Funktionsdiagnostik in der Gastroenterologie: Medizinische Standards [3. Aufl. 2020] 978-3-662-59132-1, 978-3-662-59133-8

Funktionsdiagnostik auf einen Blick Für - Oberen und unteren Gastrointestinaltrakt - Pankreas - Leber und Gallenblase

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German Pages XI, 242 [238] Year 2020

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Funktionsdiagnostik in der Gastroenterologie: Medizinische Standards [3. Aufl. 2020]
 978-3-662-59132-1, 978-3-662-59133-8

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XI
Front Matter ....Pages 1-1
Ösophagus- und gastrale pH-Metrie sowie Impedanzmessung (Till Wehrmann)....Pages 3-18
Ösophagusmanometrie (Michaela Müller)....Pages 19-41
Magen-/Dünndarmmanometrie (Till Wehrmann)....Pages 43-52
Magensaftanalyse (Karima Farrag, Karl-Hermann Fuchs)....Pages 53-59
Bestimmung von Magenentleerung und Dünndarmtransit (Barbara Braden, Oliver Schröder)....Pages 61-76
Endoskopische Manometrie des Sphinkter Oddi (Till Wehrmann)....Pages 77-90
Front Matter ....Pages 91-91
Diagnostik der Kolonmotilität (Till Wehrmann)....Pages 93-97
Anorektale Funktionsuntersuchungen (Till Wehrmann)....Pages 99-111
Resorptionstests (Karima Farrag, Jürgen Stein)....Pages 113-150
Front Matter ....Pages 151-151
Art und Durchführung von Pankreasfunktionsprüfungen (Karima Farrag, Barbara Braden, Jürgen Stein)....Pages 153-172
Front Matter ....Pages 173-173
Strukturelle Grundlagen der Leberfunktion (Karima Farrag, Jürgen Stein)....Pages 175-179
Prüfung der hepatozellulären Integrität (Karima Farrag, Jürgen Stein)....Pages 181-185
Prüfung der biliären Sekretionsleistung – Ikterus und Cholestase (Jürgen Stein, Karima Farrag, Oliver Schröder)....Pages 187-195
Prüfung der Aktivität von Fibrinogenese und Fibrose (Jürgen Stein, Irini Mavrommataki)....Pages 197-208
Prüfung der Syntheseleistung und metabolischen Kapazität (Jürgen Stein, Barbara Braden)....Pages 209-223
Prüfung der Leberdurchblutung und des portosystemischen Shuntvolumens (Oliver Schröder, Jürgen Stein)....Pages 225-231
Prüfung der Gallenblasenmotilität (Till Wehrmann, Christoph Frank Dietrich)....Pages 233-236
Back Matter ....Pages 237-242

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Jürgen Stein · Till Wehrmann Hrsg.

Funktionsdiagnostik in der Gastroenterologie Medizinische Standards 3. Auflage

Funktionsdiagnostik in der Gastroenterologie

Jürgen Stein Till Wehrmann (Hrsg.)

Funktions­ diagnostik in der Gastroenterologie Medizinische Standards 3. Auflage

Hrsg.

Jürgen Stein Gastroenterologie/Ernährungsmedizin FEBG, AGAF DGD Kliniken Frankfurt Frankfurt/Main, Deutschland

Till Wehrmann Innere Medizin I (Endokrinologie, Gastroenterologie und Rheumatologie) DKD Helios Klinik Wiesbaden Wiesbaden, Deutschland

ISBN 978-3-662-59132-1 ISBN 978-3-662-59133-8  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-59133-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2002, 2006, 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Fotonachweis Umschlag: © Prof. Till Wehrmann, DKD Helios Klinik Wiesbaden Umschlaggestaltung: deblik Berlin Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

V

Geleitwort Endoskopie, andere bildgebende Verfahren, Funktionsdiagnostik und Labortests sind die Eckpfeiler der gastroenterologischen und hepatologischen Diagnostik. Bei zahlreichen funktionellen Krankheiten hilft die Endoskopie oder andere Bildgebung häufig diagnostisch nicht weiter, sodass entsprechende Funktionstests oft wegweisend sind. Dies trifft in erster Linie auf Motilitätsstörungen des Gastrointestinaltrakts zu. Jürgen Stein und Till Wehrmann legen in Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern der Frankfurter II. Medizinischen Universitätsklinik ein Buch über die Funktionsdiagnostik vor, das praktische Hilfe für den Gastroenterologen und Internisten gibt für die Auswahl, Durchführung und Interpretation von Funktionsuntersuchungen des Gastrointestinaltrakts und der Leber. Es umfasst sowohl die Motilitätsdiagnostik wie auch Funktionsuntersuchungen der Resorption des Dünndarms, der Pankreasfunktion sowie Tests zur Erfassung partieller Funktionen der Leber. Das Buch beschreibt die einzelnen Tests und endet mit einer Entscheidungshilfe auf dem Boden von Leitsymptomen wie Dyspepsie und Sodbrennen, Durchfall, Obstipation und Meteorismus/Flatulenz. Die enge Zusammenarbeit der Autoren und Herausgeber auch im klinischen Alltag hat zu einer kompakten, einheitlichen und praxisbezogenen Darstellung der gastroenterologischen und hepatologischen Funktionsdiagnostik geführt. Es ist zu hoffen, dass auch zahlreiche – oft sehr personalintensive – Testverfahren der Funktionsdiagnostik des Gastroenterologen in den neuen OPS-Prozedurenkatalog, analog den Funktionsuntersuchungen anderer medizinischer Fachdisziplinen (z. B. Neurologie), Eingang finden. Ich bin überzeugt, dass dieses praxisbetonte Taschenbuch weite Verbreitung finden wird. W. F. Caspary

Frankfurt im Januar 2002

Vorwort Seit Herausgabe der 2. Auflage sind inzwischen fast 15 Jahre vergangen. In dieser Zeit gab es im Bereich der Motilitäts-Diagnostik bahnbrechende Veränderungen. Insbesondere die technische Einführung der sogenannten High Resolution Manometrie und der Impedanzmessung haben die Abläufe dieser Diagnostik deutlich verändert und auch zu einer erheblichen weiteren Verbreitung dieser Methoden in der klinischen Praxis geführt. Da insbesondere für das Krankheitsbild der Achalasie jetzt auch endoskopische Therapieoptionen, neben der pneumatischen Dilatation, zur Verfügung stehen (z. B. die perorale endoskopische Myotomie), ist das allgemeine Interesse an diesem Krankheitsbild in der gastroenterologischen „Community“ erheblich angewachsen. Insofern sind die methodischen Beschreibungen der 2. Auflage, insbesondere für die manometrische und pH-metrische Diagnostik, nicht mehr aktuell und es war an der Zeit, hier gänzlich neue Kapitel zu gestalten. In anderen Feldern wiederum hat sich relativ wenig getan (z. B. Prüfung der Gallenblasenmotilität, Prüfung der Kolon-Motilität), sodass hier die Kapitel weitestgehend unverändert belassen werden konnten. Hingegen konnten neue Studien zeigen, dass die Untersuchung der Sphinkter-Oddi-Motilität im klinischen Alltag nur einen sehr limitierten Stellenwert besitzt, sodass dieses Kapitel entsprechend gekürzt werden konnte. Während der überwiegende Teil der Kapitel zur Funktionsdiagnostik von Magen, Darm und Pankreas eine grundlegende Implementierung der aktuellen Literatur erforderte, aber im Aufbau und Struktur beibehalten werden konnte, gab es seit der 2. Auflage im Bereich der Leberdiagnostik, insbesondere zum Management der der Leberfibrose/-zirrhose enorme Weiter- bzw. Neuentwicklungen. So sind neben verschiedenen Fibrosemarkern im Blut in den letzten Jahren auch verschiedene ultraschallgestützte Verfahren entwickelt worden, wie die transiente Elastrographie (TE), die die Messung der globalen Leberfibrose erlaubt, die ARFI (Acoustic Radiation Force Impulse Technique) zur Beurteilung von fokalen und diffusen Lebererkrankungen sowie die Echtzeit Gewebe-Elastographie. Diesem wurde durch eine grundlegende Überarbeitung der entsprechenden Kapitel Rechnung getragen. Da heutzutage inzwischen ausreichende Literatur zur Diagnostik und Therapie auch von funktionellen Störungen am Gastrointestinaltrakt und am hepato-biliären und pankreatischen System existiert, haben wir die Kapitel zum Thema der klinischen Leitsymptome aus diesem Buch entfernt. Der Schwerpunkt ist die methodische Darstellung der verschiedenen Untersuchungsverfahren.

VII Vorwort



Wir wünschen Ihnen wiederum viel Freude mit dieser Neuauflage und würden uns über Kritik und Anregungen seitens der ärztlichen Kolleginnen und Kollegen, aber auch insbesondere der nichtärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Motilitäts-Labors sehr freuen. Jürgen Stein Till Wehrmann

Frankfurt Wiesbaden Mai 2019

IX

Inhaltsverzeichnis I

Oberer Gastrointestinaltrakt

1

Ösophagus- und gastrale pH-Metrie sowie Impedanzmessung. . . . . . . . . . 3 Till Wehrmann

2

Ösophagusmanometrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Michaela Müller

3

Magen-/Dünndarmmanometrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Till Wehrmann

4

Magensaftanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Karima Farrag und Karl-Hermann Fuchs

5

Bestimmung von Magenentleerung und Dünndarmtransit . . . . . . . . . . . . . . 61 Barbara Braden und Oliver Schröder

6

Endoskopische Manometrie des Sphinkter Oddi. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Till Wehrmann

II

Unterer Gastrointestinaltrakt

7

Diagnostik der Kolonmotilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Till Wehrmann

8

Anorektale Funktionsuntersuchungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Till Wehrmann

9

Resorptionstests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Karima Farrag und Jürgen Stein

III Pankreasfunktionstets 10

Art und Durchführung von Pankreasfunktionsprüfungen. . . . . . . . . . . . . . . . 153 Karima Farrag, Barbara Braden und Jürgen Stein

X

Inhaltsverzeichnis

IV

Leber und Galle

11

Strukturelle Grundlagen der Leberfunktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Karima Farrag und Jürgen Stein

12

Prüfung der hepatozellulären Integrität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Karima Farrag und Jürgen Stein

13

Prüfung der biliären Sekretionsleistung – Ikterus und Cholestase . . . . . . 187 Jürgen Stein, Karima Farrag und Oliver Schröder

14

Prüfung der Aktivität von Fibrinogenese und Fibrose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Jürgen Stein und Irini Mavrommataki

15

Prüfung der Syntheseleistung und metabolischen Kapazität. . . . . . . . . . . . 209 Jürgen Stein und Barbara Braden

16

Prüfung der Leberdurchblutung und des portosystemischen Shuntvolumens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Oliver Schröder und Jürgen Stein

17

Prüfung der Gallenblasenmotilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Till Wehrmann und Christoph Frank Dietrich

Serviceteil Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

XI

Autorenverzeichnis Prof. Dr. Barbara Braden

Priv. Doz. Dr. Michaela Müller

Translational Gastroenterology Unit Oxford University Hospitals NHS Foundation Trust Oxford, Großbritannien [email protected]

Fachbereich Gastroenterologie DKD Helios Klinik Wiesbaden Wiesbaden, Deutschland [email protected]

Prof. Dr. Dr. Oliver Schröder Prof. Dr. Christoph Frank Dietrich Klinik für Innere Medizin 2 Caritas Krankenhaus Bad Mergentheim Bad Mergentheim, Deutschland [email protected]

Klinik für Gastroenterologie, Onkologie, Ernährungsmedizin DGD Kliniken Frankfurt-Sachsenhausen Frankfurt, Deutschland [email protected]

Dr. Karima Farrag

Prof. Dr. Dr. Jürgen Stein

Klinik für Gastroenterologie, Onkologie, Ernährungsmedizin DGD Kliniken Frankfurt-Sachsenhausen Frankfurt, Deutschland [email protected]

FEBG, AGAF DGD Kliniken Frankfurt Sachsenhausen Gastroenterologie/Ernährungsmedizin Frankfurt a. M., Deutschland [email protected]

Prof. Dr. Karl-Hermann Fuchs

Prof. Dr. Till Wehrmann

Department of Surgery Center for the Future of Surgery La Jolla, Deutschland [email protected]

Innere Medizin I (Endokrinologie, Gastroenterologie und Rheumatologie) DKD Helios Klinik Wiesbaden Wiesbaden, Deutschland [email protected]

Dr. Irini Mavrommataki Klinik für Gastroenterologie, Onkologie, Ernährungsmedizin DGD Kliniken Frankfurt-Sachsenhausen Frankfurt a. M, Deutschland [email protected]

1

Oberer Gastrointestinaltrakt Inhaltsverzeichnis Kapitel 1

Ösophagus- und gastrale pH-Metrie sowie Impedanzmessung – 3 Till Wehrmann

Kapitel 2

Ösophagusmanometrie – 19 Michaela Müller

Kapitel 3

Magen-/Dünndarmmanometrie – 43 Till Wehrmann

Kapitel 4

Magensaftanalyse – 53 Karima Farrag und Karl-Hermann Fuchs

Kapitel 5

Bestimmung von Magenentleerung und Dünndarmtransit – 61 Barbara Braden und Oliver Schröder

Kapitel 6

Endoskopische Manometrie des Sphinkter Oddi – 77 Till Wehrmann

I

3

Ösophagus- und gastrale pH-Metrie sowie Impedanzmessung Till Wehrmann 1.1 Alleinige Ösophagus-pH-Metrie – 4 1.2 Kombinierte 24 h-Ösophagus-pHImpedanzmessung – 13 1.3 Intragstrale pH-Metrie – 14 Literatur – 18

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Stein, T. Wehrmann (Hrsg.), Funktionsdiagnostik in der Gastroenterologie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59133-8_1

1

4

1

T. Wehrmann

Die Technik der Ösophagus-pH-Metrie wurde in den 1950er Jahren inauguriert, in den 1970er Jahren standardisiert und systematisiert, und seit dem allgemeinen Einzug der PC-Technik in den 1990er Jahren erfolgt der routinemäßige Einsatz in der gastroenterologischen Praxis. Hierbei werden mittels Miniaturelektroden die wechselnden Wasserstoffionenkonzentrationen im tubulären Ösophagus als Potenzialdifferenzen (in Millivolt/mV) gemessen. Der jeweilige pH-Wert wird über die Gleichung pH = –log (H3O+) ermittelt (Aspiroz 1996). Die Technik kann sowohl Sonden-gestützt (derzeitiger Standard) als auch mittels Telemetrie-Kapseln (mit Verlängerung der Messdauer) erfolgen (Pandolfino 2005). Bei der Oesophagus-Impedanzmessung wird sich der Tatsache bedient, dass ein Gas- oder Flüssigkeits-Bolus beim Transport im Ösophagus eine Impedanzänderung hervorruft (Tutuian und Castell 2005a). Hierfür wird z. B. zwischen 2 Elektroden eines Katheters eine geringe Spannung angelegt und der resultierende Stromfluss gemessen. Die Impedanz ist umgekehrt proportional zur elektrischen Leitfähigkeit. Da sich die Leitfähigkeit von Luft (nahezu bei 0) und die Leitfähigkeit von Gas und Flüssigkeiten (relativ hoch) unterschiedlich verhält, fällt der Impedanzwert während der Passage eines Flüssigkeits-Bolus. In der Regel wird die Messung mittels mehrerer elektrischer Impedanz-Messpunkte (Multi-Kanalmessung) und einem zusätzlichen pH-Messpunkt als kombinierte OesophaguspH-Impedanzmessung durchgeführt (Tutuian und Castell 2005b). Während sich die kombinierte Ösophagus-­ pH-Metrie und Impedanzmessung als Goldstandard zur Diagnostik der gastroösophagealen Refluxkrankheit etabliert haben, hat die Magen-pH-Metrie bis heute keinen wesentlichen klinischen Stellenwert erlangt. Wenn überhaupt, kann das Verfahren zur Therapiekontrolle der medikamentösen Säurereduktion eingesetzt werden.

1.1  Alleinige

Ösophagus-pH-Metrie

Die ösophageale pH-Metrie wird als ambulante 24-h-Untersuchung durchgeführt, da insbesondere die dynamischen Vorgänge der Kontaktzeit des gastroösophagealen Refluats mit der Ösophagusschleimhaut unter den individuellen Lebensumständen beurteilt werden sollen. Obwohl bei 3–5 % der Patienten mit Ösophagitis der pH-metrische Befund unauffällig sein kann, ist die Untersuchung als einfaches und standardisiertes Verfahren zur quantitativen Erfassung des gastroösophagealen Refluxes anerkannt (De Meester et al. 1980). Mittels pH-Metrie konnte gezeigt werden, dass Reflux von saurem Mageninhalt per se ein physiologisches Phänomen darstellt und dass (vermutlich) nur das gesteigerte Ausmaß eines Refluxes die Entwicklung einer Refluxkrankheit (Symptomatik und/oder Komplikationen) begünstigt. Die Sensitivität der Radiologie (Kontrastmittelreflux in Kopftieflage oder bei Bauchkompression) bzw. Endoskopie (Ösophagitis) ist niedriger als die der pH-Metrie. Etwa 30–50 % aller Patienten mit spezifischen Refluxsymptomen (Sodbrennen, saures Aufstoßen) weisen keine Ösophagitis auf. Hierdurch wird die zentrale Rolle der pH-Metrie in der Diagnostik der Refluxkrankheit (Nachweis einer Refluxkrankheit im Stadium 0) determiniert (Koop et al. 2014). 1.1.1  Apparative Voraussetzungen

Sonden-gestützte Untersuchung Als hochwertigste Kombinationssonde (Messund Referenzsonde in einem) gilt die SilberGlas-Diffusionselektrode mit einem Durchmesser von 4 mm, einem linearen Messbereich von pH 0–12, einer sog. Response-Zeit 8000 mmHg-cm-s), die Propagationsgeschwindigkeit ist im vorliegenden Fall normal

In der HRM wird statt der Höhe der Kontraktionsamplitude das sogenannte distale Kontraktionsintegral (DCI) das Kontraktionsamplitude, Kontraktionsdauer und Länge des kontrahierenden Ösophagusabschnittes umfasst, angegeben. Dabei entspricht ein DCI-Mittelwert von 5000 mmHg-s-cm etwa dem Nussknacker-Ösophagus der konventionellen Manometrie. Allerdings konnten bei 5 % der Normalbevölkerung ebenfalls Werte in diesem Bereich nachgewiesen werden, sodass in der Chicago-Klassifikation nur noch der Jackhammer Ösophagus mit DCI Werten von >8000 mmHg-s-cm, als pathologisch gewertet wird, da diese Werte bisher noch nie in gesunden Kontrollen nachweisbar waren.

