Dieser oft gescholtene Versuch (vgl. Kap. I I Fn. 58 mit den dortigen Nachweisen) paßt zwar nicht in die Systematik des GG, macht aber wenigstens die Einordnungsschwierigkeiten bei geheimen Überwachungsmaßnahmen im deutschen Verfassungsrecht deutlich.

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IV. Die amerikanische Rechtslage 2. Die Anwendung des vierten Zusatzartikels zur U . S.-Verfassung auf das heimliche Abhören von Gesprächen durch den U . S. Supreme Court: Von Olmstead v. U . S . (1928) bis zu Katz v. U . S . (1967)

a) Der Fall Olmstead v. U. S. Die Diskussion über die rechtliche Zulässigkeit der diversen Möglichkeiten zum Abhören des gesprochenen Wortes ist in den Vereinigten Staaten von Amerika bereits seit Anfang dieses Jahrhunderts geführt worden. 4 Bemerkenswert ist aber, daß, abgesehen von einem 1918 aus Gründen der Staatssicherheit vom Kongreß erlassenen Anti-Abhörgesetz 5 bis 1940 sowohl in der Politik wie auch in den höchstrichterlichen Urteilen nur das Abhören zu Strafverfolgungszwecken eine Rolle spielte. Ab 1920 begannen Beamte des Department of Treasury, denen die Durchsetzimg des 1919 mit dem 18. Zusatzartikel in die Verfassung eingefügten Alkoholverbotes und des darauf basierenden Gesetzes (sog. Volstead-Act) oblag, das Abhören von Telefongesprächen als Mittel im Kampf gegen den Alkoholschmuggel einzusetzen. Ein solches „wire-tap" des Department of Treasury war es dann auch, das zur ersten Entscheidung des U. S. Supreme Court über die Verfassungsmäßigkeit des heimlichen Abhörens von Gesprächen führte. Im 1928 entschiedenen Fall Olmstead v. U. S. 6 hielt die Mehrheit der Richter 7 - unter ihnen der frühere Präsident und nunmehrige Chief Justice William Howard Taft - das Abhören der Telefongespräche von Anführern einer Alkoholschmugglerbande ohne vorherige richterliche Anordnung nicht für eine Verletzung des vierten Zusatzartikels, der auf eine solche Überwachungsmaßnahme überhaupt nicht anwendbar sei. Voraussetzung für „searches and seizures" im Sinne dieser Vorschrift sei nämlich ein körperliches Eindringen in Eigentum oder Besitz des Betroffenen durch staatliche Organe - sog. „trespass doctrine" - und dieses war zum Anzapfen der Telefonleitungen Roy Olmsteads und seiner „Geschäftsfreunde" natürlich nicht notwendig gewesen. Eine weitere Begründung der Richtermehrheit war, daß die im vierten Zusatzartikel genannten Schutzgegenstände „papers and effects" nur „greifbare", also körperliche Objekte meinen könnten; das gesprochene 4 Bereits i n der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es mit dem „Anzapfen" von Telegrafenleitungen ein ähnliches Problem; s. Landynski, Search and Seizure and the Supreme Court, 1966, S. 198f. 5 s. Landynski, ebd., sowie Steger, Der Schutz des gesprochenen Wortes i n der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika - Zur Problematik des Abhörens von Gesprächen durch Behörden des Staates, Frankfurt / Bern 1975, S. 20 m.w.N. 6 277 U.S. 438, 48 S.Ct. 564 (1928). Eine Darstellung der genauen Umstände des Olmstead-Falles, auf die hier aus Raumgründen verzichtet wird, findet sich bei Murphy, Wiretapping on Trial - A Case Study in the Judicial Process, New York 1965, passim. 7 Die Entscheidung erging mit 5 :4 Stimmen.

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W o r t f ä l l t bei einer solchen Auslegung n i c h t i n den Schutzbereich dieser Vorschrift. D i e i n dieser E n t s c h e i d u n g f ü r die Auslegung des v i e r t e n Zusatzartikels aufgestellte „trespass d o c t r i n e " blieb, o b w o h l h a r t k r i t i s i e r t , 8 herrschend b i s i n das J a h r 1967. V o n der l e t z t g e n a n n t e n A r g u m e n t a t i o n ist der Supreme C o u r t dagegen schon etwas früher abgekommen. 9 B e i den Ü b e r l e gungen der m e h r h e i t l i c h entscheidenden obersten Richter i m Falle O l m stead w i e i n den w e i t e r e n m i t staatlichen Ü b e r w a c h u n g s m a ß n a h m e n befaßt e n Fällen, auf die h i e r n i c h t w e i t e r eingegangen w i r d , 1 0 d ü r f t e w o h l auch die Tatsache eine Rolle gespielt haben, daß b e i einer gegenteiligen Entscheid u n g die sog. „ e x c l u s i o n a r y r u l e " hätte angewendet w e r d e n müssen, n a c h der u n t e r Verletzung des v i e r t e n Zusatzartikels gewonnenes Beweismaterial v o r Gericht n i c h t v e r w e r t b a r ist (sog. „ i n a d m i s s i b l e e v i d e n c e " ) . 1 1 8 Vgl. bereits die dissenting opinion von Louis D. Brandeis, J., 48 S. Ct. 571 f.: "As a means of espionage, writs of assistance and general warrants are but puny instruments of tyranny and oppression when compared w i t h wiretapping . . . Experience should teach us to be most on our guard to protect liberty when the government's purposes are beneficient ... The greatest dangers to liberty lurk in insidious encroachment by men of zeal, well-meaning and without understanding". 9 Vgl. Silverman v. U.S., 365 U.S. 505; 81 S.Ct. 679, 682 - 683 (1961), wo es eine etwas andere Fallgestaltung erlaubte, bei einer Lauschmaßnahme trotz der „trespass doctrine" ein „Eindringen" anzunehmen: Hier war ein „Nagelmikrofon" i n die Wand der Wohnung des Beschuldigten getrieben worden, welches Kontakt mit einer Röhrenleitung des Heizungssystems bekommen und dieses in ein riesiges Mikrofon verwandelt hatte. Der Supreme Court bejahte hier (unter Geltung der „trespass doctrine") eine Verletzung des vierten Zusatzartikels, obwohl nur das gesprochene Wort „fixiert" worden war. 10 Vgl. v.a. Goldman v. U.S., 316 U.S. 129, 62 S.Ct. 993 (1942): Hier war das Mikrofon lediglich an die Wand angelegt worden - kein „trespass" und keine Verletzung des vierten Zusatzartikels (!). Diese Rechtsprechung schlug in der Folgezeit auf die Untergerichte durch; vgl. die Nachweise bei Steger (Fn. 5), S. 190, Anm. 179. 11 Angedeutet wurde diese Regel vom Supreme Court zum ersten Mal 1886 im Fall Boyd v. U.S., 116 U.S. 616, 638.1914 entschied das Gericht im Fall Weeks v. U.S., 232 U.S. 383, 34 S.Ct. 341, daß bei einer rechtswidrigen Durchsuchung gefundenes Beweismaterial vor Bundesgerichten unverwertbar sei. Diese Doktrin litt jedoch jahrzehntelang an zwei entscheidenden Schwächen: Zum einen galt sie nur für Beweismaterial, das von Angehörigen der Bundespolizei (FBI) illegal erlangt worden war. Hatten Polizeibeamte eines Bundesstaates Beweismittel unter Verletzung des vierten Zusatzartikels gewonnen, konnte dies einfach an Bundesbeamte weitergegeben und von diesen - da sie an der Grundrechtsverletzung „unschuldig" waren - vor Bundesgerichten eingebracht werden. Diese sog. „silver platter doctrine" hörte erst mit der Entscheidung Elkins v. U.S., 364 U.S. 206, 80 S.Ct. 1437 (1960) zu existieren auf, i n der der Supreme Court erklärte, daß die Rechtswidrigkeit der Gewinnung allein maßgebend sei, nicht dagegen, von wem die rechtswidrige Durchsuchung im einzelnen durchgeführt worden war. Zum anderen galt die „exclusionary rule" sehr lange Zeit nur vor Bundesgerichten; auf die Gerichte der Einzelstaaten wurde sie erst 1961 im Fall Mapp v. Ohio, 367 U.S. 643, 81 S.Ct. 1684 ausgedehnt. Vgl. dazu im einzelnen Polyviou, Search and Seizure, London 1982, S. 340ff., und Pollack / Smith, Civil Rights and Civil Liberties in the United States, St. Paul (Minn.) 1978, S. 140ff., sowie Schmid, Das amerikanische Strafverfahren, Heidelberg 1986, S. 113ff. Im Falle Olmstead wäre die Anwendung der exclusionary rule jedoch problemlos gewesen, da es sich um ein Verfahren vor einem Bundesgericht (U. S. District Court for the Western District of Washington) handelte und die Telefongespräche durch Beamte des Bun-

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IV. Die amerikanische Rechtslage

Die Reaktion der öffentlichen Meinung auf die Olmstead-Entscheidung war überwiegend negativ 1 2 und es gab bald danach erste Versuche i m Kongreß, das Abhören von Telefongesprächen durch Bundesbeamte für ungesetzlich zu erklären. Schließlich kam es 1933 zu einem Gesetz, das den Bundesbehörden das „wiretapping" zum Zweck der Durchsetzung des Alkoholverbotes untersagte - da die Prohibition durch den Widerruf des 18. Zusatzartikels im gleichen Jahr aber ohnehin endete, blieb diese Bestimmung wirkungslos. 13 b) Der Federal Communications Act (FCA) von 1934 I m Jahr 1934 erließ der Kongreß den Federal Communications Act zur Regelung des Rundfunk- und Fernmelderechts. 14 Dieses Gesetz enthielt eine Strafbestimmung 15 für das unbefugte Abhören und Verbreiten („interception and divulgence") des Inhalts von Telefongesprächen („wire communications"). Obwohl der Kongreß das Problem des „wiretapping" durch staatliche Behörden mit diesem Gesetz gar nicht regeln wollte (es erwähnt die Strafverfolgungsbehörden überhaupt nicht), nahm der mittlerweile (1937) in seiner Besetzung stark gewandelte Supreme Court dieses Gesetz zum Anlaß, im Fall Nardone v. US. 1 6 das Verbot auf Strafverfolgungsbehörden des Bundes („government law enforcement agencies") auszudehnen und darüber hinaus ein Verwertungsverbot für die durch das Telefonabhören erlangten Beweismittel aufzustellen. 17 Die Regelung des FCA bezog sich desschatzamtes abgehört worden waren. Eine Bejahung der Verletzung des vierten Zusatzartikels durch das „wiretapping" hätte, da ohne die umfangreichen Abhörprotokolle eine Verurteilung Olmsteads und seiner Komplizen nicht möglich gewesen wäre, eine voll überführte „bootlegger"-(= Alkoholschmuggler)-Bande auf freiem Fuß bedeutet - und das mitten in der Prohibitionszeit! Zu der neueren Rechtsprechung des Supreme Court, in der immer mehr zu einer einschränkenden Auslegung der exclusionary rule tendiert wird, vgl. Hermann, JZ 1985, 602, 608f. m.w.N. sowie die dissenting opinion von Justice Brennan (dem Supremce Court-Richter mit der längsten Dienstzeit, seit 1956) in den Fällen U.S. v. Leon und Massachusetts v. Sheppard, - U.S. - , 104 S.Ct. 3430 - 3443 (1984). Einen rechtsvergleichenden Überblick zur Entwicklung und Bedeutung der exclusionary rule gibt Bradley, Beweisverbote in den USA und in Deutschland, GA 1985, 99, allerdings mit einigen Fehlern bei der deutschen Rechtslage (vgl. S. 108 f. dort). Aufschlußreich ist auch die rechtsvergleichende Untersuchimg von Pakter über Beweisverwertungsverbote in Frankreich, Deutschland und Italien, in: 9 Hastings International and Comparative Law Review 1 (1985). 12 Eine genaue Darstellung findet sich bei Murphy (Fn. 6), S. 123 ff. 13 Landynski (Fn. 4), S. 205. 14 Fundstelle: 47 U.S.C. §§ 151 et seq. (United States Code Title 47, Chapter 5, §§ 151 - 609). 15 47 U.S.C. § 605. 16 302 U.S. 379, 58 S.Ct. 275 (1937). 17 Die Begründung hierfür ist interessant. Da die exclusionary rule nur für Verletzungen des vierten Zusatzartikels gilt und es sich hier um die Verletzung einfachen Gesetzesrechts handelte, begründete das Gericht dieses Verwertungsverbot damit,

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jedoch unstreitig nur auf das Abhören von Telefongesprächen („wiretapping") und nicht auf andere Formen des technischen Belauschens des nichtöffentlich gesprochenen Wortes (sog. „eavesdropping") 18 - für diese Formen der Überwachung galt also weiterhin die „trespass doctrine" des Olmstead-Falles und es hing vom Geschick der abhörenden Beamten und den technischen Möglichkeiten ab, inwieweit ein Eindringen in das Besitztum des von dieser Maßnahme Betroffenen vermieden werden konnte. 19 Die in den beiden Nardone-Entscheidungen aufgestellten Beweisverwertungsverbote veranlaßten im März 1940 den damaligen Attorney General (d.i. der amerikanische Justizminister) Robert H. Jackson zu der Erklärung, daß die ihm unterstehenden Bundesbehören in Zukunft keine Telefongespräche mehr abhören würden. Kurze Zeit später aber wies der Präsident Franklin Delano Roosevelt den Attorney General an, in die nationale Sicherheit der USA berührenden Fällen diese Ermittlungstechnik wieder einzusetzen, um „the conversation or other communications of persons suspected of subversive activities against the government of the United States, including suspected spies" abhören zu können. Roosevelt wollte die Überwachungsmaßnahmen so weit als möglich auf Ausländer beschränkt sehen. Gerade diese letzte Beschränkung fehlte aber, als die Anweisung 1946 von Präsident Truman gegenüber Attorney General Clark bestätigt wurde. 20 Um die Wiederaufnahme der Abhörpraxis zu rechtfertigen, wartete das Justizministerium mit einer Auslegung des § 605 FCA auf, die noch eigenwilliger war als die vom Supreme Court in den Nardone-Fällen vorgenommene: Nur das Abhören und Verbreiten des Inhalts von Telefongesprächen („interception and divulgence") sollte nun durch diese Vorschrift verboten daß „(t)o recite the contents of the message i n testimony before a court is to divulge the message", 302 U.S. 379, 382; 58 S.Ct. 275, 277; s. a. Landynski (Fn. 4), S. 206ff. Nach der Aufhebung des Urteils durch den Supreme Court wurde der Fall erneut verhandelt, Nardone (übrigens ebenfalls ein „bootlegger") erneut verurteilt und es kam wiederum zu einer höchstrichterlichen Entscheidung. Im zweiten Fall Nardone v. U.S., 308 U.S. 338, 60 S.Ct. 266 (1939), verlieh der Supreme Court dem aus § 605 FCA abgeleiteten Beweisverbot sogar Fernwirkung und dehnte es auf Beweismittel aus, zu denen die abgehörten Gespräche erst den Weg gewiesen hatten („fruit of the poisonous tree-doctrine"). is Dies wurde auch im Fall Silverman v. U.S., 365 U.S. 505, 81 S.Ct. 679 (1961), ausdrücklich bestätigt. Wie wenig der auf den ersten Blick recht weitgehende Schutz des fernmündlich gesprochenen Wortes durch die Nardone-Entscheidungen tatsächlich wert war, zeigte sich im bereits erwähnten Fall Goldman v. U. S., 316 U. S. 129, 62 S.Ct. 993 (1942): Hier war eine hochempfindliche Abhöranlage („dectaphone") an eine Wand angelegt und damit abgehört worden, was im angrenzenden Raum in das Telefon gesprochen wurde. Eine Verletzung des vierten Zusatzartikels wurde vom Supreme Court - wie bereits erwähnt - in Anwendung der „trespass doctrine" verneint. Aber auch § 605 FCA war nicht verletzt - dieser schützte nach seiner Auffassung nur vor einem technischen Anzapfen der Telefonleitungen, nicht aber die Vertraulichkeit des Telefongesprächs an sich. 19 Landynski, S. 212. 20 Der genaue Text der beiden Anweisungen ist u.a. abgedruckt i n U.S. v. U.S. District Court, 444 F.2d 651, 669f., sowie in U.S. v. Smith, 321 F. Supp. 424, 430. 8*

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sein, nicht aber das bloße Abhören allein, sofern das erlangte Material nur innerhalb der Strafverfolgungsbehörden weitergegeben wurde. Diese bestenfalls spitzfindige - Interpretation des § 605 FC A bildete bis zur Entscheidung Katz v. U.S. des Supreme Court von 1967 die Rechtfertigung der Exekutive für das Abhören von Telefongesprächen. 21 Der Supreme Court hatte bis dahin keine Gelegenheit, über diese eigenwillige Auslegung zu entscheiden, da entsprechende Fälle nicht mehr zu ihm gelangten. 22 Die Urteile des Gerichts änderten auch an der Abhörpraxis der Bundesbehörden (und erst recht an der der Polizei der Einzelstaaten) nur sehr wenig. Zumindest als Mittel zu Erforschungseingriffen im Rahmen der nationalen Sicherheit blieb das Anzapfen von Telefonleitungen weiterhin wertvoll; es wurde daher von der Exekutive während der fünfziger und sechziger Jahre bedenkenlos fortgesetzt. 23 Das Abhören von Telefongesprächen war jedoch nur die eine - und weniger gravierende - Seite des Problems. Für alle anderen Überwachungstechniken außer dem Anzapfen von Telefonleitungen gab es während des Bestehens der „trespass doctrine" nur geringe Schranken, die zudem immer niedriger wurden, je weiter die technische Entwicklung von Abhörgeräten voranschritt. Während der vier Jahrzehnte ihres Bestehens war es nach Bundesrecht (v.a. als Resultat der Goldman-Entscheidung von 1942) jedermann, der Polizei wie dem Privaten, erlaubt, das nichtöffentlich gesprochene Wort anderer in beliebigem Umfang abzuhören, sofern es dabei nicht zu einem physischen Eindringen in das Besitztum des Betroffenen kam. 2 4 Aber auch 21 s. Steger (Fn. 5), S. 25ff. und Landynski, S. 27; vgl. a. Shapiro, 15 Harv. J. Legis, 119, 128f. (1978). 22 Landynski, S. 228. Der Supreme Court mußte sich aber noch in einer ganzen Reihe von Entscheidungen mit der Auslegung des § 605 FC A befassen, wobei im wesentlichen immer wieder die Frage zu klären war, inwieweit die bei der exclusionary rule des vierten Zusatzartikels aufgestellten Grundsätze auch für das Beweisverwertungsverbot dieser Vorschrift gelten sollten. Vgl. dazu die Fälle Goldstein v. U.S., 316 U. S. 114, 62 S. Ct. 9 (1942) (kein Schutz für Dritte, die durch die abgehörten Telefongespräche belastet werden); Schwartz ν. Texas, 344 U.S. 199, 73 S.Ct. 232 (1952) (§ 605 FCA verbietet zwar auch den einzelstaatlichen Behörden das Telefonabhören; aus diesem Verbot ergibt sich jedoch nicht zwingend ein Verwertungsverbot der so gewonnenen Beweismittel); sowie Benanti v. U.S., 355 U.S. 96, 78 S.Ct. 155 (1957) (Unverwertbarkeit der durch Telefonabhören erlangten Beweismittel vor Bundesgerichten auch dann, wenn nicht durch Bundesbeamte, sondern durch die Polizei der Einzelstaaten abgehört worden war). Für den Bereich des „wiretapping" endete die „silver platter doctrine" also schon einige Jahre vor Elkins v. U.S., 364 U.S. 206, 80 S.Ct. 1437 (1960). Die letzte Lücke Schloß Lee v. Florida, 392 U.S. 378, 88 S.Ct. 2096 (1968), wo das Beweisverwertungsverbot des § 605 FCA auch auf durch die Polizei der Einzelstaaten illegal abgehörte Gespräche vor den Gerichten der Einzelstaaten ausgedehnt wurde. 23 Vgl. Pollack / Smith (Fn. 11), S. 159, und Note, Developments of The Law: The National Security Interest and Civil Liberties, 85 Harv. L. R. 1130, 1250ff. (1972). 24 Diese Erfordernis wurde vom Supreme Court freilich immer weiter ausgelegt; vgl. nochmals Silverman v. U.S., 365 U.S. 505, 81 S.Ct. 679, wo bereits das Einschlagen eines „Nagelmikrofons" um einige Zentimeter in eine Wand für „trespass" genügte. Ein neuer Aspekt zum Problem des „eavesdropping" trat in den fünfziger

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in Fällen, bei denen Lauschmaßnamen krasse Verletzungen des vierten Zusatzartikels unter der „trespass doctrine" bedeuteten, erwies sich der Supreme Court zuweilen als ausgesprochen hilflos. Am deutlichsten wurde dies im 1954 entschiedenen Fall Irvine v. California, 25 wo Polizeibeamte der Stadt Los Angeles zur Gewinnung von Beweisen gegen einen „Buchmacher" (Veranstalter illegaler Wetten) insgesamt fünf Mal in das Haus eines Verdächtigen eingebrochen waren, um verschiedene Lauschmittel anzubringen. Von einer nahegelegenen Garage aus wurden dann sämtliche im Haus geführten Gespräche abgehört. 26 In ihrem Urteil hierzu meinten die obersten Richter, der zugrunde liegende Sachverhalt „would be almost incredible, if it were not admitted. Few police measures have come to our attention that more flagrantly, deliberately and persistently violated (a citizen's rights)". 2 7 Dennoch hielt das Gericht die mit solcherart erlangten Beweismitteln erreichte Verurteilung aufrecht. Die Verletzung des vierten Zusatzartikels lag zwar klar zutage; ein hieraus resultierendes Verwertungsverbot war nach der zu dieser Zeit im Supreme Court herrschenden Auffassimg aber aus der Verfassung für die Gerichte der Einzelstaaten nicht zu begründen. 28 Angesichts dieser Entwicklung ist es kaum überraschend, daß eine von Präsident L. B. Johnson 1965 ernannte „Commission on Law Enforcement and Administration of Justice" im Jahre 1967 nach einer umfassenden Bestandsaufnahme feststellte: „The present status of the law w i t h respect to wiretapping and bugging („bug" = „Wanze") is intolerable. It serves the Jahren hinzu - der sog. „wired informer", also der mit einem Schallübertragungsgerät ausgerüstete V-Mann der Polizei, der das kriminelle Aktivitäten enthüllende Gespräch mit einem unwissenden Partner aufnimmt oder gleich seinen außerhalb stationierten Auftraggebern das Mithören ermöglicht. Über die Zulässigkeit solcher Praktiken hatte der Supreme Court erstmals 1952 im Fall On Lee v. U.S., 343 U.S. 747, 72 S.Ct. 967, zu befinden; er verneinte in einer 5:4-Entscheidung ein verfassungswidriges Vorgehen der Behörden, da das Verhalten der mithörenden Beamten nicht anders zu beurteilen sei, als wenn sie „had been eavesdropping outside an open window" (72 S.Ct. 971 - 972). Weitere Fälle in diesem Zusammenhang, die alle im gleichen Sinne entschieden wurden, waren Lopez v. U.S., 373 U.S. 427, 83 S.Ct. 1381 (1963); Lewis v. U. S., 385 U. S. 206, 87 S. Ct. 424 (1966); Hoffa v. U. S., 385 U. S. 293, 87 S. Ct. 408 (1966); und Osborn v. U. S., 385 U. S. 323, 87 S. Ct. 429 (1966). In „Hoffa" und „Lewis" ging es nur um die Aussagen von „undercover agents", die sich durch Täuschimg das Vertrauen des Betroffenen erschlichen hatten. Immer wieder stellte das Gericht auf dessen „assumption of risk" ab, wenn dieser seinem Gesprächspartner Mitteilungen über kriminelle Aktivitäten machte. 25 3 4 7 U.S. 128, 74 S.Ct. 381 (1954). 26 Zum Sachverhalt s. auch Murphy (Fn. 6), S. 152; Landynski, S. 136ff.; Polyviou (Fn. 11), S. 343. 27 347 U.S. 128, 132; 74 S.Ct. 381, 383. 28 Dies änderte sich erst 1961 mit der Entscheidung im Fall Mapp v. Ohio, 367 U. S. 643, 81 S.Ct. 1684, wo die exclusionary rule unter Zuhilfenahme der im 14. Zusatzartikel zur US-Verfassung befindlichen „due process clause" auf die Verfahren vor den Gerichten der Einzelstaaten ausgedehnt wurde, da das Recht des Bürgers gegen „unreasonable searches and seizures" der Polizeibehörden der Bundesstaaten ansonsten nur ein „dead letter" bzw. „empty promise" wäre; s. a. Landynski, S. 158ff.

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interests neither of privacy nor of law enforcement. One way or the other the present controversy w i t h respect to electronic surveillance must be resolved". 2 9 c) Der Widerruf der „trespass doctrine": Die Fälle Berger v. State of New York und Katz v. U. S. In der Rechtsprechung des Supreme Court zu den Bürgerrechten zeichnete sich seit der Amtsübernahme durch Chief Justice E ari Warren im Oktober 1953 eine Entwicklung ab, die an staatliche Eingriffe in grundrechtsgeschützte Bereiche sehr einschränkende Anforderungen stellte. 30 Schließlich entschied der Supreme Court 1967 zwei Fälle, die die „trespass doctrine" aus Olmstead v. U.S. zunächst stillschweigend und dann ausdrücklich aufhoben. In Berger v. State of New York 3 1 ging es um die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes des Bundesstaates New York, das geheime Überwachungsmaßnahmen („eavesdropping") 32 für eine Dauer von bis zu 60 Tagen zuließ; hierfür war eine richterliche Anordnimg erforderlich, die nur ergehen durfte, sofern eine eidesstattliche Versicherung („oath or affirmation") eines Polizeioffiziers oder eines Staatsanwalts vorlag, „that there is reasonable ground to believe that evidence of crime may be thus obtained and particularly describing the person or persons whose communications, conversations or discussions are to be overheard or recorded and the purpose thereof . . .". In einer knappen 5:4-Entscheidung erklärte der Supreme Court dieses Gesetz für verfassungswidrig, da es den Anforderungen des vierten Zusatzartikels an den Inhalt der richterlichen Anordnung nicht entsprechen würde: insbesondere fehlten nähere Angaben über die Art des aufzuklärenden Verbrechens und der zu belauschenden Personen und Gespräche, die Dauer der Überwachung sei mit 60 Tagen zu lang bemessen und eine Verlängerung dieser Frist überdies zu leicht zu erlangen; es fehle eine Vor29 Zitiert in Steger, S. 160; vollständig abgedruckt ist der Bericht der Kommission in Berger v. State of New York, 388 U. S. 41, 87 S. Ct. 1873,1914 - 1919 (App. to White, J., dissenting). 30 Die bekanntesten Entscheidungen des Supreme Court aus dieser Zeit zum Verhältnis Strafverfolgungsbehörden - Verdächtiger sind wohl: Miranda ν. Arizona, 384 U.S. 436, 86 S.Ct. 1602 (1966) (Fünfter Zusatzartikel: „Privilege against self-incrimination"); Escobedo v. Illinois, 378 U.S. 478, 84 S.Ct. 1758 (1964),und U.S. v. Wade, 388 U.S. 288, 87 S.Ct. 1926 (1967) (Sechster Zusatzartikel: „Right to counsel"). Eine Bilanz der Ära des „Warren Court" (1953 - 1969) zieht Baring, ZRP 1968/69, S. 180ff.; s. auch den Vergleich zwischen dem „aktivistischen" Supreme Court der „WarrenÄra" und dem „moderaten" Supreme Court der „Burger-Ära" von Brugger, ZRP 1987, 52ff. 3 1 388 U.S. 41, 87 S.Ct. 1873 (1967). 32 N.Y. Code of Criminal Procedure § 813-a (1958, aufgehoben 1968). Der gesamte Text der Vorschrift ist abgedruckt bei Saltzburg, American Criminal Procedure, St. Paul (Minn.) 1980, S. 294.

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schrift, nach der die Überwachung abzubrechen sei, sobald man das gesuchte Beweismaterial gefunden habe und ebenfalls eine Bestimmung über die Benachrichtigung des Betroffenen. 33 War der vierte Zusatzartikel hier nur auf dem „Umweg" über die Verfassungsmäßigkeitsprüfung eines einzelstaatlichen Abhörgesetzes ins Spiel gekommen, so wurde im wenig später entschiedenen Fall Katz v. U.S. 3 4 deutlich, daß die obersten Richter (das Stimmenverhältnis war hier bei Abwesenheit eines Richters 7:1) an der „trespass doctrine" nicht länger festhalten wollten. Zum einen wurde nunmehr als das im vierten Zusatzartikel gegen gewisse (nicht alle!) staatliche Eingriffe geschützte Rechtsgut nicht mehr nur das körperliche Eigentum einer Person, sondern deren Privatsphäre insgesamt angesehen35 und zum anderen galt jetzt eine ohne vorherige richterliche Genehmigung durchgeführte geheime Überwachungsmaßnahme „per se" als - in der Regel - unzulässiger „unreasonable search". 36 Ob dies über Strafverfolgungsmaßnahmen hinaus auch für Eingriffe zum Zweck der Staatssicherheit gelten sollte, ließ das Gericht ausdrücklich offen; 37 die Meinungen der Richter hierüber waren geteilt. 38 Mit der Katz-Entscheidung war der Supreme Court gleich über zwei von ihm einst entwickelte verfassungsrechtliche Konstruktionen hinweggegangen - zunächst über die bereits bekannte „trespass doctrine" aus Olmstead v. U.S. und außerdem über die Theorie von den „constitutionally protected areas", die etwa zur gleichen Zeit aufkam 39 und nach der der Schutz des vierten Zusatzartikels nur dann in Anspruch genommen werden konnte, wenn ein staatlicher Eingriff in eine nach den allgemeinen Vorstellungen der Gesellschaft als „privat" anzusehende Räumlichkeit vorlag. Dieser private Charakter der Räumlichkeit berechtigte zu der Erwartung, hier vor sol33 388 U.S. 41, 55 - 60; 87 S.Ct. 1873, 1881 - 1884. In der Mehrheitsmeinung findet sich auch eine Zusammenfassung der verschiedenen Arten des „electronic eavesdropping" s. 388 U.S. 45 - 53; 87 S.Ct. 1876 - 1880. 34 389 U.S. 347, 88 S.Ct. 507 (1967). 35 Vgl. 88 S.Ct. 511: ". . . the Fourth Amendment protects people, not places. What a person knowingly exposes to the public, even in his own home or office, is not a subject of Fourth Amendment protection . . . But what he seeks to preserve as private, even in an area accessible to the public (im konkreten Fall waren die aus einer öffentlichen Telefonzelle geführten Telefongespräche des Beschuldigten abgehört worden), may be constitutionally protected". 36 Ebd., S. 514: " . . . searches conducted outside the judicial process, without prior approval by judge or magistrate are per se unreasonable under the Fourth Amendment - subject only to a few specifically established and well-delineated exceptions". Diese Ausnahmen vom Erfordernis einer vorherigen richterlichen Anordnung sollten noch sehr bedeutsam werden, s. zun. sofort im Text. 37 Vgl. 88 S.Ct. 515, Fn. 23. 38 Vgl. einerseits 88 S.Ct. 516 (Douglas, J., concurring: ja), und andererseits 88 S.Ct. 518 (White, J., concurring: nein). Im Fall Katz war zu Strafverfolgungszwecken abgehört worden, so daß über diese Frage nicht entschieden werden mußte. 39 Im Faü Hester v. U. S., 265 U. S. 57, 44 S. Ct. 445 (1924).

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chen Eingriffen des Staates geschützt zu sein. Dazu wurden Privatwohnungen, Geschäftsräume, Hotelzimmer und Kraftfahrzeuge gerechnet, nicht aber Örtlichkeiten, die - wie im Fall Katz v. U.S. eine öffentliche Telefonzelle - für jedermann frei zugänglich waren. 40 Ersetzt wurde der an die „constitutionally protected areas" gebundene Schutz der Privatsphäre durch den Maßstab der „reasonable expectation of privacy", die auch in einer öffentlichen Telefonzelle vorhanden sein kann: „ . . . One who occupies it (a telephone booth), shuts the door behind him, and pays the toll that permits him to place a call is surely entitled to assume that the words he utters into the mouthpiece w i l l not be broadcast to the world". 4 1 Wo die Grenzen dieser „expectation" zu ziehen sind, ist freilich keineswegs sicher. Bei der Betrachtung der Entscheidungen des Supreme Court nach „Katz" fällt auch auf, daß die Rechtmäßigkeit des staatlichen Eindringens in die Privatsphäre des einzelnen nicht so sehr von den Erwartungen des Betroffenen, an diesem Ort und zu dieser Zeit von den Staatsorganen unbehelligt zu bleiben, abhängig gemacht wird, sondern von der spezifischen Natur der eingesetzten Überwachungsmaßnahme. 42 Nach „Katz" nicht mehr in Frage gestellt wurde die Gleichbehandlung der Überwachung durch das Anzapfen von Telefonleitungen („wiretapping") und durch andere Abhörgeräte, die auf das direkt gesprochene Wort zielen („eavesdropping" bzw. „bugging"). Die mehrere Jahrzehnte währende Auseinanderentwicklung dieser beiden Materien erscheint durch „Katz" beendet. Es gibt jedoch noch andere Bereiche der „electronic surveillance", 43 bei denen Katz v. U.S. keineswegs eine Änderung der Rechtsprechung des Supreme Court mit sich brachte. Es sind dies die bereits angesprochenen Fälle der mit einem Schallaufnahme- bzw. Schallübertragungsgerät ausgerüsteten V-Leute (engl, „wired informer"), die den Beschuldigten in ein dessen kriminelle Aktivitäten offenbarendes Gespräch verwickeln und dies entweder aufzeichnen („participant recording") oder ihre polizeilichen Auftraggeber gleich mithören lassen („participant monitoring"). I m Fall U.S. v. White, 4 4 der sich vom Sachverhalt her genauso darstellte wie der 1952 ent40 Daher auch die Bemerkung von Justice Stewart: „The Fourth Amendment protects people, not places" (Fn. 35). Allerdings bot bereits die Konstruktion der „constituionally protected areas" die Möglichkeit, sich bei der Frage des Schutzes vor ungerechtfertigten staatlichen Eingriffen von der in „Olmstead" herrschenden, nur auf den Schutz des Privateigentums abstellenden Auffassung zu lösen und statt dessen auf den Schutz der Privatsphäre abzuheben; s. dazu Polyviou, S. 25 ff. Bereits im Fall Silverman v. U.S. (1961) hielt sich der Supreme Court nicht so sehr bei der Frage des „trespass" auf, sondern bezeichnete seine Entscheidung als „based upon the reality of an actual intrusion into a constitutionally protected area", 365 U. S. 512, 81 S. Ct. 683. 41 Vgl. 88 S.Ct. 512. 42 s. Polyviou, S. 31 m.N. 43 „Electronic surveillance" wird in den USA allgemein als Oberbegriff für alle unter Zuhilfenahme technischer Mittel durchgeführten geheimen Überwachungsmaßnahmen verwendet. 44 401 U.S. 745, 91 S.Ct. 1122 (1971).

2. Der vierte Zusatzartikel zur US-Verfassung

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schiedene Fall On Lee v. U.S., 4 5 bestätigte der Supreme Court sein 19 Jahre früher ergangenes Urteil über die Unanwendbarkeit des vierten Zusatzartikels auf solche Praktiken. Auch die neuen Grundsätze aus „Katz" sollten daran nichts geändert haben. 46 Die Begründung war einfach, daß die Auswahl des Gesprächspartners, dem man sein illegales Tun anvertrauen wolle, auf eigenes Risiko ginge und es keinen Unterschied machen würde, ob der „undercover agent" das Gespräch technisch aufzeichnen bzw. übertragen oder aber dessen Inhalt schriftlich niederlegen bzw. darüber aussagen würde. 47 Die dem Urteil nicht zustimmenden Richter (es war eine 4:4-Entscheidung bei Abwesenheit eines Richters) brachten in ihren abweichenden Meinungen den allgemeinen Gedanken zum Ausdruck, daß es nicht auf das Risiko des Betroffenen hinsichtlich der „Zuverlässigkeit" seines Gesprächspartners ankäme, sondern darauf, ob „we should impose on our citizens the risks of the electronic listener or observer without at least the protection of the warrant requirement", denn die Auffassung der die Entscheidung tragenden Richter „subjects each and every law abiding member of society to that risk". 4 8 Trotz der knappen Entscheidung hat sich die „White" tragende Auffassung, daß für geheime Überwachungsmaßnahmen, bei denen ein Gesprächspartner um die Durchführung der Maßnahme weiß bzw. sie selber ermöglicht, keine „warrant procedure" nach dem vierten Zusatzartikel notwendig ist (sog. „consensual interceptions"), bei allen 11 Circuit Courts of Appeals durchgesetzt; der Supreme Court hat seither keinen entsprechenden Fall mehr zur Entscheidung angenommen („certiorari denied"). 49 45

tels.

343 U.S. 747, 72 S.Ct. 967 (1952); vgl. die Ausführungen in Fn. 24 dieses Kapi-

46 Da sich der „White" zugrunde liegende Sachverhalt 1966 abspielte, war die erst 1967 ergangene Entscheidung des Falles „Katz" hierauf nach Meinung der Richtermehrheit ohnehin nicht anwendbar. Aber selbst für den angenommenen Fall, daß man „White" nach den Grundsätzen aus „Katz" zu beurteilen hätte, lehnten die die Entscheidung tragenden Richter eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung zum Einsatz der „wired informers" ab; s. 91 S.Ct. 1125 (sog. „obiter dictum"). 47 Da in den Fällen „On Lee" und „White" jeweils nicht die V-Leute selbst, sondern die mithörenden Beamten der Polizei vor Gericht aussagten, ist es verwunderlich, daß in der BRD noch kein V-Mann-Führer auf den Gedanken gekommen ist, das Problem der Geheimhaltung der V-Leute auf diese Weise zu „lösen". Der BGH hatte über eine solche Konstellation jedenfalls - soweit ersichtlich - noch nicht zu entscheiden. 4 ® 91 S.Ct. 1143, 1145 (Harlan, J. diss.); vgl. a. S. 1132 (Douglas, J. diss). Bei Stimmengleichheit kann auch vom Supreme Court kein Verfassungsverstoß festgestellt werden (vgl. in der BRD § 15 I I 4 BVerfGG). 49 Vgl. die Nachweise bei Fishman (Fn. 2), S. 16ff.; dasselbe gilt nach Auffassung aller Circuit Courts auch für Telefongespräche, bei denen ein Teilnehmer weiß, daß abgehört wird, vgl. Fishman, S. 19 sowie Project - Fifteenth Annual Review of Criminal Procedure: United States Supreme Court and Courts of Appeals 1984-1985 (Electronic Surveillance), 74 Georgetown L. J. 559, 576 - 578 (1986). In der Bundesrepublik gibt es für „consent surveillance" keinerlei Ausnahmen; die Rechtslage ist hier genau umgekehrt; s. dazu die rechtsvergleichenden Darstellungen bei Carr (Fn. 1 hier), S. 640 Fn. 223 und Bradley, S. 108ff. (Fn. 11 dort). Aus der deutschen Rechtsprechung vgl. zu dieser Frage die Entscheidungen BGHSt. 31, 304 = BGH, NJW 1983, 1570 (4. Sen. ν. 17.3.1983) sowie nunmehr BGHSt. 34, 39 = BGH, NJW 1986,

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IV. Die amerikanische Rechtslage

G ü n s t i g f ü r die Interessen der amerikanischen Strafverfolgungsbehörden w a r auch die 1979 ergangene E n t s c h e i d u n g des Falles D a l i a v. U . S . , 5 0 n a c h der eine gemäß d e m (sofort z u besprechenden) Abhörgesetz v o n 1968 ergangene r i c h t e r l i c h e A n o r d n u n g z u m A n b r i n g e n v o n L a u s c h m i t t e l n ohne w e i teres auch die Befugnis f ü r die Polizei e n t h a l t e n soll, n a c h Belieben h e i m l i c h i n die R ä u m l i c h k e i t e n des Beschuldigten einzudringen, i n denen die A b h ö r anlagen i n s t a l l i e r t w e r d e n sollen. O b w o h l i m Abhörgesetz diese Frage n i c h t e r w ä h n t ist, soll es auf die Gerichte i m p l i z i t die Befugnis übertragen haben, die Strafverfolgungsbehörden i m Rahmen einer A b h ö r a n o r d n u n g z u solchem V e r h a l t e n z u ermächtigen. D e r vierte Z u s a t z a r t i k e l w ü r d e das h e i m liche Betreten der geschützten R ä u m l i c h k e i t e n n i c h t „ p e r se" v e r b i e t e n 5 1 u n d das Verlangen n a c h einer wenigstens a u s d r ü c k l i c h e n E r m ä c h t i g u n g h i e r z u i m Gesetz oder der r i c h t e r l i c h e n A n o r d n u n g w ä r e „ e m p t y f o r m a lism".52 Abschließend soll n o c h e r w ä h n t werden, daß sich die „electronic s u r v e i l lance" auch auf anderen Gebieten des U S - S t r a f r e c h t s z u interessanten Erscheinungsformen e n t w i c k e l t h a t . 5 3 U m die E i n h a l t u n g v o n B e w ä h r u n g s auflagen ü b e r w a c h e n z u können, soll 1983 ein Bundesrichter i n N e w M e x i c o „ p r o b a t i o n e r s " dazu v e r u r t e i l t haben, stets einen M i n i s e n d e r bei sich z u t r a gen, dessen S i g n a l auf einen i n der W o h n u n g des V e r u r t e i l t e n angebrachten 2261 = BGH, StrVert 1986, 325 (3. Sen. ν. 9.4.1986). In der ersteren Entscheidung wurde die Verwertbarkeit eines aufgezeichneten Telefongesprächs zwischen einem polizeilichen V-Mann und dem Angeklagten verneint, in dem der V-Mann den (späteren!) Angeklagten gezielt zur Selbstbelastung verleitete (ein richterlicher TÜBeschluß nach § 100a StPO existierte nicht); in der zweiten Entscheidung verneinte der BGH die Verwertbarkeit eines heimlich aufgenommenen Gesprächs des i n Untersuchungshaft einsitzenden Angeklagten mit dem Leiter der JVA als Beweismittel gegen dessen Willen. Die Tatsache, daß der jeweilige Gesprächspartner (V-Mann, JVA-Leiter) mit der Aufzeichnung einverstanden gewesen war, erschien dem erkennenden Senat offensichtlich als so bedeutungslos, daß er sie i n den Entscheidungsgründen gar nicht erwähnte. Daß die „consent surveillance" auch im amerikanischen Recht aber unter gewissen Umständen verboten sein kann, w i r d deutlich an der neueren Entscheidung des Supreme Court im Falle Maine v. Moulton, - U.S. - , 106 S.Ct. 477 (1985). Hier hatte die Polizei den kooperationswilligen Mitbeschuldigten mit einem Tonaufnahmegerät ausgerüstet und zu einem Treffen mit dem Angeklagten geschickt (das aber auf Initiative des letzteren zustande gekommen war). Die aufgezeichneten belastenden Äußerungen des Angeklagten bei diesem Gespräch hielt der Supreme Court in einer 5:4-Entscheidung für unverwertbar, da zu diesem Zeitpunkt bereits Anklage wegen dieser Delikte erhoben war; das Vorgehen der Polizei bildete daher einen Verstoß gegen den sechsten Zusatzartikel zur US-Verfassung („In all criminal prosecutions, the accused shall enjoy the r i g h t . . . to have the assistance of counsel for his defence."). Die Problematik dieses Falles entspricht der in Kap. II, Fn. 47 dargestellten neueren BGH-Entscheidung. so 411 U.S. 238, 99 S.Ct. 1682 (1979). 51 Vgl. 99 S.Ct. 1688f. 52 Vgl. ebd., S. 1694; s. dazu Fishman (Fn. 2), Cumulative Supplement December 1979, S. 24f., sowie McNamara, Surreptitious Entry into Private Premises to Effect Electronic Surveillance, 15 Am. Crim. L. R. 1 (1977). 53 Vgl. zum folgenden Note, Electronic Monitoring of Probationers - A Step Toward Big Brother?, 14 Golden Gate U. L. Rev. 431 (1984.).

