Friedrich List als Eisenbahnpionier in den USA: Die Little Schuylkill-Eisenbahn in Pennsylvania - eine deutsch-amerikanische Pionierleistung [1. Aufl.] 9783658314224, 9783658314231

In diesem Buch wird die technische Pionierleistung des Wirtschaftstheoretikers Friedrich List (1789-1846), die er für de

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Friedrich List als Eisenbahnpionier in den USA: Die Little Schuylkill-Eisenbahn in Pennsylvania - eine deutsch-amerikanische Pionierleistung [1. Aufl.]
 9783658314224, 9783658314231

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XV
Teil 1: Die historische Bedeutung von Friedrich List (Eugen Wendler)....Pages 17-24
Teil 2: Das amerikanische Exil von Friedrich List von 1825 bis 1832 (Eugen Wendler)....Pages 25-32
Teil 3: Unberührte Natur und unwegsames Gelände in der Region um den Blue Mountain in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (Eugen Wendler)....Pages 33-42
Teil 4: Die weitgehende Ausrottung der Indianer durch weiße Siedler und die Einstellung von Friedrich List (Eugen Wendler)....Pages 43-50
Teil 5: Die wachsende Bedeutung der Kohle im Zuge der Frühindustrialisierung (Eugen Wendler)....Pages 51-58
Teil 6: Die Entstehung der Anthrazitkohle, ihr Aufstieg und Niedergang (Eugen Wendler)....Pages 59-62
Teil 7: Die Entdeckung eines Kohlevorkommens in Pennsylvania durch Friedrich List (Eugen Wendler)....Pages 63-68
Teil 8: Der Bau der Little Schuylkill-Eisenbahn (Eugen Wendler)....Pages 69-84
Teil 9: Die Würdigung von Lists Verdiensten beim Bau der Little Schuylkill-Eisenbahn durch Dr. Isaac Hiester (Eugen Wendler)....Pages 85-90
Teil 10: Tamaqua und Port Clinton – die beiden Endpunkte der Little Schuylkill-Eisenbahn (Eugen Wendler)....Pages 91-96
Teil 11: Die ersten positiven Auswirkungen der Little Schuylkill-Eisenbahn (Eugen Wendler)....Pages 97-102
Anhang: Dr. Karl (Charles) Neidhard (1809–1895) Stiefsohn von Friedrich List – ein Pionier der Homöopathie in den USA (Eugen Wendler)....Pages 103-104
Back Matter ....Pages 105-111

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Eugen Wendler

Friedrich List als Eisenbahnpionier in den USA Die Little Schuylkill-Eisenbahn in Pennsylvania – eine deutsch-amerikanische Pionierleistung

Friedrich List als Eisenbahnpionier in den USA

Eugen Wendler

Friedrich List als ­Eisenbahnpionier in den USA Die Little Schuylkill-Eisenbahn in Pennsylvania – eine deutsch-amerikanische Pionierleistung

Eugen Wendler Reutlingen, Deutschland

ISBN 978-3-658-31422-4 ISBN 978-3-658-31423-1  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-31423-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detail­ lierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

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Carina Reibold vom Fachverlag SpringerGabler in Dankbarkeit gewidmet.

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Friedrich List: „Durch Wohlstand zur Freiheit“

Listportrait von Prof. Maximilian Klewer, Berlin.

Erstes Kapitel .Jugend- und Reifejahre

Geleitwort von Tom McMahon ehemaliger Bürgermeister von Reading PA.

Die Städtepartnerschaft Reutlingen-Reading PA., die 1998 gegründet wurde, existiert nun seit 30 Jahren und hat auf beiden Seiten mit dem Austausch von Studenten, Künstlern, Musikern, Kommunalpolitikern, Wissenschaftlern, Lehrern und Touristen reiche Früchte getragen. Diese Partnerschaft beruht nicht nur darauf, dass der Reutlinger Nationalökonom Friedrich List (17891846) von 1826 bis 1831 mit seiner Familie in Reading lebte und sein Lebenswerk der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik widmete, sondern auch im Osten der USA ein bedeutender Eisenbahnpionier war. Vielleicht noch bedeutsamer war sein Einfluss als Redakteur des „Readinger Adler” auf die Wahl von Andrew Jackson zum 6. Präsidenten der USA. Die Entdeckung der Steinkohle in Pennsylvania hatte einen großen Einfluss auf die Lebensbedingungen der Menschen, die zum Kohletransport ein Kanalsystem geschaffen haben. Der Bau der Little Schuylkill-Eisenbahn, die von Friedrich List und anderen initiiert wurde, beschleunigte den Transport der Kohle und die Energiegewinnung. Prof. Wendler hat einen reichen Schatz an vielen Details zu Tage gefördert und eine eindrucksvolle Dokumentation vorgelegt, die zeigt, was dies für eine immense Pionierleistung war. Dafür spreche ich ihm persönlich auch im Namen der Bürger unserer Stadt, meine tief empfundene Dankbarkeit aus. Unsere Städte haben mehrere Gemeinsamkeiten. Reutlingen hat ca. 110 000 und Reading 90 000 Einwohner. Beide Städte haben in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen dramatischen Strukturwandel erfahren; Reutlingen in der Textilindustrie und Reading in der Metall- und Schwerindustrie. Seit 1990 befindet sich Reading wieder auf einem Wachstumspfad. Neue Bewohner bringen neue Herausforderungen und Chancen. Reading ist auch als „Brezel-Stadt” bekannt, weil hier die besten und verschiedensten Brezeln hergestellt werden. Ich wünsche der Städtepartnerschaft ein weiteres Blühen und Gedeihen. Mein Traum ist, dass vor allem junge Menschen auf beiden Seiten des Atlantiks von den Forschungsergebnissen von Prof. List profitieren. Ich denke, List wäre stolz auf das, was Prof. Wendler geschaffen hat, um dessen Gedächtnis bei der Nachwelt zu bewahren. Dafür bin ich Prof. Wendler außerordentlich dankbar. Tom McMahon ehemaliger Bürgermeister von Reading PA. (2004 bis 2012) 7

Erstes Kapitel .Jugend- und Reifejahre

Grußwort von Thomas Keck Oberbürgermeister der Stadt Reutlingen

Reutlingen hat seit 1998 eine Städtepartnerschaft mit der amerikanischen Stadt Reading in Pennsylvania. Zahlreiche Begegnungen, Schüleraustausche und kulturelle Aktivitäten tragen seit über 20 Jahren dazu bei, dass sich Menschen aus den beiden Kontinenten treffen, sich austauschen und Verständnis und Respekt füreinander aufbringen – kurzum: Freundschaft pflegen. Was verbindet uns? Das ist der große Reutlinger Ökonom-Politiker, Eisenbahn-Pionier und Journalist Friedrich List, der in beiden Städten sehr produktiv tätig war. Durch die sogenannte Reutlinger Petition, mit der er staatliche Missstände anprangerte und liberale Reformen forderte, geriet List in den 1820erJahren unter die Repression des Königreichs Württemberg, was ihn schließlich veranlasste, nach Amerika auszuwandern. Dort ließ er sich in Reading nieder. Ich freue mich, dass Prof. Eugen Wendler nun mit diesem Werk das segensreiche Wirken des gebürtigen Reutlingers Friedrich List in Amerika ausführlich darstellt. Das Werk ist auch ein Ergebnis unserer Städtepartnerschaftsarbeit. Vermittelt und unterstützt durch das Kulturamt konnte Herr Prof. Wendler auf seiner ersten Reise 2014 an die guten Verbindungen zwischen unseren Städten anknüpfen, insbesondere mit dem früheren Bürgermeister Tom McMahon und dem Berks History Center, und so den Spuren Friedrich Lists in den USA nachgehen. Mit diesem Buch wird nun die Grundlage unserer Städtepartnerschaft umfassend aufbereitet. Die Hilfsbereitschaft und Aufmerksamkeit. die dem bedrängten Auswanderer Friedrich List und seiner Familie mit vier kleinen Kindern zuteil wurden, sollen auch die Basis unserer Städtepartnerschaft in Zukunft sein. Ich danke Herrn Prof. Wendler für seinen unermüdlichen Einsatz für Friedrich List und die Städtepartnerschaft. Auch allen Beteiligten, die zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben, gilt mein Dank. Mit diesem Werk sehen wir, dass Friedrich List, der viel Positives vor allem für Deutschland bewirkte, auch heute noch beziehungsstiftend weiterwirkt. Möge auch dieses Buch dazu beitragen, die Bande zwischen Reutlingen und Reading und zwischen Deutschland und den USA zu festigen.

Thomas Keck, Oberbürgermeister 9

Vorwort

Anlässlich des 225. Geburtstages von Friedrich List wurde ich 2014 von der Historical Society in Reading zu einer Vortragsveranstaltung und Präsentation meiner ins Englische übersetzten List-Biographie mit dem Titel „Friedrich List (1789-1846): A Visionary Economist with Social Responsibility“ eingeladen. Die Vorbereitung und das damalige Besuchsprogramm verdanke ich Tom McMahon, dem früheren Bürgermeister Der Autor während von Reading, der schon damals zu einem wunderbaren der Bahnfahrt von Freund geworden ist. Der damalige Besuch der Little Reading nach Jim Schuylkill-Railroad weckte in mir den Wunsch, noch- Thorpe im Juni 2019. mals nach Reading zu reisen, um Lists Mitwirkung an dieser Eisenbahn besser verstehen zu können. Diese Gelegenheit bot sich im Juni 2019. Wiederum lag das Besuchsprogramm in den bewährten Händen von Tom McMahon, der von den beiden Mitgliedern des Stadtrates Donna Reed und Marcia Hinnershitz tatkräftig unterstützt wurde und zu denen sich noch Marcia’s Ehemann Rick Hinnershitz gesellte. Während meines einwöchigen Aufenthaltes erfuhr ich vor allem von diesen Personen eine einzigartige Gastfreundschaft, wie sie herzlicher nicht sein kann. Dafür möchte ich diesen treuen Freunden meinen ganz besonderen Dank sagen. Aber auch alle anderen Gesprächspartner, die ich bei meinen Recherchen zu Rate ziehen konnte, waren äußerst hilfsbereit und entgegenkommend. Ich nenne hier: Dale Freudenberger, Leiter des Historischen Museums in Tamaqua, Ron Devlin, Leiter des Historical Centers in Pottsville, Luke McLaughlin, Leiter des Railroad Museums in Port Clinton, Matt Fisher, General Manager der Reading and Northern Railroad, Fred Sheeler, Recorder of Deeds Office der County of Berks, Lauren Radkiewicz, Leiterin des Archivs des Pennsylvania Railroad Museums in Strasburg, Charles J. Adams III, Editor der Historical Review of Berks County sowie John Drury, Leiter des Mauch Chunk Museums in Jim Thorpe. Überall habe ich kleine Mosaiksteine an Bildern und Informationen erhalten, die ich für die vorliegende Dokumentation verwenden konnte. Dafür bin ich diesen Personen in Dankbarkeit verbunden. Bei der zweiten Reise erlebte ich vor allem zwei Höhepunkte. Der erste war eine fast 2 ½ stündige Bahnfahrt mit der Reading and Northern Railroad von Reading nach Jim Thorpe mit einer alten Diesellokomotive. Das Herzstück dieser Route bildet die alte Little Schuylkill-Railroad, die von Friedrich List initiiert wurde. Dabei konnte ich mir ein einigermaßen stimmiges Bild verschaffen, unter 11

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Friedrich List als Eisenbahnpionier in den USA

welch widrigen Umständen diese Bahn gebaut wurde und was dies für eine außergewöhnliche Pioniertat war. Das andere Highlight war die völlig überraschende Ehrung im Readinger Rathaus. Während einer offiziellen Sitzung des Stadtrates wurde mir ein Ehrendiplom für meine Verdienste um die List-Forschung verliehen. In der Verleihungsurkunde heißt es: „Bei den US-Amerikanern besteht ein wachsendes Interesse, ihre historischen Wurzeln zu erkennen, woher sie kommen und weshalb sie in diesem Land sind und ihr historisches Erbe zu pflegen; ebenso für Kommunen ihre Vergangenheit zu würdigen und ihr Erbe wach zu halten. Die Kommunen müssen auch die Persönlichkeiten würdigen, die einen außergewöhnlichen Beitrag für ihr Gemeinwesen geleistet haben. Zu den wichtigsten Personen von Reading zählen neben den beiden Söhnen von William Penn und Danil Boone, Friedrich List, der 1789 in unserer deutschen Partnerstadt Reutlingen geboren wurde. Heute haben wir die Ehre, den wahrscheinlich besten Kenner von Leben und Werk von Friedrich List, Prof. Eugen Wendler, willkommen zu heißen. Prof. Wendler hat den größten Teil seines akademischen Wirkens als Professor an der Hochschule Reutlingen der List-Forschung gewidmet und darüber mehr als ein Dutzend Monografien veröffentlicht und alle Aspekte von Lists Leben und Wirken beleuchtet, einschließlich seiner Bemühungen, Deutschland ein vernünftiges Wirtschaftssystem zu vermitteln, das den deutschen Territorialstaaten ihre wirtschaftliche Einigung erlaubte, neue Unternehmen förderte und es ihnen ermöglichte, Weltniveau zu erreichen. Außerdem hat Friedrich List als Redakteur des Readinger Adler die deutschsprachige Bevölkerung in Pennsylvania angesprochen und dabei einen entscheidenden Einfluss auf die Wahl von Präsident Jackson ausgeübt. Außerdem hat er am Bau des Kanalsystems im östlichen Teil von Pennsylvania und später am Bau der Little Schuylkill-Eisenbahn mitgewirkt, aus der die Reading Ralroad hervorgegangen ist. Deshalb verkünden wir mit großem Stolz und Ehre: Dass wir Prof. Eugen Wendler für seine lebenslangen Bemühungen eine offizielle Würdigung aussprechen, weil er das Werk von Friedrich List auf der ganzen Welt bekannt gemacht hat und uns an die Geschichte von Reading PA als eine kräftige und stolze Stadt erinnert, die mit Hilfe der Reading Railroad zu einer der bedeutendsten Industriestädte der damaligen Zeit werden und für die Einheit unserer jungen Nation einen wichtigen Beitrag leisten konnte. Als stolze Erben des Werkes von Friedrich List, das von Prof. Wendler dokumentiert wurde und weil er uns die Geschichte dieses bedeutenden Vorfahrens unserer Stadt vermittelt hat, möchten wir ihm heute unsere tiefempfundene Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Geschehen, den 25. Juni 2019“

Vorwort

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Diese Ehrung war ein sehr emotionaler Moment für mich, und ich danke allen, die diese Ehrung unterstützt haben. Es war mir ein inneres Bedürfnis, die Gründungsgeschichte der „Little Schuylkill Railroad“ so gut wie möglich zu erforschen, um damit einen wichtigen Beitrag sowohl für die amerikanische als auch die deutsche Eisenbahngeschichte zu leisten. Darauf beruht auch die Städtepartnerschaft zwischen Reutlingen und Reading, die seit dem Jahre 1998 besteht. Damit verbinde ich auch die Hoffnung, dass diese Partnerschaft in Zukunft noch reichere Früchte tragen möge, als dies in der Vergangenheit bereits der Fall war. Im Augenblick wird diese von amerikanischer Seite vor allem von Tom McMahon, Donna Reed und Marcia Hinnerschitz mit großem persönlichen Engagement mit Leben erfüllt. Dafür möchte ich diesen Freunden mein Lob und meine Anerkennung aussprechen. Die Städtepartnerschaft soll ja in Zukunft weiterwachsen und blühen. Dazu möchte ich mit dieser Dokumentation eine bleibende Grundlage leisten. Ich hoffe, dass man in Zukunft auf beiden Seiten des Atlantiks darauf zurückgreifen und damit das Gemeinsame und Verbindende unterstreichen wird. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Freund Tom McMahon sowie dem Oberbürgermeister der Stadt Reutlingen, Thomas Keck, für die beiden Geleitworte, in denen sie die Bedeutung der Städtepartnerschaft Reutlingen-Reading würdigen und nachdrücklich begrüßen. Da es mir vergönnt war, die letzte Nacht meiner zweiten Reise nach Reading im Stirling House, einer prachtvollen, schlossartigen Villa eines reichen Eisenbahnmagnaten aus der Jahrhundertwende verbringen zu dürfen, habe ich für die Fertigstellung meiner Recherche diesen wunderschönen Ort gewählt. In großer Dankbarkeit erlaube ich mir, diesen Band Band Frau Carina Reibold vom Verlag SpringerGabler für die tatkräftige Unterstützung während der Drucklegung sowie für die Betreuung des Bandes IX zu widmen. Außerdem habe ich mich wieder bei meinem Freund Fritz Keppler für den Satz zu bedanken. Durch diese einzigartige Konstellation und Zusammenarbeit war es mir vergönnt, in die Fußstapfen der Friedrich-List-Gesellschaft zu treten, die in der extrem schwierigen Zeit von 1925 bis 1935 die 10. bzw. 12 bändige Gesamtausgabe bewerkstelligt hat und damit die List-Forschung erst ermöglichte. Möge auch diese Reihe als Anstoß für weitere Forschungen dienen und dazu beitragen, dass Friedrich List aus seinem Dornröschenschlaf erweckt wird.

Eugen Wendler Reading, Stirling House, 25.6.2019.

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Friedrich List und die Dritt Welt – Grundzüge der Entwicklungspolitik

T. McMahon und E. Wendler beim Besuch des Bahnhofmuseums in Port Clinton.

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Geleitwort von Tom McMahon, ehemaliger Bürgermeister von Reading PA. Grußwort von Thomas Keck, Oberbürgermeister der Stadt Reutlingen Vorwort

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01. Die historische Bedeutung von Friedrich List

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02. Das amerikanische Exil von Friedrich List

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03. Unberührte Natur und unwegsames Gelände in der Region um den „Blue Mountain“in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert

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04. Die weitgehende Ausrottung der Indianer durch weiße Siedler und die Einstellungvon Friedrich List

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05. Die wachsende Bedeutung der Kohle im Zuge der Frühindustrialisierung 51 06. Die Entstehung der Anthrazitkohle, ihr Aufstieg und Niedergang

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07. Die Entdeckung eines Kohlevorkommens in Pennsylvania durch Friedrich List

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08. Der Bau der Little Schuylkill-Eisenbahn

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09. Die Würdigung von Lists Verdiensten beim Bau der Little Schuylkill-Eisenbahn durch Dr. Isaac Hiester

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10. Tamaqua und Port Clinton – die beiden Endpunkte der Little Schuylkill-Eisenbahn

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11. Die ersten positiven Auswirkungen der Little Schuylkill-Eisenbahn

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12. Anhang: Dr. Karl (Charles) Neidhard (1809-1895), Stiefsohn von Friedrich List – ein Pionier der Homöopathie in den USA

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Literaturverzeichnis Bildnachweis Buchpublikationen des Autors

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Teil 1: Die historische Bedeutung von Friedrich List

Teil 1: Die historische Bedeutung von Friedrich List

Friedrich List wurde am 6. August 1789, im Jahr der französischen Revolution, in der damals Freien Reichsstadt Reutlingen geboren. Die Stadt liegt heute in Baden-Württemberg, ca. 30 Meilen von Stuttgart entfernt. Am Anfang seines Werdeganges hat List eine sehr hoffnungsvolle und erfolgreiche Karriere in der Verwaltung und im Staatsdienst des neu geschaffenen Königreichs Württemberg aufzuweisen. Im April 1817 erhielt er vom württembergischen Innenminister die Anweisung, er solle sich nach Heilbronn begeben, wo wieder ein großes Auswandererschiff vor Anker lag. Heilbronn war die Endstation, wo der Neckar schiffbar war. Aus diesem Grund wurde der Hafen von Heilbronn zum Treffpunkt für alle Auswanderer aus Württemberg, die in die Neue Welt emigrierten. Lists Aufgabe war es, die Gründe für diese Massenauswanderung in Erfahrung zu bringen, weil sich der württembergische König Wilhelm I dafür interessierte. List hat etwas mehr als 200 Auswanderer befragt, die zwischen 700 bis 800 Auswanderungswillige repräsentiert haben. Man kann sagen, dass dies die erste Meinungsbefragung in der Welt ist und damit den Beginn der Meinungsforschung darstellt. In seinem Gutachten kam List zum Ergebnis, dass die Unterdrückung der Untertanen durch den Staatsapparat, der Mangel an demokratischer Freiheit, die eingeschränkte Glaubensfreiheit und der komplette Ausfall der Ernten von 1811 bis 1816 mit der daraus resultierenden Hungers- und Existenznot die wichtigsten Gründe für diese Massenauswanderung waren. Kurz darauf unterbreitete List dem württembergischen Kultusminister den Vorschlag, an der Landesuniversität in Tübingen eine Staatswirtschaftliche Fakultät einzurichten, an der spätere höhere und mittlere Beamte eine solide Ausbildung erhalten sollten, um sie bei ihrer späteren beruflichen Tätigkeit zu befähigen, aus dem rückständigen und armen Agrarstaat Württemberg einen modernen Industriestaat zu entwickeln. Der König stimmte diesem Ansinnen zu, und so entstand im Wintersemester 1817/18 die neue Fakultät. Damit öffnete sich das klassische Spektrum der vier wissenschaftlichen Disziplinen: Philosophie, Theologie, Medizin und Rechtswissenschaft um die fünfte Disziplin: die Sozial- und Wirtschaftswissenschaft. Man kann sagen, dass diese Fakultät die älteste durchgehend bestehende Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät in Deutschland ist und durch Lists Initiative die junge Wissenschaft an deutschen Hochschulen einen ihrer ersten institutionellen Anfänge genommen hat. Friedrich List wurde einer der ersten drei Professoren dieser Fakultät. Im Frühjahr 1819 fand, wie jedes Jahr seit dem Mittelalter, in Frankfurt a. M. die berühmte Ostermesse statt, zu der viele Kaufleute aus allen deutschen Territorialstaaten nach Frankfurt kamen, um ihre Waren anzubieten. Zu dieser Zeit unter-

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Wendler, Friedrich List als Eisenbahnpionier in den USA, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31423-1_1

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nahm List eine Reise, deren Ziel nicht bekannt ist. Wir wissen nur, dass er in Frankfurt seine Reise unter- und später abgebrochen hat. Denn in Frankfurt kam er mit den Anführern der dort versammelten Kaufleute zusammen, die sich bitter darüber beklagten, dass die vielen Zollschranken in Deutschland die zaghafte wirtschaftliche Entwicklung bremsen, weil die behäbigen deutschen Waren mit den mechanisch hergestellten Billigimporten aus England und Frankreich nicht mehr wettbewerbsfähig waren. Die Kaufleute planten eine Petition an die Bundesversammlung in Frankfurt, auch Bundestag genannt. Dies war die lose Interessenvertretung des Deutschen Bundes. Darin sollten wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere die Abschaffung der Binnenzölle zwischen den 38 souveränen deutschen Territorialstaaten gefordert werden. List bot sich an, den Entwurf für die Petition innerhalb von zwei Tagen zu erarbeiten. Als dieser von den Kaufleuten mit großem Beifall aufgenommen wurde, rief List noch in Frankfurt spontan den „Allgemeinen deutschen Handels- und Gewerbsverein“ ins Leben; – die erste Interessenvertretung deutscher Kaufleute. Aber der württembergische König war über dieses selbstherrliche Verhalten des junge Professors so empört, dass er ihn zwang, seine Lehrkanzel aufzugeben. List setzte dann seine ganze Kraft als Geschäftsführer des Vereins dazu ein, den deutschen Fürstenhöfen die Notwendigkeit einer Wirtschaftsunion deutlich zu machen. Dadurch setzte er die politische Diskussion in Gang, die dann

Der Wilhelmskanal in Heilbronn – Sammelpunkt der Auswanderer aus Württemberg in die Neue Welt.