5 DCI >8000 mmHg-s-cm 2 von 10 Nassschlucken „Jackhammer“

2.5.6  Hypotensive Ösophagus­

mot­ilitätsstörungen

Zu den hypotensiven Ösphagusmotilitätsstörungen gehören Störungen, die durch eine reduzierte peristaltische Aktivität zu Symptomen führen, wie: z Fehlende (amotile) tubuläre Peristaltik (. Abb. 2.14)

5 100 % DCI 220 mmHg (KM) 5 Kontraktionsdauer >6 s

5 Hypotensive Kontraktionsamplituden ≤30 mmHg und/oder 5 gestörte propulsive Peristaltik (Pausen, simultane oder fehlende Kontraktionen) in ≥30 % der Schlucke (KM) 5 ≥50 % DCI 5 cm bei DCI >450 mmHg-s-cm Die hypotensiven Ösphagusmotilitätsstörungen treten häufig idiopathisch auf, können aber auch sekundär bei verschiedenen Krankheiten wie der gastroösophagealen Refluxkrankheit, Kollagenosen wie der Sklerodermie oder infiltrativen Erkrankungen wie der Amyloidose auftreten. Auch bei der eosinophilen Ösophagitis werden teilweise hypotensive Veränderungen beschrieben. Durch die Motilitätsstörung kann es zu einer ineffektiven Bolusclearance kommen, daher klagen ein Drittel der Patienten über Dysphagie. 2.5.7  Unspezifische Ösophagus­

motil­itätsstörungen

Hierzu zählen alle übrigen Abweichungen von Parametern der Ösophagusmotilität, die sich nicht zu den beschriebenen Gruppen

zuordnen lassen und deren klinische Relevanz nur gering oder unklar ist, wie fragmentierte Peristaltik mit kleinen Pausen, simultane Kontraktionen 5 cm) peristaltischer Lücke und niedriger Kontraktionsamplitude sowie regelrechter Schluckrelaxation des UÖS

nur die glatte Muskulatur betroffen ist, zeigt sich manometrisch eine regelrechte Funktion des oberen ösophagealen Sphinkters und des proximalen Speiseröhrendrittels, wohingegen die Kontraktionen der distalen zwei Drittel des Ösophagus zunehmend hypoton werden und sich zudem eine Insuffizienz des UÖS ausbildet, deren langfristige Folge die Refluxkrankheit darstellt. Weiterhin nimmt die Propagationsgeschwindigkeit ab. Die Ösophagusmanometrie ist die sensitivste Methode zum Nachweis einer viszeralen Verlaufsform der Sklerodermie. Manometrische Kriterien bei systemischer Sklerodermie 5 Normale Kontraktionen im proximalen Ösophagusdrittel 5 Abrupte Reduktion der Kontraktionsamplituden im distalen Ösophagus 5 Abnahme der distalen Propagationsgeschwindigkeit 5 Niedriger Ruhedruck des UÖS

z Andere Kollagenosen

Neben der systemischen Sklerose gehören die Dermato- und Polymyositis, das Sjögren-Syndrom, der systemische Lupus erythematodes, das Antiphospholipidsyndrom, das Overlap-Syndrom sowie die sogenannten undifferenzierten Kollagenosen zur Gruppe der Kollagenosen. Sie betreffen, anders als bei der systemischen Sklerose, auch die quergestreifte Muskulatur und treten daher teilweise auch mit dem Symptom der oropharyngealen Dysphagie in Erscheinung. Die peristaltische Aktivität wird in der Regel nicht gestört. Es kann sich das Bild einer hypotonen Motilitätsstörung zeigen, wobei der untere Ösophagussphinkter selten inkompetent wird (Krejs und Peter 1976). 2.5.9  Gastroösophageale

Refluxkrankheit

Die Diagnose wird entweder durch den endoskopischen Nachweis einer Ösophagitis

40

2

M. Müller

oder durch den Nachweis eines vermehrten sauren Refluxes im Rahmen der pH-Metrie (7 Abschn. 1.1) gesichert. Manometrisch wurden vielfach der Nachweis eines erniedrigten UÖS-Drucks und auch eine Hypomotilität im tubulären Ösophagus beschrieben. Diese Befunde sind jedoch unspezifisch. Eine gestörte Bolusclearance wird bei 20–30 % der Patienten mit gastroösophagealer Refluxkrankheit beobachtet, aber auch hier ist unklar, ob sie Ursache oder Folge der Ösophagushypomotilität ist. Daher ist die Ösophagusmanometrie nicht indiziert zur Diagnostik der unkomplizierten Refluxerkrankung, sie dient vorwiegend zur Klärung prä- und postoperativer Fragen insbesondere zum Ausschluss einer höhergradigen Motilitätsstörung, da gezeigt werden konnte, das geringe mittelgradige Ösophagusmotilitätsstörungen keinen Einfluss auf die Operationsergebnisse haben (Fibbe et al. 2001). Auch mit den neuen HRM-Parametern lässt sich aktuell keine verlässliche Vorhersage hinsichtlich des Auftretens eines pathologischen gastroösophagealen Refluxes treffen. Allerdings konnte gezeigt werden, dass bei einem im Normbereich liegenden kontraktilen Integral des ÖGÜ ein pathologischer Reflux nahezu ausgeschlossen ist (Jasper et al. 2017). 2.5.10  Nichtkardialer

Brustschmerz

Typisch für den nichtkardialen Brustschmerz ist ein intermittierendes Auftreten von retrosternalen Schmerzen mit Ausstrahlung in den Kiefer, die Arme, den Nacken oder den Rücken. Die Beschwerden können durch Stress, Essen oder Bewegung ausgelöst werden, treten aber auch in Ruhe auf. Ätiologisch werden mehrere Faktoren diskutiert: 5 Gastroösophageale Refluxkrankheit (ca. 50 % der Fälle) 5 Unspezifische Motilitätsstörung der Speiseröhre (ca. 20 % der Fälle)

5 Diffuser Ösophagospasmus (ca. 5 % der Fälle) 5 Hyperkontraktiler Ösophagus (ca. 5 % der Fälle) 5 (Dehnungsschmerz-) Perzeptionsstörung Bei einmaliger Evaluation lassen sich evtl. episodenhaft auftretende Veränderungen der Ösophagusmotilität nicht erfassen. Daher ist hier die Langzeitmanometrie zu empfehlen. Treten die Beschwerden mit einer Häufigkeit von weniger als 1-mal/Woche auf, so ist auch die Langzeitmanometrie meist nicht in der Lage, eine typische Schmerzepisode zu erfassen. Hier können Provokationstests sinnvoll sein. 2.6  Neue Verfahren

Das Endoflip® Bildgebungssystem verwendet eine Impedanz-Planimetrie-Messtechnologie zur Durchführung von Messungen von Querschnittsflächen im Verdauungstrakt. Während die hochauflösende Manometrie die Schließfunktion misst, zeigt Endoflip® auf, wie der Sphinkter öffnet (Compliance). Dieses Verfahren wird zurzeit vor allem intraoperativ bei der endoskopischen und chirurgischen Myotomie und Fundoplikatio zur Therapiesteuerung und Kontrolle eingesetzt.

Literatur Bredenoord AJ, Fox M, Kahrilas PJ et al (2012) International high resolution manometry working group. Chicago classification criteria of esophageal motility disorders defined in high resolution esophageal pressure topography. Neurogastroenterol Motil 24:57–65 Fibbe C, Layer P, Keller J et al (2001) Esophageal motility in reflux disease before and after fundoplication: a prospective, randomized, clinical, and manometric study. Gastroenterology 121:5–14 Jasper D, Freitas-Queiroz N, Hollenstein M (2017) Prolonged measurement improves the assessment of the barrier function of the esophago-gastric junction by high-resolution manometry. Neurogastroenterol Motil 29:e12925

41 Ösophagusmanometrie

Kahrilas PJ, Bredenoord AJ, Fox M et al (2015) International high resolution manometry working group. The Chicago classification of esophageal motility disorders, v3.0. Neurogastroenterol Motil 27:160–174 Keller J, van der Voort I, Pehl C et al (2009) Interpretation und Durchführung der hochauflösenden Ösophagusmanometrie: Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM), der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungsund Stoffwechselerkrankungen (DGVS), der Deutschen Gesellschaft für Allgemein-u. Viszeralmedizin (DGAV). Z Gastroenterol 47:830–45 Keller J, Rosien U, Layer P (2016) Ösophagusmotilitätsstörungen. Gastroenterologie up2date 12:213–221 Keller J, Fox MR, Allescher HD et al (2018) Interpretation und Durchführung der hochauflösenden Ösophagusmanometrie: Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) sowie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS). Z Gastroenterol 56:1378–1408 Koop I (2013) Sekundäre Motilitätsstörungen. In: Koop I (Hrsg) Gastroenterologie compact, 3. Aufl. Thieme, Stuttgart, S 68–69 Krejs GJ, Peter P (1976) Ösophagus bei Sklerodermie und anderen Kollagenosen In: Siewert R, Blum AL, Waldeck F (Hrsg) Funktionsstörungen der Speiseröhre. Springer Berlin Heidelberg, S 298–303

2

Kronecker H, Meltzer S (1883) Der Schluckmechanismus seine Erregung und seine Hemmung. Arch Anat Physiol (Suppl.) 7:328–362 Müller M, Gockel I (2015) Motilitätsstörungen des Ösophagus. Der Internist 56:615–624 Pandolfino JE, Kwiatek MA, Nealis T, Bulsiewicz W, Post J, Kahrilas PJ (2008a) Achalasia: a new clinically relevant classification by high-resolution manometry. Gastroenterology 135:1526–1533 Pandolfino JE, Ghosh SK, Rice J et al (2008b) Classifying esophagealmotility by pressuretopographycharacteristics: a study of 400 patients and 75 controls. Am J Gastroenterol 103:27–37 Richter JE (1987) Normal values for esophageal manometry. In: Castell DO, Richter JE, Dalton CB (Hrsg) Esophageal motility testing. Elsevier, New York, S 79–90 Rohof WO, Salvador R, Annese V et al (2013) Outcomes of treatment for achalasia depend on manometric subtype. Gastroenterology 44:718–725 Roman S, Kahrilas PJ (2013) Management of spastic disorders of the esophagus. Gastroenterol Clin North Am 42:27–43 Spechler SJ, Castell DO (2001) Classification of oesophageal motility abnormalities. Gut 49:145–151 Tutuian R, Castell DO (2004) Clarification of the esophageal function defect in patients with manometric ineffective esophageal motility: studies using combined impedance-manometry. Clin Gastroenterol Hepatol 2:230–236

43

Magen-/ Dünndarmmanometrie Till Wehrmann 3.1 Indikationen – 44 3.2 Technik und Durchführung – 45 3.3 Interpretation und Auswertung – 47 Literatur – 52

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Stein, T. Wehrmann (Hrsg.), Funktionsdiagnostik in der Gastroenterologie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59133-8_3

3

44

3

T. Wehrmann

Die Antroduodenal- bzw. Jejunalmanometrie (Oberbegriff: Magen-/Dünndarmmanometrie) ist zeitlich aufwendig und nur von limitiertem klinischen Interesse. Selbst an Zentren mit einem Schwerpunkt auf dem Gebiet der Neurogastroenterologie werden maximal 10–20 Untersuchungen pro Jahr aus klinischer Indikation heraus durchgeführt. Insbesondere die Analyse der interdigestiven und postprandialen Dünndarmmotilität erfordert Expertise, die auch bis heute meist nicht durch die computerisierte Auswertung mittels kommerzieller Softwareprogramme ersetzt werden kann. Vor eventuellem Beginn eigener Untersuchungen ist daher ein mehrwöchiger Aufenthalt in einem Referenzzentrum dringend anzuraten.

3.1  Indikationen

Die Antroduodenal-/Jejunalmanometrie (ADJM) ist indiziert bei Patienten mit Symptomen einer Funktionseinschränkung im oberen und mittleren Gastrointestinaltrakt, bei deren Abklärung mit konventionellen Untersuchungen keine pathologisch wegweisenden Befunde erhoben werden konnten. Symptome von Motilitätsstörungen im Magen-Dünndarm-Bereich 5 Epigastrisches Völlegefühl 5 Blähungen 5 Häufiges Aufstoßen und Rumination 5 Sodbrennen 5 Meteroismus und Flatulenz 5 Obstipation oder Diarrhöe 5 Rezidivierende Ileuszustände, ohne Nachweis einer mechanischen Obstruktion 5 Schlechte Blutzuckereinstellung beim Diabetiker (Brittle-Diabetes)

Diese Symptome sind in keiner Weise spezifisch und können sowohl von Funktionen des Magens und/oder Duodenums als auch von

anderen intestinalen Bereichen herrühren. Die zugrunde liegende Funktionsstörung kann neben der Motilität auch Digestion, Absorption und Sekretion betreffen. Auch bei Patienten mit bereits diagnostiziertem Krankheitsbild kann eine ADJM durch genauere Darstellung der funktionsgestörten anatomischen Abschnitte zu einer Optimierung der Therapie beitragen. Diesbezüglich sei auch auf die S3-Leitlinie zu intestinalen Motilitätsstörungen verwiesen (Keller et al. 2011). Indikationen zur ADJM bei bekanntem Krankheitsbild 5 Verdacht auf chronisch (idiopathische) intestinale Pseudoobstruktion (CIPO), zwecks: 1. Bestätigung der klinischen Diagnose 2. Differenzierung in Neuropathiebzw. Myopathie-Typ 3. Identifikation des Beteiligungsmusters ([Ösophagus], Magen, Duodenum, Jejunum) 5 Postoperative Probleme nach Magenersatz (z. B. Nachweis eines aperistaltischen oder anisoperistaltischen Segments im „Ersatzmagen“ bei Jejunuminterponat oder Roux-Y-Pouch) 5 Bei länger bestehendem Diabetes mellitus und problematischer Stoffwechseleinstellung und/oder Symptomatik 5 Bei Symptomatik und Zustand nach Radiatio oder Vagotomie 5 Bei Gastroparese, wenn spezifische Therapien (z. B. Magenschrittmacher, perorale endoskopische Pylorus-Myotomie) geplant sind 5 Vor geplanter (sub-)totaler Kolektomie bei (Verdacht auf) Kolonfunktionsstörung zum Ausschluss einer Dünndarm-­ Mitbeteiligung

45 Magen-/Dünndarmmanometrie

3.2  Technik und Durchführung

Prinzipiell kann die ADJM mit flüssigkeitsperfundierten oder Halbleiterdruckaufnehmern durchgeführt werden (zu den apparativen Voraussetzungen 7 Kap. 2). Der Patient muss für mindestens 5 h untersucht werden; hierfür kann er in der Klinik untergebracht und aus forensischen Gründen auch überwacht werden, wodurch ein erheblicher logistischer Aufwand entsteht. Eine Untersuchung im ambulanten Setting wäre möglich, spezielle Gebührenpositionen hierfür existieren jedoch weder im gesetzlichen noch im privatärztlich versicherten Bereich. Allerdings akzeptierten die meisten MDKs die Durchführung einer ADJM – bei klinischer Indikation (z. B. V. a. CIPO) – als Grund für eine vollstationäre Überwachung und es existiert ein OPS (1–318). Im Dünndarmbereich führt eine Verlängerung der Untersuchungsdauer auf z. B. 7–10 h, insbesondere unter Einbezug der Schlafphase, zu einer erhöhten diagnostischen Aussagekraft. Eine Platzierung der Messsonden im Jejunum ist sehr mühsam und zeitaufwendig (am schnellsten noch endoskopisch). Daher ist eine Erweiterung der Messung in den Bereich des Jejunums fakultativ; isolierte Veränderungen der Jejunalmotilität sind bei den meisten klinischen Fragestellungen kaum zu erwarten (Camillieri 1993).

3

bei elektronischer Manometrie erfordert eine solche Sonde ein Investionsvolumen von ca. 8000–10.000 €. Zur Überprüfung der korrekten Sondenlage ist in jedem Fall eine Röntgendurchleuchtungseinrichtung erforderlich. 3.2.2  Praktische Durchführung

Das System wird zunächst auf Nulldruck kalibriert (bei Perfusionsmanometrie atmosphärischer Druck in Brustkorbmitte des liegenden Patienten, bei Mikrotransducern Kalibrierung der Sonde in einer Druckkammer, 7 Kap. 2). Bei Perfusionstechnik wird meist eine Perfusionsrate mit 0,15  ml/min gewählt. Vor Beginn der Untersuchung erfolgt die Anästhesie des Nasen-Rachen-Raums (7 Kap. 1).

Sondenplatzierung Prinzipiell stehen 3 Verfahren zur Sondenplatzierung zur Verfügung: 1. „Frei-Hand-Platzierung“ der Sonde unter Röntgendurchleuchtung (Rö-DL) 2. Platzierung der Sonde unter Rö-DL über einen zuvor endoskopisch eingelegten Führungsdraht (für jejunale Druckmessung äußerst sinnvoll, Drahteinlage mittels [Ballon-]Enteroskop) 3. Platzierung der Sonde unter endoskopischer Sicht im sog. Huckepackverfahren

3.2.1  Apparative Voraussetzung

z z „Frei-Hand-Platzierung“ unter Röntgendurchleuchtung

Zu Details 7 Kap. 2. Für die ADJM werden Messsonden mit mindestens 6–8  Druckmesspunkten benötigt (zur Platzierung der Messpunkte 7 Abschn. 3.2.2). Um eine endoskopische Platzierung zu ermöglichen (selbst wenn diese nicht routinemäßig durchgeführt wird), sind Sondensysteme mit zentraler Bohrung für einen 0,035-inch-Draht vorzuziehen. Bei Verwendung der Perfusionstechnik sind solche Sondensysteme mit ca. 500 € relativ preiswert;

Hier geschieht das Einführen der Messsonde transnasal in halbaufrechter Rückenlage des Patienten. Die Sonde wird bis 50 cm ab Zahnreihe vorgeschoben. Nach Kontrolle durch Rö-DL erfolgt das weitere Vorschieben ins Antrum. Die Passage des Bulbus duodeni ist häufig in Linksseitenlage besser möglich. Die Sonde wird nun ins Duodenum descendens vorgeschoben (. Abb. 3.1a, b). Falls eine Jejunalmanometrie geplant ist, muss der spontane Transport der Sonde unter leichtem Vorschiebedruck auf den

46

T. Wehrmann

3

. Abb. 3.1  Röntgenaufnahme einer zur ADM platzierten Perfusionssonde. Die 6 Perfusionsöffnungen sind mit röntgendichten Streifen markiert. (a) Zu Untersuchungsbeginn liegen je 3 Messpunkte im Antrum sowie 3 weitere im Duodenum. (b) Nach Beendigung einer 5-stündigen Messung findet sich eine geringfügige Sondenverschiebung nach distal

Katheter von außen in die gewünschte Region abgewartet werden. Eine letzte radiologische Kontrolle mit eventueller Re-Positionierung stellt sicher, dass sich alle Druckaufnehmer in gewünschter Position befinden. z z Platzierung der Sonde über einen zuvor endoskopisch eingelegten Führungsdraht

Unter endoskopischer und simultan radiologischer Sicht wird ein möglichst verwindungssteifer 0,035-inch-Führungsdraht mit der Spitze im Jejunum platziert. Es sollte sich zumindest um Teflondraht handeln, besser sind Spezialdrähte wie „Ultratorque“, „Amplatz Super Stiff “ oder ähnliche Produkte. Um den Draht weit ins Jejunum vorschieben zu können, muss mit dem Endoskop zumindest die Flexura duodenojejunalis passiert werden. Die Verwendung eines (Ballon-)Enteroskops oder ersatzweise eines pädiatrischen Koloskops ist sinnvoll. Die Drahtspitze sollte mindestens 20  cm

distal der vorgesehenen Intubationstiefe der Manometriesonde platziert werden. Nach Entfernen des Endoskops muss der Draht zunächst transnasal umgeleitet werden (Technik wie bei Platzierung einer nasobiliären Ablaufsonde). Dann wird die zentrale Bohrung der Manometriesonde mit Wasser gleitfähig gemacht und über den liegenden Draht unter Röntgenbildwandlerkontrolle eingeführt. z z Huckepackverfahren

Hierzu wird die Spitze der Sonde mit einem Greifer, der durch den Arbeitskanal des Endoskops eingeführt wurde, fixiert und dann unter Vorspiegeln mit dem Gerät am gewünschten Ort platziert. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich die Manometriesonde beim Entfernen des Endoskops ein wenig nach oralwärts verschiebt. Daher ist auch bei dieser Methode eine Röntgendurchleuchtungseinrichtung erforderlich. Die Methode erlaubt in der Regel keine sichere Platzierung der Sonden bis ins Jejunum.