3. Title I I I des Omnibus Crime B i l l von 1968

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Empfängers wirkt. Verliert der Empfänger das Signal, wird über die Telefonleitung automatisch die Bewährungsbehörde („probation office") alarmiert. So kann überwacht werden, ob der Betroffene den ihm auferlegten Hausarrest einhält oder nicht. Angewandt wird diese Methode bei Tätern weniger gravierender Verfehlungen (Trunkenheitsfahrt, „white-collar crimes"). Bedenklich erscheint hier nicht so sehr die jetzige Anwendung dieser Technik, mit der nur festgestellt werden kann, ob sich der Betroffene zuhause aufhält oder nicht, sondern die Möglichkeit ihres „Ausbaus" v.a. im Zeichen der chronisch überbelegten US-Strafanstalten 54 und dieser vergleichsweise „billigen" Lösung. 3. Die erste gesetzliche Regelung: Title I I I des „Omnibus Crime Control and Safe Streets Act" (OCCA) von 1968 und sein „national security disclaimer"

a) Der Erlaß des OCCA durch den Kongreß Nach den höchstrichterlichen Entscheidungen in den Fällen Berger v. State of New York und Katz v. U. S. war es deutlich geworden, daß geheime Überwachungsmaßnahmen durch die Strafverfolgungsbehörden nur dann weitergeführt werden konnten, wenn für diese eine gesetzliche Grundlage geschaffen würde, die die Beteiligung eines neutralen Richters vorsah und in ihren sonstigen Ausführungsbestimmungen den in „Berger" verlangten Anforderungen genügte. Nachdem solche Maßnahmen für die Polizei vor allem bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens unentbehrlich geworden waren und die „President's Commission on Law Enforcement and Administration of Justice" auch mehrheitlich vorschlug, ein solches Gesetz zu erlassen, 55 reagierte der Kongreß schnell: Im Juni 1968 wurde als Title I I I des „Omnibus Crime Control and Safe Streets Act" (der insgesamt einen sehr umfangreichen Katalog unterschiedlicher Verbrechensbekämpfungsmaßnahmen enthielt) eine detaillierte Regelung der Zulässigkeit und Durchführung von Abhörmaßnahmen der verschiedenen Arten verabschiedet. 56 Die Systematik dieses Gesetzes kann hier aus Raumgründen nicht im einzelnen dargestellt werden. 57 Ausgehend von einem grundsätzlichen Verbot der „electronic surveillance" ohne vorherige richterliche Anordnung (18 54 Zur (erlaubten) elektronischen Überwachung von Strafgefangenen bei Gesprächen mit Besuchern vgl. die Entscheidung U.S. v. Hearst, 563 F.2d 1331, 1344 - 1345 (9th Cir. 1977). 55 Vgl. nochmals den Abdruck des Berichts dieser Kommission in Berger v. State of New York, 388 U.S. 41, 123 - 129; 87 S.Ct. 1873, 1916 - 1919 (1967). 56 Fundstelle: United States Code Title 18, Chapter 119 („Wire interception and interception of oral communications"), §§ 2510 - 2520 = 18 U.S.C. §§ 2510 - 2520. 57 Die wichtigsten Bestimmungen dieses Gesetzes sind ebenfalls abgedruckt i n Saltzburg (Fn. 32), S. 295 - 304.

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IV. Die amerikanische Rechtslage

U . S . C . § 2511) u n d einem Beweisverwertungsverbot m i t F e r n w i r k u n g e n t sprechend der exclusionary r u l e (§2515) g i b t es d e t a i l l i e r t e Regeln darüber, bei w e l c h e n S t r a f t a t e n ein r i c h t e r l i c h e r A b h ö r b e f e h l erlangt w e r d e n k a n n (§ 2516), welche A n g a b e n der A n t r a g der Behörden auf Erlaß einer A b h ö r a n o r d n u n g e n t h a l t e n muß u n d was der zuständige Richter b e i seiner E n t scheidungsfindung über diesen A n t r a g z u beachten h a t (§ 2518). D e r V o l l s t ä n d i g k e i t h a l b e r ist schließlich zu erwähnen, daß die a m Ende des v o r i g e n A b s c h n i t t s besprochene „consensual i n t e r c e p t i o n " , b e i der ein Gesprächspartner u m die Ü b e r w a c h u n g weiß, v o n diesem Gesetz n i c h t b e r ü h r t w i r d (§ 2511 (2) (c))." b) Der „national

security

disclaimer "

F ü r das zu behandelnde Thema w i c h t i g ist aber eine andere, i n § 2511 (3) des O C C A enthaltene „ A u s n a h m e " , deren u r s p r ü n g l i c h e Fassung v o n 1968 w i e folgt lautete: "Nothing contained in this chapter or in Section 605 of the Communications Act of 1934 (47 U.S.C. § 605) shall limit the constitutional power of the President to take such measures as he deems necessary to protect the nation against actual or potential attack or other hostile acts of a foreign power, to obtain foreign intelligence information deemed essential to the security of the United States or to protect national security information against foreign intelligence activities. Nor shall anything in this chapter be deemed to limit the constitutional power of the President to take such measures as he deems necessary to protect the United States against the overthrow of the Government by force or other unlawful means, or against any other clear and present danger to the structure or existence of the Government. The contents of any wire or oral communication intercepted by authority of the President in exercise of the foregoing powers may be received i n evidence at any trial, hearing or other proceeding only where such interception was reasonable, and shall not be otherwise used or disclosed except as is necessary to implement that power". Diese B e s t i m m u n g des amerikanischen Abhörgesetzes (der sog. „ n a t i o n a l security d i s c l a i m e r " ) w u r d e v o n Regierungsseite so aufgefaßt, daß f ü r 58 Ob der Title I I I des OCCA tatsächlich den Grundsätzen aus Berger v. State of New York entspricht, w i r d teilweise bezweifelt. Hauptansatzpunkt der K r i t i k ist der lange Katalog von Straftaten in § 2516, wegen denen abgehört werden kann und der eigentlich alle Verbrechen umfaßt, bei denen eine Anwendung geheimer Überwachungsmaßnahmen irgendwie erfolgversprechend scheint; s. dazu Kamiah, Right of Privacy, Köln u. a. 1969, S. 189f., sowie Schwartz, The Legitimation of Electronic Eavesdropping: the Politics of Law and Order, 67 Mich. L. Rev. 455, 463 - 466 (1969). Nicht außer acht lassen darf man hierbei aber, daß der Katalog in 18 U.S.C. § 2516 immer noch schmäler ist als der in § 100a StPO! Vgl. Carr (Fn. 1), S. 615ff. mit Beispielen. Die neuere Rechtsprechung des Supreme Court und der Courts of Appeals i n den Jahren 1984/85 zu Title I I I ist dargestellt in Project (Fn. 49), 74 Georgetown L. J. 499, 559 - 585 (1986).

3. Title I I I des Omnibus Crime B i l l von 1968

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Abhörmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken, gleichgültig ob sie im Rahmen nachrichtendienstlicher Operationen oder zur Überwachung „subversiver" inländischer Aktivitäten erfolgten, nun gar keine Beschränkimg mehr galt: weder das Erfordernis der vorherigen richterlichen Anordnung nach dem vierten Zusatzartikel bzw. dem neuen Abhörgesetz noch das Verbot der „interception and divulgence" des Inhalts von Telefongesprächen aus § 605 des Federal Communications Act von 1934. Da der Supreme Court in der Katz-Entscheidung über die Geltung des Richtervorbehalts aus dem vierten Zusatzartikel für das Abhören zu Staatssicherheitszwecken nicht entschieden hatte, mußte nach dieser Interpretation das Abhörgesetz von 1968 im Ergebnis als eine Besserstellung der Exekutive auf dem Gebiet des nachrichtendienstlichen Abhörens erscheinen. 59 In einem Zeitungsinterview vom 22. 7.1969 versicherte denn auch der damalige Attorney General John N. Mitchell, daß man für Überwachungsmaßnahmen gegen „radical, domestic dissident groups" keine vorherige richterliche Anordnung benötige. 60 Eine solche Auffassung der Exekutive war jedoch keinesfalls erst durch die Ausnahmeregelung in 18 U. S. C. § 2511 (3) entstanden. Bereits das schon erwähnte Memorandum Präsident Roosevelts an Attorney General Jackson vom 21.5.1940, in dem dieser erklärte, er bejahe zwar die ablehnende Rechtsprechung des Supreme Court zum Telefonabhören (d. s. die Fälle Nardone I + II), könne sich aber nicht vorstellen, daß das Gericht dieses Abhörverbot auch auf „grave matters involving the defense of the nation" ausdehnen würde, ist ein Beispiel für die Ansicht der Exekutive, daß geheime Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken aus eigener Machtvollkommenheit angeordnet werden könnten. 61 Nach dem Tode Roosevelts wurde dessen Anweisung zum Einsatz des „wiretapping" in den die nationale Sicherheit berührenden Fällen von seinem Nachfolger Truman aufrechterhalten. Auch in einem Memorandum von Präsident Lyndon B. Johnson an die Spitzen der Bundesbehörden („Executive departments and agencies") vom 30.6.1965, in dem dieser seinen ausgesprochenen Widerwillen gegen die Praxis des Telefon- und sonstigen Abhörens kundtut („strongly opposed"), wird anerkannt, daß diese Maßnahmen „may sometimes be essential in protecting our national security"; sie sollten daher in diesem Bereich - mit jeweiliger Zustimmung des Attorney General - weitergeführt 59

Note, 85 Harv. L. Rev. 1130, 1252 (vgl. Fn. 23 hier). Ebd., S. 1253 Fn. 60. 61 Allgemein wird „F.D.R." als der erste US-Präsident angesehen, der geheime Überwachungsmaßnahmen unter Berufung auf die nationale Sicherheit durchführen ließ. In U. S. v. Barker, 524 F. 2d 208 (D. C. Cir. 1975) (d. i. ein Beschluß im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen die vier Watergate-Einbrecher Barker, Martinez, Sturgis und Gonzales), wird auf S. 243 in Fn. 14 jedoch angegeben, daß bereits Präsident Woodrow Wilson im Mai 1915 nach der Versenkung der „Lusitania" durch deutsche U-Boote die Telefone der deutschen Botschaft und die Privatwohnung des Botschafters und seiner Attachés abhören ließ. 60

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IV. Die amerikanische Rechtslage

werden. 62 Generell läßt sich sagen, daß eigentlich jede US-Administration seit dem zweiten Weltkrieg, unabhängig von ihrer Einstellung zu den Abhörpraktiken der Polizeibehörden, für sich das Recht beanspruchte, geheime Überwachungsmaßnahmen zum Schutz der Staatssicherheit durchzuführen, ohne hierbei von Parlament oder Gerichten kontrolliert zu werden. 63 Gestützt wurde diese Ansicht auf eine „inherent power" des Präsidenten, die sich aus seinen verschiedenen Funktionen als Oberbefehlshaber der Streitkräfte (U.S. Const. Art. I I § 2 cl. 1), als Führer der Außenpolitik (U.S. Const. Art. I I § 2 cl. 2) sowie als „Chief Exekutive" mit der Aufgabe zur Wahrung des Rechts im Innern (U.S. Const. Art. I I § 1 cl. 1 u. § 3) ergeben sollte. 64 Außerdem wurde von der Regierungsseite ins Feld geführt, daß der Kongreß mit dem „national security disclaimer" diese Befugnisse des Präsidenten nunmehr sogar gesetzlich verankert habe. c) Die „Keith"-Entscheidung

des Supreme Court

Einige Jahre später (1972), im Fall U. S. v. U. S. District Court 65 (nach dem Richter Damon J. Keith am U. S. District Court in Detroit, der den Fall erstinstanzlich entschieden hatte, 66 besser bekannt als „Keith case") hatte sich der Supreme Court mit der Frage der Legalität von geheimen Überwachungsmaßnahmen gegen Mitglieder einer terroristischen Vereinigung („Weathermen") zu befassen. Beamte des FBI hatten im Auftrag des Attorney General Mitchell, aber ohne vorherige richterliche Anordnung, die Telefongespräche von drei US-Bürgern abgehört, die verdächtigt wurden, einen 62

Die Anweisungen Roosevelts, Trumans und Johnsons (sowie ein der letzteren entsprechendes Memo des Atty. Gen. Ramsey Clark) sind neben den in Fn. 20 genannten Fundstellen ebenfalls zu finden in U.S. v. Barker, 514 F.2d 208, 246 - 248, sowie in U.S. v. White, 401 U.S. 745, 766 - 768; 91 S.Ct. 1122, 1133f.; s. dazu auch Shapiro, The Foreign Intelligence Surveillance Act: Legislative Balancing of National Security and the Fourth Amendment, 15 Harv. J. Legis. 119, 127 - 133. 63 Hierbei kam es auf innenpolitischem Gebiet - hauptsächlich durch eine ausgesprochene laissez-faire-Haltung der jeweiligen Justizminister gegenüber dem FBI unter Director J. Edgar Hoover - zu unerhörten Auswüchsen; am bekanntesten ist wohl die ab Oktober 1963 bis zu seinem Tode am 4. April 1968 vorgenommene heimliche Überwachung von Dr. Martin Luther King, die ausschließlich zu dem Zweck durchgeführt wurde, um Material für eine Verleumdungskampagne gegen diesen zu gewinnen. Vgl. hierzu die Auszüge aus dem Bericht des Senate Committee to Study Governmental Operations w i t h Respect to Intelligence Activities (sog. „Church Committee"), Book II: Intelligence Activities and the Rights of Americans, abgedruckt in: Fain / Plant / Milloy, The Intelligence Community, 1977, S. 390 - 406 und S. 892 947. Zu den Vorgängen in der Nixon-Ära vgl. Shapiro (Fn. 62), S. 120 und 130ff. sowie Pollack / Smith (Fn. 11), S. 167. Zur heutigen Situation und Aufgabe des FBI s. ferner Elliff, The Attorney General's Guidelines for FBI-Investigations, 69 Cornell L. R. 785 (1984), sowie Theoharis, FBI-Surveillance - Past and Present, ebd. ab S. 883. 64 Für eine Diskussion dieser Argumente s. Note (Fn. 23), 85 Harv. L. R. 1130, 1255 - 1262. 65 407 U.S. 297, 92 S.Ct. 2125 (1972). 66 U.S. v. Sinclair, 321 F. Supp. 1074 (E. D. Mich. 1971).

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Sprengstoffanschlag auf ein Büro der CIA in Ann Arbor (Mich.) durchgeführt zu haben und weitere Anschläge vorzubereiten. Der Attorney General rechtfertigte vor Gericht das Verhalten der Beamten jedoch nicht mit dem Verdacht unmittelbar bevorstehender krimineller Handlungen, sondern bezog sich auf die erwähnte „inherent power" des Präsidenten und führte zur Unterstützung den „national security disclaimer" in 18 U.S.C. § 2511 (3) an, denn „ i n excepting national security surveillances from the Act's warrant requirement, Congress recognized the President's authority to conduct such surveillances without prior judicial approval". 67 Die letztere Argumentation wies der Supreme Court schlicht zurück: 18 U. S. C. § 2511 (3) sei lediglich der Ausdruck dafür, daß der Kongreß mit dem Erlaß des OCCA von 1968 die Frage der geheimen Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken nicht habe regeln wollen; 6 8 eine Ableitung spezieller Befugnisse der Exekutive aus dieser Norm sei aber schlechthin nicht möglich. Die Frage, ob der Präsident in den Angelegenheiten der nationalen Sicherheit Sonderbefugnisse habe, sei durch die Regelungen des Title I I I des Omnibus Crime Control and Safe Streets Act (OCCA) überhaupt nicht berührt. Der Supreme Court nahm weiterhin die seit dem zweiten Weltkrieg bestehende Abhörpraxis zu Staatssicherheitszwecken in den USA sowie ihre diversen Rechtfertigungsversuche zur Kenntnis und begann, die Notwendigkeit des Staatsschutzes durch geheime Überwachungsmaßnahmen gegen die in der „ B i l l of Rights" 6 9 und vor allem im vierten Zusatzartikel garantierten Grundrechte abzuwägen. Er stellte fest, daß ein Grundrechtsschutz des Bürgers durch diese Artikel wirkungslos sei, wenn ausschließlich die Regierungsbehörden über die Anwendbarkeit solcher Maßnahmen entscheiden dürften. Eine vorherige richterliche Überprüfung des Begehrens der Exekutive nach dem Einsatz dieser Maßnahmen (also eine „warrant procedure") sei daher unverzichtbar, die Ersetzimg derselben durch eine beschränkte nachträgliche richterliche Überprüfung (so ein Vorschlag des Attorney General) ausgeschlossen.70 Gerade in bezug auf Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken sei ein effizienter Schutz der Bürger besonders wichtig, da hier auch die im ersten Zusatzartikel zur US-Verfassung geschützte Meinungsfreiheit eine Rolle spiele; diese wäre gefährdet, wenn man der Exekutive die von ihr beanspruchten Befugnisse einräumen würde: "The danger to political dissent is acute where the Government 67

Vgl. 407 U.S. 303, 92 S.Ct. 2129. „ I n short, Congress simply left Presidential powers where it found them". Vgl. 407 U.S. 303, 92 S.Ct. 2130. 69 So werden die ersten zehn Zusatzartikel zur US-Verfassung bezeichnet, die bereits 1791 angefügt wurden. ™ Vgl. 407 U.S. 316 - 319; 92 S.Ct. 2136 - 2137. 68

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IV. Die amerikanische Rechtslage

attempts to act under so vague a concept as the power to protect 'domestic security'." 71 Das Gericht wies auch die Argumentation zurück, daß eine vorherige richterliche Überprüfung an der mangelnden Sachkenntnis der Justiz in Staatssicherheitsfragen scheitern müßte bzw. dadurch die hier notwendige Geheimhaltung gefährdet sein könnte. 72 Jedoch betonte es gleich an zwei Stellen die beschränkte Tragweite seiner Entscheidung: 73 Der Fall „Keith" und das darin angesprochene Erfordernis der vorherigen richterlichen Anordnung gelte nur für solche geheime Überwachungsmaßnahmen, deren Zweck die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit der USA sei. Über die Reichweite der exekutivischen Befugnisse in Fällen, in denen fremde Mächte oder deren Agenten überwacht werden sollten, gleichgültig ob inner- oder außerhalb der USA, wollte der Supreme Court hier ausdrücklich nicht entscheiden - wie er auch die angeblichen „inherent powers" des Präsidenten keiner verfassungsrechtlichen Analyse unterzog. 74 In einer abschließenden Bemerkung konzedierte das Gericht, daß bei der vorherigen richterlichen Überprüfung von Überwachungsmaßnahmen zum Schutz der „inneren Sicherheit" nicht dieselben strikten Maßstäbe hinsichtlich des „probable cause" (also des Wahrscheinlichkeitsgrades, mit dem die Überwachungsmaßnahme zur Aufdeckung eines strafbaren Verhaltens führen wird) angelegt werden müßten wie bei solchen Maßnahmen zum Zwecke der Strafverfolgung (diese Maßstäbe waren ja in Title I I I das OCCA normiert worden). Dies rechtfertige sich aus der unterschiedlichen Natur von Überwachungsmaßnahmen zu Strafverfolgungs- und zu Staatsschutzzwekken. 75 Damit verbunden war die Aufforderung des Gerichts an den Kongreß, eine entsprechende Gesetzgebung vorzubereiten, falls er für den Bereich der „national security surveillance" geringere als die in 18 U.S.C. §§25102520 aufgestellten Voraussetzungen wünschen sollte. 7

1 Vgl. 407 U.S. 313 - 314; 92 S.Ct. 2134 - 2135. Vgl. 407 U.S. 320 - 321; 92 S.Ct. 2138 - 2139. 73 Vgl. 407 U.S. 308 - 309, 321 - 322; 92 S.Ct. 2132 (s. a. dort Fn. 8) und 2139. 74 Vgl. a. nochmals die Unterscheidung in den ersten beiden Sätzen des „national security disclaimer" (18 U.S.C. § 2511 (3) zwischen „attack . . . of a foreign power" (S. 1) und „overthrow of the Government" (S. 2), die sich der Supreme Court hier zu eigen macht. Eine solche Trennung hatte das Gericht bereits im Fall Giordano v. U. S. 1969 angedeutet; vgl. 394 U.S. 310, 89 S.Ct. 1163, 1165 - 1166. 75 "We recognize that domestic security surveillance may involve different policy and practical considerations from the surveillance of 'ordinary crime'. The gathering of security intelligence is often long-range and involves the interrelation of various sources and types of information. The exact targets of such surveillance may be more difficult to identify than in surveillance operations against many types of crimes specified in Title III. Often, too, the emphasis of domestic intelligence gathering is on the prevention of unlawful activity or the enhancement of the Government's preparedness for some possible future crisis or emergency. Thus, the focus of domestic surveillance may be less precise than that directed against more conventional types of crime". Vgl. 407 U.S. 322, 92 S.Ct. 2139. 72

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Falls die Exekutive ihre bisherige Praxis also nicht ganz aufgeben wollte, war sie auf die Mitwirkung der beiden Häuser des amerikanischen Kongresses angewiesen. Einstweilen verlautbarte der damalige Attorney General Richardson am 12.9.1973, man werde weiterhin geheime Überwachungsmaßnahmen ohne richterliche Anordnung durchführen, wenn es darum ginge, (1) die Vereinigten Staaten vor Angriffen oder sonstigen feindseligen Akten fremder Mächte zu schützen, (2) um nachrichtendienstliche Informationen zu erlangen, die für die Sicherheit des Landes unerläßlich seien, oder (3) um Staatsgeheimnisse vor der Ausforschung durch fremde Nachrichtendienste zu schützen. 76 d) Vom „national security disclaimer" zur „foreign security exception" - die widersprüchlichen Entscheidungen der Untergerichte nach „Keith" Bereits vor der Entscheidung des „Keith case" durch den Supreme Court war von verschiedenen Bundesgerichten die Ansicht vertreten worden, daß „Überwachungsmaßnahmen ohne vorherige richterliche Anordnung zwar in völlig „internen" Situationen verfassungswidrig, im Falle der Verwicklung fremder Mächte in die Angelegenheit wegen der „inherent power" des Präsidenten bei der Führung der amerikanischen Außenpolitik aber erlaubt seien. 77 Nach „Keith" kam es nun in dieser Frage zu einander widersprechenden Urteilen der Bundesgerichte. Im Fall U. S. v. Butenko 78 befaßte sich der Court of Appeals für den dritten „judicial circuit" mit der Rechtmäßigkeit von ohne vorherige richterliche Genehmigung durchgeführten geheimen Überwachungsmaßnahmen gegenüber Spionen der UdSSR in den USA. Er prüfte zunächst § 605 des Federal Communications Act (47 U. S. C. § 605), der hier möglicherweise anwendbar war, da die Maßnahmen vor 1968, also vor dem Erlaß des „national security disclaimer" stattgefunden hatten. Die Richtermehrheit bezeichnete das in dieser Vorschrift enthaltene Abhörverbot jedoch als nicht einschlägig bei nachrichtendienstlichen Überwachungsmaßnahmen der Exekutive und begründete dies mit den verfassungsmäßigen Befugnissen des Präsidenten bei der Führung der amerikanischen Außenpolitik. 79 Das Gericht erklärte mehrheitlich weiterhin, daß eine Prüfung der Überwachungsmaßnahmen am vierten Zusatzartikel nicht durch die bloße Versicherung der Regierungsbehörden ausgeschlossen sei, es handele sich hier um nachrichtendienstliche Maßnahmen im Rahmen der auswärtigen Gewalt des Präsidenten. Aber eine vorherige richterliche Anord76

Nesson, 49 Ind. L. J. 399, 412 (1973/74). U.S. v. Smith, 321 F. Supp. 424, 426 m.N. (Central Dist. of Calif. 1971); ähnl. auch U.S. v. Clay, 430 F.2d 165 (5th Cir. 1970). 78 494 F. 2d 593 (3rd Cir. 1974). 79 Vgl. 494 F. 2d 601. 77

9 Beier

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IV. Die amerikanische Rechtslage

nung sei in diesen Fällen nicht erforderlich; hierbei berief sich die Richtermehrheit auf die bisherigen Ausnahmen vom „warrant requirement", die der Supreme Court bei in den Schutzbereich des vierten Zusatzartikels fallenden Maßnahmen bis dahin zugelassen hatte. 80 Der Grund für diese Ausnahmen sei immer ein starkes „öffentliches Interesse" gewesen; ein solches Interesse sei auch hinsichtlich der Notwendigkeit nachrichtendienstlicher Überwachungsmaßnahmen feststellbar. Es sei daher angebracht, sich hierbei zunächst einmal auf den „good faith of the Executive" zu verlassen, denn „the efficient operation of the Executive's foreign policy-making apparatus depends on a continuous flow of information. A court should be wary of interfering w i t h this flow." 8 1 Als Sicherung für die guten Absichten der Exekutive erachtete es das Gericht für genügend, bei solchen Maßnahmen erlangte Beweise nur dann als verwertbar zuzulassen, wenn die Überwachungsmaßnahme auch tatsächlich nur zu diesem Zweck („to secure foreign intelligence information") durchgeführt worden war und die Erlangung von Beweisen über strafbare Handlungen dabei rein zufällig erfolgte. Wenn jedoch letzteres von vorneherein die Absicht der Behörden gewesen sei, oder sich die Maßnahmen überhaupt nur gegen inländische Personen oder Personengruppen gerichtet hätte, wäre die Maßnahme rechtswidrig und die gewonnenen Beweismittel unterfielen der exclusionary rule. 82 Restriktiver entschied aber ein Jahr später (1975) der Court of Appeals für den Gerichtsbezirk des District of Columbia im Fall Zweibon v. Mitchell. 8 3 Hier waren im Rahmen einer Schadensersatzklage der Betroffenen gemäß 18 U.S.C. § 2520 84 ohne vorherige richterliche Anordnimg durchgeführte Überwachungsmaßnahmen gegen die Jewish Defense League, eine nur aus US-Bürgern bestehende Organisation, zu beurteilen. Da Mitglieder dieser Vereinigung gewaltsame Aktionen gegen Einrichtungen der UdSSR in den Vereinigten Staaten unternommen hatten, wofür die UdSSR die Staatsführung der USA verantwortlich machte und mit Vergeltungsmaßnahmen gegen amerikanische Einrichtungen in der Sowjetunion drohte, rechtfertigte der Attorney General und das FBI ihr Vorgehen damit, daß die Aktivitäten der Jewish Defense League die internationalen Beziehungen der USA (zur UdSSR) gefährdeten und es sich daher - obwohl die Maßnahme sich ausschließlich gegen eigene Staatsbürger richtete - um Fragen der Außen-

80 Vgl. etwa Terry v. Ohio, 392 U. S. 1, 88 S. Ct. 1868 (1968) - Abtasten einer vermutlich bewaffneten Person („pat-down frisk") durch einen Polizisten zur Eigensicherung und Wyman v. James, 400 U.S. 309, 91 S.Ct. 381 (1971) - Hausbesuch eines Sozialarbeiters. 81 Vgl. 494 F. 2d 605. 82 Vgl. ebd., S. 606. S3 516F.2d594 (D.C. Cir. 1975). 84 Diese Vorschrift eröffnet den von einer nicht nach Title I I I des OCCA erlaubten Überwachungsmaßnahme Betroffenen einen Schadensersatzanspruch.

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politik handeln würde. Auf diesem Gebiet aber besäße der Präsident (und damit auch die von ihm beauftragten Behörden) die entsprechenden Befugnisse. Das Gericht wies diese Argumentation zurück und bezeichnete die Abhörmaßnahmen als illegal, da ihr Ziel eine Personenvereinigung von USBürgern ohne jede Verbindung zu einer fremden Macht gewesen war. 8 5 Die umfassenden Befugnisse des Präsidenten auf dem Gebiet der Außenpolitik würden ihn bzw. die ihm unterstellten Behörden nicht von der Beachtimg der Grundrechte entbinden. Es gäbe zwar im Rahmen des vierten Zusatzartikels zur Verfassung anerkannte Ausnahmen vom Erfordernis der vorherigen richterlichen Anordnung; diese könnten aber nicht danach bestimmt werden, ob die Überwachungsmaßnahme für sich „reasonable" gewesen sei, sondern allein danach, ob dem Informationsinteresse der Exekutive in den Belangen der nationalen Sicherheit eine „warrant procedure" zur Wahrung der Grundrechte der Betroffenen entgegengestellt werden sollte oder nicht. Diese Frage sei nur dann zu verneinen, wenn ein solches Erfordernis die legitimen Bemühungen der Regierung nach Erlangung von „foreign intelligence information" und damit zur Aufrechterhaltung der äußeren Sicherheit der USA übermäßig erschweren würde. 86 Dies vermochte das Gericht nach einer eingehenden Prüfung der schon früher von der Exekutive hierfür vorgebrachten Argumente (mangelnde Sachkenntnisse der Richter zur Beurteilung nachrichtendienstlichen Handelns, Geheimschutz, unnötige Verzögerung in Eilfällen, keine primär strafverfolgende Funktion der Maßnahme etc.) nicht festzustellen. Es kam sogar zu dem Ergebnis, daß - außer im Falle von „exigent circumstances" - überhaupt keine Art von geheimen Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken ersichtlich wäre, bei denen auf das Erfordernis der vorherigen richterlichen Anordnung verzichtet werden sollte. 87 Zur Entscheidung des Falles Zweibon v. Mitchell war eine solche Aussage jedoch nicht nötig, da die überwachten Mitglieder der Jewish Defense League keinerlei Verbindungen zu einer fremden Macht besaßen und lediglich durch ihre Aktionen die Beziehungen der USA zu anderen Staaten beeinträchtigt werden konnten; 88 die außenpolitische „Relevanz" dieses Verhaltens sollte nach Auffassung des Gerichts am Erfordernis einer richterlichen Anordnung der Maßnahmen nach dem vierten Zusatzartikel natürlich erst recht nichts ändern. Der District of Columbia Circuit Court setzte sich darüber hinaus auch sehr kritisch mit den Urteils-

85 Vgl. 516 F. 2d 614. 86 Vgl. 516 F. 2d 628 - 633. Das Gericht bezog sich hierbei auf die Formulierungen des Supreme Court im Fall Camara v. Municipal Court, 387 U.S. 523, 533; 87 S.Ct. 1727, 1733 (1967); s. dazu a. Fn. 181 hier und den zugehörigen Text. 87 Vgl. 516 F. 2d 651. 88 Insofern war beim Fall Zweibon v. Mitchell doch die „Beteiligung" einer fremden Macht festzustellen, so daß er aus dem Bereich der „Keith"-Entscheidung herausfiel; vgl. ebd., S. 652. 9·

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IV. Die amerikanische Rechtslage

begründungen aus U.S. v. Butenko und anderen Fällen auseinander, 89 wo eine „inherent power" des Präsidenten bei nachrichtendienstlichen Maßnahmen im außenpolitischen Bereich bejaht worden war. Nach Meinung des Gerichts bestand hierbei die Gefahr, daß die Exekutive völlig interne Vorgänge zu Angelegenheiten der Außenpolitik erklären und dann nach Belieben Überwachungsmaßnahmen gegen US-Bürger einleiten könnte; nach diesen Urteilen wäre beispielsweise die Überwachung aller gegen den Vietnamkrieg protestierenden Gruppen erlaubt gewesen, da deren Protest nach der erklärten Auffassung sowohl der Johnson- wie der Nixon-Administration die Position der USA bei den Pariser Friedensverhandlungen mit Nordvietnam geschwächt, die militärischen Operationen in Vietnam erschwert und damit die äußere Sicherheit der USA gefährdet hätte. 90 Da der Supreme Court die Fälle U.S. v. Brown, U. S. v. Butenko und Zweibon v. Mitchell jeweils nicht zur Entscheidung angenommen hatte („certiorari denied"), 91 konnte das Senate Judiciary Committee in einem Bericht vom November 1977 mit Recht feststellen, daß es sich bei dem Ausmaß der präsidentiellen Befugnisse im Hinblick auf den Einsatz geheimer Überwachungsmaßnahmen zu nachrichtendienstlichen Zwecken um eine offene Frage handelte. 92 Die Entscheidungen der Circuit Courts of Appeals in den Fällen U. S. v. Butenko und Zweibon v. Mitchell schienen zu bedeuten, daß es keinen Mittelweg für die Beurteilung des Einsatzes geheimer Überwachungsmaßnahmen gegen fremde Mächte bzw. deren Agenten geben könnte: entweder gar keine Aufsicht über die Exekutive bei ihrem Handeln auf diesem Gebiet (lediglich die Sanktion der Unverwertbarkeit der erlangten Beweismittel im Strafprozeß, falls Strafverfolgungsmaßnahmen nachrichtendienstlich „etikettiert" worden waren 93 oder aber völlige Kontrolle, was 89 Vgl. z.B. U.S. v. Brown, 484 F.2d 418 (5th Cir. 1973), und U.S. v. Clay, 430 F.2d 165 (5th Cir. 1970). 90 5 1 6 F.2d 653 - 654; vgl. a. S. 657: „Fourth Amendment protection under the Butenko-test would approach the evaporation point". Vgl. a. Note, The Foreign Intelligence Surveillance Act: Legislating a Judicial Role i n National Security Surveillance, 78 Mich. L. R. 1116, 1126 Fn. 60 (1980) sowie Note, Foreign Security Surveillance and the Fourth Amendment, 87 Harv. L. R. 976, 978f. (1974). 91 U.S. v. Brown, cert. den. 415 U.S. 960, 94 S.Ct. 1490 (1974); U.S. v. Butenko, cert. den. sub. nom. Ivanov v. U.S., 419 U.S. 881, 95 S.Ct. 147 (1974); Zweibon v. Mitchell, cert. den. 425 U.S. 944, 96 S.Ct. 1684 (1976). 92 Vgl. 1978 U. S. Code Cong. & Adm. News 3916. Dies galt um so mehr, als es auch weiterhin zu widersprüchlichen Gerichtsentscheidungen kam. Der Circuit Court of Appeals für den 9. Gerichtsbezirk übernahm z.B. ohne Diskussion die in U.S. v. Brown und U.S. v. Butenko geäußerte Rechtsauffassung von der „inherent power" des Präsidenten in U.S. v. Buck, 548 F.2d 871, 875 - 876 (1975); cert. den. 434 U.S. 890, 98 S.Ct. 263 (1977). Die Auffassung von Zweibon v. Mitchell übernahm dagegen der District of Columbia District Court im Fall Berlin Democratic Club v. Rumsfeld, 410 F.Supp. 144, 159 (D.D. Cir. 1976), und dehnte sie sogar auf die Überwachung amerikanischer Staatsangehöriger auf fremdem Staatsgebiet aus. Im zweiten Fall Zweibon v. Mitchell, 606 F. 2d 1172 (D. C. Cir. 1979), hielt der Circuit Court of Appeals für den District of Columbia an seinem vier Jahre früher gefundenen Ergebnis fest.

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weitgehende I d e n t i t ä t v o n strafverfolgenden u n d n a c h r i c h t e n d i e n s t l i c h e n Überwachungsmaßnahmen voraussetzt, die n i c h t gegeben ist. D i e v e r ö f f e n t l i c h t e n Gerichtsentscheidungen der C i r c u i t C o u r t of Appeals aus den Jahren 1973 bis 1978 t e n d i e r t e n ü b e r w i e g e n d zur ersteren Lösung. Deren Schwächen liegen jedoch auf der H a n d : D i e nachträgliche S a n k t i o n des Beweisverwertungsverbotes k a n n n u r d a n n eingreifen, w e n n es tatsächl i c h z u einem Strafverfahren k o m m t . 9 4 Gerade b e i einigen der schreiendsten Mißstände der Vergangenheit w a r dies n i c h t der F a l l u n d v o n den h a n d e l n den Regierungsbehörden auch v o n vorneherein n i c h t beabsichtigt gewesen. Diese Mißstände h a t t e n aber auch gezeigt, daß ein K o n t r o l l m e c h a n i s m u s i n n e r h a l b der E x e k u t i v e n i c h t v o r h a n d e n w a r b z w . versagt hatte. E i n e justizförmige K o n t r o l l e der n a c h r i c h t e n d i e n s t l i c h e n

Überwachungsmaß-

n a h m e n i n n e r h a l b der U S A - auch derer, die n i c h t u n t e r die „ K e i t h " - E n t scheidung fielen - erschien daher t r o t z aller vorhersehbaren S c h w i e r i g k e i t e n als e i n z i g angemessener A u s w e g . 9 5 93 Vgl. zu diesem Ansatz schließlich U.S. v. Truong Dinh Hung, 629 F.2d 908 (4th Cir. 1980), erstinstanzlich unter U.S. v. Humphrey, 456 F. Supp. 51 (E.D. Va. 1978), cert. den. 454 U.S. 1144, 102 S.Ct. 1004 (1982), in dem der Circuit Court für den 4. Gerichtsbezirk tatsächlich in einem Spionagefall durch geheime Überwachungsmaßnahmen erlangtes Beweismaterial nicht zuließ, da sich während der Durchführung der Maßnahmen ihre Zielrichtung von nachrichtendienstlicher Informationsgewinnung auf Strafverfolgung wegen eines Spionagedelikts verlagert hatte. Diese Entscheidung erging zwar nach Erlaß des - sofort zu besprechenden - Foreign Intelligence Surveillance Act von 1978, der zu beurteilende Sachverhalt fand jedoch vor 1978 statt; vgl. 629 F. 2d 915ff. 94 Vgl. hierzu auch Note, Who is listening?, 70 Virginia L. R. 297, 305ff. (1984). 95 Vgl. dazu die Empfehlungen des bereits erwähnten (Fn. 63) „Church Committee", abgedruckt in Fain / Plant / Milloy, S. 872ff. und 933f.: "Recommendation 51. - A l l nonconsensual electronic surveillance, mail-opening and unauthorized entries should be conducted only upon authority of a judicial warrant. Recommendation 52. - A l l non-consensual electronic surveillance should be conducted pursuant to judicial warrants, issued under authority of Title I I I of the Omnibus Crime Control and Safe Streets Act of 1968. The act should be amended to provide, w i t h respect to electronic surveillance of foreigners in the United States, that a warrant may issue if a) There is probable cause that the target is an officer, employee or conscious agent of a foreign power. b) The Attorney General has certified that the surveillance is likely to reveal information necessary to the protection of the nation against actual or potential attack or other hostile acts of force of a foreign power; to obtain foreign intelligence information deemed essential to the security of the United States; or to protect national security information against hostile foreign intelligence activity. c) With respect to any such electronic surveillance, the judge should adopt procedures to minimize the acquisition and retention of non-foreign intelligence information about Americans. d) Such electronic surveillance should be exempt from the disclosure requirements of Title I I I of the 1968 Act as to foreigners generally and as to Americans if they are involved in hostile foreign intelligence activity. (Except where disclosure is called for in connection w i t h the defense in the case of criminal prosecution). As noted earlier, the Committee believes that the espionage laws should be amended to include industrial espionage and other modern forms of espionage not presently

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IV. Die amerikanische Rechtslage 4. Die jetzige Rechtslage: Der Foreign Intelligence Surveillance Act von 1978 ( „ F I S A " )

a) Zur Gesetzesgeschichte Versuche, die Materie der geheimen Überwachungsmaßnahmen zu nachrichtendienstlichen Zwecken gesetzlich zu regeln, gab es bereits seit 1973, dem Beginn der Enthüllungen über die Watergate-Affäre. Die Regierungen Nixon und Ford opponierten gegen eine solche Gesetzgebung und behaupteten weiterhin die verfassungsmäßige Rechtsmacht der Exekutive, auf diesem Gebiet ohne Kontrolle durch die beiden anderen Gewalten vorgehen zu können. Letztere änderte später ihre Meinung etwas und es gab bereits 1976 im 94. Kongreß einen entsprechenden Gesetzesvorschlag des Senators Edward Kennedy; jedoch endete die Legislaturperiode, bevor darüber beschlossen werden konnte. Es bestand nun keineswegs Einigkeit zwischen den Verfechtern der Gesetzesvorlage im Kongreß und der nunmehrigen Carter-Administration über die Frage der Befugnisse des Präsidenten auf diesem Gebiet; jedoch war auch den Regierungsvertretern klar, daß das Vertrauen der Öffentlichkeit in ihre Aktionen nur durch eine umfassende gesetzliche Regelung (d.h. Einschränkung) der Durchführung staatlicher Überwachungsmaßnahmen wieder hergestellt werden konnte. Insoweit hatten Kongreßmehrheit und Regierungsseite durchaus die gleichen Intentionen. Die gemeinsame Basis von Regierungsbehörden und Kongreß, durch die der Foreign Intelligence Surveillance Act (im folgenden kurz als „FISA" bezeichnet) in allseitigem Einvernehmen schließlich zustande kam, wurde durch die Rechtsauffassung gebildet, daß, selbst wenn der Präsident eine verfassungsmäßige „inherent power" zum Erlaß von Abhöranordnungen zu nachrichtendienstlichen Zwecken besäße, der Kongreß die Ausübung solcher Befugnisse regeln könnte, und zwar auch durch die Etablierung eines richterlichen Prüfungsrechts. 96 Der Supreme Court hatte eine derartige Regelungsbefugnis des Kongresses bezüglich der „presidential powers" auch bereits 1952 im bekannten „Steel M i l l Case" anerkannt. 97

covered and Title I I I should incorporate any such amendment. The Committee's recommendation is that both that change and the amendment of Title I I I to require warrants for all electronic surveillance be promptly made." 96 Vgl. zur Gesetzgebungsgeschichte Shapiro (Fn. 62), S. 121 ff.; Note, The FISA of 1978, 13 Vand. J. Transnat'l. L. 731 (1980); sowie 1978 U.S. Code Cong & Adm. News 3905ff. und 3918. 97 D.i. Youngstown Sheet and Tube Co. v. Sawyer, 343 U.S. 579, 72 S.Ct. 863 (1952). Vgl. zu diesem Aspekt auch Note (Fn. 90), 78 Mich. L.R. 1137 - 1143.