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Stürmische Überfahrt über den Atlantik mit einem Paketboot in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, 1834 zur Gründung des Deutschen Zollvereins führte. Dieser wiederum bildete die Voraussetzung für die politische Union, die 1871 unter Reichskanzler Otto v. Bismarck mit der Gründung des deutschen Kaiserreiches vollzogen wurde. Während seiner Mission für den Handels- und Gewerbsverein wurde Friedrich List von den Wahlmännern seiner Vaterstadt Reutlingen als Abgeordneter in das württembergische Parlament gewählt. Da er jedoch bald darauf in einem scharf formulierten Pamphlet, der sog. Reutlinger Petition, die in Wirklichkeit den Charakter eines anonymen Flugblattes hatte, die württembergische Staatsverwaltung, die Gesetzgebung und Finanzwirtschaft, die Gebrechen der Justiz und den Mangel an demokratischer Freiheit heftig kritisierte, wurde er auf Drängen des Königs aus dem Parlament ausgeschlossen und vom Kriminalgerichtshof in Esslingen zu einer 10monatigen Festungshaft mit ehrenrührigem Zusatz verurteilt, durch den praktisch seine bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt wurden. Nachdem er die Hälfte der Strafe verbüßt hatte, kam er unter der Bedingung frei, für immer in die USA auszuwandern. Schweren Herzens musste er diesen Schritt zusammen mit seiner Frau und den vier unmündigen kleinen Kindern unternehmen. Im Juni 1825 erreichten die Auswanderer nach einer stürmischen Überfahrt den Hafen von New York. Dort traf List zum zweiten Mal mit Marquis de Lafayette zusammen, den er bereits in Paris kennengelernt hatte und der ihn dazu eingeladen hat, ihn auf dem letzten Teil seiner triumphalen Reise durch die atlantischen

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Beengte Verhältnisse der Auswanderer im Zwischendeck eines Paketbootes. Küstenstaaten zu begleiten. Im Anschluss daran, erwarb List in Harrisburg eine Farm, um zunächst die englische Sprache zu erlernen, ehe er Redakteur des „Readinger Adler“ wurde. Bald darauf entdeckte er in den Appalachen ein großes Steinkohlevorkommen und hatte dann die „verrückte“ Idee, eine der ersten Eisenbahnstrecken in der Welt zu bauen. Gleichzeitig veröffentlichte er sein erstes ökonomisches Werk: die „Outlines of American Political Economy“, in dem er seine auf den ersten amerikanischen Finanzminister, Alexander Hamilton, zurückgehende Infant-Industry-Theorie entwickelte. Der berühmte amerikanische Nobelpreisträger Paul A. Samuelson sagte deshalb: „I would add the name of Friedrich List to the great American economists.“ Pennsylvania war damals der bevorzugte Bundesstaat der deutschen Siedler; man schätzt deren Anteil nach Angaben im Historical Museum in Reading zu Lists Zeit auf nahezu 85 %. Die meisten Auswanderer waren Anhänger der lutherisch-reformierten Kirche; einen wesentlichen Bevölkerungsanteil bildeten auch die Amish-People und Mennoniten sowie französische Hugenotten. Der Direktor des Pennsylvania German Cultural Heritage Centers an der Kutztown University (Kutschen-Städtle-Universität) Patrick Donmoyer schätzt allerdings den Anteil der damaligen deutschsprechenden Bevölkerung nur auf 40 %. Daraus entwickelte sich das Pennsylvania Dutch, ein pfälzisch-schwäbischer Dialekt, der auch heute noch von vielen Mitgliedern gesprochen wird. Donmoyer

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schätzt deren Zahl auf 400 000, die sich im Wesentlichen auf die Amish und Mennoniten fokussiert. Er behauptet, dass diese Mundart die am schnellsten wachsende Minderheitensprache in den USA sei. Es handelt sich also nicht um eine tote oder existenzgefährdete, sondern um eine sehr lebendige Sprache. Einige Beispiele seien hier genannt: „Gute morcha“ heißt „Guten Morgen“, „Guate Owed“ „Guten Abend“, „Duh sell net“ „Mache das nicht“, eine „Wutz“ ist ein „Schwein“, „Welschkan“ bedeutet „Mais“ und eine „Bussikatz“ ist eine „Katze“. Bei den Mennoniten ist die „Kaerch“ die „Kirche“ und bei den Amish heißt sie „Gmee“, im Sinne eines Gemeindehauses. Im Jahre 1830 erhielt List das amerikanische Staatsbürgerrecht. Da er im Wahlkampf von 1828 die Kandidatur von Andrew Jackson unterstützte, wurde er von diesem zum amerikanischen Handelskonsul für das Königreich Sachsen ernannt. Dadurch wurde ihm die lang ersehnte Rückkehr nach Europa mit seiner Familie ermöglicht. In Leipzig wurde List zur treibenden Kraft für den Bau der ersten deutschen Ferneisenbahn von Leipzig nach Dresden. Er projektierte nicht nur den Verlauf der Strecke, sondern überzeugte vor allem die Leipziger Kaufleute und wohlhabenden Bürger von der Notwendigkeit und dem wirtschaftlichen Nutzen dieser Strecke, die er als wichtiges Teilstück nicht nur eines deutschen, sondern sogar eines europäischen Eisenbahnnetzes von Cadix bis Moskau erachtete; – und dies zu einer Zeit, als Eisenbahnen noch als Hirngespinste und gefährliche Dampfrösser betrachtet wurden.

Ankunft der Auswanderer im Hafen von New York.

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Friedrich List als Eisenbahnpionier in den USA

Als der erste Bauabschnitt 1837 fertiggestellt war, hat man den „Ausländer“ jedoch noch nicht einmal zu den Einweihungsfeierlichkeiten eingeladen, geschweige denn in das Direktorium der Eisenbahngesellschaft berufen, wie ihm dies hoch und heilig zugesagt wurde. Aus tiefer Enttäuschung ist er dann nochmals mit seiner Familie emigriert und hat sich drei Jahre in Paris aufgehalten, wo er sich an zwei Preisfragen der französischen Akademie der Wissenschaften beteiligte, die zu seinen wichtigsten ökonomischen Werken zählen. Im Jahre 1840 kehrte er wieder nach Deutschland zurück, ließ sich in Weimar nieder und beteiligte sich dort an der Projektierung der Thüringischen Eisenbahn sowie an der rechtsrheinischen badischen Eisenbahn von Basel nach Mannheim. Auch bei diesen Projekten wurde ihm die Hoffnung auf eine entsprechende leitende Stelle nicht erfüllt. Die einzige Ehrung, die ihm dort zu Teil wurde, war die Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die juristische Fakultät der Universität Jena – ein halbes Jahr bevor ein 26 Jahre jüngerer, namens Karl Marx von der Philosophischen Fakultät in Jena in absentia zum Dr. phil. promoviert wurde. Die beiden bedeutendsten deutschen Protagonisten der Politischen Ökonomie im 19. Jahrhundert haben also fast gleichzeitig in Jena die Doktorwürde erhalten. List ist dann ein letztes Mal umgezogen und hat in Augsburg sein ökonomisches Hauptwerk „Das nationale System der Politischen Ökonomie“ fertiggestellt und veröffentlicht, das in viele Sprachen übersetzt und in der ersten Hälfte

Urkunde zur Verleihung der Staatsbürgerschaft der Vereinigten Staaten von Nordamerika für Friedrich List.

Teil 1: Die historische Bedeutung von Friedrich List

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Urkunde zur Ernennung von Friedrich List als amerikanischer Konsul für den Hafen von Hamburg vom 8.11.1830. des 19. Jahrhunderts zur Zeit der Restauration und Demagogenverfolgung der erste deutsche Klassiker der Nationalökonomie wurde. Es besitzt immer noch große Aktualität. Das Originelle dieses Buches besteht darin, dass List die politische Natur der jungen Wissenschaft erkannte und seine Ideen in einer gut verständlichen, anschaulichen Form präsentierte und dadurch zu einem der drei führenden Ökonomen wurde, die ein eigenes ökonomisches System begründet haben. Kurz gesagt: Adam Smith (1723-1790) steht als Repräsentant für den Freihandel und den Wirtschaftsliberalismus, Karl Marx (1818-1883) für die Zentralverwaltungswirtschaft und den Sozialismus, und dazwischen ist Friedrich List (1789-1846) als Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft und der InfantIndustry-Politik positioniert. Sein unermüdliches Streben nach einer auskömmlichen Existenz, häufige Niederlagen und der Argwohn seiner politischen Gegner, die ständige Beobachtung durch den österreichischen Secret Service, gesundheitliche Probleme, finanzielle Verluste und Engpässe ließen seine scheinbar übermenschlichen Kräfte erlahmen. In einem Zustand psychischer Depression und existenzieller Hoffnungslosigkeit machte der nunmehr 57jährige seinem Leben in der Tiroler Grenzstadt Kufstein ein Ende. Zu dieser Tragik gehört auch, dass erst nach seinem Tod die Leistungen dieses genialen und weitsichtigen Mannes erkannt und gewürdigt, aber sehr oft auch falsch verstanden und ideologisch missbraucht wurden.

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Friedrich List als Eisenbahnpionier in den USA

Obelisk von Dr. Isaac Hiester auf dem Friedhof von Reading PA.

Teil 2: Das amerikanische Exil von Friedrich List von 1825 bis 1832

Nachdem Friedrich List aufgrund seiner „Reutlinger Petition“ und der damaligen Demagogenverfolgung auf Druck des württembergischen Königs Wilhelm I zur Auswanderung in die Vereinigten Staaten gezwungen wurde, blieb ihm nichts Anderes übrig, als diesen Schritt mit seiner Familie zu wagen. Er war damals 26 Jahre alt und mit seiner gleichaltrigen, in erster Ehe verwitweten Frau Karoline verheiratet. Das Paar hatte den aus Karolinens erster Ehe stammenden Sohn Karl (Charles) Neidhard, der damals 8 Jahre alt war, die Töchter Emilie und Elise, im Alter von 6 und 3 Jahren sowie den Sohn Oskar, der damals 5 Jahre alt war. Nach einer schwierigen Anreise von Stuttgart über Paris bis Le Havre, schiffte sich die Familie am 25. April 1825 auf dem amerikanischen Paketboot „Henry“ ein. Bei der sechswöchigen, außerordentlich stürmischen Überfahrt wurde die ganze Familie mehrfach seekrank und fühlte sich unwohl. Später hänselte List seine treue Frau Karoline, der er den liebevollen Beinamen „die Frau mit der himmlischen Sanftmut“ gab, wenn sie auf die stürmische Überfahrt über den Atlantik zu sprechen kamen, habe sie in ihrer Todesangst gerufen. „Haltet’s Schiff! Haltet’s Schiff!“ Am Freitag, dem 10. Juni 1825 erreichte die „Henry“ Long Island. Dazu vermerkte Friedrich List in seinem Tagebuch: „Morgens um ½ 6 Uhr werde ich durch die Ruhe des Schiffes geweckt. Wir liegen vor Anker, rechts Long Island mit dem Fort, links Staten-Island mit dem Fort, im Hintergrund die Bay von New York, dahinter Berge. Ich wecke Weib und Kinder. Alles stürzt voller Freude auf das Deck. Niedliche Landhäuser zwischen Bäumen auf grünen Matten; Obstund Kirschgärten; wir sehen die Kirschen auf den Bäumen. Wir hören die Hühner krähen und die Vögel zwitschern und schon Büste von Friedrich List im sieht hie und da ein Fischer aus dem Fenster Gebäude der „Historical Society“ heraus, um nach dem Wetter zu schauen. von Reading PA.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Wendler, Friedrich List als Eisenbahnpionier in den USA, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31423-1_2

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Friedrich List als Eisenbahnpionier in den USA

Friedrich List im Alter von 30 Jahren zur Zeit seiner Emigration in die USA.

Teil 2: Das amerikanische Exil von Friedrich List von 1825 bis 1832

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Alles ist voll Jubel, die Brust voller Seligkeit, wie nur derjenige fühlen kann, der 40 Tage auf der Wasserwüste herumgeirrt ist. Wir ziehen uns und die Kinder festlich an, wie es des Tages würdig ist, an dem sie zum ersten Mal den Boden der Freiheit betreten.“ „Das Schiff kann nur mit der Flut fahren, die nach 10 Uhr einsetzt. Der Kapitän und mehrere Passagiere fahren in einem Kahn voraus. Wir bleiben noch. Endlich bewegt sich das Schiff. Alle 10 Minuten sieht man eine neue Landschaft: links und rechts eine kleine Bucht, dort die wilden Ufer des Hudson, da die freundliche Gouverneurs-Insel mit ihrem Fort. Mittlerweile steigt die Stadt aus den Fluten immer höher auf. Es herrscht eine unerträgliche Hitze; sie tut umso mehr weh, als wir von der frischen Meeresluft auf einmal wie in einen Backofen treten.“ Nach einem kurzen Aufenthalt reisten die Einwanderer nach Philadelphia. Dort bezog die Familie fürs erste Quartier, während Friedrich List nach New York zurückkehrte, um mit einem Flussdampfer den Hudson hinauf bis nach Albany zu fahren. Dort traf er, wie bei seiner Ankunft in New York mit dem gerade dort weilenden Marquis de Lafayette besprochen, wieder mit dem berühmten General zusammen. Dieser befand sich auf Einladung der amerikanischen Regierung auf einer fast einjährigen Rundreise durch die atlantischen Küstenstaaten, – eine außerordentliche Ehre, die dem alten General aus Dankbarkeit für seine große finanzielle und militärische Unterstützung beim amerikanischen Unabhängigkeitskampf von der amtierenden Regierung zu Teil wurde. Lafayette hatte bereits drei Viertel seiner Rundreise zurückgelegt und List bei seiner Ankunft in New York dazu eingeladen, ihn auf dem restlichen Teil der Reise zu begleiten, weil er von Lists Schicksal und dessen politischer Verfolgung im Königreich Württemberg so berührt war, dass er ihm diese Gunst erweisen wollte. Während der noch gut zwei Monate dauernden restlichen Rundreise lernte List alle damals führenden Persönlichkeiten in den Vereinigten Staaten u.a. den späteren Präsidenten Andrew Jackson kennen. Kein Deutscher hatte zu jener Zeit so viele persönliche Kontakte zu den maßgebenden Politikern in den USA, wie Friedrich List. Nach Beendigung der Rundreise, die List ein hervorragendes Entree in die Vereinigten Staaten verschaffte, erwarb er zunächst eine Farm in Harrisburg, um dort den ersten Winter zu verbringen und zunächst einmal die englische Sprache zu erlernen. Es stellte sich aber bald heraus, dass er der schweren körperlichen Arbeit und den Folgen des harten Winters als „akademischer Bauer“ nicht gewachsen war. Deshalb verkaufte er das Anwesen Hals über Kopf, als sich ihm in dem kleinen zwischen Harrisburg und Philadelphia gelegenen Städtchen Reading die Gelegenheit bot, die Schriftleitung des „Readinger Adler“, einem damals deutschsprachigen Wochenblatt zu übernehmen, das wegen seiner Verbreitung bei den deutschen Farmern, den Beinamen „Berks County Bible“ trug.

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Durch seine sachkundigen und lebendig geschriebenen Beiträge vermochte der neue Redakteur dem Blatt rasch zu weiterer Bedeutung und einer höheren Auflage zu verhelfen. Der Präsident der „Pennsylvanian Society for the Promotion of Manufacturers and the Mechanic Arts“, Charles J. Ingersoll, ermunterte List, der auf Adam Smith und Jean-Baptiste Say zurückgehenden Freihandelslehre im Sinne von Alexander Hamilton die Theorie einer national-amerikanischen Zollgesetzgebung entgegenzustellen. List kam dieser Aufforderung unverzüglich nach, indem er mehrere, in Briefform abgehandelte Zeitungsartikel über die Grundzüge eines eigenen amerikanischen Wirtschaftssystems verfasste, die in zahlreichen englischsprachigen Zeitungen abgedruckt wurden. Außerdem gab er diese in gesammelter Form als seine erste handelspolitische Schrift unter dem Titel „Outlines of American Political Economy“ heraus. In dieser Schrift machte List der englischen Freihandelsschule und deren ausländischen Anhängern zum Vorwurf, dass sie die Bedeutung der Nation als Bindeglied zwischen dem Individuum und seinen sozialen Gruppierungen einerseits und der übrigen Menschheit andererseits übersehen habe. Er akzeptierte zwar grundsätzlich die Fiktion bzw. als ideologisches Konstrukt und langfristiges

Gedenktafel am Eingang des Hauptgebäudes des „Reading Eagle“ in Reading PA.