47 Magen-/Dünndarmmanometrie

Katheterlage Zur ADJM werden in der Regel mindestens 2–3  Druckaufnehmer in 1–2  cm Abstand zueinander im präpylorischen Antrum sowie mindestens 3 weitere Messpunkte im Duodenum platziert, ggf. 2 zusätzliche Messpunkte im Jejunum. Bei der alternativ auch möglichen reinen Duodenojejunalmanometrie (wenn Probleme der Magenentlerung nicht bestehen bzw. nicht relevant sind) werden multiple Druckaufnehmer (4–12) zumeist in 10–20 cm Distanz zueinander platziert.

Messprotokoll Die Registrierung der Motilität erfolgt stationär in der Regel über 5–7 h (stationäre Messung, evtl. beliebig verlängerbar). Als Standard gilt zunächst eine mindestens 3-stündige Nüchternregistrierung und anschließend die 2-stündige Aufzeichnung der postprandialen Motorik nach einer standardisierten Testmahlzeit. Wir verwenden 500 ml Fresubin plus mit 500 kcal, davon sind 50 % Kohlenhydrate, 30 % Fett, 20 % Protein. Im weiteren Verlauf der Untersuchung sollte ein für den individuellen Patienten typisches Verhalten imitiert werden, d. h. Nahrungsqualität und Aufnahmezeitpunkte erfolgen ad  libitum. Nach Beendigung der Untersuchung sollte vor Extraktion der Messsonde die weiterhin korrekte Sondenlage bzw. eine mögliche Sondenmigration dokumentiert werden (. Abb. 3.1a, b). In der Literatur sind auch ambulante Magen-/Dünndarmmanometrien, mit elektronischen Druckaufnehmern, über 24 h beschrieben, im klinischen Alltag werden diese Verfahren in Deutschland jedoch kaum eingesetzt (Quigley et al. 1992). 3.3  Interpretation und Auswertung 3.3.1  Messparameter

Es sei zunächst darauf hingewiesen, dass validierte Normbereiche für die Parameter der Magen-/Dünndarmmanometrie bis heute nicht vorliegen. Es werden daher meist nur

3

qualitative Aussagen bezüglich einer individuellen Untersuchung gemacht. Zur Vertiefung der Problematik kann nach wie vor das Standardwerk von Malagelada bzw. alternativ für den deutschsprachigen Bereich das Referenzwerk von Fuchs, Stein und Thiede empfohlen werden (Malagelada et al. 1986; Fuchs et al. 1997).

Interdigestive Motilität Zunächst kann der prozentuale Anteil der 3  motorischen Phasen während der (z.  B. 3-stündigen) Aufzeichnung ermittelt werden (. Abb. 3.2): Phase I – motorische Ruhe, Phase  II – irreguläre, nichtklassifizierbare Motilität, Phase III – sog. motorischer migrierender Komplex (MMC), nach aboral peristaltisch gerichtete Aktivitätsfront, beginnend im Antrum oder Duodenum. Ferner wird die Anzahl der MMC (bei 10 eigenen Probanden im Mittel 1,4 ± 0,5 während 3 h) sowie die Gesamtlänge eines interdigestiven Zyklus (Phase I–III, eigene Probanden: 96 ± 16 min) bestimmt. Weiterhin kann für die Phase-IIAktivität sowohl im Antrum als auch im Duodenum ein Motilitätsindex errechnet werden. Antraler Motilitätsindex (AMI)  = ln (Summe der Amplituden [mmHg] * Anzahl der Kontraktionen [n]) + 1. Der duodenale Motilitätsindex (DMI) wird analog zum AMI bestimmt. Bei 10 eigenen Probanden betrug der Phase-II-AMI 11,7 ± 0,5, der Phase-II-DMI 12,1 ± 0,6. Ferner erfolgt eine qualitative Analyse nach folgenden Kriterien, deren Auftreten allgemein als pathologisch bewertet wird: 5 Anstieg des Basisdrucks während der Phase-III-Aktivität um >30 mmHg (. Abb. 3.3) 5 Nichtpropagative Motorik während der Phase III 5 Kontraktionen (Amplitude >20 mmHg) mit hoher Frequenz (>10/min), die nichtpropagativ fortgeleitet sind und somit quasi in die normale Hintergrundaktivität interponiert werden und für mindestens 3 min anhalten (sog. Bursts, . Abb. 3.4)

48

T. Wehrmann

3

. Abb. 3.2  Normale interdigestive Motilität bei einem Probanden. Beachte die Abfolge (von links nach rechts) von Phase-II-, Phase-III- und schließlich Phase-I-Motilität

Postprandiale Motilität Die Dauer der postprandialen Motorik nach einer 500-kcal-Testmahlzeit beträgt bei Gesunden >120 min. Lässt sich vorzeitig eine Phase-III-Aktivität erkennen, kann dieses als pathologische motorische Antwort auf die Nahrungsaufnahme gewertet werden. Bei der Analyse der postprandialen Antroduodenalmotilität wird in der Regel quantitativ der postprandiale AMI (n = 10 Probanden: 14,4 ±  0,6) bzw. der DMI (13,1  ± 0,7) bestimmt (. Abb. 3.5). Im eigenen Labor wird ein postprandialer AMI von 10 mmHg), denen innerhalb von 10 s eine oder mehrere duodenale Kontraktionen (>10 mmHg) folgen/Gesamtzahl aller antralen Kontraktionen (>10 mmHg) * 100

Das Ausmaß der ADC lag bei 10 Probanden stets >25 % (im Mittel 41 ± 11 %). Die qualitative Analyse wertet als pathologisch: Kontraktionen (Amplitude >20  mmHg) mit hoher Frequenz (>10/min), die nichtpropagativ fortgeleitet sind und somit quasi in die normale Hintergrundaktivität interponiert werden (sog. Bursts) und für mindestens 3 min anhalten. 3.3.2  Pathologische Befunde

Chronisch-idiopathische intestinale Pseudoobstruktion Die chronisch-idiopathische intestinale Pseudoobstruktion (CIPO) wird diagnostisch in 2 verschiedene Typen unterteilt. Myopathie-Typ. Es tritt eine deutliche Verminderung der Kontraktionsamplituden in

49 Magen-/Dünndarmmanometrie

3

. Abb. 3.3  Darstellung einer Basaldruckerhöhung während einer Phase-III-Motilität (Registrierung „Duodenum 2“) bei einem Patienten mit chronisch-intestinaler Pseudoobstruktion vom Neuropathie-Typ

den betroffenen Darmsegmenten (. Abb. 3.6) auf; die Abfolge der interdigestiven Motilität (Phase I–III) bleibt jedoch erhalten. Eventuell bleibt die postprandiale Motilitätsantwort aus oder ist zumindest deutlich vermindert. Es sind kein Anstieg des Basisdrucks während Phase III und keine Bursts zu verzeichnen. Die Prognose des Myopathie-Typs ist ungünstig, ein Ansprechen auf Prokinetika unwahrscheinlich und eine enterale Sondenernährung wird schlechter toleriert. Oft bedarf es der total-parenteralen Ernährung und ggf. muss die Indikation zur Dünndarmtransplantation diskutiert werden.

einer Erhöhung des Basisdrucks während Phase III. Das Auftreten von Bursts sowohl im Nüchtern- als auch im postprandialen Zustand ist feststellbar. Eventuell besteht keine Induktion eines postprandialen Motilitätsmusters nach einer Testmahlzeit. Die Prognose ist besser als beim Myopathie-Typ; der Versuch mit Prokinetika (Erythromycin und Analoga), evtl. Octreotide (bei Sklerodermie), sowie der enteralen Sondenernährung (anstatt total-parenteraler Ernährung) ist gerechtfertigt. Weitere Ursachen einer Gastroenteroparese können sein:

z z Neuropathie-Typ

z z Postoperative Folgezustände nach Magenersatz

Die Störung betrifft die Propagation der Phase-III-Aktivität interdigestiv (z. B. retrograde Aktivität). Es gelingt der Nachweis

Charakteristisch ist die Aufhebung der zyklischen Motoraktivität im Nüchternzustand

50

T. Wehrmann

3

. Abb. 3.4  Darstellung eines sog. Bursts isoliert im Duodenum auftretend während Phase-I-Aktivität bei einem Patienten mit progressiv-systemischer Sklerodermie (PSS) und Dünndarmbeteiligung

(Phase I–III) oder zumindest die deutliche Vermehrung der motorischen Ruhephasen (Phase I) zuungunsten von Phase-II- bzw. -III-Aktivität. Dies entspricht dem Normalbefund nach Magenresektion mit Roux-YPouch oder Jejunuminterponat. Bei Patienten mit Beschwerden wurde häufig eine nichtpropagativ fortgeleitete Phase-III-Aktivität in Form von simultanen Kontraktionen beobachtet. Postprandiales Auftreten von „Bursts“ oder ein Fehlen der Induktion eines postprandialen Motilitätsmusters ist typisch. z z Gastroparese (funktionell oder bei autonomer Neuropathie)

Eine Verminderung des postprandialen AMI 30 min) Bursts (sog. Cluster) bei sonst fehlender motorischer Antwort auf die Nahrungsaufnahme, ist das Vorliegen einer mechanischen Obstruktion sehr wahrscheinlich. Heutzutage wird die Diagnose aber kaum noch manometrisch, sondern per Dünndarmbildgebung (z. B. Kapselendoskopie) gestellt.

52

T. Wehrmann

3

. Abb. 3.6  Nachweis einer im Antrum deutlich reduzierten bzw. im Duodenum fast vollständig aufgehobenen Motilität bei einem Patienten mit chronisch-intestinaler Pseudoobstruktion vom Myopathie-Typ

Literatur Camillieri M (1993) Study of human gastroduodenal motility. Applied physiology in clinical practice. Dig Dis Sci 38:785–794 Fuchs KH, Stein HJ, Thiede A (1997) Gastrointestinale Funktionsstörungen. Springer, Berlin Keller J, Wedel T, Seidel H, Kreis ME, Andresen V, Preiß JC, Layer P, Van der Voort I (2011) S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungsund Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der

Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) zur Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie intestinaler Motilitätsstörungen. Z Gastroenterol 49:374–390 Malagelada JR, Camillieri M, Stanghellini V (1986) Manometric diagnosis of GI-motility disorders. Thieme, New York Quigley EMM, Donovan JP, Lane A, Gallagher TF (1992) Antroduodenal manometry: usefulness and limitations as an outpatient study. Dig Dis Sci 37:20–28

53

Magensaftanalyse Karima Farrag und Karl-Hermann Fuchs 4.1 Magensekretionsanalyse – 54 4.2 Gallereflux Messung im Magen und Ösophagus (Bilitec) – 55 4.3 Sekretinbelastungstest – 57 Literatur – 59

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Stein, T. Wehrmann (Hrsg.), Funktionsdiagnostik in der Gastroenterologie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59133-8_4

4

54

K. Farrag und K.-H Fuchs

4.1  Magensekretionsanalyse

4

Die Messung der intragastralen Azidität kann entweder mittels Aspirationsmethode (→   direkte Magensaftanalyse) oder durch kontinuierliche Registrierung des intragastralen pH analog zur ösophagealen Langzeit-pH-Metrie erfolgen. Während für die Magensaftanalyse zumindest in der Abklärung des Gastrinoms ein praktischer Stellenwert zukommt (s.  unten), existiert zur Durchführung einer gastralen pH-Metrie keine gesicherte Indikation, u. a. da sie keine Aussage zum Sekretionsvolumen erlaubt.

z Prinzip

Mittels einer Magensonde wird Magensekret unter Basalbedingungen und nach Stimulation gewonnen und in vitro titriert (s. unten); somit werden neben dem Sekretvolumen auch Säuresekretion und Säureausstoß gemessen. z Indikation

Messungen der Säuresekretion haben unabhängig von der angewandten Methode heute nur noch ein sehr eingegrenztes Indikationsgebiet, da zwischen Patienten mit Magenerkrankungen und Gesunden weite Überlappungen bestehen. Eine Indikation zur Magensekretionsanalyse besteht praktisch nur noch beim V. a. ein Zolliger-Ellison-Syndrom (ZES): Bei einem schweren Ulkusleiden – insbesondere assoziiert mit einer Diarrhö oder ausschließlich einer sekretorischen Diarrhö und erhöhtem Gastrinspiegel (s. unten) – ist die Bestimmung der Basalsekretion entscheidend (→   Aspirationsmethode)! Für die Diagnostik der Ulkuskrankheit sind Sekretionsanalyse und pH-Metrie überflüssig. Eine Achlorhydrie aufgrund einer atrophischen Gastritis wird histologisch in Verbindung mit der ausgeprägten Hypergastrinämie diagnostiziert, seltenst durch eine Magensekretionsanalyse.

z Kontraindikation

Als absolute Kontraindikationen gelten: 5 Ösophageale Verletzungen und Blutungen (→   Magensonde) 5 Ausgeprägte Blutungsneigung (Gerinnungsstörungen etc.) 5 Ösophagus- bzw. Mageneingangstumoren bzw. Ulzera 5 Ösophagusvarizen 5 Kardiale und respiratorische Insuffizienz bzw. Instabilität (Vagusreiz!) 5 Dekompensation Eine enge Indikationsstellung ist insbesondere beim Vorliegen von Ulzera gegeben, die Magensaftanalyse sollte hier erst nach Ulkusausheilung erfolgen. z Nebenwirkungen und Komplikationen

Beschrieben sind: 5 Übelkeit, Erbrechen, Aspiration, Bronchospasmus, vasovagale Reaktion 5 Nasen-, Rachen- und Ösophagusverletzungen (selten) 5 Aggravierung von vorhandenen Ulzera, Perforationen (extremst selten) z Durchführung Patientenvorbereitung

5 Nüchternheit von mindestens 12 h vor der Untersuchung, Beginn morgens „stressfrei“ 5 Keine säuresuppressive Therapie, insbesondere 5 keine Antazida für mindestens 24 h 5 keine H2-Rezeptorblocker für 48 h 5 keine Protonenpumpenblocker für 7  Tage 5 Keine Prokinetika 24 h vor der Untersuchung 5 Keine sonstigen Medikamente, die die Magensekretion beeinflussen, wie Anticholinergika, Katecholamine, β-Blocker, Theophyllin, Benzodiazepine, Opiate Durchführung und Messung

Nach Aufklärungsgespräch, Anamnese (Symptome, Medikamente und Allergien) und Lokalanästhesie der Nasenschleimhaut mit

4

55 Magensaftanalyse

. Tab. 4.1  Beurteilung der Magensaftsekretionsanalyse BAO

Basale Säuresekretion

Mittelwert der 2 ersten Fraktionen

Bis 3 mval/h

MAO

Maximale Säuresekretion

Mittelwert der 4 ersten stimulierten Fraktionen

13–17 mval/h

PAO

Peak-Säuresekretion

Mittelwert der 2 höchsten stimulierten Fraktionen

15–25 mval/h

BAO/PAO





7 s) wurden zwar mit wechselnder Häufigkeit in der Literatur beschrieben (. Abb. 6.6), es ergeben sich hieraus jedoch keine klinisch relevanten Konsequenzen. Eine SOD wird hierdurch nicht definiert (Wehrmann et al. 1996a)!

6.6.2  Biliäre

Sphinkter-Oddi-Dysfunktion

z Typ-I-Patienten

Bei Patienten vom Typ I ist die Manometrie diagnostisch nicht erforderlich. Es sollte eine zumindest biläre EST erfolgen (. Abb. 6.7). Es mag jedoch sinnvoll sein, das Ergebnis der EST bei diesen Patienten manometrisch zu kontrollieren bzw. bei Patienten mit rekurrenten Beschwerden nach EST die Effektivität der Maßnahme zu überprüfen. Ziel der EST sollte sein, den Sphinkterbasaldruck vollständig zu eliminieren (residualer Sphinkterdruck  40 mmHg)

dann eine Re-EST oder der Einsatz zusätzlicher auxillärer Verfahren zur Sphinkterablation (endoskopische Ballondilatation, operative Sphinkterablation) erwogen werden. z Typ-II-Patienten

Hier dient der manometrische Nachweis eines erhöhten BSOD eventuell als Indikator zur Durchführung einer EST. Die manometrische Kontrolle der EST (in gleicher Sitzung!) erscheint auch hier sinnvoll (Druckminderung auf residuales

anstreben)

(Wehrmann

z Typ-III-Patienten

Bei diesen Patienten wurde in den schon oben erwähnten randomisierten EPISOD-­ Studien ein schlechteres klinischen Ansprechen auf eine EST als auf eine endoskopische Schein-Intervention, trotz manometrischen Nachweises einer Sphinkterhypertension, nachgewiesen (Cotton et  al. 2014, 2018). Insofern ist hier der Einsatz der endoskopischen Manometrie als definitiv nicht mehr gerechtfertigt anzusehen. 6.6.3  Pankreatische

Sphinkter-Oddi-Dysfunktion

Bei einigen Patienten mit akut rezidivierender Pankreatitis unklarer Genese gelingt der manometrische Nachweis eines erhöhten BSOD im Pankreasgangsphinktersegment (. Abb. 6.8a, b). Dies gilt insbesondere dann, wenn bei der endoskopischen retrograden Pankreatikografie (ERP) oder sonografisch eine Pankreasgangdilatation  >4  mm nachweisbar ist. Einige, aber nicht-randomisierte Studien legen nahe, dass solche Patienten eventuell von einer kombinierten EST des biliären und pankreatischen Sphinktersegments profitieren. Aufgrund der bisher noch sehr geringen Fallzahlen und fehlenden randomisierten Studien ist eine Evaluierung solcher Patienten mithilfe der Manometrie nur im Rahmen klinischer Studien ratsam (Wehrmann 2011). Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der diagnostische Stellenwert der endoskopischen Sphinkter-Oddi-Manometrie derzeit als fragwürdig einzustufen ist, die Ergebnisse der laufenden randomisierten Studien zum biliären Typ II und zur pankreatischen SOD sind abzuwarten. Aktuell sollten hier Untersuchungen nur im Rahmen von Studien oder als Ultima ratio erwogen werden.