4. Der Foreign Intelligence Surveillance Act von 1978

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b) Die Änderungen der bisherigen Rechtslage durch den FISA Der am 25. Oktober 1978 in Kraft getretene Foreign Intelligence Surveillance A c t 9 8 brachte nun folgende Änderungen bzw. Klarstellungen der bisherigen Rechtslage: aa) Der „national security disclaimer" in 18 U.S.C. §2511 (3) wurde gestrichen und durch eine Bestimmung ersetzt, daß die Vorschriften in 18 U.S.C. §§ 2510 - 2520 und im neuen FISA die ausschließlichen Ermächtigungsgrundlagen für die Durchführung geheimer Überwachungsmaßnahmen („electronic surveillance") innerhalb der USA darstellen, 18 U.S.C. § 2511 (2) (f). 99 Weder die Bestimmungen des Title I I I noch die des FISA beziehen sich aber auf Überwachungsmaßnahmen außerhalb des USStaatsgebietes, auch dann nicht, wenn die Betroffenen US-Bürger sind. Ferner unterfällt auch die Überwachung des internationalen Post- und Telefonverkehrs, der seinen Ursprung in den USA hat, nicht den Bestimmungen des FISA; dies gilt nur dann nicht, wenn die internationale Kommunikation einer spezifischen „United States person" überwacht werden soll, § 1801 (f) ( l ) . 1 0 0 Auch eine „consensual surveillance", bei der also ein Gesprächsteilnehmer um die Überwachung weiß oder sie selbst erst ermöglicht, w i r d nicht erfaßt, § 1801 (f) (2) bb) Der FISA erlaubt nur geheime Überwachungsmaßnahmen zum Zweck der Gewinnung von sog. „foreign intelligence information". Dieser Begriff wird nach vier sich teilweise überschneidenden Kategorien definiert und betrifft Informationen über (1) Handlungen fremder Mächte bzw. deren Agenten, die die nationale Sicherheit der USA bedrohen („actual or potential attack or other hostile acts"); (2) Sabotage oder internationaler Terrorismus durch eine fremde Macht oder deren Agenten; (3) Spionage durch ausländische Nachrichtendienste; 98 Fundstelle: 50 U.S.C. §§ 1801 - 1811 (United States Code Title 50 - War and National Defense - Chapter 36, §§ 1801 - 1811). 99 Vgl. 1978 U.S. Code Cong. & Adm. News 4040. 100 v g l ebd.: "Specifically this provision is designed to make clear that the legislation does not deal w i t h international signals intelligence activities as currently engaged in by the National Security Agency and electronic surveillance conducted outside the United States" (Auszug aus den Gesetzesmaterialien). Zu diesen Aktivitäten der National Security Agency (NSA), die einiges mit unserer strategischen Postund Fernmeldekontrolle nach § 3 G 10 gemeinsam haben dürfte, vgl. Note, Government Monitoring of International Electronics Communications: National Security Watch List Surveillance and the Fourth Amendment, 51 S.Cal. L. R. 429, 431 (1978), sowie den auch zum Thema Datenschutz und Amtshilfe i n den USA sehr aufschlußreichen Fall Jabara v. Webster, 691 F.2d 272 (6th Cir. 1982); cert. den., - U.S. - , 104 S.Ct. 193 (1983). ιοί Vgl. dazu i.e. 1978 U.S. Code Cong. & Adm. New 4006f.

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(4) eine fremde Macht, sofern die nationale Verteidigung oder Sicherheit der USA oder die Führung der amerikanischen Außenpolitik durch diese Informationen betroffen ist. Ist der von der Überwachungsmaßnahme Betroffene eine „U.S. person" (d.i. nach § 1801 (i) ein US-Staatsbürger oder ein sich legal und dauerhaft in den USA aufhaltender Ausländer), so muß die durch die Überwachimg gesuchte Information sich nicht nur auf eine der vier Kategorien beziehen, sondern sie muß notwendig sein, um „foreign intelligence information" in einer der vier Arten zu erlangen, § 1801 (e) (1) - (2). cc) Geheime Überwachungsmaßnahmen nach dem FISA können grundsätzlich nur aufgrund einer richterlichen Anordnung durchgeführt werden. Zuständig für die Entscheidung über diesbezügliche Anträge der Exekutive ist ein besonderes Gericht, der sog. „Foreign Intelligence Surveillance Court" (im folgenden kurz FISC genannt). 102 Das Gericht darf die Anordnung nur erlassen, wenn das Ziel der Maßnahme eine „fremde Macht" bzw. der „Agent" einer solchen ist bzw. zumindest hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, § 1805 (a) („Necessary findings"). Der Antrag bedarf stets der vorherigen Befürwortung durch den Attorney General, § 1804 (a). Als antragsberechtigte Bundesbehörde kommt, obwohl dies im FISA nicht geregelt ist, in erster Linie das FBI in Frage, da diesem die Aufgabe der Spionageabwehr innerhalb der USA obliegt. Der CIA ist jedenfalls die Durchführung von „electronic surveillance" innerhalb der USA ausdrücklich untersagt worden; dies geschah durch die Zusammenarbeitsrichtlinien für die „Intelligence Community" des US-Präsidenten vom 6.12.1981 (Executive Order 12.333), die ebenfalls noch näher zu besprechen sein werden. 1 0 3 Die NSA schließlich führt nur Überwachungen der Kommunikation zwischen „offiziellen" fremden Mächten durch (z.B. zwischen zwei Botschaften), für die nach § 1802 des FISA keine Anordnung des FISC notwendig ist. 1 0 4 102 Tatsächlich wurde durch den FISA eine ganze Sondergerichtsbarkeit geschaffen. Der FISC besteht aus sieben vom Chief Justice des Supreme Court berufenen Bundesrichtern der unteren Instanz (district court judges), § 1803 (a). Lehnt er einen Antrag der Exekutive ab, kann ein „court of review" angerufen werden, der sich aus drei ebenfalls vom Chief Justice benannten Richtern der unteren und oberen Bundesgerichtsbarkeit (judges from the U. S. district courts or courts of appeals) zusammensetzt. Hält dieses Gericht die Entscheidung des FISC aufrecht, kann letztinstanzlich der Supreme Court angerufen werden, § 1803 (b). Entscheidungen des court of review bzw. des Supreme Court kann es aber noch nie gegeben haben, da der FISC noch keinen einzigen Antrag abgelehnt hat (vgl. für Nachweise Fn. 185 hier). Sämtliche Gerichtsverfahren nach dem FISA unterliegen strikter Geheimhaltung, § 1803 (c), und die Amtszeiten der FISC-Richter sind so bemessen, daß jährlich eine der Richter ausgewechselt wird; eine Wiederwahl ist unzulässig, § 1803 (d). 103 s. dazu unten h). Die Executive Order 12.333 vom 6.12.1981 von Präsident Reagan ist abgedruckt als Anhang zu U. S. Code, Title 50, Chapter 15, § 401 (1982 ed.), See. 2. 4 (a). 104 z u den Ausnahmen von der richterlichen Anordnung nach dem FISA vgl. näher unten d).

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dd) Sehr erheblich ist nunmehr die Frage, wie der neue FISA die Begriffe „fremde Macht" und „Agent" einer fremden Macht „definiert". Die Erklärungen dieser Begriffe finden sich in § 1801 (a) und (b). Während die Definition der „fremden Macht" einsichtig ist und nicht näher erläutert zu werden braucht (sie umfaßt auch Staatsunternehmen fremder Mächte sowie „foreign based terrorist groups", w i l l also möglichst alle „äußeren" Gefahrenquellen abdecken), ist die Definition des „Agenten" komplizierter - sie kann wohl auch als der wichtigste und streitigste Punkt des ganzen FISA angesehen werden. Es ging bei den Gesetzesberatungen nämlich um die Frage, ob die Überwachungsmaßnahmen auf solche Fälle beschränkt bleiben sollten, in denen ein strafbares Handeln droht bzw. begangen wurde. 1 0 5 Im FISA-Entwurf von 1976 war jemand bereits dann ein „Agent einer fremden Macht", wenn er, den Weisungen dieser Macht folgend, in heimliche nachrichtendienstliche Handlungen, Sabotage oder terroristische Aktivitäten verwickelt war. Dies erschien jedoch zu weit und der Entwurf wurde noch im gleichen Jahr dahingehend ergänzt, daß als „Agent" nur noch eine solche Person angesehen werden konnte, die entweder in nachrichtendienstliche, terroristische oder Sabotage-Aktivitäten verwickelt war, die zugleich eine Verletzimg der US-Strafgesetze darstellten, oder in solche nachrichtendienstliche Aktivitäten, deren Gesamtumstände einen „reasonable man" zu der Vermutung gelangen lassen würden, daß die gesuchte bzw. erlangte Information zum Schaden der nationalen Sicherheit der USA benützt werden könnte. 1 0 6 Im neuen Entwurf des 95. Kongresses von 1978, der schließlich angenommen wurde, findet sich die eben genannte zweite Alternative nicht mehr: „Agent" ist nur noch, wer zugunsten einer „fremden Macht" bewußt („knowingly") und heimlich nachrichtendienstliche Aktivitäten betreibt, die zugleich eine Verletzung der US-Strafgesetze darstellen oder dies zumindest möglich ist 1 0 7 („which activities involve or may involve a violation of the criminal statutes of the United States"), § 1801 (b) (2) (A). Handelt der „Agent" gemäß den Anweisungen eines fremden Nachrichtendienstes, so genügen bereits bloße Vorbereitungshandlungen zu einer Gesetzesverletzung („which activities involve or are about to involve a violation of the criminal statutes of the United States"), § 1801 (b) (2) (B). Bei Sabotageoder terroristischen Aktivitäten, die ebenfalls die Bezeichnung als „Agent" begründen können, versteht sich die Gesetzesverletzung von selbst; sie ist deshalb im Text des FISA nicht besonders erwähnt, § 1801 (b) (2) (C). Die 105

1978 U.S. Code Cong. & Adm. News 3918. 106 Vgl. dazu Shapiro (Fn. 62), S. 148 ff. i° 7 Änderungen vom 13.5.1978 durch den Senate Intelligence Committee, vgl. 1978 U.S. Code Cong. & Adm. News 3974 und 3991 ff. Eine Liste der hauptsächlich in Frage kommenden Bundesgesetze findet sich in Note (Fn. 90), 78 Mich. L. R. 116,1132 Fn. 83.

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Überwachung kann aber auch auf Personen ausgedehnt werden, die wissentliche Beihilfe zu den Handlungen des „Agenten einer fremden Macht" leisten, § 1801 (b) (2) (D). ee) Als zusätzliche Sicherung findet sich in § 1805 (a) (3) (A), im Rahmen der „necessary findings" des Richters vor der Entscheidung über den Antrag der Exekutivbehörden, daß keine „U.S. person" nur aufgrund von Handlungen, die durch den ersten Zusatzartikel zur US-Verfassung geschützt sind, 1 0 8 als „Agent einer fremden Macht" angesehen werden darf. Diese Sicherung, mit der wohl den entsprechenden Befürchtungen aus Zweibon v. Mitchell 1 0 9 entgegengewirkt werden sollte, erscheint allerdings auch notwendig, wenn man die Voraussetzungen für den Erlaß der richterlichen Abhöranordnung hinsichtlich der „necessary findings" im FISA und im Title I I I des OCCA vergleicht. Bei der Entscheidung über einen Abhörantrag zu Strafverfolgungszwekken verlangt 18 U. S. C. § 2518 (3), daß folgende Voraussetzungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit („probable cause") vorliegen müssen: (1) der von der Überwachungsmaßnahme Betroffene hat eine der in § 2516 aufgeführten Katalogtaten begangen oder ist dabei, sie zu begehen; (2) durch die Überwachung werden Gespräche („communications") abgehört werden können, die sich auf die Katalogtat beziehen; (3) andere, weniger in die Privatsphäre des Betroffenen eingreifende Ermittlungsmethoden haben sich als unwirksam herausgestellt oder erscheinen von vornherein als unwirksam bzw. zu gefährlich; (4) die Örtlichkeiten, gegen die die Überwachungsmaßnahme gerichtet ist, werden vom Betroffenen besessen oder im Zusammenhang mit der Katalogtat benutzt. 50 U. S. C. § 1805 (a) (3) erlaubt dagegen den Erlaß der Abhöranordnung neben einigen formalen Voraussetzungen - bereits dann, wenn auf der Basis der Darlegungen der beantragenden Behörde mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, daß (1) der von der Überwachungsmaßnahme Betroffene eine „fremde Macht" oder deren „Agent" ist (mit der eben erwähnten Einschränkung hinsichtlich der durch den ersten Zusatzartikel geschützten Aktivitäten) und (2) die Örtlichkeiten, auf die die Überwachungsmaßnahme gerichtet ist, von der „fremden Macht" bzw. den „Agenten" benutzt werden. 108 Dessen Text lautet: "Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press; or the right of the people peaceably to assemble, and to petition the Government for a redress of grievances". (1791). 109 vgL Fn 90 und den dazugehörigen Text.

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Der Antrag der Behörden auf eine FISA-Maßnahme muß nach § 1804 (a) (7) (E) auch die Versicherung eines hochrangigen Regierungsbeamten (Außenminister, Verteidigungsminister, CIA-Direktor und deren jeweilige Stellvertreter sowie der FBI-Direktor) enthalten, daß die mit der Maßnahme zu erlangende Information als „foreign intelligence information" erachtet w i r d und diese nicht mit anderen Ermittlungsmethoden beigebracht werden kann. Diese Versicherung der Behördenspitze soll dem zuständigen Richter helfen, die im Antrag dargelegten Umstände, die die Einstufung des zu überwachenden als „Agent einer fremden Macht" begründen, richtig zu bewerten. Jedoch ist sein Recht, die im Antrag enthaltenen Angaben und Bewertungen zu hinterfragen, begrenzt: Er darf sie nur nicht für „clearly erroneous" halten, soll also sein eigenes Urteil über die tatsächlichen Voraussetzungen der Abhöranordnung nur in begrenztem Maß an die Stelle der Einschätzimg der Regierungsbehörden setzen dürfen. Diese Prüfungsbefugnis hat der Richter auch nur dann, wenn es sich bei dem Ziel der Überwachungsmaßnahme um eine „U.S. person" handelt. 1 1 0 Insoweit erscheinen doch die Voraussetzungen für den Erlaß der Abhöranordnung im FISA als deutlich niedriger als die in Title I I I des OCCA geforderten, wo der Richter ein umfassendes Prüfungsrecht hat. 1 1 1 Bedenkt man ferner, daß es für die Eigenschaft als „Agent einer fremden Macht" ausreicht, daß durch die nachrichtendienstlichen Aktivitäten des Betroffenen möglicherweise die US-Strafgesetze verletzt werden und es außerdem keinen abschließenden Straftatenkatalog wie in Title I I I gibt, ist es fraglich, ob man im Rahmen des FISA überhaupt noch von einem sog. „criminal standard" (der wie bei Title I I I eine Verletzung der Strafgesetze voraussetzt) sprechen kann. 1 1 2 110 Aus den Gesetzesmaterialien: "If the application meets the requirement of (§§ 1804 (a) (7) (E) and 1805 (a) (5)) the court is not permitted to substitute its judgement for that of the executive branch officals except where a United States person is the target of a surveillance. In such a case, the judge must review the certifications to determine whether they are clearly erroneous. This authority of the court to look behind the certifications and reject them if clearly erroneous is recognized by the committee as a major improvement." Vgl. 1978 U.S. Code Cong. & Adm. News 3949 3940. 111 „The clearly erroneous standard of review is not, of course, comparable to a probable cause finding by the judge", vgl. 1978 U.S. Code Cong. & Adm. News 4023. 112 Vgl. zu diesem „may involve-standard", der in Anbetracht der Schwierigkeit gewährt wurde, nachrichtendienstlich „relevantes" Verhalten von Personen sofort strafrechtlich einzuordnen, 1978 U.S. Code Cong. & Adm. News 3992f. Die Feststellung in Note, The Foreign Intelligence Surveillance Act of 1978, 13 Vand. J. Transnat'l. L. 719, 742 (1980), daß das Ausmaß des richterlichen Prüfungsrechts in Title I I I und im FISA in etwa vergleichbar sei, ist angesichts der im Text aufgezeigten Differenzen jedenfalls unrichtig. Eine andere Frage ist, ob das richterliche Prüfungsrecht in dieser Materie überhaupt weiter ausgestaltet werden kann; dies verneint z.B. Shapiro, S. 188 - 192. Kritisch zum „probable cause - may involve "-Standard, bei dem hinreichende Wahrscheinlichkeit einer möglichen Gesetzesverletzung genügt, Comment - Foreign Intelligence Surveillance Act: Unconstitutional Warrant Criteria Per-

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c) Der unterschiedliche Standard für „ U. S. persons", „foreign visitors" und „officers and employees of a foreign power" aa) Die vorstehend beschriebenen Voraussetzungen für die Anordnung der Überwachungsmaßnahme durch den FISC-Richter gelten jedoch nur, falls eine „U.S. person" im Sinne des § 1801 (i) der hiervon Betroffene ist, also für die US-Staatsbürger und Ausländer mit dauernder Aufenthaltsberechtigung. Der FISA kennt jedoch noch zwei weitere Kategorien von Personen, bei denen diese Voraussetzungen teilweise weit geringer sind. Die eine Gruppe besteht aus den sog. „foreign visitors", also Fremden, die nicht zum dauerhaften Aufenthalt in den USA berechtigt sind. Diese gelten schon dann als „Agenten einer fremden Macht" und damit als potentielles Objekt von geheimen Überwachungsmaßnahmen, wenn sie Staatsangehörige einer fremden Macht sind, die ihrerseits heimliche, gegen die Interessen der USA gerichtete nachrichtendienstliche Ausspähung betreibt, und wenn die Umstände des Aufenthalts dieser Person in den USA den Schluß zulassen, daß sie an solchen Aktivitäten ihres Heimatstaates teilnimmt bzw. andere Personen bei deren Durchführung unterstützt, § 1801 (b) (1) (B). Wenn also die Regierungsbehörden nachweisen können, daß eine bestimmte fremde Macht einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Staatsbürger, denen sie USA-Besuche gestattet, mit nachrichtendienstlichen Aufgaben betraut (dies war natürlich auf die UdSSR gemünzt), ist der Beweis nicht mehr nötig, daß der konkret zu überwachende „foreign visitor" tatsächlich einen Spionageauftrag hat bzw. ausführt; es genügt, daß er einer bestimmten Kategorie von Besuchern zuzuordnen ist, bei denen in der Vergangenheit häufig solche Ausspähungsaufträge festgestellt wurden. 1 1 3 Die zweite Gruppe setzt sich aus den Beamten und Angestellten einer fremden Macht („officers and employees of a foreign power") zusammen, die in den USA in dieser Tätigkeit auftreten (also keine Urlauber). Diese genießen gegenüber geheimen Überwachungsmaßnahmen nach dem FISA so gut wie überhaupt keinen Schutz: Sie sind bereits kraft dieser Stellung „Agenten einer fremden Macht" und damit möglicherweise Objekte einer Überwachung, § 1801 (b) (1) (A). 1 1 4 bb) Im FISA-Entwurf von 1976 sollte der beschriebene „non criminalstandard" 1 1 5 noch für „U.S. persons" und „foreign visitors" gleichermaßen

mit Wiretapping if a Possibility of International Terrorism Is Found, 17 San Diego L. R. 963 (1980). 113 Vgl. 1978 U.S. Code Cong. & Adm. New 3989. i h N u r noch eine andere Personengruppe ist ähnlich schutzlos: „ member (s) of a group engaged in international terrorism or activities in preparation therefor", § 1801 (a) (4) u. (b) (1) (A) - eine interessante Gleichsetzung! 115 Vgl. die Ausführungen unter b) dd) hier.

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gelten. 116 Während nun in dem schließlich Gesetz gewordenen FISA von 1978 der Schutz der „U.S. persons" vor ungerechtfertigten Überwachungsmaßnahmen um einiges verbessert wurde (sog. „criminal standard"), blieb bezüglich der „foreign visitors" alles beim alten. Ob diese Ungleichbehandlung mit dem amerikanischen Verfassungsrecht vereinbar ist, kann man zumindest bezweifeln; die Frage w i r d aber wohl überwiegend bejaht. 1 1 7 Es ist zwar allgemein anerkannt, daß der Schutz des vierten Zusatzartikels zur US-Verfassung sich grundsätzlich auch auf Ausländer erstreckt, da er sich in seinem Wortlaut auf „the people" und nicht auf „citizens" bezieht. 118 Hierdurch wird aber nicht jede unterschiedliche Behandlung von Ausländern ausgeschlossen. Der Supreme Court hatte bereits vor dem Erlaß des FISA die allgemeine Feststellung getroffen, daß es sich bei der Regelung des Verhältnisses zwischen den USA und ausländischen Besuchern hauptsächlich um politische Fragen handle, die bei der Exekutive oder Legislative besser aufgehoben seien als bei den Gerichten; 119 die Tatsache, daß die Grundrechte auch für Ausländer gelten, sollte demnach nicht bedeuten, daß diesen auf allen Gebieten die gleichen Rechte zukommen müßten wie den US-Staatsbürgern, 120 solange nur mit dieser Ungleichbehandlung ein legitimes Ziel verfolgt w i r d . 1 2 1 Speziell zum vierten Zusatzartikel gibt es eine Reihe von Entscheidungen des Supreme Court, in denen die Befugnisse der Behörden bei der Suche nach „illegal aliens" im Grenzgebiet zu Mexiko in Frage standen. Danach ist es der „border patrol" (Grenzpolizei) zwar untersagt, nach Belieben Fahrzeuge anzuhalten und zu durchsuchen, ohne daß hinreichender Verdacht auf eine bestimmte Straftat bestünde; wegen des gewichtigen staatlichen Interesses an der Bekämpfung der illegalen Einwanderung und des Fehlens von praktizierbaren Alternativen ist jedoch das Anhalten eines Fahrzeuges und Befragen der Insassen nach ihrer Staatsangehörigkeit erlaubt: "When an officer's observations lead him reasonably to suspect that a particular vehicle may contain aliens who are illegally in the 116

Vgl. Shapiro, S. 168. Vgl. ebd., S. 170 - 176, und Note, 13 Vand. J. Transnat'l. L. 752 - 755. Kritisch dazu Case Comment: U.S. v. Falvey, 10 Brooklyn Int. L. J. 193, 198 Fn. 29 (1984); zweifelnd auch Note (Fn. 90), 78 Mich. L. R. 1132 Fn. 83. 118 Vgl. i.e. die Nachw. in 79 C.J.S. § 18. „Leading case" ist immer noch U.S. v. Abel, 362 U.S. 217, 80 S.Ct. 683 (1960), in dem der Supreme Court dies ausdrücklich festhielt, obwohl es sich beim Betroffenen um einen Offizier des sowjetischen Geheimdienstes handelte. Abel hatte allerdings keinen großen Nutzen davon; vgl. ausführlich zu diesem Spionagefall Landynski (Fn. 4),S.255-258. Vgl. etwa Kleindienst v. Mandel, 408 U.S. 753, 765 - 767; 92 S.Ct. 2576, 2583f. (1972); sowie Mathews v. Diaz, 426 U.S. 67, 81 f.; 96 S.Ct. 1883, 1892 (1976); jeweils m.w.N. 120 v g l ( j i e f a s t lyrisch zu nennenden Ausführungen in Mathews v. Diaz, 426 U.S. 80; 906 S.Ct. 1891: "Neither the overnight visitor, the unfriendly agent of a hostile foreign power, the resident diplomat, nor the illegal entrant, can advance even a colorable constitutional claim to a share in the bounty that a conscientious sovereign makes available to its own citizens and some of its guests." 121 Vgl. ebd., 426 U.S. 78, 96 S.Ct. 1890. 117

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country, he may stop the car briefly and investigate the circumstances that provoke suspicion . . . The officer may question the driver and passengers about their citizenship and immigration status, and he may ask them to explain suspicious circumstances, but any further detention or search must be based on consent or probable cause." 122 Ahnliche Gründe (überragendes staatliches Interesse und Mangel an praktizierbaren Alternativen) wurden auch für die unterschiedliche Behandlung von „foreign visitors" im FISA vorgebracht. Die Notwendigkeit einer Überwachung dieses Personenkreises ergab sich für den Kongreß u. a. aus dem Abschlußbericht des bereits mehrfach erwähnten „Church Committee", in dem der Mißbrauch von Studenten-Austauschprogrammen zu nachrichtendienstlichen Zwecken durch die UdSSR behauptet wurde 1 2 3 und der Mangel an Alternativen aus dem eventuell nur kurzen Aufenthalt der Besucher in den USA, der den konkreten Nachweis einer das Strafgesetz verletzenden Tätigkeit erschweren sollte. Daher erschien es dem Kongreß als sachgerechter, hier auf die Haltung des Heimatstaates gegenüber den USA bezüglich nachrichtendienstlicher A k t i vitäten abzustellen. Zusätzlich ist jedoch immer die Feststellung erforderlich, daß die betroffene Person tatsächlich in die Gruppe von ausländischen Besuchern fällt, die von der fremden Macht üblicherweise mit Spionageaufträgen betraut w i r d . 1 2 4 cc) Die Überwachung der offiziellen Repräsentanten einer fremden Macht (d.s. Diplomaten und sonstige Botschaftsangehörige) wurde bereits vor dem Erlaß des FISA als am wenigsten verfassungsrechtlich problematisch angesehen; wenn es überhaupt irgendwelche „inherent powers" des US-Präsidenten zur Durchführung geheimer Überwachungsmaßnahmen geben sollte, dann gegen diesen einfach abzugrenzenden Personenkreis. 125 Bezeichnend ist, daß der die Beamten und Angestellten einer fremden Macht („officers and employees of a foreign power") betreffende Teil des FISA vom Kongreß, soweit aus den veröffentlichten Gesetzesmaterialien ersichtlich, 126 gar nicht diskutiert wurde. 122 U.S. v. Brignoni-Ponce, 422 U.S. 873, 881 - 882; 95 S.Ct. 2574, 2580 (1975); s. a. die übrigen „border search "-Fälle: Almeida-Sanchez v. U.S., 413 U.S. 266, 93 S.Ct. 2535 (1973); U.S. v. Ortiz, 422 U.S. 891, 95 S.Ct. 2585 (1975); sowie U.S. v. MartinezFuerte, 428 U.S. 543, 96 S.Ct. 3074 (1976); dazu auch Polyviou, S. 248ff. 123 Church Committee, Final Report, book I, S. 164; abgedruckt bei: Fain / Plant / Milloy, S. 382. Darauf wird Bezug genommen in 1978 U.S. Code Cong. & Adm. News 3922 - 3923. 1 24 Vgl. 1978 U.S. Code Cong & Adm. News 3989 - 3990. 125 s. Nesson, Aspects of the Executive's Power over National Security Matters: Secrecy Classifications and Foreign Intelligence Wiretaps, 49 Ind. L . J . 399, 418ff. (1973/74), u. Note (Fn. 23), 85 Harv. L. R. 1130, 1261ff. (1972). 126 Senate Report (Judiciary Committee) No. 95 - 604, Nov. 22,1977; Senate Report (Intelligence Committee) No. 95 - 701, Mar. 14, 1978; House Conference Report No. 95 - 1720, Oct. 5, 1978; alle abgedruckt in: 1978 U.S. Code Cong. & Adm. News (Band 4) 3904 - 4064.

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Die völlige Schutzlosigkeit dieses Personenkreises gegen geheime Überwachungsmaßnahmen (der zuständige FISC-Richter hat hier lediglich die Formalien des Antrags nachzuprüfen, sonst nichts) wird in der amerikanischen Literatur hauptsächlich damit gerechtfertigt, daß im zwischenstaatlichen diplomatischen Verkehr ohnehin nur geringste Erwartungen an eine Garantie der Privatsphäre bestehen 127 und daher die „reasonable expectation of privacy", die der vierte Zusatzartikel schützen wolle, hier gar nicht gegeben sei. Da § 1801 (b) (1) (A) die Bestimmung enthält, daß nur solche „officers and employees of a foreign power" überwacht werden dürfen, die in dieser Eigenschaft in den USA tätig sind, ist die Vereinbarkeit dieses Teils des FISA mit dem amerikanischen Verfassungsrecht anzunehmen. 128 Die oben dargestellte erlaubte Unterscheidung zwischen US-Bürgern und Ausländern gilt hier erst recht, 1 2 9 wie auch die Wahrscheinlichkeit, durch diese Quellen wertvolle „foreign intelligence information" zu erlangen, bei diesem Personenkreis naturgemäß höher ist als bei sonstigen Ausländern. 130 Hinzu kommt, daß die diplomatische Immunität ohnehin die Durchführung eines Strafverfahrens verhindert, in dem die Überwachungsergebnisse als Beweismittel verwendet werden könnten: dies macht die Überwachung für sich allein genommen zwar nicht legal, erklärt aber zumindest, warum sie nicht an einen „criminal standard" gebunden werden kann. Ebenfalls vorgebracht wird das Argument, daß diplomatische Vertreter einer fremden Macht in ihrer offiziellen Funktion nicht geschützt werden, da fremde Staaten keine Grundrechtsträger sein können. 1 3 1 Auch unter US-verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu kritisieren ist allerdings die mangelnde Exaktheit der Abgrenzung des fraglichen Personenkreises: unter „officers and employees of a foreign power" nach § 1801 (b) (1) (A) fallen nämlich nicht nur Personen mit diplomatischer Immunität, sondern, da der Begriff der „foreign power" im Sinne des FISA gemäß § 1801 (a) (3) auch „an entity that is openly acknowledged by a foreign government ... to be directed and controlled by such foreign government ..." umfaßt, auch z.B. Angestellte einer staatseigenen ausländischen Fluggesellschaft oder eines Touristikbüros. Diesen Personen gebührt jedoch der gleiche Schutz wie den „foreign visitors", d.h. es müßte zumindest nachgewiesen werden, daß angesichts der 127

Nesson, S. 418; Shapiro, S. 177; Note, 85 Harv. L. R. 1266ff. 128 Ygi hierzu a. die Ausführungen in Kap. V, 3 a) - d), wo das Problem der Grundrechtsgeltung für Personen mit diplomatischem Status in der BRD behandelt wird. 129 Vgl. a. Johnson v. Eisenträger, 339 U.S. 763, 770 (1950). 130 A.A. Nesson, S. 420: "The very fact that diplomats expect to be tapped may mean that the tappers seldom overhear anything but routine embassy business and chitchat." 131 Vgl. Note, Who is listening?, 70 Va. L. R. 319, Fn. 97 (1984); insgesamt fällt die sehr „praxisbezogene" Argumentation zu diesem Thema auf; s. Note (Fn. 23), 85 Harv. L. R. 1266, wo es als ein Argument für ein unbeschränktes Abhören von Diplomaten gewertet wird, daß sich die Regierung diese nützlichen Praktiken ohnehin nicht nehmen lassen würde.

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Umstände ihres Aufenthaltes in den USA von ihnen nachrichtendienstliche Handlungen zum Nachteil des Landes zu befürchten sind. Die Erwägungen, mit denen eine Überwachung von ausländischen Diplomaten u. U. gerechtfertigt sein könnte, treffen auf diese Personen jedenfalls nicht zu. 1 3 2 Der bereits im dritten Kapitel dargestellte Versuch der Rechtfertigung dieser Abhörpraxis gegen fremde Diplomaten seitens der amerikanischen Literatur aus der Wiener Diplomatenrechtskonvention geht - wie gezeigt fehl. 1 3 3 Auf die Frage der Vereinbarkeit der diesbezüglichen Bestimmungen des FISA mit dem Völkerrecht wird im fünften Kapitel dieser Arbeit noch einmal näher eingegangen werden. 134 d) Überwachung ohne vorherige richterliche Anordnung nach dem Foreign Intelligence Surveillance Act Schließlich erlaubt der FISA auch in drei Fällen den Einsatz geheimer Überwachungsmaßnahmen ohne die vorherige Einholung einer Erlaubnis des FISC: (1) in Eil- oder Notfällen („emergency situations"); hier kann der Attorney General die Maßnahmen selbst anordnen, jedoch nicht für längere Zeit als 24 Stunden; danach darf sie nur mit richterlicher Genehmigung des FISC weitergeführt werden, § 1805 (e); (2) in den ersten fünfzehn Tagen nach einer Kriegserklärung durch den Kongreß, § 1811; (3) wenn ausschließlich die Kommunikation zwischen „offiziellen" fremden Mächten überwacht werden soll bzw. „technical intelligence, other than the spoken communications of individuals" aus Örtlichkeiten beschafft werden soll, die unter offener und ausschließlicher Kontrolle einer fremden Macht stehen, § 1802 (a) (1) (A). Eine auf dieser Basis durchgeführte Überwachung darf sich jedoch nicht gegen eine bestimmte Person richten, auch dann nicht, wenn diese Person eine der Definitionen des „Agenten einer fremden Macht" erfüllt - hierzu ist in jedem Falle eine 132 Vgl. Shapiro, S. 178 - 180. 133 vgl. die Ausführungen hier in Kap. III, 3 d) (Fn. 53 bis 59 sowie den dazugehörigen Text). Diese Auffassung ist übrigens nicht auf den Einsatz geheimer Überwachungsmaßnahmen gegen fremde Diplomaten beschränkt; auch die Beschlagnahme von i n den Besitz eines Diplomaten gelangten Spionagematerials w i r d damit gerechtfertigt, daß illegal erlangte und die nationale Sicherheit des Empfangsstaates gefährdende Informationen für die Erfüllung der diplomatischen Aufgabe nicht notwendig seien. Wegen des Art. 3 verstieße dies auch nicht gegen das WÜD. Vgl. den Fall U.S. v. Enger, 472 F. Supp. 490 (D.N.J. 1978), und die Besprechung in: Recent Developments - Diplomatie Immunity, 9 Denver J. Int'l. L. & Pol'y 148 - 152 (1980), sowie die allgemeine Darstellung sowjetischer Spionage gegen die USA, in: Note, A Comparison and Analysis of Immunities Defenses Raised by Soviet Nationals Indicted Under United States Espionage Laws, 6 Brooklyn J. Int. L. 259 (1980). 1 34 Vgl. die Ausführungen in Kap. V, 3.

4. Der Foreign Intelligence Surveillance Act von 1978

145

richterliche Anordnung notwendig. Der Attorney General hat über das Vorliegen dieser Voraussetzungen eine eidesstattliche Versicherung abzugeben. 135 Die übliche Gültigkeit einer richterlichen Anordnung des FISC nach dem FISA beträgt neunzig Tage, soweit sie die Überwachung einer individuellen Person betrifft. Ist sie gegen eine „fremde Macht" als solche gerichtet, kann sie bis zu einem Jahr dauern. In beiden Fällen bestehen Verlängerungsmöglichkeiten, § 1805 (d) (1) und (2). e) Die „minimization

procedures " des FISA

Schließlich ist noch der - neben der Einschaltung des Richters für den Erlaß der Abhöranordnung - wohl wesentlichste Unterschied zur deutschen Rechtslage zu beschreiben. Es heißt im vierten Zusatzartikel zur US-Verfassung, daß der richterliche Durchsuchungsbefehl „particularly describing the place to be searched, and the persons and things to be seized" sein soll, und seit der „Katz"-Entscheidung von 1967 steht auch fest, daß geheime Überwachungsmaßnahmen nur im Einklang mit dieser Bestimmung vorgenommen werden dürfen. Ein Abhörgesetz, das keine Vorschriften darüber enthielte, wie das Belauschen und technische Aufzeichnen von Gesprächen, die für den Zweck der Überwachung irrelevant sind, vermieden werden soll, wäre in den USA verfassungswidrig, da es einen verbotenen „general search" erlauben würde. 1 3 6 Die beiden deutschen Abhörgesetze stellen dagegen hierüber keinerlei Regeln auf, was daran liegt, daß zum einen im deutschen Recht geheime Überwachungsmaßnahmen gerade nicht mit herkömmlichen Durchsuchungen gleichgesetzt werden und zum anderen es auch für letztere kein Prinzip des „limited search" gibt. Diese unterschiedliche Rechtslage hat erhebliche praktische Konsequenzen. 137 Im Title I I I des OCCA von 1968, dem Abhörgesetz zu Strafverfolgungszwecken, fand sich lediglich eine Klausel in 18 U.S.C. § 2518 (5), nach der 135 Vgl. hierzu die Gesetzesmaterialien, 1978 U.S. Code Cong. & Adm. News 4053f. Der Begriff „technical intelligence" ist - soweit ersichtlich - nirgends definiert; da dies aber eine nicht auf das gesprochene Wort abzielende Form der „electronic surveillance" darstellt, kann vermutet werden, daß es sich um Bild- und Filmaufnahmen mittels spezieller Geräte (Infrarotkameras o. ä.) handelt. Es käme aber auch das Eindringen in elektronische Datenverarbeitungs- und -austauschsysteme in Betracht. Diese hochtechnisierte Art der Überwachung wird nur von der National Security Agency durchgeführt; § 1802 (a) (1) (A) wird daher auch die „NSA-exception" des FISA genannt, vgl. Note (Fn. 90), 78 Mich. L. R. 1134 Fn. 89. 136 v g l hierzu auch bereits die Ausführungen des Supreme Court im Fall Berger v. State of New York, 388 U.S. 58 - 60; 87 S.Ct. 1883f. 137 Dies führt nämlich dazu, daß während der dreimonatigen Dauer der T Ü nach § 100 a StPO bzw. § 2 G 10 alle über den angezapften Anschluß geführten Gespräche automatisch aufgezeichnet werden. In den USA wäre eine solche Praxis verfassungsrechtlich unzulässig. Vgl. hierzu Carr, 29 Am. J. Comp. L., S. 610f. (Fn. 26), 617 (Fn. 69) und 631, sowie ders., ZRP 1978, 244, 245.

10 Beier

146

IV. Die amerikanische Rechtslage

der richterliche Abhörbefehl „shall contain a provision that the authorization to intercept. . . shall be conducted in such a way as to minimize the interception of communications not otherwise subject to interception under this chapter". Wie dieser Bestimmung im einzelnen durch die abhörenden Polizeibeamten Genüge getan werden sollte, war streitig; grundsätzliche Übereinstimmung bestand darin, daß zwar das Abhören einiger irrelevanter Gespräche unvermeidlich sei, aber auch versucht werden sollte, deren Zahl möglichst gering zu halten. 1 3 8 Der Schutz der Privatsphäre der von der Überwachungsmaßnahme Betroffenen nach der „minimization"-Klausel in Title I I I wurde - nicht zuletzt wegen zu großer Duldsamkeit durch die Gerichte - als eher gering angesehen.139 Für eine „minimization"-Regelung im Bereich des nachrichtendienstlichen Abhörens waren dies keine günstigen Voraussetzungen, da hier noch der präventive Charakter der Maßnahme hinzukommt, d.h. nicht wie bei strafverfolgenden Maßnahmen Beweismittel für eine bestimmte Straftat gesucht werden, sondern zunächst einmal jede Information wichtig ist bzw. werden kann. Dies kommt im FISA auch, wie bereits dargestellt, dadurch zum Ausdruck, daß es keinen abschließenden Straftatenkatalog gibt und die Überwachung schon weit vor der Begehung einer kriminellen Handlung einsetzen kann. 1 4 0 Diese Besonderheiten und die Erfahrungen mit der zu knappen Regelung in 18 U.S.C. § 2518 (5) mögen den Kongreß dazu bewogen haben, die „minimization"-Regelungen im FISA effizienter und ausführlicher zu gestalten. Während sich die Bestimmung in Title I I I nur auf das tatsächliche Abhören („interception") bezieht, stellt der FISA für den gesamten Informationsgewinnungs- und Verarbeitungsprozeß, nämlich „acquisition" (Informationserhebung), „retention" (Speicherung, Aufbewahrung) und „dissemination" (Weitergabe) die Regel auf, daß für den Überwachungszweck („foreign intelligence information") nicht relevante Gespräche soweit als möglich aus diesem Prozeß herausgehalten werden sollen, § 1801 (h) (1) - (4). Dies bedeutet zunächst, daß solche Gespräche nach Möglichkeit weder abgehört noch aufgezeichnet werden sollen. Damit sind Gespräche von Personen gemeint, bei denen angenommen werden kann, daß sie an der nachrichtendienstlichen Aktivität des von der Überwachung Betroffenen unbe138 Zu den Problemen der „minimization" unter Title I I I vgl. Fishman, S. 203 - 232, ferner 1978 U.S. Code Cong. & Adm. News 3983 m.w.N. sowie die Rechtsprechungsnachweise in Project - Fifteenth Annual Review of Criminal Procedure (Fn. 49), S. 567f. (Fn. 513 - 516 dort). Zur unterschiedlichen Reaktion der US-Gerichte auf Verletzungen des „minimization"-Erfordernisses durch die Ermittlungsbehörden s. a. Note, The Suppression Sanction in the Federal Electronic Surveillance Statute, 62 Washington University Law Quarterly 707, 727 - 732 (1985). 139 v g l hierzu die Nachweise in Fn. 138 und zusätzlich Shapiro, S. 194 - 196. 140 Vgl. hierzu auch die entsprechenden Ausführungen in Kap. II, 2 a) (Fn. 2 6 - 2 8 und den dazugehörigen Text).