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wirtschaftspolitisches Ziel den Freihandel, verlangte aber, falls zur wirtschaftlichen Entwicklung rückständiger Länder erforderlich, die temporäre Errichtung von Schutz- bzw. Erziehungszöllen zumindest in Schlüsselbereichen, bis deren Produzenten in der Lage sind, im internationalen Wettbewerb zu bestehen und zum wachsenden Wohlstand ihres Landes beitragen können. Außerdem entwickelte List in dieser Schrift die Grundzüge seiner „Theorie der produktiven Kräfte“, der er in seinen späteren nationalökonomischen Werken die „Theorie der Werte“ gegenüberstellte. Am Beispiel der USA machte er deutlich, dass die Förderung der produktiven Kräfte von den jeweiligen landesspezifischen Gegebenheiten abhängen und den Bedürfnissen des jeweiligen Landes entsprechend, von der staatlichen Politik gefördert und entwickelt werden müssen. Weil kein Land der Erde einem anderen vollkommen gleiche, müsse die nationale Wirtschaftspolitik dem Entwicklungsstand und den unterschiedlichen Möglichkeiten und Zielsetzungen des eigenen Landes Rechnung tragen. Zu den wichtigsten produktiven Kräften zählte er die Transport- und Kommunikationsmittel, die Energieversorgung sowie die häusliche Erziehung und schulische Bildung. In jener Zeit hatten beträchtliche Kohlefunde bei Pottsville ein wahres Spekulationsfieber ausgelöst, dem auch Friedrich List seine Aufmerksamkeit schenkte. Als er durch eigene Nachforschungen feststellte, dass sich die Pottsviller Kohlenflöze von Südwesten nach Nordosten erstrecken, begab er sich ebenfalls auf die Suche und folgte dieser Richtung. Ungefähr 30 Meilen von Pottsville entfernt, stieß er auf eine zweite Quelle des Flusses Schuylkill – die Little Schuylkill. Dort entdeckte er im Jahre 1826 ein großes Anthrazitkohlevorkommen, welches die Lagerstätte von Pottsville sogar noch deutlich übertraf und insofern von Vorteil war, weil es näher bei Philadelphia, d.h. in Marktnähe lag. Bedenkt man, dass die erste Eisenbahnlinie der Welt, die von George Stephenson erbaute Bahn von Stockton nach Darlington erst ein Jahr zuvor in Betrieb genommen wurde, so erkennt man, wie fortschrittlich Friedrich List dachte, als er sich unmittelbar nach der Entdeckung des Vorkommens darum bemühte, eine der ersten US-amerikanischen Konzessionen zum Bau einer Eisenbahnstrecke zu erhalten, um die Kohle mit der Bahn bis zum nächsten schiffbaren Ort zu transportieren, Hierzu gründete er mit dem Neffen des Gouverneurs von Pennsylvania, dem Arzt Dr. Isaac Hiester und dem Bankhaus der Gebrüder Biddle in Philadelphia die Little Schuylkill-Eisenbahngesellschaft, der am 14. April 1828 die beantragte Konzession erteilt wurde. Nach unvorstellbaren technischen und finanziellen Schwierigkeiten konnte die Little Schuylkill-Eisenbahn nach knapp vierjähriger Planung und Bauzeit am 18.11.1831 fertiggestellt werden. Allerdings erwiesen sich die mit Eisenblech beschlagenen Holzschienen schon bald als zu schwach, sodass der Schienenkörper erneuert und auf Eisenschienen umgerüstet werden musste. Doch ohne diese praktische Erfahrung wäre List nach seiner Rückkehr

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Die List Road in Reading PA.

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nach Europa sicher nicht zu einem der namhaftesten Pioniere im deutschen Eisenbahnwesen geworden. Welche Bedeutung diese Eisenbahn hatte, zeigt sich an dem Titel des Buches von James L. Holton: „The Reading Railroad – History of a Coal Empire“; wenn der Verfasser diese Bahn als „Kohlen-Imperium“ bezeichnet. Obwohl List am 27.10.1830 das amerikanische Bürgerrecht erhielt und als Selfmademan zu Ansehen und Vermögen gelangte, zogen ihn sein Heimweh und die Sorge um Deutschland, der schlechte Gesundheitszustand seiner Frau, die das Klima nicht vertragen hat und die elterliche Sorge um die Ausbildung und

Der Verlauf der Little Schuylkill-Eisenbahn.

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den beruflichen Werdegang der Kinder in die alte Heimat zurück. Schon in einem Briefentwurf vom 5.10.1828 an seinen Freund Ernst Weber im thüringischen Gera ließ er seinen Gefühlen freien Lauf: „Nun habe ich wieder das Heimweh seit sechs Wochen und bin solange zu amerikanischen Geschäften fast nicht zu gebrauchen. Mir geht es mit meinem Vaterland wie den Müttern mit ihren krüppelhaften Kindern: sie lieben sie umso stärker, je krüppelhafter sie sind. Im Hauptgrund all meiner Pläne liegt Deutschland: die Rückkehr nach Deutschland. Es ist wahr, ich würde mich dort ärgern über die Kleinstädterei und Kleinstaaterei …“ Dann bricht das Manuskript ab. Abgesehen von seinem Abschiedsbrief, vermittelt kaum eine andere Stelle in Lists literarischem Nachlass einen derart tiefen Einblick in seine psychische Verfassung. Die Sehnsucht nach Deutschland ließ ihn das Unrecht der politischen Verfolgung vergessen und trotz der zu erwartenden Widerstände nicht davon abhalten, in die deutsche Heimat zurückzukehren und – wie er hoffte – am Aufbau eines deutschen Eisenbahnnetzes mitwirken zu können. Bald darauf nahmen seine Rückkehrpläne Gestalt an. Da er den amerikanischen Präsidenten Andrew Jackson bei dessen Wahl kräftig unterstützte, war dieser bereit, Friedrich List mit der Ernennung zum amerikanischen Konsul für den Hafen der alten Hansestadt Hamburg seine Dankbarkeit zu erweisen. Mit einer Vollmacht des amerikanischen Außenministeriums ausgestattet, die ihn als „Executive Agent“ ausgewiesen hat, reiste er 1831 ohne seine Familie nach Europa. Diese Reise verfolgte zwei Ziele: zum einen wollte er von Frankreich aus, seine Rückkehrmöglichkeit in das Königreich Württemberg sondieren und zum anderen die Marktchancen für die von ihm entdeckte Anthrazitkohle erkunden. In Paris wurde ihm dann von der dortigen amerikanischen Botschaft die Nachricht überbracht, dass die Ernennung zum Konsul wirkungslos war, weil sowohl der amerikanische Senat als auch die Hansestadt Hamburg das Exequatur verweigert hatten. Da sich auch die Bemühungen um den Absatz der Kohle zerschlugen, musste Friedrich List unverrichteter Dinge wieder in die USA zurückkehren. Diese Misserfolge hinderten aber nicht daran, nun seine endgültige Übersiedlung mit der ganzen Familie nach Europa zu betreiben. Diese Absicht konnte er dadurch realisieren, dass ihn Präsident Jackson am 13. Juli 1832 zunächst zum amerikanischen Konsul für das Großherzogtum Baden und schließlich für das Königreich Sachsen ernannte, was auch vom Senat bestätigt und von der sächsischen Regierung in Leipzig mit der Erteilung des Exequaturs akzeptiert wurde. So wurde es List ermöglicht, nach sechsjährigem Aufenthalt in der Neuen Welt in die deutschen Territorialstaaten zurückzukehren und dort sein Glück und den Aufbau einer auskömmlichen Existenz zu versuchen, wobei ihm allerdings, wie er das befürchtet hatte, nach wie vor ein steifer politischer Gegenwind ins Gesicht blies und ihn schließlich an der Unvernunft seiner politischen Zeitgenossen zerbrechen ließ.

Teil 3: Unberührte Natur und unwegsames Gelände in der Region um den Blue Mountain in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Die Little Schuylkill ist ein 50 km langer Nebenfluss der Großen Schuylkill im nordöstlichen Teil von Pennsylvania. Sie entspringt südlich der McAdoo Heights in der Nähe von Haddock, einer selbstständigen Gemeinde in Schuylkill County. Sie fließt zunächst in südlicher und dann in südwestlicher Richtung durch die Gemeinden Tamaqua und New Ringgold und mündet bei Port Clinton in die Große Schuylkill. Es war das Siedlungsgebiet der Uami Indianer. Ihr Stammessymbol war die Taube. Im Vergleich zu den kämpferischen Mohawks oder den schlauen Onondagas waren sie keine Krieger, sondern beschauliche und friedliche Fischer und Trapper. Jedes Jahr paddelten sie mit ihren Kanus die Schuylkill hinauf, wenn die Schwärme der Lachse nordwärts zu ihren Laichplätzen zogen, schlugen dort ihre Sommerwigwams auf, fischten und jagten und hofften darauf, dass die kriegerischen und westwärts lebenden Susquehannarocks sie verschont ließen. Die Lenapes nannten den Strom Ganshowahanna (fallende Wasser); ein anderer indianscher Flussname war Manayunk, was so viel wie „wo wir trinken“ bedeutet.

Das Mahanoy-Tal, Ölgemälde um 1850.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Wendler, Friedrich List als Eisenbahnpionier in den USA, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31423-1_3

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Felsformation im Bereich des „Blue Mountain“, Ölgemälde um 1850. Im 18. und 19. Jahrhundert war der Fluss auch unter dem Namen Tamanguay Creek oder Tamaqua River bekannt. Diese Namen leiten sich von dem Lenni Lenape Wort „temakwe“ oder „tamaque“ ab, was so viel wie Biber bedeutet. Als Leni Lenape werden die sprachlich und kulturell eng verwandten Indianerstämme bezeichnet, die bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts im östlichen Teil von Nordamerika die Flusstäler und angrenzenden Waldgebiete von der Delaware Bay bis Connecticut besiedelt haben. Aus der Jägersprache der Ureinwohner sind Wortbildungen wie „tamaaque“ (1648) für Biberfell, „tomaque“ (1684) und „temaukwaa“ (1824) für Biber bekannt. Der erste Europäer, der Anfang des 17. Jahrunderts die Flussmündung der Schuylkill erreichte, war der Holländer Arendt Crossen aus Leyden, der dem Fluss den Namen Shokihl gab, was so viel wie „verdeckter oder verborgener Fluss“ bedeutet. Dieser Name ist darauf zurückzuführen, dass die Mündung des Flusses in die Delaware Bay damals dicht mit Binsen, Sumpfgras und Buschwerk bewachsen und wohl auf den ersten Blick nicht sichtbar war. Ein schwedischer Seefahrer, Peter Lindström, der 1644 kam, gab dem Fluss den Namen Skiar eller linde Kill. Als das Land von den europäischen Einwanderern besiedelt wurde, nannten sie den Hauptfluss „Schuylkill River“ und den Nebenfluss die „Little Schuylkill“. Dieser Name wird „Skulkil“ ausgesprochen.

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Die Little Schuylkill ist auch heute noch ein sehr sauberes Fließgewässer, das selbst im Normalfall teilweise ein reißender Fluss ist. Im Frühjahr nach der Schneeschmelze kann er bei Hochwasser zu einem gefährlichen Strom anschwellen und zu Überschwemmungen der Flussufer und Flussauen führen. Aufgrund des klaren und sauberen Wassers weist der Fluss einen großen Fischreichtum, insbesondere an Regenbogenforellen auf und ist unter Sportfischern sehr beliebt. Außerdem eignet er sich gut für den Kanusport. Der Flusslauf ist durch ausgedehnte Wälder eingesäumt, die zu Lists Zeiten noch vollständig unberührte Wildnis waren. Sie bestanden aus einem urwaldartigen Laubwald. Die häufigsten Baumarten waren und sind Buche, Ahorn und Birke. Es handelt sich um das Einzugsgebiet des Blue Mountain, der zum langgestreckte Gebirgszug der Appalachen gehört. In der ursprünglichen Wildnis waren u.a. Schwarzbären, Giftschlangen, wie die Wald-Klapperschlange und der nordamerikanische Kupferkopf beheimatet, die dort zum Teil auch heute noch heimisch sind. Zu den größeren Säugetieren, die in diesen urwaldartigen Waldgebieten vorkamen und auch heute noch vorkommen, zählen: Schwarzbären, Wapitis, Wölfe, Kojoten sowie Elche. Der Leiter des Eisenbahnmuseums in Port Clinton erzählte mir, dass er selbst eine nicht ungefährliche Begegnung mit einem Schwarzbären gehabt habe. Die Große und die Kleine Schuylkill gehören, geographisch betrachtet, zur nordöstlichen Waldregion der USA. Ursprünglich war es das Siedungsgebiet der Susquehannarock, einem Indianerstamm, der sich nach dem Namen des Flusses Susquehanna benannt hat, was so viel wie „schlammiger Fluss“ bedeutet. Das „Volk vom schlammigen Fluss“ wird als nobel, wagemutig, aber auch als aggressiv, kriegerisch, herrisch und erbitterter Feind der Irokesen charakterisiert. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde der Stamm vollständig von den Irokesen aufgerieben und unterjocht. Nach 1700 beanspruchten die Irokesen das Territorium der Susquehanna als ihr Hoheitsgebiet. Es waren Halbnomaden, die neben der Jagd und dem Fischfang auch Ackerbau betrieben, d.h. Mais, Bohnen und Kürbisse angebaut haben, bis sie im Laufe des 18. Jahrhunderts immer stärker von den weißen Siedlern bekämpft, getötet und verjagt wurden. Eine Eisenbahnfahrt mit der Reading and Partie am Oberlauf der Little Northern Railroad von Reading nach Jim Schuylkill.

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Friedrich List und die Little Schuylkill-Eisenbahn in Pennsylvania

Unberührte Flusslandschaft im Lehigh-Tal; Lithografie um 1850. Thorpe vermittelt auch heute noch eine sehr gute Vorstellung, welche Bedingungen dort herrschten, als Friedrich List auf unwegsamen Pfaden in dieses urwüchsige und unbekannte Territorium vorstieß, um nach einem neuen, bislang unbekannten Kohlevorkommen Ausschau zu halten. Diese Strecke führt zunächst an der auch heute noch urwüchsigen Großen Schuylkill entlang und folgt dann ab Port Clinton der Kleinen Schuylkill. In unzähligen Windungen schlängelt sich der Fluss durch unwegsames Gelände, das immer wieder inselartig durch Farmland unterbrochen ist. Bei der Fahrt durch die ausgedehnten Wälder, die dazwischenliegenden Maisfelder und saftigen Weiden hat man den Eindruck, durch einen ausgedehnten Naturpark zu fahren. Zahlreiche Nebenarme, sumpfiges Gelände und flache saftige Wiesen lassen die Gegend lieblich und urwüchsig zugleich erscheinen. Gemächlich schaukelt sich die alte Diesellok mit häufig markdurchdringendem Hupen durch die friedliche Landschaft. Der Zug stampft und klappert im warmen Morgenlicht durch die Waldlandschaft. Bei geöffnetem Fenster dringt frische, würzige und angenehm warme Waldluft in den Zug. Ich fühle mich in die „gute“ alte Dampfeisenbahnzeit zurückversetzt, wie ich sie aus meiner Jugendzeit in Erinnerung habe. Das permanente Tuten des Horns, die gleichzeitige Betätigung der Signalglocke, das dröhnende Schlagwerk, der rhythmische Takt der Schienenstöße und das Quietschen der Bremsen ergänzen sich vielfach zu einem ohrenbetäubenden Getöse, das an den wenigen beschrankten und meist unbeschrankten Bahn-

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übergängen die Autofahrer auf das Herannahen des Stahlrosses aufmerksam macht. Dabei hat man den Fluss immer im Auge. An manchen Stellen sind Sandbänke und Untiefen, mit Bäumen bewachsene Inseln und Treibholz zu sehen. Die weißen Kronen der Wellen und Strudel sowie kleinere Stromschnellen zeugen von der Wildheit des Flusses; – vor allem nach der Schneeschmelze im Frühjahr. Das Flussufer ist von Laubbäumen eingesäumt, deren tiefliegende Äste von beiden Seiten weit in den Fluss hineinragen und ein reizvolles Licht-Schattenspiel abgeben. Gemütlich tuckert der mit Ausflugsgästen voll besetzte Zug durch die von der Umweltverschmutzung noch unbelastete Gegend. Plötzlich fliegen Fasanen auf, auch Reiher und andere Vogelarten werden gesichtet. Man kann sich gut vorstellen, dass dies früher eine sehr wilde und wildreiche Gegend war und sicher auch heute noch ist. Nur wenige Nadelgehölze, vor allem Kiefern, lockern den Laubwald auf. Beim Nähern von Tamaqua türmen sich auf der linken Seite der Bahntrasse riesige schwarzglänzende Kohlehalden auf. An wenigen Stellen gibt es zweigleisige Ausweichmöglichkeiten. Dort kam ein langer mit Kohle beladener Zug entgegen. Täglich verkehren auf dieser Strecke immer noch zwischen 10 und 15 Kohlenzüge. Im Bahnhof von Tamaqua stand ein weiterer Kohlenzug abfahrtbereit. Mit großem Geheul nähert sich der Zug der Endstation. Man sieht die typischen weißgrau getünchten Blockhäuser der weißen Siedler und fühlt sich in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hineinversetzt. Vereinzelt sind auch die typischen rot gestrichenen Scheunen und noch seltener robuste, mit Feldsteinen gemauerte Häuser zu sehen.

Ein Schwarzbär beim Fischfang.

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Ein kapitaler Wabiti-Hirsch.

Ein Kojothe, auch Präriehund genannt.

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Die von Friedrich List entdeckte Quelle der Little Schuylkill; Holzstich um 1850. .

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Ein Biber – Namensgeber für die Kleinstadt Tamaqua PA.

Partie am unteren Oberlauf der Little Schuylkill.

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Partie am Mittellauf der Little Schuylkill.

Partie am Unterlauf der Little Schuylkill.

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Die Little Schuylkill bei Hochwasser.

Naturgewalt bei der Little Schuylkill.

Teil 4: Die weitgehende Ausrottung der Indianer durch weiße Siedler und die Einstellung von Friedrich List Andrew Jackson war der siebte Präsident der Vereinigten Staaten; er regierte von 1829 bis 1837. Ehe er Politiker wurde, schlug er zunächst die militärische Laufbahn ein. Dabei kämpfte er in diversen Feldzügen gegen die Indianer, wodurch er bei den weißen Siedern zu zweifelhaftem Ansehen kam und den Beinamen der „IndianerHasser“ erhielt. Außerdem wurden die Indianer von den weißen Einwanderern immer stärker nach Westen abgedrängt; sie lebten ständig an deren Siedlungsgrenze, der sog. Frontier und befanden sich zudem im Zentrum der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Kolonialmächten England und Frankreich und später zwischen den US-Amerikanern und den Indianern. Diesen Kämpfen sind Tausende und Abertausende der Ureinwohner zum Opfer gefallen. Im Jahre 2005 lebten nur etwa 13500 genetische Nachkommen der sog. Leni Lenape verstreut in über 7 der atlantischen Küstenstaaten und den angrenzenden Provinzen in Canada. Reading war noch bis um 1800 sog. fontiertown und das entsprechende Hinterland des Blue Mountain und der Appalachen noch längere Zeit danach umkämpftes Gebiet. In dem Buch von J. Benett Nolan über „The Schuylkill“ ist nur wenig über den Tauschhandel der Ureinwohner mit den weißen Siedlern zu finden; es heißt lediglich, dass die Indianer mit den vertraglich vereinbarten Besitzabtretungen zufrieden gewesen seien und es ihnen nur um Baumwolle, Jagdflinten und Rum gegangen sei. Insofern seien die entsprechenden Transaktionen „scrupulously correct“ gewesen. Dies mag sicher für die Siedler gelten, aber wahrscheinlich nicht für die Urbevölkerung. Nach dem Ende seiner militärischen Laufbahn trat Andrew Jackson als Militärgouverneur von Florida auch politisch in Erscheinung. Aufgrund seiner hohen Bekanntheit und seines Ruhmes als militärischer Befehlshaber kandidierte er 1824 für das Präsidentenamt. Obwohl er bei der Wahl die Mehrheit der Wahlmännerstimmen auf sich vereinigen konnte, verfehlte er im Wahlmännergremium die zum Sieg erforderliche absolute Mehrheit. Statt seiner wurde vom Senat und dem Repräsentantenhaus John Quincy Adams zum sechsten Präsidenten der USA gewählt. Von der Mehrheit der Siedler wurde diese Niederlage als ungerecht empfunden. Deswegen kam es zu einer hitzigen politischen Auseinandersetzung. Als dann 1828 die nächste Präsidentenwahl anstand, wurde Jackson eine breite Unterstützung zu Teil. An dessen Wahlkampf beteiligte sich auch Friedrich List in seiner Eigenschaft als Redakteur des „Readinger Adler“, indem er sich dezidiert für die Wahl von Jackson einsetzte, obgleich er hinsichtlich seiner politischen Einstellung eher zu John Quincy Adams neigte. Da aber sein Prinzipal, der Herausgeber des Readinger Adler, John Ritter, ein Gefolgsmann von Jackson war, musste List nolens volens Andrew Jackson unterstützen.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Wendler, Friedrich List als Eisenbahnpionier in den USA, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31423-1_4

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Eine Indianersiedlung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; Aquarell von Karl Bodmer von 1832. Aus dem heftig geführten Wahlkampf ging Jackson als klarer Sieger hervor und trat im März 1829 sein Präsidentenamt an. Heute besteht unter Historikern große Einigkeit, dass es sich bei dem Wahlkampf von 1828 um einen der schmutzigsten in der amerikanischen Geschichte gehandelt hat. Die heftige politische Kontroverse führte zu einer bis dahin nie dagewesenen Konfrontation und Polarisierung in der Bevölkerung. Diese führte schließlich zur Spaltung der demokratisch-republikanischen Partei in das Lager der Demokraten und das der Republikaner. Jackson ist noch immer eine in den USA bekannte Persönlichkeit, weil er auf dem 20 $-Schein und damit auf einer der wichtigsten Banknoten abgebildet ist. Während die Gründerväter der USA gegen die Ureinwohner im Grunde genommen nicht feindselig eingestellt waren, nahm Jackson auch im Vergleich zu seinem Amtsvorgänger John Quincy Adams eine kämpferische, ja geradezu feindselige Haltung ein. Er verweigerte den Indianern den Respekt und die Gleichberechtigung und zwang sie entschädigungslos ihre angestammten Territorien zu verlassen. Schon unmittelbar nach der Machtübernahme brachte Jackson eine Gesetzesvorlage auf den Weg, die am 24.4.1830 vom Senat und am 26.5.1830 vom Repräsentantenhaus mit 102 zu 97 Stimmen angenommen wurde und unter dem Namen „Indian Removal Act“ (d.h. Indianer-Umsiedlungs- bzw. Ausweisungs-Gesetz) bekannt geworden ist. Darin wurde der Präsident ermächtigt, mit den Ureinwohnern Verhandlungen über den Tausch von Siedlungsgebieten im südöstlichen, fruchtbaren Waldland der Südstaaten gegen die kargen, trockenen nördlichen Territorien (heute:

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Oklahoma) zu führen. Das Gesetz sah vor, dass die Umsiedlung geordnet erfolgen und die Indianer in den ersten Jahren finanziell unterstützt und mit Nahrung versorgt werden sollten. Diese Zusicherung wurde allerdings von General Jackson sträflich missachtet. Er nutzte seine Vollmacht, um keine Umsiedlungsverträge mit den Indianern auszuhandeln, sondern diese zu diktieren und entschädigungslos zu enteignen. Wenn sich die Häuptlinge weigerten, solche Knebelungsverträge abzuschließen, wurden nicht legitimierte Strohmänner benutzt, um mit diesen die Kapitulation und zwangsweise Umsiedlung zu vereinbaren. Diese Zwangsmaßnamen hatten große Epidemien zur Folge, denen die Indianer zu Tausenden zum Opfer fielen. Hinzu kam das völlige Fehlen von administrativen Strukturen, Misswirtschaft und eine katastrophale Versorgungslage. Auch die Zusagen, dass das zugewiesene Land den Indianern auf ewig gehören sollte, wurde von den Vereinigten Staaten nicht eingehalten. Die völlige Entrechtung der Ureinwohner und deren Umsiedlung führten zu einem regelrechten Genozid. Insofern gehört der „Indian Removal Act“ zu den dunkelsten Kapiteln der US-amerikanischen Geschichte. Selbstverständlich wurde auch Friedrich List mit der Behandlung der Indianerkonfrontiert. Denn auch der von ihm zum Bau der Little Schuylkill-Eisenbahn erworbene Grund und Boden war vormals indianisches Siedlungsgebiet, das allerdings schon von weißen Siedlern erworben, richtiger gesagt, von der Kolonialmacht England gegen geringes Entgelt zugeteilt worden war und von den damaligen Eigentümern an List verkauft und somit rechtmäßig übereignet wurde.