89 Endoskopische Manometrie des Sphinkter Oddi

. Abb. 6.7  ERC bei einem Patienten vom Typ I (links) bzw. Typ III (rechts). Beachte die extremen Kaliberunterschiede des Ductus choledochus

6

90

T. Wehrmann

b

BSOD(P)

[mm Hg]

a

6

220 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0

20 s

BSOD(G)

[mm Hg] 220 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0

220 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0

220 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0

220 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0

220 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0

30 s

. Abb. 6.8  a Unauffällige ERCP (links) bei einem Patienten mit akut rezidivierender Pankreatitis. b Bei der endoskopischen Manometrie (rechts) isolierter Nachweis eines erhöhten BSOD im pankreatischen Sphinktersegment. Das BSOD im Gallengangsegment ist im Normbereich

Literatur Cotton PB, Durkalski V, Romagnuolu J et al (2014) Effect of endoscopic sphincterotomy for suspected sphincter of Oddi dysfunction on pain-related disability following cholecystectomy. The EPISOD randomised clinical trial. JAMA 311:2101–2109 Cotton PB, Pauls Q, Keith J et al (2018) The EPISOD-study: long-term outcomes. Gastrointest Endosc 87:205–210 Schmitt T, Seifert H, Dietrich CF, Caspary WF, Wehrmann T (1999) Propofol-Sedierung bei endoskopischer Manometrie des Sphinkter Oddi. Z Gastroenterol 37:219–227 Wehrmann T, Jung M, Caspary WF (1996a) Endoscopic manometry in suspected dysfunction of the sphincter of Oddi. Dtsch Med Wochenschr 121:509–516 Wehrmann T, Wiemer K, Lembcke B, Caspary WF, Jung M (1996b) Do patients with sphincter of Oddi dysfunction benefit from endoscopic sphincterotomy? A 5 year prospective trial. Eur J Gastroenterol Hepatol 8:251–256

Wehrmann T, Zipf A, Caspary WF, Jung M (1996c) Sphinkter Oddi-Dysfunktion bei „idiopathischer“, rezidivierender Pankreatitis. Dtsch Med Wochenschr 121:781–787 Wehrmann T, Wendler OG, Jung M, Caspary WF (1997) Risk factors in endoscopic manometry for suspected dysfunction of Oddi’s sphincter. Dtsch Med Wochenschr 122:808–814 Wehrmann T, Schmitt T, Schönfeld A, Caspary WF, Seifert H (2000) Endoscopic microtransducer manometry of the sphincter of Oddi. Endoscopy 32:444–451 Wehrmann T, Stergiou N, Schmitt T, Dietrich CF, Seifert H (2003) Reduced risk for pancreatitis after endoscopic microtransducer manometry of the sphincter of Oddi: a randomized comparison with the perfusion manometry technique. Endoscopy 35:472–477 Wehrmann T (2011) Long-term results (≥10 years) of endoscopic therapy for sphincter of Oddi dysfunction in patients with acute recurrent pancreatitis. Endoscopy 43:202–207

91

Unterer Gastrointestinaltrakt Inhaltsverzeichnis Kapitel 7

Diagnostik der Kolonmotilität – 93 Till Wehrmann

Kapitel 8

Anorektale Funktionsuntersuchungen – 99 Till Wehrmann

Kapitel 9

Resorptionstests – 113 Karima Farrag und Jürgen Stein

II

93

Diagnostik der Kolonmotilität Till Wehrmann 7.1 Bestimmung der Kolontransitzeit – 94 7.2 Kolonmanometrie – 96 Literatur – 97

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Stein, T. Wehrmann (Hrsg.), Funktionsdiagnostik in der Gastroenterologie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59133-8_7

7

94

7

T. Wehrmann

Motilitäts- und Passagephänomene des Kolons sind häufig diskutierte Fragestellungen im klinischen Alltag bei Patienten mit Obstipation, Defäkationsstörungen und gelegentlich auch Diarrhö. Abnormale Bewegungsabläufe werden hier oft als (mit-) verantwortlich angesehen. Da das Kolon in seiner gesamten Länge wesentlich schwieriger zugänglich ist als der obere Gastrointestinaltrakt, gibt es immer noch viele ungeklärte Aspekte bezüglich normaler und abnormaler motorischer Funktion des Dickdarms und es stehen bis heute, mit einer Ausnahme (s. Punkt 7.1), keine relevanten diagnostischen Methoden für den klinischen Einsatz zur Verfügung (Andresen et al. 2013).

7.1  Bestimmung der

Kolontransitzeit

Da die Passagezeit fester Substanzen zu ca. 90 % vom Kolontransport bestimmt wird, ist die Bestimmung einer Gesamtdarmtransitzeit als weitestgehend repräsentativ für die Kolonpassagezeit anzusehen (Transitzeit: Ösophagus ≈  30 s, Magenentleerung 10 min bis 2 h, Dünndarm 2–3 h, Dickdarm 20–60 h). Da ambulant durchführbar, nebenwirkungsfrei und relativ wenig strahlenbelastend, gilt die Methode der Kolontransitzeitbestimmung heute als fester Bestandteil der Basisdiagnostik bei Patienten mit chronischer Obstipation. Sie ist insbesondere indiziert zur Abgrenzung der „habituellen“ Obstipation mit langsamem Kolontransit („slow transit“) bzw. einer funktionellen Auslass-Obstruktion („outlet obstruction“) vom irritablen Darmsyndrom (symptomatische Obstipation mit aber normalem Kolontransit). 7.1.1  Praktische Durchführung

Allgemeines Verabreicht man einem Probanden eine bestimmte Anzahl röntgendichter Marker, die sich im Gastrointestinaltrakt (GI)

physikochemisch nicht verändern, d. h. inert sind, so zeigt eine am nächsten Tag durchgeführte Röntgenaufnahme des Abdomens jene Marker, die zumindest einen Tag lang im Kolon verblieben sind (der Magen-Dünndarm-Transport wird hierbei vernachlässigt). Wenn man nun die Zahl der im Kolon verbliebenen Marker mit 24 (Anzahl der Stunden) multipliziert und durch die Anzahl aller verabreichten Marker teilt, erhält man die mittlere Verweildauer eines Markers im Kolon (entsprechend der ungefähren Passagezeit). Da der Kolontransport häufig länger als 24 h dauert, ist ein solches Vorgehen sehr ungenau; deswegen sollten möglichst so lange Marker verabreicht werden, bis sich eine Art „Steady state“ der Marker im Kolon eingestellt hat. Diese Situation ist im Normalfall nach 3–4 Tagen erreicht. Eine länger dauernde Transitzeit (von z. B. 6 Tagen) würde aber – bei einer Bestimmung des Transits z. B. nach 3 Tagen – deutlich unterschätzt. Deshalb hat sich in der Routine eine sechstägige Markerapplikation durchgesetzt. Bei extremen Verzögerungen der Kolonpassagezeit ist evtl. eine Verlängerung der Markereinnahme auf 12 oder 18 Tage erforderlich. Die Marker können aus in 3 mm große Einzelstücke zerschnittenen Angiografiekathetern hergestellt werden, die dann zu je 10 oder 20 Stück in eine Hartgelatinekapsel (Größe  00, z.  B. über Klinikapotheke zu beziehen) eingefüllt werden. Alternativ können auch industriell gefertigte, bariumimprägnierte Polyäthylenpellets (Bezug über Fa. Medic Eschmann, Hamburg) in die Kapseln eingefüllt werden. Diese „Handarbeit“ ist jedoch relativ aufwendig. Bequemer ist die Verwendung vorgefertigter Kapseln (mit Inhalt), die mittlerweile von verschiedenen Firmen angeboten werden (Colon Transit-Marker; Vertrieb über Medical Instruments Corporation GmbH, Oststr. 69, 32051 Herford, Tel. 05221-122530; 6 Kaps. mit je 10 Polyurethan-Marker mit 40 % Bariumsulfatgehalt) oder Sitzmark-Kapseln (6 Kaps. mit je 20 integrierten Markern der Fa. Lafayette Pharmacol Inc., 4200 South Hulen,

95 Diagnostik der Kolonmotilität

7

Fort Worth, Texas 76109, USA). Problematisch ist hierbei der Preis der Kapseln, die bisher leider nicht rezeptiert werden können und daher zulasten des Arztes gehen.

Markerapplikation und Auswertung Der Patient wird instruiert, über 6  Tage jeweils zur gleichen Tageszeit (z. B. 9 Uhr morgens) eine Kapsel einzunehmen. Vorher ist die Einnahme von Laxanzien (und möglichst auch Diuretika) für mindestens 1  Woche auszusetzen. Auf eine ausreichende Ballaststoffaufnahme während der Untersuchungsphase (evtl. Applikation entsprechender Pharmaka) ist zu achten. Ansonsten sollten die Verhaltens- und Ernährungsgewohnheiten beibehalten werden. Am Tag 7 sollte in etwa zur selben Uhrzeit, an der zuvor über 6 Tage die Markereinnahme erfolgte, eine Röntgenaufnahme des leeren Abdomens im Stehen (. Abb. 7.1) angefertigt werden. Auf dieser Aufnahme werden vom Dornfortsatz des LWK 5 aus die 3 folgenden Geraden gezogen: eine in der Mitte der Wirbelsäule nach kranial sowie je eine tangential entlang der Darmbeinschaufelinnenränder nach rechts bzw. links unten auf die Hüftgelenke zu. Hierdurch werden als getrennt auswertbare Regionen das rechte bzw. linke Hemikolon und das Rektosigmoid definiert. Es werden nun jeweils die Anzahl der verbliebenen Marker im jeweiligen Dickdarmsegment sowie die Gesamtzahl im ganzen Kolon ermittelt.

Messparameter Bei Verwendung von 10 Markern pro Kapsel errechnet sich die Transitzeit nach folgender Formel von Metcalf et al.:

Kolontransitzeit [h] = Summe der retinierten Marker∗ 2, 4 (entsprechend dem Zeitintervall zwischen der Markereinnahme : 10)

. Abb. 7.1  Auswertung einer Röntgenleeraufnahme des Abdomens nach sechstägiger Markereinnahme zur Kolontransitzeitbestimmung (Normalbefund)

Bei Verwendung von 20 Markern halbiert sich der Multiplikator auf 1,2. Hiermit können sowohl die Gesamttransitzeit und auch die 3 jeweiligen segmentalen Transitzeiten errechnet werden (rechtes bzw. linkes Hemikolon und Rektosigmoid; . Tab. 7.1). Eine Erhöhung der Gesamtdarmtransitzeit auf über 60–93  h wird gemeinhin als pathologisch angesehen (. Tab. 7.1). Wir werten eine Kolontransitzeit bei Frauen von >70 h, bei Männern von >60 h als verzögerte Gesamtpassagezeit. 7.1.2  Pathologische Befunde

Prinzipiell wird zwischen einer habituellen Obstipation mit einem verlangsamten Gesamtkolontransit („slow transit“), dem irritablen

96

T. Wehrmann

. Tab. 7.1  Angegebene Normwerte (in h) für die segmentalen Kolontransitzeiten

7

Autor

Rechtes Hemikolon

Linkes Hemikolon

Rektosigmoid

Arhan et al. (1981)

13 ± 2

14 ± 2

11 ± 2

Metcalf et al. (1987)

11 ± 1

11 ± 1

12 ± 1

Wehrmann (1997)

13 ± 2

13 ± 2

14 ± 2

Darmsyndrom (IBS) vom Obstipationstyp, mit aber normaler Gesamtdarmtransitzeit, und einer Obstipation bei funktioneller Obstruktion („outlet obstruction“) unterschieden (Halverson und Orkin 1998). Eine Verzögerung der Transitzeit auf >60 h, wobei insbesondere die segmentale Transitzeit im rechten und linken Hemikolon verlangsamt ist, findet sich bei der „slow-transit“ Obstipation. Diese Patienten sprechen in der Regel nicht auf Ballaststoffgabe an (eher Zunahme von Meteorismus); eine Dauermedikation mit Prokinetika/Laxanzien oder eine Kolonteilresektion ist empfehlenswert (ca. 5–10 % aller symptomatisch obstipierten Patienten). Eine Verzögerung der Gesamttransitzeit >60 h, bedingt durch eine extreme Verlangsamung der segmentalen Transitzeit im Rektosigmoid (>30 h), kann bei der funktionellen Auslass-Obstruktion nachgewiesen werden. Der Befund der Kolontransitzeitbestimmung ist hier jedoch weder beweisend, noch kann durch eine normale Transitzeit eine habituelle Obstruktion völlig ausgeschlossen werden. Zur weiteren Abklärung bei Auslass-Obstruktion sind die anorektale Manometrie (7 Abschn. 7.2), das Nadel-EMG (paradoxe Kontraktion des M. sphincter ani externus beim Pressen) sowie die Defäkografie (7 Abschn. 7.2) sinnvoll. Ursächlich kann eine ano-rektale Auslass-Obstruktion auf anatomischen Veränderungen (z. B. Rektozele, innerer oder äußerer Prolaps), einer gestörten rektalen Sensibilität oder Motilität oder einer fehlerhaften Muskelkoordination im Anorektum bzw. Beckenboden (Anismus) beruhen.

7.2  Kolonmanometrie 7.2.1  Messverfahren

Zur Messung intraluminaler Drücke im Kolon stehen prinzipiell folgende Messverfahren zur Verfügung: 1. Ballonsysteme 2. Perfusionssonden 3. Telemetriesysteme 4. Halbleitermanometriesysteme 7.2.2  Durchführung

Zur Platzierung der Messsonden haben sich besonders endoskopische Techniken bewährt, da hiermit das gesamte Kolon einer manometrischen Untersuchung zugänglich wird. Die Patienten bedürfen einer Standardvorbereitung für die Koloskopie. Die Sonde wird unter endoskopischer Sicht im Zäkum platziert, und das Endoskop wird unter Absaugen der insufflierten Luft vorsichtig zurückgezogen. Nach Entfernen des Koloskops sollte die endgültige Lage der Manometriesonde radiologisch dokumentiert werden. Nach einer zweistündigen Ruhephase beginnt meist 24 h dauernde Datenaufzeichnung. Der Patient erhält zu festgelegten Zeiten standardisierte Mahlzeiten. Während der gesamten Messperiode befindet sich der Patient in liegender oder sitzender Position. Mittels Ereignismarkierungstaste kann der Patient subjektive Empfindungen wie Schmerzen, Blähungen oder Stuhldrang markieren. Es sollte eine radiologische Kontrolle vor

97 Diagnostik der Kolonmotilität

Extraktion der Sonde zur Dokumentation einer korrekten Sondenlage durchgeführt ­werden. 7.2.3  Wertigkeit der Methode

Manometrische Untersuchungen im Kolon zeigen in den bisher durchgeführten Studien erhebliche Befunddiskrepanzen auf. Dies ist wahrscheinlich nur z. T. auf nichtstandardisierte Messmethoden zurückzuführen, sodass die Anwendung dieser Methode, bis zum heutigen Zeitpunkt, keinerlei klinischen Stellenwert erlangt hat, im Gegensatz z. B. zu der ano-rektalen Manometrie (7 Abschn. 7.2).

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Literatur Andresen V, Enck P, Frieling T et al (2013) S2k-Leitlinie Chronische Obstipation: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Z Gastroenterol 51:651–672 Arhan P, Devroede G, Jehannin B et al (1981) Segmental colonic transit time. Dis Colon Rectum 24:625–629 Halverson AL, Orkin BA (1998) Which physiologic tests are useful in patients with constipation? Dis Colon Rectum 41:735–739 Metcalf AM, Phillips SF, Zinsmeister AR, MacCarthy RL, Beart RW, Wolff BG (1987) Simplified assessment of segmental colonic transit. Gastroenterology 92:40–47 Wehrmann T (1997) Colontransitzeit-Bestimmung. In: Wehrmann T, Dietrich CF (Hrsg) Gastroenterologische Motilitätsdiagnostik – ein praktischer Leitfaden. Shaker, Aachen, S 100–107

99

Anorektale Funktionsuntersuchungen Till Wehrmann 8.1 Anorektale Manometrie – 100 8.2 Defäkografie (Röntgen- und MR-Technik) – 107 Literatur – 111

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 J. Stein, T. Wehrmann (Hrsg.), Funktionsdiagnostik in der Gastroenterologie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59133-8_8

8

100

T. Wehrmann

8.1  Anorektale Manometrie 8.1.1  Einleitung

8

Die anorektale Manometrie stellt im klinischen Alltag ein relevantes manometrisches Untersuchungsverfahren dar. Insbesondere bei Patienten mit analer Inkontinenz ist die Manometrie ein Eckpfeiler der Basisdiagnostik. Als Standardverfahren zur anorektalen Manometrie dient heute weiterhin noch die Perfusionsmanometrie. Die im Ösophagus inzwischen als Standard etablierte Mikrotransducermanometrie (7 Kap. 2) ist sehr teuer und vor dem Hintergrund der Vergütung im ambulanten (EBM und GOÄ) bzw. stationären Bereich (DRG 1-315) für den ausschließlichen Einsatz zur analen Manometrie ökonomisch nicht vertretbar. Alternativ können Ballonsonden (deutlich preiswerter) oder Halbleiterdrucktransducer verwendet werden. Die handelsüblichen Perfusions-Manometriekatheter für die anorektale Manometrie bestehen aus 6–8 Kapillaren mit seitlichen Perfusionsöffnungen, die aufgrund der möglichen Sphinkterasymmetrie radiär oder spiralig angeordnet sein sollten, wobei die Messsonden einen Gesamtaußendurchmesser

von ca. 4,8 mm haben. An der Katheterspitze (3 cm proximal des obersten Messpunktes) ist ein aufblasbarer Gummiballon mit einer Länge von 5–6 cm befestigt (. Abb. 8.1a, b). Grundsätzlich gilt, dass der Durchmesser des benutzten Manometriekatheters die Drücke im Analkanal beeinflussen kann, sodass die Sonde nicht zu dick gewählt werden sollte. Während der Messung werden die Kapillaren über pneumohydraulische Perfusionssysteme mit niedriger Compliance (Dehnbarkeit) bei einer Perfusionsrate von 0,1–0,5 ml/min mit destilliertem Wasser perfundiert. Durch die niedrige Compliance wird gewährleistet, dass auch schnelle Druckänderungen wahrheitsgetreu wiedergegeben werden. Jede einzelne Kapillare und auch der Ballon ist mit einem Druckwandler verbunden, von dem die gemessenen Drücke entweder auf einen Schreiber übertragen oder computergestützt aufgezeichnet werden. Bei dem noch relativ neuen Verfahren der elektronischen Halbleitermanometrie macht man sich die Eigenschaften von Metalldehnungsstreifen oder piezoelektronischen Halbleitern, die in biegsame Kunststoffe eingearbeitet sind, zunutze (Cave: nicht zu verwechseln mit der Mikrotransducermanometrie, die

