Frauenquoten in Gewerkschaften [1 ed.] 9783428541249, 9783428141241

Rechtliche Fragen zu Quotenregelungen in Gewerkschaften werden meist als »Annex« öffentlich-rechtlicher Diskussionen um

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Frauenquoten in Gewerkschaften [1 ed.]
 9783428541249, 9783428141241

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 320

Frauenquoten in Gewerkschaften Von

Moritz Lennart von der Ehe

Duncker & Humblot · Berlin

MORITZ LENNART VON DER EHE

Frauenquoten in Gewerkschaften

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Matthias Jacobs, Hamburg Prof. Dr. Rüdiger Krause, Göttingen Prof. Dr. Sebastian Krebber, Freiburg Prof. Dr. Thomas Lobinger, Heidelberg Prof. Dr. Markus Stoffels, Heidelberg Prof. Dr. Raimund Waltermann, Bonn

Band 320

Frauenquoten in Gewerkschaften

Von

Moritz Lennart von der Ehe

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Wintersemester 2012/2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 978-3-428-14124-1 (Print) ISBN 978-3-428-54124-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-84124-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2012/2013 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertationsschrift angenommen. Herrn Professor Dr. Volker Rieble, meinem Doktorvater, danke ich für die Anregung zum Thema sowie für die intensive, fordernde und motivierende Begleitung des Entstehens dieser Arbeit. Herrn Professor Dr. Richard Giesen danke ich für seine fachlichen Anregungen und für die Erstellung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich auch Herrn Privatdozent Dr. Sebastian Kolbe, dessen Rat und Hinweise fachlicher und freundschaftlicher Art das Entstehen dieser Arbeit begleitet und bereichert haben. Besonders dankbar bin ich meiner Frau Sandra – für ihre Unterstützung und Liebe und für so vieles mehr. Danke Sandra. Planegg im Juli 2013

Moritz von der Ehe

Inhaltsverzeichnis § 1 Autonome Quoten zur Frauenförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 A. Selbstverpflichtung der Gewerkschaften durch Quotenregelungen . . . . . . . . . . . . 13 B. Die Situation der Frauen in den DGB-Gewerkschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 § 2 Frauenquoten und Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 A. Betätigungsfreiheit und Organisationsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 I. Individuelle und kollektive Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 II. Interne Betätigungsgarantie des Koalitionsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Organisationsautonomie und besondere Aufgaben der Koalition . . . . . . . . . . . . . . 22 § 3 Frauenquoten und Vereinsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 A. Gewerkschaften als nicht eingetragene Vereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Weitgehende Satzungsautonomie im einfachen Vereinsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Satzungsmäßige Regelung der Frauenquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Einfaches Vereinsrecht und Ausgestaltung der Frauenquoten . . . . . . . . . . . . . 31 C. Gestörte Vertragsparität bei Vereinen mit überragender Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 I. Ungleichgewicht zwischen Mitglied und Verein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 II. Gewerkschaften als Verbände mit überragender Machtstellung . . . . . . . . . . . . 38 D. Inhaltskontrolle am Maßstab von Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 I. Treu und Glauben als Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 II. Die Entfaltung des Einzelnen als Leitbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 III. Mehrheitsprinzip kein hinreichender Schutz der Entfaltung des Einzelnen . . 44

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Inhaltsverzeichnis IV. Der vereinsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 V. Keine Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen durch Verbandsinteressen

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E. Frauenquoten im Verein und AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I. Europarechtlicher und entstehungsgeschichtlicher Hintergrund des AGG . . . 48 II. Frauenquoten als rechtfertigungsbedürftige Benachteiligung von Männern . . 49 III. Rechtfertigung einer Frauenquote nach § 5 AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Zweckrichtung der Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Bestehender Nachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Die Aussagekraft des Statistikbeweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 aa) Statistik als Beweis einer Benachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 bb) Statistik als Beweis eines Nachteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 b) Strukturelle Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 c) Bedeutung der Selbsteinschätzung der Gewerkschaften . . . . . . . . . . . . . 62 d) Erfolgreiche Nachteilskompensation als Argument gegen einen Nachteil? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 3. Verhältnismäßigkeit von Quotenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) Strengere Verhältnismäßigkeitsprüfung bei § 5 AGG? . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 c) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 d) Angemessenheit einer relativen verbindlichen Quotenregelung . . . . . . . 70 aa) „Chancengleichheit“ als Maßstab der Angemessenheit . . . . . . . . . . 70 bb) Probleme bei der Übertragung des Maßstabs der Chancengleichheit auf die Situation in den Gewerkschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 cc) Reduzierte Anforderungen an die Angemessenheit im „Vorfeld des Zugangs zum Arbeitsmarkt“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 dd) Angemessenheit und „Frauengewerkschaften“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 ee) Frauenquoten als angemessenes Instrument zur Verwirklichung von Chancengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 ff) Keine Notwendigkeit zur geschlechtsneutralen Formulierung . . . . . 78 e) Besondere Quotenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 aa) Annähernd relative Quotenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 bb) Quote zur Sicherung einer Mindestbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