Ein indianischer Wigwam in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; Aquarell von Karl Bodmer von 1832.

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Karte der alten Indianerpfade in Pennsylvenia; der schwarz umrandete Ausschnitt zeigt das Gebiet der Little Schuylkill. Insofern erhebt sich die Frage, welche Meinung List zum „Indian Removal Act“ hatte. Dies geht aus einer kurzen Stellungnahme im „Readinger Adler“ vom 22. 6. 1830 hervor, also rund einen Monat nach der Verabschiedung dieses Gesetzes. Darin heißt es: „Einen Teil des heutigen Blattes nehmen Artikel über die Fortbringung der Indianer ein. Dieser Gegenstand ist jetzt äußerst interessant, da irregeleitete Gefühle von Menschlichkeit sich stark dagegen aussprechen und benutzt werden, den Präsidenten, der die Maßregel so empfohlen hat, in der Achtung des Volkes herabzusetzen. – Alle Hochschätzung aber, die man den Abkömmlingen der Ureinwohner zollen konnte, ist denselben bereits gezeigt worden. Das Indianergesetz zeigt deutlich, dass nicht die geringste Unbilligkeit und Ungerechtigkeit obwaltet. Auch heißt es, dass die meisten Indianerstämme sehr mit dem Wechsel ihrer Wohnorte zufrieden sind. Die meisten sollen gesonnen sein, lieber ihre neue Heimat zu beziehen, als unter der Obergewalt der Staaten zu leben. Da ihnen vollkommene Freiheit gewährt ist, das eine zu tun und das andere zu lassen, so scheint jeder Lärm über die Fortbringung der Indianer allein nur unbillig und ungerecht zu sein.“ Bei meinen früheren Untersuchungen zur List-Forschung konnte ich zeigen, dass Friedrich List nach seiner Rückkehr nach Europa im Jahre 1832 – trotz seiner Ernennung zum amerikanischen Konsul für das Königreich Sachsen durch Andrew Jackson gegen diesen wesentlich kritischer und distanzierter eingestellt war und es im Grunde genommen bedauerte, dass er diesen bei seinem Wahlkampf unterstützt

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Der Indianer Sequoyah – der Erfinder der Cherokee Silbenschrift.

Beispiele der Cherokee-Silbenschrift.

Der Indianerhäuptling Tischcohan, der mit den beiden Söhnen von William Penn, Thomas und Richard, den Stadtgründern von Reading PA., Verträge abgeschlossen hat.

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hatte, weil ihm die Person von John Quincy Adems und dessen wirtschaftspolitisches Konzept wesentlich sympathischer war als die Politik von Jackson. Insofern erhebt sich die Frage, ob er bei seiner Meinungsäußerung zum „Indian Removal Act“ dem Buchstaben des Gesetzes vertraute und deswegen Aspekte der Gerechtigkeit und Humanität, für die er sonst so vehement eingestanden ist, außer Acht ließ und später eines anderen belehrt wurde. Dafür sprechen die folgenden Belege: Im Jahre 1841 bekennt er: „Die Nordamerikaner sind unseren Sympathien fremd: sie haben eine andere Verfassung als wir; sie knechten die Schwarzen und verdrängen die Roten; sie leben nur für ihre materiellen Interessen; zwischen ihnen und uns fließt ein breiteres Wasser, als zwischen England und dem Kontinent.“ Unter der Überschrift: „Individualökonomie ist nicht Politische Ökonomie“ erwähnt er im sechsten Brief seiner „Outlines of American Political Economy“ an einer Stelle die indianischen Ureinwohner. Dort heißt es: „Individuen ohne die Regeln einer Gemeinschaft sind Wilde, und der Grundsatz, den einzelnen gewähren zu lassen, gilt besonders bei den Indianern.“ „Auch hier liegt die Wahrheit in der Mitte. Es ist schlechte Politik, von oben herab alles zu regulieren und alles zu fördern, wenn die Dinge durch private Bemühungen besser reguliert und gefördert werden können; aber es ist eine nicht weniger schlechte Politik, denjenigen Dingen ihren Lauf zu lassen, welche nur durch das Eingreifen der gesellschaftlichen Macht gefördert werden können.“ Daraus geht hervor, dass List die Indianer als Musterbeispiel für die individuelle Freiheit des

Die traditionelle Fortbewegung der Amish People.

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Menschen betrachtete und postulierte damit indirekt ihr Recht auf Menschenwürde. In einer kurzen Notiz im „Readinger Adler“ von 1827 äußerte List seine Verwunderung, dass die Cherokee Indianer im Bundestaat Indiana sogar eine eigene Zeitung herausgeben wollen, nachdem der Cherokee Sequoyah 1825 eine Silbenschrift mit 85 Zeichen erfunden hatte; und Zeitungen waren für List gleichsam der Ausdruck kultureller Blüte sowie der Presse- und Meinungsfreiheit. Ohne ein Vorbild der Weißen und ohne jegliche Schulbildung hatte Sequoyah eine eigenständige Schrift entwickelt. Außer seiner Stammessprache beherrschte er keine andere Sprache und kannte auch nicht die Bedeutung der Buchstaben. Seine Erfindung war eine Silbenschrift. Einzelne Silben ähneln zwar den Buchstaben der lateinischen Schrift, auch wenn diese vielfach horizontal liegen oder auf dem Kopf stehen, ihre Lautzuordnung ist jedoch völlig andersartig. Die oberste Zeile, der im Bildteil wiedergegebenen Abbildung, die ungefähr wie CWY aussieht, wird „tsalagi“ (= Cherokee) gelesen. Bei den Stammesangehörigen hatte sich die Schrift als leicht erlernbar erwiesen; sie soll von vielen Cherokee-Indianern innerhalb von 2 Wochen erlernbar gewesen sein. Bereits 1828 erschien mit der „Cherokee Phoenix“ die erste Zeitung in Cherokee und Englisch. Weitere Zeitungen folgten und bis heute ist die von Sequoya erfundene Schrift bei den Cherokee-Ureinwohnern gebräuchlich. In der kurzen Zeitungsnotiz machte sich List darüber lustig, dass die Cherokee nun eine eigene Zeitung besäßen, was beispielsweise die Basler bis dato immer noch nicht geschafft hätten. Der Schweizer Grafiker, Maler und Lithograph Karl Bodmer (1800-

Amish People bei Kutztown PA. – dem alten „Kutschenstädtle“.

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1893), Ritter der Ehrenlegion, reiste im Auftrag von Prinz Maximilian zu WiedNeuwied nach Nordamerika, um in der Zeit von 1832-34 aquarellierte Indianerund Landschaftsbilder zu malen, die zeigen, wie der „Wilde Westen“ wirklich war. Diese Bilder sind deswegen kulturgeschichtlich von unschätzbarem Wert, weil sie einzigartige Dokumente sind, welche die untergegangenen Indianerkulturen im Bild festhalten. Außerdem sind sie nahezu zur selben Zeit entstanden, als sich Friedrich List dort aufgehalten hat. Eine der in der vorliegenden Dokumentation enthaltenen, nicht von Bodmer stammenden Abbildung zeigt den Indianerhäuptling Tischcohan, der mit den Söhnen von William Penn, dem Anführer der „Mayflower“ Verträge abgeschlossen hat. Den beiden Söhnen, Thomas und Richard Penn, verdankt die Stadt Reading ihre Gründung im Jahre 1746. An die Stelle der Indianer sind heute die Nachfahren der Einwanderer getreten; darunter u.a. die Amish People, die Nachkommen von religiösen Auswanderern aus der Pfalz, die bis zum heutigen Tage ihre alten Traditionen bewahren und nicht nur das „Pennsylvanian Dutch“ pflegen, sondern an ihrer Religiosität und Abneigung gegen den technischen Fortschritt festhalten und wie zu Lists Zeit mit ihrer Tracht und ihren Pferdekutschen eine lebendige Vorstellung vom bäuerlichen Leben in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vermitteln. Es gibt immer noch zahlreiche Farmen, die keinen elektrischen Anschluss haben, ihr Wasser mit einer Windmühle aus einem Brunnenschacht emporpumpen und in das Farmhaus leiten oder die es ablehnen mit einem motorisierten Fahrzeug zu arbeiten und sich fortzubewegen.

Ein „Parkplatz“ der Amish People.

Teil 5: Die wachsende Bedeutung der Kohle im Zuge der Frühindustrialisierung Noch im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts war man der Meinung, dass sich das Schuylkill County im Grunde genommen nur für die Forstwirtschaft eignet und lediglich zu einem geringen Teil Landwirtschaft betrieben werden könne. Dabei hatte der nicht sesshafte Trapper Necho Allen ca. 20 Jahre vorher eine folgenschwere Entdeckung gemacht. Bei der Rast auf einem Hügel zündete er auf einem schwarzglänzenden Grund sein Lagerfeuer an und stellte am anderen Morgen fest, dass sich der Brand über den gesamten Hang ausgebreitet hatte und dieser glühte. Obwohl jedermann davon sprach, dass es sich hierbei um ein Kohlevorkommen handeln müsse, vergingen noch viele Jahre, bis man nach dieser Entdeckung damit begann, die Kohle kommerziell auszubeuten. In einem Sammelwerk von Lance E. Metz mit dem Titel: „Canal history and technology proceedings“ von 1990 ist ein Aufsatz von Spiro G. Patton zum Thema: „Friedrich List’s Contribution of the Anthracite Railroad Connection in the United States“ enthalten. Patton war zu dieser Zeit Professor an der Widener University; – einer Privatuniversität in Chester, Pennsylvania. In dem Beitrag erinnert der Autor daran, dass Friedrich Lists Ideen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den industriellen Kreisen der Vereinigten Staaten sehr geachtet waren und vor allem seine Verdienste um den Transport von Anthrazitkohle gewürdigt wurden. In den USA sei Kohle als Energieträger um 1750 bekannt geworden, als man in Virginia Bitumen, sog. soft coal entdeckte und abbaute. In der letzten Dekade des 18. Jahrhunderts wurde dann in Wyoming, Schuylkill und in den Lehigh Valleys im Nordosten von Pennsylvania Stein- bzw. Anthrazitkohle entdeckt. Diese Lagerstätten konnten aber nicht abgebaut werden, weil sie von nutzbaren Wasserstraßen viel zu weit entfernt lagen. Während der britischen Blockade von 1812, als der Seeweg zum Transport von Kohle aus Virginia zu den größeren nordamerikanischen Häfen am Atlantik abgeschnitten war, aber zur selben Zeit amerikanische Fabrikanten mit Kohle als Energieträger experimentierten, entwickelte sich ein wachsendes Interesse an der Anthrazitkohle. In einer kurzen Notiz im „Readinger Adler“ vom 23.2.1830 hat List auf die Bedeutung der Steinkohle hingewiesen, weil man in diesem Zeitraum die Erfindung gemacht habe, die Steinkohle für die Eisenproduktion zu nutzen. Im Jahre 1826 habe man in England auf diese Weise bereits 600 000 Tonnen Eisen hergestellt. Die Fabrikation von Eisen mit Steinkohle sei bereits 1615 und nachher noch oft patentiert worden, aber weitgehend wirkungslos geblieben. Mehrere Personen hätten sich bei entsprechenden Versuchen ruiniert. Aber die

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jetzige Anwendung dieser Erfindung mit Hilfe der im Schuylkill- und LehighTal geförderten Kohle, wäre für Pennsylvania ein Millionengeschäft. In ganz Nordamerika gibt es nur zwei nennenswerte Kohleregionen, in denen Steinkohle gefunden wurde und abgebaut wird. Beide befinden sich in den Ausläufern der Appalachen im Bundesstaat Pennsylvania. Eines davon, das größere Vorkommen liegt im Einzugsgebiet der Schuylkill; das andere, etwa 70 Meilen westwärts, im Tal der North Branch an der Susquehanna. Als der Gouverneur von Pennsylvania die erste Karte über die beiden geologischen Vorkommen von Steinkohle gesehen hat, soll er gesagt haben: Dies sehe aus, wie ein Fisch! Das Maul dieses gigantischen Raubtieres reiche ostwärts bis zur Grenzlinie der Schuylkill und der Carbon Counties. Die beiden Schwanzflossen reichen bis zum Wisconisco Creek, 50 Meilen westlich bis an die Grenze des Dauphin County. Um 1820 gab es drei Gesellschaften, die sich in den nordöstlichen Tälern von Pennsylvania mit dem Abbau von Kohle befassten: Die Lehigh Coal and

Früheste Ansicht von Reading PA. um 1840.

Teil 5: Die wachsende Bedeutung der Kohle im Zuge der Frühindustrialisierung

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Navigation, die Delaware and Hudson sowie die Little Schuylkill-Navigation Company. Während sich die beiden ersten auf die Ausbeutung von Lagerstätten beschränkten, hatte die dritte auch den Transport der Kohle über einen Kanal zum Ziel. Zwischen Port Richmond in Philadelphia County und Port Carbon in Schuylkill County wollte man einen Kanal bauen. Als zentraler Ort war das damalige Kleinstädtchen Reading PA. vorgesehen. Bis jetzt war völlig unbekannt, dass Friedrich List bereits an der Projektierung einer Schleuse bzw. eines Wehres am Little Schuylkill-Kanal beteiligt war. Dies legt eine kleine Schrift mit dem Titel „The Act Incorporation the Little Schuylkill Navigation Rail Road and Coal Compagny“ von 1835 nahe, die ich im Archiv des Pennsylvania Railroad Museums in Strasburg PA. entdeckt habe. Daraus geht hervor, dass der Senat und das Repräsentantenhaus von Pennsylvania am 20. März 1826 einem Ergänzungsantrag von Isaac Hiester, George D. B. Keim, Henry A. Muhlenberg, Matthias S. Richards, Frederick List und John McKnight aus Berks County sowie Robert A. Parish aus Philadelphia County zum Bau einer Schleuse am östlichen Zufluss der Schuylkill, der sog.

Diorama von Reading um 1820 im Historischen Museum.

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Kleinen Schuylkill, die Erlaubnis erteilten. Ein so früher Beleg von Lists Aktivitäten in Reading war bislang unbekannt. Im 19. und 20. Jahrhundert war die Kohle mit weitem Abstand der wichtigste Energieträger für die Stromerzeugung, und das galt in ganz besonderem Maße für das energiehungrige Amerika, weil es der wichtigste Rohstoff für die Energiegewinnung sowie bei der Eisenverhüttung und Stahlerzeugung war. Vor allem im Bereich der Großen Seen mit dem Schwerpunkt Pittsburgh wurden die zahlreichen Stahlöfen damit befeuert und die Schwerindustrie aufgebaut. Davon profitierten natürlich auch die weiter entfernten Bergbauregionen, zu denen auch die Appalachen gehören. In Tamaqua ist mit der Mine Nr. 9, die längste für Besucher zugängliche Kohlenmine der Welt, eine interessante Touristenattraktion. Ab Mitte der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts setzte dann der unaufhörliche Niedergang ein. Der Kohlebergbau und die Schwerindustrie erlebten eine tiefgreifende Strukturkrise, die zu weit verbreiteten Massenentlassungen, Arbeitslosigkeit, Abwanderung und der Verringerung des Wohlstandes führte. Unzählige, der davon betroffenen Gemeinden und Städte verzeichnen seither einen mehr oder weniger starken Rückgang ihrer Einwohnerzahlen, was sich natürlich auch negativ auf das Steueraufkommen und die gesamte Infrastruktur auswirkte und bis in die Gegenwart hinein nachwirkt.

Der Little Schuylkill Kanal um 1830; Aquarell im Museum von Port Clinton.

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Wehr (Schleuse) am Little Schuylkill-Kanal, an dessen Bau Friedrich List beteiligt war; Holzstich um 1850.

Erste Anfänge der Landwirtschaft im Bereich des „Blue Mountain“; Holzstich um 1850.

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Die historische Herberge „Berkeley Inn“ von 1790 auf dem Weg zwischen Reading und Pottsville, die im Jahre 2000 durch Brand zerstört wurde.

Ansicht von Pottsville um 1830; Stahlstich von C. Lehmann.

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Karte der Little Schuylkill-, Lehigh-, Mahanoy- und Catawissa-Region mit den Kohlevorkommen.

Straßenschild in Tamaqua.

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Das Tal der Little Schuylkill mit dem „Blue Mountain“; Holzstich um 1850.