. Abb. 8.1  Darstellung der zur anorektalen Manometrie verwandten Perfusionssonden. a Sonde mit deflatiertem Ballon; b Ballon mit ca. 150 ml Luft gefüllt

101 Anorektale Funktionsuntersuchungen

­albleitermanometrie ist wesentlich preisH werter, aufgrund der nur trägen Ansprechrate aber nicht zur Analyse der – sehr schnellen – motorischen Abläufe im Oesophagus oder Dünndarm geeignet). Hierbei wirkt der zu messende Druck direkt auf die entsprechende Membran ein, wobei die erzeugte Verformung zu einer Widerstandsänderung führt. 5 Vorteil der Halbleitermanometriesysteme: die lageunabhängigen Messergebnisse 5 Nachteil der Halbleitermanometriesysteme: die kürzere Lebensdauer der Sonden Schon vor einer geplanten manometrischen Untersuchung des Anorektums sollte neben der anamnestischen Evaluation die digitale Austastung und eine „funktionelle“ Proktoskopie durchgeführt worden sein. Beide Untersuchungen (mit Finger bzw. Proktoskop) sollten jedoch nicht unmittelbar vor der Manometrie stattfinden, um eine „Vordehnung“ des Sphinkterapparates zu vermeiden. Da bei der anorektalen Manometrie die Mitarbeit des Patienten eine entscheidende Rolle spielt, empfiehlt es sich, die geplanten Funktionsprüfungen (Kneifen, Pressen wie zum Stuhlgang etc.) vorab zu besprechen. Auch aus forensischen Gründen ist die Anwesenheit/Assistenz einer weiteren (weiblichen) Person während der Untersuchung ratsam. Hinsichtlich der Messdurchführung und der Definition der Messparameter wird auch auf die Publikation der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie (Pehl et al. 2007) verwiesen. Die nachfolgend aufgeführten Untersuchungsabläufe und Definitionen beziehen sich auf das an der Deutschen Klinik für Diagnostik (DKD Helios Klinik) übliche Vorgehen. 8.1.2  Indikationen

Indikationen zur anorektalen Manometrie sind: 1. Anale Inkontinenz: 5 Objektivierung der Funktionseinschränkung des Kontinenzorgans

8

5 Identifikation des zugrunde liegenden Pathomechanismus 2. Obstipation: 5 Ausschluss eines Morbus Hirschsprung 5 Erhärtung des Verdachts einer „outlet-obstruktion“ (z. B. Anismus) 5 Hinweis auf Rektumperzeptionsstörung 3. Vor und nach operativen Eingriffen am analen Kontinenzorgan: 5 z. B. Fisteloperation, Sphinkterplastik, laterale Sphinkterotomie, Rektumfixation, Pouch-Operation, Probleme nach anteriorer Rektumresektion 8.1.3  Praktische Durchführung

Die Patienten brauchen in der Regel für die Messung nicht besonders vorbereitet zu sein. Wenn möglich sollte eine natürliche Darmentleerung (routinemäßig kein Klysma) innerhalb von 2–3 h vor der Untersuchung stattgefunden haben. Eine Ausnahme bilden Patienten mit ausgeprägter Stuhlimpaktation, da bei diesen Patienten ansonsten keine reliable Evaluation mit dem rektalen Distensionsballon möglich ist. Die Untersuchung erfolgt in Linksseitenlage, alternativ ist auch die Steinschnittlage möglich. Vor der eigentlichen Manometrie sollte, wie oben schon erwähnt, eine Inspektion der Analregion erfolgen. Anschließend erfolgt die peranale Intubation mit der flüssigkeitsperfundierten Messsonde (Perfusionsrate: 0,1–0,5 ml/min), die zuvor mit Gleitgel bestrichen wurde. Hierbei ist zu beachten, dass kein Gleitgel mit lokalanästhetischen Zusätzen verwendet werden darf, da dies die rektale Sensibilität herabsetzen könnte. Da der Sondendurchmesser die gemessenen Druckkurven im Analkanal beeinflussen kann, sollte die Sonde nicht zu dick gewählt werden. Für Kinder sind hierfür modifizierte Sonden erhältlich. Die Messsonde wird zuerst weit in den Analkanal vorgeschoben, sodass alle Perfusionsöffnungen im Rektum liegen (. Abb. 8.2). Zunächst erfolgt die Bestimmung der muskulären Funktionen: Nach einer kurzen

102

T. Wehrmann

8

. Abb. 8.2  Schematische Darstellung der Platzierung eines Manometriekatheters mit gefülltem distalem Distensionsballon im Anorektum

Adaptationsphase (3–5 min) wird der Katheter schrittweise in 0,5-cm-Abständen durch den Analkanal zurückgezogen („Durchzugsmanometrie“), wobei der anale Ruhedruck (als Mittelwert aus 3 Durchzugsmanometrien) und die Länge der Hochdruckzone gemessen werden (. Abb. 8.3). Hiernach wird die Sonde so platziert, dass der distale Distensionsballon sowie mindestens ein Messpunkt intrarektal liegen und die übrigen Perfusionsöffnungen sich im Analkanal befinden. Nach kurzer Gewöhnungsphase wird der Patient aufgefordert, über 10 s ohne Betätigung der Bauchpresse oder der Glutealmuskulatur zu kneifen. Der so bestimmte anale Kneifdruck (synonym: analer Willkürdruck) wird als Mittelwert der maximalen Druckwerte oberhalb des analen Ruhedrucks während 3 Willkürkontraktionen angegeben (. Abb. 8.4). Im nächsten Untersuchungsschritt erfolgt die Beurteilung der rektalen und analen Druckverhältnisse während Husten des Patienten. Hierbei sollte der rektale Druck unter dem Sphinkterdruck liegen. Beim Pressen wie zum Stuhlgang sollten ein intrarektaler Druckanstieg und eine Relaxation des Analsphinkters beobachtbar sein. Häufig geniert sich der Patient, das Pressen durchzuführen, da er Sorge vor dem austretenden Rektuminhalt hat; wichtig sind die Beruhigung und Aufklärung über diesen Vorgang.

20 mmHg

60 s = 6 cm

. Abb. 8.3  Dreimalige Durchzugsmanometrie durch den Analsphinkter zur Ermittlung des analen Ruhedrucks mit der Dreilumenperfusionssonde

103 Anorektale Funktionsuntersuchungen

8

Willkür Kontraktion

20 mmHg

60 s

. Abb. 8.4  Platzierung der Sonde im Analsphinkter. Anschließend Aufforderung an den Patienten, den Schließmuskel maximal zu kontrahieren (Pfeile). Hierdurch Bestimmung des analen Kneifdrucks

Abschließend erfolgt die Prüfung der sensorischen und reflektorischen Funktionen des Anorektums: Hierzu wird der rektale Distensionsballon mittels einer 50-ml-Perfusorspritze alternierend jeweils mit 5, 10, 15, 20, 25, 30, 40, 50 ml Luft gefüllt. Bei dieser Imitierung der Stuhlfüllung des Rektums wird das kleinste vom Patienten wahrgenommene Volumen (rektales Perzeptionsvolumen), das kleinste Volumen zur Auslösung eines Defäkationsreizes (Stuhldrangvolumen) sowie ggf. auch die rektale Schmerzschwelle bestimmt. Die maximale Ballonfüllung beträgt hierbei 300 ml. Während

20 mmHg

60 ml

80 ml

der rektalen Ballondehnung wird üblicherweise eine Relaxation des M. sphincter ani internus und eine reflektorische Kontraktion des M. sphincter ani externus beobachtet (rektoanaler Inhibitionsreflex RAIR; . Abb. 8.5 und 8.6). Das Volumen, das eine Relaxation des Analsphinkters um >5 mmHg hervorruft, wird als minimales Distensionsvolumen zur Sphinkterrelaxation bezeichnet. Wird ein Druckmesspunkt über einen Dreiwegehahn mit dem rektalen Ballon verbunden und anschließend der Ballon rasch – in 50-ml-Schritten – bis zu einem Gesamtvolumen von 200 ml aufgeblasen,

100 ml

Ballondruck proximaler Analkanal mittlerer Analkanal distaler Analkanal 60 s

. Abb. 8.5  Platzierung der Sonde im Analsphinkter. Bei Füllung des rektalen Distensionsballons mit 60, 80 und 100 ml Luft Nachweis eines reflektorischen Druckabfalls im Bereich des M. sphincter ani internus sowie reflektorische Kontraktion im Bereich des M. sphincter ani externus (RAIR)

104

T. Wehrmann

20 mmHg

Willkür Relaxation

60 s

. Abb. 8.6  Platzierung der Sonde im Analsphinkter. Bei Aufforderung des Patienten, den Schließmuskel willkürlich zu relaxieren, kommt es zu paradoxen Sphinkterkontraktionen. Dieser Befund erhärtet den Verdacht auf einen Anismus

8

so ergibt der Quotient aus intrarektalem Volumen (200 ml) und dem gemessenen Ballondruck ein Maß für die Eigenelastizität des Rektums, die rektale Compliance. Für eine exakte Bestimmung muss der im Patienten gemessene Ballondruck um jenen Druck, der bei einer identischen Distension des Ballons ex vivo ermittelt wird (Balloneigenelasitizität), vermindert werden. Hieraus leitet sich die Tatsache ab, dass für die Bestimmung der rektalen Compliance ein möglichst nichtelastischer Ballon verwendet werden sollte. Bei Bestreichen des sensiblen Anoderms, z. B. mit einer Nadelspitze, lässt sich eine reflektorische Kontraktion des Analsphinkters beobachten (kutaneoanaler Reflex, CAR). Für die sog. Vektormanometrie, die eine optisch grafische Darstellung eventueller Sphinkterasymmetrien erlaubt, wird eine Messsonde mit 8 auf gleicher Höhe angebrachten Perfusionsöffnungen benötigt. Diese Sonde wird intrarektal oberhalb des Analsphinkters platziert und dann mithilfe eines elektrischen Motors mit konstanter Geschwindigkeit (5–10 mm/s) während Ruhe und während maximaler Willkürkontraktion durch den Sphinkter zurückgezogen. Die Sensibilität zum Nachweis lokalisierter Sphinkterdefekte ist bis heute nicht zweifelsfrei belegt. Da mittels der analen Endosonografie hier ein exaktes und

einfaches Verfahren zur Verfügung steht, hat sich die Vektormanometrie in der klinischen Routine nicht durchgesetzt. Auf die Methode wird daher im Nachfolgenden nicht mehr eingegangen. Eine mechanische, hygienische Aufbereitung der Perfusions-Sonden für die anorektale Manometrie kann nicht empfohlen werden, wir verwenden hier Perfusions-Einmalsonden (z. B. Modell MMS G-88485 der Firma Medical Measurement System GmbH, Neustr. 17, 48599 Gronau). Bei Verwendung elektromechanischer Druckmesskatheter muss eine manuelle Vorreinigung und eine Desinfektion mit Wischtücher-Systemen (z. B. mittels Tristel Trio-Wipes, bestehend aus dem „Pre-Clean-Wipe“, dem „Sporicidal-Wipe“ und dem „Rinse-Wipe“, zu Details sei auf das 7 Kap. 1 Ösophagusmanometrie verwiesen) erfolgen. 8.1.4  Messparameter

Alle unten aufgeführten Normwerte wurden mittels Perfusionsmanometrie an gesunden Probanden im Labor des Universitätsklinikum Frankfurt in 1991 ermittelt (s. Publikation Wehrmann et al. 1992). Sie sind Richtgrößen, können jedoch nicht generell übernommen

105 Anorektale Funktionsuntersuchungen

werden (insbesondere nicht bei Verwendung anderer Messverfahren). Alternativ sei auf die Normwerte-Tab. 6 in der Publikation von Pehl et al. 2007 verwiesen. z Analer Ruhedruck

Dieser wird vorwiegend vom glattmuskulären M. sphincter ani internus und der Beckenbodenmuskulatur aufgebaut. An der Druckkurve wird für jeden Durchzug das höchste Druckniveau gesucht und der Mittelwert bestimmt (Cave: Laut Leitlinien der Median; 7 Abschn. 8.1.1). Die Sphinkterlänge wird durch Beginn und Ende der Hochdruckzone definiert. Der anale Ruhedruck unterliegt alters- und geschlechtsspezifischen Differenzen, die im klinischen Alltag jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielen. Normalwerte, die eine Trennung zum Pathologischen ermöglichen, können nicht angegeben werden. So weisen z. B. die Druckwerte zwischen kontinenten und inkontinenten Patienten sehr starke Überlappungen auf. Eine ausgeprägte Sphinkterasymmetrie (z.  B. bei umschriebenem Sphinkterdefekt) kann bei einer erheblichen Differenz (>25 mmHg) zwischen dem detektierten minimalen und maximalen Sphinkterruhedruck vermutet werden. Hier hilft die rektale Endosonografie oder die Vektormanometrie weiter. Normbereich: 50–95 mmHg (n = 20 Probanden, medianes Alter 50 Jahre), 3–6 cm Länge. z Analer Kneifdruck

Dieser wird durch Kontraktion des quergestreiften M. sphincter ani externus erzeugt. Der M. sphincter ani externus wird aus dem sakralen Plexus durch Äste des N. pudendus versorgt und unterliegt der Willkürkontrolle (. Abb.  8.4). Bewertet wird der Mittelwert der maximalen Druckamplituden oberhalb des Ruhedrucks (Cave: Laut Leitlinien soll der Mittelwert eines Plateaudrucks bestimmt werden, das Plateau ist hierbei artifiziell vom Untersucher zu bestimmen; 7 Abschn. 8.1.1).

8

Der Kneifdruck ist bei Frauen tendenziell geringer und nimmt mit dem Alter ab (Bannister 1987). Auch hier können Normalwerte, die eine eindeutige Abgrenzung zum pathologischen Befund erlauben, nicht angegeben werden. Normbereich: 65–240  mmHg (n = 20 Probanden, medianes Alter 50 Jahre) z Hustenversuch

Hier ist nur eine qualitative Beurteilung möglich: Der intrarektale Druck sollte niedriger als der Analsphinkterdruck sein. Übersteigt der rektale Druck den analen Verschlussdruck, so kommt es zu einem Stuhlaustritt im Sinne einer Stressinkontinenz. z Pressversuch

Auch hier ist nur eine qualitative Beurteilung möglich: Der Analsphinkterruhedruck sollte deutlich (>50 % vom Ausgangswert) abnehmen. Die reflektorische Relaxation des äußeren Analsphinkters beim Pressen ist ein physiologischer Vorgang. Fehlt diese Relaxation oder besteht eine unzureichende Druckzunahme im Rektum, so ist eine Koordinationsstörung der anorektalen Funktion anzunehmen. z Perzeption der Ballondistension

Es wird das kleinste Volumen, das perzeptiert wird (rektales Perzeptionsvolumen; Normbereich 15–40 ml), das Volumen zur Auslösung des Defäkationsreizes (Stuhldrangvolumen; Normbereich 60–120  ml) und die Schmerzschwelle (Normbereich 150– 175 ml) bestimmt. Eine verminderte Perzeption einer Rektumfüllung kann durch die Auslösung des RAIR – bei Stuhlvolumina, die vom Patienten eben noch nicht wahrgenommen werden und bei denen es nicht zur Externuskontraktion kommt – zu einer Inkontinenz führen („Überlaufinkontinenz“). z Rektoanaler Inhibitionsreflex

Das minimale Distensionsvolumen zur Sphinkterrelaxation (um mehr als 5 mmHg) liegt bei gesunden Probanden (n = 20,

106

8

T. Wehrmann

medianes Alter 50  Jahre) bei 12–33  ml. Wird eine standardisierte Distension mit 50 ml Luft durchgeführt, kann bei Gesunden stets eine Relaxation um >50 % des Ausgangsdrucks beobachtet werden. Ein Fehlen des RAIR ist verdächtig für einen Morbus Hirschsprung, jedoch nicht beweisend. Andererseits kann bei vorhandenem RAIR ein Morbus Hirschsprung ausgeschlossen werden. Wichtiger als die absoluten Druckwerte sind die relativen Drücke und ihr funktionelles und reflektorisches Zusammenspiel. So führt die intrarektale Ballondistension zu einer reflektorischen Kontraktion des externen Analsphinkters (spinal gesteuert), die während der passageren Relaxation des inneren Analsphinkters (RAIR; . Abb. 8.5), die mit zunehmendem Druck im Ballon immer ausgeprägter in Erscheinung tritt und die Kontinenzfunktion – auch bei progredienter Stuhlfüllung des Rektums – wahrt. z Rektale Compliance

Sie stellt ein Maß für die Elastizität bzw. die Dehnbarkeit der Rektumwand dar. Die klinische Aussagekraft dieses Parameters ist umstritten. So ist die Compliance z. B. nach anteriorer Rektumresektion oder auch bei floriden Entzündungen (Proktitis, Pouchitis) häufig vermindert, was einen entscheidenden Pathomechanismus für die Entstehung einer Inkontinenz darstellt (sog. Dranginkontinenz). In unserem Labor betrug die Compliance bei n = 15 gesunden Probanden 9–17 ml/mmHg. Es ist jedoch unbedingt die Erstellung eigener Normwerte erforderlich, die z. B. unterschiedliche physikochemische Eigenschaften der verwendeten Ballons berücksichtigen. Bei einer Verminderung auf 20 ml/mmHg besteht der Verdacht auf ein Megarektum (gleichzeitig Veränderung des Perzeptionsvolumens und des Distensionsvolumens zur Sphinkterrelaxation [DVSR]).