Inhaltsverzeichnis

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cc) Starre Quoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 dd) Mehrheitsbegünstigende Quoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 IV. Folgen verbandsrechtlich unzulässiger Quotenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . 82 § 4 Frauenquoten und Tariffähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 A. Keine Ausgestaltung der Tarifautonomie durch das AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 B. Frauenquoten und „demokratisch“ organisierte Tarifwillensbildung . . . . . . . . . . . 86 I. „Demokratie“ und Funktionsfähigkeit des Tarifvertragssystems . . . . . . . . . . . 87 II. Tarifautonomie als kollektive Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 1. Die Bedeutung der Normsetzungskompetenz der Tarifpartner . . . . . . . . . . 89 2. Kollektive Privatautonomie statt Herrschaft des Kollektivs . . . . . . . . . . . . . 91 3. Bedeutung für die innerverbandliche Willensbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 III. „Demokratie“ ist nicht Staatsdemokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 IV. „Demokratie“ zur Sicherung individueller Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . 95 1. Vereinsrecht als Grundfall „demokratischer“ Organisation . . . . . . . . . . . . . 95 2. Strengere Partizipation im Bereich der Tarifautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Besonderheiten im Bereich der Tarifautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 aa) Außenwirkung des Tarifvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 bb) Grundrechtsrelevanz tariflicher Rechtsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 cc) Ständiger Wandel tariflicher Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Zusammenfassung: Möglichst unverfälschte Partizipation des Einzelnen als Ideal „demokratischer“ Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3. Quoten und Funktionsfähigkeit der „demokratisch“ organisierten Gewerkschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 4. Frauenquoten als hinnehmbare Verzerrung der Tarifwillensbildung? . . . . . 104 5. Frauenquoten als Instrument zur Verwirklichung individueller Freiheit? . . 106 6. Frauenquoten als Instrument „demokratischen“ Minderheitenschutzes? . . 108 a) Minderheitenschutz bei spezifischem Gruppeninteresse . . . . . . . . . . . . . 108 b) Staatsdemokratischer Minderheitenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 V. Keine relevante Wirkung der Frauenquoten nach außen . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

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Inhaltsverzeichnis C. Zulässige Implementierung materieller Gleichheitsvorstellungen als Ausdruck der Organisationsautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 I. Organisationsautonomie der Gewerkschaftsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 II. Treu und Glauben als Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 III. Frauenförderung als frei gesetzter Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 IV. Prüfung am Maßstab von Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Das Problem des fehlenden gesetzlichen Leitbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG als Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG als Rechtfertigungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Grundrechte im Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 c) Keine Pflicht zur Quote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 3. Ausgleich zwischen Gleichheitsvorstellungen und Partizipationsrecht nach dem Vorbild politischer Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 4. Frauenquoten bei mehrheitlich weiblichen Gewerkschaftsmitgliedern . . . . 128 D. Folgen unzulässiger Quotenregelungen für die Tariffähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 132 I. Gefahren für die Tariffähigkeit nur bei Störung der Tarifwillensbildung . . . . 132 II. Das Beispiel der Gewerkschaft ver.di . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

§ 5 Gesamtergebnis in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

Abkürzungsverzeichnis Verwendet werden die folgenden Abkürzungen. Im Übrigen sei verwiesen auf das Abkürzungsverzeichnis von Kirchner/Pannier, Abkürzungsverzeichnis der Deutschen Rechtssprache, 7. Auflage (2012) Abs. AcP AEUV AGB AGG ArbG Art. BAG BB BGB BGBl. BGH BT-Drs. BVerfG BVerfGE CDU CGM Cockpit CSU DGB Die Grünen EGV Einl. EuGH EuZW f. und ff. FAZ FDP FPR FS GdL GEW GewO GG Hrsg. IG BAU IG Metall