Teil 6: Die Entstehung der Anthrazitkohle, ihr Aufstieg und Niedergang Anthrazitkohle stellt die höchste Stufe der Kohlequalitätspyramide dar. Sie ist über Jahrmillionen aus dem Verkohlungsprozess von fossilen Ablagerungen entstanden. Diese hat von allen Kohlearten den höchsten Kohlenstoffgehalt und Heizwert sowie die niedrigsten Werte an flüchtigen Bestandteilen und bei der Rußbildung. Aus diesem Grund ist die Anthrazitkohle zur Verwendung als C-Träger bei metallurgischen Verarbeitungsprozessen hervorragend geeignet. Sie dient als Satzkohle zusammen mit Chargierschrott als Kohlenstoffträger und Energiequelle und stellte in der Blütezeit der Schwerindustrie einen hocheffizienten und kostengünstigen Rohstoff mit hoher Verfügbarkeit und relativ kostengünstiger Förderung dar, vor allem, wenn diese im Tagebau abgebaut werden konnte. Als Einblaskohle (sog. Schäumkohle) wird Anthrazitkohle auch zum Aufschäumen der Schlacke in den Hochöfen verwendet.Kontrollierte Schaumschlacken verbessern das Ankopplungsverhalten des Lichtbogens und verlängern die Ausdauer der Ofenwandung in den Hochöfen, was zu einer kostengünstigen Stahlerzeugung beiträgt. Die verschiedenen Kohlearten ergeben sich aus dem Alter der Kohlelager und dem Druck, dem sie bei ihrer Entstehung ausgesetzt waren. Neben der Anthrazitkohle unterscheidet man als genetische Vorstufen die Braunkohle und den Torf. Die Holzkohle wird dagegen auf künstlichem Wege mit Kohlemeilern bzw. aus stark erhitztem Holz hergestellt. Anthrazitkohle ist in der Zeit des Karbons vor ca. 300 Millionen Jahren entstanden. In jener erdgeschichtlichen Epoche war das Klima sehr warm und feucht. Riesige Urwälder aus Schachtelhalmen, Farnen und Schuppenbäumen sind damals auf sumpfigem Boden gewachsen. Wenn die Pflanzen und Bäume abstarben bzw. ihr Laub abwarfen, fiel das organische Material in den Sumpf bzw. versank im Morast. Da es luftdicht abgeschlossen war, ist es nicht verfault, sondern wurde in eine torfartige Schicht umgewandelt, auf der wieder neue Vegetation wuchs. Als sich der Boden absenkte, wurde die torfartige Schicht mit Geröll, Schlamm und Ton bedeckt. Dieser Vorgang hat sich vielfach wiederholt, wobei sich das betreffende Land durch tektonische Prozesse wechselweise absenkte und anhob, auseinandergerissen, verworfen und entweder tief in die Erdoberfläche eingedrückt oder, wie es in Pennsylvania der Fall ist, wieder an die Erdoberfläche hochgedrückt oder durch Erosion freigelegt wurde. Die dortigen Lagerstätten gehören übrigens zu den größten und ergiebigsten in der ganzen Welt. Anthrazitkohle, auch Kohlenblende genannt, ist der älteste fossile Brennstoff, eisenschwarz, zuweilen grauschwarz mit metallischem Glasglanz. Sie bildet bei der Metamorphose von organischer Substanz gewissermaßen das Endprodukt. Da sie schwer entzündbar ist, wurde sie anfänglich als „taube Kohle“ bezeichnet. Einmal in Brand gesetzt, entwickelt sie jedoch eine starke Hitze, ohne Rauch und bitumi-

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nösen Geruch. Dass sie schwer entflammbar ist, war auch Friedrich List bekannt. So schreibt er in seiner „Denkschrift über ein sächsisches Eisenbahnsystem“ von 1833: „In gewöhnlichen Öfen ist sie schwer anzuzünden. Dieser Unbequemlichkeit hat jedoch der amerikanische Erfindungsgeist so sehr abzuhelfen gewusst, dass sie jetzt nicht nur allgemein zum Hausgebrauch, sondern auch für Fabriken, Dampfmaschinen und Dampfboote dem Holz vorgezogen, ja sogar von den Landwirten wohlfeiler gefunden wird, als die Verwendung von eigenem Holz. Sie gibt weder Rauch, noch Flamme, noch Geruch und enthält ungefähr 30 Prozent mehr Heizkraft als die bituminöse Kohle.“ Anthrazitkohle besteht zum größten Teil aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Schwefel. Allerdings gehört sie zu den größten Verursachern der CO2 Bildung und damit zu den schwersten Verursachern der Klimaerwärmung. Deswegen ist die Verstromung von Kohle auf der ganzen Welt in Misskredit geraten. Seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die Kohle im Strommix kontinuierlich zurückgefahren und zunächst durch andere fossile Brennstoffe, wie Erdöl und Erdgas substituiert und heutzutage immer mehr durch regenerative Energieträger, wie Solarenergie und Wasserkraft ersetzt. Diese Entwicklung zeigt sich ganz deutlich an der Zahl der Bergleute, die im Kohlebergbau beschäftigt waren bzw. heute noch beschäftigt sind. In den 70er Jahren gab es in den USA noch mehr als 250 000 Kumpel, heute ist deren Zahl auf unter 40 000 gesunken. Der Kohleboom ist zu Ende. Daran wird auch die Politik von Donald Trump nichts ändern, obgleich er den früheren Kohleregionen versprach, den „War on Coal“ zu beenden. Der Bedarf an Kohle für die Stahlerzeugung ist seit Jahren rückläufig. Ebenso ist ihre Verwendung bei der Strom- und Wärmeerzeugung im Abschwung begriffen. Der Kohlepreis sinkt seit Jahren, was eigentlich zu einer Belebung der Nachfrage führen müsste. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, weil die Kohle immer stärker durch gesetzliche Vorschriften, aus Kostengründen und wegen der Luftreinhaltung immer mehr durch andere Energieträger an Bedeutung verliert. In vielen amerikanischen Bundesstaaten kann Strom mit Wind- und Wasserkraft kostengünstiger erzeugt werden, als durch die Verstromung der Kohle. Erdgas und Erdöl sind durch den Frackingboom sowieso billiger zu haben.

Links: Steinkohle mit Abdrücken von Pflanzenresten; Original im Bahnhof von Port Clinton. Rechts: Anthrazitkohle aus Tamaqua.

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Heutige Waldlandschaft in der Region des „Blue Mountain“.

Poster zur biologischen Entstehung von Anthrazitkohle vor 300 Millionen Jahren.

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Erste tektonische Phase bei der Entstehung von Kohle: die Bildung von Torf.

Dritte tektonische Phase bei der Entstehung von Kohle.

Teil 7: Die Entdeckung eines Kohlevorkommens in Pennsylvania durch Friedrich List Mit der Inbetriebnahme des Schuylkill-Kanals begann die verstärkte Suche nach weiteren abbauwürdigen Lagerstätten von Anthrazitkohle in den Bergen und Tälern im südlichen Schuylkill County. Nach seiner Ankunft in Reading hatte List das Kohlefieber mit großer Aufmerksamkeit beobachtet und festgestellt, dass die Flöze in nordwestlicher Richtung parallel zum Gebirge verlaufen. Deswegen beschloss er, seinen Focus auf das Tal der Schuylkill zu richten. In unmittelbarer Nähe der Indianersiedlung Tamaqua wurde er fündig. Dazu hielt er in seinem Tagebuch fest: „Ich stieg vom Pferd, um genauer zu schauen. Plötzlich erblickte ich schimmerndes schwarzes Gestein. Ich prüfte es und erkannte, dass es Kohle war, – wunderbare Anthrazitkohle. Ich grub tiefer und immer mehr Kohle kam zum Vorschein. Dann deckte ich die aufgegrabene Stelle zu und ritt dem Hügel zu, der vor mir lag. Ich grub erneut; wiederum zeigte sich neue Kohle. Ich war mir sicher, dass ich eine Kohlelagerstätte entdeckt hatte. Vorsichtig verwischte ich alle Spuren meiner Suche!“ Die dortige Gegend war damals noch vollkommene Wildnis. Der erste weiße Siedler, der sich dort 1799 niedergelassen hatte, war der deutschstämmige Burkhard(t) Moser, der seine Ansiedlung „Tuscarora“ nannte. Moser rodete Wald, baute eine Mühle und legte eine Farm an. Sein Wohnhaus ist noch original erhalten; es befindet sich in nördlicher Richtung der heutigen East Road Street. Moser hatte keine Ahnung, dass sich sein Anwesen in unmittelbarer Nähe eines reichen Kohlevorkommens befand. Nach seinem Tod wurde die Farm von seinem Sohn und einem anderen weißen Siedler weitergeführt. Das Wohnhaus von Moser liegt versteckt hinter einem jüngeren Haus. Es wurde 1801 im damals typischen Blochausstil erbaut. Mit Ausnahme des kleinen Freilichtmuseums in Kutztown, das 2 oder 3 dieser Häuser besitzt, habe ich nirgendwo sonst ein vergleichbares originales Haus aus dieser Zeit gesehen. Es darf als sicher gelten, dass List zur Klärung der Eigentumsverhältnisse, dieses Haus besucht hat. Allerdings befindet es sich in einem beklagenswerten Zustand und sollte als nationales Kulturgut erhalten und dringend renoviert werden. Außerdem gibt es in Tamaqua ein Steinhaus von 1827, das ursprünglich als Hotel diente und wie es eine Gedenktafel ausweist, von der Little Schuylkill Navigation and Railroad Compagny gebaut wurde; d.h. konkret von Friedrich List allein oder gemeinsam mit seinem Partner Dr. Isaac Hiester in Auftrag gegeben wurde. Dieses Haus diente natürlich dazu, der Geschäftsleitung und den Arbeitern eine Unterbringung zu ermöglichen. Weshalb es den Namen Keasby’s Hotel bekam, lässt sich nicht beantworten. Interessant ist jedoch, dass dieses Haus, in der „Market Street“ gelegen, auf einer überschwemmungssicheren Anhöhe errichtet wurde. In ähnlicher Weise, wie die „Market Street“ die Hauptstraße von Philadelphia bildet, sollte auch die „Market Street“ in Tamaqua zur Hauptstraße werden.

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Später wurde jedoch dieser Plan verworfen, indem die„Broad-Street“ zur Hauptstraße erklärt und die Kernsiedlung im Tal der Little Schuylkill angelegt wurde. Dies bedeutet, dass bei Hochwasser stets Überschwemmungsgefahr besteht. Das Hotel existierte nur kurze Zeit; dann wurde es in ein Doppelhaus erweitert und zur Unterbringung von Predigern einer Kirche genutzt. Das Gebäude existiert noch, wurde aber inzwischen verputzt. Es befindet sich in privater Hand und ist ebenfalls renovierungsbedürftig. Als sich herausstellte, dass nur ca. 6 km von „Tuscarora“ entfernt, bereits eine andere Ansiedlung mit dem gleichen Namen existierte, wurde „Tuscarora“ in „Tamaqua“ umbenannt. Dieser Name wird auf verschiedene etymologische Wurzeln zurückgeführt, zum einen auf die bereits erwähnte Herleitung des Namens „Tamaqua River“, als Biberfluss. Außerdem soll es einen Tuscarora-Häupting mit dem Namen „Tanamochk“ bzw. „Tam-a-kwah“ gegeben haben, nach dem der Ort benannt ist und zum dritten bedeutet „Tamaqua“ in der Indianersprache auch „fließendes Wasser“. Die heutige Kleinstadt „Tamaqua“ wird „Tuh-Ma-qwah“ ausgesprochen. Nach der Entdeckung des Kohlevorkommens hatte Friedrich List sofort den Plan, eine Eisenbahnlinie zu bauen, um die Kohle auf dem Schienenweg bis zur Mündung der Little Schuylkill in den Schuylkill-River zu befördern, dort auf Frachtkähne zu verladen und nach Philadelphia zu transportieren. Um an den erforderlichen Baugrund zu kommen, verhandelte er mit den jeweiligen Eigentümern. Er machte ihnen das Angebot, die geplante Eisenbahnstrecke innerhalb von 5 Jahren zu bauen, wenn sie ihm den dafür benötigten Grund und

Friedrich List auf der Suche nach einem Kohlevorkommen in Pennsylvania; Zeichnung von A. v. Volborth.

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Friedrich List bei der Entdeckung des Kohlevorkommens in Pennsylvania; Zeichnung von O. E. Günther. Boden um die Hälfte des damals üblichen Preises überlassen würden. Die Eigentümer erkannten sofort, dass der Bau der Bahnstrecke für ihre verbleibenden Ländereien eine deutliche Wertsteigerung mit sich bringen würde. Deshalb gingen sie auf Lists Angebot ein, sodass er mehrere tausend acres an Ländereien erwerben konnte. Dazu schreibt er: „Es lag auf platter Hand, dass auf andere Weise weder eine Eisenbahn noch ein Kanal hier zustande kommen könne, dass aber infolge meiner Operation die Besitzer durch die Werterhöhung der ihnen verbleibenden Hälfte ihrer Ländereien, die in dem gegenwärtigen Zustand weder irgendeinen Ertrag gewähren, noch überhaupt einen reellen Wert hatten, schnell zu Wohlhabenheit gelangen müssten, und so fand ich sie ohne Ausnahme bereit, mit mir entsprechende Kaufkontrakte abzuschließen. Nachdem auf diese Weise von mir das Eigentum von 10 000 Äckern Steinkohlenländereien, von 17000 Äckern Holzländereien, die für den künftigen Bergbau besonderen Wert hatten, nebst dem Eigentum zur Anlage von zwei Städten gesichert war, gelang es mir unschwer, Kapitalisten zu finden, welche 1 Million Dollar zum Bau einer Eisenbahn zur Verfügung stellten und ihnen begreiflich zu machen, dass man nach der Vollendung dieses Werkes beim Verkauf dieser Ländereien wenigstens das Dreifache würde erlösen können.“ Diese Schilderung ist sicher etwas vollmundig, weil die Finanzierung in Wirklichkeit extrem schwierig und auch die genannte Summe bei weitem zu hoch waren. Diese geschönten Angaben dienten natürlich dazu, den Leipziger Kaufleu-

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Karte von Friedrich List über den Besitz seiner Ländereien im Quellgebiet der Little Schuylkill. ten die Zeichnung von Aktienanteilen beim Bau der Sächsischen Eisenbahn attraktiv erscheinen zu lassen. Als ich mich dazu entschlossen habe, im Alter von 80 Jahren noch einmal die Strapazen einer zweiten Reise nach Reading auf mich zu nehmen, leitete mich – wie bereits erwähnt – die Absicht, Lists Pioniertat durch eigene Anschauung zu ermessen. Obwohl heute breite, vielfach autobahnähnliche Straßen in die Region des „Blue Mountain“ führen und große Teile der ursprünglichen Waldlandschaft gerodet und in Farmland umgewandelt sind, kann man sich immer noch einen guten Begriff machen, dass dieser Teil von Pennsylvania in früheren Zeiten undurchdringlicher Urwald war. Wahrscheinlich gab es kaum Wege und Stege und irgendwelche markante Orientierungspunkte. Wie sich List in dieser Wildnis zurechtfand, bleibt weitgehend ein Rätsel. Er hat sich sicher an den wenigen von den Siedlern geschaffenen Wegen und den seit alters her bestehenden Pfaden der Indianer orientiert. An der Verbindung (das Wort „Straße“ wäre in diesem Zusammenhang sicher etwas verwegen) von Reading nach Pottsville gab es z.B. mit der „Berkeley Inn“ ein Gasthaus von 1790, an dem man die Pferde wechseln, sie ruhen lassen und mit Futter versorgen konnte und wo natürlich Reisende auch übernachteten und einkehrten; aber solche Gasthöfe waren äußerst selten. In seiner schwäbischen Heimat gab es zu dieser Zeit ca. alle 30 km einen Gasthof mit der Möglichkeit zur Unterbringung und Versorgung der Pferde; einen solchen Komfort durfte man in der Neuen Welt nicht erwarten. Deswegen ist es nicht ver-

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wunderlich, dass Friedrich List entweder in eigener Regie oder gemeinsam mit Isaac Hiester 1827 das erste Steinhaus in Tamaqua errichten ließ, um es als Herberge unter dem Namen „Keasby’s Hotel“ einzurichten. Worauf dieser Name zurückzuführen ist, konnte leider von mir nicht geklärt werden. Aus einer Gedenktafel ist folgendes zu entnehmen: „The Little Schuylkill Hotel was built as the first stone building by the Little Schuylkill Navigation, Railroad and Coal Company, who first laid out plans for the town.“ Das Hotel, das nur kurze Zeit existierte, diente wahrscheinlich zur Unterbringung der am Eisenbahnbau beschäftigten Arbeiter sowie des Managements einschließlich von Friedrich List. Ebenso rätselhaft ist die Frage, wovon List in dieser Zeit lebte und seine Familie ernährte und wie er daneben auch noch seinen Aufgaben als Redakteur des „Readinger Adler“ gerecht werden konnte. In diesem Zusammenhang wird man unwillkürlich an den Vierzeiler von Martin Greif am List-Denkmal in Kufstein erinnert: „Ein Anwalt, ohne Sold bemüht fürs Vaterland! Ein Kämpfer, dem kein Gold den starken Willen band, Ein Held, der weit hinaussah über seine Zeit. Ein Sämann, dem als Haus das Sternenzelt bereit!“ Hier drängt sich ein Vergleich mit Christoph Columbus auf. Ebenso, wie dieser von der Idee besessen war, einen neuen Seeweg nach Indien zu finden und deswegen alle Strapazen seiner vier Entdeckungsfahrten auf sich nahm und es ihm

Kohleförderung bei Tamaqua in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

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letztlich nicht vergönnt war, daraus einen großen materiellen Vorteil zu ziehen, war auch Friedrich List von der Idee durchdrungen, ein neues Kohlevorkommen zu entdecken und allen Widrigkeiten zum Trotz, die Little Schuylkill-Railroad zu bauen. Wenn man die Topographie und die Länge der knapp 40 km langen Strecke in Betracht zieht, erscheinen der Bau der ersten nur 6 km langen deutschen Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth und selbst die erste deutsche Ferneisenbahn von Leipzig nach Dresden wesentlich einfachere Projekte, die kaum einem Vergleich mit der verwegenen Linie in Pennsylvania standhalten; – erst recht nicht, wenn man die sonstigen Schwierigkeiten, wie die Finanzierung, die Gewinnung von Arbeitskräften, die abgelegene Lage, die Wildheit des Terrains und anderes berücksichtigt. Hier versagt die Geschichtsschreibung, weil sie nicht in der Lage ist, die historischen Umstände und Gegebenheiten in entsprechende Worte zu fassen. Sowohl beim ersten als auch beim zweiten Besuch dieser Gegend musste ich oft an Lists tapfere Frau Karoline denken, die mit ihren 5 kleinen Kindern (inzwischen kam auch Lists jüngste Tochter Karoline, genannt Lina, in Reading zur Welt) in einem kleinen Mietshaus in Reading ausharren musste, bis ihr Mann nach mehr oder weniger langer Abwesenheit wieder einmal nach Hause zurückkehrte. Dass sie unter diesen Bedingungen depressiv wurde und unter enormem Heimweh litt, lässt sich leicht nachvollziehen. Deswegen wird sie alles darangesetzt haben, ihren Mann zur möglichst baldigen Rückkehr nach Europa zu drängen. Insofern führt auch die vereinzelt aufgeworfene Frage ins Leere, weshalb List nicht in den USA geblieben ist, wo er doch zu Ansehen und Vermögen gelangt war.

Kohletransport mit der Pferdebahn in Tamaqua.