8.1.5  Pathologische Befunde z Anale Inkontinenz

Die anale Inkontinenz wird durch die anamnestische Angabe eines unfreiwilligen Stuhlabgangs definiert. Eine Objektivierung ist durch verschiedene Tests möglich, die sich jedoch in der breiten klinischen Anwendung nicht durchgesetzt haben (z. B. Infusionsretentionstest: Applikation von 1,5 l körperwarmer 0,9  %iger NaCl-Lösung mittels abgeschnittenem Infusionsschlauch. Der Patient sitzt hierbei auf einem Toilettenstuhl. Das Volumen, bei dem ein erster Flüssigkeitsabgang zu beobachten ist, und das maximale retinierbare Volumen [normal >0,8 l] werden bestimmt). Die anorektale Manometrie ist nicht in der Lage eine Inkontinenz zu objektivieren, sondern sie dient dazu, mögliche pathophysiologische Hintergründe der Inkontinenz aufzudecken, um (gemeinsam mit den Resultaten komplementärer Verfahren) differenzialtherapeutische Entscheidungen zu ermöglichen. Bei inkontinenten Patienten lassen sich häufig erniedrigte Sphinkterdruckwerte aufzeigen, klare Grenzwerte zur Definition einer Inkontinenz können jedoch nicht angegeben werden. Folgende pathophysiologische Mechanismen lassen sich mittels anorektaler Manometrie bei Inkontinenten nachweisen: 5 Störung der motorischen Sphinkterfunktion (Sphinkterlänge, Ruhedruck, Kneifdruck) 5 Störung der rektalen Sensibilität 5 Einschränkung der Reservoirfunktion (Compliance, Perzeptionsschwellen) 5 Störung der Innervation des Anorektums (Sphinkterdrücke, DVSR, CAR, Perzeptionsschwellen) Definitive Aussagen zur Innervation des analen Kontinenzapparates sind jedoch durch die Befunde der anorektalen Manometrie allein nicht möglich. Bei entsprechendem

107 Anorektale Funktionsuntersuchungen

Verdacht ist eine weitergehende elektromyografische Diagnostik und die Endosonografie (Lokalisationsdiagnostik von Sphinkterdefekten) erforderlich. In Verbindung mit diesen Verfahren lässt sich dem Symptom „Inkontinenz“ bei der Mehrzahl der Patienten eine definierte Funktionseinschränkung zuordnen. Hierdurch wird eine zielgerichtete Differenzialtherapie der Inkontinenz ermöglicht (Biofeedback, Sphinkteraugmentation, Gracilisplastik, Implantation künstlicher Sphinkter bzw. bioelektrische Sphinkterstimulation etc.). z Chronische Obstipation

Hier ist der Stellenwert der anorektalen Manometrie deutlich niedriger anzusiedeln. Der Nachweis eines adäquaten RAIR schließt einen Morbus Hirschsprung aus, die positive Diagnosestellung ist jedoch nur (immun-) histologisch an Vollwandresektaten möglich (Acetylcholinesterasegehalt, Ganglienzelldichte). Eine fehlende Relaxation des Analsphinkters im Pressversuch weist auf einen Anismus hin, die Diagnose sollte jedoch mittels Defäkografie und dem Nachweis einer Auslass-Obstruktion bei der Transitzeitbestimmung abgesichert werden. 8.2  Defäkografie (Röntgen- und

MR-Technik)

8.2.1  Technische Voraussetzungen

und Durchführung

Die Defäkografie ist eine dynamische Methode, mit der funktionell-morphologische Veränderungen des Anorektums und des Beckenbodens bei der Defäkation dokumentiert werden können. Hieraus resultieren gegenüber anderen Untersuchungsverfahren (Manometrie etc.) zusätzliche Informationen über die mögliche Ursache einer Defäkationsstörung.

8

Als apparative Voraussetzungen sind ein Röntgengerät mit einer Kipptischeinrichtung und eine automatische Kamera mit einer Bildaufnahmefrequenz von mindestens 3 Bildern pro Sekunde oder ein Magnetresonanzgerät mit einer Feldstärke von mind. 0,5 Tesla erforderlich. Wegen der bestehenden, nicht unerheblichen Strahlenbelastung (Durchleuchtungsverfahren) ist die Röntgen-Defäkografie (insbesondere bei Patienten   15–20  ppm sind ungeeignet zur Testdurchführung und finden sich mitunter (Keller et al. 2005) 5 infolge intensiver H2-Entwicklung am Vortag (z. B. nach einer Rohkostmahlzeit, aber auch bei Kohlenhydratmalabsorption), 5 bei einzelnen Patienten mit Pneumatosis cystoides intestinalis, 5 häufig bei Patienten, die vor der Untersuchung geraucht haben,

118

K. Farrag und J. Stein

5 bei Motilitätsstörungen des Gastrointestinaltrakts, 5 bei einer bakteriellen Fehlbesiedlung des oberen Gastrointestinaltrakts. (Aber! Erhöhte H2-Nüchternwerte sind zur Diagnosestellung einer bakteriellen Fehlbesiedlung ungeeignet.) 9.1.2  13C-Atemfunktionstests

9

Atemtests mit 13C-markierten Substraten eignen sich zur Diagnostik unterschiedlicher gastrointestinaler Funktionsstörungen und zum Nachweis einer gastroduodenalen Infektion mit Helicobacter pylori (Keller et al. 2005). Dodds wandte eine CO2-Atemanalyse erstmals 1920 in der Diagnostik gastroenterologischer Erkrankungen an. Er beobachtete postprandiale Anstiege des pCO2 und zeigte, dass sie ein unterschiedliches Ausmaß bei gastroenterologischen Erkrankungen erreichten (u.  a. Perniziosa, Pankreasinsuffizienz). Technische Fortschritte, insbesondere die Verfügbarkeit 13CO2-markierter Substrate, haben die CO2-Analyse der Atemluft zu einem beliebten nichtinvasiven Test in der klinischen Gastroenterologie werden lassen. Nach oraler Gabe von markierten Substraten kann in der Atemluft das Erscheinen von 13CO2 als Stoffwechselendprodukte gemessen werden. Ursprünglich erfolgte die Messung von 14CO2 entweder durch eine alkalische Präzipitation als Ba14CO3 oder durch eine kontinuierliche Messung der gesamten 14CO -Exhalation durch voluminöse und 2 komplizierte Apparaturen. Deshalb blieb der 14CO -Atemtest lange für Fragestellungen der 2 klinischen Forschung reserviert (Lembcke und Caspary 1983). Die Einführung der Intervallmesstechnik von CO2 durch Abt u. Schuchting 1966 (1971 übernommen und diagnostisch praktikabel präsentiert durch Fromm u. Hofmann) führte durch erhebliche Vereinfachung der Messtechnik zum Durchbruch der Atemanalyse in

der klinisch-gastroenterologischen Diagnostik (Lembcke und Caspary 1983; . Abb. 9.3).

Prinzip der 13CO2-Atemtests

13C ist ein stabiles, nicht radioaktives Kohlenstoffisotop, das natürlicherweise ca. 1 % aller Kohlenstoffatome ausmacht und nach ausreichender Anreicherung in geeigneten Substraten zu diagnostischen Zwecken eingesetzt werden kann. Nach oraler oder intravenöser Gabe von 13C-markierten Substraten führt deren Verstoffwechselung zur Bildung von 13CO2, das dann abgeatmet wird. Rückschlüsse auf das Ausmaß der Metabolisierung sind durch kontinuierliche oder in Intervallen durchgeführte Messungen von Menge und Geschwindigkeit der 14CO -Exhalation möglich (. Abb. 9.3). 2 Die 13CO2-Exhalation kann nur dann als direkte Messgröße des geschwindigkeitsbestimmenden Schritts angesehen werden, wenn alle anderen metabolischen oder Transportschritte unter normalen und krankhaften Bedingungen konstant oder vernachlässigbar schnell ablaufen. Ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt die Resorption allein, dann kann die 13CO2-Exhalation Maß für die Resorption sein (z. B. 14C-Laktosetest); ist der geschwindigkeitsbestimmende Schritt die Metabolisierung in der Leber, dann kann die 14CO2-Exhalation Informationen über die Metabolisierung der verabreichten Substanz in der Leber geben (z. B. 13C-Aminopyrin-Atemtest, 7 Kap. 12). Wird die Substanz allein durch gastrointestinale Bakterien metabolisiert, dann gibt die 13CO2-Exhalation Information über den Einfluss der Bakterien auf die verabreichte Substanz (z. B.13C-Glykocholat-Atemtest, 13C-Harnstoff-Atemtest). Ist zwischen Applikation der Tracersubstanz (oral oder intravenös) und Erscheinen von markiertem CO2 in der Atemluft mehr als ein Schritt geschwindigkeitsbestimmend, wird die Interpretation der ausgeatmeten 13CO2-Menge schwierig. Das Problem stellt sich teilweise bei Verwendung von 13C-markierten mitteloder langkettigen Triglyzeriden, da hier nicht nur Resorption, sondern möglicherweise

9

119 Resorptionstests

Klinische Fragestellung

Ermittlung der Ausgangsbasalwerte 13C0 -Substrat-Ingestion 2

Magentransit Intestinale-portale Resorption und Transport

Hepatische Metabolisierung Messung der 13C02-Poduktion Einbau in den Bikarbonatpool Pulmonale Exhaltion von 13C02 Sammeln der Atemtests 13C0 -Konzentration 2

Messung der (Massen-/Infrarotspektrometrie)

Auswertung/ Interpretation

Erstellung der 13C02-Zeitkinetiken

. Abb. 9.3  Prinzip von 14CO2-/13CO2-Atemtests in der gastroenterologischen Diagnostik. Nach oraler Gabe 14C-/13C-markierter Substrate wird das Erscheinen von 14CO bzw. 13CO als Stoffwechselendprodukte des 2 2 umgesetzten Subtrats in der Ausatemluft gemessen. Ein Substrat eignet sich nur dann zur Resorptionsmessung, wenn tatsächlich die Resorption der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist und nicht andere postresorptive Schritte limitierend sind. Ist die bakterielle Aufspaltung des Substrats der limitierende Schritt, eignet sich die Substanz als Marker zur Ermittlung der bakteriellen intraluminalen Aufspaltung. (Mod. n. Bonfrate et al. 2015)

auch Verteilung und Metabolisierung eine geschwindigkeitsbestimmende, zusätzliche Rolle spielen (Lembcke und Caspary 1983).

Allgemeine Hinweise zur Durchführung von 13CO2-Atemtests

Gastrointestinale Funktionen werden zum einen durch veränderte Stoffwechselbedingungen (z. B. Diabetes mellitus, Adipositas, chronische Pankreatitis) sowie körperliche Aktivität zum anderen in relevanter Weise auch durch Art und Zusammensetzung der Nahrung (Testmahlzeit) beeinflusst. So können beispielsweise Änderungen der Testmahlzeit, auch wenn sie nicht das 13C-markierte Testsubstrat selbst betreffen, die Aussagekraft eines Tests wesentlich beeinflussen: Maisstärke ist natürlicherweise reich an 13C-haltigen Kohlenwasserstoffen, weshalb die Aufnahme großer Mengen an den Tagen vor Durchführung von 13C-Atemtests gemieden werden sollte (Keller et al. 2005; Rezaie et al. 2017).

> Da Änderungen der Testmahlzeit, auch

wenn sie primär nicht das 13C-markierte Testsubstrat betreffen, die Aussagekraft eines Tests wesentlich beeinflussen, ist die Notwendigkeit der Standardisierung der Testabläufe unabdingbar.

Aufgrund mangelnder Studien ist unklar, wie lang der Abstand zwischen zwei 13C-Atemtests mindestens sein sollte, um Überlagerungseffekte zu vermeiden. Für die meisten klinisch gebräuchlichen Substrate bewegt sich die Exhalationshalbwertzeit im Bereich einiger Stunden. Hierbei bleibt allerdings zunächst unberücksichtigt, dass insbesondere bei Fetten eine Anreicherung durch Einlagerung in körpereigenes Gewebe erfolgen kann. > Dennoch sollte in der Regel ein

Intervall von 1 bis 2 Tagen zwischen 13C-Atemtests zur Vermeidung relevanter Überlagerungseffekte genügen.

120

K. Farrag und J. Stein

9.2  Störungen der

Kohlenhydratassimilation

Die praktisch wichtigsten Störungen der Kohlenhydratassimilation sind der Disaccharidasemangel (speziell: Laktasemangel) einerseits und die Verminderung der Kohlenhydratresorption infolge Reduktion der resorptiven Fläche (Sprue/Kurzdarm) andererseits. Selten, aber bedeutsam ist das selektive Fehlen des Hexosetransportcarriers in der Bürstensaummembran; häufiger, aber von geringer Bedeutung ist die Malabsorption von Stärke im Rahmen einer exokrinen Pankreasinsuffizienz. 9.2.1  Disaccharidasemangel

9

Störungen der Digestion und Resorption von Disacchariden können als isolierte kongenitale biochemische Enzymdefekte ohne jede morphologische Veränderungen der Bürstensaummembran und der Mukosaarchitektur auftreten (z. B. Laktasemangel beim Säugling, Saccharase-Isomaltase-Mangel, Trehalasemangel), als sekundärer (unselektiver, aber häufig laktasebetonter) Disaccharidasemangel bei Schädigungen der Dünndarmmukosa (Sprue, unter Neomycin, Zytostatika) sowie – im Falle der Laktosemalabsorption – als genetisch determinierter, primärer Laktasemangel vom adulten Typ (genetisch determinierte Regression der Laktaseaktivität in der Adoleszenz). Diese letztgenannte Form stellt den ursprünglichen Zustand bei der Mehrheit der Weltbevölkerung dar; sie wird in Deutschland bei 5–20  % der Normalbevölkerung beobachtet. Alle anderen Disaccharidaseenzymdefekte sind sehr selten; die Häufigkeit des Saccharase-Isomaltase-Mangels liegt unter 0,3 ‰, ein Trehalasemangel wurde lediglich in 2 Familien beschrieben und ein Maltasemangel ist als Folge der Existenz multipler Maltaseaktivitäten bisher gar nicht aufgetreten. Gemeinsames Prinzip aller Disaccharidbelastungstests ist es,

5 durch ein Fehlen des postabsorptiven Blutglukoseanstiegs sowie 5 durch den Anstieg der Wasserstoff-(H2-) Konzentration in der Alveolarluft die fehlende bzw. unvollständige mukosale Spaltung der oral verabreichten Testsubstanz (z. B. 50 g Laktose, Saccharose) zu belegen.

Laktasemangel Der Laktasemangel ist der häufigste Enzymmangel der Dünndarmmukosa. Der Laktasemangel des Erwachsenen ist das häufigste genetische Enzymmangelsyndrom der Welt und besteht bei mehr als 50 % der Weltbevölkerung (. Tab. 9.1 und 9.2). Bei den Ursachen des Laktasemangels unterscheidet man 3 verschiedene Formen: angeboren, primär mit spätem Beginn und sekundär (. Tab. 9.3). Der angeborene Laktasemangel wird autosomal rezessiv vererbt, ist äußerst selten und manifestiert sich mit schweren wässrigen Durchfällen und vollständigem Fehlen der Laktase unmittelbar nach Geburt. Der primäre Laktasemangel ist sehr viel häufiger und geht mit einem Enzymverlust der ursprünglichen Laktaseaktivität auf 5–10 % einher, der sich in der frühen Kindheit oder auch erst in der Adoleszenz einstellt. Wie es zum Verlust der Laktaseaktivität kommt, ist noch nicht völlig geklärt. Es findet sich in der Mukosa eine Verminderung der mRNA sowie eine verminderte Proteinsynthese, aber auch eine defekte Bildung von Laktase aus Laktasepräkursoren mag für den Laktasemangel verantwortlich sein. Ein primärer Laktasemangel ist – betrachtet man die Weltbevölkerung – sogar als Normalzustand anzusehen, da in vielen Bevölkerungsgruppen zu mehr als 90 % ein Laktasemangel besteht (. Tab. 9.4). Eine Theorie besagt, dass sich der Erhalt der Laktaseaktivität – und damit die Fähigkeit, Milch als wichtige Nahrungsquelle zu verwenden – als eine genetisch determinierte Mutation entwickelt hat, die denjenigen Menschen einen Überlebensvorteil bot,

Dosis

50 g

25

10 g

50 g

Substrat

Laktose

Fruktose

Laktulose

Glukose

200–400 ml Wasser

200 ml Wasser

200 ml Wasser

200–400 ml Wasser

Flüssigkeit zum Lösen

Pathologisch bei Anstieg um > 20 ppm gegenüber Basalwert

Anstieg um > 20 ppm gegenüber Basalwert markiert Transitzeit Anstieg um > 5 ppm gegenüber Basalwert in 3 konsekutiven Messungen

Klinisch: Basal und in 15-minütigen Intervallen über 3 h Wissenschaftlich: Basal und in 5-minütigen Intervallen über 3 h Basal und in 15- bis 20- minütigen Intervallen über 3 h

Pathologisch bei Anstieg um > 20 ppm gegenüber Basalwert

Pathologisch bei Anstieg um > 20 ppm gegenüber Basalwert

Auswertung

Basal und in 15- bis 20-minütigen Intervallen über 3 h

Basal und in 15- bis 20-minütigen Intervallen über 3 h

Probengewinnung/Testdauer

. Tab. 9.1  Durchführung klinisch relevanter H2-Atemtests (Keller et al. 2005; Rezaie et al. 2017)

Falsch negative Ergebnisse in > 10 % zu erwarten

Nicht empfohlen zur Diagnostik der bakteriellen Fehlbesiedlung; erhöht die Sensitivität der anderen H2-Atemtests durch Bestimmung des H2-Produktionsstatus

Begleitende Symptomatik beachten; Steigerung der Spezifität durch Wiederholung mit 25 g, bei pathologischem Ergebnis mit 50 g

Begleitende Symptomatik ist zu beachten zwecks Differenzierung zwischen Laktosemalabsorption (asymptomatisch) und Laktoseintoleranz

Besonderheiten

Resorptionstests 121

9

122

K. Farrag und J. Stein

. Tab. 9.2  Krankheiten, die mit einer Steatorrhö einhergehen Pathogenetische Störung der Digestion und Resorption von Fetten

Zugrunde liegende Krankheit

Intraluminale Phase Lipasen

9

Verminderte Speichellipase

Enterale Sondenernährung, Sicca-Syndrom

Rasche Magenentleerung und Störung der Chylomikronenbildung

Billroth-II-Resektion, Pyloroplastik

Verminderte Enzym- und Bikarbonatsekretion

Chronische Pankreatitis

Störung der Stimulation des Pankreas (verminderter CCK-Stimulus)

Dünndarmerkrankung, Sprue, Vagotomie

Verminderte Enzymproduktion und -exkretion

Mukoviszidose, hereditäre Pankreasinsuffizienz, schwere Malabsorption, Obstruktion des Pankreasgangs durch Neoplasma, Strikturen, Steine

Inaktivierung der Pankreasenzyme durch Magensäure

Zollinger-Ellison-Syndrom, Kurzdarmsyndrom

Gallensäuren Verminderte Konzentration konjugierter Gallensäuren im proximalen Dünndarm Verminderte Synthese in der Leber

Parenchymatöse Leberkrankheit, Cholestase

Verminderte Ausscheidung

Gallengangsobstruktion, PBC, PSC

Gesteigerte Präzipitation oder Resorption von Gallensäuren im proximalen Dünndarm

Hypersekretion von Magensäure bewirkt Präzipitation ionisierter Gallensäuren

Verlust aus dem enterohepatischen Kreislauf

Zollinger-Ellison-Syndrom, Kurzdarmsyndrom, bakterielle Überbesiedlung des proximalen Dünndarms induziert Dekonjugation von Gallensäuren Ileopathie: Morbus Crohn, Resektion, Strahlenschädigung

Bindung von Gallensäuren

Colestyramin, Colestipol

Mukosaphase Reduktion normaler Dünndarmoberfläche

Resektion oder Bypass

Strukturelle und funktionelle Veränderungen der Epithelzellen bei Dünndarmkrankheiten

Sprue/Zöliakie, Autoimmunenteropathie, tropische Sprue, Morbus Whipple, Strahlenschädigung, eosinophile Gastroenteritis, Parasiten, Bakterien

Störung der Exkretion von Lipiden aus den Epithelzellen des Dünndarms

Abetalipoproteinämie, schwere Proteinmalnutrition

Lymphatische Phase Obstruktion des Lymphgefäßsystems

Lymphangiektasie, Neoplasien, parasitäre Infektionen, Strahlenfibrose, Tuberkulose

