Fur Richard Wagner! Die Rosenstöcke-Bilder seiner Tochter Isolde 3412209961, 9783412209964

Die Aquarelle, die die funfzehnjahrige Isolde von Bulow 1880 anlasslich des Geburtstags ihres Vaters Richard Wagner gema

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German Pages 158 [160] Year 2013

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Fur Richard Wagner! Die Rosenstöcke-Bilder seiner Tochter Isolde
 3412209961, 9783412209964

Table of contents :
412-20996 Beidler, Rosenstöcke
Cover
Impressum
ISBN 978-3-412-20996-4
Inhalt
Vorwort
Einleitung
Rosenstöcke
Anhang
Siglen
Literatur
Endnoten
Personenregister zu »Rosenstöcke«

Citation preview

DAGNY R. BEIDLER

Für Richard Wagner! DIE »ROSENSTÖCKE-BILDER« SEINER TOCHTER ISOLDE

2013 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Großer Dank gilt Oswald Georg Bauer für seine Vorschläge bei der Entzifferung der Bilder. Er gab viele wichtige Hinweise und Anregungen. Besonderer Dank geht auch an Eva Rieger, die das Manuskript durch Kritik und Vorschläge mitgestaltet hat. Die Mariann-Steegmann-Foundation trug mit einem Druckkostenzuschuss zum Erscheinen bei.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Rosenstock-Bild auf das Jahr 1875 Abbildungen: Der Abdruck sämtlicher Abbildungen in diesem Buch erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Nationalarchivs der Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth

© 2013 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D–50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Umschlaggestaltung: Judith Mullan, Wien Korrektorat: Kornelia Krones, Wien Layout und Satz: Carolin Noack, Wien Druck und Bindung: BALTO print Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Lithuania ISBN 978-3-412-20996-4

Vorwort » 007 Einleitung » 011 Rosenstöcke » 019 Anhang » 151

Vorwort

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um 22. Mai 1880: Wagners 67. Geburtstag, der in der Villa d'Angri in Neapel festlich begangen wurde, malte Isolde, Wagners ältestes Kind, für hochstämmige üppig blühende Rosenstöcke Manschetten.« Ein Zettel mit diesem Text liegt im Richard-Wagner-Archiv in Bayreuth mit den Zeichnungen. Beim Betrachten dieser Bilder tauchen Fragen auf: Wie kommt ein fünfzehnjähriges Mädchen dazu, sich eine solche Aufgabe zu stellen? Wie traf sie die Auswahl der Ereignisse, die sie darstellen wollte? Woher nahm sie die Ideen zu den Bildern? Und wie viel Zeit und Energie verwendete sie auf das Geschenk für ihren Vater? Leider ist es nur möglich, die Antworten zu erahnen. Isolde hatte keine Ausbildung in Malerei, sie war aber künstlerisch begabt. Es drängte sie, den Geburtstag ihres Vaters festlich und mit großem künstlerischem Aufwand zu begehen. Warum es gerade der 67. war, wissen wir nicht. Geburtstage wurden aber im Hause Wagner schon immer, auch zu Minnas Zeiten, festlich gefeiert. Hat Cosima sie dazu angehalten? Sicherlich hätte sich die eher aufmüpfige Tochter nicht dazu zwingen lassen. So bleibt die Frage nach der Veranlassung für diese einmalige Aufgabe offen. Es war wohl ihre große Liebe zu, aber auch die Bewunderung für ihren Vater neben der Dankbarkeit, dass er den Kindern eine schöne Jugendzeit ermöglichte. Man liest aber auch daraus, wie sehr Wagner im Zentrum der Familie stand. Die Aquarelle zeigen, dass Isolde die autobiographischen Aufzeichnungen ihres Vaters Mein Leben ebenso kannte wie seine Schriften, und bemüht war, sein Leben von der Geburt an bis 1880 in vielen Facetten darzustellen. Als Enkelin und einzige lebende Nachfahrin Isoldes freut es mich besonders, durch Gudrun Föttinger (Wagner Archiv in Bayreuth) auf diese Bilder aufmerksam gemacht worden zu sein, die direkt aus dem Nachlass der Familie Wagner stammen und niemals vollständig in den Druck gelangt sind. Nach reiflicher Überlegung scheint es mir gerechtfertigt, zu Richard Wagners 200. Geburtstag die Zeichnungen seiner Tochter der Öffentlichkeit zu präsentieren, zumal sie Stationen im Leben ihres Vaters markieren und einen Überblick über sein Schaffen ermöglichen, das auf diese Weise ganz anders präsentiert wird als durch das herkömmliche Verfahren des schriftstellerischen Nachzeichnens. Bei einigen Darstellungen hilft Isolde bei der Entzifferung, indem sie Titel verwendet. Bei anderen gelang es nicht immer, eine erschöpfende Deutung zu erbringen, denn Isolde legt Spuren, gibt Rätsel auf und macht zuweilen Fehler. Daher sind die beigefügten Kommentare nur Versuche, die Zeichnungen zu verstehen und zu interpretieren. Sie laden den Betrachter dazu ein, sich seine eigenen Gedanken zu machen. Die Hingabe an die Arbeit lässt die starke Verbundenheit zwischen Vater und Tochter erahnen. Wie schwer muss es sie getroffen haben, als ihr die Vaterschaft Wagners abgesprochen wurde. Besonders geschmerzt haben wird sie die Tatsache, dass ihr

Sohn, Franz Wilhelm, dadurch vom Erbe Bayreuths ausgeschlossen und sie der Gesellschaft gegenüber verleugnet worden war. Der Tag der Übergabe der Rosenstöcke mit den gemalten Manschetten wurde mit einem Spaziergang und einer Fahrt auf dem Meer gekrönt: »Fünf Barken wiegen sich wandelnd den seligen Ufern entlang im Mondschein, der uns mit sanfter Wärme zu umstrahlen scheint, Neapel glänzt in der Ferne, träumerisch schließt der Vesuv es ab, und seliger als alles Äußere der Seelen-Einklang, der alle verbindet«, notiert Cosima. »Wir kehren heim in den erleuchteten Saal, und der Tag und der Abend werden mit den Chören aus Parsifal, von unseren Kindern und den Freunden Plüddemann, Rubinstein, Humperdinck und Richard gesungen.«01. Neun Tage später berichtete Wagner Ludwig II. begeistert von der »passioniertesten Malerin« Isolde und schickte dem König zwei Zeichnungen von ihr. Vielleicht verraten die fröhlich-ironischen, ernsthaft-detaillierten Bilder etwas vom Charakter Isoldes, die sich noch sicher im Schoß ihrer Familie fühlte und ungebrochen ihren Stolz auf den Vater kundtun konnte. Die Veröffentlichung dieser Aquarelle soll die glücklichen Zeiten ihres Lebens aufleben lassen. September 2012 Dagny Beidler

Vorwort

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Einleitung »Vor fünfzehn Jahren wurdest du geboren: Da spitzte alle Welt die Ohren; Man wollte ›Tristan und Isolde‹ – doch was ich einzig wünscht' und wollte Das war ein Töchterchen: Isolde! Nun mag sie tausend Jahre leben Und ›Tristan und Isolde‹ auch daneben! Vivat hoch! R. W.«02

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ieses Gedicht – in der Handschrift eines Kindes, vermutlich Isoldes (in der Familie »Loldi« genannt) – fügte Cosima ihrem Tagebucheintrag vom 10. April 1880 bei, Isoldes 15. Geburtstag. Vermutlich dichtete es Richard aus dem Stegreif heraus, und das Geburtstagskind schrieb es auf. Diesem Gedicht kommt eine spezielle Bedeutung zu, denn Richard bekennt sich darin zu seiner erstgeborenen Tochter. Cosima ist sonst recht vorsichtig in der Zuordnung ihrer Kinder zu deren jeweiligen Vätern. Während Daniela und Blandine eindeutig als BülowKinder gelten und die Freude über den männlichen Spross Siegfried eine andere Vaterschaft wie selbstverständlich ausschloss, ist dies bei Eva und Isolde eine peinliche Angelegenheit, denn beide waren in der Zeit der Ehe mit Hans von Bülow geboren worden. Man findet meist nur versteckte Hinweise auf Isoldes wahre Herkunft, wie in der folgenden Eintragung aus Cosimas Tagebuch: »Mich freut es, in Eva's Auge die Tiefe und Schärfe, in Loldi's Blick die Extase, in Fidi's den Witz von Richard's Auge zu finden.« Einmal sagte Richard erregt zu Cosima: »Nicht einen Augenblick würde er schwanken, für das Wohl der Kinder seine Werke zu opfern, nicht einen Augenblick, Tristan für Isolde, Meistersinger für Eva, den Ring für Siegfried. ›Das ist Leben‹, sagt er.«03 In solchen Momenten war es ihm wichtig, nur die eigenen Kinder zu erwähnen, zu denen Isolde selbstverständlich gehörte. »Die nicht möglich zu anregende Adoption von Isolde und Eva ist ihm auch ein großer Kummer!«, heisst es bei Cosima im Juni 1882. Er hätte sich gerne zu den Kindern bekannt. Es wurde aber nichts unternommen, diesen Zustand zu ändern. Erschwert wurde die Wahrheitsfindung durch Bülows Beharren darauf, dass es sich bei Isolde und Eva um seine eigenen Kinder handelte. In seinem zweiten Testament vom 4. August 1887 behauptete er, vier Töchter mit Cosima gehabt zu haben, und vermachte Isolde und Eva je 40 000 Reichsmark – nach Ansicht seines Biographen Alan Walker aus Rachegefühlen Cosima und Richard gegenüber.04 Wagner hatte sich immer Kinder gewünscht, aber seine erste Ehefrau Minna erlitt auf der Flucht von Riga einen schweren Reiseunfall. Natalie, ihre außereheliche Tochter, behauptete, dass Minna damals schwanger gewesen sei, ihr Kind dabei verloren habe und von der Zeit an unfruchtbar war.05 Wagner genoss daher mit 52 Jahren die Geburt seines ersten Kindes Isolde. Isoldes Kindheit kann man als glücklich bezeichnen. In Tribschen bei Luzern aufgewachsen, erlebte sie ein Umfeld, das liebende Eltern und hilfsbereite Dienerschaft ihr schufen. Zeitweilig gab es neben vier Bediensteten eine Erzieherin, eine Kindsmagd, eine Köchin sowie zwei Hunde und Pfauen. Seinen Tagesablauf schildert Wagner wie folgt: »Um 7 Uhr steh' ich auf: bin ich gut gelaunt, so zieht mich Vreneli wunderschön an; wenn nicht, muss Steffen gleich die Strassenkleider bringen. Zwischen 8 u. 9 Uhr wird

bei mir, oder bei Cosima gefrühstückt; dann getrennt, gedämmert, – endlich gearbeitet. 1 Uhr Mahlzeit. 3 Uhr großer Spatziergang. Zwischen 5 u. 6 Uhr Heimkehr, halbe Stunde Kinderstube; Gehübungen Isold'chen's. Dann Umkleidung: Arbeit, während Cosima den Kindern französische Stunde giebt. 8 Uhr Thee auf meinem Zimmer, 9 bis ½ 11 Uhr Dictiren an meiner Biographie. Aus war's! Und so geht's alle Tage«06. Die Tagebücher Cosimas verraten eine modern anmutende Erziehung, bei der die Kinder sich viel im Freien bewegten und in verschiedenen Fächern von der Mutter unterrichtet wurden. Es gab Spielzeug im Überfluss und man besuchte den Zirkus, wenn er in Luzern auftrat. Gesellschaftsspiele wie Domino waren ebenso beliebt wie Charaden und es gab ein eigenes Puppentheater, das Nietzsche, damals ein Freund der Familie, aufbauen half. Man unternahm Kahnfahrten und die Kinder erlernten das Schwimmen, was für Mädchen im 19. Jahrhundert keineswegs üblich war. Gewöhnlich speisten die Kinder in einem eigenen, abgetrennten Raum, aber es kam auch vor, dass sie zusammen mit den Eltern die Mahlzeiten einnehmen durften. »Speise, Spiel, Spaziergang teile ich mit ihnen, und Richard nennt mich die gute Glucke.« Besonders gerne machte Richard mit der Familie Ausflüge in die Umgebung, wobei er die Kinder verwöhnte. Richard genoss seinen Status als Familienvater in vollen Zügen. Als er und Cosima in Berlin weilten, schrieb sie: »An die Kinder denkt Richard beinahe immer mit rührendster Zärtlichkeit, er ist glücklich, daß dort im Paradiese die kleinen Wesen unser harren.«07 »Ich küsse euch à la Loldi, d. h. recht lange und stark«, berichtete Cosima einmal an Daniela und unterstrich damit das Heftige von Isoldes Naturell. Richard meint, ich sei Loldi's Tochter, wegen der Lebhaftigkeit meiner Empfindungen«, vertraut sie ihrem Tagebuch an.08 Isolde besaß ein leidenschaftliches Temperament, war die Lebhafteste der Geschwister und hatte Humor, der von Richard geschätzt wurde: »R. hebt Loldiʼs Humor hervor und wie sie seinen Witz verstehe«. Sie konnte sich manchen offenen Schlagabtausch mit der Mutter leisten, ohne bestraft zu werden. Von Zeitgenossen wurde sie oft als die Lieblingstochter Cosimas bezeichnet. Im August 1870 heirateten Cosima und Richard und zwei Jahre darauf übersiedelte die Familie nach Bayreuth, wo die Kinder sich rasch einlebten. Sie durften oft Reisen mitmachen, z. B. im September 1875 nach Prag und im November nach Wien. Richard zeigte den Kindern Schönbrunn, wo er mit ihnen die Menagerie und das Aquarium besuchte. Die ganze Familie schaute sich eine Aufführung der Mozartschen Zauberflöte an. Die Eltern bemühten sich sehr um eine umfassende Bildung der Kinder, um nachhaltige Eindrücke und Erlebnisse und vermittelten auch Familienwärme. Große Aufregung herrschte bei den ersten Festspielen 1876, die die Kinder hautnah miterlebten: Proben, Besuche der Mitwirkenden in der Villa Wahnfried, Probleme und allgemeine Erregung bis zur Aufführung des Ring des Nibelungen mit internationalem Presseecho.

Einleitung

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1882 heiratete Isoldes Halbschwester Blandine einen italienischen Adeligen, Graf Biaggio Gravina. Isolde besuchte sie häufig in Italien; zwischen den beiden herrschte eine liebevolle Vertrautheit. Sechs Jahre darauf heiratete Cosimas älteste Tochter, Daniela, den Kunsthistoriker Henry Thode. Die Ehe war unglücklich und Daniela zog sich bald an den Gardasee zurück. Für Eva war die Ehefrage nicht so drängend, weil sie von ihrer Mutter als Sekretärin beansprucht wurde und sich für unentbehrlich hielt. Nur Isolde, die wie alle Patriziertöchter im 19. Jahrhundert keinen Beruf erlernen durfte, war noch nicht »unter der Haube«. Was für eine Persönlichkeit hatte Isolde? Es ist nicht einfach, ihren Charakter zu umreißen. Ihr Humor und ihre Lebendigkeit waren es wohl, die ihr eine Sonderstellung unter den Geschwistern gaben; sie konnte durch freche Sprüche eine ernste Atmosphäre aufbrechen und hatte wohl ein intuitives Gespür für vieles, was unausgesprochen in der Luft lag. Cosima charakterisierte sie einmal dem späteren Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain gegenüber: »Sie hat keine Genialität, aber Genie (was ich unter Genie verstehe). Von einer Harmlosigkeit, von der sich kein Mensch draußen auch nur einen Begriff zu machen vermöchte, kann sie durch den Einfluß der Welt nur perturbiert werden; ihr fehlt jede Schärfe, um sie zu durchschauen, sie hat nur Sinn und keine eigentlichen Gedanken, daher auch kein Vergnügen am Reden. Viele Talente und keine Freude an der Ausübung derselben. Gar kein Verständnis für Ironie und unendlich viel Humor. Wenige Menschen werden mit ihr etwas anzufangen wissen, aber die Tiere verstehen sich mit ihr, und noch heute höre ich das Lachen, womit sie mich in ihrem Kinderwagen empfing, wenn ich von Spaziergang heimkehrte, wobei sie sich kerzengrad aufrichtete und wie eine Walküre wieherte. Man hat mir immer vorgeworfen, daß ich sie vorzog; das tat mein Vater, dem sie am ähnlichsten (auch in der verschwenderischsten Generosität) ist. Ich habe sie nur erkannt und wünschte ihr einen Mann, den sie liebte. Das wird aber schwer sein, denn sie versteht nur das Absolut-Männliche, alles andere zieht sie nicht an, und da sie gar nichts will, fürchte ich, daß mein Wunsch ein frommer bleibt.«09 Der Versuch einer objektiven Einschätzung der eigenen Tochter beeindruckt und in vielem hat Cosima recht, nur befremdet ihre insgesamt gefühlskalte Beurteilung. Cosimas Wunsch blieb nicht »fromm«, denn Isolde fand 1894 in dem sieben Jahre jüngeren Dirigenten Franz Beidler den Mann ihres Lebens. Geheiratet wurde 1900 und am 16. Oktober 1901 erfolgte die Geburt des einzigen Sohnes, Franz Wilhelm. Der Dirigent stammte aus St. Gallen, wo er Schule und Gymnasium absolviert hatte. Anschließend nahm er seine Musikstudien an der von Franz Liszt gegründeten Weimarer Musikschule auf. In Bayreuth begann er als Lehrer an der Stilbildungs-Schule und trat 1896 offiziell als musikalischer Assistent in das Bayreuther Unternehmen ein. Er wirkte dort auch als Solorepetitor und musikalischer Assistent, ehe er 1904 zum Dirigenten der Festspiele ernannt wurde, eine große Ehre für einen so jungen Mann. Er leitete den Ring des Nibelungen.

Er wurde als »ein hervorragender Musiker von großer Arbeitskraft und künstlerischer Geltung« geschätzt.10 1902 erhielt er den ehrenvollen Auftrag, am Moskauer Hof zu dirigieren; Isolde begleitete ihn und ließ den Sohn in sorgfältiger Obhut in Bayreuth zurück. Einen großen Erfolg errang Franz Beidler auch in Petersburg und erhielt dort den Titel »Kaiserlicher Hofkapellmeister«. Eine glanzvolle Karriere schien sich anzubahnen. Cosima schrieb nach Russland: »Ich gratuliere! [ … ] Heute besuchten wir den kleinen Will [ … ]. Mir ist es, als ob ich träumte, wenn ich bei deinem Kinde nun dieselbe traute schweizer Sprache höre, wie einst bei Euch dreien! Die Wendung in Franzen's Leben ergreift mich auch sehr, als Sohn von Wahnfried u. Vertreter Bayreuth's durfte er nicht sich an elendem Zeug wegwerfen. Er mußte rein und edel bleiben als Künstler! Das ist Fügung.«11 Als 1905 der Chorleiter und Dirigent Julius Kniese starb, bot Cosima Franz Beidler seine Nachfolge an. Er lehnte, mit dem Einverständnis Isoldes, ab. Ihm schien, im Lichte seines Ansehens, das er sich inzwischen erworben hatte, das angebotene Amt wohl eine Herabstufung. Nach Rückkehr aus dem Ausland musste er feststellen, dass ihm die Assistentenrolle zugedacht und Siegfried zum Kronprinzen und Erben der Festspiele auserkoren war. Diese Position stand Siegfried auch zu, Beidler fiel es jedoch schwer, sich schweigend in die zweite Reihe einzuordnen. Isolde litt an der Benachteiligung ihres Mannes. Mit der Zeit schlichen sich in der Zusammenarbeit zwischen Franz Beidler und Siegfried Wagner Konflikte ein. Im August 1906 kam es zum entscheidenden Eklat, als Cosima Franz zwei Parsifal-Dirigate anbot. Dies war angesichts seiner jahrelangen Tätigkeit in Bayreuth wenig und Isolde versuchte, bei ihrer Mutter mehr zu erreichen. Cosima erwiderte, dass sie jeden Anschein von »Familien-Protection« vermeiden wolle und daher auf mehr verzichtet habe, was das Ehepaar verletzen musste. Franz machte nun einen schweren Fehler. Er sagte kurzfristig ab. Dabei hoffte er, Cosima würde aus der Not heraus einlenken und ihm mehr versprechen. Diese hatte aber bereits einen anderen Dirigenten, Michael Balling, und war wütend über den Affront. Das Dirigat zu verweigern war ein ernstzunehmender Tabubruch: Franz hatte sich der ehrwürdigen Leiterin widersetzt und sie war nicht bereit, dies zu tolerieren. Cosima schrieb einen vernichtenden Brief an Franz Beidler, in dem sie sich gegen seine Erpressung wehrte. »Ihr habt Beide geglaubt, dass Muck seine schwere Krankheit fingire, um Dir einen Streich zu spielen! Man beurtheilt die Anderen nach sich und derlei stammt nicht von Wahnfried.« Sie ging dann auf sein dirigentisches Können ein und bescheinigte ihm, »Anlage zu einem bedeutenden Dirigenten« zu haben. Er besitze »Präcision, Festigkeit und Gewalt und musikalisch-dramatisches Bewußtsein und Stil«. Es fehle ihm aber nach ihrer Einschätzung an Technischem sowie an »Zartgefühl, Innigkeit und Entrücktheit«. Sie erhoffte sich von ihm eine »Wiedergeburt [ … ] Bis zu

Einleitung

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dieser Wiedergeburt, die sich in Thaten kundgeben muss, sind wir geschieden«12. Damit kritisierte Cosima Beidler charakterlich und künstlerisch und sagte nicht deutlich, was für Taten er vollbringen müsste, um wieder akzeptiert zu werden. Cosima fand es angebracht, Beidler für eine Weile fortzuschicken. Es wurde veranlasst, dass er in Manchester für den Dirigenten Hans Richter, Wagners langjährigen Assistenten, Konzerte übernehmen sollte. Isolde und der kleine Sohn begleiteten ihn nach England. Richter wurde in dieser Zeit in Manchester angegriffen, da seine Programme zu konventionell waren. Beidler musste die vorgegebenen Musikstücke übernehmen. Die Kritik an seinen Konzerten war also künstlerisch oft unbegründet. Im Oktober 1907 bedankte sich Cosima bei ihrem Administrator Adolf von Groß, der offenbar Druck auf Beidler ausgeübt hatte, und zitierte Richter, der das Wirken desselben in Manchester beobachtet hatte: »Beide, Loldi und ihr Mann, seien sehr nett und vernünftig gewesen – er, willig bestrebt und bescheiden, habe ihm gesagt, er sei zu früh in die Stellung nach Bayreuth gekommen, ihm fehlten zu seiner Entwickelung die Mittelglieder.« Cosima fuhr fort: »So wären wir denn an dem heilsamen Punkt angelangt, von dem aus ein neues Leben als Ausdruck der Einkehr in sich und der Reue, welche bis jetzt noch keine Worte selbst fand, beginnen kann – die Sache war auf den Kopf gestellt, jetzt steht sie auf den Füßen und wird daher gehen. Ich glaube, daß meine und meiner ganzen Familie geschlossene und einheitliche Haltung in dieser Frage das ihrige dazu beitrug, um diese Wendung hervorzubringen – er hätte sonst Manchester ebensowenig angenommen als Mannheim und Prag und sich Richter ebensowenig gefügt als sonst jemandem.«13 Das Sich-Fügen war nicht Beidlers Sache, der Konflikt schwelte weiter und es ist anzunehmen, dass es inzwischen um mehr ging. Siegfried wurde 1907 zum Leiter der Bayreuther Festspiele bestimmt; Cosima entschied, alle Entscheidungsgewalt an ihn abzugeben. Gleichzeitig errangen Isoldes Schwester Eva und deren Mann Houston Stewart Chamberlain eine Sonderstellung im Hause der Mutter. Chamberlain hatte durch seine Ehrerbietung Bayreuth gegenüber sowie durch seine völkisch-konservative Überzeugung bereits Cosimas Herz erobert. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es allerdings noch keine anderen Nachkommen und so galt Isoldes Sohn, Franz Wilhelm, als der einzige Nachfolger Siegfrieds. Diese Tatsache hätte dem Ehepaar Beidler eine ungewöhnliche Stellung in Bayreuth verliehen, was sowohl Siegfried als auch Chamberlain missfiel, der seine Machtposition in Bayreuth immer mehr ausbaute und bestrebt war, die Beidlers aus dem Bayreuther »Nest« zu werfen. Im Jahr 1907 erhielt Isolde einen Bescheid, wonach sie nicht als Tochter Richard Wagners gelten würde. Dieses Schreiben ist verschollen, nicht jedoch ihre Antwort an ihre »theure Mutter« vom 5. November 1907: »Die Worte, die Du durch Adolf Groß an mich richtest, sind wohl sehr hart u. ungerecht, denn mit Stolz darf ich behaupten, daß ich es werth bin u. immer sein werde, meines Vaters Kind zu sein. Müßte ich nicht Rücksicht auf

Deinen leidenden Zustand nehmen, so könnte ich es Dir ausführlich darlegen, daß sich die Dinge ganz anders verhalten, als Du sie in Deiner Abgeschiedenheit anschaust.«14 – Weder dieser Brief noch die hinzugefügten Zeilen von Franz erreichten Cosima jemals, Siegfried hatte den Kontakt unterbunden. Er schrieb: »Mamas Gesundheit erfordert größte Vorsicht. Ich zeigte daher die Briefe nicht und las sie auch selbst nicht.«15 Im Oktober 1910 zog das Ehepaar nach München. Kurz darauf verliebte Franz Beidler sich in die Sängerin Emmy Zimmermann, mit der er eine Tochter hatte, die als Eva Busch zu einer bekannten Chansonsängerin wurde. Vermutlich wusste Isolde davon, trotzdem hielt sie weiterhin bedingungslos zu ihrem Mann. In Bayreuth wäre sie auch kaum wieder aufgenommen worden. 1913 erfolgte der Ablauf der Schutzfrist für Wagners Werke und ein Rückgang der Einnahmen war abzusehen. Mitte Juni schrieb Adolf von Groß deshalb an Isolde, dass ihre Apanage gekürzt und sie erbrechtlich nur ein Pflichtteil erhalten würde, da sie ja eine »von Bülow« sei. Da Isoldes Briefe an die Mutter von Siegfried abgefangen wurden, konnte sie ihr »Erstaunen« Cosima nicht mitteilen. Es empörte sie zutiefst, dass sie nicht als Tochter Richard Wagners gelten sollte, obwohl sie in der Familie stets als eine solche angesehen worden war. Es kam zu einem Prozess, den Isolde weniger wegen ihrer Erbschaft, als vielmehr wegen ihres Sohnes führte. Er sollte im Falle von weiterer Kinderlosigkeit Siegfrieds (wovon damals auszugehen war) als Nachfolger für die Festspielleitung gelten. Franz Beidler hat sich zu diesem Prozess in einer Stellungnahme den Medien gegenüber klar geäußert16. Er unterstrich, dass Isolde im Hause Wahnfried von Richard Wagner sowie von seiner Frau Cosima nie anders denn als das Kind Richard Wagners bezeichnet wurde. »Nicht materielle Gründe waren es auf Seite meiner Frau, welche sie zur Klagestellung veranlaßten. Für sie handelt es sich in erster Linie darum, festgestellt zu sehen, daß das, was Richard Wagner, was Frau Cosima selbst mir und anderen so und so oft sagten, nicht unwahr war, daß sie die Tochter Richard Wagners und unser Knabe sein – einziger – Enkel ist. Daß der Rechts­s treit großes Aufsehen erregen würde, das wußte und fürchtete meine Frau. Deshalb ließ sie nichts unversucht, ihn zu vermeiden.« Siegfried befürchtete einen Sieg der Gegenseite und verfiel auf eine Idee, Isolde moralisch in die Enge zu treiben. Er verkündete, dass er plane, die Festspiele mit dem Festspielhaus und allem Grund und Boden einer Stiftung zu vermachen. Davon war nichts wahr, aber es sah nun so aus, als würde Isolde durch ihren Prozess die Stiftung blockieren. Das Gericht wies am 19. Juni 1914 die Klage ab. Isolde galt nun offiziell als Hans von Bülows Tochter. Der erste Weltkrieg ließ diese Begebenheit, die in allen namhaften Zeitungen erwähnt wurde, rasch vergessen. Isolde, die bereits an TBC erkrankt war, hielt sich in Davos auf und erfuhr dort vom Urteil. Sie verbrachte noch einige Jahre in diesem Kurort, zeitweise zusammen mit ihrem

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Sohn, der auch an Lungenschwäche litt und vorübergehend dort das Gymnasium besuchte. Ihre Briefe aus Davos kreisen natürlich um ihren schlechten Gesundheitszustand, ihre Geldsorgen, die Ungerechtigkeit des Prozessausganges, die Frage, warum und wer ihr diesen aufgedrängt hatte. Aber ihre Korrespondenz zeigt auch ihre immer noch große Liebe für Franz Philipp, ihren Mann, und ihren Sohn, dessen rationale Denkweise sie mit ihrer hohen Emotionalität nicht immer nachvollziehen konnte. Sicherlich hat sie in Davos auch vernommen, dass Siegfried 1915 geheiratet hatte und bald 1917 sein erster Sohn Wieland geboren wurde. Isolde und Franz Wilhelm kehrten aus Davos nach München zurück, wo Isolde kurz darauf, am 7. Februar 1919, verstarb und wo die Beerdigung stattfand, mit Daniela Thode als einzigem anwesenden Familienmitglied. Isoldes Ehemann heiratete ein zweites Mal und hatte zwei Kinder, einen Sohn, Franz Walter, und eine Tochter, Elsa. Er verstarb 1930. Isoldes Sohn studierte Jura und Musikwissenschaft in Würzburg und Berlin. Um sein Studium zu finanzieren, arbeitete er in einer Bank. Er war ein überzeugter Anhänger der Weimarer Republik und seine erste Stelle nach Abschluss der Studien war im Kultusministerium in Berlin unter dem Musikwissenschaftler Leo Kestenberg. Um sie bekleiden zu können, erhielt er die preußische Staatsbürgerschaft, die ihm (auf seinen Wunsch hin) 1935 wieder abgesprochen wurde. 1933 verließ er Deutschland aus Protest gegen die nationalsozialistische Diktatur zusammen mit seiner jüdischen Ehefrau Ellen Gottschalk, der Tochter eines angesehenen Gynäkologen, ging er nach Paris und von dort in die Schweiz, wo er sich mit Arbeiten in der Kriegswirtschaft und Vorträgen durchschlug und schließlich 1943 die Stelle des Sekretärs des Schweizer Schriftstellerverbandes annahm. Damit kehrte er als Kulturschaffender zu seiner ursprünglichen Berufung zurück. Zweimal wurde er veranlasst, sich nochmals mit Bayreuth auseinanderzusetzen. 1947 erinnerte sich Bayreuth des »Schweizerstammes« der Wagnerfamilie und bat Beidler, ein Konzept für eine Neueröffnung Bayreuths zu entwickeln, was er auch tat, welches aber seine Bedeutung verlor, da Vermögensrechte seine Realisierung verunmöglichten. 1951 warnte Beidler in einem Artikel der Zeitschrift Das literarische Deutschland, »Bedenken über Bayreuth«, davor, die Zeitgeschichte und damit die braune Vergangenheit allzu schnell zu vergessen.17 Beidler starb am 3. August 1981 in Zürich und hinterließ eine unvollständig gebliebene, groß angelegte Biografie über seine Großmutter Cosima Wagner18. Wie seine Mutter kam auch der »verlorene« Enkel nicht von seiner »Wiege« los. Für Isolde war die Loslösung von ihrer Mutter und damit von Bayreuth emotional nicht möglich. Für Franz W. Beidler war die Analyse der Bedeutung und Persönlichkeit Cosimas und dem ganzen Wagnermythos ein zentrales Thema seines Lebens.