Teil 8: Der Bau der Little Schuylkill-Eisenbahn

Nach der Entdeckung des Kohlevorkommens bemühte sich List um die Finanzierung des Projekts. In einem Schreiben an Johann Freiherr v. Cotta vom 5.1.1831 erwähnt er die Schwierigkeiten, die dabei zu überwinden waren. Gemeinsam mit Dr. Isaac Hiester, dem Neffen des Gouverneurs von Pennsylvania Joseph Hiester, habe er jene Gegend aufgekauft: im Ganzen 18 000 acres sowie zwei vortrefflich gelegene Plätze zur Anlage von zwei Städten, jeden davon mit 500 acres, den einen, wo die Eisenbahn beginnt und den anderen, wo sie den Schuylkill-Kanal erreicht. Das Projekt hänge nun davon ab, ob die Finanzierung von 300 000 $ gelingen werde. Da die eigenen Mittel durch den Ankauf der Ländereien aufgebraucht seien, müssten entsprechende Kreditgeber gesucht und gefunden werden. Hierbei sei ihm ihre beiderseitige Reputation und seine Feder von statten gewesen. Nach 14monatiger unsäglicher Anstrengung sei es ihnen schließlich gelungen, sämtliche Geldleute in Philadelphia auf das Unternehmen aufmerksam zu machen und diese, trotz heftiger Opposition von zwei mächtigen Kanalinteressenten, die zusammen mehr al 6 Mio. $ ins Spiel brachten, als Kreditgeber zu gewinnen. Zur Absicherung der Kredite habe man darauf eingewilligt, die Hälfte der Ländereien zum Ankaufspreis hypothekarisch zu belasten. „Die ersten nachweisbaren Geländekäufe erfolgten im Dezember 1828. B. R. Morgan aus Philadelphia, der die meisten Grundstücke besaß, verkaufte Anfang 1829 mehr als 6 000 Acres an List. Als Gegenleistung verpflichtete sich dieser, dem damals 65jährigen Mann eine Jahresrente in Höhe von 2000 $ auszubezahlen. Insgesamt betrugen die Erwerbskosten für den benötigten Landbesitz von 8125 Acres 61 050 $. Für den Bau der 22 Meilen langen Eisenbahnstrecke kalkulierte List 40 000 $ ein. Somit ergab sich ein veranschlagtes Finanzvolumen von rund 100 000 $.“ Seine Vorstellungen über den Bau der Eisenbahn legte er am 20. Januar 1829 in einem 16 seitigen Bericht mit dem Titel „Report on the Improvement of the Little Schuylkill“ dar. Wer nähere Details zu Lists Grundstückserwerb und der Finanzierung der Little Schuylkill-Railroad erfahren möchte, wird auf die Dissertation von Klaus Schafmeister „Entstehung und Entwicklung des Systems der Politischen Ökonomie bei Friedrich List“ von 1995, S. 354 ff. verwiesen. Die beiden Initiatoren List und Dr. Isaac Hiester hatten gegen den beträchtlichen Widerstand der einflussreichen Befürworter der Kanallösung zu kämpfen, die verständlicherweise in der Eisenbahn eine ernsthafte Konkurrenz sahen. Nachdem List 2 ½ Jahre zuvor mit den Befürwortern des Kanalbaus bekannt geworden war und sich sogar, wie bereits erwähnt, am Bau einer Schleuse beteiligte, dürfte es jetzt zu erheblichen Spannungen gekommen sein, als sich List und

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Hiester von den Kanalbefürwortern trennten und mit dem Eisenbahnbau eigene Wege gingen. Obgleich die Gegner erheblich kapitalkräftiger waren, gelang es List und Dr. Isaac Hiester, deren Widerstand zu überwinden und im Capitol von Harrisburg die Genehmigung für den Eisenbahnbau zu erwirken. Dabei war Gouverneur J. Hiester sicher ein einflussreicher Befürworter. Isaac Hiester, der auf dem Charles Evans Cemetery in Reading beigesetzt wurde, war mit der Tochter des berühmten Generals John Peter Mühlenberg (Muhlenberg) verheiratet, der im amerikanischen Unabhängigkeitskampf eine wichtige Rolle spielte, mehrere hochrangige politische Ämter bekleidete und in der Geschichte der VereinigDer Bauleiter Moncure Robinson. ten Staaten eine hoch angesehene Persönlichkeit darstellt. Isaac Hiester war Mitglied der Readinger Freimaurerloge Nr. 62, F. & A. M; die Buchstaben bedeuten „Free and Accepted Masons“. Aufgrund ihrer engen Verbindung ist es nicht verwunderlich, dass sich auch Friedrich List um eine Aufnahme in diese Loge bemühte. Am 7.3.1827 wurde er in den ersten Grad als Lehrling in die Loge aufgenommen; einen Monat später avancierte er zum Gesellen und wiederum einen Monat später erhielt er den Meistergrad. Allerdings hat er dann wegen des Engagements bei der Projektierung und Finanzierung der Bahn und seine dadurch bedingte häufige Abwesenheit von Reading nur sporadisch an den Zusammenkünften der Freimaurer teilgenommen. Zum Entschluss, Mitglied der Freimaurer zu werden, dürfte bei List nicht nur seine „hohe Achtung für die Rechtschaffenheit mancher bereits verstorbener und vieler noch lebender Mitglieder dieses Ordens“ gewesen sein, wie der Schweizer Politiker Johannes Herzog v. Effingen, der List während seines Exils in Aarau sehr gewogen war oder seine Nähe zu Lafayette und Andrew Jackson, die beide der Freimaurerloge angehörten, sondern natürlich auch deren Ideale: Freiheit,

Teil 8: Der Bau der Little Schuylkill-Eisenbahn

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Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität. Edgar Salin, der selbst Freimaurer war, führt Lists Motto „Et la patrie, et l’humanité!“, das er dem „Natürlichen“ und dem „Nationale System“ voranstellte, direkt auf den Einfluss der Freimaurer zurück. In der Auseinandersetzung über das beste Transportmittel (Kanal oder Bahn) nahm List eindeutig zugunsten der Eisenbahn Stellung: „Auch hier sind die Meinungen noch geteilt, allein die Majorität ist neuerlich entschieden für die Eisenbahn 1. wegen der viel kürzeren Unterbrechungen durch Frost und Reinigung, 2. wegen der viel geringeren Anlage- und Unterhaltskosten, 3. weil der Bau viel schneller vonstattengeht, 4. wegen des viel schnelleren Transports, 5. Der Ingenieur Moncure Robinson in älteren weil bei weitem nicht so viele Jahren.. unvorhergesehene Hindernisse in den Weg treten und 6. weil während des Baus auch die kleinsten fertigen Strecken genutzt werden können, ein Umstand, der die Anlagekosten bedeutend vermindert und den Mut und Eifer zur Fortsetzung des Werkes aufrechterhält und vermehrt.“ Zunächst hatte sich List an den Bankier Stephen Girard gewandt, der zur damaligen Zeit als einer der reichsten Männer in den USA galt. Außerdem muss er mit mindestens zwei weiteren Banken und zwar mit Barclay und Thouron verhandelt haben. Wie schwierig und zähflüssig diese und wahrscheinlich noch viele andere Verhandlungen waren, zeigt sich daran, dass List in dieser Zeit, gemeint ist das Jahr 1829, an 290 Tagen unterwegs war und immer wieder seine in Reading weilende Frau Karoline um Verständnis bitten musste, dass sich seine Rückkehr verzögern werde. In dieser Zeit soll er ca. 3 000 km (!) gereist sein; eine unvorstellbare Strapaze! Nach vielen vergeblichen Bemühungen gelang es den beiden Geschäftspartnern schließlich, beim Bankhaus Thomas Biddle in Philadelphia den erforderlichen

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Das von F. List und I. Hiester für Moncure Robinson errichtete Wohnhaus in Port Clinton. Kredit zu bekommen. Auf der Rückreise von einem Aufenthalt in Philadelphia, bei dem wahrscheinlich der Kredit ausgehandelt und genehmigt wurde, ist Friedrich List sogar das Opfer eines Raubüberfalles geworden. Am 6. Dezember 1829 befand er sich nämlich auf dem Rückweg nach Reading. Er startete um ½ 3 Uhr in aller Herrgottsfrühe. Es war stockdunkel. List nahm auf dem Vordersitz der Postkutsche Platz und saß mit dem Rücken zum Kutscher. Außer ihm waren noch 9 Fahrgäste dabei, 8 saßen mit ihm in der Kabine, einer saß draußen auf dem Kutschbock neben dem Kutscher. List schlummerte ein, war aber plötzlich hellwach, als die beiden Kutscherlaternen zu Bruch gingen. Er wusste zunächst nicht, was passiert war, bis ihn einer der Fahrgäste fragte, ob er eine Pistole dabei habe. Unmittelbar darauf rissen zwei der drei Banditen eine der beiden Wagentüren auf, während der dritte den Kutscher bedrohte. Dieser wurde vom Bock geholt, gefesselt und ausgeraubt, die Post auf die Straße geworfen und die beiden Pferde an einem Zaun festgebunden. Einer der Räuber, ein muskulöser, robuster Mann von mittlerer Statur, der Wache schob, forderte die Passagiere auf, eine der beiden

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Türen zu ihrem Schutz geschlossen zu halten, während der andere, ein hoch gewachsener, schlanker Mann mit einer Pistole herumfuchtelte und den Fahrgästen befahl, keinen Widerstand zu leisten, dann geschehe ihnen nichts. Zu List sagte er hohnlächelnd: „Das ist aber sehr schade, dass Du keine Pistole dabeihast!“ Wie beim Kutscher, wurden alle Satteltaschen und das Handgepäck der Mitreisenden von den Ganoven erbeutet. Einer wollte wissen, was List in seinem Koffer mitführe. Er antwortete, darin seien nur Papiere, die für ihn von Wichtigkeit, sonst aber wertlos seien. Kurzerhand zog der Mann ein Messer und schlitze damit den Koffer auf. Dann machten sich die drei Räuber mit ihrer Beute aus dem Staub. Schließlich gelang es einem der Fahrgäste, sich von seinen Fesseln zu befreien und die anderen loszubinden, sodass sie zwar in Angst und Schrecken versetzt, dennoch ihre Reise fortsetzen konnten. Im Jahre 2008 tauchte bei der „Heritage Auction“ ein Tagebuch über die Anfänge der Little Schuylkill-Railroad auf, dessen jetziger Eigentümer trotz entsprechender Nachfrage leider unbekannt ist und sicherlich eine aufschlussreiche Quelle wäre. Aus einer im Internet abgebildeten Seite ist lediglich zu entnehmen, dass Friedrich List seinen damaligen Landbesitz am 18.2.1830 zugunsten von

Gedenktafel am Wohnhaus von Moncure Robinson in Port Clinton.

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Thomas Biddle und Dr. Isaac Hiester mit einer Hypothek belastete bzw. auf beide übertragen hat. Dabei wurden die Mine mit dem dazu gehörenden Land in West Penn Rush, insgesamt 3486 Hektar, 99 Hochsitze samt Nutzungsrecht sowie vier aneinander grenzende Ländereien an den Waters of Catawissa und dem Mahoney Creek ehemals in Northumerland jetzt in Schuylkill County gelegen, durch einseitige Erklärung vom 19.6.1830, ferner das durch Optionsscheine vom 10.6.1794 Peter Benton, Thomas Barns, John Barron und Andrew Kennedy zugeteilte Land über insgesamt 1628 Hektar und der Besitz von Peter Knobel und seiner Frau am 4.3.1830 ebenfalls an Thomas Biddle und Dr. Isaac Hiester übereignet. Für die Leitung der Bauarbeiten konnte Friedrich List den erst 27jährigen Ingenieur Moncure Robinson (1802-1891) gewinnen, der aus Richmond in Virginia stammte. Er gehörte dort zu den ältesten und angesehensten Siedlerfamilien; sein Großvater war Prediger und mit George Washington befreundet. Robinson erlernte das Technische Zeichnen in New York. Anschließend kehrte er nach Virginia zurück und arbeitete dort an Kanalbauten. Von 1825 bis 1827 studierte er Maschinenbau an der Sorbonne in Paris. Dann unternahm er eine ausgedehnte Studienreise nach England, Holland, Frankreich und Italien, wo sein Interesse vor allem Kanälen, Häfen und Brücken galt; außerdem informierte er sich in England über das Eisenbahnwesen.

Das Eisenbahnmuseum in Port Clinton.

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Von 1829 bis 1832 leitete Robinson die Bauarbeiten der Little Schuylkill-Railroad. Vermutlich war er bereits in die Finanzierung des Projekts durch das Bankhaus Biddle involviert. Dafür sprechen drei Briefe, die sich im literarischen Nachlass von Moncure Robinson befinden. Im ersten vom 25.11.1829 datierten Schreiben teilt ihm Edward Biddle mit: „Ich habe gerade Ihren Brief vom 22. d. Monats erhalten. Sobald Sie es einrichten können, hierher zu kommen, würde ich mich freuen, Sie zu begrüßen. Damit ich und meine Freunde die Auszahlungsmodalitäten vorbereiten können, wäre es wichtig die Kostenschätzung von einer Person zu bekommen, in die ich die höchste Kompetenz setze.“ Daraus ist zu schließen, dass Biddle Friedrich List gemeint hat und dazu aufforderte, baldmöglichst nach Philadelphia zu reisen, um die Dinge miteinander zu besprechen. Dazu passt der erwähnte Raubüberfall, der am 6. Dezember 1829 bei der Rückreise auf die Postkutsche verübt wurde. Um Moncure Robinson für den Bau der Little Schylkill zu gewinnen, lockten ihn List und Hiester mit folgendem großzügigen Angebot, das aus einem Schreiben vom 6.3.1830 an den Vater des Ingenieurs hervorgeht. Darin schreibt Robinson, dass er das Leben in Pennsylvania trotz der geringen Freizeit wesentlich angenehmer empfinde, als in Philadelphia oder in New York.

Bildergalerie im Eisenbahnmuseum von Port Clinton.

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Broschüre von 1835, aus der hervorgeht, dass F. List bereits 1826 am Bau einer Schleuse am Little-Schuylkill-Kanal beteiligt war. Die Eisenbahncompagnie habe ihm ein zweigeschossiges Haus sowie einen tüchtigen Diener und zwei Pferde zu seiner persönlichen Nutzung zur Verfügung gestellt; außerdem einen Sekretär sowie 6 bis 8 Arbeiter zur Ausführung der Bauarbeiten und einen Weinschrank gefüllt mit altem Madeira Portwein und Wein von der Sauterne sowie einen guten Bestand an holländischem Gin, Cognac Brandy und Zigarren zur freien Verfügung, um seine Freunde zu bewirten, wobei er lediglich die Kosten für den Kanaltransport übernehmen musste. Bis jetzt hatte ich keine Vorstellung, wie viele Arbeiter beim Bau der Little Schuylkill-Railroad beteiligt waren; außerdem konnte mir keiner der maßgeblichen Experten, die ich zu Rate zog, darauf eine Antwort geben. Insofern muss ich mich mit der genannten Zahl von 6 bis 8 Arbeitern begnügen. Diese erscheint zwar viel zu gering; andererseits ist kaum vorstellbar, dass in der Pionierzeit genügend Arbeitskräfte vorhanden waren. Dies änderte sich erst mit dem Bekanntheitsgrad der Mine. Das von Moncure Robinson bezogene Gebäude in Port Clinton existiert heute noch. Am Wohnhaus ist eine Gedenktafel mit folgender Inschrift angebracht: „This magnificant 2 ½ story spacion brick home were constructed of a deal made to entice Moncure Robinson, a civil engineer from Virginia, to layout their proposed railroad from the Schuylkill Water Canal Port Clinton to the foot of the Blue Mountain (Tamaqua) following the Little Schuylkill River. This home served

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Ältester Plan zur Besiedlung von Fort Clinton. as his home and office and as a Post Office, as he became Port Clinton’s first postmaster. It was used as a grocery store and is renovated to original.“ Das Haus wurde also im Auftrag von Friedrich List und Dr. Hiester gebaut und entsprechend ausgestattet, um Robinson für den Bau der Little Schuylkill-Railroad zu gewinnen und ihm ein ansprechendes Ambiente zu bieten. Nach Fertigstellung der Bauarbeiten blieb Robinson dort wohnen und fungierte auch als erster Posthalter von Port Clinton. Ich hatte die Gelegenheit zu einem kurzen Besuch des Hauses, das sich heute in Privatbesitz befindet. Dabei wurde mir u.a. ein eingebauter Schrank aus der Bauzeit gezeigt, in dem wahrscheinlich die von List und Hiester zur Verfügung gestellten „liquiden“ Mittel aufbewahrt wurden. Der Name „Port“ Clinton vermittelt die Vorstellung, dass es dort einen richtigen Hafen gibt. In Wirklichkeit handelt es sich nur um die Flussmündung der Kleinen in die Große Schuylkill. In einem nahegelegenen kleinen Museum werden Zeichnungen, Bilder und originale Werkzeuge aufbewahrt, die beim Gleisbau verwendet wurden. Im Juni 2019 hatte ich Gelegenheit, die dort ausgestellten Objekte eingehend zu studieren und Fotos zu machen, die hier erstmals veröffentlicht werden. Für die Erlaubnis, diese Objekte fotografieren zu dürfen und die Gastfreundschaft, die ich durch den Leiter des Museums, Luke McLaughlin, erfahren durfte, möchte ich mich an dieser Stelle nochmals ganz herzlich bedanken.

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Kaufvertrag von Leonard Rishel über den Landerwerb in Port Clinton, von dem F. List das Gelände erworben hat. In zwei weiteren Schreiben vom 24.2. und 6.3.1830 wandte sich Edward Biddle erneut an Robinson, um darauf zu drängen, dass mit dem Bau der Little Schuylkill-Railroad, soweit es das Wetter zulasse, so früh als möglich begonnen werde. Er wünsche auch eine topografische Übersicht und einen Plan über die inzwischen erfolgten technischen Verbesserungen einschließlich einer Kostenschätzung und der Mitteilung, ob die Arbeitsbedingungen zufriedenstellend sind und die Bauarbeiten zügig angefangen und durchgeführt werden können. Sein weiteres berufliches Leben widmete M. Robinson verschiedenen Eisenbahn- und Kanalprojekten in den USA; vor allem in Pennsylvania, aber auch in den angrenzenden Bundesstaaten. Dabei erwarb er sich als führender Fachmann beim Eisenbahnbau, insbesondere im Gleisbau einen ausgezeichneten Ruf. Er war nicht nur ein begnadeter Techniker, sondern auch ein ausgezeichneter Organisator mit einem ausgeprägten Managementtalent. Auch noch in seinem Ruhestand wurde er oftmals bei Eisenbahnprojekten zu Rate gezogen. Robinson hat sowohl Friedrich List als auch Michel Chevalier beeinflusst, der als Minister für öffentliche Angelegenheiten des französischen Königs Louis Philipp zu einer Informationsreise in die USA geschickt wurde, um sich dort über die Erfahrungen im Eisenbahnwesen zu erkundigen. List und Chevalier waren auch

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persönlich miteinander bekannt und schätzten sich gegenseitig. Im Jahre 1853 wurde Robinson zum Ehrenmitglied des amerikanischen Verbandes der Ingenieure ernannt und hat damit eine der höchsten Auszeichnungen dieser Organisation erhalten. Er ist als „Genius in der Frühphase des amerikanischen Eisenbahnbaus“ in die Technikgeschichte der USA eingegangen. Die Grundsteinlegung der Little Schuylkill-Railroad fand am 1. Juni 1829 statt und am 8. November 1831 war die gesamte Strecke fertiggestellt; eine unglaubliche Leistung, wenn man bedenkt, dass die Arbeiter den reißenden Gebirgsfluss 17 Mal mit Brücken überqueren mussten, um das 22 1/2 Meilen; d.h. ca. 38 km lange Gleisbett zu bauen. Zunächst wurde die Strecke als Pferdebahn betrieben, ehe im zeitigen Frühjahr 1833 auch die beiden Lokomotiven zur Verfügung standen. Es war ein Freitag, an dem die Pferdebahn offiziell mit zwei Wagen, die von Richard Imlay in Baltimore, Maryland, gebaut waren, zum ersten Mal ihren Betrieb aufnehmen konnte. Die beiden festlich geschmückten Wagen beförderten 60 Personen; sie wurden von zwei Pferden gezogen. Außerdem wurde noch ein kleinerer Wagen mit einem Pferd eingesetzt. Die Fuhrwerke verließen Port Clinton um 10 Uhr; sie kamen um 13 Uhr in Tamaqua an. Dort standen 15 mit Kohle beladene Wagen; auf jedem flattere eine weiße Fahne,

Modell der überdachten ersten Eisenbahnbrücke in Port Clinton, die bei der großen Flut von 1850 zerstört wurde.

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Werkzeuge im Museum von Port Clinton, die beim Bau der Little SchuylkillEisenbahn verwendet wurden. die einen wunderbaren Kontrast zur schwarzen Kohle bildete und ein eindrucksvolles Bild abgab. Vor den Wagen stand in Reih und Glied eine Abordnung von 40 bis 50 Bergleuten in ihren Bergmannsuniformen, ohne Kopfbedeckung, die mit ihren verschmierten Händen und zerfurchten Gesichtern, wie eine außerirdische Abordnung mit Ruß vom Pluto daherkam und mit ihren Stentorstimmen drei Hochrufe ausbrachten, als die Wagenkolonne eintraf. Sechs Tage später, am 23.11.1831, wurden dann die ersten Kohlewagen nach Port Clinton befördert. Die beiden ersten Transporte wurden von George Schoemaker und Henry Ray vorgenommen. Isaak Hinkley führte den ersten Wagen mit Fahrgästen. Während des ersten Jahres wurden die Wagen noch von Mulis und Pferden gezogen. Die beiden von Friedrich List bei Edward Bury in Liverpool bestellten

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Werkzeuge im Museum von Port Clinton, die beim Bau der Little SchuylkillEisenbahn verwendet wurden. Lokomotiven „Comet“ und „Catawissa“ trafen erst im Winter 1832/33 in Philadelphia ein. Sie wurden teilweise zerlegt und auf Schlitten über den zugefrorenen Little Schuylkill-Kanal zum Einsatzort transportiert. Die Maschinen trugen die Typenbezeichnung 0-1-0; sie wogen ungefähr 8 t und kosteten jeweils 5 000,- $. Die „Catawissa“ machte die erste Probefahrt am 27.2.1833. Sie verließ Tamaqua um 10 Uhr und fuhr am Abend von Port Clinton zurück. Von den 6 im Jahre 1831 fertiggestellten Eisenbahnstrecken in Pennsylvania, war die Little Schuylkill-Railroad die erste, die mit Dampf betrieben wurde. Am 8. März wurde eine weitere Versuchsfahrt unternommen. Im „Miner’s Journal‘‘, einem in Pottsville erschienenen Wochenblatt wird darüber berichtet, dass es dabei zu einem Unglück kam. Die Lokomotive war in einer Kurve aus der Spur gesprungen und mit 13 Wagen in einen Abhang gekippt, wodurch die Wagen mehr oder weniger

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stark beschädigt wurden. Sie mussten von Pferden geborgen und nach Tamaqua geschafft werden, wo sie instandgesetzt wurden. Der Name „Catawissa“ war Programm. Zur Namensgebung diente die von Tamaqua ca. 30 Meilen entfernte, an einer Flussbiegung der Susquehanna gelegene und 1774 gegründete Siedlung gleichen Namens. Die Susquehanna ist der größte nicht schiffbare Fluss an der Ostküste der USA; sie fließt durch Harrisburg, der Hauptstadt von Pennsylvania und durchquert das frühere Siedlungsgebiet der Irokesen. Mit der Übertragung des Namens „Catawissa“ auf eine der beiden Lokomotiven wollte List offenbar einer in einem Schreiben an den Bankier Stephan Girard vom 8.7.1829 geäußerten Idee Nachdruck verleihen. Darin deutete er an, dass er sich eine Verlängerung der Little Schuylkill-Railroad bis Catawissa vorstellen könne und äußerte die Überzeugung, dieses Projekt im Laufe von drei Jahren zu realisieren. Auf diese Weise, so hoffte er, Harrisburg

Werkzeugkiste im Museum von Port Clinton, die beim Bau der Little SchuylkillEisenbahn verwendet wurde.