Absatz Archiv für die civilistische Praxis Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Allgemeine Geschäftsbedingung(en) Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Arbeitsgericht Artikel Bundesarbeitsgericht Betriebs Berater Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Christlich Demokratische Union Christliche Gewerkschaft Metall Vereinigung Cockpit e.V. Christlich Soziale Union Deutscher Gewerkschaftsbund Bündnis 90/Die Grünen Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einleitung Europäischer Gerichtshof Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht folgende (Singular und Plural) Frankfurter Allgemeine Zeitung Freie Demokratische Partei Familie Partnerschaft Recht Festschrift Gewerkschaft der Lokomotivführer Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Gewerbeordnung Grundgesetz Herausgeber Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt Industriegewerkschaft Metall

12 JA JuS JZ LAG m.w.N. NJW Nr. NVwZ-RR NZA NZM OVG RdA Rn. S. SPD TzBfG UFO ver.di ZaöRV ZESAR ZRP

Abkürzungsverzeichnis Juristische Arbeitsblätter Juristische Schulung Juristenzeitung Landesarbeitsgericht mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Mietrecht Oberverwaltungsgericht Recht der Arbeit Randnummer Seite Sozialdemokratische Partei Deutschlands Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge Unabhängige Flugbegleiter Organisation Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Rechtspolitik

§ 1 Autonome Quoten zur Frauenförderung A. Selbstverpflichtung der Gewerkschaften durch Quotenregelungen Frauenförderung durch Quotenregelungen ist ein kontrovers diskutiertes Thema, das in jüngerer Zeit insbesondere durch Pläne zur Einführung von Frauenquoten in Unternehmen der Privatwirtschaft für Aufmerksamkeit gesorgt hat. Aus juristischer Sicht werden insbesondere die Möglichkeiten und Grenzen einer Verpflichtung privatrechtlich organisierter Unternehmen zur Einführung einer Quote diskutiert.1 Frauenquoten in Gewerkschaften erfahren dagegen wenig öffentliche Aufmerksamkeit. Dies liegt wohl vor allem an ihrer freiwilligen Natur. Es gibt gegenwärtig keine gesetzgeberischen Bestrebungen, die Gewerkschaften zur Einführung einer Quote zu zwingen, so dass entsprechende satzungsmäßige Verpflichtungen auf die autonome Organisation der Gewerkschaften zurückzuführen sind. Diese selbstbestimmten Quotenregelungen erregen die Gemüter verständlicherweise weit weniger als gesetzgeberischer Zwang. Die praktisch schwächste Form einer Quotenregelung findet sich in § 18 Nr. 9 der Satzung IG BAU in der Fassung vom November 2009. Die Bestimmung lautet: „Bei Wahlen sollen Frauen mindestens entsprechend ihrem Anteil in der Mitgliedschaft berücksichtigt werden.“ Eine solche Regelung ist wegen ihrer Unverbindlichkeit und der Möglichkeit zur Abweichung im Einzelfall letztlich nur Absichtserklärung der Gewerkschaft, eine Mindestrepräsentation von Frauen herbeizuführen. Sie bindet die Mitglieder zwar abstrakt, aber nicht mit Blick auf die konkrete Wahlentscheidung. Die häufigere Ausgestaltung von Frauenquoten ist die relative verbindliche Quotenregelung, die sich ebenfalls am Anteil der weiblichen Mitglieder an der Gesamtmitgliederzahl orientiert. Diese anteilsmäßige Berücksichtigung von Frauen ist indes zwingend. Es gibt solche Quotenregelungen bei der EVG, der IG Metall und der Gewerkschaft ver.di – sie lauten: § 13 Nr. 1 c. Satzung EVG in der Fassung vom 30.11. 2010: „Frauen müssen in den gewerkschaftlichen Organen und Gremien mindestens entsprechend ihrem Anteil an der Mitgliedschaft im Bereich des jeweiligen Organs oder Gremiums 1 Eine Auswahl aus dem umfangreichen Schrifttum jüngeren Datums zu dieser Frage: Philipp, EuZW 2011, 612; Ossenbühl, NJW 2012, 417; Papier/Heidebach, ZGR 2011, 305; Spindler/Brandt, NZG 2011, 401; jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen.