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it dem ersten Bild feiert Isolde die Geburt ihres Vaters, Wilhelm Richard, in Leipzig, das damals von den Franzosen besetzt war. Im Hintergrund sind rechts die Thomas-Kirche, links die alte Universität und die Universitätskirche zu erkennen. Im ersten Satz seiner Autobiographie »Mein Leben« schrieb Wagner: »Am 22. Mai 1813 in Leipzig auf dem Brühl im ›Rot und Weißen Löwen‹, zwei Treppen hoch, geboren, wurde ich zwei Tage darauf in der Thomaskirche mit dem Namen Wilhelm Richard getauft« (ML, S. 9)19. Der kleine Richard wurde während großer Kriegswirren geboren: Schweden, Franzosen, Russen, Preußen, Sachsen, Badenser und Württemberger waren in die Völkerschlacht von Leipzig verstrickt. Wagner irrt sich in der Angabe des Datums, denn die Eltern warteten den Waffenstillstand ab und ließen ihn erst am 16. August taufen. (Sein Geburtshaus wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts wegen Baufälligkeit abgerissen.) Mit den sieben am Himmel schwebenden Gestirnen, die das Sternbild des Pegasus darstellen, will Isolde wohl andeuten, dass das Geschick des Kindes von den Himmelskörpern bestimmt ist, und betont damit die Ausnahmestellung ihres Vaters. Denn das geflügelte Pferd Pegasus hat auf Geheiß des Zeus mit seinem Hufschlag den Quell der Musen entstehen lassen. Durch die abendlichen Lesungen im Hause Wagner war Isolde schon früh mit der griechischen Mythologie vertraut. Das Sternbild könnte aber auch spiegelverkehrt den großen Wagen darstellen und so den Namen Wagner illustrieren. Darauf weist Wagners Wortspiel hin, das er in einem Brief an seinen Gönner, König Ludwig II., anbrachte, als er sich am 31. Mai 1880 als »Siebengestirn« beschrieb, das »nicht der ›Wagen‹ selbst, sondern der ›Wagner‹ « sei. Da er diesen Brief wenige Tage nach jenem Geburtstag schrieb, an dem Isolde ihm die Bilder präsentiert hatte, war ihm vermutlich deren Zeichnung noch in bester Erinnerung. Rechts oberhalb der Wiege ist ein geschmückter weißer Stier als Symbol für Richards Sternzeichen zu erkennen. Isolde folgt hier den astrologischen Kenntnissen ihrer Zeit. Nach den genaueren Berechnungen der heutigen Astrologie gilt Wagner als Zwilling. Richard wurde in eine recht große Familie hineingeboren; seine Geschwister waren Albert, Rosalie, Carl Julius, Luise, Klara, Ottilie und Theresia. Sein Bruder Carl Gustav (* 1801) war schon gestorben. Der vierzehnjährige Albert befand sich bereits außer Hause. Wagner sagte später einmal, dass er Zärtlichkeit in der Familie immer vermisst habe, was verständlich war, denn die Mutter hatte mit ihrer Kinderschar den Alltag unter schwierigen Umständen zu bewältigen und konnte sich nicht um alle Kinder gebührend kümmern. Im Geburtsjahr Richards verstarb außerdem sein Vater Carl Friedrich Wagner an Typhus. Da Isolde mit dieser Zeichnung Wagners Geburtstag feiern wollte, ruft sie aber nur positive Momente in Erinnerung und klammert den Tod aus.

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er Vater Carl Friedrich Wagner (1770–1813) hatte Jurisprudenz studiert und arbeitete zur Zeit von Richards Geburt als Polizeiaktuarius in Leipzig. Er liebte Poesie und Literatur und »wandte namentlich dem damals von den gebildeten Ständen sehr gepflegten Theater eine fast leidenschaftliche Teilnahme zu« (ML, S. 10). Am 2. Juni 1798 hatte er die 23-jährige Johanna Rosine Pätz (1774–1848) geheiratet. Martin Gregor-Dellin nennt ihn »einen genialisch, künstlerisch dilettierenden Beamten, dem nichts Menschliches fremd war«20. E. T. A. Hoffmann, der im ›Neuen Schauspielhaus‹ die Kapellmeisterstelle angenommen hatte, fand den Vater »un poco exaltato«. Da Wagner seinen Vater nicht kannte, gibt es wenig Zeugnisse über die Familie. Diese hatte sich rasch vergrößert, was in den kriegerischen Zeiten zu vermehrten Sorgen und Ängsten führte. Die Stadt bot einen grauenvollen Anblick: Die Spitäler waren überfüllt, überall drängten sich Kranke und Verwundete und die Leichen der Gefallenen konnten nicht rasch genug beerdigt werden. So breiteten sich Seuchen aus. Carl Friedrich, der für die kommunale Ordnung zuständig war, stellte sich der Verantwortung mit ganzer Kraft und Hingabe, was möglicherweise zu seinem viel zu frühen Tod führte. Neben den politischen Wirren und dem Tod des Mannes trafen Johanna noch weitere Schicksalsschläge. Im Januar verstarben die vierjährige Tochter Theresia und Richards Großmutter. Sie brauchte Unterstützung und Erholung und fuhr Ende Februar mit zwei Töchtern zu dem Familienfreund Ludwig Geyer nach Dresden. Isolde legt den kleinen Richard in die Arme der Mutter, obwohl nicht überliefert ist, ob sie ihn überhaupt mitnahm. Es kam zu einer stillen Verlobung und am 28. August, noch vor Ablauf des gesetzlich vorgeschriebenen Trauerjahres, heiratete Johanna den Schauspieler, Maler und Dichter, der schon vor dem Tode des Vaters der Familie sehr nahe gestanden hatte und bereits Vormundsstelle innehatte. Ein Zeitaufschub wäre falsch gewesen, denn Johanna war schwanger. Seine Stellung als Hofschauspieler der Seconda'schen Theatertruppe ermöglichte es ihm, eine solch große Aufgabe zu übernehmen. Gegen Jahresende – der Wiener Kongress hatte inzwischen begonnen – zog die Familie nach Dresden in die Moritzstraße, wo am 26. Februar 1815 Richards Halbschwester Cäcilie zur Welt kam. Die beiden Löwen weisen die gleiche Färbung auf, wie wir sie schon von Richards Geburtshaus im Bild von 1813 kennen. Sie begleiten Johanna und das Baby, das sie zu beschützen und ungern aus ihrer Obhut zu geben scheinen. Ob Richards Mutter tatsächlich eine sächsische Tracht trug oder ob Isolde damit das volkstümliche Element in Johanna, die einer Bäckersfamilie entstammte, betonen wollte, bleibt ihr Geheimnis. Da Johanna wegen eines schon früh aufgetretenen Kopfleidens gezwungen war, eine Haube zu tragen, bot sich die Tracht geradezu an.

1814

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022 » 023

D

ie Stadtansicht zeigt Dresden, wo Richard aufwuchs. Deutlich auszumachen sind der Zwinger und der sogenannte Stallhof des Schlosses. Isolde hat für die Darstellung vermutlich Lithographien zu Hilfe genommen, die ihr Vater sammelte. In der Mitte des Bildes befindet sich Ludwig Geyer mit seinem Wappenzeichen. Dabei handelt es sich um ein Selbstporträt, das er um 1806 gemalt hatte. Richard hieß zunächst nach seinem Stiefvater Geyer und wurde unter diesem Namen 1816 dem Komponisten Carl Maria von Weber vorgestellt, der gerade seine Tätigkeit als Kapellmeister in Dresden angetreten hatte. Erst später benutzte der Junge wieder den Nachnamen »Wagner«. Richard ist in seinen Erinnerungen des Lobes voll für Ludwig Geyer und nennt ihn einen »ausgezeichneten, trefflichen Mann«, der »mit grösster Sorgfalt und Liebe [ … ] meine Erziehung übernahm« (ML, S. 11). Geyer machte ihn mit dem Theater bekannt. Der Knabe durfte nicht nur von der Loge aus zuschauen, sondern wurde in die Garderobe mitgenommen, wo ihn die fantastischen Kostüme ebenso beeindruckten wie diverse Kulissen. Er sah mit Grausen zu, wie sein Stiefvater in Schauerstücken wie Die Waise und der Mörder spielte und dabei die Rolle des Bösewichts übernahm. Verlockung und Grauen auf dem Theater übten eine große Faszination auf den kleinen Richard aus, die ihm ein Leben lang erhalten blieb. Obwohl Richard seinen Stiefvater Geyer sehr mochte, kreisten alle seine Geborgenheitsfantasien um die Mutter21. Er beschrieb sie als eine von den Nöten der Zeit bedrängte Frau. Die Sehnsucht nach Herzenswärme und persönlicher Zuwendung, die dem Sujet der rettenden bzw. erlösenden Frau zugrunde liegt, durchzieht sein gesamtes Werk. Das mögen Spekulationen sein. Als gesichert kann jedoch sein enger Bezug zur Familie gelten. Im mehrheitlich von Frauen bestimmten Haushalt lernte Richard viel über die weibliche Psyche, was sich in den Frauenrollen in seinem Werk niederschlägt. Richards gesundheitlicher Zustand gab den Eltern auch im dritten Lebensjahr Anlass zu Besorgnis. Ein unangenehmer Hautausschlag kehrte in Abständen wieder und artete zuweilen in eine Gesichtsrose aus. Leiden begleiteten ihn fast sein Leben lang. Inwiefern die Krankheiten psychosomatische Ursachen hatten, wird bis heute in verschiedenen Biographien diskutiert, in denen man sich an Mutmaßungen geradezu überbietet.

1815–1816

Rosenstöcke » 1815–1816 024 » 025

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ahlreiche Abbildungen zeigen, dass Isolde sich bei der thematischen Gestaltung der einzelnen Jahre größtenteils auf die schriftlichen Erinnerungen ihres Vaters stützt. Wagner begann mit dem Diktat seiner Autobiographie in München in Isoldes Geburtsjahr 1865, weil sein Wohltäter König Ludwig II. sie sich zu diesem Zeitpunkt gewünscht hatte. Die Aufzeichnungen waren für einen kleinen ausgesuchten Freundeskreis gedacht. Sie enthalten viele Einzelheiten aus seinem Leben und bilden daher eine ergiebige Quelle für Biographen und Musikwissenschaftler. 1817 wurde Richard unter dem Namen Richard Geyer eingeschult. Schulen, wie auch geregelte Studien, waren nie seine Sache, deshalb verzichtet Isolde möglicherweise auf eine Ansicht einer Ausbildungsstätte und richtet ihren Blick stattdessen auf das Familienleben. Dies auch, weil sie wusste, dass die Idylle nicht sehr lange andauern würde. Die Familie ist im Wohnzimmer zu sehen und Geyer scheint den Kindern die Persönlichkeit auf einem Porträt zu erläutern, während die Mutter im Vordergrund die etwas klein geratene Cäcilie auf dem Arm hält. Mit den Gemälden an der Wand weist Isolde auf Geyers Talent als Maler hin, »welches ihm einst schon sein Leben zu fristen verholfen hatte« (ML, S. 10). Er war allerdings wegen des plötzlichen Todes seines Vaters gezwungen, seine künstlerischen Studien abzubrechen. Seine außerordentliche Begabung brachte ihm dennoch bedeutende Aufträge ein, durch die er die Familie ernährte. Wagner spricht auch von dem dichterischen Talent, das Geyer Gedichte und Lustspiele verfassen ließ. Eines wurde sogar von Goethe freundlichst gelobt. Außerdem stand er wöchentlich zweimal als Schauspieler auf der Bühne und gab die hinterhältigsten Bösewichte wie Jago, Alba, Franz Moor oder den Präsidenten in Kabale und Liebe. In den Kritiken wurden seine herausragende Leistung und ungewöhnliche Wandlungsfähigkeit unterstrichen. Die doppelte Belastung als Schauspieler und Maler erschöpfte seine körperlichen Kräfte leider viel zu früh.

1817–1819

Rosenstöcke » 1817–1819 026 » 027

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an erkennt einen Orchestergraben mit Bühne, auf der Wagner wohl seinen Stiefvater Ludwig Geyer einige Male erlebt hatte und wo er schon als kleiner Junge auftreten durfte. So in dem Festspiel Der Weinberg an der Elbe von Friedrich Kind mit der Musik von Kapellmeister Carl Maria von Weber, einem Gelegenheitsstück, das aus Anlass der Vermählung »durch Prokuration« der sächsischen Prinzessin Maria Anna Carolina mit Leopold, dem Erbgroßherzog von Toscana, am 15. November 1817 aufgeführt wurde. Isolde irrt hier, was nicht verwunderlich ist, da ihr Vater für solche Ereignisse keine genauen Angaben macht und sich bei dem Datum vertan hat. Die Kulissen bilden eine Waldlandschaft mit Fluss, über dem ein Engel schwebt. Der Vierjährige war als Amor verkleidet, in einem Trikot mit Flügeln auf dem Rücken, und musste sich »in schwierig eingelernter graziöser Stellung« bewegen. Mit der Darstellung Richards und der Brezel spielt Isolde auf die Belohnung für seine schauspielerische Leistung an: Ihm wurde vom König persönlich eine Zuckerbrezel überreicht. Die übertriebene Größe des Geschenks soll wohl perspektivisch das junge Alter Richards bewusst machen. Einen weiteren Schritt in die Theaterwelt brachte eine kurze Sprechrolle in Kotzebues Menschenhass und Reue, dessen schwierigen Titel der Knabe sich einfach nicht merken konnte. Als er einmal in der Schule wegen fehlender Hausaufgaben gemaßregelt wurde, gab er an, eine große Rolle im Stück »Menschen außer der Reihe« auswendig gelernt zu haben, was Isolde im Titel übernimmt. Geyer war bestrebt, dem Jungen eine gute Ausbildung zu ermöglichen, weshalb er den Siebenjährigen bei einem Pastor namens Wetzel in Possendorf bei Dresden unterbrachte, wo mehrere Knaben eine »vortreffliche, nüchterne und gesunde Erziehung erhalten sollten« (ML, S. 12). Die Erzählungen aus der griechischen Mythologie und der Geschichte, die er dort hörte, begeisterten Richard und er schrieb in seinen Erinnerungen: »Ich entsinne mich, später in dem Kampf der Hellenen gegen die Perser immer die Eindrücke dieses neuesten griechischen Aufstandes gegen die Türken wieder empfunden zu haben.« Das Porträt links dürfte Pfarrer Wetzel darstellen, da auch er für Richards Jugendjahre bestimmend war.

1820

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028 » 029

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ie Bilder spiegeln die Interessen wieder, die Pastor Wetzel, »ein belesener, kunstliebender und sternkundiger« Mann, bei dem Knaben geweckt hatte. Abends erzählte er den Kindern die Abenteuer von Robinson Crusoe, die Richard tief beeindruckten. Eine Szene aus der Lektüre von Daniel Defoe ist festgehalten. Hunde und Papageien werden später Begleiter Wagners sein. Er erinnerte sich: »Grossen Eindruck machte auf mich die Vorlesung einer Biographie Mozarts, wogegen die Zeitungs- und Kalenderberichte über die Vorfälle des gleichzeitigen griechischen Befreiungskampfes drastisch aufregend wirkten« (ML, S. 12). Isolde porträtiert Leopold, Wolfgang und Nannerl Mozart. Daneben findet sich die Illustration des besagten Freiheitskampfes. Deutlich sind die rote Kopfbedeckung und die weiten Hosen der Türken zu erkennen, während die Griechen links eine rockartige Uniform, die »Fustanella« mit Strumpfhosen, tragen. Der Junge verbrachte kaum ein Jahr bei dem Pfarrer auf dem Lande, denn Ludwig Geyer verstarb am 30. September mit zweiundvierzig Jahren. Bereits Ende 1819 hatte sich der Schauspieler nicht mehr wohlgefühlt; er war an Tuberkulose erkrankt. Die Nachricht von der Verschlechterung seines Zustandes erreichte Possendorf. Wetzel begleitete den Jungen auf dem dreistündigen Fußmarsch nach Dresden. Um den Sterbenden abzulenken, regte Johanna ihren jüngsten Sohn an, seine Fortschritte im Klavierspiel vorzuführen. Er spielte »Ueb' immer Treu und Redlichkeit«, das erste Stück, das er auf dem Klavier gelernt hatte22 und dessen Melodie dem Lied des Papageno aus Mozarts Zauberflöte entnommen war. Während Geyer ihm zuhörte, mutmaßte er mit schwacher Stimme: »Sollte er vielleicht Talent zur Musik haben?« In der Nacht trat der Tod ein und am Morgen erschien die Mutter an Richards Bett und sagte: »Aus Dir hat er etwas machen wollen.« Dann holte der Pastor den Achtjährigen wieder ab. »Unterwegs frug ich ihn viel nach den Sternen, über die er mir eine erste verständige Auskunft gab« (ML, S. 12 f.). Dies erklärt den herrlichen Sternenhimmel, mit dem Isolde auf ein einschneidendes Ereignis im Leben des kleinen Jungen hinweist und ihm damit eine tröstliche Wendung gibt. Es ist erstaunlich, mit welcher Phantasie und Liebe die Tochter die Kindheitsereignisse ihres Vaters nachgestaltet. Richard, der sich in der Pastorenfamilie gerade etwas eingewöhnt hatte, wurde von dem Goldschmied Karl Geyer, dem jüngeren Bruder seines Stiefvaters, abgeholt und nach Eisleben gebracht, wo sein Bruder Julius bereits als Lehrling in die Familie aufgenommen worden war. Er blieb ein Jahr dort und wurde dann zu Verwandten seines leiblichen Vaters nach Leipzig weitergereicht. Einmal mehr wurden die Geschwister auseinandergerissen und an unterschiedlichen Orten untergebracht. Richards Kindheit ist wie sein späteres Leben von Unruhe, Unterbrechungen und Neuorientierungen geprägt – einige wurden ihm auferlegt, viele verursachte er selbst.

1821

Rosenstöcke » 1821

030 » 031

E

in erstes Mal erscheinen Noten im Zentrum der Zeichnungen. Sie sind dem Beginn des Jägerchors aus dem Freischütz entnommen, der bei der Blechmusik des in Eisleben stationierten Husarenregiments sehr beliebt war. Isolde hat die Szene über den Noten illustriert. Die Erstaufführung der Oper fand im Januar in Dresden statt. Wagner war von klein auf von Webers Musik gefangen genommen und in seinen Kompositionen ist Webers Einfluss nachweisbar. Unterhalb der Noten schweben Artisten auf dem Hochseil. Karl Geyer wohnte nahe beim Marktplatz und als eine Akrobatentruppe dort Kunststücke vorführte, schaute Richard staunend zu. Ein ortsansässiger Seiltänzer, der todesmutig von Turm zu Turm balancierte, erweckte in Richard für »lange Zeit die Leidenschaft für ähnliche Kunststücke. [ … ] Noch bis jetzt ist mir eine Neigung, meinen akrobatischen Gelüsten Genüge zu tun, verblieben« (ML, S. 14). Er war sportlich und vermochte noch im Alter bei den Proben zum Ring des Nibelungen in Bayreuth die anwesenden Künstler mit Sprüngen auf die Bühne zu verblüffen. Judith Gautier schildert in ihren Erinnerungen, wie er in Tribschen die Hauswand hochkletterte und Cosima ihr sagte, sie solle keine Notiz davon nehmen, da er sonst nicht aufhören würde23. Im rechten Bild steht sein Onkel Adolf, ein Literat und Philosoph, der ihn für kurze Zeit bei sich in Leipzig wohnen ließ. Der »sehr interessante Mann«, der Richard faszinierte, hatte sein Studierzimmer »in einem finsteren Gemach des Hofes aufgeschlagen« (ML, S. 14 f.). Dort traf ihn Richard zwischen Massen von Büchern, mit einer hohen spitzen Filzmütze, die in der Zeichnung deutlich erkennbar ist. Das Interesse an Büchern blieb Wagner zeitlebens eigen. Links ist Richards Großmutter abgebildet, die vom Tod ihres ältesten Sohnes nichts erfahren sollte. Der Knabe, der in diese Abmachung eingeweiht wurde, legte den Trauerflor ab und erzählte ihr vom Vater in Dresden, als gäbe es ihn noch. Das fiel ihm nicht schwer, denn Realität und Phantasie vermengten sich bei ihm häufig. Die alte Dame hatte in ihrer dunklen Hinterstube gern frei umherflatternde Rotkehlchen um sich. Für diese waren frische grüne Zweige am Ofen angebracht. Leider wurden die Vögel oft Beute der Katze, sodass sich Richard bemüht sah, wieder neue einzufangen. Auch der Eislebener Aufenthalt währte nur kurz. Richard kehrte zu seiner Familie nach Dresden zurück, wo er am 2. Dezember unter dem Namen Wilhelm Richard Geyer an der Kreuzschule angemeldet wurde.

1822

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032 » 033

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arl Maria von Weber, eine wichtige Leitfigur für Wagners Schaffen, wird in diesem Aquarell gleich zweimal thematisiert: einmal im Medaillon und dann in der linken Skizze. Dort ist ein bewaffneter Uniformierter zu sehen, ihm gegenüber eine dunkle Gestalt mit Federhut. Im dritten Akt des Freischütz erscheint der schwarze Jäger Samiel aus der Unterwelt. Er könnte dieser Mann sein. Oder verkörpert die Figur den Erbförster Kuno? Wagner liebte die Oper seit seiner Kindheit und war der Ansicht, dass gerade dieses Werk »äusserst charakteristisch« auf seine Phantasie gewirkt habe (ML, S. 20). Im Zentrum mit der Dresdener Hofkirche im Hintergrund steht das Puppentheater, das Vater Geyer Richard hinterlassen hatte. Recht ungeschickt schnitzte er eigene Figuren und stahl Stofflappen, mit denen er die Puppen einkleidete. Er verfasste ein Ritterstück, das aber bei seinen Schwestern nur Gelächter hervorrief: »Die eine Phrase der geängstigten Liebhaberin, ›ich höre schon den Ritter trabsen‹, ist mir lange zu meinem größten Ärger mit Pathos vorrezitiert worden« (ML, S. 19). Grausen sowie Gespensterfurcht überschatteten seine Kindheit. »Ich entsinne mich, vor leblosen Gegenständen als Möbeln, wenn ich länger im Zimmer allein war und meine Aufmerksamkeit darauf heftete, plötzlich aus Furcht laut aufgeschrien zu haben, weil sie mir belebt erschienen. Keine Nacht verging bis in meine spätesten Knabenjahre, ohne dass ich aus einem Gespenstertraum mit fürchterlichem Geschrei erwachte, welches nie eher endete, als bis mir eine Menschenstimme Ruhe bot« (ML, S. 19). Dass er schließlich allein in einem Zimmer schlafen musste, verstärkte seine Ängste. Die unheimlichen Gestalten überragen das Kind und wirken dadurch furchterregend. Was möchte Isolde mit dem Spruch »Der Mensch kann was wenn er will« sagen? Von Wagner ist nichts Vergleichbares bekannt. Arthur Schopenhauer hat jedoch formuliert: »Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.« Unwahrscheinlich, dass Isolde dem zehnjährigen Knaben eine philosophisch so komplizierte Aussage in den Mund legen wollte. Auch kaum möglich, dass sie sie gekannt hat. Vielleicht aber diesen Ausspruch, der vom Herzöglich Anhalt-Cöthenschen Arzt Arthur Lutze (1813–1870) stammt: »Der Mensch kann, was er will – doch muss er glauben und vertrauen.« Große Worte für einen kleinen Jungen. Mit dieser Bildcollage hat Isolde den lebhaften Phantasien Richards viel Platz eingeräumt.

1823

Rosenstöcke » 1823

034 » 035

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ie Muse der Musik, Polihymnia, die mit einer Harfe dargestellt ist, beschützt oder unterstützt Richard, der an einem Krankenbett steht. In seiner Autobiographischen Skizze erwähnt er, dass ein Schulkamerad starb, als er elf Jahre alt war. Die Lehrer stellten den Schülern nun die Aufgabe, ein Gedicht auf den Mitschüler zu verfassen; die beste Arbeit sollte gedruckt werden. »Das meine wurde gedruckt, jedoch erst, nachdem ich vielen Schwulst daraus entfernt hatte.«24 Er war es aber nicht selbst, der das Gedicht »von Ausschweifungen säuberte« (ML, S. 21), sondern sein Lehrer, Magister Sillig, der eine gewisse Begabung in ihm erkannte und vor allem seine Deklamationsfähigkeiten schätzte. So ließ er den Buben Hektors Abschied aus der Ilias und auch Hamlets berühmten Monolog vor der Klasse rezitieren. Dieses Talent zum Vortragen ist Richard sein Leben lang geblieben. Wann immer er seine Operntexte abgeschlossen hatte, las er sie seinen Freunden und Bekannten vor. Seine Gabe, Rollen auf verschiedene Weise zu präsentieren, war für die Zuhörer meist amüsant und ließ kaum Langeweile aufkommen. Die »trockenen« Schulstudien interessierten ihn weniger, umso mehr begeisterten ihn griechische Tragödien und deren Nachdichtungen des Philologen und Schriftstellers Johann August Apel (1771–1816), die ihm als Grundlage für seine Werke dienten. (Später freundete sich Wagner mit Theodor Apel an, dem Sohn des »geistvollen Metrikers und Nachdichters«, wie er ihn nannte.) Sein größtes Leitbild blieb aber William Shakespeare. Er verschlang seine Stücke und nahm ihn als dichterische Autorität an. Richards Versagen in der Schule beruhte auf seiner Einseitigkeit: Wenn etwas seiner Vorstellung nicht entsprach, bemühte er sich nicht darum, es zu verstehen (so beispielsweise Mathematik); das aber, was ihm lag, konnte er mühelos aufnehmen. Dieses Verhalten, das für kreativ Begabte typisch ist, brachte ihm bei den Lehrern keine große Anerkennung ein. Die Frage, ob die Zeichnung tatsächlich auf den Tod des Schülers anspielt, bleibt offen. Isolde wollte möglicherweise damit betonen, dass traurige Begebenheiten auch etwas Positives bewirken können. Denn für ihren Vater war eine Entscheidung fürs Leben gefallen: Der Erfolg seines Preisgedichtes hatte ihn so sehr beflügelt, dass er sich vornahm, Dichter zu werden.

1824

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036 » 037

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ier gibt Isolde dichterische Entwürfe oder Lektüre-Erlebnisse wieder. In der Mitte erkennt man Pegasus, das geflügelte Dichterpferd aus der Mythologie. Auf ihm sitzt der Held Bellerophon, den Kopf der Chimäre in der Hand, die er mit Hilfe von Pegasus getötet hat. Damit erinnert Isolde an Richards Enthusiasmus für die griechische Sagenwelt, die ihn besetzt hielt. Er übertrug als Dreizehnjähriger die ersten Gesänge der Odyssee und befasste sich mit der Symbolik der alten Völker. Auch mit Religion beschäftigte er sich, wie man der Darstellung des Knaben vor dem Kreuze Jesu entnehmen kann. So schrieb er, dass er »mit schmerzlicher Sehnsucht nach dem Altarblatte der Kreuzkirche geblickt« und sich »in ekstatischer Begeisterung an die Stelle des Erlösers am Kreuze« gewünscht habe (ML, S. 27). Diese religiöse Schwärmerei kühlte sich aber nach einiger Zeit ab und Richard wandte sich wieder dem Musiktheater zu. In seinen Annalen hält er rückblickend fest: »Nichts ergriff mich so stark als die Musik des Freischütz«. Er sah Weber auch oft an seinem Haus vorbeigehen, wenn dieser von den Proben kam. Stets betrachtete er ihn »mit heiliger Scheu« und versuchte, die von der Oper empfangenen Eindrücke nachzugestalten. Sein Interesse wurde dadurch verstärkt, dass seine Schwestern Stücke daraus sangen oder auf dem Klavier vortrugen. Er drängte nun auf Klavierstunden, die ihm die Mutter eigentlich versagen wollte, um ihn von allem Künstlerischen fernzuhalten und seine Neigung zum Theater nicht noch zu verstärken. Mit zwölf Jahren lag ihm verständlicherweise nichts daran, Fingersätze zu üben, sondern er genoss es, den Lehrer zum vierhändigen Spiel der Ouvertüre zu bewegen. Ferdinand Avenarius, der Sohn von Wagners Stiefschwester Cäcilie, schreibt: »Das ganze Denken des Knaben war damals vom Freischütz voll [ … ]. Als er den Freischütz gesehen, sollte dieser sofort daran. Am meisten – wie sich von selbst versteht – schien dem Jungen die Wolfsschluchtscene dazu geeignet. [ … ] Seine Schulcameraden mußten mit an die Arbeit. Coulissen, Vorhang, Feuerwerk, Thiere – alles wurde hergestellt, und vornehmlich einen großen Eber, der mit seinen gewaltigen Hauern furchtbar gleich dem leibhaftigen Höllenfürsten auf seinem Brette daherrollte, bewunderte meine Mutter. Bei einem Freunde sollte die Vorstellung in Scene gehen.«25 Die Zeichnung rechts bezieht sich auf das große epische Gedicht Die Schlacht am Parnassos, das Richard auf Geheiß seines Lehrers in Hexametern verfassen sollte, wobei er nicht über die erste Strophe hinwegkam. Der Sage gemäß stehen die Musen den Griechen bei.