123 Resorptionstests

. Tab. 9.3  Ethnisches Vorkommen des Laktasemangels Bevölkerungsgruppen

Prävalenz [%]

Nordeuropäer

5–15

Mittelmeerregion

60–85

Schwarze Afrikaner

85–100

Schwarze Amerikaner

45–80

Weiße Amerikaner

10–25

Amerikanische Indianer

50–95

Mexikanische Amerikaner

40–75

Asiaten

90–100

die sich milchproduzierende Haustiere hielten. Der Verlust der Laktaseaktivität beim primären Laktasemangel kann auch durch langfristige hohe Gaben von Milch nicht verhindert ­werden. Durch Fehlen der Laktase im Dünndarm gelangt nichthydrolisierte Laktose in den Dickdarm, wird dort von anaeroben Bakterien zu kurzkettigen Fettsäuren (SCFA) sowie zu Kohlendioxid (CO2) und Wasserstoff (H2) fermentiert. Durch die osmotische Wirkung von Laktose und der entstandenen kurzkettigen Fettsäuren kommt es zum Einstrom von Wasser in das Darmlumen, was zu osmotischen Durchfällen mit einem sauren Stuhl-pH führt (. Abb. 9.4); zudem kommt es durch die gesteigerte H2-Produktion zu einer erhöhten H2-Exhalation in der Atemluft (positiver H2-Atemtest). Derzeit stehen 6 Methoden zur Diagnostik eines Laktasemangels zur Verfügung: 5 Laktosetoleranztest als Bluttest (LTT) 5 Laktosetoleranztest in Kombination mit Äthanol (LTTE) 5 Laktosetoleranztest in Kombination mit Äthanol und Bestimmung der Galaktose im Urin (LTTEU) 5 H2-Atemtest nach Laktosegabe 5 13CO2-Laktose-Atemtest 5 Semiquantitative Bestimmung der Laktaseaktivität in der Duodenalbiopsie

9

Durchführung und Bewertung des Laktosetoleranztests Die konventionellste Methode des Laktosetoleranztests (LTT) ist die Bestimmung des Blutglukoseanstiegs nach oraler Verabreichung von Laktose. Diese Methode weist beim Vergleich mit der direkten Enzymbestimmung 25 % falsch-normale sowie 4 % falsch-pathologische Befunde auf und stellt damit nur eine grobe Orientierungshilfe dar (. Tab. 9.3). Nach oraler Gabe von 50 g Laktose (Kinder 2 g Laktose/kgKG) in 400 ml Wasser (normal: > 1,1 mmol/l [20 mg/100 ml]) wird dem nüchternen Patienten zu den Zeitpunkten 0–30–60–90 und 120 min venös (kapillar) Blut entnommen und dann die Blutzuckerkonzentrationen bestimmt. Das Ausbleiben eines Glukoseanstiegs gegenüber dem Ausgangswert im Vollblut oder Serum von > 11,1 mmol/l (20 mg/dl), im Kapillarblut > 1,39  mmol/l (25  mg/dl) stellt einen pathologischen Befund dar.

Durchführung und Bewertung des Laktose-H2-Atemtests Ein Laktose-H2-Atemtest ist zu empfehlen bei V.  a. Laktoseintoleranz, bei Reizdarmsyndrom, dyspeptischen Beschwerden unklarer Genese und zur Abklärung chronischer Diarrhöen. Eine Galaktosämie (autosomal rezessiv ­vererbter Galaktose-1-Phosphat-uridyltransferase-[GALT]-Mangel) stellt eine Kontraindikation zur Durchführung eines Laktose-Atemtests dar. Durchführung (Keller et al. 2005) 5 Allgemein wird eine Dosis von 50 g Laktose (Kinder 2 g Laktose/kgKG) empfohlen, die allerdings auch zu falsch-positiven Ergebnissen führen kann. 5 Zum Volumen der Testlösung liegen keine vergleichenden Studien vor, sodass 200–400 ml Wasser bei Raumtemperatur vorgeschlagen werden. 5 Atemproben sollten in 15–20-min-Intervallen über 3 h untersucht werden.

124

K. Farrag und J. Stein

. Tab. 9.4  Krankheiten, die zur Laktosemalabsorption führen Erkrankung

Beurteilung

Sog. erworbene Laktoseintoleranz des Erwachsenen (primärer, genetisch determinierter Laktasemangel)

Sie ist die häufigste Ursache einer Laktosemalabsorbtion; bei phylogenetischer Betrachtung ein nativphysiologischer Zustand. Erwachsene mit primärem Laktasemangel weisen keine nutritiven Mangelerscheinungen auf, sodass die in ihrer Schwere stark variierende klinische Symptomatik leicht als funktionell bedingt missgedeutet werden könnte. Ein pathologischer LTT sollte Veranlassung zu einem diätetischen Auslassversuch sein. Da es sich um einen selektiven Enzymdefekt handelt, ist die Aktivität anderer Disaccharidasen der Dünndarmschleimhaut nicht beeinträchtigt, die resorptive Funktion intakt (D-Xylosetest, Test mit 25 g D-Glukose + 25 g D-Galaktose)

Sekundärer Laktasemangel

Häufig bei Verminderung anderer Hydrolasen der Dünndarmschleimhaut, die Laktase ist jedoch am empfindlichsten; eine Laktosemalabsorbtion begleitet daher häufig die aufgeführten intestinalen Erkrankungen. Die durch die Disccharidmalabsorption bedingten Symptome bleiben oft durch die Grundkrankheit unentdeckt. Die Laktosemalabsortion wird dabei durch den Verlauf der Grundkrankheit bestimmt, sie kann jedoch auch nach Restitution der Schleimhaut persistieren. Der sekundäre Laktasemangel ist Folge einer Störung der Mukosaintegrität, z. B. bei Zöliakie, tropischer Sprue, intestinalen Lymphomen, Morbus Whipple, genuiner intestinaler Lymphangiektasie, Abetalipoproteinämie, Blind-loop-Syndrom, Strahlenenteritis, infektiösen unspezifischen Diarrhöen im Kindesalter, Neomycin-, Kolchizin-, Zytostatika-(Methotroxat)Behandlung

Laktosemalabsorption im Zusammenhang mit anderen gastroenterologischen Erkrankungen bzw. postoperativen Zuständen

Ein messbarer Laktosemangel, d. h. eine statistisch erniedrigte Aktivität (U/g Protein) des Dünndarmenzyms ist nicht zwangsläufig mit klinischer Laktosemalabsorption korreliert, da die funktionelle wirksame Menge des Enzyms nicht erfasst wird. Umgekehrt existieren Zustände einer Laktosemalabsorption bei normaler Enzymaktivität; diesem Sachverhalt entspricht das Prinzip des H2-Exhalationstests, bei dem der nichtresorbierte Anteil des Kohlenhydrats erfasst wird. Zustände der Laktosemalabsorption im Zusammenhang mit anderen gastroenterologischen Erkrankungen sind: Ulcus duodeni, Magenresektion, Kurzdarmsyndrom, Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, irritables Kolon, infektiöse und unspezifische Diarrhöen bei Erwachsenen, Zollinger-Ellison-Syndrom, Lambliasis, Mukoviszidose, akute Virushepatitis

9

125 Resorptionstests

9

Substrat

H2 O Osmotischer Ausgleich

Passagezeitverkürzung

Volumen = Dehnungsreiz

Bakterielle Fermentation osmot. Teilchenzahl Gasbildung (H2, CO2)

Resorption (H2O, Elektrolyte kurzkettige Fettsäuren)

Volumenüberladung des Colons

Diarrhö . Abb. 9.4  Pathophysiologie bei Laktasemangel als Grundlage des H2-Atemtests zum Nachweis einer Kohlenhydratmalabsorption. Der Laktasemangel in der Bürstensaummembran der Enterozyten bedingt den Verbleib von Laktose im Darmlumen und dadurch eine erhöhte Osmolarität. Folge des dadurch bewirkten osmoregulatorischen Wassereinstroms sind eine verstärkte Volumenbelastung des Dünndarms und – konsekutiv – eine raschere Passage. Übertritt des Substrats (hier Laktose) in das Kolon führt zur raschen Bildung von H2 (diagnostisch) sowie kurzkettigen Fettsäuren. (Nach Lembcke und Caspary 1983)

. Abb. 9.5 Beispiel eines hochpathologischen H2-Anstiegs in der Exhalationsluft nach Laktosebelastung (50 g) bei einem Patienten mit selektivem Laktasemangel (Saccharase-LaktaseQuotient in der Jejunalbiopsie erhöht); Blutglukoseanstieg (grenzwertig) falschnormal (> 1,1 mmol/l)

9

5 Zur Unterscheidung zwischen (asymptomatischer) Laktosemalabsorption und Laktoseintoleranz ist es wichtig, dass eventuell auftretende Symptome während oder nach dem Test dokumentiert werden. (Bei klinischen Begleitsymptomen wie Blähungen, Bauchkrämpfen, Durchfall innerhalb von 6–8 h nach Laktoseeinnahme kann von einer symptomatisch relevanten Pathogenese ausgegangen werden.) 5 Als signifikanter H2-Anstieg wird ein Anstieg um > 20 ppm empfohlen, da dieser besser mit Symptomen korreliert als Anstiege um > 10 ppm (. Abb. 9.4 und 9.5). 5 Die Möglichkeit falsch-negativer Ergebnisse bei H2-non-Producern ist zu berücksichtigen.

Durchführung und Bewertung des Laktosetoleranztests in Kombination mit Ethanol (LTTE/LTTEU) Die Durchführung erfolgt wie beim LTT. Zur Hemmung der hepatischen Umwandlung von Galaktose zu Glukose werden zusätzlich 15 min vor der Laktosegabe 300 mg Alkohol pro kgKG verabreicht. Bestimmt wird

H2 - Konzentration [ppm]

K. Farrag und J. Stein

300

200

100

0

Blutglukosekonzentration [mmol/l]

126

Pat: M. R., männl., 31 J.

0

40

80

120 [min]

0

40

80

120 [min]

6

4

2

0

die Galaktose im Blut 40 min nach Laktoseeinnahme. Beim LTTEU werden lediglich 150 mg Alkohol verabreicht und 40 min nach Laktoseeinnahme erfolgt die Bestimmung der Galaktose im Urin. Als pathologisch gilt: 5 LTTE: Galaktose im Vollblut oder Serum > 0,3 mmol/l (5 mg/dl) 5 LTTEU: Galaktose im Urin > 2,0 mmol/l (36 mg/dl) 13CO

2-Laktose-Atemtest

Die Patienten trinken 50 g (25 g) natürlich angereicherte 13CO2-Laktose (bzw. 5  µCi 14C-markierte Laktose); über 4  h wird die 13CO -Menge kumulativ mittels Massen2 spektrometrie (bzw. die 14CO2-Exahalation 1 h nach Laktoseeinnahme) gemessen. Bei Patienten mit Laktasemangel liegt die kumulative 13CO2-Exhalation bei  7  g/24  h ist pathologisch (Steatorrhö) (Van De Kamer et al. 1949; Van De Kamer 1953).

Nahe Infrarotabsorptionsspek­ trometrie Eine zunehmend eingesetzte methodische Alternative stellt die Messung der Stuhlfettkonzentration mit der nahen Infrarotabsorptionsspektrometrie (NIRA) dar. Sie basiert auf der Tatsache, dass das im nahen Infrarotbereich (700–2500 nm) an der Oberfläche einer Stuhlprobe reflektierte Licht in seinem Spektrum qualitativ und quantitativ durch die Zusammensetzung der Probe bestimmt wird. Determinanten des Reflexionsspektrums sind dabei die Absorptionsspektren spezifischer funktioneller Gruppen (CH, NH, OH). Mit seriellen spezifischen Rotationsfiltern lassen sich dann die Stuhlfettkonzentration, neuerdings aber auch die Konzentrationen von Stickstoff und Kohlenhydraten sowie der Wassergehalt bestimmen (Stein et al. 1994).

Wertigkeit/Interpretation Als Referenzbereiche gelten 0,32–13,4 g/100 g Feuchtgewicht für die Stuhlfettkonzentration bzw. Werte von 7,0 g/24 h für die Stuhlfettausscheidung (maßgeblicher Wert). Grundsätzlich gilt für alle Testverfahren zur Bestimmung der Fettresorption, dass nicht zwischen Maldigestions- und Malabsorptionssyndromen unterschieden werden kann. Einem pathologischen Testergebnis sollten daher stets weitere Funktionsuntersuchungen wie der Sekretin-Pankreozymin-Test, die Elastasebestimmung im Stuhl (7 Kap. 11) zur Erfassung der Pankreasfunktion oder der D-Xylosetest (Resorptionsfunktion des Dünndarmes) folgen. So weist eine Steatorrhö bei normalem Xylosetest auf eine (schwere) Funktionseinschränkung des Pankreas, das gleichzeitige Vorliegen eines pathologischen Xylosetests eher auf eine intestinale Ursache, z. B. Sprue, hin.

Fehlerquellen/Störungen Neben unzureichender oder inkonstanter Fettzufuhr (Beginn 3 Tage vor der Sammelperiode, Fortsetzung während derselben) besteht eine Hauptfehlerquelle in unvollständiger Stuhlasservation (72 h). Bei einer Ernährung mit mittelkettigen Fettsäuren (MCT-Kost) entstehen bei der Van-de-Kamer-Methode Fehler durch unvollständige Extraktion und in der Berechnung (geringeres Molekulargewicht). Stark entzündliche Stühle mit Schleim und Blut oder stark wässrige Stühle führen bei beiden Methoden zu falsch-normalen bzw. pathologischen Ergebnissen (Van De Kamer et al. 1949; Van De Kamer 1953). 9.3.2  β-Karotinoide im Serum

Die Bestimmung der β-Karotinoidkonzentration im Serum stellt einen indirekten Parameter zur Erfassung einer Steatorrhö dar. Die spektralfotometrische Untersuchungsmethode ist einfach,

131 Resorptionstests

zuverlässig, preiswert und rasch verfügbar; sie ist zudem nicht mit den praktischen Problemen der Stuhlsammlung und -bearbeitung verbunden, die Ressentiments gegenüber der Van-de-Kamer-Methode begründen. Die Methode kann daher als klinisch praktikable Alternative zur Stuhlfettanalyse eingesetzt werden, wenn eine quantitative Information über das Ausmaß einer Steatorrhö entbehrlich ist.

Prinzip Die diagnostische Anwendung dieser Bestimmungsmethode beruht auf dem Partitions- und Resorptionsverhalten des β-Karotins. Störungen der Fettassimilation führen dabei zu einer Erhöhung des Löslichkeitspotenzials für β-Karotin und andere fettlösliche Substanzen (z. B. Vitamine) mit der Folge einer verminderten Aufnahme des β-Karotins aus der Nahrung. Da β-Karotin beim Menschen kaum gespeichert wird, tritt ein Absinken der β-Karotinkonzentration im Serum bereits nach 1- bis 4-wöchiger Malassimilation von Fett (oder Karotinmangelernährung) ein.

Methodik Zunächst erfolgt eine venöse Blutentnahme (nüchtern) von 5 ml. Nach Zentrifugation werden die β-Karotinoide aus dem Serum (1 ml) nach Enteiweißung mit 2 ml absolutem Äthanol in Petroläther (2  ml) extrahiert. Nach Trennung der Alkohol- und der Petrolätherphase durch Zentrifugation wird die Extinktion der Gelbfärbung in der Petrolätherphase gemessen, die sich zur β-Karotinkonzentration im Serum proportional verhält.

Wertigkeit/Interpretation Die Verminderung der β-Karotinkonzentration im Serum erlaubt die rasche Erfassung einer Steatorrhö mit einfachen Mitteln; sie lässt jedoch keine Rückschlüsse auf die Ätiologie der Malassimilation von Fett oder auf das

9

quantitative Ausmaß der Steatorrhö zu. β-Kar otinkonzentrationen > 100 µg/100 ml schließen eine Steatorrhö von über 16 g/24 h weitgehend aus; Werte   60 cm, Bestrahlungsfolge –D  ie verminderte CGS-Resektion führt zu einem GS-Spillover ins Kolon (dekompensiert/kompensiert)

Typ 2 (Thaysen-Pedersen-Syndrom) Primäre oder idiopathische Gallensäuremalabsorption

• Ursache unklar – Störung der GS- (ASBT) in terminalen Ileum – Störung der Feedback-Kontrolle durch FGF19 führt zu einer Überproduktion von GS

Typ 3

• Postcholezystektomie – verstärkte sekretorische Wirkung durch häufigere GS-Rezirkulation • Bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms – vorzeitige Dekonjugation • Postvagotomiesyndrom – Störungen der Gallenblasen- und intestinalen Motilität

schen mizellaren GS-Konzentration im Jejunum eine Steatorrhö; in diesen Fällen führt Cholestyramin zu einer Aggravierung der Steatorrhö und Diarrhö. Die klinisch-chemische Diagnostik des Gallensäureverlusts kann durch die gaschromatografische oder enzymatische Bestim­ mung der fäkalen Gallensäuren, den 14C (3H)-Taurocholat bzw. 14C-Glykocholat-Atemtest und den 75SeHCAT-Test (. Tab. 9.8) erfolgen. Obwohl der 14C-Glykocholat-Atemtest ursprünglich zur Erfassung einer Gallensäuremalabsorption entwickelt wurde, liegt seine diagnostische Bedeutung eindeutig in der Erfassung einer gesteigerten bakteriellen GS-Dekonjugation bei bakterieller Überbesiedlung des Dünndarms. 75SeHCAT-Test

Methodik Gegenüber den bereits genannten Methoden zum Nachweis der GS-Malabsorption (enzymatische Bestimmung im Stuhl mit 3α-Hydroysteroiddehydrogenase, postprandialer Anstieg konjugierter Gallensäuren im Serum [RIA], 14C-Glykocholat-Atemtest) hat der 75Selen-Homotaurocholsäure-Retentionstest (SeHCAT-Test) in den letzten Jahren zunehmend Bedeutung im klinischen Alltag

erlangt. Diese nuklearmedizinische Methode verwendet radioaktiv markierte Homotaurocholsäure als Marker der Malabsorption. Nach aktiver Aufnahme in das Ileum durchläuft 75SeHCAT ca. 3- bis 12-mal pro Tag den enterohepatischen Kreislauf. Die Gallensäurenausscheidung wird somit mehrfach reproduziert und gemessen. 23-75Selen-25-Homotaurocholsäure ermöglicht als γ-Strahler die quantitative Bestimmung der Sekretion der Homotaurocholsäure in die Gallenblase; eine Quantifizierung der Nuklidausscheidung im Stuhl ist daher nicht notwendig.