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§ 1 Autonome Quoten zur Frauenförderung

vertreten sein. […] Ist der Anteil der Geschlechter bei der Besetzung der Mandate nicht entsprechend der Mitgliedschaft berücksichtigt, ist dies durch zusätzliche Mandate auszugleichen.“ § 13 Satzung IG Metall in der Fassung vom 15.10. 2011: „In den Organen und Gremien der IG Metall müssen Frauen grundsätzlich mindestens entsprechend ihrem Anteil an der Mitgliedschaft vertreten sein. Das Verfahren wird in einer Richtlinie geregelt.“ § 20 Nr. 3 Satzung ver.di in der Fassung vom 30.9. 2009: „Frauen müssen in allen Organen, Beschlussgremien und bei Delegiertenwahlen mindestens entsprechend ihrem Anteil an der jeweils repräsentierten Mitgliedschaft vertreten sein. […] Die Umsetzung dieser Vorgaben sowie die Sicherung der frauen- und gleichstellungspolitischen Interessen bei Beschlussfassungen ist in den jeweiligen Richtlinien, Wahl- und Geschäftsordnungen auch durch die Regelung von Vetorechten mit entsprechenden Konfliktlösungsmechanismen zu gewährleisten.“ Derartige Quotenregelungen sollen die anteilsmäßige Berücksichtigung weiblicher Mitglieder sicherstellen. Sie beeinflussen direkt die konkrete Wahlentscheidung. Neben diesen Quotengestaltungen – relative unverbindliche und relative verbindliche Quote – sind Quotenregelungen in den Gewerkschaften bislang nicht praktisch geworden. Im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehen daher Regelungen, wie sie sich in den Satzungen der Gewerkschaft ver.di, der IG Metall, der EVG und der IG BAU finden. Daneben sind andere Ausgestaltungen von Quotenregelungen zur Frauenförderung denkbar. Möglich ist eine starre Mindestquote – etwa dergestalt, dass mindestens 20 Prozent der zu besetzenden Ämter weiblichen Kandidaten vorbehalten sind oder die paritätische Besetzung von Gewerkschaftsgremien mit Männern und Frauen. Vorstellbar ist es auch, dass Quotierungen sachbezogen erfolgen – etwa wenn das Amt einer gewerkschaftlichen Frauenbeauftragten einem weiblichen Mitglied vorbehalten ist.

B. Die Situation der Frauen in den DGB-Gewerkschaften Die Einführung der Quotenregelungen ist eine Reaktion der Gewerkschaften auf die als unbefriedigend empfundene Situation ihrer weiblichen Mitglieder.2 Konkret

2 Beispielhaft: Margret Mönig-Raane, stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di im Gespräch mit dem Deutschlandradio Kultur vom 2.2. 2011 http://www.dradio.de/dkultur/ sendungen/interview-/1378525/.

B. Die Situation der Frauen in den DGB-Gewerkschaften

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bemängeln die Gewerkschaften eine statistische Unterrepräsentation weiblicher Mitglieder, die durch Quotenregelungen kompensiert werden soll. Indes ist schon die Bezugsgröße für eine Unterrepräsentation von Frauen in Gewerkschaften nicht eindeutig zu bestimmen. Verschiedene Ansätze sind denkbar: Naheliegend ist, zunächst auf den Anteil der Frauen an der Gesamtbevölkerung abzustellen. Dieser lag in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2010 bei etwa 50,9 Prozent.3 Geht man vom Idealzustand eines gleichberechtigten Zugangs von Männern und Frauen zu (Aus-)Bildung und Arbeitsmarkt und entsprechend gleichberechtigten Aufstiegschancen aus, so müsste der Faktor „Geschlecht“ als Differenzierungskriterium zurücktreten. Im statistischen Mittel müsste der Unterschied zwischen Männern und Frauen nivelliert sein. Der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl der Gewerkschaftsmitglieder läge ebenso wie ihr Anteil bei der Besetzung von Führungspositionen bei annähernd 50 Prozent. Indes taugt der Blick auf den Anteil von Männern und Frauen an der Gesamtbevölkerung allenfalls aus gesellschaftspolitischer Perspektive als Bezugspunkt für eine Über- und Unterrepräsentation von Frauen. Zur unmittelbaren Bewertung der gewerkschaftlichen Mitgliederstruktur sind andere Faktoren einzubeziehen, die das (zahlenmäßige) Verhältnis von Männern und Frauen zueinander beeinflussen. So knüpft die Mitgliedschaft in den Gewerkschaften als Arbeitnehmerorganisationen regelmäßig an die Arbeitnehmereigenschaft an. Die Erwerbstätigenquote von Frauen liegt in Deutschland jedoch deutlich unter der von Männern. Sie betrug im Jahr 2011 71,1 Prozent. Bei Männern lag sie bei 81,4 Prozent.4 Jedenfalls um diesen Unterschied müsste man die Statistik zur Repräsentation von Männern und Frauen in Arbeitnehmerorganisationen bereinigen. Daneben kann sich in der Mitgliederstruktur der Gewerkschaften die Präferenz von Frauen und Männern zu unterschiedlichen Berufsbildern ausdrücken. Weiterhin lassen sich die Geschlechterverhältnisse auch als soziales Phänomen begreifen. Wenn Frauen insgesamt schlechter verdienen, dann mag sich dies etwa in ihrer Aus- und Weiterbildungssituation bemerkbar machen – die geringere Qualifikation von Frauen erklärt dann unter Umständen ihren geringeren Einfluss auf die Gewerkschaftspolitik. Schließlich kann ein prekäres Arbeitsverhältnis die Tendenz fördern, sich gar nicht gewerkschaftlich zu organisieren. Daher sind bei der Frage nach der Repräsentation von Frauen in und durch Gewerkschaften zwei Ebenen zu unterscheiden: Auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene kann der Bezugspunkt der Unterrepräsentation in den Gewerkschaften der Anteil der Frauen an der Gesamtbevölkerung sein. Die Frage lautet: Spiegeln sich in 3