1825

Rosenstöcke » 1825

038 » 039

I

n diesem Jahr erhielt Richards Schwester Rosalie ein Engagement am Theater in Prag. Sie avancierte damit zur Haupternährerin. Die Mutter beschloss, mit Ottilie und Cäcilie zu ihr zu ziehen, während Richard zu einer Familie Böhme in Dresden in Kost und Logis gegeben wurde, damit er seine Schulzeit an der Kreuzschule abschließen konnte. Weiterhin standen sowohl die griechische als auch die römische Geschichte und Sagenwelt im Zentrum seiner Studien. Er las die Götterlehre von Karl Philipp Moritz und setzte sich mit der Creuzer'schen Symbolik und Mythologie der alten Völker auseinander. Dies war der Beginn seiner Vorliebe für mythologische Handlungen, die ihren Höhepunkt im Ring des Nibelungen finden sollten. Isolde hält die Stadtansicht von Prag fest: von links der Hradschin mit dem Veitsdom, davor die Kuppel von Sankt Nikolaus, mittig die Karlsbrücke und die Moldau. Um seine Familie zu besuchen und Rosalie auf der Bühne zu erleben, beschloss Richard, zusammen mit einem Freund, die lange Strecke zu Fuß zu meistern. In einer der Herbergen, in denen sie sich aus Geldmangel entweder für das Essen oder das Schlafen entscheiden mussten, trafen sie auf einen seltsamen Wanderer, der ein schwarzes Samtbarett und auf dem Rücken eine Harfe trug und dessen Ziel auch Prag war. Der wunderliche Harfner – sein Lieblingsausspruch lautete »non plus ultra« – lieh Richard zwei Zwanziger. Die drei zechten gemeinsam bis tief in die Nacht. Am nächsten Morgen mussten Wagner und sein Begleiter dann aber den Berauschten in der Herberge zurücklassen, da es ihnen nicht gelang, ihn zu wecken. Erst Wochen später fand sich dieser bei Richards Mutter ein, um sein Geld in Empfang zu nehmen, betrübt, die Freunde nicht mehr anzutreffen. Man erblickt ihn begleitet von Wagner und dessen Freund. (Wagner verschob dieses Erlebnis in seinen Erinnerungen auf 1827.) In Prag, wo die kunstliebende Oberschicht viel über die neue deutsche Literatur diskutierte, hörte Richard erstmals auch den Namen E. T. A. Hoffmann und machte Bekanntschaft mit seinen Erzählungen. Der Dialog Der Dichter und der Komponist aus dem Roman Die Serapionsbrüder faszinierte ihn besonders und fand später seinen Niederschlag in den Zürcher Kunstschriften. Sein Fazit der Reise lautete: »Lange Zeit hindurch hat der Besuch Böhmens, und namentlich Prags, von Sachsen aus auf mich einen völlig poetischen Zauber ausgeübt. Die fremdartige Nationalität, das gebrochene Deutsch der Bevölkerung, gewisse Kopftrachten der Frauen, der heimische Wein, die Harfenmädchen und Musikanten, endlich die überall wahrnehmbaren Merkmale des Katholizismus, die vielen Kapellen und Heiligenbilder, machten mir stets einen seltsam berauschenden Eindruck« (ML, S. 23).

1826

Rosenstöcke » 1826

040 » 041

A

m Palmsonntag, dem 8. April, wurde Wagner in der Dresdner Kreuzkirche konfirmiert. Isolde hat die ganze Breite des Bildes diesem Thema gewidmet, obwohl Richard damals die größten Zweifel an der Feier hatte. Jetzt, da er ohne elterliche Aufsicht in die Phase der Pubertät geraten war, vermengte sich seine sinnliche Empfänglichkeit mit seinem Oppositionsgeist und machte ihm diese Jahre nicht leicht. Dennoch hat ihn der Akt der Austeilung des heiligen Abendmahls tief beeindruckt: »Die Schauer der Empfindungen bei Darreichung und Empfang des Brotes und des Weines sind mir in unvergesslicher Erinnerung geblieben« (ML, S. 27). Da er wieder mit seiner Familie vereint sein wollte, brach er mit der Kreuzschule, indem er den Rektor belog und seine Mutter auf diese Weise zwang, ihn dort abzumelden. Inzwischen hatte nämlich seine Schwester Luise ein Engagement am Leipziger Theater erhalten und war zudem die Braut des vermögenden Buchhändlers Friedrich Brockhaus geworden. Die Mutter ließ sich mit Ottilie und Cäcilie wieder in der alten Heimat nieder und auch Richard übersiedelte dorthin. Er wurde in der Nikolaischule unter dem Namen Richard Wagner – nicht mehr Geyer – eingeschrieben und in die Tertia aufgenommen, was ihn erbitterte, denn in der Dresdener Kreuzschule hatte er bereits die Sekunda besucht. Dadurch gab er sich keine Mühe mehr, den Schulstoff zu lernen. In Dresden fand er vermehrt Kontakt zu seinem Onkel Adolf, der ein begnadeter Vorleser gewesen sein muss und eine Übersetzung des König Oedipus von Sophokles verfasst hatte. Richard war fasziniert von dessen »schroffer, aber doch humoristisch sich äussernden Verachtung des modernen Pedantismus in Staat, Kirche und Schule« (ML, S. 30). Er sah in ihm einen eigentlichen Freigeist. Gerne verbrachte er seine Abende dort bei »freundlich behaglicher Bewirtung«, denn Adolf hatte spät und für die Familie völlig überraschend noch einen Hausstand gegründet. Er war es denn auch, der dem Jungen eröffnete, dass der Bücherschrank aus der Erbschaft seines Vaters stamme und daher ihm gehöre. Das gab den Ausschlag für Wagners Buchsammlertätigkeit und erklärt die bedeutende Bibliothek in der Villa Wahnfried in Bayreuth, die auch Isolde und ihre Geschwister benutzen konnten und die man noch heute dort bewundern kann.

1827

Rosenstöcke » 1827

042 » 043

T

äglich holte Richard seinen Onkel zu Nachmittagsspaziergängen um die Tore der Stadt ab. »Ich vermute, oft das Lächeln vorübergehender Bekannter erregt zu haben, welche den tiefsinnigen und oft aufreizenden Diskussionen zwischen mir und meinem Onkel lauschten. Den Gegenstand derselben bildete im Grunde alles Ernste und Erhabene auf dem Gebiete des Wissens« (ML, S. 29 f.). Besonders attraktiv war für Richard das Buch seines Onkels mit dem Titel Theater und Publikum, eine Übersicht über die Entwicklung des Dramas bei den verschiedenen europäischen Nationen.26 Sie sprachen über die großen deutschen Dichter wie beispielsweise Schiller, dem Adolf in seiner Jugend vorgestellt worden war und der seine Gedichte gelobt hatte. Adolf vermittelte dem Jungen viel von seinem Wissen um Dante, aber auch über Shakespeare, aus dessen Dramen er ganze Passagen auswendig rezitierte. Das muss den Jungen so begeistert haben, dass er als Fünfzehnjähriger sein erstes großes Drama Leubald und Adelaide verfasste.27 Es war ein Stück mit allen Bestandteilen von Ritter-, Schauer- und Hexengeschichten. Die Handlung basierte auf Hamlet, enthielt aber auch Anleihen aus Richard III, Macbeth, Lear und Götz von Berlichingen. In dieser Tragödie gab es 42 Tote, einige sieht man auf dem Boden liegend, die im Stück als Geister wieder auftauchen. In der Mitte steht Leubald in der Pose des Hamlet. Zum Schluss wird Leubald wahnsinnig und tötet nicht nur eine Hexe, sondern ersticht in seiner Raserei auch seine Geliebte. Dies bringt ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. Er legt sein Haupt in ihren Schoß »und läßt sich ihre letzte Liebkosung gefallen, während ihr eigenes Blut über den Sterbenden dahinströmt« (ML, S. 33). Die vertrackte Handlung kam nicht gut an: »Die Kühnheit des schwülstigen und bombastischen Ausdruckes setzte namentlich meinen Oheim Adolf in Schreck und Staunen« (ML, S. 34). Wagner selbst wurde klar, dass er in seinen Werken wahrhaftige Ausdrucksstärke erst erreichen würde, wenn die Musik hinzukäme, und er nahm sich vor, das Stück zu instrumentieren, was er allerdings nie umsetzte. Um sich in der Kunst der Komposition weiterentwickeln zu können, nahm er sich heimlich Johann Bernhard Logiers Methode des Generalbasses vor und bemühte sich um Unterricht in Harmonielehre.

1828

Rosenstöcke » 1828

044 » 045

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ie Illustration vermittelt verschiedene Stationen der musikalischen, literarischen und künstlerischen Bildung Wagners in diesem Jahr: Beethovens IX Symphonie, dessen Es-Dur-Quartett op. 74, das Bildnis E. T. A. Hoffmanns sowie die Sicht auf die Stadt Magdeburg. Die IX. Symphonie war zeitlebens von größter Bedeutung für Wagner gewesen, sie wurde »zum mystischen Anziehungspunkt all meines phantastisch-musikalischen Sinnens und Trachtens« (ML, S. 42). Sein Lernen konzentrierte sich nun ganz auf die Musik. Auch hatte er die Bekanntschaft eines exzentrischen Musikers namens Flachs gemacht: »Ein langer, außerordentlich hagerer Mensch mit besonders dünnem Kopf und höchst absonderlichen Manieren im Gehen, Sich-bewegen und Sprechen« (ML, S. 39). Durch ihn bekam er, der bisher seine erste Sonate in d-Moll komponiert hatte, zum ersten Mal Partituren zu sehen. Er widmete sich höchst fasziniert ihrem Studium, allerdings auf eigene Faust. Beethovens V. und IX. Symphonie schrieb er mühsam ab, um sich diese Werke anzueignen. Da es noch keinen zweihändigen Klavierauszug der IX. Symphonie gab, erstellte er einen und schickte ihn an den Verleger Schott in Mainz. Schott antwortete ihm freundlich, dass man das Werk noch nicht herausgeben, aber ihm zur Belohnung die Partitur der Missa Solemnis anbieten wolle, was er freudig annahm. Die Partitur des Beethovenschen Es-Dur-Quartetts wurde ihm in Magdeburg von einem Musiker geschenkt, sodass er auch diese Komposition genau studieren konnte. Die auf den Notenlinien herumhüpfende Person könnte mit dem Ausspruch Wagners zusammenhängen, die Lektüre E. T. A. Hoffmanns habe seine Phantasie immens angeregt und er sei fortan »von Kreisler, Krespel und anderen Musikgespenstern meines Lieblingsschriftstellers« erfüllt gewesen (ML, S. 39). Er äußerte zudem: »Am Tage, im Halbschlafe hatte ich Visionen, in denen mir der Grundton, Terz und Quinte leibhaft erschienen und mir ihre wichtige Bedeutung offenbarten: was ich aufschrieb, starrte von Unsinn.«28 Ein großes Erlebnis war für ihn das Gastspiel der damals 24-jährigen Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient, die in ihrer Paraderolle der Leonore in Beethovens Fidelio auftrat (Miniatur rechts unten). Mit ihrer ergreifenden Gestaltung gab sie den Anstoß zu Wagners späteren Theorien zur musikdramatischen Darstellung. Das eigentliche »Urerlebnis« für Wagner war es, sie in der Rolle des Romeo in Bellini's I Capuleti ed i Montecchi zu sehen.29 Die Abbildung des Magdeburger Doms weist auf Richards erste Kunstreise hin, die er wiederum zu Fuß unternahm, um seine Schwester Klara zu besuchen, die dort am Theater engagiert war.

1829

Rosenstöcke » 1829

046 » 047

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ie Männergestalt im antiken Gewand könnte sich auf die Aufführung von Schillers Braut von Messina beziehen, in der Wagners Schwester Rosalie die Beatrice spielte. Richard war davon überaus eingenommen, weil das Theaterstück ganz in der Tradition der großen griechischen Tragödie steht. Er ging sofort daran, eine Ouvertüre dazu zu komponieren, die allerdings verschollen ist. Möglich ist aber auch, dass Isolde damit auf Wagners Sophokles-Lektüre im Griechischunterricht hinweist. In der Bildmitte ist die Neue Ouvertüre genannt. Dabei handelt es sich vermutlich um die Ouvertüre in B-Dur, die ebenfalls unauffindbar ist. Sie war aus seinem Studium der IX. Symphonie Beethovens erwachsen. »Besonders hatte sich hierbei die mystische Bedeutung, welche ich dem Orchester gab, ausgebildet: dieses gliederte ich in drei unterschiedliche, sich bekämpfende Elemente« (ML, S. 59). Er wollte die Stimmen in der Partitur mit drei Farben versehen, doch der Plan scheiterte daran, dass es ihm nicht gelang, grüne Tinte aufzutreiben. Warum der Musikdirektor des Leipziger Theaters einer öffentlichen Aufführung zustimmte, konnte Richard sich selbst nicht erklären, denn mit großer Regelmäßigkeit erklang in dem Werk ein Paukenschlag, was beim Publikum ziemliche Heiterkeit hervorrief. Es war ihm dann höchst peinlich, dem Ausgang entgegenzustreben und alle Blicke auf sich gerichtet zu wissen. »Nichts glich aber der Pein, mit welcher ich jetzt dem Türsteher wieder unter die Augen trat: der sonderbare Blick, den dieser auf mich warf, hinterliess einen unauslöschlichen Eindruck auf mich, und für lange Zeit blieb ich dem Parterre des Leipziger Theaters fern« (ML, S. 61). Richard hatte die Nikolaischule an Ostern verlassen, weil seine Leistungen nicht für eine Aufnahme an die Universität reichten. Nach einer zweimonatigen Pause wurde er an der Thomasschule angemeldet, wo sein Harmonielehrer Robert Sipp ihn wie folgt charakterisierte: »Er hatte eine rasche Auffassung, doch er war faul und wollte nicht üben«30. Wagner war also weit davon entfernt, ein Wunderknabe zu sein. Der Siebzehnjährige begann sich jetzt für den Zeitgeist zu interessieren. In Paris fand die Juli-Revolution statt. Wagner nahm Partei für die Revolutionäre. Auch in Leipzig brachen Unruhen aus. Die Studenten sahen sich in ihrem Freiheitsstreben mit der Staatsgewalt konfrontiert. Es kam zu Verhaftungen. Eines Abends versammelte sich die akademische Jugend auf dem Markt. »Man sang ›Gaudeamus igitur‹, bildete Kolonnen und zog nun, verstärkt durch alles Junge, was es mit den Studenten hielt, ernst und entschlossen vom Markte aus nach dem Universitätsgebäude, um dort die Karzer zu sprengen. [ … ] Mir klopfte das Herz in unglaublicher Erregtheit, als ich zu dieser Bastille-Erstürmung mit marschierte« (ML, S. 47 f.). Diese Szene wird mit dem dritten Bild verdeutlicht.

1830

Rosenstöcke » 1830

048 » 049

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as linke Aquarell gehört eigentlich ins Jahr 1832: Reste der geschlagenen polnischen Armee »Polonia« zogen durch Leipzig und erregten Richards Mitleid. Sein Schwager Brockhaus setzte sich für die unglücklichen Kämpfer ein. Durch ihn lernte Wagner einen Polen näher kennen und ehren. Am 3. Mai fand der 40. Jahrestag der polnischen Verfassungsgründung statt und das »Dritte-Mai«-Lied wurde mit großer innerer Anteilnahme von den Emigranten und Sympathisanten gesungen. Der polnische Freiheitskampf begeisterte Wagner. Die Polen waren kurze Zeit gegen die russische Übermacht siegreich. Die darauf folgende Belagerung und Einnahme Warschaus empfand er wie ein persönliches Unglück. Wagners Mutter wünschte sich, dass der Kantor und Musikdirektor der Thomaskirche, Theodor Weinlig, Richard in die »Lehre« nehmen würde. Dieser verlangte von ihm, ein halbes Jahr lang nichts zu komponieren und sich in die Kompositionstechnik einweisen zu lassen. Der Schüler sagte zu und nahm sich dabei häufig Mozart als Vorbild »in seiner leichten und fliessenden Behandlung der schwierigsten technischen Probleme« (ML, S. 65) (siehe Medaillon). Er hielt es aber nicht allzu lange mit den vierstimmigen Harmonieübungen aus, was zu einem Streit mit dem Lehrer führte. »Beschämt und gerührt bat ich den milden, von mir wirklich geliebten Greis um Verzeihung und gelobte ihm von nun an kräftige Ausdauer« (ML, S. 63). Als Belohnung für die Abstinenz vom Komponieren durfte er eine Phantasie für Klavier in fis-moll ausführen und wurde dafür gelobt. Bis zum Sommer hatte er eine Klaviersonate in B-dur zu vier Händen vollendet, die er nachträglich instrumentierte. Unter dem Eindruck von Rosalies Darstellung des Gretchens schrieb er sieben Kompositionen zu Goethes Faust, die er 1832 überarbeitete. Bald entstanden auch drei Vorspiele. Im darauffolgenden Winter 1831 / 32 wurde die Ouvertüre d-moll in einem Gewandhauskonzert gespielt. Der Einfluß der Beethovenschen Coriolan Ouvertüre war unüberhörbar. In die zweite Ouvertüre C-Dur flossen seine Lernerfolge in der Fugentechnik ein. Die dritte Ouvertüre Es-Dur ist verschollen. Mit König Engin bezieht sich Isolde auf die Ouvertüre e-Moll und die Theatermusik zu Ernst Raupachs historischem Trauerspiel in fünf Akten König Enzio. Rosalie erreichte die Aufführung derselben als Vorspiel zu dem Theaterstück. Die Ouvertüre wurde beim ersten Mal nicht angekündigt. Da die Wiedergabe unter Musikdirektor Dorn ohne Widerspruch ablief, spielte man sie bei den späteren Vorstellungen unter Namensnennung des Komponisten, was den Achtzehnjährigen mit Stolz erfüllt haben dürfte.

1831

Rosenstöcke » 1831

050 » 051

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as zentrale Bild schildert eine Szene aus der Oper Die Hochzeit, dem Entwurf eines tragischen Opernsujets, zu dem Richard von Johann Gustav Büschings Buch über das Ritterwesen angeregt wurde. Jahrelang waren zwei angesehene Geschlechter verfeindet gewesen, nun sollte die Hochzeit der Tochter der einen Familie mit dem Sohn der anderen zum Versöhnungsfest der Häuser werden. Doch den Führer der verfeindeten Sippe erfüllt »eine düstere Leidenschaft für die Braut«. Als sein Blick sie trifft, verfällt sie ihm. (Anklänge von Sentas Leidenschaft für den Holländer in Wagners späterer Oper sind erkennbar.) Der fremde Mann erklimmt den Turm des Schlosses und bedrängt die junge Frau. Sie wehrt sich, stößt ihn über die Brüstung und damit in den Tod. Als Folge wird sie wahnsinnig und zieht sich völlig zurück. Nur zur Totenfeier erscheint sie bleich und schweigend und sinkt neben der Totenbahre zusammen. Hatte ein Gottesurteil die junge Frau gerichtet? Klingt da nicht bereits Lohengrin an? Schwester Rosalie, deren Zustimmung Richard sich ersehnte, konnte sich nicht für das Werk erwärmen und enttäuscht darüber vernichtete er sein Manuskript. Innerhalb von sechs Wochen komponierte er eine viersätzige Symphonie in C-dur, seine einzige. Sie wurde von den Schülern des Konservatoriums zur Erstaufführung gebracht und erzielte einen gewissen Erfolg. 1833 erklang sie im Leipziger Gewandhaus. Die Schlussfuge ist stark an Mozart angelehnt – der junge Komponist war noch auf der Suche nach einem eigenen Stil. Der polnische Freiheitskämpfer Vincenz Graf Tyskiewitcz, den Richard in Leipzig kennenlernte, nahm ihn nach Brünn mit. Sie machten in Dresden Station, wo weitere Emigranten aus Polen sich aufhielten. Dem Grafen zu Ehren fand ein freundschaftliches Abschiedsmahl statt, bei welchem man dem Polen »unter Strömen von Champagner« zuprostete. Dieser Zwischenhalt könnte die Erklärung für Isoldes Abbild des Schlosses von Dresden sein. Richard fuhr dann alleine weiter nach Wien. Dort war die Cholera ausgebrochen, was ihn jedoch nicht anfocht. »Ich besuchte die Theater, hörte Strauss, machte Ausflüge und ließ es mir wohl gehen, wobei einige Schulden herauskamen, an welchen ich noch als späterer Dresdener Kapellmeister zu zahlen hatte« (ML, S. 70). Ganz untätig als Musiker war er aber in dieser Zeit nicht. Sein Jugendfreund Theodor Apel hatte ihm das Gedicht Glockentöne zukommen lassen, welches er spontan vertonte. Das war zwar nicht seine erste Gesangskomposition, aber die erste, die er nach eigener Aussage mit wirklicher Empfindung und Ausdruckskraft geschrieben hat. Das Lied ist ebenfalls unauffindbar.

1832

Rosenstöcke » 1832

052 » 053

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eine Schwester Rosalie ermutigte Richard zu den Feen, seiner ersten vollständigen Oper, vollendet in Würzburg am 6. Januar 1834. Als Vorlage diente ihm Carlo Gozzis Märchen La donna serpente, in dem es um das Aufeinandertreffen der realen mit der Feenwelt geht. Auf der Jagd nach einer Hirschkuh gerät Prinz Arindal in Adas Zauberland. Sie, halb Fee, halb Sterbliche, heiratet Arindal, den König von Tramond, dem sie das Versprechen abnimmt, sie nicht nach ihrem Namen zu fragen. Er hält das Gelübde nicht ein und ihr magisches Reich verschwindet. Sie sehnt sich aber nach ihrem Geliebten und möchte »aus der unsterblichen Feen-Natur ausscheiden, um als liebendes Weib das Los des Sterblichen teilen zu können« (ML, S. 80). Arindal werden die härtesten Prüfungen auferlegt, die er nicht besteht. Verlassen und verzweifelt verwünscht er sie. Sein Fluch lässt sie zu Stein erstarren. Wie Orpheus entführt er sie durch die Kraft der Musik aus der Unterwelt und zusammen leben sie im Feenland. Die Szene hält den Moment fest, in dem Arindal mit dem Klang seiner Leier die versteinerte Ada wieder zum Leben erweckt. Die Feen enthalten bereits das Thema des Frageverbots, das später im Lohengrin die zentrale Rolle spielt. Die Prüfungen, die Arindal bestehen sollte, lassen Anklänge an die Zauberflöte erkennen, aber es finden sich auch erste eigene Ideen. Ein für Wagner wichtiges Motiv, das des Mitleidens, taucht im Zusammenhang mit der von Arindals Pfeil getroffenen Hirschkuh auf und schließlich erscheint das Erlösungsmotiv, das Hauptthema des gesamten Wagnerschen Werkes. Am 6. August legte er die Partitur des ersten Aktes seinem kritischen Bruder Albert vor. Schon hier zeigte sich der Zwanzigjährige den formalen Aufgaben, die die konventionelle Nummernoper stellt, gewachsen. Seine Partituren waren von Anfang an wie gestochen und druckreif, »mit rühmlichster Sauberkeit fertig geschrieben« (ML, S. 86). Seiner mit Stolz erfüllten Mutter und der hocherfreuten Rosalie (an die er bei der Komposition von Adas großer Arie gedacht hatte) konnte er die drei Bände der Partitur vorlegen. Das Werk sollte erst 1888, also nach Wagners Tod, in München uraufgeführt werden. Er verbuchte noch einen weiteren Erfolg in diesem Jahr. Die C-Dur-Symphonie unter seinem eigenen Dirigat bei einem Konzert der Privatgesellschaft Euterpe wurde von dem damals berühmten Dramatiker und Kritiker Heinrich Laube gelobt. Da Richard noch nicht volljährig war, als er sein erstes Engagement als Chorleiter in Würzburg antrat, mussten seine Mutter sowie Rosalie und Albert in seinem Vertrag für »Pünktlichkeit« und »Gehorsam« bürgen. Er sammelte erste Opernerfahrung und lernte die Zeitnot kennen, in der die Aufführungen zu erarbeiten waren. Hier erlebte er seine erste Liebschaft. Therese Ringelmann, Tochter eines Totengräbers, »verführte mich durch ihre schöne Sopranstimme zu der Annahme, sie zur großen Sängerin bilden zu müssen.« (ML, S. 84) Er löste das Verhältnis aber bald wieder.

1833

Rosenstöcke » 1833

054 » 055

L

inks unter dem mächtigen Baum findet sich eine Szene aus dem Liebesverbot, Wagners zweiter Oper, der ersten, die aufgeführt wurde. Er hatte also schon in jungen Jahren Erfolge zu vermelden. Zunächst schrieb er nur das Libretto. Mitte Juni trat er mit seinem künstlerisch interessierten und vermögenden Freund Theodor Apel eine Ferienreise ins Böhmische Land an. »An einigen schönen Morgen stahl ich mich von meinem Freunde fort, um mein Frühstück einsam auf der ›Schlackenburg‹ zu nehmen und bei dieser Gelegenheit den Entwurf zu einem neuen Operngedicht in mein Taschenbuch aufzuzeichnen. Ich hatte mich hierzu des Sujets von Shakespeares Mass für Mass bemächtigt, welches ich, meiner jetzigen Stimmung angemessen, in sehr freier Weise mir zu einem Opernbuch, dem ich den Titel Das Liebesverbot gab, umgestaltete« (ML, S. 91). Das Stück richtet sich gegen puritanische Heuchelei und verherrlicht die freie Sinnlichkeit. Dass die reine Jungfrau Isabella den verdorbenen Mann erlöst, nimmt das Handeln von Elisabeth im späteren Tannhäuser vorweg. Die Balkonszene entstammt der Oper I Capuleti e i Montecchi von Vincenzo Bellini. Darin sah Richard die Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient in der Rolle des Romeo wieder. Ihre hinreissende Interpretation und Darstellung machten ihm bewusst, dass er solche Sängerdarsteller für sein Werk benötigte und es möglich war, sie zu finden. »Sie vernichtete Bellinis Musik geradezu, um dieselbe mit einem Inhalt zu versehen, der aus den Noten nicht herauszulesen war«, schrieb der Berliner Kritiker Ludwig Rellstab über ihre Interpretation.31 Nach diesem überwältigenden Erlebnis erschienen Richard die deutschen Komponisten zu oberflächlich; er wollte bei den Hörern Emotionen hervorrufen. Nach seiner Heimkehr erfuhr er, dass ihm eine Stelle als Musikdirektor am Magdeburger Theater angeboten worden war. Sogleich reiste er nach Lauchstädt, wo die Truppe gerade gastierte. Man bot ihm an, Mozarts Don Juan aufzuführen, jedoch ohne Proben, was er rigoros ablehnte. Dann aber traf er die schöne Minna Planer, die erste Liebhaberin der Theatergruppe. Er mietete sich eine Etage über ihr ein und beschloss, die Aufgabe doch zu übernehmen, vorausgesetzt, dass ihm eine Probe zugestanden würde. Obwohl er noch nie eine Oper dirigiert hatte, verliefen Probe und Aufführung recht gut. »Das Los war geworfen. Der Ernst des Lebens trat sogleich in bedeutungsvollen Erfahrungen mir entgegen« (ML, S. 105).