4. Der Foreign Intelligence Surveillance Act von 1978

147

teiligt sind, z.B. also von Ehefrau und Kindern („minimization of aquisition"). Falls eine solche Unterscheidung erst nach Überprüfung des gesamten Überwachungsergebnisses gemacht werden kann, sind die Aufzeichnungen der Gespräche unbeteiligter Personen und auch der des Betroffenen selbst, die sich nicht auf seine nachrichtendienstlichen Tätigkeiten beziehen, zu vernichten, d.h. die entsprechenden Stellen auf den Tonbändern sind zu löschen („minimization of retention"). 1 4 1 Erst nach Löschung bzw. Vernichtung der keine „foreign intelligence" im Sinne des § 1801 (e) darstellenden Aufzeichnungen dürfen die Überwachungsergebnisse an andere Sicherheitsbehörden mit einem „need to know" weitergegeben werden („minimization of dissemination"). 142 Eine besondere Sicherung existiert für den Fall, daß Überwachungsergebnisse, die eine zulässige „foreign intelligence information" darstellen, auch Informationen über eine „U.S. person" enthalten, die aber nicht in die Kategorie des „Agenten einer fremden Macht" fällt, sondern sich etwa nur im Gespräch mit einem solchen befand und dieses Gespräch überwacht wurde. § 1801 (h) (2) verlangt, daß diese Information, sofern sie nicht anderweitig (z.B. aus den Medien) öffentlich zugänglich ist, „ . . . shall not be disseminated in a manner that identifies any United States person, without such person's consent, unless such person's identity is necessary to understand foreign intelligence information or assess its importance . . .". Diese Bestimmung soll verhindern, daß „U.S. persons" nur aus dem Grund in Dossiers bei den Sicherheitsbehörden geraten, weil sie an einem - rechtmäßig - belauschten Gespräch mit einem „Agenten einer fremden Macht" teilnahmen und dabei selbst nur von ihrem im ersten Zusatzartikel zur US-Verfassung garantierten Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch machten. 143 Eine Ausnahme vom Erfordernis der „minimization" gilt dann, wenn sich aus einer Überwachung Beweismittel für ein bevorstehendes oder bereits 141 Dieses Erfordernis der Vernichtung irrelevanter Unterlagen wird im FISA nirgends expressis verbis gefordert (im Gegensatz zum G 10, vgl. § 7 IV) - § 1806 (i), in dem von „Destruction of unintentionally aquired information" die Rede ist, meint einen anderen Fall. Sie wird jedoch vom Gesetzgeber als einzige Möglichkeit, dem „minimization"-Erfordernis nachzukommen, vorausgesetzt, vgl. 1978 U.S. Code Cong. & Adm. News 3939 und 4009. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur Regelung in 18 U. S. C. § 2518 (8) (a) des Title III, nach der die Tonbänder mit den zu Strafverfolgungszwecken abgehörten Gesprächen zehn Jahre lang unverändert aufbewahrt werden müssen, um bei einer Verwendung als Beweismittel im Strafverfahren sicherzustellen, daß an ihnen nicht manipuliert wurde. Da die Gesetzesverfasser die Möglichkeit einer Verwendimg von FISA-Tonbändern im Strafverfahren als eher gering einschätzten, hielten sie das Löschen der entsprechenden Stellen für eine zum Schutz der Privatsphäre geeignete Maßnahme und verließen sich im übrigen auf die „obstruction of justice"-Strafvorschriften. Vgl. 1978 U.S. Code Cong. & Adm. News 3941 und 4010f. 142 Vgl. 1978 U.S. Code Cong. & Adm. News 4010; s. hierzu a. Fishman, Wiretapping and Eavesdropping, Cumulative Supplement December 1979, § 368, S. 92 Anm. 64 - 66. 143 1978 U.S. Code Cong. & Adm. News 4011: „Such abuses occured w i t h distressing frequency in the past"; s. a. Shapiro aaO., S. 200f.

10*

148

IV. Die amerikanische Rechtslage

begangenes Verbrechen ergeben; hier d a r f die I n f o r m a t i o n sofort an die zuständigen

Strafverfolgungsorgane

weitergegeben

werden,

§ 1801 (h)

(3).144 Schließlich muß e r w ä h n t werden, daß der F I S A l e d i g l i c h „specific procedures" verlangt, m i t denen die vorgenannten Ziele der

„minimization"

erreicht w e r d e n sollen. W i e diese i m einzelnen aussehen, ist Sache des Justizministers sowie der überwachenden Behörden u n d v o r a l l e m auch des die A b h ö r a n o r d n u n g erteilenden Richters. Bereits i m A n t r a g der Bundesbehörde müssen die beabsichtigten „ m i n i m i z a t i o n procedures" beschrieben sein, § 1804 (a) (11), der Richter muß sie f ü r ausreichend i m Sinne der allgemeinen D e f i n i t i o n des § 1801 (h) erachten, § 1805 (a) (4), u n d i n seiner A b h ö r a n o r d n u n g auch bestimmen, daß i h n e n Folge zu leisten ist, § 1805 (b) (2) (A), was er i m V e r l a u f der A u s f ü h r u n g der Maßnahme n a c h p r ü f e n k a n n , § 1805 (d) (3). A u c h die V o r s c h r i f t e n über „ m i n i m i z a t i o n " gelten w i e d e r u m n u r f ü r „ U . S . persons" als v o n der Maßnahme Bertroffene, also U S - S t a a t s b ü r g e r u n d d a u e r n d i n den U S A w o h n h a f t e Ausländer, vgl. § 1801 (h) (1), (2), (4) u n d § 1806 (a) - auch dies ein U n t e r s c h i e d z u T i t l e I I I .

144 Eine nähere Betrachtung ergibt, daß durch diese Ausnahme die gesamte „minimization-procedure" auf recht schwankendem Grunde steht. Da der FISA keinen abschließenden Straftatenkatalog kennt, ist prinzipiell die Verwertung der Überwachungsergebnisse als Beiweismittel für jedes Verbrechen zulässig, auch wenn es mit dem Zweck der Überwachungsmaßnahmen („foreign intelligence information") nichts zu tun hat. Einzige Voraussetzung hierfür - neben der richterlichen Anordnung - ist, daß die überwachenden Beamten wenigstens einen „good faith-effort to minimize" gemacht haben, es ihnen also nicht von vorneherein auf die Gewinnung der Beweismittel ankam, sondern diese nur zufällig erfolgte. Vgl. aus den Gesetzesmaterialien 1978 U.S. Code Cong. & Adm. News 3956 und 4008f. Es soll also darauf ankommen, ob „on the whole, the agents have shown a high regard for privacy and have done all they reasonably could to avoid unnecessary intrusion." Dies ist eine Bewertungsfrage, die nach der Entscheidung des Falles Scott v. U.S., 436 U.S. 128, 98 S.Ct. 1717 (1978), durch den Supreme Court noch zusätzlich mit Rechtsunsicherheit belastet ist. Nach dieser Entscheidung zu Title I I I soll es nämlich keineswegs schon eine Verletzung der dortigen „minimization"-Vorschrift in 18 U.S.C. §2518 (5) bedeuten, wenn die abhörenden Beamten von vornherein alle Telefongespräche aufnahmen und gerade keinen „good faith-effort" an den Tag legten. Vgl. hierzu Fishman, S. 226ff. (§ 159), und Cumulative Supplement December 1979, S. 94 (Anm. 84 dort). Das hier beschriebene Problem stellt sich nur dann nicht, wenn wegen Spionage oder terroristischer Aktivitäten ermittelt wird, da Informationen hierüber per definitionem auch „foreign intelligence information" sind. Hier wäre also m.E. die Aufstellung eines abschließenden Straftatenkataloges zumindest für die Verwertbarkeit der erlangten Beweismittel erforderlich gewesen (ähnlich § 7 I I I G 10). Zur „minimization" nach dem FISA s. nunmehr auch die Entscheidung Matter of Kevork, 634 F. Supp. 1002, 1016 - 1018 (C. D. Cal. 1985), äff d 788 F. 2d 566 (9th Cir. 1986), wo festgestellt wird, daß die Benutzung von automatisch arbeitenden Tonaufzeichnungsgeräten nach dem FISA jedenfalls nicht generell verboten ist (im konkreten Fall ging es um das Belauschen von in armenischer Sprache geführten Gesprächen - s. Fn. 164 hier).

4. Der Foreign Intelligence Surveillance Act von 1978

f) Zur Verfassungsmäßigkeit

149

des FISA

Vor der Verabschiedung des FISA hatte sich der amerikanische Kongreß intensiv mit der Verfassungsmäßigkeit seines Vorhabens beschäftigt. I m Schlußwort zu den Beratungen des House Conference Committee gaben die diesem Gremium angehörenden Senatoren und Abgeordneten sich überzeugt davon, daß der neue FISA den Bestimmungen der US-Verfassung entsprechen würde, stellten jedoch eine anderslautende Entscheidung des Supreme Court ausdrücklich in den Bereich des Möglichen. 145 Betrachtet man sich nun dessen „ Keith "-Entscheidung noch einmal näher, so könnte man meinen, daß hierzu kaum Anlaß bestünde, da das Gericht in seiner damaligen Aufforderung an den Kongreß, hinsichtlich geheimer Überwachungsmaßnahmen zum Zweck der nationalen Sicherheit gesetzgeberisch tätig zu werden, bereits angeregt hatte: 1 4 6 (1) die im Antrag auf die richterliche Abhöranordnung enthaltene Darlegung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit („probable cause") muß nicht dem Title HI-Standard entsprechen (ein bestimmtes Verbrechen droht, wird oder wurde begangen), sondern die Wahrscheinlichkeitsprüfung kann an andere, dem Problem der Staatssicherheit besser gerecht werdende Umstände gebunden werden; (2) für die Entscheidung über den Antrag kann ein besonderes Gericht gebildet werden; (3) die Dauer der Maßnahme kann länger und die Berichtspflicht der ausführenden Behörde gegenüber dem Gericht muß nicht so strikt sein wie in Title I I I des OCCA. Bei der Beratung und Verabschiedung des FISA hatte sich der Kongreß ziemlich genau an diese Empfehlungen gehalten. Er hatte allerdings auch als Ersatz für den gestrichenen „national security disclaimer" in Title I I I eine Bestimmung aufgenommen, nachdem dieses Gesetz sowie der FISA die einzigen gesetzmäßigen Möglichkeiten zur Durchführung von „electronic surveillance" innerhalb der USA sein sollten, 18 U.S.C. § 2511 (2) (f). Dies führte nun dazu, daß der Supreme Court seine obenerwähnten Ausführungen 1972 auf der Grundlage eines Sachverhaltes gemacht hatte, auf den jetzt der FISA allem Anschein nach überhaupt nicht anwendbar wäre - Überwachungsmaßnahmen zum Zweck der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit" unterfallen nunmehr regelmäßig den Bestimmungen des Title I I I mangels Involvierung einer „fremden Macht" („foreign power"). 1 4 7 Insoweit 145

Vgl. 1978 U.S. Code Cong. & Adm. News 4064. Vgl. nochmals 407 U.S. 322 - 324; 92 S.Ct. 2139 - 2140 (1972). 147 Den von der Überwachungsmaßname im „Keith"-Fall betroffenen „Weathermen" wurden Sprengstoffanschläge gegen staatliche Einrichtungen zur Last gelegt, vgl. 407 U.S. 299, 92 S.Ct. 2128. Dies könnte man zwar als „terroristische Aktivitä146

150

IV. Die amerikanische Rechtslage

hatte der Kongreß mit dem Erlaß des FISA den Intentionen des Supreme Court nur sehr bedingt entsprochen, da er mit diesem Gesetz einen Bereich regelte, den das Gericht bei seinen Empfehlungen gar nicht gemeint hatte. 1 4 8 ten" werten; der FISA gilt jedoch nur für „international terrorism"; nur Informationen hierüber sind „foreign intelligence information",, vgl. § 1801 (c) (3) und (e) (1) (Β). Soweit ersichtlich, fehlte es im Sachverhalt der „Keith"-Entscheidung an dieser internationalen Komponente. Für den Fall Zweibon v. Mitchell gilt ähnliches. Allgemein zu den „Weathermen" vgl. die bei Fain / Plant / Milloy abgedruckten Auszüge aus einem Bericht über die Sicherheitslage in den USA im Juni 1970 (S. 827-831). 148 Vgl. nochmals 407 U.S. 321 - 323; 92 S.Ct. 2139: "We emphasize, before concluding this opinion, the scope of our decision. As stated at the outset, this case involves only the domestic aspects of national security. We have not addressed, and express no opinion as to, the issues which may be involved with respect to activities of foreign powers or their agents . . . Moreover, we do not hold that the same types of standards and proceedings prescribed by Title I I I are necessarily applicable to this case. We recognize that domestic security surveillance may involve different policy and practical considerations from the surveillance of 'ordinary crime'.. . Given those potential distinctions between Title I I I criminal surveillances and those involving domestic security, Congress may wish to consider protective standards for the latter which differ from those already described for specified crimes in Title III." Wie hier Elliff, FBIGuidelines, 69 Cornell L. R. 785, 790 Fn. 31 (1984): „To date, Congress has not accepted the invitation". Dies hatte auch Rückwirkungen auf die Tätigkeit des FBI bei Uberwachungsmaßnahmen, die zum Zweck der Bekämpfung „einheimischer" Terroristengruppen durchgeführt wurden, vgl. Elliff, ebd., S. 798ff. Diese Maßnahmen waren nunmehr nämlich nur noch unter den Voraussetzungen des Title I I I möglich. Besonders deutlich wird diese unbefriedigende Rechtslage auch am jüngst entschiedenen Fall U.S. v. Torres, 751 F.2d 885 (7th Cir. 1984); cert. den., - U.S. - , 105 S.Ct. 1853 (1985). Hier waren Überwachungsmaßnahmen des FBI gegen Mitglieder der F A L N (Fuerzas Armadas de Liberacion Nacional Puertorriquena, eine Gruppe puertorikanischer Terroristen) zu beurteilen, bei der Abhörgeräte und Fernsehkameras eingesetzt worden waren. Da die F A L N unter die Definition der „group engaged in international terrorism or activités in preparation therefor" nach § 1801 (a) (4) und (c) nicht subsumierbar war, wurde die Überwachung nach den Bestimmungen des Title I I I durchgeführt; der die Abhöranordnung erlassende Richter hatte hierbei auch den Einsatz von Fernsehkameras genehmigt. Weil 18 U.S.C. § 2510 (4) nur „aurai" acquisition of the contents of any wire or oral communication through the use of any electronic, mechanical or other device" zuläßt (während unter der FIS Α-Definition der „electronic surveillance" in § 1801 (f) (4) auch Fernsehkameras zulässig sind, vgl. aus den Gesetzesmaterialien 1978 U.S. Code Cong. & Adm. News 3936 und 4006) und 18 U. S. C. § 2511 (2) (f) FISA und Title I I I zu den beiden einzigen gesetzmäßigen Möglichkeiten erklärt, nach denen geheime Überwachungsmaßnahmen innerhalb der USA überhaupt durchgeführt werden können, wäre der Einsatz der Kameras an sich rechtswidrig gewesen. Der Circuit Court of Appeals für den siebten Gerichtsbezirk ließ diese Maßnahmen aus offenkundig rechtspolitischen Gründen dennoch zu (die FALN-Terroristen waren bei der Anfertigung von Bomben und Sprengsätzen überwacht worden); seine - hier nicht im einzelnen darzustellende - Argumentation zur Zulässigkeit von Überwachungsmaßnahmen außerhalb von FISA und Title I I I ist aber wohl nicht haltbar, vgl. dazu die concurring opinion von Circuit Judge Richard D. Cudahy, 751 F. 2d 886 - 895. Das „videotaping" wird allerdings auch bei den USStrafverfolgungsbehörden offensichtlich immer beliebter; vgl. die Darstellung der verdeckten Ermittlungen im DeLorean- und im ABSCAM-Fall bei Blum, DRiZ 1987, 8 7 - 9 1 ; s. zu dem im Text genannten Aspekt schließlich auch Recent Development The Constitutionality of the Foreign Intelligence Surveillance Act of 1978, 16 Vand. J. Transnat'l. L. 231, 241 - 242 (1983). Daß sich die oben angeführten Passagen in der „Keith"-Entscheidung des Supreme Court auf Überwachungsmaßnahmen zum Zweck der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit und nicht auf „foreign intelligence gathering" beziehen, wird verkannt in Note, Who is listening?, 70 Virginia L. R. 301 (1984).

4. Der Foreign Intelligence Surveillance Act von 1978

151

Diese Frage soll hier jedoch nicht weiter vertieft werden; eine Entscheidung des Supreme Court über die Verfassungsmäßigkeit des FISA gibt es jedenfalls bislang nicht. 1 4 9 g) Die Beurteilung des FISA durch die Bundesgerichte Im Gegensatz zum Supreme Court hatten die unteren Instanzen der Bundesgerichtsbarkeit mehrmals Gelegenheit, über die Verfassungsmäßigkeit des FISA zu befinden; sie wurde - unter jeweils verschiedenen Aspekten immer bejaht. Es wurden jedoch auch gewisse Probleme des neuen Gesetzes deutlich. Im Fall U.S. v. Falvey 1 5 0 ging es um die nach einer FISC-Order durchgeführte Telefonüberwachung von Angehörigen der Provisional Irish Republican Army (PIRA), gegen die das FBI wegen Waffenschmuggels nach Irland ermittelte. Die Überwachung stützte sich auf § 1801 (a) (4) und (b) (2) (C); es handelte sich um US-Bürger, denen Beteiligung an „international terrorism" vorgeworfen wurde. 1 5 1 Hauptsächlicher Einwand der Angeklagten war, daß es sich in ihrem Fall um eine Überwachungsmaßnahme zu Strafverfolgungszwecken gehandelt habe, die nur nach den strengeren Voraussetzungen des Title I I I hätte durchgeführt werden dürfen. Tatsächlich lief gegen einen der Angeklagten bereits einige Monate ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Waffenschmuggels, bevor der Überwachungsantrag bei dem zuständigen FISC-Richter eingereicht wurde. Der Antrag der Angeklagten auf Ausschluß des durch die FISA-Telefonüberwachung gewonnenen Beweismaterials, der nach § 1806 (e) des FISA möglich ist („motion to suppress"), fand beim Gericht jedoch keine Zustimmung; in der Urteilsbegründung wurde zwar durchaus anerkannt, daß eine Abhöranord149 Möglich wäre eine Beanstandung des FISA durch den Supreme Court schon. Da der Kongreß mit dem Gesetz einen Bereich geregelt hatte, über den das Gericht in „Keith" gar nichts sagen wollte, stünde seine damalige Entscheidung nicht im Wege, auf dem Gebiet der „foreign intelligence" nun doch eine „inherent power" des USPräsidenten zu entdecken. Eine solche wird z.B. befürwortet in Note, The Extent of Independent Presidential Authority to Conduct Foreign Intelligence Activities, 72 Georgetown L. J. 1855 (1984); vgl. dort zum FISA bes. S. 1868 Fn. 91, mit der insoweit richtigen Bemerkung, daß die „Keith-Entscheidung" jedenfalls kein Argument für die Verfassungsmäßigkeit des FISA sein kann. Zum FISA s. nunmehr (nach Abschluß der Arbeit) auch Arndt, Kontrolle der Nachrichtendienste bei der Post- und Fernmeldeüberwachung in der Bundesrepublik Deutsehland und i n den Vereinigten Staaten von Amerika, DOV 1986, 169 - 177, der in seiner Darstellung des FISA aber anders gewichtet und mehr auf die Kontrollrechte der jeweiligen Genehmigungsinstanzen (Kommission nach § 9 I V G 10/FISC) und parlamentarischen Ausschüsse (Abgeordnetengremium nach § 9 I G 10/Select Committees on Intelligence von House of Representatives und Senate, s. § 1808 (a) und (b)) abhebt, während hier die Eingriffsvoraussetzungen im Vordergrund standen. 15 0 540 F.Supp. 1306 (E. D. N. Y. 1982). 151 Bei den Angehörigen der PIRA war dies im Gegensatz zu den Mitgliedern der F A L N (s. Fn. 148) im Fall U.S. v. Torres möglich, da die terroristischen Handlungen der PIRA hauptsächlich gegen Großbritannien gerichtet sind und damit die von 50 U.S.C. § 1801 (c) (3) geforderte „Auslandsberührung" vorliegt.

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IV. Die amerikanische

echtslage

nung nach dem FISA leichter zu erlangen sei als nach Title III, jedoch seien die Normen des Title I I I bei einer Strafverfolgung wegen terroristischer Aktivitäten keineswegs das „konstitutionelle Minimum, das nicht unterschritten werden dürfe. Der Richter bezog sich hierbei - zu Unrecht - auf die Ausführungen des Supreme Court im Falle „ K e i t h " . 1 5 2 Diese Entscheidung des New Yorker Disctrict Court wurde überwiegend mit der Begründung kritisiert, daß der FISA von vornherein nicht als Instrument zur Strafverfolgung gedacht gewesen sei und wegen der Aktivitäten der Angeklagten im Fall Falvey auch eine Abhöranordnung nach Title I I I des OCCA (18 U.S.C. §2516 enthält in seinen Katalogtaten nämlich auch Delikte wie Spionage, Sabotage und Transport von gestohlenen Gütern über die Grenze eines Bundesstaates) möglich gewesen wäre. Da hier die Absicht der Ermittlungsbehörden offensichtlich von vornherein auf Strafverfolgung gerichtet war, hätte nach den Bestimmungen des Title I I I (18 U.S.C. §§ 2510 - 2520) verfahren werden müssen. 153 Der Sachverhalt des Falles U.S. v. Megahey 154 war ähnlich; angeklagt waren wieder Waffenschmuggler zugunsten der PIRA. Nach den Feststellungen des Gerichts gab es keine Anzeichen dafür, daß die hier durchgeführten und vom FISC autorisierten Überwachungsmaßnahmen von vornherein überwiegend zu Strafverfolgungszwecken gedient hätten; es handelte sich bei den Überwachungsergebnissen damit um zulässige Beweismittel. 155 I n seiner Rechtfertigung der unterschiedlichen Standards von FISA und Title I I I ging das Gericht hier so weit, die von der überwiegenden Rechtssprechung vor Erlaß des FISA behauptete „foreign intelligence exception" vom Erfordernis einer vorherigen richterlichen Überprüfung 1 5 6 aufrechtzuerhalten. 1 5 7 Die Besonderheit (und Problematik) dieses Falles lag hier nun darin, daß sich die Überwachung gegen ein PIRA-Mitglied richtete, das nicht in die Kategorie der „U.S. person" fiel, der FISA-Abhörbefehl somit leichter zu erlangen war, die abgehörten Gespräche und Videoaufnahmen (hier waren wie im Fall U.S. v. Torres 158 auch Fernsehkameras eingesetzt worden) 152 v g l die Ausführungen hier in den Fn. 147 - 149 nebst dem dazugehörigen Text. 153 vgl. Note (Fn. 148), 70 Virginia L. R. 323 - 324; Note, Foreign Intelligence Surveillance - Intelligence Gathering or Prosecution? 6 Fordham I n t l . L. J. 501,523-526 (1983); Recent Development (Fn. 148), 16 Vand. Transnat'l. L. J. 253 - 259; s. a. Case Comment - U.S. v. Falvey, 10 Brooklyn J. Int'l. L. 193, 214 - 217 (1984). is 4 553 F. Supp. 1180 (E. D. N. Y. 1982), äff' d sub. nom. U.S. v. Duggan, 743 F.2d 59 (2nd Cir. 1984). 155 Vgl. 553 F.Supp. 1190, und bei der Berufungsentscheidung 743 F.2d 77 - 78. Wäre dies der Fall gewesen, hätte der District Court die Überwachungsergebnisse nicht zugelassen, 553 F. Supp. 1192 re. Sp. 156 v g l die Ausführungen hier in Abschnitt 3 d). 157 Vgl. 553 F. Supp. 1185 - 1190. iss vgl. die Ausführungen zu diesem Fall i n Fn. 148. Da in dem U.S. v. Megahey zugrunde liegenden Sachverhalt nach den Bestimmungen des FISA vorgegangen worden war, ergaben sich diesbezüglich keine Probleme.

4. Der Foreign Intelligence Surveillance Act von 1978

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jedoch auch gegen einen US-Bürger (und PIRA-Mitglied) als Beweismittel verwendet worden waren. Weder der District Court (Eastern District of New York) noch der Circuit Court of Appeals für den zweiten Gerichtsbezirk hatten hieran etwas auszusetzen.159 Im Fall U. S. v. Belfield 1 6 0 wurde eine andere Detailfrage der Einführung von FISA-Überwachungsergebnissen in ein Strafverfahren akut. Nach § 1806 (f) hat der Richter des zuständigen District Court die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Überwachungsmaßnahme anhand der ihm von den Behörden übergebenen Unterlagen (Antrag, Entscheidung des FISC-Richters, Tonträger, Bildaufnahmen, angewandte „minimization procedure" etc.) dann unter Ausschluß der Angeklagten und ihrer Verteidiger vorzunehmen („in camera and ex parte"), wenn der Attorney General eidesstattlich versichert, daß eine Eröffnung („disclosure") der Unterlagen, Tonträger, Filme etc. an die Angeklagten oder eine streitige Verhandlung („adversary hearing") über die Rechtmäßigkeit der Überwachung der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten schaden würde. Auch hier verglichen die Angeklagten den FISA mit einer entsprechenden Bestimmung des Title III, 18 U.S.C. § 2518 (9), der die Einführung der Ergebnisse einer strafprozessualen Überwachung in ein Verfahren nur dann zuläßt, wenn dem Betroffenen vorher eine Kopie des Antrags und des entsprechenden Gerichtsbeschlusses zugestellt wird. Auch hier lehnte der Circuit Court of Appeals für den Gerichtsbezirk des District of Columbia diesen Vergleich ab und stellte die Besonderheit der „foreign intelligence surveillance" heraus, wo es anders als bei „normalen" Strafverfolgungsmaßnahmen um Belange der nationalen Sicherheit gehe. Schließlich seien die Rechte der Betroffenen im FISA durch ausgeweitete Anforderungen an die „minimization" und eine Beteiligung aller drei Staatsgewalten an der Kontrolle der Überwachungsmaßnahmen ausreichend gesichert. 161 Die Argumentation der Angeklagten hatte sich hier nicht auf den vierten, sondern auf den fünften und sechsten Zusatzartikel zur US-Verfassung gestützt; 162 die Rechtmäßigkeit der Überwachung 159 Ygi 743 γ 2d 79. Diese Rüge war von den Angeklagten außerdem zu spät vorgebracht worden. Vgl. hierzu Note (Fn. 148), 70 Virginia L. R. 324. 160 692 F. 2d 141 (D.C. Cir. 1982). 161 Vgl. ebd., S. 148. Damit gemeint sind wohl die Zustimmung des Attorney General bei jedem Antrag, § 1804 (a), (c), die Entscheidung durch den Richter, § 1805 (a), (b), sowie eine halbjährliche Berichtspflicht des Attorney General an die für die Überwachung der nachrichtendienstlichen Tätigkeit der Exekutive zuständigen Ausschüsse von Repräsentantenhaus und Senat, § 1808 (a). Gemäß § 1808 (b) haben diese Ausschüsse außerdem jährlich dem Parlament zu berichten und Empfehlungen bezüglich eventueller Verbesserungen etc. des FISA abzugeben. Diese Berichtspflicht wurde aber auf fünf Jahre beschränkt; der letzte verfügbare Bericht des Senate Select Committee on Intelligence („The Foreign Intelligence Surveillance Act: The First Five Years", 98th Congress 2d Session, Senate Report 98 - 660) datiert daher vom 5.10.1984 (hinfort als FISA-Report bezeichnet). 162 s. U.S. Const., amend. V: „no person s h a l l . . . be deprived of life, liberty, or property without due process of law" sowie U.S. Const., amend. VI: „ i n all criminal

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IV. Die amerikanische Rechtslage

n a c h der F I S C - O r d e r selbst (die i . ü . n i c h t gegen sie gerichtet gewesen w a r u n d deren Ergebnisse i m Strafverfahren auch n i c h t verwendet w u r d e n ) stellten sie n i c h t d i r e k t i n F r a g e . 1 6 3

h) Abschließende

Feststellungen

Z u r „ A u f n a h m e " des F I S A d u r c h die U S - B u n d e s g e r i c h t e 1 6 4 ist schließlich n o c h folgendes z u bemerken. D e r Kongreß hatte m i t dem Erlaß dieses Gesetzes u n d der A u f n a h m e einer B e s t i m m u n g i n den T i t l e I I I , daß dieser u n d der F I S A die einzigen legalen Wege z u r D u r c h f ü h r u n g v o n geheimen Ü b e r wachungsmaßnahmen („electronic surveillance") i n den Vereinigten Staaten sein sollten, die A b s i c h t , eine „ i n h e r e n t p o w e r " des Präsidenten auf dem Gebiet des n a c h r i c h t e n d i e n s t l i c h e n Abhörens z u v e r e i n e n . 1 6 5 I n einigen der h i e r dargestellten Gerichtsentscheidungen f i n d e n sich jedoch b e i der E r ö r t e r u n g der Verfassungsmäßigkeit des F I S A A r g u m e n t e , die an die ü b e r w i e gende Auffassung der Obergerichte v o r 1978 erinnern, daß eine solche „ i n h e r e n t p o w e r " z u r D u r c h f ü h r u n g v o n geheimen Ü b e r w a c h u n g s m a ß n a h prosecutions the accused shall enjoy the r i g h t . . . to be informed of the nature and cause of the accusation, and to have the assistance of counsel". Kritisch zu dieser Entscheidung Case Comment - U.S. v. Belfield, 7 Suffolk Transnat'l. L. J. 494, 508 - 512 (1983) und Note (Fn. 153), 6 Fordham Int'l. L. J. 501, 519. 163 Vgl. 692 F. 2d 143 - 144. 164 Die neuesten veröffentlichten Entscheidungen zum FISA sind Matter of Kevork, 634 F. Supp. 1002 (C. D. Cal. 1985), aff'd 788 F. 2d 566 (9th Cir. 1986), und U. S. v. Ott, 637 F. Supp. 62 (E. D. Cal. 1986). Im Fall Matter of Kevork ging es um die Rechtmäßigkeit der FISA-Überwachung von armenischen Terroristen (Armenian Secret Army for the Liberation of Armenia - ASALA). District Court wie Court of Appeals bejahten die Verfassungsmäßigkeit des FISA wie die Rechtmäßigkeit der durchgeführten Überwachungsmaßnahmen unter Verweis auf die früheren hier dargestellten Entscheidungen. Die Besonderheit dieses Falles lag nun darin, daß die Betroffenen nicht in den USA, sondern i n Kanada (wegen versuchten Mordes an türkischen Diplomaten) angeklagt waren und die FISA-Erkenntnisse (vom FBI in den USA gewonnen) dort als Beweismittel verwendet werden sollten. Die Angeklagten argumentierten, daß eine solche Weitergabe an ausländische Stellen durch den FISA verboten sei; dies ergebe sich implizit aus der detaillierten Regelung in 50 U.S.C. § 1806 (b) - (g) über die Einbringung von FISA-Erkenntnissen vor US-Gerichten. Beide mit dem Fall befaßten Gerichte folgten diesem Argument unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien (wo ausdrücklich Weitergabe an befreundete Nachrichtendienste als erlaubt bezeichnet wird) nicht; vgl. 634 F. Supp. 1002, 1018 und 788 F. 2d 566, 569 - 570. Im Fall U.S. v. Ott stellte der Betroffene (ein der versuchten Weitergabe von „classified information" an fremde Mächte angeklagter Luftwaffensoldat) ähnlich wie im hier geschilderten Fall U.S. v. Belfield (s. Fn. 160 hier und den zugehörigen Text) die Verfassungsmäßigkeit von 50 U.S.C. § 1806 (f) i n Frage. Der District Court (Eastern District of California) bezog sich auf die Argumentation des District of Columbia Circuit Court in U.S. v. Belfield und wies den Antrag, die FISA-Erkenntnisse nicht als Beweismittel zuzulassen (gem. § 1806 (e)), ab; vgl. 637 F. Supp. 62, 65 - 66. 165 Dies wird in den veröffentlichten Gesetzesmaterialien zum FISA an mehreren Stellen ausdrücklich betont; vgl. 1978 U. S. Code Cong. & Adm. News 3907 („(T)he b i l l recognizes no inherent power of the President i n this area") sowie 4040 - 4041 und 4064; s. dazu Note, Executive Order 12, 333: An Assessment of the Validity of Warrantless National Security Searches, 1983 Duke L. J. 611, 637 - 644.

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men ohne richterliche Kontrolle eben doch bestehen, der FISA in diese „foreign intelligence exception" hineinfallen und diese lediglich im Sinne der „reasonableness" des vierten Zusatzartikels begrenzen würde - womit sich die im Vergleich zum strafprozessualen Abhören geringeren Standards 166 natürlich gut erklären lassen. 167 Diese, angesichts der überwiegenden Zahl der Präzedenzfälle nicht überraschende Interpretation des FISA als der Begrenzung einer bereits bestehenden Befugnis der Exekutive und nicht als gesetzliche Erlaubnis bestimmter Maßnahmen, die ansonsten verfassungswidrig wären, scheint eine Frage wieder aufzuwerfen, die der FISA nach der Ansicht seiner Verfasser eigentlich klären sollte. 168 Man kann also annehmen, daß mit dem FISA noch lange nicht der Endpunkt der juristischen Diskussion erreicht ist. Dies gilt um so mehr, als die Exekutive zumindest in allen von diesem Gesetz nicht erfaßten Bereichen weiterhin auf ihre „inherent power" zur Durchführung verdeckter Ermittlungen pocht. Am 6.12.1981 unterzeichnete Präsident Ronald Reagan die Executive Order 12,333 zur Regelung der Zusammenarbeit der verschiedenen US-Nachrichtendienste („intelligence community"). Diese Regelung sollte ursprünglich in Gesetzesform erfolgen; der „National Intelligence Act of 1980" war jedoch kurz zuvor im Kongreß gescheitert. 169 In Section 2. 5. dieser Anordnung des Präsidenten wird der Attorney General ermächtigt, 166 vgl. die Ausführungen hier in Abschnitt 4 b) ee). 167 Vgl. U.S. v. Megahey, 553 F. Supp. 1185 - 1190, und U.S. v. Falvey, 540 F. Supp. 1311-1313; unentschieden hierzu U.S. v. Duggan, 743 F.2d 72 - 74. Im bereits erwähnten FISA-Report vom 5.10.1984 (s. Fn. 161 hier) empfahl der berichtende Senatsausschuß für die vor allem bei der Terrorismusbekämpfung auftauchenden Grenzfälle zwischen nachrichtendienstlichen und strafprozessualen Überwachungsmaßnahmen: "If . . . it is clear that the principal concern w i t h respect to a terrorist group is domestic law enforcement and criminal prosecution, the FBI should use the law enforcement procedures under Title I I I . . . instead of FISA." Vgl. FISA-Report S. 25. 168 s. Recent Development (Fn. 148), 16 Vand. Transnat'l. L. J. 258, und Case Comment - U.S. v. Falvey: A Constitutionality Test for Foreign Electronic Intelligence Surveillance, 8 North Carolina J. Int'l. L. & Comm. Reg. 77, 85 - 86 (1982). 169 Die Executive Order 12,333 des US-Präsidenten ist abgedruckt zu 50 U.S.C. § 401, in: United States Code, 1982 ed., Bd. 19. Die amerikanische „intelligence community" besteht aus der Central Intelligence Agency (CIA, der Auslandsnachrichtendienst), der National Security Agency (NSA, einer Art „Serviceunternehmen" für die anderen Nachrichtendienste, vornehmlich mit der hochtechnisierten Überwachung und Auswertung von Nachrichten- und Kommunikationsströmen in aller Welt beschäftigt und von der Encyclopaedia Britannica definiert als „an omnipresent eavesdropper on all the world's major secret government-related communications"), den militärischen Nachrichtendiensten von Heer, Luftwaffe und Marine, der Defense Intelligence Agency (DIA, ein Versuch, die eben genannten Dienste der Teilstreitkräfte zu koordinieren), dem Bureau of Intelligence and Research im Department of State (INR, eine Stelle im Außenministerium zur Auswertung der von den US-Auslandsvertretungen gelieferten Informationen), dem FBI (Spionageabwehr) sowie Dienststellen innerhalb der Departments of Energy and the Treasury. Vgl. hierzu Encyclopaedia Britannica - Macropaedia Bd. 21 (15th ed. 1985), S. 719 - 721 sowie Fain / Plant / Milloy, S. 24 - 32 sowie 235 - 239, 302 - 304, 347 - 369, 376 - 389, 428 439.

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„to approve the use for intelligence purposes within the United States or against a United States person abroad, of any technique for which a warrant would be required if undertaken for law enforcement purposes", allerdings nur, wenn „the Attorney General has determined in each case that there is probable cause to believe that the technique is directed against a foreign power or the agent of a foreign power. Electronic surveillance, as defined in the Foreign Intelligence Surveillance Act of 1978, shall be conducted in accordance w i t h that Act, as well as this order." Bereits einige Monate vorher hatte der Foreign Intelligence Surveillance Court festgestellt, daß er keine Jurisdiktion über Anträge auf geheime „körperliche" Durchsuchungen zu nachrichtendienstlichen Zwecken habe. 170 Wegen der beschränkten Reichweite des FISA - er umfaßt weder Überwachungsmaßnahmen ohne den Einsatz technischer Mittel („electronic, mechanical or other surveillance device", vgl. § 1801 (f) (1) - (4) noch außerhalb der USA durchgeführte Maßnahmen überhaupt - wird die Diskussion um die „inherent power" des Präsidenten also erst recht nicht zur Ruhe kommen. 171 Die Frage, ob der US-Präsident diese „inherent power" auf dem Gebiet der nachrichtendienstlichen Überwachungsmaßnahmen wirklich besitzt, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht beantwortet werden. Die folgenden Bemerkungen dienen daher nur zur Verdeutlichung der Fragestellung. Das auch in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des G 10 von 1970 auftauchende Argument, 1 7 2 daß die Verfassung demjenigen Staatsorgan, dem sie eine bestimmte Aufgabe stelle (hier: die Befugnisse des US-Präsidenten als Oberbefehlshaber der Streitkräfte und als Leiter der Außenpolitik, vgl. US-Const. Art. II, §§ 2 und 3), die zu deren Ausführung notwendigen Befugnisse nicht vorenthalten wolle, hat in den USA eine sehr lange Tradition; 1 7 3 ebenso klar ist jedoch, daß die Mittelauswahl nur unter Beachtung der durch die Verfassung verbürgten Grundrechte erfolgen kann. 1 7 4 Also kommt wieder der vierte Zusatzartikel ins 170

Vgl. Note (Fn. 148), 70 Virginia L. R. 297. « i Vgl. dazu Note (Fn. 165), 1983 Duke L. J. 611, 627. 17 2 s. BVerfGE 30, 1 (19f.). 173 s. dazu die bekannte Entscheidung McCulloch v. Maryland, 17 U.S. (4 Wheat.) 316, 409 - 410 (1819); teilweise auch abgedruckt in: Albert B. Saye, American Constitutional Law, St. Paul (Minn.) 1979, S. 130 - 133. Eine (m.E. aber einseitige) Diskussion der Befugnisse des Präsidenten aus diesen Verfassungsbestimmungen auf dem Gebiet nachrichtendienstlicher Maßnahmen findet sich in Note (Fn. 149), 72 Georgetown L. J. 1855, 1868ff. 174 Vgl. 17 U.S. (4 Wheaton) 421, und Saye, S. 131. Dieser Gesichtspunkt bleibt in der eben erwähnten Note, 72 Georgetown L. J. 1868ff. unberücksichtigt; als Abhilfe gegen Mißbräuche dieser behaupteten weiten Befugnisse des Präsidenten bei nachrichtendienstlichen Handlungen wird auf die Presse und die öffentliche Meinung verwiesen, was ja auch während der zweiten Amtsperiode von Richard M. Nixon gut funktioniert habe. Diese „Abhilfe" trägt aber nur dazu bei, vorhandene Mißstände aufzudecken; um diese gar nicht erst entstehen zu lassen, bedarf es „interner" Kontrollmöglichkeiten (s. dazu S. 1880ff. dort).