https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelk-erung/Bevoelke rungsstand/Tabellen/GeschlechtStaatsangehoerigkeit.html. 4 http://epp.eurostat.ec.europa.eu/tgm/refreshTableAction.do?-tab=table&plu gin=1&pcode=tsdec420&language=de.

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§ 1 Autonome Quoten zur Frauenförderung

den Gewerkschaften gesamtgesellschaftliche Defizite in der Gleichberechtigung von Mann und Frau? Daneben gibt es eine verbandsrechtliche Ebene, die die Frage nach dem Status der weiblichen Gewerkschaftsmitglieder betrifft: Gelingt es den weiblichen Mitgliedern, sich innerhalb der Gewerkschaft entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtmitgliederzahl gewerkschaftspolitisch zu behaupten? Der Befund fällt unterschiedlich aus: Nimmt man zunächst den Anteil an der Frauen an der Gesamtbevölkerung als Bezugsgröße, so sind Frauen in sechs der acht Mitgliedsgewerkschaften des DGB unterrepräsentiert: Der Frauenanteil betrug nach Angaben des DGB (Stand 2011) bei der IG BAU 21,7 Prozent, der IG BCE 20 Prozent, der IG Metall 17,6 Prozent, der NGG 41,0 Prozent, der GdP: 22,6 Prozent und bei der EVG 21,2 Prozent. Eine Ausnahme bilden nur ver.di mit 50,7 Prozent und die GEW mit einem Frauenanteil von 70,2 Prozent. Die DGB Gewerkschaften hatten damit insgesamt einen Frauenanteil von 32,5 Prozent.5 Bei der Besetzung von Spitzenämtern haben Frauen anscheinend einen geringeren Einfluss als Männer. Alle Mitgliedsgewerkschaften des DGB haben Stand Juli 2012 einen männlichen Vorsitzenden. Gleiches gilt für den DGB selbst. Weibliche Vorstandsmitglieder sind dagegen häufig anzutreffen. Bei der Gewerkschaft ver.di sind sechs von fünfzehn Vorstandsmitgliedern Frauen6 – womit die in § 20 Nr. 3 der Satzung festgeschriebene Quote für den Bundesvorstand derzeit nicht erreicht wird. In der IG-Metall sind entsprechend der Quote in § 13 der Satzung zwei von sieben der geschäftsführenden Vorstandsmitglieder Frauen.7 In der EVG ist nur eines der sieben Vorstandsmitglieder weiblich – womit auch hier die in § 13 Nr. 1 c. der Satzung geregelte Quote verfehlt wird.8 Von den fünf Vorstandsmitgliedern der IG BAU ist eines weiblich.9 Die SollQuote des § 18 Nr. 9 der Satzung wird damit erreicht. Im Vorstand der GdP ist das Verhältnis von Männern zu Frauen zehn zu zwei,10 womit die weiblichen Gewerkschaftsmitglieder zahlenmäßig leicht unterrepräsentiert sind.