1834

Rosenstöcke » 1834

056 » 057

D

ie erste Szene zeigt eine Schlägerei, die später zum Vorbild für die Prügelszene in den Meistersingern von Nürnberg wurde; im Hintergrund die beiden Türme der Lorenzkirche. Wagner gab sich in einem Wirtshaus spaßeshalber für den berühmten Sänger Lablache aus, um einen anderen Gast namens Lauermann, der mit seinem Gesang protzte, zu verhöhnen. Richard und die Gäste provozierten den »Sänger«, der sich ereiferte und immer mehr trank, bis er schließlich von einer Gruppe in einer Schubkarre heimgefahren wurde. Der ganze Schwarm wogte darauf zum Wirtshaus zurück, das allerdings wegen der Polizeistunde schon geschlossen war. Es kam zu Schreien und Toben, was schließlich in eine Prügelei ausartete. Jeder drosch auf jeden ein, doch als der Erste zu Boden ging, rannte alles auseinander und Stille trat ein. Die herrliche Beschreibung dazu findet sich in Mein Leben (S. 116). In der zweiten Miniatur hält Kolumbus auf seinem Schiff Ausschau nach Amerika. Theodor Apel hatte ein Drama Kolumbus geschrieben, zu dem Wagner eine Ouvertüre komponierte. »Mit der Vorzüglichkeit der preußischen Regimentstrompeter vertraut, hatte ich sehr richtig auf einen hinreißenden Effekt namentlich meines Schlußsatzes gerechnet: die Ouvertüre setzte alles in Erstaunen und trug stürmischen Beifall davon« (ML, S. 106). Das Orchester schildert das Meer: »ein gewaltsames, sehnsüchtig verlangendes und strebendes Motiv« (ML, S. 105). Das lässt bereits an den Fliegenden Holländer oder sogar an den Tristan denken. Anschließend verweist Isolde auf das Singspiel Die Schweizerfamilie des Österreichers Joseph Weigl. Wagner erlebte abermals, wie Wilhelmine Schröder-Devrient in Nürnberg »trotz verblasster Jugendlichkeit« die Hauptrolle adelte, was ihn ergriff. Das vierte Bild zeigt Magdeburg mit dem Dom und der Elbe, wo Richard für die neue Spielzeit angestellt war. Es wäre für die junge Isolde unschicklich gewesen, Richards leidenschaftliche Beziehung zu Minna zu thematisieren. Wagner selbst ersetzte beim Diktat der Erinnerungen seine ursprünglichen Gefühle der Liebe und Leidenschaft für Minna durch eine teilweise unfreundliche Herabsetzung der nicht mehr Geliebten.32 Er war aber damals so in sie verliebt, dass er beschloss, sie zu heiraten. In seiner Autobiographie hat er keine Mühe, selbstironisch berufliche Pleiten und Pannen dieses Jahres zuzugeben: wie er die Gläubiger auf gewaltige Konzerteinnahmen zu vertrösten versuchte, wie er die Schröder-Devrient zu einem Konzert einlud, das aber nur spärlich besucht war, weil niemand glaubte, er habe eine so bedeutende Künstlerin engagieren können, und wie er mit der Aufführung von Beethovens Schlacht bei Vittoria das Publikum aus den Rängen vertrieb, weil er Geschütz- und Gewehrfeuer aus Maschinen aufbaute und die Zahl der Trommeln und Signalhörner verdoppelte und verdreifachte.

1835

Rosenstöcke » 1835

058 » 059

D

urch die Lektüre des zweiten Bandes von Laubes Junges Europa wieder an den Polenaufstand erinnert, komponierte Wagner die Ouvertüre Polonia unter Einbeziehung volkstümlicher Melodien, die er in Leipzig im Mai 1832 gehört hatte. Der Ritter in der Mitte stellt Fernando Cortez dar. Wagner hatte am 22. Juni in Berlin die gleichnamige Oper von Gasparo Spontini unter der Leitung des Komponisten gehört, die erste große Opernaufführung seines Lebens. »Dieser Eindruck lebt [ … ] in mir fort und hat mich bei der Konzeption meines Rienzi [ … ] geleitet« (ML, S. 133). Das Ruderboot, das die englischen Klippen entlangfährt, spielt auf die Ouvertüre Rule Britannia an, die aber erst im Jahr darauf vollendet wurde. Das Werk ist mit einem gewaltigen Orchester und einer Militärkapelle auf Massenwirkung angelegt. Das Bild rechts deutet auf das Stück Männerlist oder Frauenlist oder Die glückliche Bärenfamilie hin, das Wagner ebenfalls erst 1837 schrieb. Die Handlung ist mehr als verwirrend: Es gelingt einem Juwelier, sich von einer Frau zu befreien, die sich ihm durch eine List angenähert hatte. Seltsamerweise übergeht Isolde die Oper Das Liebesverbot, deren Partitur Richard Neujahr 1836 fertigstellte (vgl. ihr Bild vom Jahr 1834). Wagner hatte der Aufführung ursprünglich zuversichtlich entgegengesehen, da »recht gutes Sängerpersonal« zur Verfügung stand, das sich positiv zur Musik stellte. Die Theaterdirektion war auch bereit, ihm die zweite Vorstellung als Benefizveranstaltung zuzubilligen, weil es ihm wie so oft an Geld mangelte. Die kurze Probezeit von zehn Tagen reichte aber nicht aus, dem Publikum der Uraufführung das Werk, noch dazu ohne Textbuch, verständlich zu machen. Daher stellten sich nur noch wenige Zuschauer zur zweiten Aufführung ein, die dann zu allem Überfluss auch noch abgesagt werden musste, weil es hinter den Kulissen zu einem Kampf zwischen dem eifersüchtigen Gemahl der ersten Sängerin und dem zweiten Tenoristen gekommen war. »Dies war das Ende meiner vielverheißenden und mit verhältnismäßig großen Opfern begonnenen Dirigenten- und Komponistenlaufbahn in Magdeburg« (ML, S. 129). Wagners Versuche, die Oper in Berlin aufführen zu lassen, blieben erfolglos. Zum Glück erhielt er ein Angebot für den Posten des Musikdirektors in Königsberg, was ihm erlaubte, am 24. November als 23-Jähriger Minna zu heiraten. »Nach der Heimkehr aus der Kirche gewann meine gute Laune die volle Oberhand über alle Bedenken. Minna trat sogleich in wirtschaftliche Sorge für den Empfang und die Bewirtung der Gäste ein, die Tafel war gedeckt, und ein reiches Gastmahl – musste für die zum grossen Leidwesen der jungen Hausfrau vorgefundene und lange unbezwinglich bleibende Kälte des Zimmers entschädigen« (ML, S. 143).

1836

Rosenstöcke » 1836

060 » 061

A

b dem Herbst dieses Jahres war Wagner in der russischen Ostseestadt Riga als Theaterkapellmeister tätig. Die Seereise dorthin stand unter keinem guten Stern, denn ein ungünstiger Wind vereitelte acht Tage lang die Überfahrt. »In einer elenden Schiffskneipe musste ich diese widerwärtige Zeit zu überstehen suchen; ohne Mittel der Unterhaltung griff ich unter anderm zur Lektüre des Volksbuches vom Till Eulenspiegel, welches mich zuerst auf den Gedanken einer echt deutschen Oper brachte« (ML, S. 152 f.). Er wird sich später bei der Arbeit am Jungen Siegfried wieder daran erinnern. Das Bild »Nicolai« stellt den russischen Zaren Nikolaus I. (1796–1855) dar und verweist auf Wagners Vertonung einer von Brakel gedichteten Volks-Hymne, die dem Namenstag des Herrschers galt und eine Zeitlang alljährlich aufgeführt wurde. Die Lektüre von Edward Bulwers Roman Rienzi, mit der Richard sich jetzt befasste, begeisterte ihn so, dass er den Stoff zu einer Oper verarbeiten wollte. Die Aussage »Banditen! Ha, sagt mir: giebt es noch Römer?« stammt aus dem ersten Akt. Orsini, der Gegner Rienzis, will dessen Schwester Irene entführen und versucht, sie aus ihrem Haus zu verschleppen. Rienzi rettet sie und beschämt den Gegner mit dem genannten Ausspruch. Die stärksten musikalischen Anregungen für diese Oper erhielt Wagner von Spontinis Fernando Cortez und Meyerbeers Robert der Teufel. Hans von Bülow meinte später ironisch, Rienzi sei »Meyerbeers beste Oper«. Die Abbildung aus dem Fidelio erlaubt zwei Interpretationen. Sie könnte sich zum einen indirekt auf Minna beziehen: Richard traf ihre jüngere Schwester Amalie Planer in Berlin, wo er ihr voller Schmerz von Minnas Weggang erzählte (sie hatte seine Eifersuchtsattacken nicht mehr ertragen können und war geflohen). Während sie sich dort eine Aufführung von Beethovens Oper anhörten, brachen beide »in Tränen und Schluchzen aus«, vermutlich an der Stelle, wo Leonore ihr Leben für ihren Mann einsetzt und dem Tyrannen ihr berühmtes »Töt' erst sein Weib!« entgegenschleudert. Vielleicht wollte Isolde aber auch an eine Fidelio-Aufführung im Jahre 1832 in Leipzig erinnern, bei der Wagner diese Szene besonders gerühmt hatte.

1837

Rosenstöcke » 1837

062 » 063

W

ährend seines Aufenthalts in Riga studierte Wagner Etienne Nicolas Méhuls Oper Joseph in Ägypten ein, daher das Szenenbild. Er mochte den »edlen und einfachen Stil bei der rührenden und ergreifenden Musik« (ML, S. 158). Nun ging er ernstlich an die Dichtung seiner großen Oper Rienzi heran, die er im August abschloss, um sich sogleich an die Orchesterskizzen zu setzen. Das mittlere Bild illustriert den Brand des Kapitols, die sogenannte Schluss-Katastrophe. Er hoffte, mit diesem bedeutenden Werk Anschluss an die hohe Qualität seiner besten Opernkollegen wie Meyerbeer, Halévy und Auber zu bekommen und ließ dafür die begonnene Lustige Bärenfamilie fallen. Erfreulich fand Wagner die Schauspielaufführungen in Riga. Der Spielplan wies ein vielseitiges Klassikerprogramm aus: Werke von Shakespeare, Schiller, Lessing, Kleist. Man wagte sich sogar an Goethes Faust heran. Unvergesslich ist ihm die Aufführung von König Lear geblieben, deren Proben er mit großem Interesse besuchte. Sein Leben lang befasste er sich mit den Stücken Shakespeares und Cosima berichtete Jahre später, wie oft sie sich seine Dramen und Komödien gegenseitig vorlasen, sie diskutierten und priesen. Mit der »liederlichen« Rigaer Theatertruppe und dem Direktor Karl von Holtei kam er immer weniger klar. Die Streitigkeiten häuften sich, als er begriff, dass er keine ernsthafte Verbesserung der Aufführungsqualität erreichen konnte. »Das Rigaer Engagement endete zur Abwechslung nicht mit dem Bankrott, sondern mit dem Verschwinden des Direktors«33, der sich Anfang Februar 1839 ins Ausland absetzte. Langsam reifte in Wagner der Entschluss, nach Paris zu ziehen und dort sein Glück zu versuchen. Als »Einstand« schickte er Eugène Scribe die Skizze zu einer fünfaktigen großen Oper zu, basierend auf einem Roman von Heinrich König. Doch woher die Reisekosten nehmen? Mit dem Verkauf des Hausstandes und dem Ertrag eines Benefizkonzertes hätte ein Teil seiner Schulden abbezahlt werden können. Stattdessen wurde alles Geld für die Reise (mit Hund) verwendet, mit der Folge, dass die Gläubiger Wagner noch jahrelang verfolgten. Ein Freund bot dem Ehepaar an, es in seinem Wagen über die russische Grenze bis zu einem ostpreußischen Hafen zu bringen, und zwar ohne Pässe, damit die Gläubiger nicht eingreifen konnten. »Die Begierde, um jeden Preis meiner bisherigen Lage mich zu entziehen [ … ] verblendete mich gegen alle Widerwärtigkeiten« (ML, S. 168).

1838

Rosenstöcke » 1838

064 » 065

I

m März verlor Wagner seine Stellung in Riga und bereitete seine Flucht nach Paris vor. Um die Rienzi-Dichtung selbst zu übersetzen, nahm er vier Wochen lang Privatstunden in Französisch, denn die Ausführung dieses Projektes war nun von immer größerer Bedeutung: »Es lag mir daran, bei meinem Eintritt in dem kostspieligen Paris sofort wenigstens die vollendete Hälfte meines Werkes vorlegen zu können« (ML, S. 179). Isolde zeichnet ihn komponierend oder schreibend am Tisch, zu seinen Füßen den treuen Neufundländer Robber, den er trotz großer Hindernisse nach Paris mitnahm. Das Interieur ist etwas luxuriös gestaltet, was Richard sich damals eigentlich nicht leisten konnte. Isolde nahm sich wohl irrtümlicherweise Wahnfried zum Vorbild. Wagner neigte allerdings dazu, sich teure Dinge anzuschaffen, deren Preise die Einkünfte eines Kapellmeisters überstiegen. Am 9. Juli begannen Richard und Minna ihre Irrfahrt auf der Flucht vor den Gläubigern. Sie gelangten an die Küste und passierten mit Glück ohne gültige Pässe die Kontrollen der Kosaken. In der Hafenstadt Pillau bestiegen sie das hier dargestellte Schiff »Thetis«. Das Echo der Granitwände in den norwegischen Fjorden, das den Schiffsruf der Mannschaft zurückwarf, als sie den Anker lichtete und die Segel hisste, inspirierte Richard zum Thema des Matrosenliedes in seiner Oper Der fliegende Holländer. Die Reise führte an dem geschichtsträchtigen Schloss Helsingör vorbei, dessen Anblick Wagner an seine Jugendeindrücke von Shakespeare's Hamlet erinnerte. Wilde Stürme kamen auf und ließen Minna und Richard um ihr Leben fürchten. Sie waren unendlich erleichtert, in London das Schiff verlassen zu können, von wo es dann nach Paris weiterging. Das Notenbeispiel »Mit Gewitter und Sturm« und die sehnsüchtig auf das Meer blickende Senta sind wiederum dem Fliegenden Holländer entnommen, der in Frankreich komponiert wurde. Die Vertonungen des Gedichts Mignonne von Pierre de Ronsard und des von einem unbekannten Dichter stammenden Dors mon enfant – die ersten französischen Kompositionen Wagners – entstanden 1840 in Paris. Über das Schlaflied sagte er: »Es geriet mir so gut, dass, als ich spät abends es mehrmals leise mir auf dem Klavier probierte, meine Frau aus dem Bett mir zurief, das wäre ja ganz himmlisch zum Einschlafen« (ML, S. 183). Diese kleinen Arbeiten waren so überzeugend, dass er sie 1841 als musikalische Beilage zur Zeitschrift Europa veröffentlichte.

1839

Rosenstöcke » 1839

066 » 067

I

n dem Medaillon oben links sehen wir Wagners Hund Robber. Nach einigen Wochen in Paris ging er im Menschengewühl verloren und kam nicht wieder zurück. Ein Jahr später erkannte ihn Richard auf der Straße. Als er zu hastig auf das Tier zuging, wich dieses »aus Furcht vor einer Züchtigung« scheu zurück und verschwand wiederum. Für die tierliebende Isolde war es unumgänglich, diese traurige Geschichte in dem sonst eher emotionslosen Kontext der Bilder festzuhalten. Aufmerksamkeit und Einnahmen versprach sich Wagner von der Vertonung einiger französischer Gedichte, so auch von Les deux grenadiers für Bariton nach Heinrich Heine, den er verehrte und sich als Schriftsteller zum Vorbild nahm. Er ließ das Lied sogar auf eigene Kosten drucken, aber mit wenig Erfolg, denn kein Konzertsänger wollte es vortragen. In der oberen Mitte verweist Isolde auf Wagners Plan, einen einaktigen Fliegenden Holländer zu schreiben, der als Vorspiel zu einem Ballettabend gedacht war. Er verfasste eine Synopse der Handlung in der Hoffnung, den Auftrag zur Vertonung von der Operndirektion zu bekommen, was aber nicht geschah. Einige Nummern waren bereits fertig: das Lied der Matrosen, der Gesang der Holländer-Mannschaft und die Ballade des zweiten Aktes. Nun war die Vollendung des Rienzi Wagners nächstes Ziel. Eine Aufführung von Beethovens IX. Symphonie, die von dem Großen Orchester des Pariser Konservatoriums vollendet und auf ergreifende Weise vorgetragen wurde, blieb als tiefes Erlebnis in Erinnerung. Bei einem Besuch der Conservatoire-Konzerte hatte er in einem angrenzenden Raum zu warten, der durch eine Schallwand vom Saal getrennt war. Dabei faszinierte ihn die Wirkung des gedämpften Orchesterklangs. Diesem Erlebnis entsprang die Idee des verdeckten Orchesters im Festspielhaus von Bayreuth. Auf die Novelle Eine Pilgerfahrt zu Beethoven, die Wagner in Paris schrieb, weist die nächste Abbildung hin: Beethoven ist an seinem wilden Haarschopf zu erkennen. Der Text wurde in der Gazette Musicale abgedruckt und erregte Interesse und Beifall. Wagner trug sich auch mit dem Gedanken, eine zweibändige Biographie Beethovens zu schreiben, doch die angefragten Verlage lehnten ab. Am 12. Januar war die erste Fassung der Faust-Ouvertüre beendet; in Isoldes Bild rechts unten ist der sinnierende Faust zu sehen. Das Werk wurde später verschiedentlich umgearbeitet. Ursprünglich sollte daraus eine Symphonie entstehen, da aber Wagner dem angesehenen Opernkomponisten Meyerbeer etwas Neues im Bereich der Oper vorlegen wollte, ließ er es bei der Ouvertüre bewenden.

1840

Rosenstöcke » 1839

068 » 069

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as Jahr 1841 verbrachte Wagner weiterhin mit Minna in Paris. Es waren turbulente Zeiten, die von der Suche nach Opernsujets sowie durch Geldnot geprägt waren. Um zu sparen, übernahm Minna die Arbeiten ihrer Putzfrau, und es wurde nur noch ein Zimmer beheizt. Isolde hat versucht, diesem Jahr mit acht Zeichnungen gerecht zu werden, wobei sie verständlicherweise nicht auf die Armut und Verzweiflung des Ehepaares eingeht. Der Mann in der Höhle (oben Mitte) geht auf die Erzählung Die Bergwerke von Falun von E. T. A. Hoffmann aus dem Zyklus Die Serapionsbrüder von 1819 zurück. Der Protagonist gibt seinen Beruf als Seefahrer auf, um Bergarbeiter zu werden. Im März 1842 vollendete Wagner den Prosaentwurf, den er für den jüdischen Musiker und Komponisten Dessauer geschrieben hatte. Dieser war erfreut und auch bereit, das Stück zu vertonen, aber die Durchführung des Planes scheiterte an der Gepflogenheit der Pariser Oper, stets für den zweiten Akt ein Ballett einzubeziehen. Dieser Anspruch brachte später auch Wagners Pariser Tannhäuser-Aufführung zu Fall. Unter dem Bergmann erblickt man eine Szene aus dem Fliegenden Holländer: Senta sitzt am Spinnrad, über ihr das Portrait des »bleichen Seemanns«. Festgehalten ist der Moment der ersten Begegnung. Der Direktor der Pariser Oper kaufte Wagner seine Synopse ab und gab den Auftrag zur Vertonung einem anderen Komponisten. Wagner musste sich mit dem immerhin stattlichen Betrag von 500 Francs zufriedengeben. Er vollendete im November seine eigene Komposition mit der schriftlichen Anmerkung »In Noth und Sorgen«. Die Uraufführung fand im Januar 1843 in Dresden statt. Auch Lord Byrons Drama Die Sarazenin, oben links, erschien ihm für einen Operntext geeignet, aber zu einer Vertonung kam es nicht. Bei seinen Forschungen nach neuen Stoffen stieß er auf die Tannhäuser- sowie die Lohengrin-Sage (rechts oben), die im Gegensatz zur Sarazenin später realisiert wurden. Wagner war vom Herausgeber der Zeitschrift Europa gebeten worden, Kompositionen einzusenden, worauf er die Vertonung des melancholischen Gedichts Der Knabe und der Tannenbaum von Georg Scheurlin schickte, »eine Arbeit, die ich noch jetzt gerne mein nenne« (ML, S. 209). Isolde muss das Gedicht gekannt haben, da sie einen Jungen im Ruderboot skizziert (»Der Tannenbaum steht schweigend, Einsam auf grauer Höh'; Der Knabe schaukelt im Nachen entlang dem blauen See«). Die Kunstnovelle Ein glücklicher Abend, die in der Gazette musicale erschien, sollte ihm etwas Geld einbringen. Das Plakat mit der Ankündigung einer Freischütz-Vorstellung (untere Reihe, zweites von rechts) spielt auf einen Aufsatz zum Thema an, den Wagner in Vorbereitung einer Aufführung in Paris für dieselbe Zeitung schrieb. Sein späterer Premierenbericht, den er nach Deutschland schickte, »ist in seiner Schilderung der Unzulänglichkeiten der Aufführung ein kleines Meisterwerk«34. .

1841

Rosenstöcke » 1841

070 » 071

I

In Paris erhielt Richard Signale aus Dresden, dass man den Rienzi aufzuführen gedenke, und er beschloss die Abreise, zumal der Intendant des Berliner Theaters Interesse am Fliegenden Holländer zeigte. Nach schwierigen Zeiten verließen Minna und Richard Paris am 7. April mit neuen Plänen: Wagner war zufällig das Lied vom Tannhäuser in die Hand gefallen. Neben Heinrich Heines Legende von 1837 nennt Wagner ein Volksbuch Der Venusberg als Quelle, was aber als solches nicht existiert, sowie den Sängerkrieg auf der Wartburg. Bekannt war ihm die Handlung auch durch Ludwig Tiecks Sammlung Phantasus. Im Sommer erholte sich das Ehepaar in Teplitz, wo Wagner ausgedehnte Fußmärsche unternahm, wie er sie liebte. Er trennte sich von Minna und seiner Mutter, um seinen Plan zum Venusberg (so sollte das Werk ursprünglich heißen, was aber als zu anzüglich galt und durch Tannhäuser ersetzt wurde) zu verfolgen und verbrachte einige Tage im romantisch gelegenen Schreckenstein bei Aussig. Dort hörte er einen Hirten eine lustige Tanzweise pfeifen. Dabei sah er im Geiste den Chor der Pilger an diesem Hirten vorbeiziehen und entwickelte bereits die ersten Ideen für die neue Oper. Wie stellt ein junges Mädchen des prüden 19. Jahrhunderts einen Venusberg dar? Sie »flüchtet« sich in die Kunstgeschichte. Malerei war ein Thema im Hause Wagner und die Kinder wurden schon jung in Museen mitgenommen. So erkennen wir in ihrem Bild rechts oben die Leda von Rubens und oben links die Drei Grazien von Raffael. Die Gestalt der Venus in der Bildmitte erinnert entfernt an Giorgiones Porträt der Schlummernden Venus. Ob Cosima wohl Einspruch gegen den erotisch-frivolen Gehalt der Zeichnung erhob? In Wagners Oper singen die Sirenen schließlich Gewagtes: »Naht euch dem Lande, wo in den Armen glühender Liebe selig Erwarmen still' eure Triebe!« Und in seinen Regieanweisungen wünschte er sich Bacchantinnen, Satyre und Faune, die im Venusberg ekstatische Tänze aufführen. Mitten in der »höchsten Raserei erheben sich drei Grazien. Sie rütteln die schlafenden Amoretten auf, damit diese mit ihren Pfeilen dem Getümmel Einhalt gebieten.« Isolde malte die Grazien wie auch die Amoretten und folgt damit der Pariser Fassung, die 1842 allerdings noch nicht entstanden war. Aber da Wagner diese später als einzig gültige anerkannt wissen wollte, hat sie sich daran gehalten. Zunächst stand die Uraufführung des Rienzi bevor. Sie war ein rauschender Erfolg und Wagner wurde mit einem Schlag in Deutschland bekannt. Er erlebte nun eine Phase, für die er sich jahrelang abgemüht hatte und schrieb seinem Bruder: »Bleibe ich auch immer derselbe, so ist um mich herum doch Alles anders geworden. [ … ]Vorher krähte kein Hahn nach mir, und nun kann ich mich nicht retten [ … ] kurz ich bin hier Mode.«35

1842

Rosenstöcke » 1842

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N

ach den für ihn enttäuschenden und erniedrigenden Zeiten in Paris wurde Wagner in Dresden die Stelle eines untergeordneten Musikdirektors angeboten, was er aber zunächst mit der selbstbewussten Begründung ablehnte, er bedürfe der »Autorität in vollem Sinne des Wortes«. Letztlich willigte er aber doch ein, die Stelle anzunehmen – Minna wird ihren Teil dazu beigetragen haben. Zudem hatte die Intendanz kurz vor seiner Amtsübernahme den Fliegenden Holländer zur Uraufführung gebracht, mit Wilhelmine Schröder-Devrient als Senta. Wagner fand die Aufführung missglückt, was wohl am Sänger des Holländers, Johann Wächter, lag: »Sein breites rundes Gesicht und die sonderbaren Bewegungen seiner Arme und Beine, welche unter seiner Handhabung nur körperliche Stümpfe zu sein schienen, brachten meine leidenschaftliche Senta zur Verzweiflung« (ML, S. 255). Er befürchtete, als Königlich Sächsischer Kapellmeister von seinen Gläubigern aus Königsberg und Riga bedrängt und durch die vielen dienstlichen Arbeiten vom Komponieren abgehalten zu werden. Ihm dämmerte auch, »daß ich nicht als Dresdener Kapellmeister sterben würde« (ML, S. 266). Sehr bald wurde ihm seine Aufgabe lästig, obwohl er durch seine Tätigkeit viele Erfolge errang. Die biblische Szene Das Liebesmahl der Apostel komponierte Wagner für die Dresdener Liedertafel, deren Leitung er übernommen hatte. Um die Überführung der Asche Carl Maria von Webers aus London zu finanzieren, wurde eine Festaufführung sämtlicher sächsischer Männergesangsvereine veranstaltet. 1200 Sänger und 100 Musiker führten das Werk in der Frauenkirche auf. In der Mitte ist Freja porträtiert, die Liebesgöttin der Deutschen Mythologie, die mit ihren Walküren und Göttern die Grundlage für den späteren Ring des Nibelungen bildet. Freja sitzt unter der Weltesche mit ihrem Runenstock, über ihr einer von Odins Raben. Isolde stellt die Göttin der Liebe der germanischen und der griechischen Sagenwelt durch eine identische Frauengestalt dar (vgl. 1842). Rechts findet sich eine Szene aus dem ersten Akt des Tannhäuser: Die Pilger ziehen vorbei und der Sänger verharrt »in brünstigem Gebete«. Anfang April war die Urschrift der Dichtung vollendet und kurz danach wurde mit der Kompositionsskizze des Aktes begonnen.

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ie Erstaufführung des Fliegenden Holländers im Januar in Berlin stand unter Wagners persönlicher Leitung und wurde durch die Anwesenheit König Friedrich Wilhelms IV. aufgewertet. Felix Mendelssohn Bartholdy war einer der Gratulanten, die Kritik war jedoch überwiegend negativ. Ostern führte Wagner Beethovens VI. Symphonie, die Pastorale, mit großem Erfolg auf. Darauf bezieht sich das kleine Bild unten in der Mitte. Solche außerplanmäßigen Konzerte waren für ihn eine willkommene Abwechslung. Denn er litt weiterhin unter der Bürde seines Amtes, das die Leitung von Repertoire-Opern umfasste und in ihm das Gefühl verstärkte, seine Zeit zu verschwenden. Wagner schuf Anfang August Text und Musik zu einem Gruß Seiner Treuen an Friedrich August den Geliebten aus Freude über die Rückkehr des Königs von Sachsen aus England. In seiner leitenden Funktion organisierte er einen Vortrag dieses Liedes in Pillnitz, wo der König eintreffen sollte. Dazu trommelte er insgesamt 300 Sänger zusammen. Die Königin hatte dafür gesorgt, dass anschließend für alle Gäste ein reichliches Frühstück bereitstand: »Die herzlich erregte königliche Hausfrau sahen wir selbst öfter geschäftig zur Überwachung der Bewirtung an den Fenstern und auf den Gängen des umgebenden Schlosses sich bemühend« (ML, S. 289). Über die Gestalt des Hirten ist die Wartburg gesetzt; den Pilger im Vordergrund könnte man für den aus Rom heimgekehrten unentsühnten Tannhäuser halten. Wagner vollendete die Orchesterskizze des dritten Aktes am 29. Dezember. Die Heimführung der Urne von Carl Maria von Webers (Illustration rechts) sah Wagner als eine patriotische Pflicht an und setzte sich sehr dafür ein. Damit war er nicht allein. Das Berliner Hoftheater veranstaltete auf Initiative Meyerbeers eine Benefizveranstaltung mit Webers Euryanthe, die zweitausend Taler einbrachte. Andere Theater folgten mit Spenden und bald konnte eine Gruft mit entsprechendem Grabmal finanziert werden. Im Dezember wurden dann die sterblichen Überreste Webers »bei Fackelschein in feierlichem Zuge« mit Wagners Trauermusik nach Motiven aus Euryanthe zur Kapelle gebracht. Am folgenden Tag hielt er eine Rede und dirigierte sein Werk An Webers Grabe. Er nahm den Bericht über die Heimbringung der sterblichen Überreste Carl Maria von Webers aus London in seine Gesammelten Schriften auf, mitsamt dem Bestattungs-Gesang und seiner Rede. Indem er seine Bemühungen der Welt mitteilte, reihte er sich bewusst in die Nachfolge Webers ein.36

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solde leitet dieses Jahr mit der Wartburg ein und erinnert damit an die Uraufführung des Tannhäuser am 19. Oktober in Dresden. Zu Beginn sah dabei alles vielversprechend aus. »Alle meine Wünsche wurden genehmigt, namentlich auch die Anfertigung schöner und charakteristischer mittelalterlicher Kostüme [ … ] mehrere vorzügliche Dekorationen, welche die besten Maler der Grossen Oper in Paris für Dresden lieferten« (ML, S. 314). Warum wollte er diese ausgerechnet von Paris geliefert haben, nachdem seine Eindrücke dort mehrheitlich negativ gewesen waren? Gerade dort hatte er jedoch szenische Qualität kennengelernt, nämlich »was ›mise en scène‹ bedeutete: eine sorgfältig abgestimmte Komposition aus Bühnenbild, Kostümen, Regie, Choreographie [ … ] bis hin zur Beleuchtung.« Und er hatte »wirkungsvolles Theater mit grosser Geste und virtuoser Allüre« erlebt.37 Leider schaffte die Verständigung über die Sängerhalle Probleme, da der Theaterdirektor an einen Kaisersaal dachte, während Wagner eine völlig andere Vorstellung hatte, und so verzögerte sich die Bestellung. Die Ankunft der Bühnenbilder verschleppte sich und Wagner musste sich bei der Premiere mit alten aus dem Dresdner Fundus begnügen. Und es traten noch mehr Schwierigkeiten auf. Als die Proben im September begannen, teilte Frau Schröder-Devrient Wagner mit, dass sie mit der Partie der Venus nichts anzufangen wisse. Diese Kritik führte denn auch dazu, dass der Komponist die damals skizzenhafte Rolle für die Pariser Fassung überarbeitete. Die Aufführung sollte das Ereignis des Jahres werden und die Erwartungen waren hoch. Mit einem nur freundlichen Applaus aufgenommen, war Tannhäuser jedoch kein Erfolg. Wagner selbst stellte nüchtern fest, diese Produktion sei lehrreich für sein späteres Werk gewesen. Wagner wollte sich ursprünglich im Sommer beim Wandern und Trinken des Marienbader Wassers erholen, aber das anonyme Epos Lohengrin, das er als Lektüre in die Ferien mitnahm, regte ihn so an, dass die Handlung plötzlich vor seinem geistigen Auge stand und nach Umsetzung rief. Gleichzeitig animierte ihn die Geschichte der deutschen Literatur von Gervinus, sich mit Hans Sachs und den Meistersingern von Nürnberg zu beschäftigen. In seiner Phantasie spielte sich die ganze Komödie so lebhaft ab, dass er das Ganze trotz ärztlichen Verbots zu Papier brachte. »Nun fand der Badearzt aber, daß es besser sei, ich gäbe Brunnen und Wanne auf und ließe mir ein für allemal gesagt sein, daß ich zu solchen Kuren nicht tauge« (ML, S. 316). Der Prosaentwurf der Meistersinger wurde im Juli vollendet. Isoldes Szene zeigt das alte Nürnberg mit dem Schuster Hans Sachs, der ein Paar Schuhe, die »Merkerschuhe«, hochhält und Beckmesser mit seiner Laute auf der rechten Seite. Das Gewirr im Hintergrund stellt eindeutig die Vorbereitung der Prügelszene dar: Man fragt sich dabei, ob Isolde hier mit einem Vergrößerungsglas gearbeitet hat.