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Spiel. Dieser besteht aus zwei Absätzen: der erste spricht davon, daß das Recht der Menschen, vor „unreasonable searches and seizures" der Person, des Heims oder des sonstigen Besitztums geschützt zu sein, nicht verletzt werden dürfe; der zweite Absatz stellt gewisse Bedingungen für den Erlaß eines richterlichen Durchsuchungs- oder Haftbefehls („warrant" - „probable cause") auf. 1 7 5 Das Verhältnis dieser beiden Halbsätze zueinander ist ein schon lange umstrittenes Auslegungsproblem. Entweder ist der zweite Halbsatz lediglich eine Erklärung des ersten, so daß eine ohne richterliche Anordnung vorgenommene Durchsuchung oder Verhaftung immer ein „unreasonable search" ( bzw. „seizure") ist. Oder es gibt keine Verbindung zwischen den beiden Halbsätzen; dann besteht außer den mit einem „warrant" durchgeführten Durchsuchungen, Beschlagnahmen und Verhaftungen zusätzlich die Möglichkeit, solche Maßnahmen auch ohne richterliche Anordnung durchzuführen, wenn sie nur „reasonable" sind. 1 7 6 Die Nachteile dieser beiden extremen Auffassungen sind klar; die erste ist zu eng und die zweite macht das „warrant "-Erfordernis nahezu bedeutungslos. Die Position des U.S. Supreme Court liegt demgemäß dazwischen, tendiert aber mehr zur ersteren Auffassung: Ohne richterliche Anordnung vorgenommene Verhaftungen, Durchsuchungen und Beschlagnahmen sind „per se unreasonable under the Fourth Amendment, subject only to a few specifically established and well delineated exceptions", 177 da die Exekutivbehörden nicht nach eigenem Gutdünken entscheiden können sollen, welche Maßnahmen sie wann für „reasonable" halten dürfen. 1 7 8 Diese „exceptions" unter ein einheitliches Schema zu bringen, ist ziemlich schwierig; 1 7 9 größtenteils betreffen sie entweder Situationen, in denen vom Durchsuchten eine zumindest potentielle unmittelbare Gefahr ausgeht bzw. der sofortige Verlust von wichtigem Beweismaterial droht 1 8 0 oder es handelt sich um routinemäßig durchgeführte Maßnahmen zum Zweck der öffentlichen Sicherheit, bei denen aus praktischen Gründen eine „warrant procedure" 175 Eine deutsche Übersetzung des vierten Zusatzartikels findet sich in dem bereits erwähnten Aufsatz des amerikanischen Professors Craig M. Bradley (Fn. 11 a.E.), GA 1985, 99, 100. Sie lautet: „Das Recht der Menschen, ihre Person, ihren häuslichen Bereich, ihre privaten Aufzeichnungen und private Habe gegen grundlose Durchsuchungen und Verhaftungen zu sichern, darf nicht verletzt werden, und kein Durchsuchungs- oder Haftbefehl darf ohne ausreichenden Grund erlassen werden, ohne daß er durch einen Eid oder eine eidesstaatliche Versicherung gestützt wird und insbesondere der Ort bezeichnet ist, an dem die Durchsuchung stattfindet oder die Person festgenommen oder Sachen beschlagnahmt werden." 176 s. dazu Landynski, S. 42 - 44 und Polyviou, S. 130 - 133. 1 77 Vgl. Katz v. U.S., 389 U.S. 347, 357; 88 S.Ct. 507, 514. 17 8 Vgl. U.S. v. U.S. District Court, 407 U.S. 317 - 318; 92 S.Ct. 2136 - 2137. 179 Zu einer Klassifikation vgl. Polyviou, S. 216 - 220. 180 Gemeint sind die Fälle der Durchsuchung durch Polizeibeamte von verdächtigen Personen („stop and frisk-cases") nach Schußwaffen (Eigensicherung) oder BTM (Beweismittel): Terry v. Ohio, 392 U.S. 1, 88 S.Ct. 1868 (1967), Chimel v. California, 395 U.S. 752, 89 S.Ct. 2034 (1969); weitere Fälle bei Pollack / Smith, S. 148 - 157, bei Polyviou, S. 231 - 248, sowie bei Schmid (alle Fn. 11), S. llOff.

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untunlich ist. 1 8 1 In einem zur letzteren Kategorie gehörenden Fall (Inspektionen von brandgefährdeten Gebäuden durch die Feuerpolizei), Camara v. Municipal Court, 1 8 2 stellte der Supreme Court die Regel auf, daß für die Frage, ob das öffentliche Interesse eine Ausnahme vom „warrant requirement" gebieten würde, es nicht darauf ankäme, „ . . . whether the public interest justifies the type of search in question, but whether the authority to search should be evidenced by a warrant"; bei der Entscheidung dieser Frage müsse beachtet werden, „ . . . whether the burden of obtaining a warrant is likely to frustrate the governmental purpose behind the search". Zum Nachweis dieser „frustration" durch eine vorherige richterliche Überprüfung der Überwachungsmaßnahme hatte das Justizministerium bereits in „Keith" (U.S. v. U.S. District Court) für den Bereich der „domestic security surveillance" mehrere Argumente vorgebracht (Ungeeignetheit der Materie für die richterliche Kontrolle, ungenügender Geheimschutz bei den Gerichten, Notwendigkeit zu schnellem Handeln, keine primär strafverfolgenden Zwecke der Maßnahmen), die allerdings keinen Beifall des Supreme Court fanden. 183 Es ist eigentlich kein Grund ersichtlich, warum dies auf dem Gebiet der „foreign intelligence surveillance" (zumindest soweit es sich um innerhalb der USA durchgeführte Maßnahmen handelt) anders sein sollte; 1 8 4 dies gilt um so mehr, als der Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC) bislang noch keinen einzigen Antrag auf Erlaß einer FISAÜberwachungsanordnung abgelehnt haben soll. 1 8 5 Die Beschlüsse dieses Gerichts werden in der Regel auch nicht veröffentlicht. Von einer „Vereitelung" der hinter solchen geheimen Überwachungsmaßnahmen stehenden legitimen Zwecke - Aufrechterhaltung der äußeren Sicherheit der Vereinigten Staaten durch Erlangung von Informationen über feindlich eingestellte fremde Mächte - durch vorherige richterliche Kontrolle kann also wohl nicht gesprochen werden. 181 Vgl. hierzu New Jersey v. T. L. O., - U. S. - , 105 S. Ct. 733, 741 - 744 (1985) - eine Entscheidung auf der Basis von Camara v. Municipal Court (s. sofort): Kein „warrant" bei einer Durchsuchung von Schülern durch Lehrer nach Drogen (BTM) in der Schule. 182 387 U.S. 523, 533; 87 S.Ct. 1727, 1733 (1967); übernommen i n U.S. v. U.S. District Court, 407 U.S. 297, 315; 92 S.Ct. 2125, 2135. 183 Vgl. nochmals 407 U.S. 319 - 321; 92 S.Ct. 2137 - 2139. 184 s. a. Note (Fn. 165), 1983 Duke L. J. 629 - 635. Eine exakte Unterscheidbarkeit zwischen Angelegenheiten der „domestic" und „foreign security" wird überhaupt verneint in Note (Fn. 153), 6 Fordham Int'l. L. J. 501, 513 Fn. 76; ähnlich Note (Fn. 90), 78 Mich. L. R. 1116, 1138 Fn. 117. 185 Dies wird angegeben in FISA-Report (Fn. 161), S. 8f.: "No application to the Court for an electronic surveillance has been rejected, although at least one was modified because the judge insisted upon a broader review at the circumstances in which use of a surveillance device required judicial approval. This does not mean that the FISA Court does not pay attention to the proposals . . . (T)he judges have on occasion raised questions regarding the sufficiency of information provided in an application and sometimes additional information has been required. The FISA Court has also approved changes in the minimization procedures from time to time. "

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Die Gültigkeit von Section 2. 5. der Executive Order 12,333 unter dem vierten Zusatzartikel zur Verfassung ist damit fraglich; 1 8 6 eher wäre die Ausdehnung des FISA auf alle anderen Überwachungsarten (also auch heimliche Durchsuchungen oder das Öffnen von Briefen) zu erwägen. 187 Gemäß dem auf das Staatsgebiet der USA beschränkten Geltungsbereich des FISA findet sich in der See. 2. 4. der Executive Order 12,333 auch eine Bestimmung über „(p)hysical surveillance of a United States person abroad to collect foreign intelligence information", die nur erlaubt ist, „to obtain significant information that cannot reasonably be aquired by other means". Diese relative Schutzlosigkeit der eigenen Staatsbürger jenseits der Staatsgrenzen ist ebenfalls schwer zu rechtfertigen, da der Schutz der Bill of Rights (d.s. die ersten zehn Zusatzartikel der US-Verfassung) grundsätzlich nicht auf das Staatsgebiet der USA beschränkt ist, sondern die US-Staatsorgane - jedenfalls gegenüber ihren eigenen Bürgern - überall daran gebunden sind. 1 8 8 Mit der Etablierung des FISC stünde auch ein Gericht zur Verfügung, dessen Jurisdiktion ohne weiteres auf dieses Gebiet ausgedehnt werden könnte, 1 8 9 ebenso wie im FISA bereits die notwendigen Regelungen für den Erlaß einer Überwachungsanordnung enthalten sind. Den notwendigen längeren Laufzeiten für einen Antrag und die Entscheidung darüber könnte mit einer für solche Fälle verlängerten „emergency surveillance", also der Einleitung von geheimen Überwachungsmaßnahmen in dringenden Fällen zugleich mit der Stellung des Antrages auf richterliche Entscheidung, Rechnung getragen werden.

186 In Note (Fn. 165), 1983 Duke L. J. 611, 644, wird die Ungültigkeit der Executive Order 12, 333 angenommen. 187 Durch Title V I I I des schließlich nicht zustande gekommenen National Intelligence Act of 1980 (gedacht als Ersatz des National Security Act of 1947, kodifiziert in: U.S. Code Title 50, Chapter 15 = 50 U.S.C. §§ 401 - 426) sollte der FISA inkorporiert und auf diese Fälle ausgedehnt werden. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten; s. a. Note (Fn. 147), 70 Virginia L. R. 297, 332 (1984). Der berichtende Senatsausschuß hielt dies im bereits erwähnten FISA-Report weiterhin für empfehlenswert: "The Committee is persuaded that a court order procedure for physical seaches in the United States, using either the FISA procedure or a procedure comparable to FISA, ought to be established . . . We also note that Executive branch approval standards for such physical searches are already very similar to FISA standards, and that previous use of the FISA Court (which was stopped when the Court ruled that it lacked authority in such cases) did not appear to have caused any practical difficulties." - Vgl. FISA-Report, S. 19. 188 vgl. Note, 70 Virginia L. R. 308 Fn. 51 m.w.N.; s. a. die Entscheidung Berlin Democratic Club v. Rumsfeld, 410 F. Supp. 144 (D. D. C. 1976), wo eine richterliche Anordnung für Überwachungsmaßnahmen gegen US-Bürger in West-Berlin und der Bundesrepublik gefordert wurde, und zwar auch dann, wenn deren tatsächliche Ausführung in den Händen von Beamten dritter Staaten (hier: der BRD) liegt, sie aber von US-Behörden initiiert wurden: 410 F. Supp. 147 und 154 - 155. 189 Das Fehlen eines solchen Gerichts hatte in „Berlin Democratic Club" noch erhebliche Schwierigkeiten bereitet, s. 410 F. Supp. 159 - 160.

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IV. Die amerikanische Rechtslage

Eine Ausdehnung der Regelungen des FISA auch auf diesen Bereich der Überwachung von US-Bürgern im Ausland wäre also ebenfalls prinzipiell möglich und aus verfassungsrechtlichen Gründen wohl auch notwendig. 1 9 0

190 Das Senate Select Committee on Intelligence war im FISA-Report, S. 24, etwas anderer Ansicht: "The Committee does not recommend legislation to extend the coverage of FISA to overseas surveillances. The practical differences between overseas surveillance and FISA surveillance make enactment of such legislation an extremely difficult enterprise. The Committee strongly recommends, however, that the Executive branch implement non-FISA electronic surveillance of persons i n the United States and U.S. persons abroad w i t h standards analogous to those in FISA whenever practicable . . .". Für seinen auf das Staatsgebiet der USA beschränkten Anwendungsbereich hat der FISA nach Ansicht des Senatsausschusses seinen Zweck aber erfüllt. Im FISA-Report heißt es auf S. 23: ". . . (T)he Act has achieved its principal objectives. Legal uncertainties that had previously inhibited legitimate electronic surveillance were resolved, and the result was enhancement of U.S. intelligence capabilities. At the same time, the Act has contributed directly to the protection of the constitutional rights and privacy interests of U.S. persons." Der Ausschuß vertrat zudem die Auffassung, daß die seit 1980 ständig steigende Zahl von FlSC-Überwachungsanordnungen (1980: 319; 1981: 431; 1982: 475; 1983: 549) „does not reflect any relaxation in strict protections for the privacy of U.S. persons." (FISA-Report, ebd.). Eine Änderung des FISA hielt der Ausschuß im Berichtszeitpunkt nicht für erforderlich (vgl. FISA-Report, S. 24). Bedenklich erscheint an der im FISA-Report mitgeteilten praktischen Anwendung des Gesetzes aber die Tatsache, daß der „FISA Court" (FISC) von seiner in 50 U. S. C. § 1805 (d) (3) eingeräumten Kompetenz, die Einhaltung der „minimization procedures" bei der Ausführung der Überwachungsmaßnahmen nachzuprüfen, keinen Gebrauch macht; das Gericht überläßt dies vielmehr dem Justizministerium und der Selbstkontrolle der ausführenden Behörden: "Proper minimization, both in formulating procedures and in implementation, appears to depend almost exclusively on the implementing agencies and OIPR." (OIPR = Office of Intelligence Policy and Review, eine Dienststelle des Justice Department). Vgl. hierzu FISA-Report, S. 9 - 12 (f. d. Zitat s. S. 11 dort). Der Senatsausschuß kündigte wegen dieses Umstandes auch eine verstärkte eigene Kontrolle an: "The Committee w i l l review all OIPR reports on the result of that office's minimization oversight and some surveillance logs, to assure itself that minimization procedures are being implemented properly." Vgl. FISA-Report, S. 26. Eine Zusammenfassung des FIS A-Reports findet sich auch im Zweijahresbericht 1983/84 des Senatsausschusses vom 10.10.1984 (98th Congress 2d Session; Senate Report 98 - 665), S. 35f.

V. Möglichkeiten und Grenzen einer Übernahme der amerikanischen Regelung in das Recht der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Ausgangslage 1. Bemerkungen zu einem Bedarf der Orientierung an der amerikanischen Rechtslage in der Bundesrepublik

Aus dem bisher Festgestellten ergeben sich einige deutliche Unterschiede bezüglich der deutschen und amerikanischen Rechtslage bei der Anordnung und Durchführung von geheimen Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken. Am Schluß dieser Arbeit ist nun zu untersuchen, ob die amerikanische Rechtslage auf diesem Gebiet insgesamt als vorteilhafter anzusehen ist und, falls die Antwort auf diese Frage positiv ausfällt, ob diese Vorteile in das deutsche Recht übernommen werden könnten. a) Die Erstreckung des FISA auf alle Arten der „electronic surveillance" Im wesentlichen sind es drei Merkmale im Recht der USA zu geheimen Überwachungsmaßnahmen, die die Aufmerksamkeit des deutschen Betrachters erregen. A m hervorstechendsten ist zunächst die Tatsache, daß die amerikanischen Gesetze zwar nicht die Materie der Kontrolle des Postverkehrs (das Öffnen von Briefen usw.) regeln, dafür aber das ungleich brisantere Thema der Überwachung des direkt gesprochenen Wortes („bugging", „eavesdropping"). Bedingt ist diese Einheitlichkeit durch die Struktur der US-Verfassung, die keine spezielle Schutzvorschrift für den Post- und Telefonverkehr kennt, sondern alle Arten von Überwachungsmaßnahmen (und überhaupt alle Arten von staatlichen Ermittlungshandlungen) unter einer Grundrechtsnorm zusammenfaßt. Bis es zu dieser einheitlichen Betrachtungsweise kam, mußten freilich fast genau vierzig Jahre vergehen (von der Olmstead- bis zur Katz-Entscheidung des Supreme Court) und in der Zwischenzeit war die Rechtslage bezüglich „wiretapping" und „eavesdropping" keineswegs einheitlich. 1 1 Vgl. die Rechtsprechung des Supreme Court zu § 605 des Federal Communications Act, dargestellt in Kap. IV, 2 b).

11 Beier

162

V. Übernahme des FISA in das deutsche Recht?

Fraglich ist, ob sich auch die Legislative der Bundesrepublik Deutschland dazu entschließen sollte, Lauschmaßnahmen gegen das direkt gesprochene Wort zuzulassen. I m Bericht des Untersuchungsausschusses des deutschen Bundestages zum Abhörfall Strauß / Scharnagl vom 20.3.1980 heißt es: „Nach Auffassimg des Ausschusses haben sich die Regelungen des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G 10Gesetz) als ausreichend erwiesen. Darüber hinaus besteht kein Bedürfnis für weitere Regelungen, die zum Eingriff in grundrechtlich geschützte Bereiche des Bürgers berechtigen könnten." 2 Nach Auffassimg der Ausschußminderheit (der Abgeordneten der CDU/CSU) war dieser letzte Satz zu streichen; ein entsprechender Antrag wurde jedoch abgelehnt. Die Auffassungen in der Rechtswissenschaft der Bundesrepublik Deutschland zur Frage, ob eine solche Regelung für die Durchführung von „Lauschangriffen" wünschenswert wäre, sind geteilt; im wesentlichen werden - wie in Kapitel I I dargelegt - Extrempositionen vertreten, nach denen entweder solche Maßnahmen wegen der Verletzung des Wesensgehaltes von Art. 13 I GG bzw. des aus Art. 2 I i. V.m. Art. 11 GG resultierenden „Kernbereichs unantastbarer privater Lebensgestaltung" absolut unzulässig sein sollen oder aber Art. 13 I I I 2. Alt. GG als „Einfallstor des Verfassungsschutzes in das Wohnungsgrundrecht" entdeckt wird. 3 Beide Auffassungen sind so nicht haltbar. 4 Nun hält Art. 13 I I I 1. Alt. GG für die Fälle, in denen selbst die hartnäckigsten Verneiner einer Durchbrechung des Wohnungsgrundrechts durch einen „Lauschangriff" schwankend werden (Rettung von Geiseln etc.),5 eine verfassungsunmittelbare Eingriffsermächtigung bereit. Für alle übrigen Fälle wäre nach dem in Kapitel I I gefundenen Ergebnis gemäß Art. 13 I I I 2. Alt. GG eine gesetzliche Regelung erforderlich, die strengen Anforderungen zu genügen hätte. 6 Der Gesetzgeber muß aber nicht jede Eingriffsermächtigung ausnutzen, die die Verfassung bei einzelnen Grundrechten bietet. 7 Bei dieser Entscheidung handelt es sich um eine rechtspolitische Frage, die aber m.E. im Sinne der Ausschußminderheit im Abhörfall Strauß / Scharnagl entschieden werden sollte. Auch wenn in der Bundesrepublik Deutschland - jedenfalls soweit bekannt - keine ausgesprochenen Mißbräuche solcher Ermittlungstechniken wie in den Vereinigten Staaten vorkamen, bilden sie ein wertvolles Mittel zur Ausforschung des nachrichtendienstlichen Gegners oder von „Sicherheitsrisiken" im eigenen Lager und es ist anzunehmen, daß die technisch entsprechend ausgerüsteten 2

BT-Drs. VIII/3835, S. 8. Vgl. die Nachweise i n Kap. II, Fn. 61, 90, 114, 126 und 141. 4 Vgl. die Ausführungen in Kap. II, 3 c) - e). 5 s. nochmals z.B. de Lazzer / Rohlf, Der „Lauschangriff", JZ 1977, 207, 209 Ii. Sp. und Fn. 37 dort. 6 Vgl. die Ausführungen in Kap. II, 3 h). 7 Vgl. a. die Mindermeinimg im ersten G 10-Urteil, BVerfGE 30, 1 (38). 3

1. Bedarf es einer solchen Übernahme?

163

Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik diese Mittel zumindest in „ k r i t i schen" Situationen auch einsetzen werden; hierfür gibt es genügend Beispiele.8 Nun ist freilich die Mißachtung grundrechtlicher Freiheitsgarantien durch die Sicherheitsbehörden für sich allein keineswegs ein Grund, eben diese Freiheitsgarantien einzuschränken und damit deren bisher rechtswidrige Praxis nachträglich abzusegnen. Aber es kommt noch ein anderer Gesichtspunkt hinzu: Durch ein Gesetz zur Regelung von „Lauschangriffen" im nachrichtendienstlichen Bereich könnten Maßstäbe für diese Art von Überwachungsmaßnahmen gesetzt werden, die auch gegenüber den Nachrichtendiensten durchsetzbar sind, indem man deren Durchführung an die Genehmigung eines Gerichts oder einer sonstigen externen Kontrollinstanz bindet, der die Gründe für eine solche Maßnahme erst einmal erklärt werden müssen. Da anzunehmen ist, daß die Nachrichtendienste gerade nach den in letzter Zeit bekanntgewordenen „massiven" Spionagefällen (Lüneburg, Richter, Tiedge, Wilner) auf solche Maßnahmen grundsätzlich kaum werden verzichten wollen, erscheint es besser, sie rechtsstaatlich im Rahmen des Möglichen zu kontrollieren als vor ihnen unter Zuhilfenahme „absoluter" Privatsphärentheorien die Augen zu verschließen (was letztlich dazu führt, daß es eben wegen des Fehlens dieser Kontrolle häufig die Falschen trifft). Eine erschöpfende Diskussion darüber, ob ein solches „G 13" rechtspolitisch wünschenwert wäre oder nicht, soll und kann hier nicht stattfinden. Auf jeden Fall bleibt festzuhalten, daß sich einer solchen Gesetzgebung - die Einhaltung der in Kapitel I I erarbeiteten Voraussetzungen unterstellt keine Hindernisse aus dem Verfassungsrecht entgegenstellen. Wie diesen Voraussetzungen im Rahmen einer gesetzlichen Regelung am besten Rechnung getragen werden kann, wird unter Punkt 4. dieses Kapitels dargestellt werden. b) Die im amerikanischen Recht bestehende Differenzierung zwischen Überwachungsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit und Maßnahmen gegen eine „fremde Macht" Das zweite wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen deutscher und amerikanischer Rechtslage ist, daß im Bereich der geheimen Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken im amerikanischen Recht eine Unterscheidimg danach getroffen wird, ob es sich um Maßnahmen der „inneren" oder der „äußeren" Sicherheit handelt („domestic security" / 8 Vgl. etwa die Auflistung der vom MAD in den Jahren 1972 bis 1977 ohne Rechtsgrundlage vorgenommenen Lauschmitteleinsätze in BT-Drs. VIII/3835, S. 36f.

11*

164

V. Übernahme des FISA in das deutsche Recht?

„forgeign intelligence"). Bei einer Maßnahme zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit kann nur nach dem für die Strafverfolgungsbehörden gültigen Gesetz (Title I I I des Omnibus Crime Control and Safe Streets Act von 1968) abgehört werden, während für die Fälle, in denen eine „fremde Macht" direkt oder mittelbar das Ziel der Maßnahme ist, eine Sonderregelung gilt. Bei dieser Sonderregelung im letzteren Fall sind die Voraussetzungen für den Erhalt einer richterlichen Überwachungsanordnung den nachrichtendienstlichen Bedürfnissen „angepaßter"; „Lauschangriffe" zum Zweck der inneren Sicherheit setzen aber das Überschreiten der Strafbarkeitsgrenze voraus. Hier ist nun an die anfangs des dritten Kapitels zitierten Befürchtungen mancher deutscher Autoren zu erinnern, die Zuweisung sowohl der Beobachtung von die freiheitlich-demokratische Grundordnung gefährdenden Bestrebungen bestimmter politischer Gruppen als auch der Spionageabwehr an verschiedene Abteilungen derselben Behörde (Bundesamt und Landesämter für Verfassungsschutz) führte zur Anwendimg „gesetzloser" Methoden aus der Spionageszene im innenpolitischen Bereich. 9 Nahrung bekommt dieser Vorwurf auch dadurch, daß die im G 10 erlaubten Überwachungsmaßnahmen sowohl gegen Verfassungsfeinde im Innern ohne jede Verbindung zu einer „fremden Macht" als auch gegen Spione nach ein und denselben Vorschriften durchgeführt werden. Angesichts der amerikanischen Lösung könnte nun auch im Recht der Bundesrepublik Deutschland versucht werden, bei geheimen Überwachungsmaßnahmen danach zu differenzieren, ob es sich um Sachverhalte unter Beteiligung einer fremden Macht oder solche rein „interner" Art handelt. Diese Frage soll in Abschnitt 2. dieses Kapitels geklärt werden. c) Die Abstufung der Überwachungsvoraussetzungen nach der Nähe zu einer „fremden Macht" im FISA Der dritte wesentliche Unterschied ist, daß im amerikanischen Recht bei elektronischen Überwachungsmaßnahmen der Schutz der möglicherweise Betroffenen nach ihrer „Nähe" zur fremden Macht, deren Aktivitäten und Ziele mit der Maßnahme eigentlich in Erfahrung gebracht werden sollen, abgestuft ist (US-Bürger oder berechtigt und dauernd wohnhafte Ausländer - nicht dauerhaft oder illegal sich aufhaltende Ausländer - offizielle Vertreter einer fremden Macht, die in dieser Funktion in den USA tätig werden). Ob diese Abstufung sinnvoll ist und ob sie auch deutschem Recht zu verwirklichen wäre, wird unter Punkt 3. dieses Kapitels untersucht.

9

Vgl. die Nachweise i n Kapitel III, Fn. 1.

2. Differenzierung nach der Beteiligung einer „fremden Macht"?

165

2. Die Möglichkeit einer Differenzierung bei geheimen Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken hinsichtlich der Beteiligung einer „fremden Macht"

Eine Differenzierung bei den an die Zulässigkeit geheimer Überwachungsmaßnahmen anzulegenden Maßstäben hinsichtlich der Frage, ob es um die Ausforschung von verfassungsfeindlichen Aktivitäten eigener Staatsbürger oder von Spionagetätigkeiten fremder Mächte (von der aber u. U. wieder eigene Staatsbürger betroffen werden) geht, fände also in der amerikanischen Rechtsordnung ein Vorbild. Es muß allerdings nochmals angemerkt werden, daß diese Regelung nicht unbedingt mit der höchstrichterlichen US-Rechtsprechung übereinstimmt, sondern der Supreme Court gerade für die Überwachung „innerer" verfassungsfeindlicher Bestrebungen die Schaffung eines Sonderabhörgesetzes mit erleichterten Voraussetzungen anheimstellte und sich zu der Frage der Spionageabwehr und der sonstigen Informationsbeschaffung über fremde Mächte gar nicht äußern wollte. Ob die derzeitige amerikanische Regelung in der Form des Foreign Intelligence Surveillance Act von 1978 Bestand hat, bleibt abzuwarten. 10 Dieser Umstand hindert aber nicht, das Für und Wider einer solchen Regelung im deutschen Recht näher zu betrachten. a) Das Für und Wider einer solchen Differenzierung Eine solche Differenzierung könnte zunächst wohl auf eine größere Akzeptanz in der Öffentlichkeit hoffen als das gegenwärtige G 10-Gesetz. Die Notwendigkeit einer effektiven Spionageabwehr gerade in der Bundesrepublik Deutschland w i r d - soweit ersichtlich - von niemandem bestritten 1 1 und das Verständnis für wirksamere Maßnahmen auf diesem Gebiet der Spionageabwehr dürfte angesichts der jüngsten Vorfälle (Überwechseln des für die Spionageabwehr Ost in der Abteilung IV des Bundesamtes für Verfassungsschutz zuständigen Gruppenleiters Hans-Joachim Tiedge in die DDR am 19.8.1985; Enttarnung einer Sekretärin im Bundespräsidialamt als DDR-Agentin am 25.8.1985; „Verschwinden" der Sekretärin des Bundeswirtschaftsministers, „Sonja Lüneburg"; sowie das „Sich-Absetzen" des Agentenehepaares Wilner in die DDR am 17.9.1985) 12 eher gewachsen sein. Hinzu kommt, daß das Erfordernis einer „politischen Entscheidung" über 10

Vgl. die Ausführungen in Kap. IV, 4 g). s. Schatzschneider, S. 284: „ I m Bereich der Spionage und des Geheimnisverrats haben die Ämter für Verfassungsschutz sicherlich eine besondere Sachnähe und fachliche Kompetenz zur Durchführung ihrer Aufgabe. Hier kann es notwendig werden, eine mit speziellen Methoden arbeitende Behörde beobachten zu lassen." 12 Vgl. zu diesen Vorfällen und den daraus resultierenden politischen Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition AdG vom 28.8.1985, AdG Bd. 55 (1985), S. 29109 A. 11

166

V. Übernahme des FISA in das deutsche Recht?

den Einsatz einer nachrichtendienstlichen Lauschmaßnahme, die nach der Auffassung des deutschen Gesetzgebers auch den Ausschluß des Rechtsweges im ursprünglich verabschiedeten G 10 bedingte, 13 bei SpionageabwehrOperationen gegen Agenten fremder Mächte jedenfalls erheblich leichter einsehbar wäre als bei Maßnahmen gegen Personen oder Personengruppen mit verfassungsgegnerischen innenpolitischen Zielen. 14 Gegen eine solche Differenzierung läßt sich - abgesehen von der Tatsache, daß man oftmals auch bei „radikalen" innenpolitischen Gruppen mit dem Ziel der Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung die gleiche konspirative Arbeitsweise finden dürfte wie bei den Spionageringen einer fremden Macht 1 5 - die zumindest in manchen Fällen schwierige Unterscheidbarkeit zwischen verfassungsfeindlichen „inneren" Bestrebungen und vom Ausland her kommender geheimdienstlicher Agententätigkeit 16 anführen. Eine Schaffung abgemildeter Voraussetzungen für Lauschmaßnahmen gegen „Agenten einer fremden Macht" würde damit auch das Risiko einer extensiven Interpretation der notwendigen „Verbindung" der Betroffenen zu einer fremden Macht durch die Nachrichtendienste beinhalten. 17 Um dieses Risiko zu verringern, käme man um eine Anbindung der Überwachung an die Planung oder Verwirklichung bestimmter Landesverrats· o. ä. Straftatbestände kaum herum - womit man gegenüber der jetzigen Rechtslage im G 10 nicht viel gewonnen hätte. Allenfalls könnte also erwogen werden, bei einem eventuell zu schaffenden „ G 13" für Lauschangriffe gegen Agenten einer fremden Macht die Standards des G 10 beizubehalten, die eine „Vorfeldbeobachtung" ermöglichen, ohne daß bereits einer der Katalogstraftatbestände verwirklicht sein muß.

13 Vgl. die in der abweichenden Meinung zur ersten G 10-Entscheidung, BVerfGE 30, 1 (35 - 37), zitierten Äußerungen verschiedener Abgeordneter. 14 Interessanterweise berichtet Dürig, in: Festgabe für Th. Maunz, München 1971, S. 41 ff. („Zur Bedeutung und Tragweite des Art. 79 I I I GG" - ein Teilabdruck seines am 7.7.1970 vor dem zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts gehaltenen Plädoyers im ersten G 10-Verfahren), daß der „Beobachter" des Bundesinnenministeriums („offizielle" Verfahrens Vertreter waren von den obersten Bundesorganen nicht entsandt worden) auf Befragen des Gerichts erklärte, vom nachrichtendienstlichen Standpunkt des Verfassungsschutzes bestünden keine Bedenken gegen eine der StPO entsprechende „Richterlösung" - vgl. S. 47 Fn. 3 dort. Zu den Gründen der im G 10 getroffenen Regelung vgl. a. Arndt, G 10-Verfahren, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, Köln 1981, S. 61. 15 Vgl. Schäfer, in: Verfassungsschutz 1966, S. 53. 16 Vgl. Hans Detlef Becker, in: Verfassungsschutz 1966, S. 144f., und für das amerikanische Recht Note, Foreign Intelligence Surveillance - Intelligence Gathering or Prosecution, 6 Fordham Int'l. L. J. 501, 513 Fn. 76 (1983). 17 In den Vereinigten Staaten war diese weite Auslegung bis zum Erlaß des FISA gang und gäbe, vgl. dazu die Ausführungen in Kap. IV, 3 d). Aber diese Abgrenzung scheint auch danach noch Probleme zu bereiten, s. dazu Theoharis, FBI-Surveillance: Past and Present, 69 Cornell L. R. 883, 893 (1984).

2. Differenzierung nach der Beteiligung einer „fremden M a c h t " ? 1 6 7

Die völkerrechtliche Betrachtung des Problems in Kapitel I I I der Arbeit hat ergeben, daß das Völkerrecht zur Frage der Friedensspionage und ihrer erlaubten Abwehr keine Stellung nimmt. Es steht damit jedem Staat frei, eigene Gesetze zur Spionageabwehr zu erlassen und im Rahmen seiner Rechtsordnung gegen Agenten fremder Mächte vorzugehen. 18 Aus dem Völkerrecht ergeben sich also für die innerstaatlichen Maßstäbe bei der Spionageabwehr zunächst keine neuen Gesichtspunkte. b) Der Vergleich der FISA-Regelung mit der des G 10 Besieht man sich nun aber den amerikanischen FISA daraufhin genauer, welche Sonderregelungen für Abhörmaßnahmen gegen fremde Agenten er gegenüber seinem strafrechtlichen Gegenstück (Title III) bereithält, so ergibt sich, daß diese größtenteils den Voraussetzungen des G 10 entsprechen, soweit es „U.S. persons" anbelangt. Diese sind dann „Agenten einer fremden Macht" im Sinne des FISA und können überwacht werden, wenn sie „clandestine intelligence gathering activities" für eine fremde Macht betreiben, die „involve or may involve a violation of the criminal statutes of the United States" oder „pursuant to the direction of an intelligence service or network of a foreign power . . . any other clandestine intelligence activities", die wiederum „involve or are about to involve a violation of the criminal statutes of the United States", § 1801 (b) (2) (A) und (Β). Auch hier braucht also die Strafbarkeitsgrenze noch nicht überschritten zu sein; 19 daß es keine Aufzählung von Katalogtaten gibt, wird gegenüber der G 10-Regelung m.E. dadurch aufgewogen, daß die Eigenschaft als „Agent" nach dem FISA mit „probable cause" (hinreichende Wahrscheinlichkeit) nachgewiesen sein muß, während nach dem G 10 „tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht" genügen. 20 Der wesentliche Unterschied zwischen dem FISA und dem G 10 hinsichtlich einer Telefonüberwachung ist aber wohl der, daß die G 10-Kommission beim Antrag der Nachrichtendienste auch die Zweckmäßigkeit der Maßnahme nachprüft, 21 während der FISC-Richter auf der Basis der Darlegun18

Vgl. die Ausführungen in Kap. III, 2 c). Im G 10 wird dies durch die Formulierung „plant, begeht oder begangen hat" erreicht, s. Krückeis, S. 79. 20 s. a. Carr, Wiretapping in West Germany, S. 618 f. und Fn. 74 - 77 dort. I.ü. soll nach Krückeis, S. 68 die Auslegung des Gesetzestextes frei von jeglicher strafrechtlicher Würdigung erfolgen können, da es sich bei G 10 um keine strafprozessuale Vorschrift handelt. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Arndt, G 10-Verfahren, S. 49f., der Zweifel anklingen läßt, ob die Anbindung an Straftatbestände für nachrichtendienstliche Befugnisnormen wegen des Unterschiedes zwischen Strafverfolgung und nachrichtendienstlicher Beobachtung sinnvoll ist; s. hierzu auch Borgs / Ebert, Teil B, § 2 Rdnrn. 3 - 5 . 21 Arndt, G 10-Verfahren, S. 56 f. Um diese überhaupt beurteilen zu können, müßte die Kommission freilich mit nachrichtendienstlichen Experten besetzt sein; die M i t 19

168

V. Übernahme des FISA in das deutsche Recht?

gen der beantragenden Behörde lediglich eine Rechtsprüfung vornimmt und überdies die Richtigkeit dieser Darlegungen nur insoweit hinterfragen kann, als sie nicht „clearly erroneous" sein dürfen, § 1805 (a) (3) und (5). 22 Ob es allerdings für den Rechtsschutz der Betroffenen effektiv ist, wenn sich die überwachende Kommission allzusehr auf Zweckmäßigkeitserwägungen einläßt, kann man bezweifeln. Erscheint ihr nämlich eine Maßnahme als „zweckmäßig", wird sie sich wohl nicht gerade um eine restriktive Auslegung der eher weiten rechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen bemühen, sondern den Grundrechtsschutz des Betroffenen der von ihr erkannten „politischen Notwendigkeit" der Maßnahme unterordnen. 23 Dieses Problem stellt sich bei der reinen Rechtskontrolle des FISC-Richters in den USA nicht; sein reduzierter Prüfungsmaßstab ist wohl eine Folge davon, daß man ihm als Nicht-Experten keine genaue Einschätzung der nachrichtendienstlichen Lage zutraut. Berücksichtigt man aber, daß der FISA erheblich mehr Formvorschriften für die Durchführung der Überwachungsmaßnahme enthält als das G 10 (v. a. die „minimization procedures"), kann wohl gesagt werden, daß der nur für „agents of a foreign power" und „international terrorists" geltende FISA es den amerikanischen Nachrichtendiensten, was das Telefonabhören anbelangt, auch nicht wesentlich leichter macht als das die T Ü auch für Zwecke der inneren Sicherheit zulassende G 10 den deutschen Behörden. Zu einer Übernahme der FISA-Standards gegen der Spionage für eine fremde Macht verdächtige Personen bedürfte es also nicht einmal eines „ G 13"; sie könnte einfach dadurch geschehen, daß man das G 10 hinsichtlich der dort aufgeführten Straftaten des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit sowie der Straftaten gegen die Landesverteidigung auch auf „Lauschangriffe", d.h. Abhören des direkt gesprochenen Wortes in Wohnungen oder ähnlichen Räumlichkeiten ausdehnen würde. Es ist ein interessantes Ergebnis dieses Vergleichs, daß nach Auffassung des amerikanischen Gesetzgebers die Voraussetzungen, die hierzulande für alle Telefonabhörmaßnahmen zu Staatsschutzzwecken als ausreichend empfunden werden, nur für den Bereich der Spionageabwehr und der Bekämpfung teilung von Arndt, ebd., S. 55 Fn. 36, daß die G 10-Kommission überwiegend nicht mit Mitgliedern des deutschen Bundestages besetzt ist, läßt auf das Vorhandensein dieses speziellen SachVerstandes hoffen. Zum Nachteil eines solchen „Expertengremiums" s. sofort im Text. Zur G 10-Kommission s. nunmehr auch Borgs / Ebert, Teil B, § 9 Rdnr. 4ff., wo (vgl. Rdnrn. 5 und 10 dort) die Auffassung vertreten wird, daß es sich bei der Tätigkeit dieser Kommission lediglich um eine Ermessensüberprüfung hinsichtlich des die Maßnahme nach § 5 I G 10 anordnenden Ministers handele; ein Ermessensspielraum soll allein letzterem zukommen. Zwingend ist dies i n Anbetracht der Dehnbarkeit des Begriffes „Notwendigkeit" und dessen Gegenüberstellung zur „Zulässigkeit" der Maßnahme i n § 9 I I 3 , 4 G 1 0 (auf beides bezieht sich die Prüfungskompetenz der Kommission) aber nicht. 22 Vgl. die Ausführungen in Kap. IV, 4 b) ee). 23 s. hierzu Gusy, NJW 1981, 1581, 1585 f.

2. Differenzierung nach der Beteiligung einer „fremden Macht"?

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des internationalen Terrorismus vertretbar sind. Hinsichtlich des zu überwachenden Personenkreises ist der FISA also erheblich restriktiver (hinsichtlich der anzuwendenden Techniken aber erheblich permissiver). c) Der Einfluß des Verhältnismäßigkeitsprinzips Es stellt sich nun die Frage, ob diese „Erweiterung" des G 10 möglich wäre. Angesichts der in Kapitel I I herausgearbeiteten Maßstäbe für eine Beschränkung des Art. 13 GG durch wohnungsbezogene Überwachungsmaßnahmen 24 kann diese Frage nur verneint werden. Den hier erforderlichen Voraussetzungen könnte eine dem G 10 entsprechende Regelung in keinem Fall genügen. Bei allem Verständnis für die „Vorfeldaufgabe" der Nachrichtendienste gerade auf dem Gebiet der Spionageabwehr wäre es ein unerträglicher Gedanke, daß diese die Privatsphäre des Betroffenen praktisch aufhebenden Maßnahmen bereits dann - gleichgültig ob vom Richter oder einer Kommission - angeordnet werden könnten, wenn „bestimmte Tatsachen den Verdacht einer Spionagetätigkeit für eine fremde Macht begründen". Selbst der amerikanische FISA fordert für diesen Bereich den Verdachtsgrad des „probable cause", entwertet diese Voraussetzung allerdings wieder durch den fehlenden Straftatenkatalog und das beschränkte richterliche Nachprüfungsrecht („clearly erroneous"). Aus dem auch vom Bundesverfassungsgericht in seiner zweiten Entscheidung zum G 10 so sehr betonten Verhältnismäßigkeitsprinzip 25 (Geeignetheit, Erforderlichkeit und angemessenes Verhältnis zu Gewicht und Bedeutung des eingeschränkten Grundrechts), das zudem im hier in Rede stehenden Bereich „strikt" anzuwenden ist, 2 6 ergibt sich die Unzulässigkeit einer solchen Regelung. Die Geeignetheit einer solchen Maßnahme hinsichtlich des mit ihr zu verfolgenden Zwecks (Enttarnung feindlicher Agenten) und des zu erreichenden Ziels (Schutz der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland) wird man nicht in Abrede stellen können. Aber schon bei der Prüfung der Erforderlichkeit eines solchen „Lauschangriffs" in einem Stadium, in dem lediglich bestimmte Anhaltspunkte dafür sprechen, daß der Betroffene der Agent einer fremden Macht sein könnte, tauchen Zweifel auf. Wie sich im weiteren Verlauf dieser Schlußbetrachtung zeigen wird, ist es für die Nachrichtendienste - entsprechende gesetzliche Ermächtigungen vorausgesetzt ohne weiteres möglich, die in sog. „legalen Residenturen" (Botschaften, Handelsmissionen, Pressebüros etc.) getarnten Agentenführer fremder Mächte einer eingehenden Überwachung "zu unterziehen. Diese aber sollte eigentlich ausreichen, um nachrichtendienstlich „relevante" Verbindungen 24 25 26

Vgl. die Ausführungen hier in Kap. II, 3 h). Vgl. BVerfGE 67, 157 (173ff.). Vgl. die Ausführungen in Kap. II, 3 g).