Technische Durchführung Nach Ermittlung des Nüchternnullwerts und erneuter Kontrolle 30 min nach Einnahme von 37 kBq (10 µCi) 75SeHCAT wird nach 6 h die Ausgangsaktivität über dem Abdomen mit einer unkollimierten Großfeld-γ-Kamera bestimmt. Weitere Messungen erfolgen an den nachfolgenden Tagen (1., 2., 4. und 7. Tag). Lassen sich nach 24 h mehr als 80 % der Aktivität in der Gallenblase nachweisen, sind keine weiteren Aufnahmen mehr notwendig (Normwerte nach 48 und 72 h: 65 bzw. 50 %). Für Bilanzmessungen mit dem Ganzkörperzähler oder der unkollimierten γ-Kamera wird eine 75SeHCAT-Retention  48-(72) Std. Stuhl => Aufwendig/Patientenunfreundlich

FGF19

Keine Radioaktivität Einmalbestimmung im Serum

Tagesschwankungen Noch nicht ausreichend validiert

4 Tagen bzw. 12

1,2

Malabsorption

  45 mmol/24 h weisen auf eine erhöhte Resorption für Oxalsäure hin.

9.5.3  Erfassung der

parazellulären Integrität (Permeabilitätstests)

In den frühen 1970er Jahren beobachteten verschiedene Arbeitsgruppen, dass die Einnahme hyperosmotischer Lösungen zeitweilig zum Anstieg der intestinalen Permeabilität bei Gesunden für Oligosaccharide wie Raffinose, Laktulose und sogar für größere Moleküle wie Dextranblau (MG 3.000.000) führt. Das unterstrich die Bedeutung der Osmolarität der eingesetzten Testlösungen bei der Durchführung derartiger Tests. Menzies zeigte bereits 1972, dass die Einnahme von isoosmolaren Lösungen eine erhöhte renale Exkretion von Laktulose zur Folge hat. Wilar u. Menzies benutzten FITC-gekoppeltes Dextran, das 1972 zur Permeabilitätsbestimmung biologischer Membranen eingeführt wurde, in Verbindung mit Laktulose, Raffinose und Stachose (MG 342.000, 504.000 und 666.000) zur nichtinvasiven Bestimmung intestinaler Porenprofile beim Menschen. Es folgten weitere, in der Zusammensetzung modifizierte Permeabilitätstests, die meist aus Kombinationen von Disaccharid und Monosaccharid bestanden, z.  B. Zellulose-Mannitol oder Laktulose-Rhamnose. Ende der 70er Jahre wurden niedermolekulare Polyäthylenglykole und 51Cr-Äthylendiamintetraessigsäure (51Cr-EDTA) als Marker der intestinalen Permeabilität eingeführt (Bischoff et al. 2014).

Technische Durchführung Die Analytik der genannten Zucker wird gegenwärtig in der Regel mit quantitativ chromatografischen Techniken wie Papierchromatografie oder Dünnschichtchromatografie in Verbindung mit einer densitometrischen Detektion durchgeführt. Zunehmend werden GC und HPLC eingesetzt. Entscheidender Vorteil der Dünnschichtchromatografie gegenüber den genannten säulenchromatografischen Techniken ist dabei die Tatsache, dass kumulative

141 Resorptionstests

Bestimmungen durchgeführt werden. Für Mannitol und Laktulose stehen sowohl spektrofotometrische Assays als auch enzymatische Bestimmungen zur Verfügung. Nachteil dieser hochspezifischen enzymatischen Bestimmungen sind die hohen Einzelkosten, wodurch sie beim Einsatz für Routinemessungen deutlich teurer als die chromatografischen Methoden sind. Polyäthylenglykole (PEG) hingegen werden derzeit gaschromatografisch oder hochdruckflüssigkeitschromatografisch bestimmt. Generell bleibt festzuhalten, dass den Sammelbehältern stets Präservativa zugesetzt werden müssen. Der Einsatz 14C- oder 3H-markierter Substanzen wie Mannitol und PEG macht den Einsatz von Flüssigszintillatoren notwendig, die Messung von 51Cr-EDTA bedarf der γ-Radiometrie, wozu ein zusätzlicher apparativer Aufwand erforderlich ist. Der ideale Test-Marker zur Erfassung der intestinalen Permeabilität sollte biochemisch inert sein und die intestinale Barriere mittels Carrier-unabhängiger Diffusion passieren. Da die jeweilige Substanz normalerweise über

ihre renale Ausscheidung erfasst wird, ist eine unabdingbare Notwendigkeit, dass sich die jeweilige Substanz nach intravenöser Applikation möglichst zu 100 % im Urin wiederfindet. Derzeit erfüllt keiner der benutzten Testmarker diese Kriterien in allen Belangen. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich durch die individuelle Variation der Entleerungsrate des Magens, der intestinalen Transitzeit und der Verdünnung durch gastrointestinale Sekretion. Weitere Fehlerquellen, die allerdings durch die Verwendung von Zweifachtestsystemen zumindest teilweise umgangen werden können, ergeben sich bei den Einzelzuckertests durch veränderte renale Clearance und unvollständige Sammlung des Urins. . Tab. 9.11 stellt die Permeationsraten und die prozentualen renalen Wiederfindungsraten nach intravenöser Gabe der derzeit üblichen Testsubstanzen dar. Von zahlreichen Autoren wurde versucht, die Permeationsraten mit dem hydrodynamischen Durchmesser oder auch dem Volumen der benutzten Testsubstanz in Beziehung zu setzen. Hierbei wurde meist versucht, die hydrodynamischen

. Tab. 9.11  Physikochemische Eigenschaften von Permeabilitätsmarkern Probe

Molekulargewicht [MG]

9

Permeationsrate der oralen Dosis (5 h) [%]

Isoosmolar (200– 300 mosmol/kg)

Hyperosmolar (1350–1500 mosmol/kg)

Renale Wiederfindung der i.v.-Dosis [%]

L-Arabinose

80.000

17



73

L-Rhamnose

164.000

10,1

11,7

72

D-Mannitol

182.000

16,8

20,6

79

Laktulose

342.000

0,25

0,41

97

Zellubiose

342.000



0,38

92

51Cr-EDTA

359.000

0,64/1,64 (24 h)

0,70/1,44 (24 h)

96

Raffinose

504.000

0,26



97

PEG-300

194.000–502.000

18,2



41

99mTc-DTPA

549.000

2,8



97

Dextran

3.000.000

0,04

0,12

96

142

9

K. Farrag und J. Stein

Daten der Molekularradien viskometrisch zu bestimmen. Neue Computermodelle, die neben den Molekularzusammensetzungen, der Molekularmasse, Geometrie und der optischen Konformation auch Van-de-WaalsRadien berücksichtigen, zeigten, dass die meisten Testsubstanzen kleinere effektive Radien besitzen, als allgemein angenommen. Wie bereits erwähnt, lassen sich sog. nichtmukosale Störfaktoren, wie z.  B. die individuelle Motilitätsvariation, veränderte renale Clearance und Urinsammelfehler, durch Benutzung zweier unterschiedlich großer Testmarker reduzieren. Die Kombination größerer Moleküle, wie Laktulose, Zellubiose oder EDTA, mit kleineren Substanzen, wie L-Rhamnose oder Mannitol, ermöglicht die Ermittlung eines sog. Permeationsverhältnisses, in dem die Permeation eines großen Moleküls zur Permeation eines kleinen Moleküls ins Verhältnis gesetzt wird. Die Vielzahl der heute benutzten Testsubstanzen zur Erfassung der intestinalen Permeabilität umfasst Inertzucker, radioaktive Isotope und Polyäthylenglykole unterschiedlicher Molekülgröße (PEG  400, 600, 900, 1000, 4000).

Wertigkeit/Interpretation Inertzucker (Disaccharide/Monosaccharide) Zellubiose-Mannitol und Laktulose-Mannitol: Bei beiden Testsystemen handelt es sich wohl um die bestdokumentierten Zuckertests. Während die humanen, intestinalen Disaccharidasen keinen Zugriff auf Laktulose haben, ist für Zellubiose zumindest eine teilweise Hydrolyse durch intestinale Laktase nachgewiesen. Allerdings ist die Affinität von Laktase für Zellubiose zu gering, um im klinischen Test zu Interferenzen zu führen. Über den intestinalen Permeationsweg von Mannitol herrscht Unklarheit. Während bei in-vitro-Versuchen Mannitol als Marker für die parazelluläre Permeabilität benutzt wird, wird in vivo ein transzellulärer Weg favorisiert,

da bei oraler Gabe eine hohe renale Wiederfindungsrate gemessen wird, die bei einer Villusatrophie abnimmt. Wahrscheinlich liegt für die Substanz ein dualer Permeationsweg vor. Krugliak et al. (1994) zeigten, dass zumindest für den Intestinaltrakt der Ratte unter In-vivo-Bedingungen Mannitol die intestinale Barriere via Konvektion, transzellulären Wasserverschiebungen folgend, passiert (Stein und Lembcke 1999). Dies impliziert, dass das Ausmaß der intestinalen Permeabilität von Mannitol in erster Linie durch die Richtung der intestinalen Wasserverschiebung bestimmt wird, was von den Autoren eindrucksvoll demonstriert werden konnte. In diesem Zusammenhang ebenfalls interessant ist die Tatsache, dass bei Ratten und Hunden ca. 8 % des Mannitols, wahrscheinlich durch eine hepatische Sorbitol-D-Hydrogenase, metabolisiert wird. Dies setzt jedoch eine zelluläre Aufnahme des Mannitols voraus. Für diese Annahme sprechen auch Versuche, wonach beim Menschen nur 70  % renal wiedergefunden wurden. Andere Arbeitsgruppen berichten dagegen von einer 100 %igen renalen Wiederfindungsrate. Es bleibt daher an dieser Stelle festzuhalten, dass die Interpretation einer veränderten intestinalen Permeabilität für Mannitol zu berücksichtigen hat, dass jede Art von sekretorischer Diarrhö trotz Vorliegen einer erhöhten parazellulären Permeabilität eine verminderte Aufnahme von Mannitol zur Folge haben kann (. Abb. 9.8). Laktulose-Rhamnose und Zellobiose-Rhamnose: Rhamnose ist im Gegensatz zur schon erwähnten Laktulose weit weniger gut geeignet, die parazelluläre Permeabilität zu erfassen. Dies liegt an der mit 75 % geringen Wiederfindungsrate – der Verbleib der restlichen 25 % ist unbekannt. Ferner ist aber auch bei dieser Substanz, ähnlich dem Mannitol, der Permeationsweg unklar. Eine zumindest teilweise transzelluläre Aufnahme muss angenommen werden, da Rhamnose die Erythrozytenmembran durchdringen kann und zudem im Vergleich zu ­Mannitol

143 Resorptionstests

Mannitol, Rhamnose

Laktulose, 51 Cr-EDTA

9

PEG 400

Blut

. Abb. 9.8  Erfassung der intestinalen Permeabilität durch Messung der fraktionierten Harnausscheidung oral verabreichter inerterMarkersubstanzen. Erläuterung siehe Text (nach Caspary und Stein 1999; Odenwald und Turner 2013)

eine deutlich höhere Permeationsrate an künstlichen Lipidbilayern aufweist. Erste eigene Versuche weisen auf den gleichen Permeationsweg wie für Mannitol hin, was die gleichen Kritikpunkte der Interpretation klinischer Daten aufwirft wie für Mannitol (. Abb. 9.8).

von Carrier-vermitteltem intestinalen Transport und erleichterter Diffusion. Weiter ist noch die Verbindung von Raffinose oder Arabinose mit Laktose möglich. L-Arabinose besitzt jedoch offensichtlich Affinität zu intestinalen Transportsystemen und ist damit als Permeationsmarker ungeeignet.

Mehrfachzuckertests Mit einer Kombination von Zuckern ist es möglich, mehrere intestinale Funktionsparameter wie z. B. die intestinale Disaccharidaseaktivität oder den Carrier-vermittelten Transport zu bestimmen. Die Kombination von Laktulose, Saccharose oder auch Xylose erlaubt die Differenzierung von primären und sekundären Disaccharidasedefekten. Die Kombination von Laktulose oder Rhamnose mit D-Xylose und 3-O-Methylglukose ermöglicht die simultane Erfassung

Isotopentests Der Einsatz von Isotopen zur Bestimmung der intestinalen Permeabilität bringt zwar technisch deutliche Vorteile, aber die Tatsache, dass es sich um Einzelmarkertests handelt und der Umgang mit Radioaktivität generell zu Problemen führt, macht sie für Routinebestimmungen unattraktiv. 51Cr-Äthylendiamintetraessigsäure

In der klinischen Praxis haben sich nuklearmedizinische Verfahren zur Erfassung

144

9

K. Farrag und J. Stein

der intestinalen Permeabilität bislang nicht entscheidend durchsetzen können. Die ursprünglich zur Messung der renalen Clearance entwickelte 51Cr-Äthylendiamintetraessigsäure (51Cr-EDTA) ist im Gegensatz zu Inertzuckern gegen bakterielle Umsetzung resistent und kann daher als Einzige zur Bestimmung der Kolonpermeabilität eingesetzt werden. Dazu wird 51Cr-EDTA zusammen mit Laktulose oral gegeben. Mit dieser Kombination kann die intestinale Permeabilität rechnerisch korrigiert werden. Ursprünglich war hierbei eine 24-h-Urinsammlung üblich, offensichtlich reicht aber eine 5­-stündige Sammelperiode aus. Gegen eine häufigere Anwendung der 51Cr-Permeabilitätsbestimmung sprechen aber die hohe interindividuelle Streuung der renalen Ausscheidung und die durch eine mit 27 Tagen relativ lange Halbwertszeit des Radionuklids bedingte Strahlenbelastung. Außerdem ist 51Cr-EDTA wenig geeignet zur Permeabilitätsbestimmung bei Zöliakie. Dies trifft jedoch auch für alle Monozuckertests zu. Die Kombination von 51Cr-EDTA mit L-Rhamnose oder Mannitol führte zu keiner Verbesserung, da sich die Absorption von EDTA im Kolon weiterhin als Störfaktor erwies, was auch durch eine Reduzierung der Sammelperiode auf 5 h nicht völlig beseitigt werden kann. 99mTc-Diäthylentriaminopentaacetat 99mTc-Diäthylentriaminopentaacetat

(99mTcDTPA) wird als Dinatriumkomplex (MG 549.000) verwendet. Diese Verbindung konnte erstmals erfolgreich zur Bestimmung der Kolonpermeabilität bei Colitis ulcerosa eingesetzt werden. Über die Pharmakokinetik ist noch wenig bekannt, die kurze Halbwertszeit von 6 h mit der damit verbundenen geringeren Strahlenbelastung für den Patienten bedeutet jedoch einen entscheidenden Vorteil gegenüber 51Cr-EDTA.

Polyäthylenglykole Polyäthylenglykole (PEGs) wurden schon in den unterschiedlichsten Molekulargewichtsbereichen eingesetzt. Die Spanne reicht von PEG 400 bis PEG 5000. Die letztgenannte Substanz wurde erstmals von Fordtran et al. (1965) am Menschen verwendet. Kommerziell erhältliche Marker enthalten in der Regel PEG 400, dessen Molekulargewicht von 192–502 reicht. Die quantitative Bestimmung erfolgt durch GC oder HPLC. Primär sind PEGs sehr gut wasserlösliche Substanzen. Zahlreiche Arbeiten konnten jedoch zeigen, dass eine nicht unerhebliche Löslichkeit für unpolare Lösungsmittel wie Butanol besteht, was für Laktulose, Mannitol, Rhamnose oder 51Cr-EDTA nicht gilt. Zudem ist PEG 400 in der Lage, in Liposome einzudringen. Die Tatsache, dass PEG  400 nach intravenöser Applikation sehr unvollständig ausgeschieden wird, macht eine systemische Fixierung wahrscheinlich und stellt die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse infrage. Die große Molekulargewichtsspanne ist ein Nachteil, da es für jeden Gewichtsbereich andere Ausscheidungsraten gibt. Es entstehen daher insbesondere für kleinere PEG-Verbindungen (z.  B. PEG  400) zunehmend Bedenken. Zudem sind die in der Literatur aufgeführten Daten widersprüchlich hinsichtlich erhöhter oder verminderter Exkretion bei intestinalen Erkrankungen. Genauso wirft die Tatsache, dass Polyäthylenglykole mit einem mittleren Molekulargewicht von 340.000 die intestinale Mukosa ca. 100fach effizienter durchdringen als Laktulose oder 51Cr-EDTA, die ein ähnliches Molekulargewicht aufweisen, weitere Fragen hinsichtlich des Permeationsweges auf. Ein Erklärungsansatz wäre, dass PEGs grundsätzlich eine lineare Molekülanordnung mit einem engeren Durchmesser aufweisen als bisher angenommen. Die Passage durch kleinere Poren wäre dann möglich. Ebenso könnte dies durch die deutlich höhere Lipophilie der PEGs und die damit erhöhte Membrangängigkeit erklärt werden.

145 Resorptionstests

9.5.4  Erfassung der

Enterozytenmasse unabhängig von der resoptiven Funktion

Enterozyten produzieren spezifisch Citrullin aus Glutamin und Abkömmlingen dieser Aminosäure. Dieser Stoffwechsel ist überwiegend im Duodenum und Jejunum lokalisiert (. Abb. 9.9 und 9.10). Vor dem Hintergrund dieser relativen Organspezifität des Citrullins wurden die Plasmakonzentrationen dieser Aminosäure als Marker der Enterozytenmasse im Dünndarm untersucht. Daten zahlreicher kleinerer Studien weisen auf eine gute bis sehr gute Korrelation der Citrullinkonzentration mit der Enterozytenmasse bei Dünndarmschädigungen im Rahmen einer Sprue sowie chemo- oder radiotherapieassoziierter

9

Toxizität hin. Die Bestimmung erfolgt mittels HPLC-UV (Cut-off 23 µmol/l), ist vergleichsweise weniger zeitaufwendig und kostengünstiger als der klassische Xylosetest (Jianfeng et al. 2005; Crenn et al. 2008). 9.6  Diagnostik bei Verdacht

auf bakterielle Fehl-/ Überbesiedlung des Dünndarms

Die bakterielle Überbesiedlung des Dünndarms (Synonym: Blindsacksyndrom) stellt eine Ursache des Malassimilationssyndroms dar, die klinisch nur schwer diagnostisch zu sichern und in ihrer individuellen Bedeutung zu objektivieren ist. Voraussetzung für das Entstehen einer bakteriellen Überwucherung des ­Dünndarms,

. Abb. 9.9  Metabolismus von Citrullin (Crenn et al. 2000)

146

K. Farrag und J. Stein

1,0

Stuhlgew. Stuhlfett (Tag) Pat. K. P. weibl., 73 J. 200

% Dosis / mmol CO2 x g

0,8

9

20 10

0,6

ppm H2 60

0,4

40

0,2

20

0

0

0

0

. Abb. 9.10  Patientin mit bakterieller Überbesiedlung infolge duodenaler und jejunaler Divertikulose. Erhöhung von Stuhlgewicht (normal  100  µg/ 100  ml schließen eine Steatorrhö von N-Benzoyl-L-Tyrosyl-P-Aminobenüber 16  g/24  h weitgehend aus; Werte Der (NBT-PABA-Test) wurde