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inks die Ansicht des in der sächsischen Schweiz gelegenen Dorfes Groß-Graupa, wo der von seinen Dienstpflichten erschöpfte Kapellmeister mit Ehefrau Minna und Hund Peps einen dreimonatigen Sommerurlaub in einem Bauernhaus verbrachte. Das Haus ist heute eine Wagner-Gedenkstätte. Dort entwarf er die Musik zu Lohengrin, was Isolde in der Szene rechts festhält: Lohengrin  – herbeigesehnt von Elsa – naht, vom Schwan im Nachen gezogen. Immer auf der rastlosen Suche nach einem reizvollen Stoff für eine Vertonung, las Wagner Studien zur Geschichte, zu Sage und Literatur. Im Winter konzentrierte er sich auf eine Aufführung der IX. Symphonie von Beethoven, die er sorgfältig vorbereitete. Einmal jährlich, am Palmsonntag, veranstaltete die Königliche Kapelle ein großes Konzert zum Wohle des Pensionsfonds für die Witwen und Waisen der Musiker. Da das Werk in Dresden früher einmal komplett durchgefallen war, machte Wagner das Ereignis zu seiner Ehrensache, lieh sich Chorsänger der Leipziger Konzertgesellschaft aus und verfasste ein Programm zur Erläuterung. Über das Werk informiert und zum Hören angeleitet, kam das Publikum in Scharen schon zur Generalprobe und bescherte ihm einen herausragenden Erfolg. Das Notenbeispiel mit den geheimnisvollen leeren Quinten zeigt den Beginn des ersten Satzes. Das Bild in der Mitte illustriert Glucks Iphigenie in Aulis; man erkennt deutlich einen Hirsch, der die Dramatik auslöst. (Agamemnon soll seine Tochter Iphigenie opfern, um die Jagdgöttin Artemis zu beschwichtigen, deren Hirsch er getötet hat.) Wagner hatte die Partitur neu bearbeitet, im Bestreben, »das Vorhandene zur rechten Wirkung zu bringen«. Die Aufführung fand aber erst 1847 statt. Die musikalische Ausführung des dritten Aktes des Lohengrin musste Wagner aus Zeitgründen auf das neue Jahr verschieben. Nach wie vor hatte er Geldsorgen und begab sich sogar in die Hände von Wucherern, um neues Kapital zu erhalten und seine Schulden begleichen zu können. Immer rastlos um die Verbreitung seines Werkes bemüht, ließ er seine Opern auf eigene Kosten drucken und verlegen, was zu neuen Schulden führte. Wagner traf in dieser Zeit mit dem Komponisten Robert Schumann zusammen, der auch in Dresden wohnte. »Entschiedenes Wohlwollen, freundschaftliche Zutraulichkeit herrschten zwischen uns« (ML, S. 332). Als aber Schumann den Text zu seiner Oper Genoveva vorlas und Wagner Verbesserungsvorschläge anbrachte, wies Schumann diese »mit empfindlichem Trotze zurück« (ML, S. 333). Der Kontakt schlief verständlicherweise ein.

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as Bildnis des Aischylos erinnert an Wagners folgenreiche Lektüre der Tragödien dieses Dichters. Sie beeinflusste ihn in der Konzeption des Rings als Tetralogie und in der Idee eines Theaterfestes nach dem Vorbild der griechischen Antike und führte schließlich zur Gründung der Bayreuther Festspiele. Wagner wurde klar, welch ungeheure Wirkung die athenischen Tragödienaufführungen in ihrer Zeit gehabt haben mussten, und er schrieb: »Meine Ideen über die Bedeutung des Dramas und namentlich auch des Theaters haben sich entscheidend aus diesen Eindrücken gestaltet« (ML, S. 356). Wagners Lektüre folgte keiner Systematik. Die durch sie vermittelte Bildung stellte sich assoziativ ein. So regte ihn etwa Droysens Geschichte Alexanders und des Hellenismus zum Studium des deutschen Altertums an, worauf er dann Die deutschen Heldensagen von Jakob Grimm las. Rechts im Bild ist die Brautgemachszene aus Lohengrin zu sehen, die Wagner im Februar / März vertonte. Der leere Raum in der Mitte könnte die Annahme zulassen, dass Isolde die Ideen ausgegangen sind, aber er könnte auch auf die Bemerkung ihres Vaters in seinen Erinnerungen zurückzuführen sein, wonach er die Ausführung des begonnenen dritten Aktes von Lohengrin aus Zeitgründen auf das neue Jahr verschieben musste. Er war nämlich vollauf mit der Aufführung der Gluckschen Iphigenie in Aulis beschäftigt, da er auch die Inszenierung übernommen hatte. Er forderte eine neue Übersetzung an und bearbeitete die Partitur. Durch das Hinzufügen von Übergängen, Nach- und Vorspielen erreichte er dramaturgische Logik und der Erfolg war entsprechend groß. Aber es wurde immer deutlicher, dass die Arbeit in Dresden ihn einengte und die Dirigate von Repertoire-Opern wie Norma, Die Stumme von Portici oder Donizettis La Favorita ihn auf die Dauer nicht befriedigten. Er suchte nach originalen Neuschöpfungen, nach einer vertieften Sinngebung des Theaters und letztlich deuteten sich, zwar noch diffus, bereits die Gedanken der Gründung eines eigenen Theaters an. Wagner wohnte nun im Marcolinischen Palais im ersten Stock zu günstiger Miete und genoss den dazu gehörenden Garten in vollen Zügen, wo er hinter Büschen versteckt las. Die Zurückgezogenheit sagte ihm zu, und er sprach von einer »günstigen Stimmung«, die ihn in diesem Jahr erfreute.

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agner brachte in einem Orchesterkonzert die achtstimmige Motette Singet dem Herrn ein neues Lied von Johann Sebastian Bach zu Gehör; daher das Bach-Medaillon. Er hatte – nicht zuletzt aufgrund seines Überdrusses angesichts des teilweise schalen Opernrepertoires – Konzertveranstaltungen vorgeschlagen. Als die Direktion der Oper darauf einging, organisierte er eine Aufführung, die ihm schon wegen des ungewöhnlichen Programms Lob und Anerkennung brachte. Er dirigierte eine Mozartsche Symphonie sowie Palestrinas Stabat mater und schloss mit Beethovens Eroica. Wagner galt allgemein als begnadeter Dirigent, und es gelang ihm auch diesmal, die Orchestermusiker zu begeistern. Er befand sich in einer Periode intensiven Schaffens. Im Spätsommer begann er mit der Niederschrift Die Wibelungen. Weltgeschichte aus der Sage und schloss Anfang Oktober Die Nibelungensage (Mythus) ab, die erste Prosaniederschrift des Ring des Nibelungen. Im gleichen Monat beendete er den Entwurf von Siegfrieds Tod und Ende November die Dichtung der späteren Götterdämmerung. So nahm die Tetralogie allmählich Form an. Der Tod seiner Mutter im Januar dieses Jahres erschütterte ihn tief. Auf der Rückreise nach der Beerdigung »kam zum ersten Male mit deutlichem Bewußtsein das Gefühl meiner vollkommenen Vereinsamung über mich, da ich nicht umhin konnte, mit dem Verluste der Mutter auch jedes natürliche Band des Zusammenhanges mit meinen [ … ] Geschwistern als gelöst zu erkennen. So machte ich mich dumpf und kalt an das einzige, was mich erleuchten und wärmen konnte: die Ausarbeitung meines Lohengrin und meine altdeutschen Studien« (ML, S. 372). Am 1. Januar begann er mit der Niederschrift der Partitur und vollendete sie am 28. April. Isolde platziert folgerichtig den Helden ins Zentrum ihres Aquarells. Politisch kam es in den deutschen Fürstentümern zu revolutionären Bewegungen, was Wagner elektrisierte. Vom Großherzogtum Baden ausgehend, erzwangen die Unruhen die Berufung liberaler Regierungen in den Einzelstaaten und die Durchführung von Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung, die in der Paulskirche in Frankfurt am Main zusammenkam. Ein Erfolg war ihr allerdings nicht beschieden, denn die Revolution wurde niedergeschlagen. Wagner nahm leidenschaftlich Partei für eine demokratische Bewegung, immer in der nicht ganz uneigennützigen Hoffnung, es würde sich dann auch im Theaterwesen etwas zum Besseren wenden.

1848

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an gewahrt eine Theaterbühne mit Proscenium und den Hinweis auf eine »Theaterreform«. Isolde spielt damit auf Wagners Schrift Entwurf zur Organisation eines deutschen Nationaltheaters für das Königreich Sachsen an, die er allerdings schon ein Jahr zuvor abgeschlossen hatte. Der Begriff »Theaterreform« kann auch eine Umschreibung für Wagners Teilnahme an der Revolution bedeuten, denn man legte später Wert darauf, sein feuriges Engagement nicht als eine sozialrevolutionäre, sondern als eine theaterreformerische Tat zu deklarieren. Wagner hatte, von der Lektüre der Evangelien inspiriert, einen Plan zu einer Tragödie Jesus von Nazareth ausgearbeitet und die Niederschrift im Januar beendet. Er sah Jesus darin als Träger sozial-revolutionärer Ideen. Abgebildet ist eine Szene aus dem zweiten Akt, die Jesus mit seinen Jüngern auf dem See Genezareth zeigt. Im Medaillon rechts oben ist Athene, die griechische Göttin der Weisheit und Wissenschaft abgebildet, darunter die beiden wissenschaftlichen Abhandlungen von Wagner, Kunst und Revolution sowie das Kunstwerk der Zukunft. Die Folgen des Revolutionsjahres 1848 schlagen sich in Isoldes Illustrationen nicht nieder. Sie erwecken den Eindruck, als habe Wagner sich auf schriftliche Reformvorschläge beschränkt. Er war aber aktiv an dem Aufstand in Dresden beteiligt, obwohl er sich später bemühte, seine Teilnahme herunterzuspielen. Als Kundschafter war es seine Aufgabe, Truppenbewegungen zu beobachten und die Nachrichten ans Rathaus weiterzuleiten. Es gab Barrikadenkämpfe, die von Soldaten niedergeschlagen wurden, sodass Wagner aus der Stadt fliehen musste. Im Mai stellte die Dresdener Polizei einen Steckbrief gegen ihn aus. Er floh zu Franz Liszt nach Weimar, der ihm mit einem abgelaufenen Pass einer anderen Person zur Flucht in die Schweiz verhalf. Wagners Absicht war es, über die Schweiz nach Paris zu reisen. In Zürich lernte er Jakob Sulzer und Franz Hagenbuch, die beiden Stadtschreiber von Zürich, kennen, die ihm nicht nur zu Papieren verhalfen, sondern ihn in seiner Zürcher Zeit nach allen Kräften unterstützten. Ohne in Paris etwas ausgerichtet zu haben, kehrte Wagner kurz darauf nach Zürich zurück. Dort erwartete er Minna, die sich einige Monate Zeit ließ, ehe sie ihm nachreiste. Sie war sich ziemlich sicher, dass wieder Jahre der Entbehrung auf sie zukommen würden, nachdem sie sich gerade als Frau eines angesehenen Kapellmeisters etabliert hatte. Wagner empfand die Dinge jedoch anders. In seinen Annalen notierte er: »Opernhaus nun abgebrannt: sonderbares Behagen.« Er meinte damit nicht Sempers Opernhaus, sondern das Theater am Zwinger, das als Konzertsaal benutzt wurde. Und seine Aussage bezieht sich weniger auf die Vernichtung einer Spielstätte als auf das Gefühl der Befreiung von seinem Amt.

1849

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ei dem bärtigen, starken Mann mit dem Hammer und dem Schwert handelt es sich um Wieland den Schmied. Im Januar war der erste szenische Prosaentwurf für diese Oper in drei Akten gedichtet, ein Werk, das Wagner für Paris bestimmt hatte. Dieses Projekt wurde aber nie ausgeführt. Die Interpretation der Gestalt im Medaillon fällt schwer. Vielleicht ist dies Wotan, was auf den Beginn des Prosaentwurfs für den Ring des Nibelungen in diesem Jahr hindeuten würde. Es könnte aber auch Homer sein, dessen Odyssee Wagner wieder gelesen hatte. Die Zürcher erkannten Wagners Können und ließen ihn schon am 15. Januar in einem Konzert der Allgemeinen Musikgesellschaft die VII. Symphonie von Beethoven dirigieren sowie auch mehrere Aufführungen am Zürcher Theater im selben Jahr. Wagners erster Aufenthalt in der Schweiz (1849–1858) war – neben den vielen Arbeiten, die in diese Zeit fallen – von privaten Turbulenzen geprägt. Im März fuhr er über Paris nach Bordeaux, wo er Gast bei der Familie Laussot war. Er verliebte sich in Jessie Laussot, aber deren Ehemann erfuhr von ihren Plänen, mit Richard zu entfliehen, und konnte dies verhindern. Schließlich reiste Wagner wieder zurück nach Zürich und versuchte, sein Verhältnis zu Minna, das durch diese Affäre schwer gelitten hatte, zu kitten. Er mochte Geselligkeit und liebte es, seinen Freunden aus seinen Aufsätzen vorzulesen. Zu ihnen gehörte auch der junge Hans von Bülow, dessen hohe Musikbegabung Wagner erkannte und den er nach Kräften förderte. Angeregt durch einen Lexikonartikel, den Sulzer über die »Oper« verfasste und bei dem er ihn unterstützte, schrieb Wagner daraufhin monatelang an seinem grundlegenden Werk Oper und Drama, eine theoretische Erörterung zum Verständnis des Theaterwesens, das er im Januar 1851 beendete. Darin äußerte er: »Der Erzeuger des Kunstwerkes der Zukunft ist niemand anderes als der Künstler der Gegenwart, der das Leben der Zukunft ahnt, und in ihm enthalten zu sein sich sehnt.« Isolde erwähnt außerdem Wagners Schrift Kunst und Klima, die in der Deutschen Monatsschrift veröffentlicht wurde. Weitaus mehr Aufsehen erregte jedoch seine Hetzschrift Das Judenthum in der Musik. Der Autor bemühte sich später zu erklären, warum er den Aufsatz geschrieben hatte, und versuchte, die Sache herunterzuspielen: »Mich reizte es nun, das Thema der Einmischung der modernen Juden in die Musik und ihres Einflusses auf dieselbe näher zu betrachten und die charakteristischen Merkmale dieses Phänomens zu bezeichnen« (ML, S. 479). In Wirklichkeit gab er dem Antisemitismus damit neue Nahrung. Die sehr negative Aufnahme bewirkte kein Überdenken seines Handelns, sondern er sah sich als Opfer. Isolde, in einem antisemitischen Umfeld erzogen, reiht den Aufsatz unbefangen in die Sammlung der Werke ein.

1850

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m Mai konzipierte Wagner das heroische Lustspiel Der junge Siegfried, das er der Tragödie Siegfrieds Tod ergänzend vorausschicken wollte. Damit erweiterte er diesen Teil zur späteren Tetralogie Der Ring des Nibelungen. Im vorliegenden Bild tötet Siegfried den Drachen Fafner. Aber noch war es nicht so weit, keine einzige Note war zu Papier gebracht, denn Wagner war auch in Zürich gezwungen, sich mit dem künstlerischen Umfeld zu befassen um Geld zu verdienen. Wanderungen in der Schweizer Landschaft waren ihm eine wichtige Erholung. Als sein Dresdner Freund Theodor Uhlig ihn besuchte, holte er ihn von Rorschach ab und bestieg mit ihm und Karl Ritter den höchsten Berg im Appenzeller Land, den Säntis. Fast wäre das Abenteuer schlecht ausgegangen, denn Ritter war nicht schwindelfrei und Uhlig bereits krank. Mit viel Glück kehrte das Dreiergespann unbeschadet wieder heim. Diese Unternehmung erforderte viel Körperkraft und war ein lebensgefährliches Wagnis.38 Die Freundschaft mit dem revolutionären Schriftsteller Georg Herwegh und seiner Frau Emma belebte Wagners Aufenthalt in Zürich. Herwegh war es auch, der sich erlaubte, bei einer Lesung aus Oper und Drama Langeweile zu zeigen. Minna behauptete später, er habe sich dabei nur ihren Punsch schmecken lassen. Es war ein großes Geschenk für Richard, als die Mutter von Karl Ritter sich bereit erklärte, den Komponisten finanziell zu unterstützen. Er fühlte sich nun frei, das zu tun, wozu sein künstlerisches Credo ihn drängte: »Diese ebenso erfreuliche als neu ermutigende Wendung brachte sofort den Entschluss, meinen ursprünglichen Entwurf der Nibelungen vollständig und ohne alle Rücksicht auf Ausführbarkeit der einzelnen Teile auf unsren Theatern auszuarbeiten, in mir zur Reife« (ML, S. 487). Oft waren es Frauen, die Wagner mit Geld, aber auch mit Ermutigung unterstützten.

1851

Rosenstöcke » 1851

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ier sehen wir Darstellungen zu jedem Teil der Ringtetralogie. Im März entstand der Prosaentwurf zum Rheingold und Anfang November war die Dichtung abgeschlossen. Im Vorspiel zum Rheingold necken die drei Rheintöchter Alberich und das Gold erstrahlt noch in voller Pracht. Daneben stehen acht mit Helmen und Speeren ausgerüstete Walküren auf einem Felsvorsprung in Erwartung Brünnhildes, die mit Sieglinde erscheinen wird. Sie werden versuchen, ihre Schwester vor dem Zorn Wotans zu schützen. Angrenzend schmiedet Siegfried sein Schwert Nothung (Siegfried, 1. Akt), während sein schwacher Ziehvater Mime neidisch zuschaut. In der letzten Darstellung stürzt sich Brünnhilde mit ihrem Pferd Grane in die Flammen (Götterdämmerung, Schlussszene). Isolde hat damit in einem Kurzdurchgang den gesamten Ring des Nibelungen abgeschritten. Vier Jahre vor dem Entstehen dieser Aquarelle hatte sie als Elfjährige die Ring-Uraufführung miterlebt, und man kann davon ausgehen, dass diese einen großen Eindruck auf sie gemacht hatte. Wagner war mit den Fortschritten seiner Arbeit zufrieden und belohnte sich mit einer weiteren Fußreise über die Alpen, von der er sich Gesundheit und Erholung erhoffte. Diesmal wandte er sich dem Berner Oberland zu, bestieg das Siedel- und das Faulhorn und übernachtete in der dortigen Hütte wie vor ihm bereits Felix Mendelssohn. Dann ging es über den Griesgletscher nach Italien. In Domodossola nahm er einen Einspänner zum Lago Maggiore und reiste weiter zu den Borromäischen Inseln, die ihm so gefielen, dass er sie später nochmals besuchte. Der Zürcher Theaterdirektor wünschte sich nun Wagners Mithilfe bei der Aufführung des Fliegenden Holländers. Wagner erklärte sich dazu bereit und leitete vier Vorstellungen, konnte der Arbeit aber nichts Positives abgewinnen. Zuvor hatte er Opern von Bellini, Mozart, Weber und Boieldieu dirigiert und dabei festgestellt, dass er sich innerlich von vielen Repertoirewerken entfernt hatte. Zu Marschners Vampyr meinte er: »Die Musik hat mich im Ganzen diesmal auch degoutiert: dieses Duett, Terzett und Quartett-Singen und Nählen (= Nölen) ist rasend dumm und geschmacklos …«39. Es war ihm klar, dass er diese Art zu komponieren hinter sich gelassen hatte, und er sagte dazu: »Ich blieb unerschüttert bei dem Vorsatze, meine Nibelungendramen in der Weise auszuführen, als ob das heutige Operntheater gar nicht bestünde, dagegen das von mir gedachte ideale Theater ganz notwendig dereinst mir erstehen würde« (ML, S. 501). Man kann nur staunen über diese Gewissheit, aber auch über seine Anmaßung.

1852

Rosenstöcke » 1852

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ls Wagner im Sommer mit Georg Herwegh einige Zeit im Kurort St. Moritz verbrachte, hatte er Goethes Wahlverwandschaften im Gepäck. Bei der Lektüre kam es zu heftigen Auseinandersetzungen über den Charakter von Charlotte. Rückblickend gab Wagner in seiner Autobiographie immerhin zu, dass Herwegh das Goethesche Werk objektiv richtiger beurteilt hatte. Richard berichtete später, während der Fahrt mit der Postkutsche nach St. Moritz auf dem Julierpass eine felsige Landschaft gesehen zu haben, die zu den Göttern im Ring des Nibelungen passte und ihn zu seiner Vertonung stimulierte. Die beiden Männer wanderten in der Umgebung, kletterten auf dem Roseggletscher herum und Wagner empfing »den erhabenen Eindruck der Heiligkeit der Öde« in den schnee- und eisbedeckten Bergen. Im Zentrum der Illustration steht der Es-Dur-Akkord, der Beginn der Ringtetralogie, wo im Rheingold ein einziger Akkord minutenlang die Allmacht der Natur wiedergibt. Mit diesem Anfang erstaunte Wagner die Fachwelt. Noch nie hatte ein Komponist einer Oper anstelle einer Ouvertüre mit einem einzigen Akkord begonnen. Ganz rechts ist das Aktientheater in Zürich dargestellt, wie Wagner es kannte. Er hatte überlegt, wie man durch eine gute Ausbildung die Qualität der Aufführungen verbessern könnte. Er verfasste darüber eine Schrift mit dem Titel Ein Theater in Zürich in einer Auflage von etwa hundert Exemplaren. Der Erfolg war mäßig, weil man außer Wagner selbst niemanden kannte, der eine solche Theaterreform hätte vornehmen können. Er stand aber dafür nicht zur Verfügung. Mit der Abbildung Beethovens ist wohl das eindrucksvolle Erlebnis einer Aufführung von dessen Streichquartetten in cis-Moll und Es-Dur gemeint, die Wagner in Paris hörte. Er wurde am Jahresende von Liszt und seiner Partnerin, der Fürstin Carolyne von SaynWittgenstein, dazu eingeladen und glaubte, namentlich das cis-Moll-Quartett endlich richtig verstanden zu haben. Hier in Paris traf er erstmals auf seine spätere Frau Cosima, ein »hochaufgewachsenes Mädchen«, deren »anhaltende Schüchternheit« ihm auffiel. Im November nahm er sich vor, nach fünfeinhalb Jahren Pause endlich an die Komposition seines Rings zu gehen. Bereits am 16. Januar 1854 hatte er das Rheingold entworfen »und so in seinen wichtigsten thematischen Beziehungen den Plan zu dem ganzen musikalischen Gebäude des vierteiligen Werkes vorgezeichnet« (ML, S. 518).

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inks der Schluss des Rheingolds: Stolz und machtbewusst schreiten die Götter über die Regenbogenbrücke nach Walhall. Während die Rheintöchter den Verlust des Goldes betrauern, schaut Loge den Göttern nach: »Ihrem Ende eilen sie zu, die so stark im Bestehen sich wähnen. Fast schäm' ich mich, mit ihnen zu schaffen.« Am 14. Januar war die Kompositionsskizze und Ende Mai die Instrumentierung vollendet – es war Wagner nach der großen Pause gelungen, als Komponist wieder zu seinem ureigenen Metier, der Musik, zurückzukehren. In der zweiten Jahreshälfte entwarf er die gesamte Vertonung zur Walküre. Seine kreativen Kräfte waren in diesen Monaten bis zum Äußersten angespannt. Dabei ging es ihm emotional schlecht, denn er hatte sich in die junge, verheiratete Mathilde Wesendonck verliebt und wusste, dass es für diese Liebe kaum Hoffnung auf Erfüllung gab. Seine Schulden wuchsen an, und er spürte in seinem politischen Asyl die Isolierung von der deutschen Heimat. Das alles führte zu zeitweiligen Depressionen. Minna unternahm eine fast neunwöchige Reise nach Deutschland, wo sie sich unter anderem auch für ihren Mann einsetzte, der wegen seiner Teilnahme an der Revolution noch immer mit Einreiseverbot belegt war. Ihr Gesuch an den sächsischen König Johann um Amnestierung wurde aber abgelehnt. Damit war Wagners Wunsch, seinen Lohengrin einmal in einer Aufführung zu erleben, nicht zu erfüllen. Auch scheiterten Minnas Bemühungen, in Berlin bei dem Theaterintendanten Botho von Hülsen das Tannhäuser-Projekt voranzutreiben. Im Herbst empfahl ihm Herwegh die Lektüre von Schopenhauers Die Welt als Wille und Vorstellung. Die Lektüre fesselte ihn sogleich. Am meisten sprach ihn Schopenhauers Betonung der Ertötung des Willens an, »die vollständigste Entsagung als einzige wahre und letzte Erlösung aus den Banden der nun erst deutlich empfundenen individuellen Beschränktheit in der Auffassung und Begegnung der Welt« (ML, S. 522). Man kann mutmaßen, dass die Schopenhauersche Philosophie in Bezug auf seine leidenschaftliche Liebe zu Mathilde mäßigend auf ihn einwirkte. Das höfische oder königliche Paar schließlich dürfte auf den Tristan anspielen, denn bei Wagner stellte sich mit der Komposition der Walküre der »Trieb zur dichterischen Konzeption wiederum ein. Es war wohl zum Teil die ernste Stimmung, in welche mich Schopenhauer versetzt hatte [ … ] was mir die Konzeption eines Tristan und Isolde eingab« (ML, S. 523 f.).

1854

Rosenstöcke » 1854

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as Bildnis links soll an die Überarbeitung der Faust-Ouvertüre erinnern, die Wagner im Januar vornahm. Freunde hatten den Wunsch ausgesprochen, das Werk zu hören, das er fünfzehn Jahre zuvor in Paris komponiert hatte, was ihn zur erneuten Beschäftigung mit dem Stück motivierte. Liszt hatte die Komposition gelobt und einige Vorschläge zur Verbesserung geäußert, die Wagner dankbar berücksichtigte. In der Mitte ist der dritte Akt der Oper Die Walküre dargestellt: Wotan bestraft seine Tochter Brünnhilde, die Siegmund gegen den Willen des Vaters schützen wollte, indem er sie auf hohem Felsen in Schlaf versetzt. Die Flammen bilden den Feuerzauber, den Wotan um die Schlafende aufrichtet. Nur ein »Held, der das Fürchten nicht gelernt« hat, kann sie erwecken. Wagner begann im Januar mit der Instrumentation der Walküre. Das rechte Bild kann als dritter Akt von Tristan gedeutet werden: Im Garten der Burg Kareol liegt Tristan auf der Bahre und unter dem Baum steht Kurwenal, besorgt um seinen Herrn. Das Jahr wurde von den Eindrücken einer Englandreise geprägt. Wagner war eingeladen, Konzerte für die Londoner Old Philharmonic Society zu dirigieren. Eigentlich wollte er die Partitur der Walküre beenden, aber es lockte ihn auch, nach so langer Zeit wieder einmal mit einem großen Orchester zu arbeiten. Zudem schmeichelte es ihm, von der ihm so fernen Musikwelt wahrgenommen zu werden. Er hoffte auch, dass er neben seiner Aufgabe Zeit fände für seine Komposition. Aber die Geschäftigkeit der Stadt, die Anforderungen des kommerzialisierten Musiklebens, das »versnobte Publikum«, das neblige Klima, angelsächsische Merkwürdigkeiten und die ungewohnte Wohnsituation machten es ihm unmöglich, die Arbeit an seinem Werk fortzusetzen. »Ich lebe hier, wie ein Verdammter in der Hölle. [ … ] Diese Arbeits-Unlust ist das schlimmste, es ist mir, als ob mit ihr auch die ewige Nacht über mich hereinzöge: denn was habe ich noch in dieser Welt zu thun, wenn ich nicht arbeiten kann?«, beklagte er sich bei Franz Liszt.40 Die Bedingungen für die Konzerte waren alles andere als attraktiv: Für jede Aufführung mit zwei Symphonien und vielem andern »Zubehör« war nur eine Probe erlaubt. Da der erste Abend ein Erfolg war, forderte das Komitee ihn auf, Stücke seiner eigenen Kompositionen wiederzugeben sowie die IX. Symphonie von Beethoven, und gestand ihm dazu sogar zwei Proben zu. Seine Tannhäuser-Ouvertüre wurde in Anwesenheit der Königin Victoria (deren Lieblingskomponist Felix Mendelssohn Bartholdy war) und des Prinzgemahls Albert gespielt und es wurde »stark applaudiert«, wozu die Hoheiten »durch sehr bestimmten Beifall das Zeichen gaben.«41 In London lernte Wagner Karl Klindworth, einen Liszt-Schüler und vortrefflichen Musiker, kennen, der sich sogleich anerbot, die Partitur des Rheingolds für Klavier zu arrangieren.