170

V. Übernahme des FISA in das deutsche Recht?

bestimmter fremder Mächte zu deutschen Staatsbürgern festzustellen und einen mehr oder weniger vagen Anfangsverdacht gegen diese entweder zu verifizieren oder auszuräumen. Vollends immöglich wird die Rechtfertigung eines „Lauschangriffs" bei einem derart niedrigen Verdachtsgrad wie im G 10 bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit i.e.S., also bei der Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffes und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe, bei der die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt sein muß. 27 Es handelt sich hierbei um einen individualbezogenen Eingriff, der den Gewährleistungsbereich zweier Grundrechte - Art. 2 I und Art. 13 GG nicht nur tangiert, sondern nahezu aufhebt. 28 Ein solcher Eingriff kann aber nicht schon zur Abklärimg eines irgendwie entstandenen nachrichtendienstlichen Verdachts gegen einzelne Personen eingesetzt werden, der sich noch nicht auf eine bestimmte schwerwiegende Straftat konkretisiert hat. Erst aus diesem konkreten Verdacht auf ein Verbrechen mit „nachrichendienstlichem Gehalt" ergibt sich die Berechtigung zum Einsatz einer solchen Maßnahme. Auch die Bestimmung eines „Lauschangriffes" als „letztes Mittel" würde die geringen Voraussetzungen des G 10-Maßstabes nicht entschärfen können, da hier sehr oft reine Zweckmäßigkeitserwägungen eine Rolle spielen dürften 2 9 und somit dadurch kein ausreichender Schutz der Rechte des Betroffenen gewährleistet ist. Eine Übernahme des FISA- bzw. des G 10-Standards für geheime Überwachungsmaßnahmen außerhalb des G 10 gegen „Agenten einer fremden Macht" ist damit verfassungsrechtlich ausgeschlossen. Für den Einsatz solcher Maßnahmen ist in jedem Fall das Überschreiten der Strafbarkeitsgrenze erforderlich sowie ein dringender Verdacht auf die Begehung einer schwerwiegenden Straftat. 30 Es gibt also keine Möglichkeit, im Rahmen eines zu wohnungsbezogenen „Lauschangriffen" ermächtigenden „ G 13" die Straftaten mit Landesverratscharakter gesondert zu behandeln bzw. bei diesen die Voraussetzungen an den Einsatz von Lauschmitteln geringer zu halten als bei den anderen Straftaten des (knapp zu bemessenden!) Kataloges, die sich auf Gefährdungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bzw. der staatlichen Existenz von „innen" her beziehen. Unter diesen Grundsätzen ist auch die Frage zu beantworten, inwieweit neben akustischen auch optische Überwachungsmittel („videotaping") ein27 BVerfGE 67, 157 (178) = BVerfG, NJW 1985, 121, 123 re. Sp. Mitte, jeweils m.w.N. 28 Vgl. die Ausführungen i n Kap. II, 3 f) und g). 29 Vgl. Carr (Fn. 20), S. 628 sowie die Kommentierungen von Laufhütte, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, Rdnr. 7 zu § 100 a, sowie Kleinknecht / Meyer, StPO, 37. Auflage 1985, Rdnr. 7 zu § 100a. 30 Vgl. nochmals die Ausführungen in Kap. II, 3 h) zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein eventuell zu schaffendes „ G 13".

. Differenzierung nach der

e

einer „fremden Macht"?

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gesetzt werden dürfen; hierauf w i r d in Punkt 4 b) dieses Abschnittes noch ausführlicher eingegangen werden. Generell läßt sich sagen, daß solche - an George Orwells „Big Brother" („telescreens") erinnernden - Überwachungsmaßnahmen schon vom Verhältnismäßigkeitsprinzip her auch beim Vorliegen der hier im einzelnen noch darzustellenden Voraussetzungen für „Lauschangriffe" niemals nur deshalb eingesetzt werden dürften, um einen „besseren Überblick" über das Tim der Betroffenen zu bekommen. Eine Anwendung dieser Techniken könnte allenfalls dann in Betracht kommen, wenn die Lauschmaßnahme durch die Betroffenen in irgendeiner Weise vereitelt werden sollte - praktische Fälle dieser Art sind allerdings kaum vorstellbar. 31 3. Die Möglichkeit einer Differenzierung nach dem zu überwachenden Personenkreis hinsichtlich der „Nähe" der von der Überwachungsmaßnahme Betroffenen zu einer fremden Macht

Das eben unter 2. gefundene Ergebnis, daß die Spionagedelikte im Rahmen eines Abhörgesetzes nicht gesondert behandelt werden können, muß aber noch nicht heißen, daß die speziellen Bedürfnisse der Nachrichtendienste bei der Spionageabwehr überhaupt nicht berücksichtigt werden dürften. Es könnte auch im deutschen Recht die Möglichkeit bestehen, wenigstens für einzelne Personengruppen mit einer besonderen „Nähe" zu einer fremden Macht, von der bekannt ist, daß sie gegen die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland gerichtete Ausspähung betreibt, die Überwachungsvoraussetzungen zu erleichtern. Da sich der Verdacht ausforschender und geheimdienstlicher Tätigkeit sehr stark gegen diplomatische und sonstige „offizielle" Vertretungen von Staaten des jeweils anderen Machtblocks richtet (Gesandtschaft, Botschaft, Handelsmission, Nachrichtenagentur etc.) und bestimmte Ereignisse die Begründetheit dieses Verdachts zumindest 31 Vgl. hierzu nochmals Kap. IV, Fn. 148 und den Sachverhalt der Entscheidung U.S. v. Torres, 751 F.2d 875 (7th Cir. 1984). Es ging um die Überwachung von sog. „safe houses", in denen die F A L N ihre Bomben anfertigte; s. ebd., S. 877 Ii. Sp.: "The FBI wanted to see as well as to hear because it had reason to believe that the people using the safe houses, concerned they might be bugged, would play the radio loudly when they were speaking to each other and also would speak in code, and that the actual assembly of bombs would be carried on in silence. The television surveillance of the first apartment paid off: the FBI televised two of the defendants assembling bombs. On the basis of these observations the FBI obtained a search warrant for the apartment and found dynamite, blasting caps, guns, and maps showing the location of prisons." Trotz dieses Sachverhalts wird man es jedoch generell für unwahrscheinlich halten dürfen, daß aus der Überwachung einer Räumlichkeit, von der die Betroffenen annehmen, daß abgehört wird und deshalb die beschriebenen Gegenmaßnahmen ergreifen, noch irgendwelche relevanten Erkenntnisse zu erwarten sind - jedenfalls auf dem nachrichtendienstlichen Sektor. Bei der Überwachung einer Terroristengruppe wie der FALN, die auf bestimmte Örtlichkeiten angewiesen ist, um ihre Bomben herstellen zu können, mag dies anders sein.

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V. Übernahme des FISA in das deutsche Recht?

nahelegen, 32 wäre es sicherlich sinnvoll, gegen die in solchen „legalen Residenturen" beschäftigten Personen Überwachungsmaßnahmen bei einem geringeren Verdachtsgrad zuzulassen als beispielsweise gegen eigene Staatsbürger. Ob und in welchem Umfang dies zulässig ist, soll daher geklärt werden. a) Die völkerrechtliche Beurteilung von gegen diplomatische Vertreter fremder Mächte gerichteten geheimen Überwachungsmaßnahmen In Kapitel I I I dieser Arbeit wurde bei der völkerrechtlichen Betrachtung des hier interessierenden Problems festgestellt, daß geheime Überwachungsmaßnahmen gegen diplomatische Vertreter fremder Mächte, die im Empfangsstaat nach dessen Rechtsordnung verbotene Ausspähungshandlungen vornehmen, als Selbsthilfemaßnahmen des Empfangsstaates völkerrechtlich gerechtfertigt sein können. Dieser Rechtfertigung bedürfen solche Maßnahmen aber auch, da sie prinzipiell gegen die Normen des Diplomatenrechts verstoßen. 33 Wegen ihres Selbsthilfecharakters unterliegen sie ferner gewissen völkerrechtlichen Einschränkungen, durch die eine generelle Überwachung von Botschaften bzw. diplomatischen Vertretern bestimmter fremder Mächte nicht erlaubt sein kann. Es müssen vielmehr tatsächliche Anhaltspunkte auf eine völkerrechtswidrige und noch andauernde Ausspähungstätigkeit der betroffenen diplomatischen Vertreter hindeuten. Somit sind gegen diese Personen weder „Erforschungseingriffe" noch reine „Vergeltungsmaßnahmen" erlaubt (letztere entsprächen einer im Diplomatenrecht verbotenen Repressalie); man wird aber gewisse „Prognoseentscheidungen" zulassen können - wenn z.B. der bisherige Agentenführer in einer fremden Botschaft in seiner „offiziellen" Funktion abgelöst wird, ist es sehr wahrscheinlich, daß sein Nachfolger auf diesem Posten auch die verbotene „Nebentätigkeit" fortsetzen wird. Im folgenden soll erörtert werden, wie diese völkerrechtliche Ermächtigung in das Recht der Bundesrepublik Deutschland „umgesetzt" werden kann. b) Die Frage der Grundrechtsgeltung für diplomatische Vertreter fremder Mächte Die Regeln über Repressalie, Retorsion, Selbstverteidigung und Selbsthilfe zählen zu den „allgemeinen Regeln des Völkerrechts", die durch Art. 25 GG in das deutsche Bundesrecht inkorporiert werden und den 32 33

Vgl. dazu die Ausführungen in Kap. III, Fn. 29. Vgl. die Ausführungen in Kap. III, 3 d) - h).

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Gesetzen vorgehen. 34 Die völkerrechtliche Ermächtigung könnte also einfach auf das innerstaatliche Recht „durchschlagen", so daß gar kein Gesetz mehr nötig wäre, das geheime Überwachimgsmaßnahmen gegen diplomatische Vertreter fremder Mächte erlaubt. Demgegenüber ist jedoch festzuhalten, daß Art. 25 GG lediglich einen Rahmen aufstellt, den der deutsche Gesetzgeber nicht überschreiten darf; über die innerstaatliche Verfassungsmäßigkeit einer völkerrechtlich erlaubten Handlung kann Art. 25 GG jedoch keinerlei Aussage treffen. Ein genereller Schluß aus dieser Vorschrift von der Völkerrechtsmäßigkeit auf die Verfassungsmäßigkeit einer bestimmten staatlichen Handlung ist auf jeden Fall unhaltbar, denn sonst „wäre damit das ganze System der rechtsstaatlichen Feiheitsverbürgungen i m Namen der Weltoffenheit und Völkerrechtsfreundlichkeit unterlaufen fürwahr ein kurioses Ergebnis." 35 Gestattet die über Art. 25 GG eingeführte Völkerrechtsregel der deutschen Exekutive also Maßnahmen, die in Grundrechte der Betroffenen eingreifen, so bedarf es einer gesetzlichen Ermächtigung, die den für eine Einschränkung der betroffenen Grundrechte erforderlichen Voraussetzungen genügt, um die Maßnahme im Geltungsbereich des Grundgesetzes tatsächlich durchführen zu können. Angesichts der dargestellten sehr strikten Voraussetzungen für solche „Lauschangriffe" im allgemeinen erscheint die Umsetzung des vom Völkerrecht Erlaubten in die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland als unmöglich. An dem Ergebnis, daß Art. 25 GG keinesfalls die Grundrechte relativieren oder gar außer Kraft setzen will, ist aber nicht vorbeizukommen. Zu klären bleibt, ob die überwachten diplomatischen Vertreter in ihrer Rechtsstellung als offizielle Vertreter einer fremden Macht überhaupt Träger der von den Lauschmaßnahmen betroffenen Grundrechte sind (Art. 13 und Art. 2 I GG). Deren Schutz geht ihnen sicherlich nicht dadurch verloren, daß sie Staatsbürger einer fremden Macht sind; Art. 2 I und Art. 13 GG sind keine sog. „Deutschengrundrechte". 36 Nach der insoweit eindeutigen 34 Die oft diskutierte Rangfrage ist hier belanglos; vgl. hierzu etwa Rojahn, in: v. Münch, GG-Kommentar Bd. 2, 2. Auflage 1981, Rdnr. 36 - 41 zu Art. 25 m.w.N. 35 So Tomuschat, Repressalie und Retorsion - Zu einigen Aspekten ihrer innerstaatlichen Durchführung, ZaöRV 33 (1973), 179, 198ff. Vgl. a. Rojahn, Rdnr. 18 zu Art. 25 m.w.N.; Dedo v. Schenck, ZaöRV 29 (1969), 257, 283ff. (Eine völkerrechtliche Ermächtigung der Bundesrepublik zu Embargo-Maßnahmen schafft auf dem Weg über Art. 25 S. 1 GG keine ausreichende Grundlage für den Erlaß entsprechender Rechtsverordnungen nach Art. 80 I GG zur Durchführung des Embargos); Bleckmann, DÖV 1981, 353, 357ff. 36 Zur Unterscheidung von Grund- und Bürgerrechten vgl. v. Münch, in: ders., GGKommentar Bd. 1, 3. Auflage 1984, Rdnr. 9 vor Art. 1 - 1 9 . Für das Grundrecht aus Art. 10 GG wurde die Eigenschaft als „Bürgerrecht" tatsächlich behauptet; vgl. Sträter, Das Fernsprechgeheimnis im Besatzungs- und deutschen Verfassungsrecht als Beispiel für die Rechtsstellung des einzelnen in verschiedenen staatsrechtlichen Situationen, Diss. Würzburg 1966, S. 95 ff. Hierfür ergeben sich aber aus Art. 10 GG keinerlei Anhaltspunkte; richtig Pappermann, in: v. Münch, Rdnr. 4 zu Art. 10; vgl. a.

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V. Übernahme des FISA in das deutsche Recht?

Aussage des A r t . 19 I I I G G u n d allgemeinen v ö l k e r r e c h t l i c h e n Grundsätzen k ö n n e n aber fremde Staaten keine Grundrechtsträger s e i n ; 3 7 die staatlichen G r u n d r e c h t e u n d G r u n d p f l i c h t e n ergeben sich u n m i t t e l b a r aus dem V ö l k e r recht. D e r D i p l o m a t ist o f f i z i e l l e r V e r t r e t e r eines f r e m d e n Staates, dessen A u f e n t h a l t i m Empfangsstaat v o n v o r n h e r e i n n i c h t auf D a u e r angelegt ist u n d der ohne persönliche E i n b u ß e n jederzeit ausgetauscht w e r d e n k a n n . Insofern ist seine Rechtsstellung sehr verschieden v o n der eines „ n o r m a l e n " Ausländers ohne offizielle F u n k t i o n e n . M a n k ö n n t e daher vermuten, daß die mangelnde Grundrechtsträgerschaft des Entsendestaates auf seine d i p l o matischen Vertreter „ d u r c h s c h l ä g t " , so daß diese sich z u m Schutz v o r geheim e n Ü b e r w a c h u n g s m a ß n a h m e n n i c h t auf A r t . 13 u n d A r t . 2 I G G berufen k ö n n t e n , sofern sich die M a ß n a h m e n n i c h t gegen sie als Person, sondern als offizielle Vertreter der unzulässige Ausspähungshandlungen vornehmenden fremden M a c h t r i c h t e t . 3 8 E i n e solche k o m p l e t t e „ G r u n d r e c h t s v e r n e i n u n g ist jedoch n i c h t h a l t b a r . Z w a r k a n n die Tatsache, daß das Grundgesetz a u c h f ü r h o h e i t l i c h e H a n d l u n g e n deutscher Behörden i n den R ä u m l i c h k e i t e n d i p l o matischer V e r t r e t u n g e n g i l t , 3 9 n o c h nichts über die Eigenschaft der d o r t t ä t i g e n D i p l o m a t e n als Grundrechtsträger

aussagen. Geheime Ü b e r w a -

chungsmaßnahmen gegen der Spionage verdächtige diplomatische Vertreter fremder M ä c h t e s i n d aber gerade gegen diese persönlich gerichtet - die k o n die Diskussionsbeiträge von Bachof und Isensee auf der Staatsrechtslehrertagung 1973, in: VVdStRL 32 (1974), S. 124f. 37 Tomuschat (Fn. 35), S. 212. Die Auslegung des Art. 19 I I I GG ist hinsichtlich der Grundrechtsfähigkeit ausländischer juristischer Personen i.e. streitig (verneinend Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Rdziff. 31 zu Art. 19 III, und v. Mutius, in: Bonner Kommentar zum GG, Rdnr. 50 zu Art. 19 III; bejahend Hendrichs, in: v. Münch Bd. 1, Rdnr. 33 zu Art. 19). Daß ein Staat dem anderen aber durch einseitigen Akt weder Rechte noch Pflichten zubilligen kann, bedarf keiner weiteren Erörterung. Die sog. Grundrechte und Grundpflichten, der Staaten ergeben sich ausschließlich aus dem Völkerrecht. Vgl. dazu Menzel / Ipsen, Völkerrecht, 2. Auflage 1979, S. 193 - 203. Ebenso auch Bleckmann (Fn. 35), S. 357ff. mit der Begründung, daß die völkerrechtlichen Kompetenzen fremder Staaten zum Handeln auf deutschem Staatsgebiet durch eine Grundrechtsverleihung erheblich erweitert und damit die vom GG ebenfalls geschützte deutsche Souveränität geschmälert würde. Daher soll ein Grundrechtsschutz weder für fremde Staaten als solche noch für deren juristische Personen des öffentlichen wie des privaten Rechts gegeben sein. Hier sind allerdings Maßnahmen gegen natürliche Personen zu erörtern. 38 Vgl. hierzu die Argumentation von Tomuschat (Fn. 35), S. 214f., der den diplomatischen Vertretern einer fremden Macht die Schutzwirkung des durch die völkerrechtliche Ermächtigung zu Repressalie und Retorsion (Art. 25 GG) nicht außer Kraft gesetzten Gesetzes Vorbehalts dann entziehen will, „unter Besinnung auf die Schutzfunktion", wenn es sich um Repressalien- oder Retorsionsmaßnahmen handelt, die sich nicht gegen den Diplomaten als Person richten, sondern gegen seinen Heimatstaat und er sie lediglich als dessen „Organ" zu spüren bekommt. Die Unterscheidimg dürfte schwierig werden; eine Übernahme dieser Argumentation für das hier interessierende Problem verbietet sich aber aus anderen Gründen; s. dazu sofort im Text. Etwas anders Bleckmann (Fn. 35), der den Gesetzesvorbehalt aus dem Gedanken des „demokratischen Totalvorbehalts" nicht aufgeben möchte (S. 356f.), aber hinsichtlich des Grundrechtsschutzes für fremde Diplomaten und Konsuln die gleichen Abgrenzungserwägungen wie Tomuschat anstellt (S. 358 Ii. Sp.). 39 Vgl. v. Münch, in ders., Bd. 2, Rdnr. 23 zu Art. 23.

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krete Verletzung des völkerrechtlichen Rechtsbeachtungs- und Nichteinmischungsgebotes ist es ja schließlich, die solche Maßnahmen auf der Ebene des Völkerrechts gestattet. 40 Als „pauschale" Repressalie oder Retorsion, die alle diplomatischen Vertreter einer bestimmten fremden Macht ungeachtet ihres persönlichen Verhaltens erfaßt, wären sie - wie gezeigt - unzulässig; sie können nur bei individuellen Verstößen und nur mit beschränkter Zielrichtung ergriffen werden. Zudem sind von geheimen Überwachungsmaßnahmen immer auch private Bereiche berührt. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, daß hierdurch lediglich die Stellung der überwachten Diplomaten als „offizielle Vertreter" des Entsendestaates betroffen ist dies könnte man allenfalls bei Reisebeschränkungen o.ä. erwägen. Man kommt daher nicht an dem Ergebnis vorbei, daß die durch geheime Überwachungsmaßnahmen berührten Grundrechte, bei denen es sich nicht um sog. „Deutschengrundrechte" handelt, hier auch von diplomatischen Vertretern fremder Mächte in Anspruch genommen werden können; ähnlich erfolglos wäre es z.B., wegen der angeblichen „allgemeinen Praxis" der gegenseitigen Überwachung eine Art „konkludenten Verzicht" auf die entsprechenden Grundrechte bei diesem Personenkreis zu vermuten, da ein Grundrechtsverzicht (sofern man ihn überhaupt für möglich erachtet) persönlich, ausdrücklich und freiwillig sein muß 4 1 und i.ü. auch nicht durch Täuschungshandlungen erschlichen werdeji darf. 42 Auch eine „Verwirkung" des entsprechenden Grundrechtsschutzes durch die Völkerrechts- und gesetzeswidrigen Spionagehandlungen der diplomatischen Vertreter kann man nicht annehmen; bei einem solchen „unfreiwilligen Verzicht" besteht nach Art. 18 GG ein Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts. 43

40

Vgl. die Ausführungen hier in Kap. III, 2 c) und 3 g). Ob ein Verzicht auf Grundrechte überhaupt grundrechtsdogmatisch möglich sein kann, ist umstritten; die Frage w i r d z.B. verneint von Koch, Ein Beitrag zur Lehre vom Verzicht auf Grundrechte, Diss. Heidelberg 1983, S. 178ff. (Da ein Verzicht eine Rechtsgrundlage für staatliche Eingriffe schaffen könnte, würde bei seiner Zulässigkeit der einzelne Grundrechtsträger die Stellung des verfassungsgebenden pouvoir constituant einnehmen, was der Kompetenzordnung des GG widerspräche.). Überwiegend w i r d die Zulässigkeit eines Verzichts auf Grundrechte aber bejaht; vgl. für Art. 13 Gentz, S. 32 - 40, und Pappermann, in: von Münch, Bd. 1, Rdnr. 15 zu Art. 13. Zu Art. 10 GG s. die interessante Entscheidungskette VG Bremen NJW 1978, 66 (mit Anm. v. Münch, ebd., S. 67, und von Meyn, ebd., S. 657); OVG Bremen, NJW 1980, 606 = DÖV 1980, 178 (mit Anm. von Schatzschneider, NJW 1981, 268, und von Erichsen, VerwArch 71 (1980), 429, 436ff.); sowie schließlich BVerwG NJW 1982, 840. Zu den Erfordernissen eines Verzichts s. Gentz u. Pappermann, wie vor, und Koch, S. 28ff. 42 Vgl. Amelung, Die Einwilligung in die Beeinträchtigung eines Grundrechtsgutes, Berlin 1981, S. 102 ff. (speziell zur Zulässigkeit eines Verzichts bei Art. 10,13 GG s. a. S. 33ff.), sowie ders., Probleme der Einwilligung in strafprozessuale Grundrechtsbeeinträchtigungen, StrVert 1985, S. 257ff. 43 Koch, S. 34. 41

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V. Übernahme des FISA in das deutsche Recht?

c) Die Auslegung der betroffenen

Grundrechte

Übrig bleibt damit allein, die betroffenen Grundrechte näher zu untersuchen. Das in der sog. „Schnellreinigung"-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 44 zu Art. 13 GG herausgestellte unterschiedliche Schutzbedürfnis von Wohnräumen einerseits und Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen andererseits (die aber gleichwohl in den Schutzbereich des Art. 13 I GG fallen) hilft hier bei der Beurteilung von Lauschmaßnahmen etwa auf fremde Botschaften nicht weiter. Das Gericht hat in dieser Entscheidung - mit angreifbarer Argumentation 45 - bestimmte, ohne Zweifel zweckmäßige behördliche Betretungs- und Besichtigungsrechte von Geschäftsräumen und Betriebsgrundstücken nach §§20, 17 I I der Handwerksordnung wegen ihrer geringen Belastung für den Inhaber nicht als „Eingriffe und Beschränkungen im Sinne des Art. 13 I I I GG klassifiziert, um deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit aufrechtzuerhalten. 46 Jede Erwägung aber, „Lauschangriffe" auf diplomatische Vertreter in einer fremden Botschaft nicht unter die „Eingriffe und Beschränkungen" des Art. 13 I I I GG fallen zu lassen und nur die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten reduzierten Voraussetzungen 47 für das Betreten und Besichtigen von Geschäftsräumen anwenden zu wollen, wäre abwegig - dies ergibt sich aus dem in Kapitel I unter 3. Gesagten zur Rechtsnatur eines „Lauschangriffs", der mit bloßen Betretungs- und Besichtigungsrechten einfach nicht verglichen werden kann. Es bleibt also wiederum nur die Beurteilung nach Art. 13 I I I 2. Alt. in Verbindung mit Art. 2 I GG und damit nach dem „strikten" Verhältnismäßigkeit sprinzip zur Klärung der Frage, ob geheime Überwachungsmaßnahmen gegen diplomatische Vertreter fremder Mächte bereits bei einem den im G 10 enthaltenen Standard noch unterschreitenden Verdachtsgrad auf Spionagehandlungen zulässig sind. Bei der Geeignetheit solcher Maßnahmen hinsichtlich des damit zu verfolgenden Zwecks (Behinderung der „Arbeit" ausländischer Nachrichtendienste in der Bundesrepublik, Enttarnung feindlicher Agenten) und des zu erreichenden Ziels (Schutz von Staatsgeheimnissen und äußerer Sicherheit der BRD) w i r d man kaum Zweifel erheben können; geheime Überwachungsmaßnahmen gegen fremde 44 BVerfGE 32, 54 = BVerfG, DVB1. 1971, 892. « Vgl. dazu Kap. II, Fn. 126. 46 Bei einer Subsumtion unter Art. 13 I I I GG wären diese Betretungs- und Besichtigungsrechte der Behörden verfassungswidrig gewesen, da sie nicht den gefahrenabwehrenden Zielen des Abs. 3, 2. Alt. dienen. Vgl. dazu nochmals Kap. II, Fn. 126. Das - zweifellos sachgerechte - Ergebnis stand bei der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts sehr im Vordergrund. 47 Vgl. BVerfG, DVB1. 1971, 895 re. Sp. oben: Besondere gesetzliche Vorschrift als Ermächtigungsgrundlage - Erlaubter Zweck und Erforderlichkeit - Zweck des Betretens und Umfang der Besichtigung aus dem Gesetz erkennbar - Betreten und Besichtigen nur während der Geschäftszeiten.

3. Differenzierung nach der „Nähe" zu einer „fremden Macht"?

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Diplomaten, von denen aufgrund bestimmter Umstände anzunehmen ist, daß sie Spionage betreiben, ist dem beschriebenen Zweck mit Sicherheit förderlich. Mittel zur Gewinnung der entsprechenden Informationen, die die Grundrechte der betroffenen diplomatischen Vertreter weniger einschränken würden, sind kaum ersichtlich bzw. wären unanwendbar - der „Lauschangriff" auf fremde Botschaften ist dem „Einschleusen" eines „V-Mannes" wohl allemal vorzuziehen. Somit hängt es allein von der Zumutbarkeit solcher Eingriffe für diplomatische Vertreter fremder Mächte ab, ob die völkerrechtliche Erlaubnis zum Einsatz geheimer Überwachungsmaßnahmen zur Spionageabwehr auch in das innerstaatliche Recht der Bundesrepublik Deutschland übernommen werden könnte. Im Rahmen dieser Abwägung kann nun der rechtliche Sonderstatus des diplomatischen Personals endlich angemessen berücksichtigt werden. Das Gewicht und die Dringlichkeit der die Lauschmaßnahmen rechtfertigenden Gründe ist hier gesteigert, da bei diesem Personenkreis die Wahrscheinlichkeit einer Verwicklung in nachrichtendienstliche Aktivitäten ihres Entsendestaates höher veranschlagt werden kann als bei „normalen" Ausländern oder gar eigenen Staatsbürgern. 48 Die Schwere des Eingriffs ist jedoch geringer. Während bei den eigenen Staatsbürgern sowie den Ausländern ohne diplomatischen Status eine nachrichtendienstliche Überwachung immer in eine Strafverfolgung wegen der entsprechenden Landesverrats- und Spionagedelikte umschlagen kann (der einzige „Schutz" hiergegen ist das Ermessen der dem Legalitätsprinzip nicht unterliegenden „Dienste"), genießen Diplomaten auch für den Fall nachgewiesener Spionagetätigkeit ihre aus den Art. 2 9 - 3 1 WÜD sowie aus dem allgemeinen Völkerrecht resultierende Immunität vor Strafverfolgung und Verwaltungszwang durch die Behörden des Empfangsstaates; die einzige nachteilige Folge einer Überwachung ist für sie die Erklärung zur „persona non grata". Die Tatsache, daß ein diplomatischer Vertreter einer fremden Macht von einer solchen Überwachung - anders als eine dessen Immunität nicht genießende Person - nicht existentiell getroffen werden kann, rechtfertigt es aber, hier die Abwägung zugunsten des staatlichen Sicherheitsinteresses ausfallen zu lassen. Geheime Überwachungsmaßnahmen gegen diesen Personenkreis sind daher bereits dann gestattet, wenn tatsächliche Anhaltspunkte auf eine gesetzes- und völkerrechtswidrige Ausspä48 Vgl. die Angaben in Kap. III, Fn. 29. Angesichts der in mehrjährigen Abständen wiederkehrenden staatlichen Praxis der Ausweisung von Diplomaten des jeweils anderen Machtblocks unter bestimmt nicht völlig aus der Luft gegriffenen Vorwürfen geheimdienstlicher Tätigkeit im Empfangsstaat ist man versucht, den Ausspruch des britischen Diplomaten Sir Henry Wotton (1568 - 1639), „ A n ambassador is an honest man sent to lie abroad for the good of his country", zit. nach Green, Trends i n the Law Concerning Diplomats, 19 Can. Yb. of International Law 132 (1981), wie folgt abzuändern: An ambassador is an honest looking man sent to spy abroad for the good of his country.

12 Beier

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V. Übernahme des FISA in das deutsche Recht?

hungstätigkeit der betroffenen diplomatischen Vertreter hindeuten. Bedingung hierfür ist aber, daß die zur Vermeidung der Verletzung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung 49 anzuwendenden Techniken 50 auch bei Maßnahmen in diesem Bereich angewendet werden; insofern unterscheidet sich der Privatsphärenschutz des Diplomaten durch nichts von dem anderer Betroffener. Ausländer mit diplomatischem Status dürfen also unter wesentlich erleichterten Voraussetzungen zum Ziel von geheimen Überwachungsmaßnahmen gemacht werden als andere Ausländer und eigene Staatsbürger. Die innerstaatliche Rechtslage der Bundesrepublik erlaubt die Umsetzung der völkerrechtlichen Ermächtigung der Selbsthilfe des Empfangsstaates. Erforderlich ist aber auch hier ein das Grundrecht aus Art. 13 I GG ausdrücklich einschränkendes Gesetz (Art. 19 12 GG). Dieses Gesetz müßte ebenfalls eine Befugniszuweisung dahingehend enthalten, daß eine Überwachung diplomatischer Missionen und des diplomatischen Personals, das entsprechender Ausspähungshandlungen verdächtigt wird, nur durch die mit der Spionageabwehr betrauten Teile der Nachrichtendienste durchgeführt werden darf. 51 Ohne eine solche Befugniszuweisung bestünde nämlich die Gefahr, daß die Überwachungsmaßnahme in ihrer Zielrichtung in reine Gegenspionage52 „umkippt". Dies wäre aber bereits völkerrechtlich unzulässig. Festzuhalten ist daher auch, daß der amerikanische FISA in seiner Behandlung von „electronic surveillance" diplomatischer Vertreter fremder Mächte vom völkerrechtlichen Standpunkt aus als zu weit erscheint, da er nicht an ein Fehlverhalten der betroffenen Diplomaten anknüpft und die eben erwähnte Gegenspionage (d.i. die „Penetrierung" fremder Nachrichtendienste) auch zuläßt. Grundsätzlich ist seine Sonderstellung des diplomatischen Personals in bezug auf geheime Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken aber gerechtfertigt. In einer deutschen Regelung von geheimen Überwachungsmaßnahmen außerhalb des G 10-Bereichs könnte daher ähnlich verfahren werden. 53

49

Vgl. dazu Kap. II, 3 f) und g). Nähere Ausführungen hierzu unter Punkt 4 b) dieses Kapitels. 51 I n der Bundesrepublik Deutschland wäre dies also die für die Spionageabwehr zuständige Hauptabteilung IV des Bundesamtes für Verfassungsschutz, nicht aber der Bundesnachrichtendienst. 52 Zu den verschiedenen nachrichtendienstlichen Aufgaben s. näher Rieger, Nachrichtendienst und Rechtsstaat, ZRP 1985, 3 ff. 53 Auf die viel zu weite Formulierung der entsprechenden FISA-Bestimmung „officers and employees of a foreign power" wurde bereits hingewiesen; vgl. Kap. IV, 4 c) cc). 50

3. Differenzierung nach der „Nähe" zu einer „fremden Macht"?

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d) Die Regelung für den Personenkreis der Ausländer ohne diplomatischen Status Orientiert man sich auch weiterhin am amerikanischen FISA, so gibt es noch eine andere Personengruppe, bei denen nachrichtendienstliche geheime Überwachungsmaßnahmen unter erleichterten Voraussetzungen möglich sind: die sog. „foreign visitors", also die sich nicht dauerhaft auf dem amerikanischen Staatsgebiet aufhaltenden Fremden. Hier ist es nach dem FISA nicht nötig, diesen Personen tatsächliche Ausspähungsaktivitäten nachzuweisen; es genügt, wenn die „Umstände" ihres Aufenthalts darauf hindeuten, d. h. wenn sie zu einer bestimmten Gruppe von Ausländern gehören, bei denen schon sehr häufig nachrichtendienstliche Aufträge des Heimatstaates festgestellt wurden. Analog zu dem eben zur Überwachimg der diplomatischen Vertreter fremder Mächte Gesagten könnte auch hier im Falle der Zugehörigkeit des betroffenen Ausländers zu einer solchen Personengruppe von vornherein eine Überwachung nur dann in Frage kommen, wenn zusätzliche individualbezogene Erkenntnisse auf Spionagetätigkeit hindeuten. Die Regelung des FISA, die die bloße Zugehörigkeit ausreichen läßt, wäre im deutschen Recht ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip, das „bei Beschränkungen von Grundrechtspositionen verlangt, daß nur das unbedingt Notwendige zum Schutz eines von der Verfassung anerkannten Rechtsgutes - hier der Bestand des Staates und seine Verfassungsordnung - im Gesetz vorgesehen und im Einzelfall angeordnet werden darf." 5 4 Es kann also auch hier nur darum gehen, ob man die Voraussetzungen für die Einleitung von Überwachungsmaßnahmen bei bestimmten Ausländern ähnlich wie bei diplomatischen Vertretern gegenüber dem für deutsche Staatsbürger geltenden „strikten" Standard (dringender Verdacht auf eine schwerwiegende Straftat) herabsetzen kann oder nicht. Völlig auf individualbezogene Verdachtsmomente gegen den von der Überwachung Betroffenen zu verzichten, wäre eine unzulässige Grundrechtsbeschränkung. Hinsichtlich einer kleinen Gruppe von Ausländern, die zwar keine diplomatischen Funktionen wahrnehmen, aber an der diplomatischen Immunität vor Strafverfolgung und Verwaltungszwang partizipieren, ergeben sich zunächst wenig Probleme. Es sind dies die in Art. 371 und I I WÜD privilegierten zum Haushalt des Diplomaten gehörenden Familienangehörigen sowie die Mitglieder des Verwalfungs- und technischen Personals der Botschaft (z.B. Kanzleibeamte, Übersetzer, Chiffreure, Sekretärinnen) sowie deren zum Haushalt gehörende Familienangehörige. Bei diesem ebenfalls bevorrechtigten Personenkreis kann man dieselben verfassungsrechtlichen Erwägungen bezüglich der „Schwere" der Überwachungsmaßnahme anstel54 BVerfGE 30, 1 (20) unter Verweis auf BVerfGE 7, 377 (397 ff.). 12*

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V. Übernahme des FISA in das deutsche Recht?

len wie bei den diplomatischen Vertretern fremder Mächte selbst. Auch die völkerrechtliche Pflicht zur Einhaltung der Rechtsordnung des Empfangsstaates besteht nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 411 WÜD für „alle Personen, die Vorrechte und Immunitäten genießen." Der Einsatz geheimer Überwachungsmaßnahmen wäre also auch bei diesen Personen bei einem vergleichsweise geringen Verdachtsgrad statthaft. Nicht zu diesem Kreis zu rechnen sind allerdings die Mitglieder des dienstlichen Hauspersonals der Botschaft (Kraftfahrer, Pförtner, Köche, Nachtwächter, Boten) sowie private Hausangestellte (Fahrer, Erzieher, Raumpflegerinnen) und deren Familienmitglieder, da sie gemäß Art. 37 I I I und IV WÜD nur eine beschränkte bzw. gar keine Immunität besitzen. 55 Sie fallen unter die Gruppe der sonstigen, nicht dauernd wohnhaften Ausländer, deren Status im folgenden noch näher untersucht werden soll. Ebenso klar ausgrenzen läßt sich weiterhin die Gruppe der dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer; es bedarf hier keiner weiteren Erörterung, daß diesen derselbe Schutz vor nachrichtendienstlichen geheimen Überwachungsmaßnahmen wie den deutschen Staatsbürgern zukommen muß. Übrig bleibt also die Gruppe der sich nicht dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland aufhaltenden Ausländer mit ähnlich „engen" Verbindungen zu einer fremden Macht wie deren diplomatische Vertreter, die aber im Gegensatz zu letzteren keinerlei Immunitäten genießen. Zu denken ist hier etwa an Korrespondenten und Journalisten staatseigener Nachrichtenagenturen, Mitglieder von staatlichen Handelsmissionen, fremde Angestellte von hiesigen Niederlassungen staatseigener Firmen einer fremden Macht usw. Die Frage ist, ob man hier - analog den Vorschriften des amerikanischen FISA - den Einsatz von geheimen Überwachungsmaßnahmen aufgrund von nachrichtendienstlichen „Erfahrungswerten" ermöglichen kann, daß in einer bestimmten Personengruppe aus einem bestimmten Teil des - wohl östlichen - Auslands, zu der der Betroffene gehört, in der Vergangenheit schon häufig Spionageaufträge festgestellt wurden. Es soll und kann hier nicht darüber spekuliert werden, ob es diese „Erfahrungswerte" tatsächlich gibt. Zur Klärung der eben angesprochenen Frage muß ihr Vorhandensein unterstellt werden. 56 55 Allg. zu dem Personenkreis der völlig bzw. teilweise an der Immunität des Diplomaten partizipierenden Personen s. Denza, S. 223 - 231, sowie Schäfer, in: L ö w e / Rosenberg, StPO-Großkommentar, 23. Auflage 1979, Bd. 5, Rdnrn. 11 ff. zu § 18 GVG (Auszug aus dem Rundschreiben des Bundesinnenministers vom 14.3.1975 über die Behandlung von „Diplomaten und andere(n) bevorrechtigte(n) Personen"; ebenfalls abgedruckt bei: Kleinknecht / Meyer, StPO-Kommentar, 37. Auflage 1985, Rdnr. 8ff. zu § 18 GVG). 56 Jüngste Ereignisse im westlichen Ausland sprechen eher hierfür. Vgl. nochmals die Angaben in Kap. III, Fn. 29. Zu beachten ist, daß die Ausweisung in keinem Fall

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Während die Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip bei den beiden anderen Personengruppen (deutsche Staatsbürger sowie dauernd wohnhafte Ausländer einerseits und diplomatische Vertreter fremder Mächte andererseits) eindeutige Ergebnisse liefert, ist die Situation hier schwieriger. Sofern es sich nicht um im persönlichen Geltungsbereich auf „Deutsche" beschränkte Grundrechte handelt, kommt den Ausländern bei Grundrechtseinschränkungen derselbe Schutz zu wie deutschen Staatsbürgern. 57 Bei Art. 13 I in Verbindung mit Art. 2 I GG handelt es sich aber um solche „allgemneine" Grundrechte. Prüft man nun die Ausgangslage der nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorzunehmenden Abwägung für den hier zu beurteilenden Personenkreis, so ergibt sich, daß bezüglich der „Schwere" des Eingriffs keine nennenswerte Differenz gegenüber „Inländern" zu bestehen scheint: ausländische Journalisten, Firmenrepräsentanten, Korrespondenten etc. genießen keine wie immer geartete Immunität vor Strafverfolgungs- und Verwaltungsmaßnahmen des Aufenthaltsstaates. 58 Daß dieser im Falle erwiesener geheimdienstlicher Tätigkeit solcher Personen oftmals trotzdem nicht mit einer Anklage wegen der entsprechenden Delikte, sondern lediglich mit einer Landesverweisung reagiert, beruht wohl auf politischer Rücksichtnahme, zu der es nicht in jedem Fall kommen muß. Bei der Betrachtung des Gewichts und der Dringlichkeit der den Eingriff rechtfertigenden Gründe ergibt sich dagegen ein Unterschied. Das zugrunde liegende staatliche Interesse am Schutz vor feindlicher Ausspähung ist allein - wie gezeigt - nicht ausreichend, um Überwachungsmaßnahmen bereits im Vorfeld strafrechtlich relevanten Verhaltens zu rechtfertigen. Bei der hier in Rede stehenden Personengruppe wird man dieses Inte-

nur diplomatische Vertreter betraf, sondern immer auch Angehörige des hier in Rede stehenden Personenkreises (Journalisten, Geschäftsleute etc.). 57 Vgl. Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Rdziff. 288 zu Art. 3 I, und Gubelt, in: v. Münch Bd. 1, Rdnr. 5 zu Art. 3; s. a. Ruppel, Der Grundrechtsschutz der Ausländer im deutschen Verfassungsrecht, Diss. Würzburg 1968, S. 214f., sowie speziell für Art. 2 I GG BVerfGE 35, 382 (399f.). 58 Insbesondere gelten die Straftatbestände der §§ 94, 96, 97a, 97b, 98, 99 StGB entgegen dem ersten Anschein auch für ausländische Agentenführer. Bei § 94 I Nr. 1 StGB ist Täter jeder, der das Staatsgeheimnis „mitteilt", also auch der Mittelsmann, der das Geheimnis (vgl. § 93 StGB) weitergibt. Die bloße Empfangsnahme durch den Mittelsmann wird, sofern dieser die Absicht hat, das Staatsgeheimnis weiterzugeben und damit zu verraten, durch § 96 I StGB erfaßt. Vgl. Schönke / Schröder / Stree, StGB-Kommentar, 21. Aufl. 1982, Rdnr. 20 zu § 94 und jew. Rdnr. 1 zu § 96 und § 98 (d. s. selbständige strafbare Vorbereitungshandlungen zu § 94 StGB). Die Mittelsmänner des fremden Geheimdienstes können auch nach § 99 StGB strafbar sein, da hier - ebenso wie bei § 94 StGB - die Möglichkeit der Tatbegehung erst dann endet, wenn die Mitteilung die fremde Macht erreicht hat, s. Schönke / Schröder / Stree, Rdnr. 22f. zu § 99. Vgl. a. Dreher / Tröndle, StGB-Kommentar, 43. Aufl. 1985, Rdnr. 7 zu § 94 und Rdnr. 4 zu § 99: Letzterer umfaßt „alle Personen, die an der Aktivität des geheimdienstlichen Apparates beteiligt sind, vom Residenten über den Kurier bis zum Probeagenten". Zur Auslegung des §99 StGB s. auch BVerfGE 57, 250 (262ff.) = BVerfG, NJW 1981, 1719ff., sowie Schroeder, Der Schutz staatsbezogener Daten im Strafrecht, NJW 1981, 2278, 2281 f.