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Vignette der Little-Schuylkill-Eisenbahn-Gesellschaft mit den ausgewechselten Eisenbahnschienen, darunter ein Muster der neuen T-Schienen. auf direktem Wege mit Anthrazitkohle beliefern zu können. Dafür, dass List diesen Plan auch tatsächlich ausführen wollte, spricht u.a. der Ankauf von großen Ländereien in dem zwischen Tamaqua und Catawissa gelegenen MahanoyValley. Die Catawissa ist ein Nebenfluss der Susquehanna. Der Name ist indianischen Ursprungs und bedeutet „fette Beute“. Der Legende nach wurde dort von einem indianischen Ureinwohner ein außergewöhnlich kapitaler Hirsch erlegt. Seit 1728 wurde das Tal von Pelzhändlern in Beschlag genommen. Die „Comet“ sprang bereits bei der ersten Probefahrt aus der Spur. Am 1.3.1833 fuhr sie versuchsweise ohne Ladung von Port Clinton nach Tamaqua, wo sie von Thomas Sergeant, Edward Biddle, Moncure Robinson sowie einigen anderen amtlichen Personen erwartet wurde. Sergeant (1781-1860) war ein damals bedeutender Jurist, Richter und Politiker in Pennsylvania. Er war mit der Tochter von Benjamin Franklin verheiratet, bekleidete das Amt des Staatsanwaltes am Supreme Court und war General-Postmeister von Pennsylvania. Edward Biddle kam als Bankier aus Philadelphia. Die ca. 38 km lange Strecke wurde in 2 ½ Stunden zurückgelegt.

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J. Benett Nolan nimmt in seinem Buch „The Schuylkill“ darauf Bezug und schreibt: „This catastrophe occured near the hamlet of New Ringgold, where the Delaware sachem Tammany once dwelt. The news came to Harrisburg just in the State legislature convened, and the amused solons derided the railway and List, ,this professor of economny and necromancy‘. Nevertheless, List’s labors had not been in vain. He was back in Germany when the triumphal completition of the road was celebrated.“ (Die Katastrophe ereignete sich in der Nähe des Weilers New Ringgold, wo einst die Delaware Indianer lebten. Die Nachricht erreichte Harrisburg gerade als dort das Parlament tagte und die amüsierten Besucher der Salons verspotteten die Eisenbahn und List als Professor für Ökonomie und Nekromantie, d.h. der Schwarzen Magie. Nichtsdestotrotz war Lists Arbeit nicht umsonst. Er war aber bereits nach Deutschland zurückgekehrt als die triumphale Vollendung der Eisenbahn gefeiert werden konnte.) Beide Lokomotiven wurden ab dem 9. April 1833 zu regelmäßigen Fahrten eingesetzt. Allerdings wurde etwa ein Drittel der zu befördernden Kohle zunächst immer noch auf Wagen, die von Pferden gezogen wurden, befördert. Jeder Wagen hatte 3 t Kohle geladen. Der Zug fuhr zweimal täglich hin und zurück, sodass etwa 100 t Kohle pro Tag transportiert werden konnten. Zwei Jahre später ereignete sich ein weiteres Unglück, als die „Catawissa“ ein zweites Mal aus den Schienen sprang und in den Fluss stürzte. Sie wurde wieder von Pferden geborgen und zur Reparatur nach Tamaqua gebracht. Das Gleisbett war zunächst mit hölzernen und Eisenblech beschlagenen Schienen ausgerüstet. Diese wurden von Gowan & Marx aus London England geliefert. Die erste Lieferung traf im April 1831 ein. Diese Konstruktion erwies sich bald als zu schwach, sodass es zu diesen Unglücken kommen musste. Danach wurden die Holzschienen durch sog. T-Schienen aus Stahl ersetzt. Über die Nutzung der „Comet“ ist nach August 1833 nichts mehr bekannt; d.h. man weiß nicht, wie lange sie genutzt wurde. Die „Catawissa“ war dagegen noch lange im Gebrauch. Als die Little Schuylkill-Railroad Company im April 1863 von der Philadelphia Railroad Compagny übernommen wurde, ging die Lokomotive in deren Fuhrpark über. Sie wurde dann noch umgebaut und von nun an von Mitarbeitern der Bahngesellschaft zur Inspektion der Gleise verwendet. Für kurze Zeit diente sie auch noch bis 1865 bei der Lebanon Valley Branch, die zwischen Reading und Harrisburg verkehrte. Die restlichen 5 Jahre war sie in Reading stillgelegt, bis sie 1871 für 4000 $ verkauft und schließlich verschrottet wurde. Von Anfang an zogen die beiden Lokomotiven das Interesse von anderen Eisenbahnunternehmen auf sich; vor allem die Sekundäreffekte der Gesellschaft, wie die Ansiedlung von Betrieben, bildete ein Modell für andere Gesellschaften, die ihre Anteilseigner von den Vorteilen einer Dampflokomotive gegenüber einer Pferdebahn überzeugen wollten.

Teil 9: Die Würdigung von Lists Verdiensten beim Bau der Little Schuylkill-Eisenbahn durch Dr. Isaac Hiester Bei der Einweihung der Little Schuylkill-Eisenbahnstrecke, die wegen Lists Europareise ohne dessen Anwesenheit am 3. Dezember 1831 stattfand, würdigte sein Projektpartner Dr. Isaac Hiester das Werk bei einem Festmahl im Keasby’s Hotel in Tamaqua mit folgendem Toast: Im Hinblick auf die überaus lobenden Worte, mit denen hier mein Name bedacht wurde, bedaure ich an diesem Freudentag die Abwesenheit einer Person, der dieselbe Anerkennung gebührt, die ich soeben empfangen habe. Der Gentleman, den ich meine, ist Professor List, dessen unternehmerischer und weitsichtiger Geist allseits bekannt ist und der sich gegenwärtig auf der Rückreise von Europa befindet, wo er auf eigene Kosten ein Jahr verbracht hat, um dort die Marktchancen für Anthrazitkohle zu sondieren. Er war von Anfang an bei der Planung und Realisierung der ersten Schritte bei diesem Unternehmen involviert und nahm regen Anteil an den Fortschritten des Werkes, das seinen Talenten, seiner Genialität und Ausdauer zu verdanken ist. Dem eigentlichen Urheber dieses Unternehmens sowie allen Mitwirkenden ist es zu verdanken, dass dieses Werk entstanden ist. Die Aufgabe des Ersteren war es, das Werk auf den Weg zu bringen und zu beaufsichtigen, während es den Letzteren vorbehalten war, mit ihren technischen Fähigkeiten dieses Kunststück auszuführen und es im wahrsten Sinn des Wortes mit „Dampf“ zu verwirklichen. An den beiden Endpunkten der Eisenbahnstrecke wurden nach entsprechenden Plänen zwei Orte gegründet und angelegt. Selbstverständlich hat der ursprüngliche Plan noch zahlreiche Verbesserungen erfahren. Aber der unermüdliche Einfallsreichtum spielte bei der Reifung der Details und der Betriebe, die sich in der Zwischenzeit hier angesiedelt haben, eine wichtige Rolle. In diesem Augenblick, in dem das Werk vollendet ist, werden der Schatzmeister und der Projektleiter von ihren Pflichten entbunden. Die Aufgaben werden nun neu verteilt, wobei sie die neuen Aufgaben mit nicht weniger Eifer fortführen und für das gesamte Unternehmen nicht weniger verdienstvoll sein werden, wenn der Erfolg der Gesellschaft gesichert sein soll. Sobald es die vorrangigen Aufgaben dieses eminent wichtigen Gentlemans erlauben, dem wir auch verdanken, dass er einen so fähigen Chefingenieur engagiert hat, wird er keine Zeit versäumen, um auch die Lokomotiven ins Werk zu setzen. Am 7. Juli vergangenen Jahres wurden 2 Maschinen bestellt. Und nun haben wir die Befriedigung, dass in der kurzen Bauzeit von 16 Monaten mit Geist und Handarbeit, mit Management und Technik dieses Vorhaben verwirklicht wurde. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Wendler, Friedrich List als Eisenbahnpionier in den USA, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31423-1_9

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Mit unwiderstehlicher Kraft wurde die Wildnis zum Lächeln und Blühen gebracht. Das dunkle und nahezu undurchdringliche Dickicht, durch das sich der Tamaqua River seit Urzeiten windet, ist verschwunden. Der wilde Fluss wurde gezähmt und für den Bau dieses Werkes kanalisiert, das unter den öffentlichen Bauten dieses Landes einen hohen Rang einnimmt. Professor List, der sich auch um den Absatz von Anthrazitkohle in Europa bemüht, hat sich um dieses Werk verdient gemacht und hierfür schulden wir ihm unseren aufrichtigen Dank. In seiner Denkschrift „Über ein sächsisches Eisenbahnsystem“ von 1833 hat List den Leipziger Kaufleuten und Bürgern den Kohletransport mit der Little Schuylkill-Railroad als leuchtendes Beispiel vor Augen geführt. Die dort von ihm entdeckte Anthrazitkohle enthalte 96 % Carbon, 3 % Silex (d.h. Silikat oder Kieselgestein), 1 % Wasser und wenig Schwefel. Sie mache weder Rauch, noch Flammen, noch Geruch und enthalte etwa 30 % mehr Heizkraft als bituminöse Kohle. Der Verbrauch sei im Laufe der letzten 7 Jahre, seitdem sie erst in Gebrauch sei, auf 400 000 t gestiegen und werde nach mäßiger Schätzung im Laufe der kommenden 7 Jahre auf 1 ½ Mio. t und danach mit der Zunahme der Bevölkerung wachsen. Die Little Schuylkill-Railroad transportiere mit zwei in Liverpool gebauten Maschinen bereits 50 000 t pro Jahr; ihre Transportkapazität steige jährlich um ein Drittel. Bis auf 200 000 t dürfte ein Schienenpaar genügen, ab dann werde ein zweites Gleispaar erforderlich. In seiner Dissertation über „Einkommen und Vermögen von Friedrich List“ belegt Hermann Boetsch ganz detailliert die vielen Hindernisse, Fehlschläge und Schwierigkeiten, die List und Hiester beim Erwerb der Grundstücke und deren Finanzierung sowie bei der Kreditbeschaffung und der Akquisition von Anteilseignern überwinden mussten. Um was für eine Pioniertat es sich dabei gehandelt hat, zeigt sich u.a. daran, dass bei dessen Beginn Eisenbahnen in Nordamerika nur vom Hörensagen bekannt waren. Als die Strecke 1831 in Betrieb genommen wurde, gab es in den USA nur eine aus England importierte Lokomotive; Ende 1833 waren es erst siebzehn Lokomotiven, von denen dreizehn ebenfalls in England hergestellt waren. Nach der Baltimore and Ohio Railroad und der nur 9 Meilen langen, aber in technischer Hinsicht äußerst anspruchsvollen Mauch Chunk-Railroad, war die Little Schuylkill-Railroad erst die dritte mit Dampf betriebene Strecke in der Neuen Welt. Zum Erwerb des Geländes musste List mit 35 bis 40 Eigentümern teilweise schwierige Verhandlungen führen. In einigen Fällen war das Eigentumsrecht strittig und musste mühsam geklärt werden, in anderen war ein unzuverlässiger Geometer am Werk, was ebenfalls zu Meinungsverschiedenheiten führte und andere waren wegen Steuerrückständen gepfändet. Bei den meisten Grundstückskäufen ist List als alleiniger Käufer aufgetreten; bei den anderen wurde der Grundbesitz von List und Hiester gemeinsam erworben.

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Eisenbahnbrücke am Mittellauf der Litte Schuylkill.

Schienenweg mit Brücke der Little Schuylkill-Eisenbahn.

Gleisbett der Little Schuylkill-Eisenbahn.

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Nach dem Aufkommen der ersten Eisenbahnen wurde der Erwerb des dafür erforderlichen Geländes in den USA gesetzlich geregelt und wesentlich erleichtert. Danach wurde die Abtretung von Grund und Boden nicht mehr durch freie Übereinkunft mit den Eigentümern, sondern durch amtliche Bodenschätzer vollzogen, die den Nutzen zu berücksichtigen hatten, den die Grundstückseigentümer durch den Bau der Bahn für den verbleibenden Grundbesitz zu erwarten hatten, sodass in den allermeisten Fällen die Abtretung unentgeltlich erfolgte. Wie schwierig die Kreditverhandlungen mit Stephen Girard verliefen, belegen zwei Briefe an Lists Frau. Noch am 11.7.1829 verbreitete List die Hoffnung: „Meine Sachen stehen hier gut, gehen aber mit langsamen Schritten ihrem Ziel entgegen. Ich verhandle mit zwei Parteien. Dass wir die Sache in diesem Jahr noch zustande bringen, zweifle ich nicht im Geringsten“. Fünf Wochen später, am 20.8.1829 heißt es wesentlich pessimistischer: „Meine Hoffnung, diese Woche heimzukehren, ist abermals zunichte geworden. Der Alte (gemeint ist S. Girard) ist der wunderlichste Mann von der Welt und mir bleibt nichts Anderes übrig, als Geduld zu haben. Wenn es irgend möglich ist, komme ich am Sonntag, wenn nicht, am nächsten Dienstag oder Mittwoch, versteht sich, im Falle ich aus dem alten Klotz eine menschliche Äußerung herausbringen kann.“ Aber schließlich sollten alle diesbezüglichen Bemühungen erfolglos bleiben, sodass sich List und Hiester mit dem Bankhaus Biddle einlassen mussten.

Kohlenhalde bei Tamaqua um 1900.

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Gleisbett der Little Schuylkill-Eisenbahn mit Kohlenhalde. Nachdem List, die von ihm allein und die gemeinsam mit Hiester erworbenen Grundstücke der Little Schuylkill-Compagnie überschrieben haben, wurden sie mit entsprechenden Anteilen an der Gesellschaft entschädigt. Von den insgesamt 3000 Anteilen entfielen auf Hiester 925 und auf List 535 Anteile. Wenn man das leidenschaftliche Engagement und die damit verbundenen Strapazen in Betracht zieht, stellt sich nochmals die Frage, weshalb Friedrich List dieses Unternehmen, wie es scheint, relativ hastig, vielleicht sogar überstürzt wieder aufgegeben hat und nach Europa zurückgekehrt ist. Dazu schreibt er am 5.9.1835 an das Direktorium der Leipzig-Dresdner-Eisenbahncompagnie: „Meine Privatverhältnisse waren damals so glänzend, wie ich es mir nur wünschen konnte: ein fixes Gehalt bei der Compagnie, welche ich gestiftet habe, gewährte mir reichliches Auskommen. Dennoch entschloss ich mich, diese Stellung aufzugeben, um meinem deutschen Vaterland einen Dienst zu leisten, zu welchem ich durch Erfahrung und Verhältnisse mich besonders berufen glaubte. Ich opferte mein fixes Gehalt, verkaufte die Hälfte meiner Anteile für eine Summe, welche ihrem wahren Wert nicht entfernt gleichkam, um die erforderlichen baren Mittel zu gewinnen, überließ die andere Hälfte fremden Händen und begab mich nach Deutschland mit dem Vorsatz, hier, solange es meine Kräfte erlauben würden, dem mir gesteckten Ziel unermüdlich entgegenzuwirken.“

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Die „Catawissa“ von 1832 – die erste von Friedrich List in England bestellte Lokomotive für die Little Schuylkill-Eisenbahn.

Die „Catawissa“ mit Tender.

Teil 10: Tamaqua und Port Clinton – die beiden Endpunkte der Little Schuylkill-Eisenbahn Mit dem Bau und dem Betrieb der Little Schuylkill-Eisenbahn blühten die beiden Endpunkte Tamaqua und Port Clinton auf und gewannen regionale Bedeutung. Bereits 1833 konnte List vermelden, dass es in Tamaqua, drei Jahre nachdem das erste Haus gebaut wurde, bereits 130 Häuser gäbe. Man zähle beinahe 50 fast waagrecht stehende Flöze, wovon das stärkste 60 Fuß und das geringste 8 Fuß mächtig sei. Ihre Höhe über dem Wasserspiegel betrage 900 Fuß und ihre Tiefe, ungeachtet man mehrere 100 Fuß tief gegraben habe, sei noch nicht ergründet. Die Erschließung eines Flözes, die in England 80 bis 100 000 Pfund Sterling an Investitionen koste, bezahle sich hier durch die Kohle, die man dadurch sofort gewinnt. Eine Tonne zu fördern koste bei einem Tageslohn von 1 ¼ bis 1 ½ Dollar nicht mehr als 60 Cent. Die Schuylkill-Eisenbahn transportiere 500 000 Tonnen mit zwei in Liverpool gebauten Lokomotiven. Da sie mit kleinen Kohlen befeuert werden, für die man sonst keinen Absatz habe, seien die Transportkosten sehr gering; sie würden nicht mehr als 1 Cent pro Tonne und Meile betragen. Zwischen 1840 und 1850 stieg die Einwohnerzahl von Tamaqua von 450 auf 3 100 Personen. Damals kamen zahlreiche Auswanderer aus Irland, der Schweiz und Deutschland, um dort ihr Glück zu versuchen. Etwas später folgten Italiener, Litauer, Russen, Ukrainer, Slowaken und Polen. Am 1. September 1850 wurde Tamaqua von einer großen Flutwelle heimgesucht und weitgehend zerstört. Es begann mit einem sanften Landregen, dem ein heftiges Unwetter folgte. Bald waren die Abwässer durch Schlamm und Trümmerteile so verstopft, dass sich ein Damm bildete, in dem sich die Sturzflut zunächst staute. Nach einigen Stunden brach der Damm und die Fluten ergossen sich ins Tal. Gleichzeitig vereinigten sich diese mit einer zweiten Flut, sodass der Little Schuylkill-River über die Ufer trat und sich die Wassermassen mit schrecklichem Getöse und riesigen Verwüstungen talwärts stürzten. Ca. 40 Häuser wurden weggeschwemmt und etwa 60 Personen haben bei diesem Unglück ihr Leben verloren. Besonders tragisch war es, dass auch der Pfarrer bei der Rettung eines Kindes von der Flut mitgerissen wurde. Brücken und Straßen sowie die komplette Strecke der Little Schuylkill-Railroad waren zerstört. Die Stadt Tamaqua war eine Woche lang von der Außenwelt abgeschnitten und die Trauernden liefen ziellos umher und zweifelten an ihrem religiösen Glauben, weil in jedem Haus mindestens ein Opfer zu beklagen war. Bei diesem Unglück wurde auch die überdeckte Holzbrücke an der Mündung der Kleinen in die Große Schuylkill in Port Clinton weggerissen. Auf der abgebildeten Lithographie von Port Clinton ist sie noch zu erkennen und das entsprechende Modell habe ich im Eisenbahnmuseum in Port Clinton vorgefunden.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Wendler, Friedrich List als Eisenbahnpionier in den USA, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31423-1_10

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Zu ihren besten Zeiten im Jahre 1930 zählte die Stadt 13 000 Bewohner. In der Zwischenzeit hat sich ihre Zahl ständig verringert und auf weniger als die Hälfte reduziert. Heute leben in Tamaqua nur noch ca. 6 500 Einwohner. Der andere Endpunkt ist die kleine Gemeinde Port Clinton an der Mündung der Little Schuylkill in den Schuylkill-River. Das Land wurde 1765 Leonhard Rishel für 220,85 $ zugeteilt. Eine Kopie des damaligen Kaufvertrages ist hier abgebildet. Dieser verkaufte einen Teil seines Besitzes am 8.5.1829 an Friedrich List bzw. die Little Schuykill-Compagny, um dort die Siedlung Port Clinton zu gründen. Ihr Aufstieg und Niedergang ist ebenfalls an der Einwohnerzahl gut ablesbar. 1833 waren dort 45 Häuser gebaut. Der Hafen, von dem damals pro Jahr etwa 1 000 mit Kohle beladene Kähne nach Philadelphia fuhren und von dort oder aus den dazwischenliegenden Gegenden Waren, Lebensmittel, Gips, Kalkstein, Ziegel und Eisen mitbrachten, hatte bereits, wie List berichtet, sehr schöne Hafenbecken und Ladevorrichtungen bekommen. Mit Befriedigung konnte er feststellen, dass Tamaqua und Port Clinton bereits in der neuesten Ausgabe der Generalkarte der Vereinigten Staaten verzeichnet sind. Allerdings wurde auch Port Clinton von dem schweren Unwetter 1850 heimgesucht, das dort ebenfalls starke Verwüstungen verursachte. Dabei wurden 21 Häuser weggespült, die besagte Eisenbahnbrücke zerstört und 13 Menschen in den Tod gerissen. Inmitten der kleinen Gemeinde befindet sich ein kleines unscheinbares Museum, an dessen Fassade noch nicht einmal eine Tafel auf sich aufmerksam macht. Es gibt auch keine Homepage. Das von der Northern Berks Southern Schuylkill Association getragene Museum, wird von Luke McLaughlin betreut. In zwei Räumen sind zahlreiche Fotos und Gegenstände zu besichtigen,

Ansicht von Port Clinton vor der Gründung; Holzstich um 1850.