1855

Rosenstöcke » 1855

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m 23. Juni beendete Wagner die Partitur der Walküre. Isolde gibt die Szene aus dem ersten Akt der Oper wieder: Siegmund liegt erschöpft am Herd in Hundings und Sieglindes Haus, in der Esche steckt das Schwert Nothung. Das Horn nimmt den Siegfried vorweg, mit dessen Komposition sich Wagner erst im September auseinandersetzte. Er veränderte die ursprünglichen Titel Der junge Siegfried und Siegfrieds Tod in Siegfried und Götterdämmerung. Es sollten aber noch weitere achtzehn Jahre vergehen, ehe er den Schlussstrich unter die letzte Partiturseite des Ring des Nibelungen setzen konnte mit dem Vermerk: »Ich sage nichts weiter! R. W.« Bereits 1854 hatte Wagner Schopenhauers Die Welt als Wille und Vorstellung gelesen. Vielleicht führt es Isolde hier nochmals an, weil das Werk ihn anhaltend beschäftigte und auch beeinflusste. Er befasste sich auch mit Schopenhauers grundsätzlichen Gedanken zur Kunst; die »Ergänzungen zum dritten Buch« enthalten ein Kapitel zur »Metaphysik der Musik«. Diese besondere Rolle, die Schopenhauer der Musik zugestand, sagte dem Komponisten in seinem Bemühen um eine Verbesserung des Kulturlebens zu. Ende Mai kam der Sänger Tichatschek aus Dresden zu Besuch und sang Wagner mehreres aus dem Lohengrin vor. Zusammen machten sie einen Ausflug nach Brunnen am Vierwaldstättersee, wo Wagner einen Rückfall seiner Gesichtsrose erlitt. Er beschloss, sich in die Obhut eines Arztes namens Vaillant in Mornex bei Genf zu begeben, und wurde durch dessen Behandlung für lange Zeit geheilt. Wagner freute sich sehr, als Franz Liszt im Oktober in Zürich eintraf. Man musizierte und diskutierte gemeinsam. Es gab ein festliches Konzert des St. Galler Musikvereins mit der Aufführung von zwei symphonischen Dichtungen des verehrten Kollegen: Orpheus und Les Préludes. Wagner dirigierte die Eroica und »wir beobachteten uns beide bei unsern Leistungen mit wahrhaft belehrender Aufmerksamkeit und Teilnahme« (ML, S. 556). Wagner profitierte von diesem Erlebnis, denn die musikalischen Neuerungen, die Liszt beispielsweise als Harmoniker entwickelt hatte, flossen in die Komposition und die musikdramatische Konzeption des Siegfried mit ein. Auf seinen weiten Wanderungen in den Schweizer Bergen reifte der Entschluss, ein eigenes Heim zu besitzen, um in Ruhe schaffen zu können, und er bat Minna, Kontakt zu Grundstückmaklern aufzunehmen. Wie er sich ohne regelmäßige Einnahmen ein Haus leisten wollte, blieb allerdings sein Geheimnis. Die schwarze Figur oben in der Mitte des Bildes bleibt für die Autorin unerklärlich.

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agner erstellte die Kompositionsskizzen des ersten und zweiten Aktes von Siegfried bis Ende Juli, um dann die Arbeit an dem Werk abzubrechen. Man erkennt Siegfried, der mit einem Bären eintritt, während Mime vergeblich versucht, das Schwert zu schmieden: »Zwangvolle Plage! Müh' ohne Zweck!«, sind seine ersten Worte zu Beginn der Oper. Im dritten Akt von Tristan spielt der Hirt auf dem Englischhorn die traurige Weise, die erst in Fröhlichkeit übergeht, wenn Isolde, die so Ersehnte, naht. Tristan ist todkrank und in seinen Wachträumen von Erinnerungen gepeinigt. Am 18. September war die Dichtung abgeschlossen und die Kompositionsskizze des ersten Aktes folgte am 31. Dezember. Die Wohnsituation in den Escher-Häusern am Zeltweg 13 in Zürich (seit 1853) wurde immer schwieriger, nicht zuletzt wegen eines Schmiedes, der viel Lärm machte und Wagner beim Arbeiten störte. Es war daher ein Segen, dass der Kaufmann Otto Wesendonck Richard und Minna gestattete, in ein Haus neben seiner Villa einzuziehen. Ende April wurde das Fachwerkhaus bezogen. Minna freute sich besonders am Gemüse- und Blumengarten. Leider steigerte sich Wagners Liebe zu Mathilde Wesendonck. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis diese Situation zur Katastrophe führen würde. »Und meine Muse bleibt mir noch fern? Schweigend harre ich ihres Besuches«, schrieb er Mathilde beispielsweise. Die sehnsüchtig-schmerzhafte Musik zum Tristan hatte mit seinen unerfüllten Wünschen zu tun. Bis heute streiten sich die Fachleute darüber, ob der Komponist das Begehren herbeizitierte, um besser komponieren zu können, oder ob er die Musik schrieb, um sein Unglück zu verarbeiten. Eine willkommene Abwechslung boten der Besuch von Cosima und Hans von Bülow im September, aber auch die Wanderungen im »stillen Sihltal, in dessen waldiger Umgebung ich viel und aufmerksam nach dem Gesange der Waldvögel lauschte. [ … ]. Was ich von ihren Weisen mit nachhause brachte, legte ich in der Waldszene Siegfrieds in künstlerischer Nachahmung nieder« (ML, S. 565). Die Schriftstellerporträts von Pedro Calderón und Walter Scott erinnern an die Lektüre, die für Wagner in dieser Phase bestimmend war. Er bezeichnete den Einfluss Calderón de la Barcas als wesentlich für Tristan und Isolde, denn seinetwegen nannte er die Oper eine »Handlung«.

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as nachbarliche Zusammenleben von Richard und Minna einerseits sowie dem Ehepaar Wesendonck andererseits gestaltete sich immer schwieriger, zumal Minna einen schwärmerischen Brief abfing, den ihr Mann an die Angebetete schicken wollte. Sie sprach mit Mathilde, die daraufhin beschloss, Otto Wesendonck über die Affäre zu informieren. Zurückgekehrt von einer Kur am Hallwylersee war es für Minna klar, dass die Situation unhaltbar geworden war. »Zunächst jedoch bleibt es fest und unabänderlich dabei, dass ich jeden persönlichen Umgang mit unsren Nachbarn aufgebe: nur so wird es mir möglich, das Asyl uns bis zur gelegenen Zeit erhalten zu können«, hatte Richard an sie geschrieben.42 Aber das war keine Lösung: Er musste ausziehen und Minna reiste nach Deutschland ab, wo sie sich niederließ. Es gab zwar in späteren Jahren Versuche eines erneuten Zusammenlebens des Ehepaares, aber diese scheiterten. Nach zweiundzwanzig gemeinsamen Ehejahren war kein Einvernehmen mehr möglich. Wagner verließ nach dem Eklat, auf den Isolde aus begreiflichen Gründen nicht eingeht, das Zürcher »Asyl« und reiste nach Venedig. Links sehen wir eine Impression der Stadt. Es handelt sich um die Ansicht des Canale Grande in Richtung Santa Maria della Salute. Mit etwas Phantasie kann man annehmen, dass damit der Blick vom Palazzo Giustiniani aus gemeint ist, in dem Wagner von Ende August 1858 bis zum 24. März 1859 wohnte. Dort wurde hauptsächlich der zweite Akt von Tristan vollendet. Isolde illustriert die Ankunft des Schiffes am Ende des ersten Aktes. König Marke erwartet seine Braut an Land und Brangäne bemüht sich, Isolde für die schwierige Begegnung vorzubereiten, denn unmittelbar zuvor haben sich Isolde und Tristan gegenseitig ihre Liebe gestanden. In dieses Jahr fällt auch die Reinschrift des Liedes »Im Treibhaus«, gedichtet von Mathilde Wesendonck. In ihm klingt die Musik zum Vorspiel des letzten Aktes des Tristan an. Es ist kennzeichnend, dass Isolde der Komposition der Wesendoncklieder keinen Platz einräumt, obwohl sie eigentlich auch in diese ›Werkschau‹ gehörten. In Wien fand die erfolgreiche Premiere des Lohengrin statt. Wagner hatte sich seit Langem um eine Aufführung dort bemüht. Aber wieder konnte er nicht dabei sein. Diesmal waren es seine Geldprobleme, die ihn von der Reise in die österreichische Hauptstadt abhielten, da seine Gönnerin Julie Ritter, eine in Dresden lebende Kaufmannswitwe, ihm mitgeteilt hatte, dass sie ihn nicht mehr unterstützen könne.

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ach der Vollendung der Partitur des zweiten Aktes von Tristan und Isolde verließ Wagner am 24. März Venedig und erreichte nach einem zweitägigen Zwischenhalt in Mailand und einer eisigen Schlittenfahrt über den Gotthard Luzern, wo er sich im Hotel Schweizerhof niederließ. Man erblickt eine Szene aus der Oper: Melot hält das Schwert bereit, um die Ehre des Königs zu retten und Tristan zu verwunden. Seinen Tod vorausahnend und ersehnend, fragt dieser Isolde: »Wohin nun Tristan scheidet, willst Du, Isold', ihm folgen? Dem Land, das Tristan meint, der Sonne Licht nicht scheint …« Das Mittelbild gibt die Schlusszene »Isoldes Liebestod« und damit die Vereinigung von Tristan und Isolde wieder. Wagner äußerte sich in einem Brief an Mathilde Wesendonck: »Kind! Dieser Tristan wird was furchtbares! Dieser letzte Akt!!! – Ich fürchte, die Oper wird verboten – falls durch schlechte Aufführung nicht das Ganze parodiert wird: nur mittelmässige Aufführungen können mich retten! Vollständig gute müssen die Leute verrückt machen.«43 Für seine Kompositionen hatte er eine dreistufige Vorgehensweise, die er lebenslang beibehielt. Er begann mit der sogenannten Kompositionsskizze, die die Hauptgesangsstimme auf einem System notierte und auf zwei Systemen das Orchester andeutete. Es folgte die Orchesterskizze, in der jede Gesangsstimme ein eigenes System besaß; das Orchester wurde relativ detailliert auf mehreren Systemen festgehalten. Danach entstand die Niederschrift der Partitur, was aber keine große kreative, sondern eher eine Fleißarbeit für ihn bedeutete. Den Klavierauszug erstellten befreundete Musiker wie Karl Klindworth oder Hans von Bülow. »Den Tag über schwitze ich am Clavierauszug von Wagners Tristan. Höchst merkwürdige Musik – grandios, aber anticlavierig wie irgend etwas von Berlioz«, schrieb Bülow, während er an dieser Arbeit saß.44 Er war nicht der Einzige, der diese Oper als absolutes Neuland empfand, und noch heute gilt das Werk als Grenze zur Neuen Musik. Wagner sah sich in Venedig Tizians Gemälde der Assunta an, das ihn stark berührte. Laut Cosimas Tagebuch behauptete er, dass die dort gemalte Maria weltlich zu interpretieren sei und in Wahrheit »Isolde in der Liebes-Verklärung« darstelle45, ein Hinweis darauf, dass er damals Mathilde in ihr sah. Bei dem Zwischenhalt in Mailand nahm er sich die Zeit, Leonardo da Vincis berühmtes Abendmahl im Original zu betrachten, und stand staunend davor. Da er noch immer als politischer Flüchtling galt, richtete er ein Gnadengesuch sowohl an den Justizminister von Sachsen als auch an den Intendanten des Königlichen Sächsischen Hoftheaters in Dresden, August von Lüttichau. Im Juli 1860 wurde ihm eine Teilamnestie für Deutschland, mit Ausnahme Sachsens, gewährt.

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m Herbst 1859 siedelte Wagner nach Paris über, wo er Verhandlungen führte, um eine Aufführung von drei Konzerten mit seinen Werken zu erreichen, deren Kosten er selbst tragen musste. Die Aufnahme der Darbietungen war mehrheitlich positiv: »Im ersten Konzert am 25. Januar wurde der melodischen Entfaltung des Tannhäuser-Themas nach 16 Takten spontan applaudiert, die Ausschnitte aus Lohengrin und die Holländer-Ouvertüre [ … ] erhielten beachtlichen Beifall. [ … ] nur das Vorspiel zu Tristan und Isolde mit dem [ … ] Konzertschluss wurde etwas ratlos aufgenommen. Anwesend waren Auber, Gounod, Meyerbeer etc.«46. Als am dritten Abend jemand nach dem Tristan-Vorspiel zischte, war dies der Auslöser für einen Beifallsturm und immer neue Ovationen. Links lagert Tannhäuser zu Füßen der Venus. In der Mitte scheint ein Dirigent mit dem Chor zu proben. Es könnten aber auch Balletttänzerinnen sein, von denen Wagner Neuartiges verlangte: »Mit Feuer warf ich mich auf die Ausführung der großen und exzentrischen Tanzszenen des ersten Aktes [ … ] ich forderte Unerhörtes, vom gewohnten Ballettwesen gänzlich Abliegendes; ich verwies auf die Tänze der Mänaden und Bacchanten« (ML, S. 644). Ein Minister warnte den Komponisten, dass ein Ballett im ersten Akt gar nicht zähle, da die Mitglieder des Jockey-Clubs (Abonnés), denen einzig am Ballett liege, erst gegen 22 Uhr, also um die Mitte der Opernaufführung, aufzutauchen pflegten. Genau der Applaus dieser Herren sei aber ausschlaggebend für einen Erfolg oder Misserfolg. Wagner war eher bereit, sein Werk zurückzuziehen, als das Ballett wie gewünscht in den zweiten Akt zu verlegen. So könnte Isoldes Skizze auch die Reaktion des Publikums in den Logen einfangen (rechts oben). Die berüchtigte Aufführung, die so viel Protest und Aufsehen erregte, fand jedoch erst 1861 statt. Davor hatte Wagner bei den Proben viele Unannehmlichkeiten durchzustehen. Es waren beispielsweise die zwölf Waldhörner, die im ersten Akt zur Ankündigung der Jagdgesellschaft vorgesehen sind, in Paris nicht aufzutreiben. Zudem machte der Dirigent Fehler und verunsicherte seinerseits die Sänger und das Ballett. Wagners ursprüngliche Abneigung Frankreich gegenüber verstärkte sich in diesen Monaten. Einerseits wollte er in Paris Erfolge verbuchen, andererseits lehnte er das Opernwesen, so wie es sich dort präsentierte, ab. Besuche der Opern von Verdi, Rossini und Donizetti verstärkten seine kritische Haltung.

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ach 164 (!) Proben fand am 13. März die Erstaufführung des umgearbeiteten Tannhäuser (Pariser Fassung) an der Großen Oper in Paris vor vornehmem, teils adeligem Publikum statt. Spannung lag in der Luft. Das Bacchanal verblüffte und die erste Szene verlief ruhig. Schon fühlten sich die Künstler etwas erleichtert. Doch ausgerechnet bei der Verwandlung vom Bacchanal in die Morgenstille kam der lang vorbereitete Angriff. Es wurde gelacht, gerufen und mit allen Mitteln gestört. Die Sänger ließen sich aber nicht beirren, und so konnte Wagner berichten: »Ich durfte mir schmeicheln, daß schließlich das Gefallen an meiner Oper die Oberhand behalten hat« (ML, S. 648). Zur zweiten Aufführung erschienen die Angehörigen des JockeyClubs bewaffnet mit Jagdpfeifen und schrillen kleinen Flöten (Flageolets), sodass sie diesmal den Sieg davontrugen. Ein Störenfried äußerte sich zu einer über sein Verhalten erzürnten Dame wie folgt: »Was wollen Sie? Mir fängt die Musik selbst an zu gefallen; aber Sie werden begreifen, daß man sein Wort halten muss. Erlauben Sie mir, dass ich mich wieder an die Arbeit mache« (ML, S. 651). Daraufhin blieben Richard und Minna der dritten und letzten Aufführung fern. Aus Enttäuschung und auch zum Schutz der Sänger zog Wagner sein Werk zurück und verbot jede weitere Aufführung. Die französische Presse reagierte mit zynischem Bedauern, wenn nicht mit Genugtuung. Die Reaktion der musikalischen und literarischen Moderne jedoch war eine andere. Baudelaire schrieb: »Was wird man in Deutschland von Paris sagen? Diese Handvoll Rüpel bringt uns alle miteinander in Verruf.«47 Zahlreiche kleinere Journale feierten Wagner. Und er wäre nicht Wagner gewesen, wenn nicht aus dem Debakel noch etwas Positives für ihn entstanden wäre: Die deutsche Musiköffentlichkeit stellte sich zum ersten Mal hinter ihn. Im Dresdner Theater demonstrierte man spontan für ihn, obwohl er in Sachsen noch immer als »Hochverräter« galt. Das Medaillon »Wanderjahre« spielt vermutlich auf die Zeit von Wagners eigener Wanderschaft an, die nun einsetzte, denn er bereiste von 1861 bis 1862 zahlreiche Orte auf der Suche nach einer Partnerin, einer Geldquelle sowie Aufführungsmöglichkeiten. Die abgebildete Mädchengruppe darunter könnte sich auf seine Lektüre von Wilhelm Meisters Wanderjahren beziehen, denn im 10. Kapitel des ersten Buches beschreibt Goethe ein pädagogisch ideales Mädcheninternat, in dem die jungen Frauen auf ihr künftiges Leben – im Normalfall auf die Ehe – vorbereitet werden. Isolde würde damit dem Venusberg und der Ekstase das reale Leben der Frauen in jener Zeit entgegensetzen. Das Bild könnte aber ebenso Probleme darstellen, die ihm bei seiner Tannhäuseraufführung durch die Tänzerinnen bereitet wurden. So sollten drei Ungarinnen, die bisher in einem Boulevardtheater aufgetreten waren, als Grazien fungieren. Wagner war entsetzt, erfuhr aber dann, »dass die Direktion entschlossen sei, für das gänzlich verloren erachtete Ballett nicht einen Sou auszugeben.« (ML, S. 644).

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as Textbuch zu den Meistersingern von Nürnberg wurde nach 30 Tagen intensiver Arbeit am 25. Januar vollendet. Isolde porträtiert hier den dritten Akt, wie Eva Pogner auf der Festwiese vor den Toren Nürnbergs ihrem Geliebten Walther von Stolzing mit den Worten: »Keiner wie du so hold zu werben weiss« den Siegeskranz aufsetzt. Im Hintergrund die Silhouette der Stadt mit den Doppeltürmen von Sankt Lorenz, auf der Wiese das Volk und links Girlanden und Kränze. Im Januar entwarf Wagner die Konzeption und die erste Niederschrift der Melodie des »Wach auf!«-Chores, dessen Worte nicht von ihm stammen, sondern dem leicht abgewandelten Anfang von Hans Sachsens Gedicht Die Wittenbergische Nachtigall entnommen sind. Der Choral zeugt von Wagners Bachstudium, das er in den Tristanund Meistersinger-Jahren intensiv betrieb. Das Meistersinger-Vorspiel wurde bereits am 1. November im Leipziger Gewandhaus uraufgeführt. Noch immer hatte Wagner keine feste Bleibe. Als er sich in Biebrich niederlassen wollte, kam ihm Minna beim Umzug zu Hilfe. Sie entdeckte aber in der Post ein Geschenk von Mathilde Wesendonck, was einen heftigen Streit auslöste und dazu führte, dass sich das Paar nun endgültig trennte. Richard suchte weiter nach einer ansprechenden Wohnung und war in schlechter Stimmung: »Rauhes Wetter, schlecht heizende Öfen, große Unbeholfenheit im Haushalte und unberechnet starke Geldausgaben« verdarben ihm alle Freude an der Fortsetzung seiner Meistersinger (ML, S. 694). Da ihm eine Frau fehlte, begann er eine Beziehung zu der Schauspielerin Friederike Meyer, der Schwester der Sängerin Marie Louise Dustmann, die jedoch nicht von langer Dauer war. Eine engere Freundschaft verband ihn mit Mathilde Maier, der Tochter eines Notars, die bei ihrer Mutter lebte. Seine Bemühungen, mit ihr einen Hausstand zu gründen, obwohl er noch mit Minna verheiratet war, scheiterten an ihrer bürgerlichen Einstellung. Die beiden blieben aber über Jahre hinweg befreundet. Im Juli trafen Hans und Cosima von Bülow bei ihm ein und er begleitete sie nach Frankfurt am Main, wo er am 12. September zum ersten Mal seinen Lohengrin selbst dirigieren konnte. König Johann von Sachsen gewährte ihm in diesem Jahr die vollständige Amnestierung, womit Wagner die Erlaubnis erhielt, sich in Dresden niederzulassen. Aber dorthin zog es ihn gerade nicht, da Minna die Stadt zu ihrem Wohnsitz gewählt hatte.

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ür Wagner war 1863 ein »annus horribilis«. Eigentlich hätte die Komposition der Meistersinger vollendet sein sollen, aber es gab zu viele Unterbrechungen. Wagner richtete sich zunächst in Wien ein, bestellte Luxusstoffe und Mobiliar und merkte bald, dass er in finanziellen Nöten steckte, sodass er dirigieren musste, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Deshalb unternahm er eine Konzertreise nach Russland. Die Aufführungen der Philharmonischen Gesellschaft zu St. Petersburg errangen Jubel der Musikverständigen und verschafften ihm große Befriedigung. Obgleich einige Konzerte, sowohl in St. Petersburg als auch in Moskau, Benefizveranstaltungen waren, beliefen sich seine Einnahmen schließlich auf 7 000 Taler, was ein stattliches Honorar war. Im Oktober verfasste Wagner für die Zeitung Der Botschafter einen längeren Artikel über Das Wiener Hof-Operntheater, in dem er Vorschläge zur Reform des Instituts entwarf. Er legte darin wiederum seine reformatorischen Gedanken nieder und stellte fest: »Selbst in den höheren administrativen Kreisen schien ich einige Wirkung hervorgerufen zu haben« (ML, S. 743), denn man erwog sogar eine Zeitlang, ihn zum Leiter des Hofoperntheaters zu berufen, ließ aber den Plan mit der etwas dürftigen Begründung fallen, man würde dann wohl nur noch Wagnersche Opern zu hören bekommen. Mit der Darstellung der imposanten Staatsoper ist Isolde ein Fehler unterlaufen, denn sie war 1863 noch nicht errichtet. Als Opernhaus figurierte damals noch das alte Kärntnertortheater. Mit dem Bau des großen neuen Theaters wurde Ende 1861 begonnen und im Mai 1863 folgte die feierliche Grundsteinlegung. Erst 1869 war das Gebäude fertiggestellt. Zunächst wurde es Hofoperntheater genannt, später Staatsoper. Wagner bemühte sich monatelang um eine Aufführung seines Tristan in Wien. Er litt unter seiner Situation und trug sich sogar mit Selbstmordgedanken. So schrieb er einmal: »Viel Todesgedanken: Anordnungen dafür«.48 Im Juni hatte er die Partitur des ersten Aktes der Meistersinger beendet. Man erkennt die Kirchenszene zu Beginn der Oper, in der Walther von Stolzing auf die Gelegenheit wartet, Eva ansprechen zu können: »Verweilt! – Ein Wort! Ein einzig Wort!« Was an Evas Körper aussieht wie eine Handtasche, ist ein modisches Accessoire der Zeit, das Eva auch in einer Aufführung der Meistersinger aus dem Jahr 1888 tragen wird.

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agners Schulden waren jetzt so hoch, dass ihm Haft drohte. Die Suche nach reichen Gönnern war erfolglos und so floh er vor seinen Gläubigern aus Wien wie Jahre zuvor aus Riga. Sein Mobiliar wurde von einem österreichischen Bekannten verkauft, um die Gläubiger wenigstens eine gewisse Zeit zufriedenzustellen. Seine Bitte an Otto Wesendonck, den Ehemann seiner angebeteten Mathilde, ihn bei sich in Zürich aufzunehmen, wurde aus verständlichen Gründen abgelehnt. Gegen Ende April traf Wagner in Stuttgart ein. Unmittelbar neben seinem Zimmer wohnte der spätere Theaterdirektor Angelo Neumann, der Wagners Opern bekannt machte, indem er mit ihnen Operntourneen veranstaltete. Er war in seiner Ruhe empfindlich gestört, weil Wagner im Nachbarzimmer »ununterbrochen mit knarrenden Schuhen auf und ab ging«. Neumann wurde vom Kellner darüber aufgeklärt, wer der ruhelose Wanderer sei, und der Hotelier berichtete ihm, Wagner sei in solcher Geldverlegenheit, dass er nicht an der table d'hôte teilnehme, obwohl er (der Wirt) ihn gerne dazu einladen würde.49 Was nun folgte, wirkt wie ein Märchen aus 1001 Nacht: Am 3. Mai bat der Privatsekretär Ludwigs II., Franz Pfistermeister, um eine Audienz bei Wagner und sicherte ihm die Hilfe des Königs von Bayern für die Zukunft zu. Bereits einen Tag darauf wurde er von Seiner Hoheit in München empfangen. Diese schicksalshafte Wendung gewährte ihm ökonomische Freiheit, wie er sie sich schon lange gewünscht hatte. »Hier ist alles wie ein Märchentraum«, rief er aus. »Man kann es nicht glauben, daß solch Schönes, Tiefes und Erhabenes plötzlich in das Menschenleben treten konnte«.50 Sein Leben veränderte sich schlagartig und seine Zukunft war gesichert. Zum 25. August, dem 19. Geburtstag des Königs, plante Wagner eine Überraschung: Er wollte seinen Huldigungsmarsch. Seiner Majestät dem König Ludwig II. von Bayern gewidmet aufführen. Am Vortag begab er sich in Begleitung des Generalmusikmeisters und der ihm unterstellten achtzig Militärmusiker nach Füssen. Wegen der Abwesenheit der Königin-Mutter Marie war die Aufführung aber nicht möglich, sodass Wagner seine Glückwünsche dem König nur in Worten darbringen konnte. Im Oktober wurde die Aufführung nachgeholt. Die vereinigten Kapellen der drei Münchner Infanterieregimenter spielten im Hof der Residenz neben dem Huldigungsmarsch auch einige Stücke aus Tannhäuser und Lohengrin; die Proben hatte Wagner selbst geleitet. Das Bild zeigt den König zu Pferd.

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ie Gründung einer musikalischen Ausbildungsstätte für den deutschen Gesang (»Münchner Musikschule«) war ein Anliegen Wagners. Jetzt, da er die Gunst des jungen Ludwig II. errungen hatte, witterte er die Chance, eine solche zu errichten. Seiner Meinung nach bildeten die Musikhochschulen nicht adäquat aus, denn der Gesangsstil, den seine Opern für »Musteraufführungen« erforderten, unterschied sich vom gängigen Belcanto-Gesang. Er machte gleich weitere Vorschläge, zu denen auch der Bau eines Festtheaters in München gehörte. Zur Besprechung des Theatermodells wurde auf seinen Rat hin der Architekt Gottfried Semper eingeladen. Aber auch dieses Vorhaben wurde wie die meisten Münchner Pläne nicht verwirklicht. Von 1865 an diktierte Richard Cosima seine Autobiographie Mein Leben. Man sieht die beiden bei der Arbeit. Offiziell war Cosima jetzt seine Sekretärin. Der Verweis auf Balzac zielt auf Cosimas und Richards Lektüre. Er gehörte zu ihren bevorzugten Autoren. In seinen Annalen notiert Wagner nur den Namen des französischen Dichters, ohne zu erläutern, was er damit meinte. Cosima schrieb einige Jahre später in ihr Tagebuch: »Abends langes Gespräch über Balzac, Richard [ … ] bewundert die Meisterschaft Balzac's«.51 Im September verfasste Wagner für den König einen Aufsatz, der später unter dem Titel Was ist Deutsch? in den Bayreuther Blättern veröffentlicht wurde. Isolde greift hier also vor und konzentriert sich auf den Vorgang des Schreibens. Die Bildnisse von Goethe, Bach, Beethoven und Schiller illustrieren, dass diese vier Künstler auch für Wagner exemplarische Vertreter des »deutschen Geistes« waren. Es fällt auf, dass Isolde die Uraufführung von Tristan und Isolde vom 10. Juni aus­ spart, obwohl sie zu den wichtigsten Begebenheiten dieses Jahres gehörte, für die der Komponist sich lange eingesetzt hatte. Ludwig und Malwina Schnorr von Carolsfeld sangen die Hauptpartien und Hans von Bülow dirigierte. Das Publikum spendete großen Beifall, zeigte aber auch Erstaunen und wusste das Werk nicht recht einzuordnen. Der Sänger des Tristan starb unerwartet elf Tage später und Wagner musste das Gerücht ertragen, wonach es die schwierige Partie gewesen sei, die seinen Tod begünstigt habe. Am 10. April 1865 wurde Isolde geboren. Dass Cosima seit 1864 die Geliebte Wagners war, wurde vor der Öffentlichkeit geheim gehalten. Diese Täuschung Ludwigs II. gehörte zu Wagners unangenehmen Charakterzügen wie auch das Sich-Einmischen in politische Angelegenheiten, was zur Folge hatte, dass er Bayern bereits im Dezember wieder verlassen musste.