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resse jedoch als gesteigert ansehen müssen, weil - immer die Existenz der oben angesprochenen „Erfahrungswerte" vorausgesetzt - die Wahrscheinlichkeit nachrichtendienstlicher Aktivitäten hier sehr viel höher ist als bei deutschen Staatsbürgern und dauernd wohnhaften Ausländern. Ob dieses erhöhte staatliche Schutzinteresse aber bereits eine Absenkung der Verdachtsschwelle bzw. die teilweise Ersetzung des konkreten Verdachts durch „Erfahrungswerte" rechtfertigt, erscheint zumindest zweifelhaft. Man könnte nun daran denken, die Schwere des Eingriffs ähnlich abzumildern wie bei den diplomatischen Vertretern einer fremden Macht, indem man die Verwertbarkeit der durch eine solche Überwachung gewonnenen Erkenntnisse in einem Strafverfahren gänzlich ausschließt. Eine solche „Freistellung" der nachrichtendienstlichen Tätigkeit durch „regierungsnahe" Ausländer von staatlicher Strafverfolgung wäre zwar angesichts der oben angeführten politischen Praxis der Ausweisung als einziger Sanktion eventuell „realistisch", verstieße aber gegen den Gedanken der Einheit der Rechtsordnimg. In § 138 I Ziff. 3 StGB ist die Nichtanzeige von Verbrechen mit nachrichtendienstlicher Relevanz ausdrücklich unter Strafe gestellt; die eben angesprochene Regelung wäre damit nicht vereinbar und auch der zugrunde liegende Gedanke ist dem deutschen Recht fremd. 59 Die als Beispiel genannte völkerrechtliche Immunität diplomatischer Vertreter fremder Mächte schließlich hat außerhalb des innerstaatlichen Rechts liegende Gründe; 60 sie kann daher nicht als Präjudiz für eine ähnliche Privilegierung 59 Vgl. für die Unterschiede bezüglich der amerikanischen „exclusionary rule" Carr (Fn. 20), S. 638f. Auch die in Kap. II, 3 e) getroffene Aussage, daß wegen der Zweckbestimmung des Art. 13 I I I GG wohnungsbezogene Überwachungsmaßnahmen nur zur Gefahrenabwehr, nicht aber zur Strafverfolgung eingesetzt werden dürfen, legt dies nicht etwa nahe; dies bezieht sich nur auf die Zielrichtung der Maßnahme, sagt aber nichts über die Verwertbarkeit der hierbei gewonnenen Beweismittel über strafbares Verhalten aus. Nicht verkannt w i r d natürlich, daß neben dem oft angeführten „Opportunitätsprinzip" der Nachrichtendienste (vgl. dazu die Nachweise i n Kap. I I Fn. 28), die es nicht zu einer Strafverfolgung kommen lassen müssen, wenn sie Erkenntnisse über eine strafbare Spionagetätigkeit bestimmter Personen gewinnen, auch im strafprozessualen Bereich das Legalitätsprinzip bei den hier interessierenden „politischen Straftaten" mehrfach durchbrochen ist. Vgl. §§ 153 c - 153 e StPO sowie §§74a I Nrn. 2 - 6 , 120 I Nrn. 2 - 7 GVG zu den Voraussetzungen, unter denen der Generalbundesanwalt (und damit letztlich wohl der Bundesminister der Justiz, § 147 Ziff. 1 GVG) hier von der Verfolgung absehen kann: „(D)ie Politik überrollt hier die Rechtspflege." (Meyer-Goßner, in: Löwe / Rosenberg, StPO-Großkommentar, 23. Auflage 1978, Bd. 2, Rdnr. 25 zu § 153 c; s. a. Dürig, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Rdziff. 130 zu Art. 3 III.). Aber auch hier handelt es sich stets um eine im konkreten Einzelfall erfolgende Abwägung zwischen dem staatlichen Strafverfolgungsinteresse und entgegenstehender überwiegender öffentlicher Interessen bzw. (bei § 153 e StPO) der Nachsicht mit der infolge einer Verkettung unglücklicher Umstände zum politischen Straftäter gewordenen Einzelperson. Ein generelles Verwertungsverbot für durch geheime Überwachungsmaßnahmen (wenn man sie zulassen will) erlangte Erkenntnisse zugunsten einer bestimmten Gruppe von Ausländern könnte wenn mit Fernwirkung versehen - wohl auf eine völlige Freistellung dieses Personenkreises vor der Strafverfolgung wegen Spionagedelikten hinauslaufen und wäre damit „systemsprengend" und unzulässig. 60 Vgl. dazu Denza, S. 135 - 138.

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anderer Ausländer herangezogen werden. Dieser Weg erscheint also als ungangbar. Einer Eingrenzung der Verwertbarkeit auf die in § 138 StGB genannten Verbrechen stünden allerdings keine Hindernisse entgegen; die Beschränkung der Verwertbarkeit der bei den Überwachungsmaßnahmen erlangten Beweismittel auf diese schwerwiegenden Delikte bildet die Linie, bis zu der der staatliche Strafverfolgungsanspruch zurückweichen kann. 6 1 Sie hätte aber auch zur Folge, daß die wichtigen Auffangtatbestände der §§ 98 und 99 StGB durch geheime Überwachungsmaßnahmen der hier diskutierten Art nicht verfolgbar wären. Es fragt sich, ob diese zulässige Privilegierung bei der Personengruppe der nicht dauernd in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften Ausländer ausreicht. Zur Entscheidung hierüber bedarf es einer Betrachtung der insgesamt möglichen Rechtsfolgen bei einer festgestellten Spionagetätigkeit dieser Personen, wenn man die Verdachtsschwelle für geheime Überwachungsmaßnahmen eher niedrig, die „Verwertungsschwelle" der gewonnenen Erkenntnisse im Strafverfahren aber so hoch wie möglich ansetzt. Neben der Einleitung eines Strafverfahrens gibt es noch andere Möglichkeiten der staatlichen Reaktion auf sicherheitsgefährdendes Verhalten von Ausländern, nämlich die der Ausweisung und, wenn nötig, der zwangsweisen Abschiebung, §§10 und 13 AuslG. Die Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch einen Ausländer ist ein Ausweisungsgrund, § 10 I Nr. 1 AuslG. Rechtswidrige Ausspähungstätigkeit für eine fremde Macht begründet eine solche Gefährdung ohne weiteres; insbesondere ist auch nicht erforderlich, daß der betreffende Ausländer wegen seines Verhaltens strafrechtlich verfolgt worden ist. 6 2 Das Vorliegen einer Gefährdung ist hier nach dem Polizeirecht entwickelten Gefahrenbegriff zu bestimmen, was die „nicht bloß entfernt liegende Möglichkeit eines Schadenseintritts" bedeutet. 63 Belegt man nun die aus dem 61

Vgl. die Ausführungen in Kap. II, 3 g) am Ende. s. Hailbronner, Ausländerrecht, Heidelberg 1984, Rdnrn. 484 - 490; Huber, Ausländer· und Asylrecht, München 1983, Rdnrn. 265 - 267; Ruidisch, Einreise, Aufenthalt und Ausweisung im Recht der BRD, Diss. München 1975, S. 238 - 240; alle m.w.N.; s. a. die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Ausführung des AuslG vom 7.7.1978 (AuslVwV), insb. Nr. 8 zu § 10 AuslG (abgedruckt bei Hailbronner, Anh. IV, Nr. 3, S. 793). 63 Wie eben. Das kontroverse Urteil BVerwGE 62, 36 (41) = Buchh. 402.24 § 10 AuslG Nr. 80a = BVerwG, DVB1. 1981, 769, 771, in dem das Gericht für eine Ausweisung nach § 10 I Ziff. 1 AuslG die vage Möglichkeit als genügend ansah, daß der Betroffene „zu unmittelbaren oder mittelbaren Hilfeleistungen vor, während oder nach terroristischen Aktionen . . . gegen seinen Willen oder gar ohne sein Wissen" herangezogen wird, soll hier nicht diskutiert werden, macht aber deutlich, wieweit die Voraussetzungen auch von der Rechtsprechung ausgelegt werden; s. a. die neuere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 6.12.1983, BVerwG Buchh. 402.24 §10 AuslG Nr. 101.1.ü. muß noch darauf hingewiesen werden, daß in den hier interessierenden Fällen auch nach § 10 I Ziff. 11 AuslG eine Ausweisung möglich wäre, 62

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Einsatz geheimer Überwachungsmaßnahmen stammenden Erkenntnisse über die hier in Rede stehende Gruppe von Ausländern mit einer Verwertungssperre für alle nicht in § 138 StGB enthaltenen Delikte, wäre demnach eine Ausweisung der Betroffenen sehr leicht zu erreichen, eine strafrechtliche Verurteilung unter Verwertung der Erkenntnisse dagegen wäre nur in den schweren Fällen der §§ 94 - 96 StGB möglich, in den Fällen der §§ 98, 99, 109 e - 109g StGB nicht. Eine Regelung, die die Voraussetzungen für die Einleitung geheimer Überwachungsmaßnahmen gegen nicht dauernd wohnhafte Ausländer größtenteils an gewisse nachrichtendienstliche „Erfahrungswerte" bindet, aber die Verwertung der hierbei gewonnenen Erkenntnisse im Strafverfahren nur in sehr eingeschränktem Umfang zuläßt, würde also zu dem Ergebnis führen, daß in den meisten Fällen auch aus Rechtsgründen nur die Ausweisung als staatliche Sanktion in Betracht käme. Damit erscheint die Stellung der hier betrachteten Gruppe von Ausländern aber schon sehr stark an die der diplomatischen Vertreter fremder Mächte und der an ihrer Immunität partizipierenden Personen angenähert. Wenn damit aber die Wahrscheinlichkeit des existentiellen Betroffenseins durch eine geheime Überwachungsmaßnahme bei dem fraglichen Personenkreis zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, aber doch erheblich verringert ist, rechtfertigt dies m.E. angesichts des hier erheblich gesteigerten staatlichen Interesses an der Durchführung solcher Maßnahmen, 64 die im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung erforderliche Abwägung auch hier zugunsten des staatlichen Sicherheitsinteresses ausfallen zu lassen. e) Probleme bei der genauen Formulierung einer gesetzesförmigen Regelung Als Ergebnis kann daher festgestellt werden, daß auch die Regelung des FISA bezüglich der „foreign visitors" in ihren Grundgedanken übernahmefähig wäre. Allerdings erfordert das Verhältnismäßigkeitsprinzip auch hier im Gegensatz zum amerikanischen „Vorbild" noch einen auf konkrete nachrichtendienstliche Aktivitäten des betroffenen Ausländers gerichteten Verdacht; man kann es hier aber bei den „tatsächlichen Anhaltspunkten", also dem G 10-Standard, auch für wohnungsbezogene, auf das Belauschen des direkt gesprochenen Wortes gerichtete geheime Überwachungsmaßnahmen belassen. Fraglich ist ferner, ob man hier wie im G 10 eine „Anbindimg" der

ohne daß eine strafrechtliche Verfolgung vorausgehen müßte; hinreichender Verdacht genügt jedenfalls bei Gefahren für besonders wichtige Rechtsgüter; vgl. Hailbronner, Rdnrn. 514 - 520 m.w.N., und schon BVerwG, DÖV 1972, 797. 64 Sofern - was nicht oft genug wiederholt werden kann - stichhaltige Erfahrungswerte darüber vorliegen, daß bestimmte Gruppen von hier nicht dauernd wohnhaften Ausländern regelmäßig von ihrem Heimatstaat mit nachrichtendienstlichen Aufträgen betraut sind.

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Überwachungsmaßnahmen an bestimmte Straftatbestände vornehmen sollte; dies wäre m.E. aber zu bejahen. Richtig ist zwar, daß die Bindung der Zulässigkeit von gefahrenabwehrenden Maßnahmen an die Verwirklichung von vergangenheitsbezogenen Straftatbeständen problematisch ist; 6 5 zu bedenken bleibt aber das grundsätzliche Bestimmtheitserfordernis gerade an derartige Ermächtigungen für die Exekutivgewalt 6 6 und die dargestellte Tatsache, daß sowohl nach Völker- wie nach innerstaatlichem Recht die, sei es auch noch so enge Verbindung eines Ausländers zu einer mehr oder weniger feindseligen „fremden Macht" allein keinesfalls ausreicht, um Überwachungsmaßnahmen zu rechtfertigen, sondern immer ein persönliches Fehlverhalten des Betroffenen (bzw. der Verdacht hierauf) hinzukommen muß. Um solche unzulässigen „vorsorglichen" Überwachungen zu verhindern, ist am Erfordernis des durch tatsächliche Anhaltspunkte untermauerten Verdachts auf eine bestimmte nachrichtendienstlich „relevante" Straftat auch bei dem Personenkreis der hier nicht dauernd wohnhaften Ausländer festzuhalten. Der Straftatenkatalog w i r d aber - im Gegensatz zu der Überwachung von deutschen Staatsbürgern und dauernd hier wohnhaften Ausländern - dem des nachrichtendienstlichen „Bedürfnissen" angepaßten G 10 in dessen § 2 I Nr. 1 - 7 entsprechen können. Bei der näheren Eingrenzung des Personenkreises der „nicht dauernd wohnhaften Ausländer" ergeben sich schließlich noch einige gesetzestechnische Probleme. Der FISA grenzt die besonders geschützten „U.S. persons" von den „foreign visitors" in der Weise ab, 67 daß unter den erstgenannten Begriff alle US-Staatsbürger und alle diejenigen Ausländer fallen, die „lawfully admitted for permanent residence (as defined in section 1101 (a) (20) of title 8)" sind. Zu dieser Gruppe gehören nun alle Ausländer mit dem „status of having been lawfully accorded the privilege of residing permanently in the United States as an immigrant in accordance w i t h the immigration laws, such status not having changed." 68 „U.S. persons" sind damit alle Staatsbürger und diejenigen Ausländer mit Einwandererstatus; alle anderen Fremden sind „foreign visitors". Diese Unterscheidung erscheint zwar zweckmäßig, kann aber in das deutsche Recht nicht übernommen werden, da das Ausländerrecht der Bundesrepublik Deutschland keinen „Einwandererstatus" kennt. Den Ausländern mit diesem Status in den USA sind hier Ausländer vergleichbar, die im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 7 I I 1 oder einer Aufenthaltsberechtigung nach § 8 AuslG sind. Kompliziert werden die Dinge jedoch dadurch, daß der zu dauerndem

65 So Arndt, G 10-Verfahren, S. 49 f. 66 Vgl. dazu die Ausführungen in Kap. II, 4 b). 67 Vgl. 50 U.S.C. § 1801 (i). 68 United States Code, Title 8 (Aliens and Nationality), Chapter 12 (Immigration and Nationality), § 1101 (a) (20); 1982 Edition = 8 U.S.C. § 1101 (a) (20).

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Aufenthalt in den USA berechtigende Einwandererstatus bereits bei der Einreise erwerben werden kann, 6 9 während die unbefristete Aufenthaltserlaubnis von den deutschen Behörden in der Regel erst nach fünf Jahren und die die Stellung des Ausländers wesentlich verfestigende Aufenthaltsberechtigung erst nach achtjährigem rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik vergeben wird. 7 0 Ohne auf die aus dieser Verwaltungspraxis entstandenen Streitfragen hier näher eingehen zu wollen, 7 1 ist doch festzuhalten, daß die Absicht der Verfasser des FISA dahin ging, alle die Ausländer besonders zu schützen, deren Wunsch nach einem dauerhaften Aufenthalt im Land staatlich gebilligt wurde; da diese Billigung von den Ausländerbehörden der USA aber erheblich eher vorgenommen wird als das in der Bundesrepublik der Fall ist, würde eine den Formulierungen des FISA entsprechende deutsche Regelung 72 einen großen Teil der hier lebenden Ausländer des Schutzes vor geheimen Überwachungsmaßnahmen berauben, den sie beanspruchen können. Als einziger Ausweg böte sich an, bei der notwendigen Unterscheidung zwischen Ausländern, die genau wie deutsche Staatsbürger den stärksten Schutz vor geheimen Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwekken beanspruchen können und denjenigen Fremden, bei denen ihre „Nähe" zu einer fremden Macht diese Maßnahmen unter weniger stringenten Voraussetzungen erlaubt, nicht nur wie im FISA auf die Dauerhaftigkeit ihres Aufenthaltes abzustellen, sondern eben diese „Nähe" zu betonen. Eine so exakte Abgrenzung dieser Personengruppe, wie sie bei den diplomatischen Vertretern fremder Mächte und den an ihrer Immunität partizipierenden Personen erreichbar ist, wäre damit nicht gegeben; dies liegt aber in der Natur der Sache und müßte in Kauf genommen werden.

69 Tatsächlich geht das Ausländerrecht der USA auch heute noch systematisch von der Einwanderung als Regelfall aus: vgl. die negative Definition des „immigrant" in 8 U. S. C. § 1101 (a) (15), nach der jeder einreisewillige Ausländer als Einwanderer gilt, der nicht nachweist, einer der dort folgenden 13 Kategorien anzugehören, die sich teilweise wieder in mehrere Untergruppen aufgliedern. Vgl. dazu Harte, Das Ausländerpolizeirecht der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Staaten von Amerika im Vergleich, Berlin 1976, S. 33ff. 70 Vgl. Hailbronner (Fn. 62), Rdnrn. 157 - 163 u. 193 - 203, sowie AuslVwV Nr. 4 zu § 7 u. Nr. 4a zu § 8 AuslG vom 7.7.1967 i.d.F.d. Bek. m.v. 10.5.1977 (GMBl., S. 202), geändert d. VwV v. 7.7.1978 (GMBl., S. 368) (abgedruckt bei Hailbronner, Anh. IV, Nr. 3, S. 787, 791). 71 § 7 I I 1 AuslG benennt keinerlei Kriterien für die Entscheidung, ob die Aufenthaltserlaubnis befristet oder unbefristet zu erteilen ist; § 8 AuslG spricht nur von fünfjährigem Aufenthalt. Vgl. dazu Harte (Fn. 69), S. 130ff. u. Huber (Fn. 62), Rdnr. 110 m.w.N. 72 D. h. also eine Einschränkung des stärksten Schutzes vor geheimen Überwachungsmaßnahmen auf deutsche Staatsbürger und Ausländer mit dauernder Aufenthaltserlaubnis bzw. Aufenthaltsberechtigung.

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f) Ein Gesetzesvorschlag unter Berücksichtigung der bisher erarbeiteten Voraussetzungen Nach allem bisher Gesagten hätte eine dem Vorbild des amerikanischen Foreign Intelligence Surveillance Act von 1978 folgende und nach den Erfordernissen des deutschen Verfassungsrechts „bereinigte" abgestufte Regelung zum Einsatz geheimer Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken außerhalb des G 10-Bereichs („G 13") etwa so auszusehen: § 1 (I) Zur Abwehr von drohenden Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes einschließlich der Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages oder der im Land Berlin anwesenden Truppen einer der Drei Mächte sind die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, das Amt für Sicherheit der Bundeswehr und der Bundesnachrichtendienst berechtigt, geheime Überwachungsmaßnahmen unter Verwendung technischer Hilfsmittel zum Abhören des direkt gesprochenen Wortes im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen. Insbesondere können diese Maßnahmen auch auf das Belauschen von Gesprächen in Wohnräumen oder entsprechend geschützten Räumlichkeiten gerichtet sein. (II) Art. 13 Abs. 1 des Grundgesetzes w i r d insoweit eingeschränkt. Die aufgrund anderer Gesetze zulässigen Beschränkungen dieses Grundrechtes bleiben unberührt. § 2 (I) Geheime Überwachungsmaßnahmen unter den Voraussetzungen des § 1 dieses Gesetzes dürfen gegen diplomatische Vertreter einer fremden Macht sowie gegen die gemäß § 18 des Gerichtsverfassungsgesetzes an deren Immunität partizipierenden Personen angeordnet werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, daß der betroffene diplomatische Vertreter oder sonstige Immunitätsinhaber wissentlich für eine fremde Macht nachrichtendienstliche Ausspähung gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland betreibt, andere Personen bei solchen Handlungen unterstützt oder diese dazu anstiftet oder die durch nachrichtendienstliche Ausspähung anderer Personen erlangten Tatsachen, Gegenstände und Erkenntnisse an eine fremde Macht weitergibt. (II) Geheime Überwachungsmaßnahmen unter den Voraussetzungen des § 1 dieses Gesetzes dürfen ferner dann gegen den diplomatischen Vertreter einer fremden Macht sowie gegen einen sonstigen Immunitätsinhaber angeordnet werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, daß eine solche Person andere Handlungen plant oder begeht, die das Gebot der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des Empfangsstaates gemäß Art. 41 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über diplomati-

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sehe Beziehungen vom 18. April 1961 verletzen und die im Falle ihrer Verwirklichung durch der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfene Personen deren Verantwortlichkeit nach den Strafgesetzen der Bundesrepublik Deutschland begründen würden. (III) Eine Anordnung von Maßnahmen nach Abs. 1 und Abs. 2 ist nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. § 3 (I) Geheime Überwachungsmaßnahmen unter den Voraussetzungen des § 1 dieses Gesetzes dürfen gegen einen Ausländer im Sinne des § 1 Abs. 2 des Ausländergesetzes, der zu einer fremden Macht in einem der Stellung ihrer diplomatischen Vertreter oder sonstigen Immunitätsinhaber vergleichbaren oder nur unwesentlich schwächeren Näheverhältnis steht und dessen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht auf Dauer angelegt ist, dann angeordnet werden, wenn 1. die näheren Umstände seines Aufenthalts im Geltungsbereich dieses Gesetzes, insbesondere die Feststellung, ob die betreffende Macht durch die zu ihr in dem bezeichneten Näheverhältnis stehenden Personen nachrichtendienstliche Ausspähung oder sonstige gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland gerichtete Handlungen üblicherweise betreiben läßt sowie 2. bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte aus seinem konkreten Verhalten im Geltungsbereich dieses Gesetzes den Verdacht begründen, daß er eine oder mehrere der in § 2 Abs. 1, Nr. 1 - 7 des Gesetzes zur Beschränkimg des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G 10) genannten Straftaten plant oder begeht. (II) Sofern die übrigen Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen, dürfen geheime Überwachungsmaßnahmen auch gegen einen Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes angeordnet werden, der 1. seine Lebensgrundlage nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat und 2. weder einen Paß noch eine Staatsangehörigkeitsurkunde der Bundesrepublik Deutschland besitzt und sich auch nicht auf sonstige Weise ihrem Schutz unterstellt hat. (III) Die Bestimmung des § 2 Abs. 3 dieses Gesetzes gilt entsprechend. § 4 Anordnungen nach den §§2 und 3 dieses Gesetzes dürfen sich nur gegen Räumlichkeiten richten, die sich unter der Kontrolle entweder einer fremden Macht oder der zu überwachenden Person selbst befinden. In keinem Falle dürfen geheime Überwachungsmaßnahmen, die nach den §§2 und 3 dieses Gesetzes angeordnet worden sind, sich gegen Räumlichkeiten richten, die überwiegend von anderen als den in § 3 Abs. 2 genannten deutschen

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Staatsbürgern oder von anderen als den in §§ 2 und 3 bezeichneten Ausländern benutzt werden. § 5 (I) Geheime Überwachungsmaßnahmen unter den Voraussetzungen des § 1 dieses Gesetzes gegen andere deutsche Staatsbürger als die in § 3 Abs. 2 dieses Gesetzes genannten sowie gegen alle von den §§2 und 3 dieses Gesetzes nicht erfaßten Ausländer dürfen nur angeordnet werden 1. zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder Lebensgefahr für einzelne Personen, 2. wenn dringender Verdacht besteht, daß der Betroffene als Täter oder Teilnehmer a) Straftaten des Friedens- oder Hochverrats in den Fällen der §§ 80, 81, 82 und 83 des Strafgesetzbuches, b) Straftaten des Landesverrats oder der Gefährdung der äußeren Sicherheit in den Fällen der §§ 94, 95, 96, 97 a, 97b, 100 des Strafgesetzbuches, c) Straftaten gegen die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages oder der im Land Berlin anwesenden Truppen einer der Drei Mächte in den Fällen der §§ 94, 95, 96 und 100 des Strafgesetzbuches in Verbindung mit Artikel 7 des Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 11. Juni 1957 in der Fassung des Achten Strafrechtsänderungsgesetzes , d) eine Straftat nach § 129 a StGB, sofern der Betroffene zu den mutmaßlichen Rädelsführern oder Hintermännern im Sinne des § 129 a Abs. 2 des Strafgesetzbuches gehört, durch eine mit Freiheitsstrafe bedrohte Handlung vorbereitet oder begeht. (II) Eine Anordnung nach Abs. 2 ist nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhaltes auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Sie darf sich nur gegen Räumlichkeiten richten, die unter der Kontrolle des von der Anordnung nach Abs. 1 Betroffenen stehen und von ihm benutzt werden. (III) Richtet sich eine geheime Überwachungsmaßnahme im Sinne des § 1 dieses Gesetzes gegen eine Personengruppe, die sowohl aus den in den §§2 und 3 als auch aus den in § 5 dieses Gesetzes bezeichneten Personen besteht, so sind für deren Anordnung in jedem Falle die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 und 2 maßgebend. Anmerkungen: (1) Bei den diplomatischen Vertretern fremder Mächte und den ihnen hinsichtlich der Immunität vor Strafverfolgungs- und Verwaltungszwangs-

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maßnahmen gleichgestellten Personen sind die Überwachungsvoraussetzungen am geringsten. Hier genügt im Zweifel jeder Verdacht einer völkerrechtswidrigen Einmischung in innere Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland, also insbesondere auch der durch die §§84 bis 92 StGB erfaßte Bereich der inneren Sicherheit. (2) Bei den Ausländern im Sinne des § 3 I wäre es eventuell sinnvoll, das erforderliche „Näheverhältnis" durch (natürlich nicht abschließende) Regelbeispiele näher zu umschreiben. Mangels Kenntnis der entsprechenden „Erfahrungswerte" - so es diese gibt - kann das im Rahmen dieses Gesetzesvorschlages nicht geschehen. Die Beschränkung auf das Planen oder gegenwärtige Begehen einer der Katalogtaten hebt den gefahrenabwehrenden Zweck der Regelung hervor; in der Vergangenheit liegende, abgeschlossene Ereignisse können die Eingriffsermächtigung, die schon nach Art. 13 I I I GG nur zum Zweck der Gefahrenabwehr gegeben ist, nicht begründen. Dies gilt ebenso für die Überwachung diplomatischer Vertreter fremder Mächte und der ihnen gleichgestellten Personen in § 2. (3) Der vorgeschlagene § 3 I I orientiert sich an den Formulierungen in § 11 und I I WPflG und § 5 Nr. 3 a StGB und soll der Tatsache Rechnung tragen, daß die aktivsten Spione gegen die Bundesrepublik Deutschland wohl aus der DDR kommen dürften. 73 Dies rechtfertigt es aber, die DDR-Führung ebenfalls als „fremde Macht" anzusehen und „regierungsnahe" DDR-Bürger analog den übrigen Ausländern zu behandeln. Da Staatsbürger der Deutschen Demokratischen Republik aber gleichzeitig Deutsche im Sinne des Art. 1161 GG sind, 74 ergeben sich hier Formulierungsprobleme, die sich den Verfassern des FISA nicht gestellt haben. (4) Der Straftatenkatalog in § 5 I Nr. 2 orientiert sich an den § 138 StGB und § 2 I G 10. Wie bereits dargelegt, 75 bedingt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hier eine sorgfältigste Auswahl; der „may involve "-Standard des FISA, 7 6 der die mögliche Verletzung irgendeines Straftatbestandes ausreichen läßt, mag zwar den praktischen Bedürfnissen der Nachrichtendienste sehr entgegenkommen, wäre angesichts der Schwere des Eingriffs in grundrechtlich geschützte Bereiche durch geheime Überwachungsmaßnahmen aber nicht vertretbar. Unter diesem Gesichtspunkt problematisch erscheint daher die Einbeziehung der „mit Freiheitsstrafe bedrohten" Vor73

Vgl. die Ausführungen hier in Kap. III, 1. s. dazu Hailbronner, Deutsche Staatsangehörigkeit und DDR-Staatsbürgerschaft, JuS 1981, 712 ff. 75 Vgl. die Ausführungen in Kap. II, 3 g). 76 Vgl. dazu die Ausführungen in Kap. IV, b) dd) und ee) sowie in Kap. V, 2 b). Besonders kritisch zum „may involve "-Standard aus amerikanischer Sicht Comment - Foreign Intelligence Surveillance Act: Unconstitutional Warrant Criteria Permit Wiretapping if a Possibility of International Terrorism Is Found, San Diego L. Rev. 963, 971 - 975 (1980). 74

4. Weitere Voraussetzungen für Überwachungsmaßnahmen?

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bereitungshandlungen, weil auf diesem Wege die Auffangtatbestände der §§ 98,99 StGB wieder ins Spiel kommen; da man andererseits aber mit dem Einsatz der Maßnahme nicht warten kann, bis das Staatsgeheimnis (vgl. § 93 StGB) tatsächlich verschwunden, verraten oder offenbart ist, erscheint es notwendig, wiederum einen Bereich vor der eigentlichen Deliktsverwirklichung zu erfassen, der aber so weit wie möglich eingegrenzt sein muß. Diese Eingrenzung orientiert sich an der Regelung in § 100 a StPO. Da gezeigt werden muß, daß die betreffende Straftat tatsächlich eine Vorbereitungshandlung zu einer Katalogtat darstellt, dürfte die praktische Ausweitung der geheimen Überwachungsmaßnahmen hierdurch nicht übermäßig weit sein. 77 Im übrigen kann dies durch ein entsprechendes Beweisverwertungsverbot aufgefangen werden. 78 (5) Die Bestimmungen in § 4 und in § 5 I I I schließlich sind notwendig, um ein bereits beim FISA aufgetretenes Problem von vornherein auszuschalten: 7 9 Eine Überwachungsanordnung gegen diplomatische Vertreter oder andere Ausländer mit einem „Näheverhältnis" zu einer fremden Macht nach den §§2 und 3 darf nicht bewußt dazu benutzt werden, die strengeren Voraussetzungen für „Lauschangriffe" gegen die in § 5 besonders geschützten Personenkreise zu unterlaufen. 4. Die weiteren Voraussetzungen für die Durchführung geheimer Überwachungsmaßnahmen zu Staatssicherheitszwecken

Zuletzt ist noch zu untersuchen, wie den sonstigen in Kapitel I I dieser Arbeit festgestellten Voraussetzungen für eine eventuelle „ G 13"-Regelung am besten Rechnung getragen werden und ob der in Kapitel IV dargestellte amerikanische Foreign Intelligence Surveillance Act auch hierfür als Vorbild dienen kann. a) Die Frage der Anordnungskompetenz Nachdem nun geklärt ist, unter welchen Voraussetzungen eine Lauschmaßnahme angeordnet werden kann, erhebt sich natürlich die Frage, wer sie denn anordnen soll. Wie bereits festgestellt, w i r d von keiner der beiden Grundrechtsbestimmungen (Art. 13 ΠΙ und Art. 21 GG) ein „Richtervorbehalt" gefordert 80 und auch Art. 19 IV GG verlangt nur die Gewährleistung einer richterlichen ex post-Kontrolle. Insofern könnte man daran denken, die Anordnung der Maßnahme ähnlich dem G 10 einer Expertenkommission zu 77 78 79 80

Vgl. dazu Carr (Fn. 20), S. 615 f. s. für den entsprechenden Regelungsvorschlag Abschnitt 4 c) dieses Kapitels. Vgl. die Ausführungen in Kap. IV, 4 g) (U. S. v. Megahey). Vgl. die Ausführungen i n Kap. II, 3 g) am Ende.

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V. Übernahme des FISA in das deutsche Recht?

überlassen, die auch die Ausführung der Maßnahme zu überwachen und entsprechend den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts an dieses Gesetz 81 sicherzustellen hätte, daß der Betroffene von der Überwachungsmaßnahme benachrichtigt wird, sobald eine Gefährdung ihres Zweckes durch diese Mitteilung ausgeschlossen werden kann. Diese Mitteilung ist für den Betroffenen besonders wichtig, weil erst sie ihm wegen der Heimlichkeit der Maßnahme die Möglichkeit eröffnet, sein Recht aus Art. 19 IV GG überhaupt wahrzunehmen. Die entsprechende Initiative des Betroffenen vorausgesetzt, wäre damit eine effektive nachträgliche richterliche Kontrolle der Maßnahmen erreicht und einer allzu starken Hineinziehung der Judikative in Entscheidungen der Exekutive vorgebeugt. Die Frage ist damit, ob man die strikte Einhaltung der Benachrichtungspflicht - eventuell abgesichert durch eine staatliche Schadensersatzpflicht bei unrechtmäßiger Überwachung nach dem FISA-Vorbild, vgl. dort § 1810 - genügen lassen kann. Da hier einem Ausschluß des Rechtsweges analog § 9VI G 10 natürlich nicht das Wort geredet werden soll, muß die Frage verneint werden. Es w i r d nämlich immer Fälle geben, in denen die entsprechende Benachrichtung gar nicht oder erst unverhältnismäßig spät erfolgen kann; 8 2 hier dürfte aber gerade der Rechtsgedanke des Art. 19 IV GG wenigstens eine vorherige richterliche Überprüfung verlangen, da es um heimliche und schwere Grundrechtseingriffe geht. Im übrigen kehren die ganzen Bedenken gegen die Entscheidung eines „Expertengremiums" über die rechtliche Zulässigkeit von staatlichen Eingriffen im Rahmen des G 10 (vor allem die Vermengung von rechtlicher Zulässigkeit und nachrichtendienstlicher Zweckmäßigkeit einer Maßnahme) bei noch weitergehenden „Lauschangriffen" in verstärkter Form wieder. 83 Schließlich kann bei den hier vorgeschlagenen Voraussetzungen für Lauschmaßnahmen gegen bundesdeutsche Staatsbürger und Ausländer ohne „Näheverhältnis" zu einer fremden Macht auch das nicht nur in den USA sehr beliebte Argument der „politischen Entscheidung", die die Gerichte „völlig überfordert", 84 nicht ins Feld geführt werden; über das Bestehen eines dringenden Verdachts auf eine bestimmte strafbare Handlung müssen Richter allemal befinden können. Der in den USA mit der Entscheidung über den Einsatz geheimer Überwachungsmaßnahmen betraute Foreign Intelligence Surveillance Court ist ein außerhalb des Instanzenzuges der Bundesgerichtsbarkeit stehendes SonVgl. BVerfGE 30, 1 (21); s. a. §§5 V, 9 I I I G 10. s. a. Evers, ZRP 1980, 114. Vgl. zu dem Problem der „faktischen Beeinträchtigung der Rechtsweggarantie" auch Borgs-Maciejewski, S. 15, de Lazzer / Rohlf, S. 211, sowie Friedrichs, S. 142 ff. 83 Vgl. zu diesen Bedenken bereits die Ausführungen in Abschnitt 2. b) dieses Kapitels (Fn. 23) sowie noch Wagner, NJW 1980, 919. 84 s. nochmals die Nachweise der Äußerungen verschiedener Parlamentarier vor Erlaß des G 10 zur Begründung des Rechtswegausschlusses in der abweichenden Meinung des ersten G 10-Verfahr ens, BVerfGE 30, 33 (37). 82

4. Weitere Voraussetzungen für Überwachungsmaßnahmen?

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dergericht, das n i c h t - ö f f e n t l i c h v e r h a n d e l t u n d dessen Entscheidungen i n der Regel auch n i c h t v e r ö f f e n t l i c h t w e r d e n . 8 5 E i n e rechtswissenschaftliche Diskussion über seine Auslegung einzelner B e s t i m m u n g e n des F I S A k a n n daher n u r d a n n entstehen, w e n n andere Gerichte i n m i t den Ü b e r w a c h u n g s ergebnissen angestrengten Strafverfahren

über die Rechtmäßigkeit

der

Ü b e r w a c h u n g z u befinden haben u n d diese Rechtmäßigkeit verneinen (vgl. § 1806 (e) - (h)) - was bis jetzt n o c h nie v o r g e k o m m e n i s t . 8 6 I n der Bundesr e p u b l i k D e u t s c h l a n d k ö n n t e b e i r i c h t e r l i c h e n Entscheidungen über die Zulässigkeit v o n geheimen Ü b e r w a c h u n g s m a ß n a h m e n aus G r ü n d e n der n o t w e n d i g e n G e h e i m h a l t u n g sicherlich n i c h t v i e l anders verfahren werden. Insofern ergeben sich n a c h der äußeren Erscheinung der K o n t r o l l t ä t i g k e i t k a u m Unterschiede zwischen einer K o m m i s s i o n u n d einem Sondergericht. Entscheidend f ü r eine „ R i c h t e r l ö s u n g " spricht aber der schon e r w ä h n t e U m s t a n d , daß b e i einer r i c h t e r l i c h e n P r ü f u n g die r e c h t l i c h e n Zulässigkeitsvoraussetzungen n i c h t m i t n a c h r i c h t e n d i e n s t l i c h e n Z w e c k m ä ß i g k e i t s e r w ä gungen vermengt u n d die ersteren d a d u r c h „verwässert" w e r d e n k ö n n e n . 8 7 85 Vgl. die Ausführungen in Kap. IV, 4 h). In der amerikanischen Literatur wurde der FISC deshalb auch schon als „cloak and dagger - court" bezeichnet. «β Nach Note, 70 Virginia L. R. 321 Fn. 103, soll der FISC bis Ende 1982 1442 Überwachungsanordnungen erlassen haben. Dem standen im gleichen Zeitraum (Januar 1979 bis Dezember 1982) sechs Strafverfahren vor Bundesgerichten gegenüber, in denen über die Rechtmäßigkeit von Überwachungsmaßnahmen nach dem FISA befunden wurde. In keinem dieser Fälle haben die zuständigen Gerichte diese Rechtmäßigkeit verneint. Vgl. für den Zeitraum von 1979 bis 1981 auch die Angaben in Note, 16 Vand. Transnat'l. L. J. 252 Fn. 186 dort, sowie für 1979 bis 1983 die Angaben von Arndt, DÖV 1986, 169, 176 (s. a. Kap. IV, Fn. 185 und 190 hier). In der Bundesrepublik sind Zahlenangaben über die gestellten G 10-Anträge und deren Bescheidung nicht erhältlich. Die Anzahl der richterlich angeordneten Telefonüberwachungen nach § 100 a StPO betrug im Jahre 1983 laut Antwort des Staatssekretärs Dr. Kinkel vom Bundes justizminist erium auf eine parlamentarische Anfrage vom 12.11.1984 ohne Berlin - 964; vgl. BT-Drs. 10/2395, S. 7. Die Zahl der Beschränkungsmaßnahmen nach G 10 soll nur einen Bruchteil hiervon ausmachen; vgl. Borgs / Ebert, Teil B, Rdnr. 16 vor § 1. In einem Beitrag des Magazins. „DER SPIEGEL" 13/1986 vom 24.3.1986, S. 133-140, wird angegeben, daß strafprozessuale Telefonüberwachungen etwa zehnmal so häufig angeordnet werden würden wie G 10-Maßnahmen; die Gesamtzahl der ersteren soll nach diesem Bericht im Jahre 1985 1308 betragen haben. 87 Gerade dieser Umstand spricht eben auch sehr gegen die Auffassung von Arndt, G 10-Verfahren, S. 61 und Dünnebier, Demokratie und Recht 1980, S. 386, daß in einem mit den Ergebnissen einer T Ü nach § 2 G 10 angestrengten Strafverfahren das Gericht wegen des Rechtswegausschlusses in § 9 VI G 10 gar nicht überprüfen dürfte, ob die Entscheidung der G 10-Kommission nach § 9 I I G 10 rechtmäßig gewesen sei. Der BGH hat in der bislang einzigen Entscheidung in diesem Bereich die Frage nicht beantwortet (BGH, NJW 1980, 1700 Ii. Sp. unten - sog. Dirnhofer-Verfahren, vgl. Kap. II, 2). Es gibt m.E. keinen vernünftigen Grund, v. a. nach der Einführung des § 5 V G 10, weshalb diese Entscheidung in einem Strafverfahren gegen den von der T Ü Betroffenen für sakrosankt erklärt werden soll. Entschließen sich die Behörden, von den Überwachungsergebnissen in einem Strafverfahren Gebrauch zu machen, so dürfte das staatliche Geheimhaltungsinteresse in der Regel genau so weit abgesunken sein wie bei einer Benachrichtigung nach § 5 V G 10. Diesen Weg zu einer wenigstens in den gravierendsten Fällen (in denen die Überwachung also nicht nur zur Klärung der „nachrichtendienstlichen Lage", sondern auch zu einer Verurteilung dienen soll) stattfindenden richterlichen ex post-Kontrolle sollte man nicht versperren. Die durch

13 Beier

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V. Übernahme des FISA in das deutsche Recht?