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die zum größten Teil aus der späteren Zeit nach der Fertigstellung der Eisenbahn stammen und diese dokumentieren. Aus der List betreffenden Zeit sind vor allem ein eindrucksvolles Modell der Holzbrücke zu nennen, die 1850 der großen Flut zum Opfer fiel, ein schönes Aquarell, das den Little Schuylkill-Kanal zeigt sowie einige Werkzeuge und Gerätschaften die seinerzeit beim Eisenbahnbau verwendet wurden; außerdem findet man dort eine T-Schiene, mit denen die ursprünglich mit Blech beschlagenen Holzschienen ausgewechselt wurden. Besonders beeindruckend sind der historische Bahnhof mit einem historischen Drehkreuz und einer riesigen Maschinenhalle, in der alte Dampflokomotiven liebevoll restauriert werden. Zwei prachtvolle um die Jahrhundertwende gebaute Salonwagen sind respektable Zeugnisse aus der Blütezeit der Eisenbahnromantik. Diese und unzählige andere Relikte aus der Eisenbahnzeit, die man in Pennsylvania findet, unterstreichen eindrucksvoll die Bedeutung, welche die Eisenbahn bei der Besiedlung und Industrialisierung der Vereinigten Staaten gespielt hat. Die Kohleregionen von Pennsylvania und die dafür gebauten Eisenbahnen befriedigten den Energiehunger und den Rohstoffbedarf der Stahlkocher von Chicago bis Detroit, ja des gesamten Landes und schufen damit die Voraussetzungen, dass die USA, wie es Friedrich List formulierte, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur „Riesenmach im Westen“ werden konnte. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts hatte Port Clinton knapp 400 Einwohner. Hundert Jahre später, im Jahre 1960 erreichte die Einwohnerzahl mit 740 Personen den Höchststand. Seitdem ist ihre Zahl wieder deutlich zurückgegangen; sie liegt jetzt unter der Einwohnerzahl von 1850 und hat nur noch knapp 300 Einwohner.

Port Clinton; Lithographie von Eli Bowen von 1852, im Vordergrund ist die überdeckte Eisenbahnbrücke zu sehen, die 1850 bei der Flut zerstört wurde.

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Das erste Holzhaus in Tamaqua von Burkhard(t) Moser von 1801.

Das erste, von F. List als Hotel gebaute Steinhaus in Tamaqua von 1827, das später verputzt wurde.

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Ansicht von Tamaqua um 1835.

Ansicht von Tamaqua um 1840.

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Ansicht von Tamaqua um 1840.

Ansicht der Broad Street von Tamaqua um 1840.

Teil 11: Die ersten positiven Auswirkungen der Little Schuylkill-Eisenbahn Aus dem Bericht eines Bergmanns aus Schuylkill County an seine Verwandten und Freunde im Elsass vom 1. Februar 1830 geht hervor, welche positiven Auswirkungen der Bau der Little Schuylkill-Eisenbahn mit sich brachte. Darin heißt es: „Liebe Freunde, Meinem Versprechen gemäß, berichte ich Euch, wie es mir hier ergangen und was von Amerika für Leute von unserer Art zu erwarten ist. Bergleute und Leute, die ihr Brot mit Arbeiten verdienen müssen und kein Kapital besitzen, können es sich in der Welt nicht besser wünschen, als sie es in diesen Steinkohlegegenden treffen. Ich verdiene täglich 1 ¼ bis 1 ½ Dollar (6 bis 8 Franken), habe dabei freie Wohnung und Weide für eine Kuh. Mein Sohn verdient 1 Dollar täglich und meine Tochter ist verdingt in Pottsville für 1 Dollar die Woche. Wir essen täglich dreimal Fleisch, kein anderes als das feinste weiße Weizenbrot und nie ohne Butter. Wir trinken täglich zweimal Kaffee mit Zucker. Wir gehen so gut gekleidet, wie die wohlhabenden Stadtleute und dabei spare ich noch jährlich 200 bis 300 Dollar oder 1 500 bis 2 000 Franken. Wenn mich Gott bei Leben und Gesundheit erhält, so hoffe ich, in sechs Jahren so viel zu verdienen, um mir ein schönes Bauerngut mit Vieh, Schiff und Geschirr kaufen zu können. Abgaben und sonstige Landplagen gibt es hier nicht. Auch ist für Schulen und Gottesdienst überall gesorgt und deutsche Leute leben in Menge in dieser Gegend, sodass man mit unserer Sprache überall fortkommen kann. Bergleute, Zimmerleute und Maurer sind hier die gesuchtesten Arbeiter. Sie verdienen von 1 bis 2 Dollar täglich. Bloße Handlanger verdienen ¾ bis 1 Dollar. Leute, die aus dem Elsass kommen, schiffen sich am besten in Le Havre nach New York ein. Von da gehen sie mit dem Dampfboot nach Philadelphia, von wo sie umsonst mit den Kanalbooten nach Pottsville fahren können. Hier dürfen sie nur anfragen, um sogleich Arbeit zu erhalten. Die Steinkohlebergwerke in der hiesigen Gegend sind so sehr in Aufnahme, auch werden so viel neue Städte, Eisenbahnen, Kanäle und Werke allerlei Art angelegt, dass die Löhne immer noch höher steigen, so viele Arbeiter auch hierherkommen.

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Ich kann daher denen von unseren Bekannten, die zu Hause ihr Auskommen nicht finden und noch so viele Mittel besitzen, um ihre Überfahrt bestreiten zu können, nicht besser raten, als sich hierher zu wenden. Ich verbleibe Euer getreuer Freund Peter Wenz.“ Auf diesen Brief bezieht sich wohl auch ein undatiertes Schreiben, das List an seinen Geschäftspartner Dr. Isaac Hiester sandte, als er auf seiner Europareise im Jahre 1831 die Marktchancen für die amerikanische Anthrazitkohle erkundete. Darin machte er folgenden Vorschlag: Im Hinblick auf den Wunsch, deutsche Bergleute zur Auswanderung nach Pennsylvania zu bewegen, habe er mehrere Zeitungsartikel verfasst; aber er glaube kaum, dass dies etwas bringe, weil die Leute zu arm sind, um sich die Passage in die USA leisten zu können. Deshalb mache er einen anderen Vorschlag. Mehrere Kohlegesellschaften und Schiffskapitäne von Kohlefrachtern sollten sich zusammenschließen und gemeinsam die Anwerbung von Bergleuten organisieren. Die Passage ist für 35 Dollar pro Person möglich. Insofern würde eine Summe von 10 000 Dollar genügen, um 300 Bergleute ins Land zu holen. Die Kosten der Überfahrt könnte man ja dann vom Lohn abziehen. Wenn dieser Versuch erfolgreich verlaufe, könne man diesen ja noch mehrfach wiederholen. Dadurch könnten mehrere tausend Bergleute angeworben werden. Dies mache sich schon deswegen bezahlt, weil die Löhne dadurch im Durchschnitt auf etwa 2/3 ihres derzeitigen Niveaus fallen würden. Man sollte eine Konferenz einberufen und dabei die jeweils im letzten Jahr verkaufte Absatzmenge bzw. transportierte Tonnage zum Maßstab nehmen. Wenn beispielsweise 10 000 $ erforderlich sind, um 500 000 t zu fördern und zu verkaufen, sollte die Abgabe für jede Gesellschaft oder jeden Schiffseigner jeweils 2 Cent pro Tonne betragen, was für die Little Schuylkill-Eisenbahn etwa 800 $ ausmachen würde. Unsere Bergbau-Brüder wären vor den Kopf geschlagen, wenn sie diesem plausiblen Vorschlag nicht zustimmen würden. Dies sollte man ihnen klarmachen. Selbst wenn einige Versuche ins Leere liefen, würde der finanzielle Verlust tausendfach durch die Verringerung der Löhne kompensiert, weil dadurch ganz bestimmt eine größere Zahl von Bergleuten angeworben werden könne. Bald nach der Inbetriebnahme der Little Schuylkill-Eisenbahn fusionierte diese mit der Susquahanna-Eisenbahn zur „The Little Schylkill and Susquahanna Rail Road Compagny“. 1838 gaben der Präsident und die Managementdirektoren eine 28seitige Druckschrift an die Kapitalgeber heraus, wobei als Präsident ein gewisser John C. Montgomery und unter den 6 Direktoren der Bankier Thomas R. Biddle an vorderster Stelle fungierten. Aus dem Bericht geht hervor, dass das Startkapital von 300 000,- $ im Jahre 1830 in der Zwischenzeit auf 2 Mio. $ aufgestockt und das Streckennetz beträchtlich erweitert wurde und nun weiter ausgebaut und mit anderen Netzen verknüpft werden soll. Außer-

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dem wird die generelle Bedeutung dieses Schienennetzes eindringlich dargelegt und mit entsprechenden Kosten- und Ertragsberechnungen untermauert. Im Oktober 1845 hat dann der Bergbauingenieur und Zecheninspektor William F. Roberts im Auftrag der Gesellschaft eine Expertise über die Kohleund Eisenerzvorkommen im Einzugsgebiet der Little Schuylkill erstellt, von der eine Kurzfassung 1846 im Druck erschienen ist. In seinem Gutachten beschreibt Roberts die geographische Ausdehnung und Begrenzung dieses Kohlevorkommens einschließlich der in der Zwischenzeit erfolgten geologischen Prospektion. Angesichts des zu erwartenden wirtschaftlichen Potenzials plädierte der Gutachter für die Notwendigkeit einer Erweiterung des Schienennetzes einschließlich der dazu erforderlichen Bauten, wie Brücken und Tunnel. Die längsten Kohlenflöze im Bereich des Kohlebeckens der Little Schuylkill hätten eine Ausdehnung von 5 Meilen, in die sich der Fluss eingeschnitten hat. Die meisten Flöze befänden sich in einer Höhe von 400 bis 600 Fuß über dem Grundwasserspiegel. Die Kohle sei von bester Qualität und lasse sich mit reichlich Gewinn verkaufen. Die Flöze seien auch deswegen wertvoll, weil sie, wie man unschwer erkennen könne, nicht leergepumpt werden müssten. Deshalb rate er der Gesellschaft, unverzüglich mit dem Abbau der neu entdeckten Vorkommen zu beginnen. Dies gelte auch für das Eisenerz, das man in dieser Region findet. Solch ein bedeutendes Vorkommen an Kohle und Erz auf so engem Raum und ohne topographische Brüche könne an keiner anderen Stelle in der Schuylkill Region mit ähnlich niedrigen Kosten gefördert werden. Angesichts dieser Vorteile frage man sich, weshalb die Gesellschaft bis jetzt unproduktiv gewesen sei und keine Gewinne abgeworfen habe. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die am Anfang erforderlichen Maßnahmen, um die Kohleförderung in Gang zu bringen, relativ aufwendig waren. So habe die Gesellschaft u.a. mehr als 1 Mio. $ für den Ankauf von zusätzlichen Ländereien, für die Erschließung durch Wege und Straßen sowie für die Beschaffung des Maschinenparks aufgewendet und bis 1844 habe die Kohleförderung nie mehr als jährlich 40 000 t betragen. Erst 1845 konnte man die Förderung verdoppeln und bis Ende 1846 könne mit einer Förderung von 120 000 t gerechnet werden. Man müsse bedenken, dass diese Bahn eine der ersten in den USA gewesen sei. Die mit Eisenblech beschlagenen Schienen waren jedoch für den Kohletransport völlig ungeeignet. Außerdem sei der Aufwand für Reparaturen und Transport am Anfang so beträchtlich gewesen, dass die Gewinne aufgezehrt wurden. Das für die Erneuerung der Schienen durch schwere T-Schienen erforderliche Material sei aber bereits beschafft, und der Austausch einschließlich der Bau eines stabilen Schienenbettes und anderer Verbesserungen werde im Laufe des Jahres 1846 abgeschlossen sein. Ferner werde die Little Schulylkill-Eisenbahn an das erweiterte Streckennetz bis nach New York und ganz Philadelphia angeschlossen. Aufgrund der neu entdeckten Flöze lasse sich die Kohleförderung problemlos auf 200 000 t pro Jahr steigern.

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Zusammenfassend kam William F. Roberts zu dem Ergebnis, dass er nach sorgfältiger Prüfung der Sachlage, insbesondere was die Qualität der Kohle und des Erzes anbelangt, nicht mit der Bewertung zögere, dass es in der gesamten Kohleregion von Pennsylvania keinen Standort gäbe, der größere vergleichbare Vorteile bietet, wie die Little Schuylkill-Eisenbahn. In einem Schreiben vom 15.4.1846 schloss sich der damalige Präsident und Managementdirektor der Gesellschaft, Samuel H. Kneass, voll und ganz diesem positiven Gutachten an. Er lobte die Expertise sowie den Sachverstand und guten Ruf von Roberts. Er hege keinen Zweifel an der Richtigkeit dieses Gutachtens und unterstreiche nochmals die unbestreitbaren Vorteile dieser Kohleregion, insbesondere den Tagebau, weil die Bergarbeiter über dem Grundwasserspielgel arbeiten können und keine Drainage erforderlich sei und man den unbestreitbaren Vorteil habe, auf Pumpen verzichten zu können. Die technischen Fortschritte, die man seit dem Bau der Bahn gemacht habe, unterstreichen den Wert und die Bedeutung dieser Eisenbahnstrecke, die als Bindeglied zwischen einigen Zentren von großer wachsender kommerzieller Bedeutung zu betrachten sei. Gegenwärtig scheine ihr Entwicklungspotenzial unbegrenzt.

Der ehemalige Bahnhof von Tamaqua von 1874.

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Jene, die im Jahre 1828, als ungefähr 78 000 t gefördert wurden, einen jährlichen Absatz von 200 000 t prognostiziert haben und deshalb belächelt wurden, hätten mit ihren spekulativen Voraussagen die Unkenrufe der Mehrheit, wonach der Kohleabsatz deutlich niedriger liege und begrenzt sei, Lügen gestraft. Damit sind wohl die als utopisch angesehenen Prognosen von Friedrich List gemeint. Welchen Aufschwung das Städtchen Tamaqua in den ersten 50 Jahren erlebte, kann man an dem imposanten Bahnhofsgebäude ablesen, das 1874 in Form eines einstöckigen Backsteingebäudes im italienischen Stil errichtet wurde. Es besteht u.a. aus einem getrennten Wartesaal für Männer und Frauen, wobei der für Männer wie ein bayerisches Bierlokal und der andere für die Frauen wie ein Wiener Kaffeehaus anmutet. Das Gebäude diente bis 1961 als Bahnhof und wurde 1981 endgültig aufgegeben. Dann war es dem Verfall preisgegeben, bis sich unter dem Motto „SOS – Save our Station!“ eine Bürgerinitiative bildete, die das Gebäude für 1,5 Mio. $ vollständig restaurierte und 2004 neu eröffnete. Es dient heute als kulturelles und wirtschaftliches Erbe von Tamaqua und ist ein beliebtes Restaurant und Ausflugslokal

Der ehemalige Bahnhof von Tamaqua mit Festbeleuchtung.

Anhang: Dr. Karl (Charles) Neidhard (1809–1895) Stiefsohn von Friedrich List – ein Pionier der Homöopathie in den USA Im Februar 1819 hat Friedrich List die in jungen Jahren bereits verwitwete Karoline Neidhard, geb. Seybold geheiratet. Sie war in erster Ehe mit dem in Wertheim a. M. ansässigen Kaufmann Johann Friedrich Neidhard verheiratet. Das Ehepaar war zeitweilig auch in Bremen ansässig, wo 1809 ihr einziges Kind, Karl Neidhard, zur Welt kam. Bei seiner Brautwerbung versicherte Friedrich List, dass er den 8jährigen Sohn von Karoline genauso lieben werde, wie die Mutter; dieses Versprechen hat er stets gehalten. Nach der Eheschließung wohnte das Paar zunächst in Tübingen und nach der auf Druck von König Wilhelm I erfolgten Aufgabe von Lists Lehrstuhl, in Stuttgart. Kurze Zeit bevor die Familie zur Auswanderung in die USA gezwungen war, wurde Karl in das Stuttgarter Obergymnasium aufgenommen. Bald darauf musste die Familie die stürmische Überfahrt über den Atlantik auf sich nehmen. Dabei wurden alle Familienmitglieder mehrfach seekrank und Karl sogar einmal an die Kajütenwand geschleudert. Bereits bei seinem Exil in der Schweiz hatte List in Basel William Wesselhöft, einen der frühesten und bedeutendsten Anhänger von Samuel Hahnemann, dem Begründer der Homöopathie, kennen gelernt. Diese Bekanntschaft war dafür ausschlaggebend, dass List ebenfalls zu einem überzeugten Anhänger der Homöopathie wurde und die „schmerzensreiche Allopathie“ ablehnte. Wie alles Neue, so hat er auch diese neue Heilmethode mit lebhaftem Eifer aufgegriffen und in seinen wenigen Mußestunden studierte er sogar medizinische Fachbücher. Außerdem motivierte er seinen Stiefsohn dazu, homöopathischer Arzt zu werden. In Reading befreundete sich List mit dem ebenfalls dort wohnenden Neffen des Gouverneurs © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Wendler, Friedrich List als Eisenbahnpionier in den USA, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31423-1_12

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von Pennsylvania, dem Arzt Dr. Isaac Hiester, mit dem er dann die Little Schuylkill-Eisenbahn realisierte. Zunächst wurde Karl Neidhard von Isaac Hiester mit den Grundkenntnissen der Medizin vertraut gemacht. Anschließend folgten das Studium der Medizin an der University of Pennsylvania und am Medical Institute sowie eine zweijährige fachpraktische Ausbildung am Pennsylvania Hospital in Philadelphia. Auf Grund starker Überarbeitung musste sich Karl Neidhard nach der Graduierung auf Vermittlung seines Stiefvaters, bei dem inzwischen auch in die USA ausgewanderten Arzt William Wesselhöft in Behandlung begeben. Nach seiner Genesung wandte sich der Patient nun ebenfalls der Homöopathie zu. Nachdem die Familie List mit den jüngeren Kindern bereits 1832 nach Europa zurückgekehrt war, folgte der inzwischen 25jährige Karl im Herbst 1834 nach und setzte an der Universität Leipzig sein Medizinstudium fort. Dort wurde er auch Mitglied der medizinischen Gesellschaft. Schließlich machte Karl Neidhard an der Universität Jena seinen Abschluss, kehrte dann wieder in die USA zurück und ließ sich in Philadelphia als einer der ersten homöopathischen Ärzte in den USA nieder. Im Jahre 1837 erhielt er das Ehrendiplom des Hahnemann College in Chicago. Wiederholte Studienreisen führten ihn mehrfach nach Europa zurück, wo er sich an den bedeutendsten Hospitälern in Großbritannien, Frankreich und Deutschland über die neuesten homöopathischen Heilverfahren informierte. In den USA wurde er Mitbegründer des American Institute of Homöopathy und Professor of Clinical Medicine am Homoepathtic Medical College in Philadelphia. Er war Mitbegründer und Mitherausgeber des „Philadelphia Journal of Homöopathy“ sowie des „American Journal of Homöopathie“ von 1838, den ersten homöopathischen Fachzeitschriften in den Vereinigten Staaten, sowie von 1862 bis 1868 Mitherausgeber des „North American Journal of Homöopathy“. In seinen damals viel beachteten Aufsätzen propagierte er seine eigene Lehrmeinung, in der er sich vor allem als erfahrener Praktiker und weniger als Theoretiker auszeichnete. Sein Buch über die „Diphterie in den USA“ galt damals als die beste Abhandlung auf diesem Gebiet in England und den USA. Ein Aufsatz mit dem Titel: „Wo stehen wir? Wie können wir den Fortschritt in der Homöopathie am besten fördern? wurde 1869 in der damals führenden englischen Fachzeitschrift dem „British Journal of Homöopathy“ veröffentlicht. Karl Neidhard war Mitglied der homöopathischen Gesellschaften in Leipzig, München, Paris, Brasilien, Massachusetts und Rhode Island und mit der Tochter von Richard C. Taylor, einem namhaften Geologieprofessor verheiratet, der sich intensiv mit den geologischen Verhältnissen in Pennsylvania und nicht zuletzt mit den dortigen Kohlevorkommen beschäftigte. Das Paar hatte vier Töchter.

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Teil 1: Die historische Bedeutung von Friedrich List

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