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achdem Napoleon 1806 das »Heilige Römische Reich Deutscher Nation« aufgelöst hatte, gab es keinen deutschen Kaiser mehr. Von 1815– 1866 existierte der »Deutsche Bund« unter Österreichs Führung. 1866 erklärte Preußen, das die Vorherrschaft in Deutschland beanspruchte, auf Betreiben Bismarcks den Krieg gegen Österreich und damit gegen den Deutschen Bund. Der Krieg endete in der Schlacht von Königgrätz mit dem Sieg Preußens. Die drei Staaten Preußen, Bayern und Österreich sind symbolisch durch drei Frauen dargestellt: Bayern / Bavaria reicht ihre Hand Preußen, gegen Österreich, das sich anbietet, macht sie eine abwehrende Geste. Diese entspricht dem Rat Wagners, der aber von Ludwig II. nicht befolgt wurde. Könnte der Mann mit Barett (allerdings mit Bart) Wagner sein, der seine politische Einflussnahme auf den König gerade in dieser Zeit wiederum verstärkte? Bayern, das auf der Seite Österreichs stand, wurde besiegt und verlor de facto seine Unabhängigkeit. Vielleicht soll der leere Thron die noch offene Frage der Vorherrschaft andeuten. Was würde mit Wagner passieren, wenn Bayerns König abdanken müsste oder würde? Während Cosima bei ihrem Ehemann Hans von Bülow in München weilte, versuchte Richard im abgelegenen Tribschen bei Luzern zur Ruhe zu kommen. Er bezeichnete die dortige Villa als sein »Nest«, das er für die späten Jahre seiner künstlerischen Produktivität benötige, und arbeitete hart an der Vollendung der Meistersinger. Rechts sieht man die Melodie zu Walther von Stolzings Gesang »Morgenlich leuchtend«. Ludwig II. war begierig, über den Fortgang des Werkes informiert zu werden, und Richard berichtete ihm: »Die Meistersinger wachsen und gedeihen: mit diesem Werke schreibe ich mir mein Meisterwerk. Dank Ihrer grenzenlosen Großmuth darf ich im Schutze Ihrer Wohlthaten mich der Welt entrückt halten, um endlich wieder meinem wahren Tagewerk, stetem ruhigen Schaffen, nachzugehen«.52 Er war bemüht, den Kontakt zum Herrscher lebendig zu halten, nicht zuletzt, um weiter königlich gefördert zu werden. Im März besuchte Cosima Richard in der Schweiz und von Mai bis August hielt sie sich mit ihren drei Kindern in Tribschen auf. Das Haus sollte der gemeinsame Wohnort für die nächsten sechs Jahre werden. Derweilen kämpfte Hans von Bülow gegen die konservativ-klerikale Presse in München. Er wollte die Liebesbeziehung Cosimas mit Richard nicht an die Öffentlichkeit gezerrt wissen. Am 25. Januar verstarb Minna, was Richard nun ermöglicht hätte, Cosima zu ehelichen. Sie benötigte aber noch die Scheidung. In diese einzuwilligen, war für den seelisch verletzten und hochsensiblen Bülow schwierig. Im September wurde Tribschen Cosimas Zuhause, während Hans von Bülow sich in Basel ansiedelte. Hans Richter traf als Sekretär Wagners in Luzern ein und begann mit der Abschrift der Originalpartitur der Meistersinger.

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ie Figuren personifizieren die Politik mit dem Schwert und die Kunst mit der Leier. So charakterisiert Isolde die Schrift Deutsche Kunst und deutsche Politik, die ihr Vater im Herbst verfasste und die seine Vorstellungen von einer erneuerten Kunst des Theaters enthält. Ihm schwebte eine speziell deutsche Kunst vor, die sich von der seiner Meinung nach oberflächlich-unterhaltenden französischen und italienischen abheben sollte. In den Weihnachtstagen des vorangegangenen Jahres hatte er die Arbeiten an den Orchesterskizzen der Meistersinger aufgenommen. In diesem Jahr wurde die Erstellung der Partitur und des Klavierauszuges für den Druck vorangetrieben. Die Partitur erschien im Juli 1868 bei Schott. Damit fand eine gewaltige Arbeitsleistung ihren Abschluss. Das Bild links scheint die Vollendung der Komposition zu würdigen. Walther, Eva und Sachs stehen neben einem Tisch, auf dem vermutlich Versionen des Preisliedes liegen. David und Magdalene sind auch da, um bei der Nottaufe der neuen Weise als Zeugen zu dienen. Dieser Szene folgt unmittelbar das Quintett. In diesem für ihn wiederum schwierigen Jahr sah sich Wagner in der Münchner Presse massiven Anfeindungen ausgesetzt, gegen die er sich mit kräftigen Gegenangriffen wehrte. Auch konnte er es nicht unterlassen, sich weiterhin in politische Belange einzumischen. Seine Briefe an Ludwig II. bieten eine peinlich-ungenierte Mischung aus Subordination (»An Ihrem Herzen zu Ihren Füssen«) und dem maßlosen Wunsch, den König zu beeinflussen: »Meine Liebe zu Ihnen hat das unfehlbar Richtige aufgefunden, was Sie – von Sich selbst aus – ergreifen müssen, um – ohne die allermindeste Gefahr – Bayern gross zu machen und für alle Zeiten sicher zu stellen.«53 Gleichzeitig verhandelte Wagner in München wegen der Berufung Bülows und ärgerte sich über die dortige Lohengrin-Aufführung, weil Ludwig II. den von Wagner favorisierten Sänger Tichatschek abgelehnt hatte. Ein weiteres Ärgernis war ihm, dass Cosima offiziell noch immer nicht zu ihm gehörte. Am 17. Februar war nämlich Eva, bereits das zweite Kind von Cosima und Richard, geboren worden.

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agner, der hier abgebildet ist, schrieb in den Jahren 1867 und 1868 diverse Censuren (Sämtl. Werke, Bd. 8). Er nennt sie selber »Artikel von unerfreulich polemischer Natur«, darunter befinden sich einige Rezensionen sarkastischer Art. Die zweite Illustration porträtiert offensichtlich Wotan. Das verwundert zunächst, denn in diesem Jahr fand keine Aufführung des Ring des Nibelungen statt und das Rheingold wurde erst 1869 in München uraufgeführt. Vielleicht dachte Isolde an Wagners Vorhaben, den Siegfried wieder aufzunehmen, denn dort erscheint Wotan im ersten Akt als »Wanderer«. An Lorenz von Düfflipp schrieb er: »Ich beabsichtige mit Ende dieser Woche [ … ] mich in die Stille meines Luzerner Asyles zurückzuziehen [ … ]. Ich hoffe bereits jetzt dort so viel Ruhe zu finden, um die Arbeiten an der Partitur des Siegfried von neuem in Angriff zu nehmen und so der Vollendung desselben noch im Laufe des Jahres mich zu versichern«.54 Im April erlaubte Wagner Anton Bruckner, dem Chormeister der Liedertafel in Linz, die Schlussszene der Meistersinger zwei Monate vor ihrer Uraufführung zu Gehör zu bringen. Am 21. Juni erlebte das Publikum dann eine glanzvolle Vorstellung am Königlichen Hof- und Nationaltheater in München. Bereits im Mai war Wagner in der Stadt eingetroffen, um die Proben persönlich zu überwachen. Im Laufe des Juni trafen Gäste aus ganz Europa ein, »angelockt durch die Kenntnis des Textbuches und die Briefe, die kompetente Beurteiler wie Liszt und Bülow [ … ] in alle Welt versandt hatten.«55 Die Aufführung unter Hans von Bülow wurde zu Wagners unbestrittenstem und eindeutigstem Erfolg seit dem Rienzi in Dresden, dies allerdings nicht in der Presse: Eduard Hanslick lobte den Sachs, Franz Betz, und bedauerte ihn zugleich. Seine aufgewendete Mühe für die undankbare Partie habe sich nicht gelohnt. Die zahlreichen Monologe und Dialoge würden die Zuhörer nur langweilen. Isolde geht nicht mehr auf das Ereignis ein, weil sie die Fertigstellung des Werkes bereits im Jahr zuvor dokumentiert hatte. Ludwig II. erfuhr nach dieser Aufführung von dem wahren Verhältnis zwischen Richard und Cosima, was ihn tief enttäuschte. Dennoch hielt er dem Komponisten die Treue. Am 16. November reiste Cosima aus München kommend nach Tribschen, um für immer bei Richard zu bleiben. Nach vielen Schwierigkeiten und Skandalen war das Paar nun vereint. Von dem Tag ihrer Übersiedlung an bis zu Richards Tod am 13. Februar 1883 schrieb Cosima regelmäßig Tagebuch, um alles Interessante und Wissenswerte, aber auch Alltägliche und Banale aus seinem Leben festzuhalten. Im November begegnete Wagner in Leipzig zum ersten Mal Friedrich Nietzsche. Daraus erwuchs eine Freundschaft, die aber einige Jahre später zerbrach, als der Philosoph sich gegen den von ihm einst so verehrten Komponisten stellte.

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ier findet sich abermals ein Hinweis auf Schriften Wagners: Das Judenthum in der Musik und Über das Dirigiren. Erstere wurde gegen den Willen Cosimas neu aufgelegt, was Richard abermals Proteste und Ärger einbrachte. Pierre Boulez schreibt hierüber hellsichtig: »Von der griechischen Tragödie zum rassistischen Manifest vollzog sich ein Abstieg, für den man ihn nur teilweise verantwortlich machen kann; verantwortlich aber doch.«56 Ein Kritiker schrieb 1869: »Sie heißen Richard, sind aber darum keineswegs ein Löwenherz, wenn Sie auf die Juden und insbesondere auf die jüdischen Komponisten schimpfen, wie ein halbübergeschnappter Dompfaff, und bloß darum, weil diese jüdischen Opern [ … ] in der ganzen Welt zehnmal glänzendere Erfolge davongetragen, als Ihre christlich-germanischen Tonschöpfungen.«57 In der Mitte ist Wagner mit Eduard Devrient zu sehen. Dieser arbeitete seit 1848 an dem grundlegenden Werk Geschichte der deutschen Schauspielkunst. Am 10. Februar 1869 las Richard Cosima seinen Aufsatz über Devrient vor, an dem er »mit sich steigerndem Ekel« gearbeitet hatte.58 In seiner Rezension über Devrients Buch Meine Erinnerungen an Felix Mendelssohn-Bartholdy rügte er die »ganz unglaublich stümperhafte stilistische Verfassung« und verglich Devrient mit E. T. A. Hoffmanns »Klein-Zaches«59. Darauf beruft sich Isolde, indem sie Devrient als Zwerg darstellt. Es ist zu bedauern, dass sie den Äußerungen ihrer Eltern so kritiklos gegenüberstand. Aber wer in der engsten Umgebung wagte es, eine eigene Meinung zu haben oder sich aufzulehnen? Wären die Zeichnungen für die Öffentlichkeit und nicht nur für den engen Familienkreis gedacht gewesen, hätte Cosima vielleicht eingegriffen. Rechts liegt die von einer Feuerwand umgebene Brünnhilde. Siegfried, der Furchtlose, hat das Feuer durchschritten und erblickt die Schlafende. Er wird sie wecken und dadurch das Fürchten erlernen, weil er zum ersten Mal in seinem Leben ein weibliches Wesen erblickt. Das Bühnenbild aus dem dritten Akt des Siegfried nimmt Bezug auf die monatelangen Arbeiten, die am 1. März mit der Kompositionsskizze begannen. Am 6. Juni kam Siegfried in Tribschen zur Welt. »O Heil dem Tag, der uns umleuchtet, heil der Sonne, die uns bescheint!«, schrieb Cosima euphorisch, denn Richard hatte sich sehnlichst einen männlichen Stammhalter gewünscht. Nach der Geburt Siegfrieds sprudelten die Motive für den dritten Akt fast von alleine, wie man Cosimas Tagebuch entnehmen kann.

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iegfrieds Abschied von Brünnhilde im ersten Akt der Götterdämmerung läutet bereits das Ende dieser Verbindung ein: Siegfried ist erfüllt von Abenteuerlust, Brünnhilde von Vorahnungen. Am 9. Januar griff Wagner seine Komposition wieder auf und begann zwei Tage später mit der Orchesterskizze des Vorspiels. In der Mitte ist die berühmte Treppenmusik illustriert: Ein Hornist spielt und Wagner dirigiert. Aus Freude über die Geburt eines Sohnes komponierte er diese Musik zum 25. Dezember, Cosimas Geburtstag, und holte Musiker dazu heran, die sie ausführten. Cosima war völlig überrascht: »Wie ich aufwachte, vernahm mein Ohr einen Klang, immer voller schwoll er an, nicht mehr im Traum durfte ich mich wähnen, Musik erschallte, und welche Musik! Als sie ver­klungen, trat Richard mit den fünf Kindern zu mir ein und überreichte mir die Partitur [ … ] in Tränen war ich, aber auch das ganze Haus; auf der Treppe hatte R. sein Orchester gestellt und so unser Tribschen auf ewig geweiht! Die ›Tribscher Idylle‹, so heißt das Werk.«60 Später wurde es in Siegfried-Idyll umgetauft und es gehört seitdem zu seinen intimsten, aber auch beliebtesten Stücken. 1870 war ein ereignisreiches Jahr: Am 26. Juni fand die Uraufführung der Walküre in München statt, am 18. Juli wurde Cosima von Hans von Bülow geschieden und am 25. August wurde sie in Luzern mit Wagner getraut. Das letzte Bild zeigt Wagner, wie er auf Knien dem großen Vorbild Beethoven zu dessen hundertsten Geburtstag seine Schrift überreicht. Seine Verehrung war immens – besonders die IX. Symphonie, aber auch die Streichquartette und Klaviersonaten sowie der Fidelio gehörten zu den von ihm geliebten Werken. »Mit Stolz sage ich mir, hier fühle ich mich verwandt«, äußerte er sich, und: »Beethoven und ich, wir sind die beiden Melodisten, wir haben die große Linie«61. Er stellte sich damit bewusst und ohne jegliche Bescheidenheit in die Nachfolge des hochgeschätzten Meisters. Aber auch Bach und Mozart gehörten zu seinen Favoriten. Die Uraufführungen von Rheingold und Walküre in München ohne seine Mitwirkung hatten ihn enttäuscht, und so ergriff die Idee eines eigenen Aufführungsortes immer stärker Besitz von ihm. Er schrieb an Ludwig II.: »Man begreift, dass ich für meine Werke, welche nur der äußere Zufall in das Genre der ›Oper‹ geworfen hat, mein Theater ganz für mich haben müßte, zu welchem nicht das faulenzende, an das Trivialste gewöhnte Opernpublikum, sondern gerade nur solche eingeladen werden müßten, welche bisher diesen seichten Unterhaltungen ganz fern geblieben waren.«62

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er Welt etwas entfremdet, genoss Wagner das geregelte Arbeiten in Tribschen und war glücklich über das bis dahin unbekannte Familienleben mit fünf Kindern, von denen drei seine eigenen waren. »Nachmittag Fahrt mit den Kindern nach Emmenbrück; Kaffee, Honig, Krapfen und der (Berg) Titlis in schönster Pracht. Herrlicher Abend«, schrieb Cosima beglückt über den Familienausflug.63 Die Idee, ein Theater eigens für seine Werke zu finden, veranlasste Richard mit Cosima nach Bayreuth zu reisen, um dort das markgräfliche Opernhaus zu prüfen. Er fand das barocke Gebäude aber für seine Zwecke ungeeignet. Dennoch wählte er die Stadt als Standort für sein noch zu errichtendes Theater. Weil es 1871 noch nicht im Bau war, zeichnet Isolde ein Fantasiegebäude, das nicht mit dem tatsächlichen Festspielhaus zu vergleichen ist. Bei ihrem Besuch suchten Cosima und Richard auch nach einer geeigneten Wohnung: »Mit dem Schloßverwalter fahren wir überall herum, nichts konveniert ganz, also (müssen wir) auch für uns bauen«64, notierte Cosima. Wo das Geld dafür herkommen sollte, war von untergeordneter Bedeutung. Am 18. Januar wurde Wilhelm I. in Versailles zum deutschen Kaiser proklamiert. Isolde hält dieses Ereignis mit dem Einzug des Kaisers fest. Während des siegreichen Verlaufs des Deutsch-Französischen Krieges vollzog sich die deutsche Reichsgründung durch den Beitritt der drei souveränen süddeutschen Staaten, des Großherzogtums Baden sowie der Königreiche Württemberg und Bayern, zum »Deutschen Bund«. Wagner bezweifelte, dass das neu gegründete Reich die Erwartungen an eine deutsche, nationale Kultur erfüllen könnte. Trotzdem komponierte er einen Kaisermarsch. Er hatte den deutsch-französischen Krieg mit Spannung und Anteilnahme verfolgt und stand auf der deutschen Seite, im Gegensatz zu Franz Liszt, der die französische Position unterstützte. Ganz rechts erkennt man Buchbände in Rot mit der Überschrift »Gesammelte Schriften«. Isolde macht damit auf deren Erscheinen in neun Bänden aufmerksam. Wagner sah sich durchaus nicht nur als Komponist, sondern auch als Verfasser grundlegender Texte. In seiner Einleitung vom Juli 1871 schrieb er: »Der Leser hat es nicht mit dem Sammelwerke eines Schriftstellers, sondern mit der aufgezeichneten Lebensthätigkeit eines Künstlers zu thun, der in seiner Kunst selbst, über das Schema hinweg, das Leben suchte. Dieses Leben aber heißt eben die wahre Musik, die ich als die einzige wirkliche Kunst der Gegenwart wie der Zukunft erkenne.«65 Es ging ihm somit in erster Linie darum, für sein musikalisches Werk um Verständnis zu werben.

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nde April übersiedelte zuerst Richard und dann Cosima mit den Kindern in das von einem herrlichen Park umgebene Hotel Fantaisie in Donndorf bei Bayreuth. Dort wohnten sie, bis die Villa Wahnfried fertiggestellt war. Beides, sowohl Hotel als auch Park, existieren heute noch. Das mittlere Bild illustriert die von Wagner stammende Szenenangabe: »Woglinde und Wellgunde umschlingen mit ihren Armen Hagens Nacken und ziehen ihn [ … ] mit sich in die Tiefe. Floßhilde, den anderen voran, dem Hintergrunde zu schwimmend, hält jubelnd den gewonnenen Ring in die Höhe«. Diese Szene beschließt die Götterdämmerung, das letzte Werk des Ring des Nibelungen. Wagner vollendete die Orchesterskizze zum dritten Akt im Juli. Bei der Feier der Grundsteinlegung für das Festspielhaus am 22. Mai, seinem 59. Geburtstag, die im Markgräflichen Opernhaus stattfand, durften auch die Kinder dabei sein, und die siebenjährige Isolde hat die Zeremonie sicherlich mit Stolz und Bewunderung erlebt. »Im Opernhaus holt mich Richard aus der Loge, um neben ihm mit den fünf Kindern auf der Bühne Platz zu nehmen«, kommentierte Cosima. »Großartiger Eindruck, die ernstesten Männer haben Tränen in den Augen.« Um 17 Uhr dirigierte Wagner zuerst den Kaisermarsch und dann die IX. Symphonie von Beethoven. Cosima: »Die 9 te Symphonie ganz herrlich, alles im Gefühl, von der Daseins-Wirklichkeit-Last befreit zu sein; erhabene Worte Richards am Schluss, was ihm diese Feier sei! [ … ] Beim Souper hält Richard die erste Rede auf den König, dann auf Bayreuth; wir entfernen uns gegen halb zehn Uhr. [ … ] Graf Krockow schenkte Richard einen Leoparden, den er in Afrika erschossen«.66 Cosima erhielt einige Tage später einen kritischen Brief von Hans von Bülow, der ihr verübelte, dass sie alle Kinder an der Feier habe teilnehmen lassen.67 Vermutlich wollte er nicht, dass seine beiden Töchter die Jubelfeier unterstützten. Die Situation war zuweilen schwierig und unangenehm; oft wurden die Kinder von Passanten in Bayreuth angesprochen: »Wen habt ihr lieber, euren ersten oder zweiten Papa?«68, was Cosima verletzte und die Kinder verwirrte.

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as Richtfest des Festspielhauses zeigt von links Richard, Cosima, ihren Vater Franz Liszt, die vier Mädchen (Daniela, Blandine, Isolde und Eva, alle mit Hüten) sowie den vierjährigen Siegfried ganz rechts. Man sieht eine improvisierte Bühne, zu deren Seiten Menschen, vermutlich der Chor, aufgereiht sitzen oder stehen. Abends um sechs Uhr strömten die Bayreuther zahlreich bei strahlendem Sonnenschein zum Hügel hinauf. Das Bayreuther Tageblatt schrieb: »Die Mitglieder des Richard Wagner-Vereins sammelten sich im Malersaal und unter Vorantritt des Herrn Richard Wagner bestiegen sie unter den Klängen eines Marsches aus Rienzi das gegen hundert Fuß hohe Gebäude, wo bereits Frau Wagner mit Kindern, der hier anwesende Abbé Franz Liszt samt den Werkleuten versammelt waren.« Der Bauaufseher Hoffmann sprach den Richtspruch, den Wagner gedichtet hatte: »Nun setzen wir auf's Haus das Dach, bewahr es Gott vor Sturz und Krach! Lass ich jetzt den Bauherrn leben, welchen Namen soll ich ihm geben? Ob Wagner oder seine Patrone Oder gar der im Land trägt die Krone? Der sich als besten Bauherrn erweist, es lebe, so ruf ich, der deutsche Geist. Hoch …«

Dann trank er das erste Glas, das zweite leerte er auf die Meister und die Kunst, das dritte auf die Handwerksmeister und die Gesellen. Altem Brauch gemäß wurde das Glas dann in die Tiefe geworfen. Nach einem Bläsertusch sangen die Werkleute in der schwindelnden Höhe das Kirchenlied »Nun danket alle Gott«. Es folgte eine kurze Ansprache des Vorstands des Bayreuther Wagner-Vereins und dann sprach Richard selbst: »Drum sag' ich der Grund, auf den wir bauten ist, daß mir Bayreuths Bürger vertrauten. Ich denke, keiner von euch es bereut, ruft er mit mir: Es lebe Bayreuth!«

Unter den Klängen des Kaisermarsches stiegen alle wieder herab. Die Bauleute feierten im Malersaal, die Gäste gingen zum Gasthaus Bürgerreuth.

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as Bühnenbild stellt den Brand im letzten Akt der Götterdämmerung dar, Walhall geht in Flammen und Rauch auf. Zu erkennen sind eine zerbrochene Brücke, eine untergehende Sonne und im Hintergrund ein Feuer. Es ist die Brücke, über die die Götter am Ende des Rheingolds zu ihrer Burg geschritten sind. Walhall gibt es nicht mehr: »Der Götter Ende dämmert nun auf.« Isolde will wohl in Erinnerung rufen, dass ihr Vater am 21. November seine riesige Ring-Partitur beendet hatte. Nun konnte er das sagen, was er zwei Jahre zuvor an den König geschrieben hatte: »Vollendet das ewige Werk!« Am 28. April wurde die Villa Wahnfried bezogen. Nicht ohne Sorgen, denn die Verbindlichkeiten belasteten das Paar sehr: »Daß noch 25 000 Gulden Schulden (auf das Festspielhaus) stehen, ist förmlich erdrückend«, notierte Cosima.69 Richard fragte bei seinem Verlag Schott nach, ob man ihm zehntausend Gulden zukommen lassen könnte, um die Rechnungen für seinen neuen Wohnsitz zu begleichen. »Wollen Sie mir diese Summe sofort auf zu liefernde Kompositionen vorschießen, so würde ich mich dagegen verpflichten, sechs große Orchesterwerke [ … ] zu liefern und die erste Lieferung bis spätestens am Schlusse dieses Jahres 1874 Ihnen einzusenden.«70 Der Verlag erfüllte ihm diese Bitte, aber Wagner reichte kein einziges Orchesterstück ein, was angesichts der Vorbereitungen für die Festspiele nicht verwundert. Bei den Kindern war die Begeisterung über das Haus jedoch ungetrübt, und die Erkundung der neuen Umgebung faszinierte sie. Allmählich kamen Sänger angereist, die sich um Rollen bei der Uraufführung des Ringes 1876 bewarben. Cosima kommentierte: »Eine Rheintochter präsentiert sich (Frau Pauli aus Hannover), schöne Stimme, allein gar keine Aussprache [ … ]. Herr Scaria nimmt gleich etwas vom Hagen vor, da er aber nichts von der Dichtung kennt, liest sie Richard vor. Heute ist es Mime, welcher sich vorstellt; Richard erschrickt über die undeutliche Sprache der Leute, welche alle keine Konsonanten, namentlich kein ›S‹ haben.«71 Richard zog es vor, gute Sänger, von denen er überzeugt war, persönlich anzuschreiben, so den Sänger Karl Hill: »Ihr Talent hat mich durch Ihre Darstellung des Fliegenden Holländers, welcher ich beiwohnte, im höchsten Grade für Sie eingenommen. [ … ] Ich habe Ihnen die in jedem Betreff schwierigste Rolle, für deren glückliche Besetzung ich zuvor die allergrößte Sorge trug, nämlich die des von dämonisch leidenschaftlicher Tragik erfüllten Alberich bestimmt.«72

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etzt begannen die wichtigen Vorproben zu den ersten Festspielen mit der Einstudierung der Ring-Tetralogie. Isolde malt Wagner bei der Regiearbeit. Die Darstellung ähnelt einer Zeichnung von Adolf Menzel. Erstaunlich ist die Rundung des Orchestergrabens. Isolde versucht damit, die Muschel nachzubilden. Die Proben verliefen zwar mit zahlreichen Pannen, aber das tollkühne Unternehmen war letztlich erfolgreich. Der Sängerin Lilli Lehmann zufolge wurde hinterher gescherzt und mancher Unsinn getrieben. Durch die ausgelassene Stimmung angesteckt, gebärdete sich Wagner »so übermütig, dass er trotz Cosimas Anwesenheit direkt auf dem Kopfe stand«.73 Den Abschluss dieser Zeit bildete ein großes Gartenfest in Wahnfried mit allen 140 Mitwirkenden. Im Februar unternahm Wagner eine Reise nach Wien, wo er Konzerte gab. Dazwischen fand ein gemeinsamer Auftritt mit Liszt in Budapest statt. Dieser dirigierte seine Komposition Die Glocken von Strassburg und spielte das Es-dur Klavierkonzert von Beet­ hoven unter der Leitung von Hans Richter. Wagner führte Auszüge aus dem Ring auf. Anfang November reiste die Familie nochmals nach Wien, wo Richard auf Einladung der Hofoperndirektion Tannhäuser (»Wiener Fassung«) und Lohengrin neu einstudierte. Als die Familie einer Aufführung des Lohengrin beiwohnte saß Wagner im zweiten Rang bei den Kindern, während Cosima sich in einer Parterre-Loge zu einer befreundeten Gräfin setzte – ein nicht untypisches Szenario, das die unterschiedlichen Präferenzen und Interessen verrät: Wagner machte sich nicht viel aus der Aristokratie. Sie sollte ihm nur ermöglichen, seine Träume zu realisieren. Zu Weihnachten sandte Wagner den Privatdruck von seiner Autobiographie Mein Leben mit einer Widmung an Ludwig II.

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ine Frau mit Krone und einem Adler auf der Brust hält eine amerikanische Fahne, darüber steht: »Nur der gewinnt sich Freiheit und Leben, der täglich sie erobern muss!« Wagner war gebeten worden, einen Festmarsch zur Hundertjahrfeier der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten zu komponieren. Dafür bot man ihm die damals fantastische Summe von fünftausend Dollar an. Von Geldnot gebeutelt, ergriff er die Gelegenheit und schrieb, nur ans Honorar denkend, in sechs Tagen den Marsch nieder. Die beiden dem Marsch vorangestellten Verszeilen stammen aus Goethes Faust II, 5. Akt und sind von Isolde nicht ganz korrekt wiedergegeben. Sie lauten im Original: »Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muß.« Die Proben in Bayreuth verliefen turbulent: Wagner war zum ersten Mal sein eigener Intendant, Regisseur, Verwaltungsdirektor und Ausstattungsleiter und hatte damit die gesamte Verantwortung inne. Vor Festspielbeginn brachte er für seine Künstler einen Zettel am schwarzen Brett an mit einer letzten Mahnung: »Deutlichkeit! – Die grossen Noten kommen von selbst, die kleinen Noten und ihr Text sind die Hauptsache. [ … ] Letzter Wunsch: Bleibt mir gut, ihr Lieben!«74 Die Abbildung zeigt die Auffahrt zum Festspielhaus und eine seltene Ansicht des neu erbauten Gebäudes auf dem sogenannten »Grünen Hügel«. Die Fassade, noch ohne Königsbau, ist mit Girlanden bzw. Kränzen geschmückt. Die Flaggen werden in vielen Berichten erwähnt. Das Haus stand damals frei auf der kahlen Anhöhe und viele Besucher klagten, weil der Weg hinauf in der Sonne und Hitze nicht nur anstrengend, sondern auch staubig sei. Die Bayreuther Zeitung berichtet, dass Damen »von Distinction bestaubt wie die Müllerburschen« ankämen. Neben zwei Kaisern und zwei Königen waren im ersten Festspieljahr auch Kollegen anwesend, beispielsweise Peter Tschaikowski, Camille Saint-Saëns, Anton Bruckner und Cosimas Vater, Franz Liszt. Nietzsche sagte zu Wagner: »Ich habe nicht geglaubt, daß Sie es zustande bringen würden.«75 Bei den ersten Bayreuther Festspielen wurde ab 13. August der vierteilige Ring des Nibelungen aufgeführt. Wagner war nicht vollauf zufrieden damit und plante, im folgenden Jahr Korrekturen anzubringen. Doch das Defizit ließ keine neuen Aufführungen zu.