Genauso wichtig wie die Frage der richterlichen Anordnung (und Beaufsichtigung!) der Maßnahme ist aber die Aufstellung stringenter Bedingungen nicht nur für ihre Zulässigkeit, sondern auch für ihre Durchführung. In diesen Regelungen, die beim G 10 vollständig fehlen, liegt neben dem nach der „Nähe" zu einer fremden Macht abgestuften Maßstab der Eingriffsvoraussetzungen der zweite wesentliche Vorteil der amerikanischen Regelung, an dem man sich orientieren könnte. b) Die Übernahme der „minimization

procedures"

Wie bereits beschrieben, ist aufgrund des verfassungskräftigen Verbots eines „general search" und der Gleichsetzung von geheimen Überwachungsmaßnahmen mit „normalen" Durchsuchungen im amerikanischen Recht eine Abhörmaßnahme nur gestattet, wenn bei ihrer Ausführung sog. „minimization procedures" angewandt werden. 88 Dies sind Abhör-,,Techniken", durch die verhindert werden soll, daß für den Zweck der Überwachung irrelevante Gespräche belauscht bzw. aufgezeichnet werden. Die beiden deutschen Telefon-Abhörgesetze kennen solche Vorschriften nicht. 8 9 Für ein zu wohnungsbezogenen „Lauschangriffen" ermächtigenden Gesetz („G 13") wären solche Bestimmungen aber in jedem Fall erforderlich. Bei der Betrachtung der deutschen Rechtslage zu geheimen Überwachungsmaßnahmen wurde festgestellt, 90 daß durch diese Maßnahmen eine Berührung des absolut geschützten „Kernbereichs" menschlicher Freiheit § 5 V 4 G 10 geschaffene Ausnahme vom grundsätzlichen Rechtswegausschluß in § 9 V I G 10 ist daher „weit" auszulegen. Derselben Ansicht sind Borgs / Ebert, Teil B, § 9 Rdnr. 20. 88 Vgl. die Ausführungen i n Kap. IV, 4 e). 89 Für die strafprozessuale T Ü nach § § 1 0 0 a - 1 0 1 StPO wird die Möglichkeit eines solchen Vorgehens auch verneint; vgl. Rudolphi, Die Grenzen der Überwachung des Fernmeldeverkehrs nach § 100 a StPO, in: Festschrift für Friedrich Schaffstein, 1975, S. 431, 434f., und ihm folgend Kleinknecht / Meyer, StPO-Kommentar, 37. Auflage 1985, Rdnr. 3 zu § 100 a. In beiden Fällen wird jedoch nur die „Undurchführbarkeit" solcher „Techniken" behauptet, ohne dies i. e. zu belegen. Die Betrachtung des amerikanischen Beispiels erweist gerade das Gegenteil. I.ü. wird auch von der h.M. zu § 100 a StPO anerkannt, daß die T Ü bei sog. Nachrichtenmittlern oder „Kontaktpersonen" dann abzubrechen ist, wenn es sich um den Verteidiger des Betroffenen handelt (vgl. Kleinknecht / Meyer, Rdnr. 13 m.w.N.). Warum aber dieser Grundsatz etwa bei Gesprächen des Betroffenen mit Familienmitgliedern, die an seinem rechtswidrigen Handeln nicht teilhaben, nicht gelten soll, ist unerfindlich. Vgl. auch Rudolphi, S. 445 f., der den Ausschluß des besonderen Schutzes für Gespräche mit Familienmitgliedern (im Gegensatz zu Gesprächen mit dem Verteidiger) mit dem Hinweis auf den Zweck des Aussageverweigerungsrechtes aus § 52 StPO rechtfertigt. Dies ist m.E. eine zu einseitige Betrachtung, die die Grundrechte der Betroffenen zu wenig berücksichtigt. Nunmehr s. zu dieser Frage auch Welp, NStZ 1986, 294, 298 f. (Anmerkung zu BGHSt. 33, 347 = BGH, NStZ 1986, 323; in dieser Entscheidung wird die h.M. zur Privilegierung des Verteidigers, bei dem eine T Ü als „Nachrichtenmittler" oder „Kontaktperson" nicht statthaft ist, bestätigt - vgl. a. Kap. II, Fn. 63), der ebenfalls die eingangs geschilderte Auffassimg vertritt. 90 Vgl. die Ausführungen in Kap. II, 3 d) und e).

4. Weitere Voraussetzungen für Überwachungsmaßnahmen?

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nicht geschehen darf. Die Abgrenzung dieses „Kernbereichs" vom sog. „kommunikativen Privatbereich", in den staatliche Eingriffe im Allgemeininteresse unter Wahrung des „strikten" Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorgenommen werden dürfen, ist aber sehr schwierig zu ziehen. 91 Wenn man - wie der BGH in seiner „Raumgespräch"-Entscheidimg - die Kommunikation zwischen Eheleuten in der ehelichen Wohnung zu diesem Kernbereich rechnet, so rechtfertigt dies einerseits nicht den völligen Ausschluß wohnungsbezogener Überwachungsmaßnahmen, da - wie bereits dargelegt 92 die Wohnung mit dem Kernbereich nicht gleichgesetzt werden kann. Andererseits wäre es dann aber eine Zulässigkeitsvoraussetzung für solche staatlichen Eingriffe, sie konkret so auszugestalten, daß eine Kernbereichsverletzung vermieden und - entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch sonst nur in dem Maße in die Privatsphäre des Betroffenen eingedrungen wird, wie es der Gefahrenabwehrzweck der Maßnahme erfordert. Um dies zu erreichen, können die in der Abhörpraxis der amerikanischen Behörden entwickelten „minimization procedures" nutzbar gemacht werden. Dies bedeutet zunächst, daß die bei der nachrichtendienstlichen wie bei der strafprozessualen TÜ übliche Praxis, unterschiedslos alle über den angezapften Telefonanschluß geführten Gespräche abzuhören und aufzuzeichnen, auf „Lauschangriffe" nicht übertragen werden dürfte und m.E. auch bei der Telefonüberwachung aufzuhören hätte. 93 Der „Horchposten" müßte daher ständig besetzt sein und die abhörenden Beamten hätten bei jedem Gespräch eine Entscheidung darüber zu treffen, ob es für den Gefahrenabwehrzweck relevant ist und daher belauscht und aufgenommen werden darf oder nicht. Dies ist gerade beim Einsatz von Abhörgeräten zum Belauschen des direkt gesprochenen Wortes besonders schwierig, da Gespräche zwischen zwei oder mehreren Personen natürlich nicht auf ein Thema festgelegt sind, sondern sich überraschende Wendungen ergeben können. Dennoch sind auch hier schon vor Beginn der Maßnahme Abschichtungen bestimmter Personen bzw. Gespräche möglich, die sich mit zunehmender Dauer der Überwachung immer mehr verdichten werden. 94 Wird 91

Vgl. ebd. Abschnitt 3 f). 92 Vgl. ebd. Abschnitt 3 d). 93 Vgl. dazu noch einmal die in Fn. 89 angesprochene h.M. zu § 100 a StPO, nach der die T Ü abzubrechen ist, sobald sich herausstellt, daß einer der Gesprächspartner der Verteidiger des Betroffenen ist. Angesichts der von Carr (Fn. 20), S. 631 mitgeteilten Praxis der deutschen Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendienste, unterschiedslos alle Gespräche aufzunehmen, ohne gleichzeitig selbst mitzuhören und festzustellen, wer die Beteiligten sind (s. dort, S. 631 Fn. 164), erhebt sich die Frage, wie das überhaupt geschehen soll. Erkannt wird dieses Problem bei der Verwendung automatisch arbeitender Tonaufzeichnungsgeräte auch von Welp, NStZ 1986, 294, 298f., der hieraus jedoch nur ein Verwertungsverbot herleitet. Besser wäre es wohl, „unbemannte" automatisch arbeitende Geräte überhaupt nicht mehr zu benutzen. 94 Vgl. zum folgenden Fishman, Wiretapping and Eavesdropping, Rochester (N.Y.) 1978, S. 203 - 240 (§§ 151 - 160). Die dortigen Ausführungen sind fast unverändert nachgedruckt in Fishman, The „Minimization" Requirement in Electronic Surveil13'

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V. Übernahme des FISA in das deutsche Recht?

z.B. die Wohnung des Verdächtigen überwacht, so darf nur abgehört werden, wenn sich außer ihm und seinen engsten Familienangehörigen (Ehegatte, Kinder) noch weitere Personen in der Wohnung aufhalten. Bei der Durchführung der Maßnahme wird es aber notwendig sein, das Belauschen und Aufzeichnen jeweils einzustellen, sobald sich ergibt, daß das Gespräch irrelevant ist bzw. nur private Dinge betrifft; in Zweifelsfällen sollte ebenfalls eingestellt und nur in gewissen Abständen wieder kurze Zeit abgehört werden, um die Art des Gesprächs und die daran beteiligten Personen besser zu identifizieren (sog. „spot-monitoring"). 95 Nur wenn bei diesen Personen zumindest begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sie selbst im Zusammenwirken mit dem dringend Verdächtigen nachrichtendienstlich tätig sind, kann man eine andere Vorgehensweise für erlaubt ansehen. Handelt es sich bei den zu überwachenden Räumlichkeiten um Geschäftsräume oder fremde Botschaften, können die Maßstäbe weniger streng sein; hier könnte man u.U. die Methode anwenden, zunächst jedes Gespräch aufzunehmen und erst danach diejenigen davon, die als irrelevant erkannt werden, zu löschen („after the fact-minimization"). 96 Die bloße Tatsache, daß ein zu überwachendes Gespräch in einer fremden Sprache geführt wird, dürfte aber nicht ausreichen, um diese Methode zu rechtfertigen, da den mit der Spionageabwehr betrauten Nachrichtendiensten bestimmt genügend Fremdsprachenspezialisten zur Verfügung stehen. 97 Ein zureichender Grund für die Anwendung dieser Methode könnte aber z.B. darin gesehen werden, daß die fraglichen Räumlichkeiten nicht von außen observiert werden können, mithin also nicht feststellbar ist, welche Personen sich gerade darin aufhalten. Ob die oben anerkannte absolute Privilegierung von Gesprächen unter Ehegatten bzw. sonstigen einander nahestehenden Personen auch dann zu gelten hätte, wenn gegen beide Ehegatten die Voraussetzungen einer Abhöranordnung bestünden (und eine solche auch eingeholt würde), ist m. E. allerdings zweifelhaft. Die einzige bei der Telefonüberwachung nach § 100 a StPO allgemein anerkannte Privilegierung der Gespräche des Beschuldigten mit seinem Verteidiger endet ebenfalls dann, wenn gegen den Verteidiger selbst die Voraussetzungen einer Überwachung als Täter oder Teilnehmer einer Katalogtat gegeben sind. 98 Zwar ergibt sich diese Ausnahme, was auch lance: Title III, the Fourth Amendment, and the „Dread" Scott Decision, 28 Am. U. L. Rev. 315 (1979), v.a. S. 326ff. und 338ff. 95 s. dazu Fishman, Wiretapping and Eavesdropping, S. 221 f. (§ 156). 96 Vgl. ebd., S. 204ff. (auch zu weiteren Methoden der „minimization", die von den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden angewendet werden). 97 So Fishman, 28 Am. Crim. L. Rev. 345. Vgl. zum FISA für die entgegengesetzte Ansicht die Entscheidung Matter of Kevork, 634 F. Supp. 1002,1016 - 1018 (C. D. Cal. 1985), äff'd 788 F. 2d 566 (9th Cir. 1986), und die Schilderung in Kap. IV, Fn. 144. 98 Vgl. dazu nunmehr BGHSt. 33, 347 = BGH, StrVert 1986, 1 = BGH, NStZ 1986, 323 (m. Anm. Welp ab S. 294); die Privilegierung des Verteidigers ist die einzige allge-

4. Weitere Voraussetzungen für Überwachungsmaßnahmen?

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hier schon betont wurde," aus dem rechtsstaatlichen Gebot des § 148 I StPO, der die Funktionsfähigkeit der Verteidigung und nicht den Schutz der Privatsphäre zum Ziel hat; dennoch sind die Wertungen in beiden Konstellationen einander ähnlich, da es sich beide Male um Bereiche handelt, die staatlicher Kenntnisnahme absolut verschlossen sein sollen: Staatliche Überwachungsmaßnahmen wären gleichermaßen unerträglich, wenn dadurch Einblick in das Verteidigungskonzept des Beschuldigten und seines Verteidigers erlangt werden könnte und das Gebot des „fair trial" der Lächerlichkeit preisgegeben werden würde, als auch dann, wenn hierdurch der Intimbereich der Bürger „durchsichtig" gemacht werden könnte. Wird aber in dem einen Bereich nach allgemeiner Meinung eine Ausnahme zugelassen, erscheint sie für den anderen daher zumindest diskutabel. Entsprechend den hier vorgeschlagenen unterschiedlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Lauschmaßnahmen gegen verschiedene Personengruppen wäre auch das Maß der bei der Vermeidung des Belauschens irrelevanter Gespräche anzulegenden Sorgfalt verschieden. Wegen des bei bundesdeutschen Staatsbürgern und Ausländern ohne „Näheverhältnis" zu einer fremden Macht geforderten hohen Verdachtsgrades dürfte hier die Bestimmung der „relevanten" Gespräche am leichtesten fallen und es könnten strengere Maßstäbe als bei den diplomatischen Vertretern und sonstigen Ausländern angelegt werden, was natürlich nicht heißen soll, daß bei letzteren überhaupt keine Einschränkungen dieser Art mehr zu beachten wären. Wichtig ist schließlich, daß - entsprechend der FISA-Regelung in § 1805 (d) (3) - der anordnende Richter die Einhaltung der Vorkehrungen zur Vermeidung des Belauschens und Aufzeichnens von irrelevanten Gesprächen überprüfen kann. Eine gesetzliche Regelung für diesen Bereich könnte demnach etwa so aussehen: § 6 (I) Geheime Überwachungsmaßnahmen unter den Voraussetzungen des § 1 dieses Gesetzes dürfen nur auf Antrag angeordnet werden. Antragsberechtigt sind: 1. das Bundesamt für Verfassungsschutz durch seinen Präsidenten oder dessen Stellvertreter; 2. die Verfassungsschutzbehörden der Länder durch ihre Leiter oder deren Stellvertreter; mein anerkannte Ausnahme von den weiten Formulierungen des § 100 a S. 2 StPO, der auch die Überwachung sog. „Nachrichtenmittler" und „Kontaktpersonen" erlaubt (s. Fn. 89 hier m.N.). Laufhütte in Karlsruher Kommentar w i l l einerseits diese Ausnahme auf die nach § 53 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten ßerufsträger ausdehnen (Rdnr. 12 zu § 100 a), vertritt aber andererseits (Rdnr. 11) eine restriktivere Interpretation der Ausnahme der Verteidigergespräche - zu Unrecht, vgl. BGH aaO. Zur Rechtslage in den USA in dieser Hinsicht vgl. Carr, ZRP 1978, 244ff. 99 Vgl. Kap. II, Fn. 130.

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V. Übernahme des FISA in das deutsche Recht?

3. ausschließlich bei Handlungen gegen die Bundeswehr das Amt für Sicherheit der Bundeswehr durch seinen Leiter oder dessen Stellvertreter, sofern die Maßnahme gegen einen Angehörigen der Bundeswehr gerichtet ist; 4. ausschließlich bei Handlungen gegen den Bundesnachrichtendienst dieser durch seinen Präsidenten oder dessen Stellvertreter, sofern die Maßnahme gegen einen Angehörigen des Bundesnachrichtendienstes gerichtet ist. (II) Der Antrag ist von den Antragsberechtigten schriftlich zu stellen und muß enthalten: 1. die Identität der zu überwachenden Person sowie eine Beschreibung der Räumlichkeiten, die überwacht werden sollen; 2. eine Darstellung der den Verdacht nach § 2 Abs. 1, § 2 Abs. 2, § 3 Abs. 1 oder § 5 Abs. 1 Nr. 2 dieses Gesetzes begründenden Tatsachen sowie in den Fällen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 eine Erklärimg darüber, weshalb der Verdacht als dringend anzusehen ist oder weshalb eine gemeine Gefahr oder Lebensgefahr im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 dieses Gesetzes besteht, die nur durch eine Überwachungsmaßnahme im Sinne des § 1 dieses Gesetzes abgewendet werden kann; 3. eine Darlegung, weshalb die Erforschung des Sachverhaltes auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre; 4. die Angabe, ob zum Anbringen der Lauschmittel oder im Verlauf der Durchführung der Überwachungsmaßnahme ein heimliches Betreten der in Nr. 1 bezeichneten Räumlichkeiten notwendig sein wird; 5. eine Darstellung der bei der Ausführung der Überwachungsmaßnahme beabsichtigten Vorgehensweisen, durch die verhindert werden soll, daß ein durch den Zweck der Maßnahme im Sinne des § 1 dieses Gesetzes nicht mehr gerechtfertigtes Eindringen in die Privatsphäre der von der Überwachungsmaßnahme Betroffenen erfolgt oder der Kernbereich unantastbarer privater Lebensgestaltung verletzt wird; 6. die beabsichtigte Dauer der Maßnahme; 7. die Angabe des für die Ausführung der Maßnahme verantwortlichen Beamten; dieser muß die Befähigung zum Richteramt besitzen; 8. eine Stellungnahme a) des Bundesministers des Innern in den Fällen des Abs. 1 Nr. 1, b) der zuständigen obersten Landesbehörde in den Fällen des Abs. 1 Nr. 2, c) des Bundesministers der Verteidigung in den Fällen des Abs. 1 Nr. 3, d) des Chefs des Bundeskanzleramtes in den Fällen des Abs. 1 Nr. 4, weshalb der Antrag der ihnen unterstehenden Behörden für notwendig und begründet erachtet wird.

4. Weitere Voraussetzungen für Überwachungsmaßnahmen?

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(III) In den Fällen einer Überwachung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 dieses Gesetzes ist Abs. 2 Nr. 8 nicht anzuwenden. § 7 (I) Die Anordnung der Überwachungsmaßnahme nach § 6 Abs. 1 Satz 1 dieses Gesetzes darf nur durch den zuständigen Richter des Bundesgerichtshofes erfolgen. Dieser darf die Anordnung nur erlassen, wenn 1. der Antrag den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 1 - 8 genügt; 2. nach den im Antrag enthaltenen Darlegungen gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 2 der Verdacht als begründet im Sinne der § 2 Abs. 1, § 2 Abs. 2 oder § 3 Abs. 1 beziehungsweise als dringend im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 oder die gemeine Gefahr oder Lebensgefahr für einzelne Personen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 als nicht anders abwendbar zu erachten ist; 3. die gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 5 beschriebenen Vorgehensweisen bei der Ausführung der Überwachungsmaßnahme nach den Umständen des Einzelfalles ausreichend sind, um ein durch den Zweck der Maßnahme im Sinne des § 1 dieses Gesetzes nicht mehr gerechtfertigtes Eindringen in die Privatsphäre der von der Überwachungsmaßnahme Betroffenen sowie eine Verletzung des unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung zu verhindern; 4. bei einem Antrag durch die in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 bezeichneten Behörden sichergestellt ist, daß die Maßnahme ausschließlich gegen a) einen Angehörigen der Bundeswehr im Falle des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 oder b) einen Angehörigen des Bundesnachrichtendienstes im Falle des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 gerichtet ist. Erachtet der zuständige Richter die im Antrag enthaltenen Darlegungen der antragsberechtigten Behörde oder die Stellungnahme nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 als unzureichend, so ist er berechtigt, weitere Informationen und Stellungnahmen zur Förderung seiner Entscheidung nach Satz 1 und 2 zu verlangen. (II) Die Anordnung der Überwachungsmaßnahme durch den Richter muß enthalten: 1. die Identität der zu überwachenden Person und eine Beschreibung der Räumlichkeiten, gegen die die Überwachungsmittel eingesetzt werden sollen; 2. eine Anordnung, ob zum Anbringen dieser Mittel oder im sonstigen Verlauf der Durchführung der Maßnahme das heimliche Betreten dieser Räumlichkeiten gestattet ist; 3. eine Anordnung über die gemäß Abs. 1 Nr. 3 als ausreichend befundenen Vorgehensweisen nach § 6 Abs. 2 Nr. 5;

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V. Übernahme des FISA in das deutsche Recht?

4. die gemäß Absatz 3 durch den Richter zu bemessende Dauer der Maßnahme; 5. die Angabe des für die Ausführung der Maßnahme verantwortlichen Beamten. (III) Die Höchstdauer einer nach Abs. 1 angeordneten geheimen Überwachungsmaßnahme im Sinne des § 1 dieses Gesetzes beträgt 1. in den Fällen des § 2 Abs. 1 und Abs. 2 sowie des § 3 Abs. 1 drei Monate und 2. in den Fällen des § 5 30 Tage. Sie soll jedoch nur für den Zeitraum angeordnet werden, der für den Zweck der Maßnahme nach § 1 dieses Gesetzes als unbedingt erforderlich erscheint. Verlängerungen um jeweils denselben Zeitraum sind auf Antrag zulässig, sofern die Voraussetzungen der ersten Anordnung fortbestehen. § 8 (I) Die sich aus der richterlichen Anordnung ergebenden geheimen Überwachungsmaßnahmen im Sinne des § 1 dieses Gesetzes sind unter der Verantwortung der beantragenden Behörde und unter Aufsicht des in der Anordnung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 5 bezeichneten Beamten vorzunehmen. Bei ihrer Ausführung sind die gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 getroffenen richterlichen Anordnungen zu beachten; dies gilt insbesondere, wenn zu Wohnzwecken genutzte Räume überwacht werden sollen. (II) Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor oder sind die sich aus der Anordnung ergebenden Maßnahmen nicht mehr erforderlich, so sind sie unverzüglich zu beenden. (III) In den Fällen des Abs. 2 ist der nach § 7 Abs. 1 Satz 1 zuständige Richter auch befugt, die Einstellung der Maßnahme anzuordnen. Hierzu kann und falls sich die Maßnahme gegen eine der in § 5 dieses Gesetzes bezeichneten Personen richtet, soll er in der Anordnung der Maßnahme verlangen, daß ihm von der nach Abs. 1 ausführenden Behörde in regelmäßigen Zeit abständen über den Fortgang der Maßnahme unter besonderer Berücksichtigung der nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 getroffenen Bestimmungen sowie über die Notwendigkeit der Weiterführung der Maßnahme Bericht erstattet wird. Der Richter kann die Beendigung der Maßnahme ferner dann anordnen, wenn seinen gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 erlassenen Bestimmungen von der Behörde nicht ausreichend Folge geleistetet wird. (IV) Zusätzlich zum Einsatz von Lauschmitteln (Abhörgeräten) ist die Verwendung von optischen Überwachungsmitteln gestattet, wenn 1. eine geheime Überwachungsmaßnahme im Sinne des § 1 nach den Vorschriften dieses Gesetzes angeordnet worden ist und 2. sich bei ihrer Durchführung herausstellt, daß ihr Zweck im Sinne des § 1 dieses Gesetzes durch den Einsatz akustischer Überwachungsmittel allein nicht erreicht werden kann, sowie

4. Weitere Voraussetzungen für Überwachungsmaßnahmen?

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3. der nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 zuständige Beamte das Vorliegen der unter Nr. 2 genannten Voraussetzung in einem Antrag an den nach § 7 Abs. 1 zuständigen Richter darlegt und der Richter dem Antrag stattgibt. (V) Eine Erlaubnis zum Einsatz optischer Überwachungsmittel in einer richterlichen Anordnung nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 ist unzulässig. Im Falle einer nachträglichen Erlaubnis zum Einsatz dieser Mittel nach Abs. 4 ermäßigen sich die Fristen des § 7 Abs. 3 mit dem Beginn ihres Einsatzes 1. in den Fällen des § 2 Abs. 1 und Abs. 2 sowie des § 3 Abs. 1 von drei Monaten auf dreißig Tage und 2. in den Fällen des § 5 von dreißig Tagen auf zehn Tage. Anmerkungen: (1) Bei der Festlegung der antragsberechtigten Behörden ist nach deren Aufgabenbereich zu differenzieren. Generell für die Spionageabwehr zuständig sind nach § 3 I Nr. 2 BVerfSchG das Bundesamt für Verfassungsschutz bzw. die Landesämter nach den entsprechenden Länder-Verfassungsschutzgesetzen. Dem Amt für Sicherheit der Bundeswehr und dem Bundesnachrichtendienst können diese Befugnisse jedoch nicht vollständig versagt werden, da einerseits im Zuständigkeitsbereich des Bundesministers der Verteidigung die Spionageabwehr dem MAD obliegt 1 0 0 und man andererseits auch dem Bundesnachrichtendienst die Befugnis zur „Eigensicherung" (= Abwehr der Infiltration durch feindliche Nachrichtendienste) zubilligen muß. 1 0 1 Eine klare Abgrenzung zur „allgemeinen" Spionageabwehr, die nur durch den Verfassungsschutz erfolgen darf, ist aber notwendig; 1 0 2 diese soll durch die Beschränkung der Maßnahmen auf Bundeswehr- bzw. BND-Angehörige erfolgen (§ 6 I 2 Nr. 3 u. 4, § 7 I 2 Nr. 4). (2) Das Erfordernis der Beantragung sowie richterlichen Entscheidung darüber, ob zum Anbringen des Lauschmittels oder im sonstigen Verlauf der Überwachungsmaßnahme das heimliche Betreten der auszuforschenden Räumlichkeiten notwendig sein wird, liegt in der Natur der Sache und soll der Entstehung einer ähnlichen Streitfrage wie in den USA vorbeugen. 103 (3) Eine genauere Definition der als „minimization procedures" anzuwendenden Techniken als die in § 6 I I Nr. 5 und § 7 I Nr. 3 gegebene erscheint in 100 Entsprechend deii Richtlinien über die Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Nachrichtendiensten mit den Strafverfolgungsbehörden in der Fassung vom 23.7.1973; vgl. Gusy, DÖV 1983, 60, 61 re. Sp. m.w.N. 101 s. dazu Rieger, ZRP 1985, 4, und Gusy, Die Verwaltung 1984, 273, 277ff. 102 Zu den einander ausschließenden Aufgaben von Verfassungsschutz (Aufklärung fremder Nachrichtendienste im Inland) und BND (Aufklärung fremder Nachrichtendienste im Ausland) vgl. Gusy (Fn. 101), S. 279. 103 v g l d i e Ausführungen in Kap. IV, Fn. 50 - 52 und den dazugehörigen Text; im FISA ist diese Frage im Gegensatz zu Title I I I ebenfalls geregelt, vgl. § 1804 (a) (8) und § 1805 (b) (1) (D).

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V. Übernahme des FISA in das deutsche Recht?

Anbetracht der Vielzahl der denkbaren Fallgestaltungen kaum möglich und ist auch im FISA nicht versucht worden. 1 0 4 Wichtiger ist hier m.E. die richterliche Anordnung und Aufsicht auch über diesen Aspekt der Durchführung der Maßnahme (§7 1 Nr. 3 und I I Nr. 3 sowie § 8 I I I 3) und die Verpflichtung der ausführenden Behörde zu ihrer Beachtung ( § 8 1 2). Die Ergänzung dieser Vorschriften durch Aufbewahrungs- und Weitergabeverbote folgt unter c). (4) Die Forderung nach der Stellungnahme des politisch verantwortlichen Ministers folgt der FISA-Regelung in § 1804 (a) (7) und entspricht auch dem Gedanken des § 5 I G 10, die Entscheidung (hier allerdings nur über die Stellung des Antrags) auf eine möglichst hohe politische Ebene zu verlagern. (5) Im Rahmen dieses Vorschlages soll beileibe nicht versucht werden, den geeigneten Richter für die Anordnung und Beaufsichtigung solcher Maßnahmen auszudeuten; die Formulierung in § 7 11 orientiert sich lediglich daran, daß auch für Maßnahmen zur Beschränkung von Art. 10 I GG im ersten Entwurf eines „Gesetzes zu Art. 10 GG" von 1964 die Kompetenz zur Anordnung der Beschränkungsmaßnahmen Senatspräsidenten beim Bundesgerichtshof übertragen werden sollte. 105 (6) Im Rahmen des § 7 I 3 könnte man erwägen, den Prüfungsmaßstab des Richters in den Fällen von § 2 I und I I sowie von § 3 I auf den „clearly erroneous "-Standard des FISA zu beschränken, da es sich dort teilweise um die Bewertung nachrichtendienstlicher Prognosen handelt; m.E. reicht der niedrigere Verdachtsgrad („tatsächliche Anhaltspunkte") jedoch aus. (7) § 8 I I entspricht § 7 I I 1 G 10. (8) Die Regelung des Einsatzes optischer Überwachungsmittel in § 8 IV und V soll klarstellen, daß diese Techniken auch bei Vorliegen der übrigen, für „Lauschangriffe" ausreichenden Voraussetzungen nicht ohne weiteres angewandt werden dürfen. Wie bereits erwähnt, kann ihr Einsatz unter der Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips nur dann in Betracht kommen, wenn der Einsatz von Lauschmitteln allein - etwa wegen „Gegenmaßnahmen" der Betroffenen - nicht ausreicht, um den Überwachungszweck zu erreichen. Da sich dies erst nach Beginn der Lauschmaßnahme konkret beurteilen lassen wird, kann eine entsprechende richterliche Anordnung erst dann zulässig sein, § 8 V 1. Um sicherzustellen, daß solche Anträge von den berechtigten Behörden wirklich nur in den Fällen dringender Notwendigkeit vorgenommen werden, w i r d die erhebliche Fristenverkürzung in § 8 V 2 vorgeschlagen. 104 Die FISA-Regelung in 50 U.S.C. § 1801 (h) ist zwar erheblich umfangreicher, äußert sich zu diesem Aspekt aber auch nicht ausführlicher als die Regelung des Title I I I in 18 U.S.C. §2518(5). los vgl. § 4 ι des Entwurfs eines „Gesetzes zu Art. 10 GG", BR-Drs. 209/64 vom 24.4.1964 und BT-Drs. IV/2634 v. 17.10.1964.

4. Weitere Voraussetzungen für Überwachungsmaßnahmen?

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c) Die übrigen notwendigen Regelungen im Rahmen eines „G 13" Eine weitere Voraussetzung des Funktionierens der hier vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung wäre die Statuierung von weitgehenden Verwertungsverboten für die durch geheime Überwachungsmaßnahmen erlangten Erkenntnisse als Beweismittel im Strafverfahren. Für diplomatische Vertreter fremder Mächte und die an ihrer Immunität teilhabenden Personen ist dies freilich nicht notwendig, da hier wegen § 18 GVG die Durchführung eines Strafverfahrens ohnehin ausscheidet. Für Ausländer ohne diplomatische Immunität, aber mit einem ähnlichen „Näheverhältnis" zu einer fremden Macht ist die auf Delikte in § 138 StGB beschränkte Verwertbarkeit der durch die Überwachung direkt oder indirekt gewonnenen Erkenntnisse Bedingung der abgemilderten Überwachungsvoraussetzungen. 106 Bezüglich der nicht in diese Gruppe fallenden Ausländer und Deutschen im Sinne des Art. 116 I GG und der bundesdeutschen Staatsbürger kann dann aber auch nichts anderes gelten. Eine Beschränkung der Verwertbarkeit auf die Straftaten, wegen denen Überwachungsmaßnahmen eingeleitet werden können, und die restlichen in § 138 StGB enthaltenen Delikte entspricht auch der in § 7 I I I G 10 enthaltenen Regelung. Wie die eingangs erläuterte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zeigt, 107 werden bei nachrichtendienstlichen Überwachungsmaßnahmen strikte Beweisverbote mit „Fernwirkung" auch akzeptiert. Entsprechend der „minimization"-Definition des F I S A 1 0 8 sind schließlich Regeln für den nach Abschluß der Maßnahme (Informationsgewinnung) stattfindenden Informationsverarbeitungsprozeß aufzustellen, da auch durch Speicherung und Weitergabe der gewonnenen Erkenntnisse Einbrüche in die Privatsphäre der Betroffenen erfolgen können, die von dem Gefahrenabwehrzweck der Maßnahme nicht mehr gedeckt sind. I n Gesetzesform könnten diese Regeln wie folgt aussehen: § 9 (I) Erweisen sich während der Durchführung der Maßnahme die nach § 8 Abs. 1 Satz 2 anzuwendenden Vorgehensweisen als nicht ausreichend im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 3, so hat unverzüglich nach Beendigung der Überwachungsmaßnahme unter Aufsicht des in der Anordnung nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 bestimmten Beamten eine Auswertung der Überwachungsergebnisse zu erfolgen; sämtliche Aufzeichnungen, aus denen sich ein durch den Zweck der Maßnahme im Sinne des § 1 dieses Gesetzes nicht gerechtfertigtes Eindringen in die Privatsphäre der von der Überwachung betroffenen Personen ergibt oder ergeben kann, sind hierbei zu vernichten. Über die Vernichtimg 106 v g l die Ausführungen i n Abschnitt 3 d). 107 Vgl. dazu die Ausführungen in Kap. II, 2 b) am Ende. 108 Vgl. 50 U.S.C. § 1801 (h) (1) - (4) und die Erläuterungen hierzu i n Kap. IV, 4 e).

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V. Übernahme des FISA in das deutsche Recht?

ist eine Niederschrift anzufertigen und dem nach § 7 Abs. 1 Satz 1 dieses Gesetzes zuständigen Richter zuzuleiten. (II) Nach Abschluß einer jeden Überwachungsmaßnahme im Sinne des § 1 dieses Gesetzes und gegebenenfalls der Auswertung nach Abs. 1 kann - und in den Fällen des § 5 soll der nach § 7 Abs. 1 Satz 1 zuständige Richter selbst die Überwachungsergebnisse auf Einhaltung der von ihm in der Anordnung der Maßnahme gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 getroffenen Bestimmungen überprüfen. Er kann hierbei die Vernichtung von Teilen der Überwachungsergebnisse anordnen; dies gilt auch dann, wenn bereits eine Vernichtung nach Abs. 1 stattgefunden hat. (III) Eine Verwertung der Überwachungsergebnisse oder anderer Kenntnisse oder Unterlagen, zu denen die Überwachungsergebnisse den Weg gewiesen haben, als Beweismittel zum Nachteil der von der Maßnahme Betroffenen ist in allen Fällen nur dann möglich, wenn dies in einem Strafverfahren zum Nachweis einer in § 138 des Strafgesetzbuches bezeichneten Straftat geschehen soll. In den Fällen des § 5 dieses Gesetzes ist bereits die Erforschung anderer als der in § 138 des Strafgesetzbuches bezeichneten Straftaten unter Zuhilfenahme der Überwachungsergebnisse untersagt. (IV) Sind die Überwachungsergebnisse zu dem in Abs. 3 genannten Zweck oder zur Erforschung von Sachverhalten unter Beobachtung der Bestimmung in Abs. 3 Satz 2 nicht mehr erforderlich, so sind sie unter Aufsicht des in der Anordnung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 5 dieses Gesetzes bezeichneten Beamten zu vernichten. Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend. § 10 (I) Geheime Überwachungsmaßnahmen im Sinne des § 1 dieses Gesetzes sind den Betroffenen nach ihrer Einstellung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zweckes der Maßnahme dabei ausgeschlossen werden kann. Läßt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend beurteilen, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist die Mitteilung vorzunehmen, sobald eine Gefährdung des Zweckes der Maßnahme ausgeschlossen werden kann. Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn diese Voraussetzung auch nach fünf Jahren seit Beendigung der Überwachungsmaßnahme noch nicht eingetreten ist. (II) Mitteilungen nach Abs. 1 ergehen durch diejenige der in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 - 4 bezeichneten Behörden, die die Überwachungsmaßnahme durchgeführt hat. Der nach § 7 Abs. 1 Satz 1 dieses Gesetzes zuständige Richter ist hiervon sowie von dem Verzicht auf eine Mitteilung zu unterrichten. Hält der Richter im letzteren Falle eine Mitteilung für geboten, so hat die nach Satz 1 zuständige Behörde diese unverzüglich zu veranlassen. §11 (I) Geheime Überwachungsmaßnahmen im Sinne des § 1 sowie die unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 zusätzlich erlaubten Maßnahmen dürfen nur nach den Bestimmungen dieses Gesetzes vorgenommen werden.

4. Weitere Voraussetzungen für Überwachungsmaßnahmen?

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(II) Kontrollrechte über einzelne Maßnahmen dieser Art stehen weder dem Bundesbeauftragten oder den Landesbeauftragten für den Datenschutz noch der Parlamentarischen Kontrollkommission im Sinne des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes vom 11. April 1978 (BGBl. I I I 12 - 3) zu. (III) Die Bestimmungen des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses („G 10") vom 13. August 1968 in der Fassung vom 13. September 1978 (BGBl. I I I 190 - 2) bleiben unberührt. Anmerkungen: (1) § 9 I entspricht der amerikanischen Praxis der „after the fact-minimization"; diese sollte jedoch unbedingt die Ausnahme bleiben und nur bei Unmöglichkeit der während der Überwachungsmaßnahme anzuwendenden „minimization"-Techniken zur Anwendung kommen. 109 (2) Die Regelung in § 9 I I soll klarstellen, daß der Richter auch noch nach der Beendigung „Herr der Maßnahme" bleibt. 1 1 0 (3) Die Beweisverwertungsverbote mit „Fernwirkung" in § 9 I I I entsprechen dem oben Gesagten. Bei Überwachungsmaßnahmen gegen den in § 5 genannten Personenkreis muß auch die Erforschung anderer als der in § 138 StGB aufgeführten Delikte mittels der Überwachungsergebnisse untersagt werden, da sonst die dort aufgestellten Beschränkungen unterlaufen werden könnten. Überwachungsergebnisse von den in § 5 genannten Personen wären also ausnahmslos dann zu vernichten, wenn sie für ein Strafverfahren wegen eines in § 138 StGB enthaltenen Delikts nicht ausreichen, § 9 IV. Bei den in § 2 und § 3 genannten Personen kann dagegen die Erforschung anderer Sachverhalte wegen der umfassenderen Überwachungsermächtigung zulässig bleiben (§ 9 IV); dies betrifft jedoch nicht die Verwertung der Überwachungsergebnisse als Beweismittel (§ 9 III). (4) Die Regelung der Mitteilungspflicht in § 10 entspricht der in den §§ 5 V, 9 I I I G 10. Da der Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden soll, ist hier keine an die Mitteilung geknüpfte Eröffnung desselben notwendig. Bei den in § 2 und § 3 dieses Gesetzesvorschlags bezeichneten Personen wird 109

Nach Carr (Fn. 20), S. 636 ist bei den deutschen Strafverfolgungsbehörden die Auffassung vorherrschend, die nachträgliche Auswertung der Ergebnisse der TÜ und Vernichtung des nicht relevanten Materials komme der Anwendung von „minimization "-Techniken während der Maßnahme gleich. Für wohnungsbezogene „Lauschangriffe" kann man dies wegen der Nähe zum „Kernbereich" mit Sicherheit nicht behaupten; m.E. ist dies aber auch für die T Ü unzutreffend. Vgl. schon Fn. 93. 110 Ähnlich Welp, Strafprozessuale Überwachung, S. 104, der für die T Ü nach § 100 a StPO die Aussonderung des nicht relevanten Materials durch den die Anordnung nach § 100b 11 StPO erlassenden Richter fordert. Nach h.M. dagegen trifft die Entscheidung über die Vernichtung im Ermittlungsverfahren die StA, danach das mit der Sache befaßte Gericht; vgl. Kleinknecht / Meyer, Rdnr. 7 zu § 100 b StPO und nunmehr Schnarr, MDR 1987, 1.

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V. Übernahme des FISA in das deutsche Recht?

eine Mitteilung sehr häufig nicht in Betracht kommen; dies kann jedoch kein Grund sein, eine Mitteilungspflicht von vornherein vollkommen auszuschließen. 111 (5) § 111 soll die zukünftige Berufung auf § 34 StGB direkt oder analog oder sonstige „überverfassungsrechtliche" Notstände ausschließen. Falls man der Polizei zur Abwehr von gemeinen Gefahren oder Lebensgefahren für einzelne Personen ebenfalls eine Ermächtigung zu „Lauschangriffen" geben wollte - was wegen Art. 13 I I I 1. Alt. GG aber m.E. nicht unbedingt notwendig wäre - müßte der Text entsprechend geändert werden. (6) Die Regelung in § 11 I I ist zur Kompetenzabgrenzung zwischen den verschiedenen dort aufgeführten Kontrollinstanzen notwendig. Die Kontrolle sollte, schon wegen der notwendigen Geheimhaltung, nur bei einer Stelle konzentriert sein - hier also bei dem für die Anordnung und Beaufsichtigung der Überwachungsmaßnahme zuständigen Richter. 112 (7) Wegen des fehlenden Rechtswegausschlusses stünde einer Inzidenterüberprüfung der Rechtmäßigkeit der Überwachungsmaßnahme etwa in einem Strafverfahren nichts im Wege. Da diese wegen der hier vorgeschlagenen Beweisverwertungsverbote aber eher selten vorkommen würde, könnte dies für eine justizförmige Kontrolle der Maßnahmen allein nicht ausreichen - ganz abgesehen von den Fällen, in denen nicht einmal eine Mitteilung an den Betroffenen erginge. 113

111 Der FISA enthält übrigens keinerlei Mitteilungspflicht; lediglich im Falle der Verwendung der Überwachungsergebnisse „ i n any trial, hearing, or other proceeding in or before any court, department, officer, agency, regulatory body, or other authority of the United States" muß dem Betroffenen vorher von der Absicht der Behörden Mitteilung gemacht werden, § 1806 (c) und (d), damit dieser eventuell eine „motion to suppress" mit der Begründung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme stellen kann, § 1806 (e). 112 Vgl. dazu den Streit um etwaige Kontrollrechte des Bundesbeauftragten für den Datenschutz im G 10-Bereich zwischen Arndt, G 10-Verfahren, S. 62 f., und neuerdings auf der Basis des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu § 3 G 10 (BVerfGE 67, 157 = BVerfG, NJW 1985, 121), Riegel, DÖV 1985, 314ff., der den Streit durch diese Entscheidung zugunsten des BfD geklärt sieht (S. 317 f.), weil das BVerfG mehrere Tätigkeitsberichte des BfD zitiert. Auch wenn dies für Maßnahmen nach § 3 G 10 tatsächlich der Fall sein sollte, sagt dies noch gar nichts über die Kontrolle der Individualmaßnahmen nach § 2 G 10, wo es im Unterschied zu § 3 keinen Massenanfall von Daten, dafür aber eine Benachrichtigungspflicht gibt. Riegel erweist sich hier m.E. wieder einmal als Meister im „Hineinlesen"; s. a. Kap. II, Fn. 36 u. 198. Zu dieser Fragestellung s. nunmehr auch Borgs / Ebert, Teil B, § 9 Rdnrn. 18f., wo Kontrollrechte des BfD im G 10-Bereich verneint werden. 113 Vgl. die Ausführungen in Abschnitt 4 a).

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