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inks befindet sich ein kuppelähnliches Gebilde mit einer Balustrade, dahinter eine Gruppe von Mädchen in rosafarbenen Gewändern und darüber ein Banner mit der Schrift »Selig im Glauben« aus dem Höhenchor des ersten Aktes des Parsifal. Wagner vollendete am 19. April die Dichtung und begann Ende September mit der Kompositionsskizze. Von der ersten gedanklichen Beschäftigung mit dem Stoff im Jahr 1845 bis zur Vollendung waren 37 Jahre vergangen. 1859 war er noch von der Unmöglichkeit einer Ausführung dieses Sujets überzeugt gewesen und hatte seiner geliebten Mathilde Wesendonck geschrieben: »Und so etwas soll ich noch ausführen? Und gar noch Musik dazu machen? Bedanke mich schönstens! Das kann machen, wer Lust hat; ich werde mir's bestens vom Halse halten!«76 Am 25. Januar 1877 rief Wagner aber Cosima zu: »Ich will Dir etwas sagen. [ … ] Ich beginne den Parzival und lasse nicht eher von ihm ab, als er fertig ist.«77 Die Schreibweise von »Parzival« änderte er im März hin zu »Parsifal«. Die Deutung dieses letzten Werkes hat zahllose Autoren beschäftigt und tut es noch immer.78 Am 15. September trafen sich die Delegierten der Wagner-Vereine im Festspielhaus. Wagner trug ihnen seinen Plan für eine Musikschule vor. Die Erfahrungen von 1876 hatten ihm gezeigt, dass er sich seine Künstler für die kommenden Festspiele selbst heranziehen musste. Diesmal scheiterte das Projekt an Geldmangel, denn nach den Festspielen war ein Defizit von 150 000 Mark geblieben, für das Richard persönlich haftete. Er und Cosima reisten daher nach London, und er schrieb: »Nun wollen wir einmal sehen, wie sich die Sache in London anläßt! Sie wissen, mein Vermögen ist ›Deficit‹ – dafür London! Vorläufig bin ich noch nicht recht darüber aufgeklärt, ob ich mein Vermögen, oder dieses ›Deficit‹ conserviren werde. Bald wird sich aber Licht zeigen.«79 Gemeinsam mit Hans Richter dirigierte er dort acht Konzerte. Trotz des Orchesters mit 169 Musikern und ›gewaltigen Zulaufs‹ erfüllten sich seine Erwartungen weder in finanzieller noch in künstlerischer Hinsicht. Sein Traum vom zweiten Ring war ausgeträumt.

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inmal mehr teilt sich die Jahresübersicht in musikalische Aktivitäten und Hinweise auf literarisches Schaffen auf. Am 11. Oktober hatte Wagner die Orchesterskizze des zweiten Aktes des Parsifal vollendet. Cosima schrieb: »Er arbeitet und zeigt mir vor dem Abendbrot, daß er den 2ten Akt vollendet!«80 Die Szene hält diesen Akt fest: Parsifal ist nach einem siegreichen Kampf mit den Wächtern über die Zinne in den Zaubergarten vorgedrungen, der rechts durch Blüten und eine Ranke angedeutet wird. Die unter einer großen Blume liegende verführerische Kundry bannt ihn mit den Worten »Parsifal! – Weile!« an den Ort. Noch war das Werk nicht zu Papier gebracht, aber vermutlich hat er seine Ideen der Familie vorgespielt und erläutert, sodass Isolde die Handlung und die Musik schon als Dreizehnjährige kannte. König Ludwig II. stellte in diesem Jahr Wagner vertraglich das Münchner Hoforchester und das Personal des Hoftheaters für die Uraufführung des Parsifal in Bayreuth zur Verfügung. Als Gegenleistung versprach Wagner, dem Hoftheater das Werk unbeschränkt freizugeben, was er später rückgängig machte. Die Uraufführung fand 1882 statt. Seit 1878 erschienen die Bayreuther Blätter, herausgegeben von Hans von Wolzogen. Angeführt sind die Titel der Arbeiten, die Wagner in dieser Zeitschrift veröffentlicht hat (und die später in seine Gesammelten Schriften und Dichtungen aufgenommen wurden). Isolde nennt folgende Artikel: Das Jubiläum in Zeit und Raum, Rückblick auf die Bühnenfestspiele des Jahres 1876 , Begleitworte zu ›Was ist deutsch?‹ Modern, Publicum und Popularität. Wagners Verhältnis zu dieser Zeitschrift war ambivalent. Manchmal fand er sie nutzlos und wünschte sich, sie würde eingehen, dann wiederum benutzte er sie als Forum der Meinungsbildung oder der Beeinflussung. Seine Ehe war nach wie vor glücklich, obwohl er zunehmend von Krankheiten geplagt, immer reizbarer wurde. Als ihn Cosima fragte, ob er zufrieden sei, antwortete er: »Grenzenlos.« Seine Kinder waren ihm, Cosima zufolge, »das größte Geschenk, das du mir machen konntest, die einzige Wiederanknüpfung an das Leben!«81 Sie war bemüht, ihm Zeit und Muße für seine kompositorische Arbeit zu ermöglichen, die sie für wichtiger hielt als seine Schriftstellerei. Abends spielte und sang er ganze Akte seiner Opern oder las ihr Dramen vor.

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arsifal erscheint im dritten Akt der gleichnamigen Oper als Kreuzritter mit Helm, Schild und Speer. Im August begann Wagner mit der Niederschrift der Partitur. Cosimas Tagebuchnotizen geben einen aufschlussreichen Einblick in den Kompositionsvorgang. Er informierte sie über den Fortgang seiner Arbeiten, spielte ihr neue Motive vor und sprach über das Voranschreiten seines Werkes bis ins kleinste Detail. Einmal beklagte er sich, dass niemand sein Rufen gehört habe, und erklärte dann: »Ich komme herauf, um dir zu sagen, dass der Eintritt der g-Pauke das Schönste ist, was ich je gemacht habe.«82 Unter den Abbildungen stehen die Titel der Schriften, die Wagner 1879 verfasst hatte. Am 29. Juli Über das Operndichten, am 13. Mai Wollen wir hoffen, an Weihnachten Zur Einführung in das Jahr 1880 . Der Aufsatz Über die Anwendung der Musik auf das Drama ist nach Über das Operndichten entstanden. Die Bayreuther Blätter beschäftigten Wagner weiterhin. So forderte er den Musikautor Wilhelm Tappert auf, Beiträge dafür zu schicken: »Sie fehlen unsern Bayreuther Blättern außerordentlich: wir brauchen einen Musiker – Philosophen haben wir gerade genug.« Tappert sollte neuere Kompositionen besprechen, wobei Wagner ihn aber in eine bestimmte Richtung, nämlich seine eigene, drängen wollte: »Wir würden uns an das Klavier setzen, Opern, Symphonien und dgl. vornehmen, und bald uns darüber einigen, was und in welchem Sinne hierüber zu sprechen wäre.«83 Wagner ist im großen Bild von zahlreichen Tieren umgeben, wie Elefant, Löwe, Esel, Hunde, Hase und Pfau, umschwirrt von vielen Vögeln. Spielt Isolde damit auf den Karfreitagszauber an? »Nun freut sich alle Kreatur auf des Erlösers holder Spur [ … ]. Ihn selbst am Kreuze kann sie nicht erschauen, da blickt sie zum erlösten Menschen auf; der fühlt sich frei von Sündenlast und Grauen …«. Oder soll damit an Orpheus, den griechischen Gott der Musik erinnert werden, dessen Gesang die wilden Tiere besänftigte und selbst die Felsen zum Weinen brachte? Pikanterweise bezeichnete Friedrich Nietzsche Wagner einmal als »Orpheus allen heimlichen Elends«84. Oder ist diese Zeichnung Zeugnis für Wagners Liebe zu Tieren, die ihn dazu veranlasste, sich gerade in späteren Jahren für diese einzusetzen? Für letztere Vermutung spricht, dass er am 29. September ein Offenes Schreiben an Herrn Ernst von Weber, Verfasser der Schrift die Folterkammern der Wissenschaft publizierte, in dem er sich vehement gegen Tierversuche wehrte. Dennoch wurde Wagner nie zum Vegetarier.

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ieses Aquarell trägt den Charakter des Privaten: Richard, der immer Ruhelose, liegt entspannt auf einer Chaiselongue, bei ihm vermutlich sein Sohn Siegfried, der ihn skizziert und ihm dabei von seiner erwachenden Liebe zur Architektur erzählt. In seinen Erinnerungen erklärte dieser: »Wie besessen lief ich von Kirche zu Kirche, von Palast zu Palast, und die ersten Versuche, [ … ] diese Eindrücke wiederzugeben, wurden anfänglich recht unbeholfen, allmählich aber ganz annehmbar gemacht, so dass meine Eltern mit Lächeln, aber auch mit Freude dieses alle überraschende Talent beobachteten, das sich da entwickelte.«85 Das Bild zeigt Wagner in Italien. Den regnerischen und kalten Monaten in Bayreuth entfloh die Familie regelmäßig dorthin, so auch in diesem Jahr. Am 4. Januar zogen sie in Neapel in die Villa d'Angri ein und hatten von dort aus einen »unbeschreiblichen Blick« (Cosima) auf den Golf. Auch außerhalb Deutschlands waren die Wagners nicht einsam. Sein Ruhm hatte sich inzwischen verbreitet, und es kamen viele Besucher, darunter der amerikanische Schriftsteller Henry James, der Komponist Engelbert Humperdinck, der später Siegfried in Musikwissenschaft unterweisen sollte, sowie der Maler Paul von Joukowsky. In Italien entschied Wagner auch, dass sein Parsifal ausschließlich in Bayreuth zu sehen sein sollte. Erstaunlicherweise war Ludwig II. damit sogar einverstanden, obwohl er ursprünglich auf eine Aufführung in München gehofft hatte. Wie jedes Jahr gab die Familie sich große Mühe, Wagners Geburtstag zu einem unvergesslichen Tag zu gestalten. Morgens gratulierten ihm die Kinder und beschenkten ihn mit siebenundsechzig blühenden Rosenstöcken, von denen fünfundsechzig mit einer von Isolde gemalten Manschette versehen waren. Die Eltern waren gerührt: »Unter Weinen und Schluchzen dürfen unsere Seelen ineinanderfliessen, und die Kinder von ihrem Vater vernehmen, was sie nie vergessen [ … ] wir verlegen die Feierlichkeit von der Halle in den Saal, ordnen Rosen, Bild[ er ] und Stoffe. Richard verweilt eine Stunde, sieht Loldi's [ Isoldes ] Kompositionen durch.«86

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Siglen AS Wagners Autobiographische Skizze, in: Barth u. a., 1975, S. 11–16 BB Richard Wagner: Das Braune Buch. Tagebuchaufzeichnungen 1865 bis 1882, hg. von Joachim Bergfeld. Zürich 1975 CT I, II Cosima Wagner: Die Tagebücher, ediert und kommentiert von Martin GregorDellin und Dietrich Mack. München, Bd. I 1976, Bd. 2 1977 MGD Martin Gregor-Dellin: Richard Wagner. Sein Leben. Sein Werk. Sein Jahrhundert. München 1980 ML Richard Wagner: Mein Leben, hg. von Martin Gregor-Dellin. (1963). München 1969 SB II Richard Wagner: Sämtliche Briefe, hg. von Gertrud Strobel und Werner Wolf. Leipzig 1980 SB IV Richard Wagner: Sämtliche Briefe, hg. von Gertrud Strobel und Werner Wolf. Leipzig 1979 SB VII hg. von Hans Joachim Bauer und Johannes Forner. Leipzig 1988 SB IX hg. von Klaus Burmeister und Johannes Forner. Leipzig 2000 SB XI hg. von Martin Dürrer. Wiesbaden / Leipzig / Paris 1999 SB XVII hg. von Martin Dürrer. Wiesbaden / Leipzig / Paris 2009 SB XVIII hg. von Andreas Mielke. Wiesbaden / Leipzig / Paris 2008 SB XIX hg. von Margret Jestremski. Wiesbaden / Leipzig / Paris 2011 SSD I und VIII Richard Wagner: Sämtliche Schriften und Dichtungen, Leipzig 1871 Literatur Altmann, Wilhelm: Richard Wagners Briefe. Bd. 1. Leipzig 1925 Barth, Herbert / Mack, Dietrich / Voss, Egon: Wagner. Sein Leben, sein Werk und seine Welt in zeitgenössischen Texten. Wien 1975 Bauer, Oswald Georg: Richard Wagner geht ins Theater. Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung. Bayreuth 1996 Fischer, Jens Malte: Richard Wagners »Das Judentum in der Musik«. Frankfurt / M. / Leipzig 2000 Gautier, Judith / Dunreith Massie, Effie: Wagner at home. New York 1911 Geck, Martin: Wagner. Biographie. München 2012 Neumann, Angelo: Erinnerungen an Richard Wagner von Angelo Neumann. Leipzig 1907 Otto, Werner (Hg.): Richard Wagner Briefe 1830–1883. Berlin 1986

Endnoten 01 » Cosima Wagner: Die Tagebücher, hg. von Martin Gregor-Dellin und Dietrich Mack. 2. Bde. München / Zürich 1976–1977 (im folgenden CW) II, S. 536 02 » C W II, S. 519 und 1209 03 » C W II, S. 871 04 » ”His will was intended as a posthumous retaliation against Wagner‟: Alan Walker: Hans von Bülow. A Life and Times. Oxford / New York 2010, S. 460 05 » Richard Wagner: Briefe. Die Sammlung Burrell, hg. von John N. Burk. Frankfurt / M. 1950, S. 119 f. 06 » RW an Mathilde Maier, 23. 10. 1866 (SBB XVIII, 236 f.) 07 » C W I, S. 49, 383 08 » Briefe Cosima Wagners an ihre Tochter Daniela von Bülow, hg. von Max Freiherr von Waldberg. Stuttgart / Berlin 1933, S. 26; CW I, S. 63 09 » Cosima Wagner und Houston Stewart Chamberlain im Briefwechsel 1888–1908, hg. von Paul Pretzsch. Leipzig 1934, S. 253 10 » Zdenko von Kraft: Der Sohn – Siegfried Wagners Leben und Umwelt. Graz 1969, S. 134 11 » Nachlass Blandine Gravina o. D., vermutlich 1903 (Staatsbibl. München) 12 » 11. 8. 1906, in: Cosima Wagner. Das zweite Leben. Briefe und Aufzeichnungen 1883–1930, hg. von Dietrich Mack. München 1980, S. 685 f. 13 » Cosima Wagner an Adolf von Groß, in: Mack 1980, S. 701 14 » Isolde an Cosima, 5. 11. 1909 (Staatsbibl. München) 15 » Siegfried an Isolde, 14. 11. 1909 (Staatsbibl. München) 16 » Münchener Neueste Nachrichten, 28. 5. 1914 17 » In: Franz Wilhelm Beidler: Cosima Wagner-Liszt. Der Weg zum Wagner-Mythos, hg. von Dieter Borchmeyer. Bielefeld 1997, 2. Aufl. Würzburg 2011 18 » s. Fußnote 17 19 » Im Folgenden werden die Zitate aus »Mein Leben« im Text eingefügt (= ML). 20 » Martin Gregor-Dellin: Richard Wagner. Sein Leben. Sein Werk. Sein Jahrhundert. München 1980, S. 36 (im Nachfolgenden jeweils MGD genannt). 21 » MGD, S. 25 22 » AS, S. 11 23 » Judith Gautier / Massie 1911, S. 97 24 » AS, S. 11 25 » zit. b. Barth u. a. 1975, S. 149 26 » Carl Friedrich Glasenapp: Das Leben Richard Wagners. Leipzig 1896, Bd. 1, S. 96

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152 » 153

27 » Wagner selbst hielt das Werk für verschollen, es ist jedoch später aufgetaucht, vgl. Martin Geck: Wagner. Biographie. München 2012, S. 22. 28 » AS, S. 12 29 » Bauer 1996, S. 63 30 » MGD, S. 71 31 » MGD, S. 101 32 » vgl. Eike Middell: Nachwort zu Richard Wagner, in: Mein Leben. Bremen 1986, Bd. II., S. 391 f. 33 » Bauer 1996, S. 79 34 » Bauer 1996, S. 119 35 » SB II, S. 183 36 » vgl. Nicholas Vazsonyi: Richard Wagner. Die Entstehung einer Marke. Cambridge 2010, S. 72 37 » Bauer 1996, S. 139 38 » vgl. Eva Rieger / Hiltrud Schroeder: Ein Platz für Götter. Richard Wagners ­Wanderjahre in der Schweiz. Köln u. a. 2009, S. 51–58 39 » SB IV, S. 325 40 » SB VII, S. 161 f. 41 » MGD, S. 400 42 » SB IX, S. 290 43 » SB XI, S. 58 44 » in: Themenkommentar zu SB XI, S. 454 45 » CW II, S. 1029 46 » MGD, S. 458 47 » Charles Baudelaire: Richard Wagner, in: Revue Européenne v. 1. 4. 1861 48 » BB, S. 139 49 » Angelo Neumann: Erinnerungen an Richard Wagner von Angelo Neumann. Leipzig 1907, S. 5 f. 50 » SB XVII, S. 140 51 » CW I, S. 471 52 » SB XVIII, S. 238 53 » SB XIX, S. 104 und 244 54 » Altmann 1925, S. 300 55 » MGD, S. 583 56 » in: Barth / Mack / Voss 1975, S. 10 57 » Eduard Maria Oettinger: Offenes Billet-doux an den berühmten Hepp-HeppSchreier und Juden-Fresser Herrn Wilhelm Richard Wagner. Dresden 1869, zit. in: Fischer 2000, S. 285

58 » CW I, S. 54 59 » SSD VIII, S. 238 60 » CW I, S. 329 61 » CW I, S. 591; II, S. 488 62 » in: Otto 1986, S. 331 63 » CW I, S. 430 64 » CW I, S. 379 65 » SSD I, S. VI 66 » CW I, S. 523 67 » CW I, S. 525 68 » CW I, S. 529 69 » CW I, S. 783 70 » in: Altmann 1925, S. 328 71 » CW I, S. 831 72 » in: Altmann 1925, S. 333 f. 73 » Lilli Lehmann: Mein Leben. Leipzig 1920, S. 231 74 » MGD, S. 718 75 » MGD, S. 716 76 » SB, IX, S. 29 f. 77 » CW I, S. 1027 78 » vgl. Stephan Mösch: Parsifal. Weihe, Werkstatt, Wirklichkeit. Kassel 2009 79 » in: Otto 1986, S. 407 80 » CW II, S. 198 81 » CW II, S. 70 82 » CW II, S. 303 83 » in: Otto 1986, S. 407 84 » Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden, hg. von Karl Schlechta. München 1954, Bd. II S. 96 f. 85 » Siegfried Wagner: Erinnerungen. Stuttgart 1923, S. 10 86 » CW II, S. 536

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154 » 155

Personenregister zu »Rosenstöcke« Aischylos » 82 Albert von Sachsen Coburg, Prinzgemahl » 98 Apel, Johann August » 36 Apel, Theodor » 36, 52, 56, 58 Auber, Daniel » 64, 108 Avenarius, Ferdinand » 38 Bach, Johann Sebastian » 84, 112, 118, 128 Balling, Michael » 15 Balzac, Honoré de » 118 Baudelaire, Charles » 110 Beethoven, Ludwig van » 46, 48, 50, 58, 62, 68, 76, 80, 84, 88, 94, 98, 118, 128, 132, 138 Beidler, Ellen Annemarie, geb. Gottschalk » 18 Beidler, Elsa » 18 Beidler, Franz (Philipp) » 14, 15, 16, 17, 18 Beidler, Franz Walter, » 18 Beidler, Franz Wilhelm » 9, 14, 16, 18 Bellini, Vincenzo » 46, 56, 92 Betz, Franz » 124 Bismarck, Otto von » 120 Boieldieu, François-Adrien » 92 Boulez, Pierre » 126 Brockhaus, Friedrich » 42, 50 Bruckner, Anton » 124, 140 Bülow, Blandine von » 12, 14, 134 Bülow, Daniela von » 12, 13, 14, 18, 134 Bülow, Hans von » 12, 17, 62, 88, 102, 106, 112, 118, 120, 122, 124, 128, 132 Bulwer, Edward » 62 Busch, Eva » 17 Büsching, Johann Gustav » 52 Byron, George G., Lord » 70

Calderón, Pedro » 102 Chamberlain, Houston Stewart » 14, 16 Creuzer, Friedrich » 40 Dante » 44 Defoe, Daniel » 30 Dessauer, Joseph » 70 Devrient, Eduard » 126 Donizetti, Gaetano » 82, 108 Dorn, Heinrich » 50 Droysen, Johann Gustav » 82 Düfflipp, Lorenz von » 124 Dustmann, Louise » 112 Flachs » 46 Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen » 76 Gautier, Judith » 32 Gervinus, Georg Gottfried » 78 Geyer, Cäcilie » 22, 26, 38, 40, 42 Geyer, Karl » 30, 32 Geyer, Ludwig Heinrich Christian » 22, 24, 26, 28, 30, 34 Giorgione » 72 Gluck, Christoph Willibald » 80, 82 Goethe, Johann Wolfgang von » 50, 64, 94, 110, 118, 140 Gounod, Charles » 108 Gozzi, Carlo » 54 Gravina, Biaggo Graf » 14 Gregor-Dellin, Martin » 22 Grimm, Jakob » 82 Groß, Adolf von » 16, 17 Hagenbuch, Franz » 86 Halévy, Jacques Fromental » 64 Hanslick, Eduard » 124 Heine, Heinrich » 68, 72 Herwegh, Emma » 90

Herwegh, Georg » 90, 94, 96 Hill, Karl » 136 Hoffmann, E. T. A.  » 22, 40, 46, 70, 126 Hoffmann, Herr (Bauaufseher) » 134 Holtei, Karl von » 64 Homer » 88 Hülsen, Botho von » 96 Humperdinck, Engelbert » 9, 148 James, Henry » 148 Johann, König von Sachsen » 96, 112 Joukowsky, Paul von » 148 Kestenberg, Leo » 18 Kind, Friedrich » 28 Kleist, Heinrich von » 64 Klindworth, Karl » 98, 106 Kniese, Julius » 15 König, Heinrich Joseph » 64 Kotzebue, August von » 28 Krockow, Graf von » 132 Lablache, Luigi » 58 Laube, Heinrich » 54, 60 Lauermann » 58 Laussot, Eugène » 88 Laussot, Jessie » 88 Lehmann, Lilli » 138 Lessing, Gotthold Ephraim » 64 Liszt, Franz » 14, 86, 94, 98, 100, 124, 130, 134, 138, 140 Logiers, Johann Bernhard » 44 Ludwig II., König von Bayern » 9, 20, 26, 116, 118, 120, 122, 124, 128, 136, 138, 144, 148 Lüttichau, August von » 106 Lutze, Arthur » 34 Maier, Mathilde » 112 Marschner, Heinrich » 92 Méhul, Nicolas » 64 Mendelssohn Bartholdy, Felix » 76, 92, 98

Menzel, Adolf » 138 Meyer, Friederike » 112 Meyerbeer, Giacomo » 62, 64, 68, 76, 108 Moritz, Karl Philipp » 40 Mozart, Leopold » 30 Mozart, Maria Anna (Nannerl) » 30 Mozart, Wolfgang Amadeus » 13, 30, 50, 52, 56, 84, 92, 128 Muck, Karl » 15 Napoleon I. » 120 Neumann, Angelo » 116 Nietzsche, Friedrich » 13, 124, 140, 146 Nikolaus I., Zar » 62 Palestrina, Giovanni Pierluigi da » 84 Pfistermeister, Franz » 116 Planer, Amalie » 62 Planer, Natalie » 12 Plüddemann, Martin » 9 Raffael » 72 Raupach, Ernst » 50 Rellstab, Ludwig » 56 Richter, Hans » 16, 120, 138, 142 Ringelmann, Therese » 54 Ritter, Julie » 90, 104 Ritter, Karl » 90 Ronsard, Pierre de » 66 Rossini, Gioachino » 108 Rubens, Peter Paul » 72 Rubinstein, Anton » 9 Sachs, Hans » 78, 112 Saint-Saëns, Camille » 140 Sayn-Wittgenstein, Carolyne Fürstin zu » 94 Scaria, Emil » 136 Scheurlin, Georg » 70 Schiller, Friedrich von » 44, 48, 64, 118 Schnorr von Carolsfeld, Ludwig » 118 Schnorr von Carolsfeld, Malwina » 118

Schopenhauer, Arthur » 34, 96, 100 Schröder-Devrient, Wilhelmine » 46, 56, 58, 74, 78 Schumann, Robert » 80 Scott, Walter » 102 Scribe, Eugène » 64 Semper, Gottfried » 118 Shakespeare, William » 36, 44, 56, 64, 66 Sillig, Karl Julius » 36 Sipp, Robert » 48 Sophokles » 42, 48 Spontini, Gasparo » 60, 62 Stocker, Verena » 12 Strauss, Johann (Vater) » 52 Sulzer, Jakob » 86, 88 Tappert, Wilhelm » 146 Thode, Henry » 14 Tichatschek, Joseph » 100, 122 Tieck, Ludwig » 72 Tizian » 106 Tschaikowski, Peter » 140 Tyskiewicz, Vincenz Graf » 52 Uhlig, Theodor » 90 Verdi, Giuseppe » 108 Victoria, Königin » 98 Vinci, Leonardo da » 106 Wächter, Johann » 74 Wagner, Adolf » 32, 42, 44 Wagner, Albert » 20, 54 Wagner, Carl Friedrich » 20, 22

Wagner, Carl Gustav » 20 Wagner, Carl Julius » 20, 30 Wagner, Cosima » passim Wagner, Eva » 12, 14, 16, 122, 134 Wagner, Johanna Rosine, geb. Pätz » 22, 30, 84 Wagner, Klara » 20, 46 Wagner, Luise » 20, 42 Wagner, Minna, geb. Planer » 8, 12, 56, 58, 60, 62, 66, 70, 72, 74, 80, 86, 88, 90, 96, 100, 102, 104, 110, 112, 120 Wagner, Ottilie » 20, 40, 42 Wagner, Richard » passim Wagner, Rosalie » 20, 40, 48, 50, 52, 54 Wagner, Siegfried » 12, 15, 16, 17, 18, 126, 134, 148 Wagner, Theresia » 20, 22 Wagner, Wieland » 18 Walker, Alan » 12 Weber, Carl Maria von » 24, 28, 32, 34, 38, 74, 76, 92 Weigl, Joseph » 58 Weinlig, Theodor » 50 Wesendonck, Mathilde » 96, 102, 104, 106, 112, 116, 142 Wesendonck, Otto » 102, 104, 116 Wetzel, Christian Ephraim » 28, 30 Wilhelm I., Kaiser » 130 Wolzogen, Hans von » 144 Zimmermann, Emmy » 17

MARTIN KNUST

RICHARD WAGNER EIN LEBEN FÜR DIE BÜHNE

Richard Wagner kam aus einer Familie von Schauspielern und Sängern, arbeitete als Theaterkapellmeister und Regisseur und widmete sein Schaffen als Dichter und Komponist ganz dem dramatischen Musiktheater. Martin Knust zeigt Wagner als visionären Künstler, dessen Persönlichkeit, Weltanschauung und Verhalten vollkommen von dieser Prägung durchdrungen waren. Wagners Leben ist oft beschrieben worden. Diese Biografie nimmt insbesondere sein Verhältnis zum Theater in den Blick, das Dreh- und Angelpunkt seines gesamten Denkens und Handelns war. Unter dem Blickwinkel der Auseinandersetzung Wagners mit dem Theater seiner Zeit werden die Seiten seiner Persönlichkeit und seines Denkens sichtbar, die der Essenz seines Werkes nahe zu kommen erlauben. Vor allem die zahlreichen Briefe Wagners wie auch die Zeugnisse seiner Zeitgenossen hat Martin Knust herangezogen. Das Besondere wie auch das Gewöhnliche, das Visionäre wie auch das Zeitgebundene des künstlerischen Konzepts kommen dabei zum Vorschein. Das Buch endet mit einem Ausblick auf die Wirkungsgeschichte von Wagners musikalischem Werk, das im Kulturleben der Gegenwart unvermindert präsent ist, wenn auch in anderer Weise, als es ihm selbst vorschwebte. 2013. 204 S. 8 S/W-ABB. GB. MIT SU. 135 X 210 MM | ISBN 978-3-412-20919-3

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DANIEL BRANDENBURG, FRIEDER REININGHAUS (HG.)

RICHARD WAGNER IN ÖSTERREICH ÖSTERREICHISCHE MUSIKZEITSCHRIFT, JG. 67, HEFT 6/2012

Kein Komponist vor ihm hat das Publikum und die Fachwelt dermaßen polarisiert wie Richard Wagner (1813–1883). Zu seinen Lebzeiten war Wien ein Zentrum dieser Auseinandersetzungen, zumal glühende Wagner-Anhänger wie Anton Bruckner und Hugo Wolf das Musikleben hier ebenso prägten wie seine Gegner rund um Eduard Hanslick und Johannes Brahms. Diese Ausgabe der ÖMZ verfolgt Wagners Ansätze, in Wien Fuß zu fassen, und untersucht seinen Einfluss auf die hier ansässigen Musiker. Darüber hinaus stellt sie die Frage nach einer spezifischen österreichischen Wirkungsgeschichte des Bayreuther Komponisten, wobei den Wagner-Verbänden besonderes Augenmerk geschenkt wird. 2012. 128 S. ZAHLR. S/W-ABB. BR. 165 X 235 MM | ISBN 978-3-205-78810-2

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