5 Zahlen abrufbar im Internet unter http://www.dgb.de/uber-uns/dgb-heute/mitgliederzah len/2010. 6 http://aufbau.verdi.de/bundesvorstand. 7 http://www.igmetall.de/cps/rde/xchg/SID-0 A456501 – 47620116/internet/style.xsl/gescha eftsfuehrender-vorstand-945.htm. 8 http://www.evg-online.org/EVG/Vorstand/index_html/?-C=. 9 http://www.igbau.de/Bundesvorstand.html. 10 http://www.gdp.de/gdp/gdpber.nsf/id/Vorstand.

B. Die Situation der Frauen in den DGB-Gewerkschaften

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Ähnlich ist die Situation in der NGG, deren „Hauptvorstand“ eine Frau und drei Männer angehören.11 Allerdings wird in der NGG zwischen einem „geschäftsführenden Hauptvorstand“ – besteht aus drei Mitgliedern – und dem „Hauptvorstand“ differenziert“, der durch die Landesbezirksvorsitzenden, zwanzig ehrenamtliche Funktionäre und durch je ein Mitglied der Frauenorganisation und der Nachwuchsorganisation ergänzt wird.12 Der Einfluss weiblicher Mitglieder auf die Entscheidungen des Vorstandes wird daher je nach Zusammensetzung und Aufgabenverteilung unterschiedlich ausfallen. In der IG BCE ist in dem fünfköpfigen „geschäftsführenden Hauptvorstand“ eine Frau vertreten13 – was dem Anteil weiblicher Mitglieder an der Gesamtmitgliederzahl entspricht. Ein interessanter Sonderfall ist die GEW, deren Vorstand aus zehn Mitgliedern besteht, von denen fünf Frauen sind.14 – Interessant ist dies deshalb, weil Frauen in der GEW einen Mitgliederanteil von etwas mehr als 70 Prozent stellen, sie also trotz der paritätischen Besetzung im Hauptvorstand zahlenmäßig unterrepräsentiert sind. Im Bundesvorstand des DGB sind Frauen und Männer im Verhältnis zwei zu drei vertreten,15 womit Frauen annähernd entsprechend ihrem Anteil an Gesamtmitgliederzahl vertreten sind.

11 12 13 14 15

http://www.ngg.net/unsere_ngg/aufbau/bundesebene/. http://www.ngg.net/unsere_ngg/aufbau/bundesebene/. http://www.igbce.de/igbce/organisation/ghv/. http://www.gew.de/Vorstandsmitglieder.html. http://www.dgb.de/uber-uns/dgb-heute/organisation-und-bundesvorstand.

§ 2 Frauenquoten und Koalitionsfreiheit Die Gewerkschaften haben sich die Quotenregelungen ohne äußeren Zwang selbst gegeben. Ihre Rechtmäßigkeit ist damit eine Frage der Grenzen autonomer gewerkschaftlicher Satzungsgestaltung.

A. Betätigungsfreiheit und Organisationsautonomie Das gewerkschaftliche Organisationsrecht gründet auf der in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG normierten Koalitionsfreiheit.1 Die koalitionsfreiheitlichen Gewährleistungen bilden somit den Ausgangspunkt der Untersuchung von Frauenquoten in Gewerkschaften.

I. Individuelle und kollektive Koalitionsfreiheit Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG ist ausweislich seines Wortlauts („jedermann“) zunächst Individualgrundrecht.2 Geschützt ist die Freiheit des Einzelnen, sich gemeinsam mit Anderen zum Zwecke der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zusammenzuschließen und diesen Zweck gemeinsam zu verfolgen.3 Damit ist neben der Gründungsfreiheit das Recht zum Beitritt und zum Verbleib in der Koalition, sowie das Recht zu koalitionsspezifischer Betätigung erfasst.4 Geschützt ist auch die negative Koalitionsfreiheit, also das Recht, einer solchen Vereinigung fernzubleiben.5 Die Koalitionsfreiheit ist jedoch – wie jede Vereinigungsfreiheit – nur im Bezug zur Vereinigung denkbar.6 Nur durch die Koalition bzw. nur in Abgrenzung zu ihr kann die Koalitionsfreiheit wahrgenommen werden.7 Dieser Gedanke führt zur 1

BVerfG vom 18.11.1954 – 1 BvR 629/52 – NJW 1954, 1881. Sachs/Höfling, Art. 9 GG Rn. 63 m.w.N. 3 BVerfG vom 1.3.1979 – 1 BvR 532, 533/77 u. a. – BVerfGE 50, 290, 367. 4 ErfK/Dieterich, Art. 9 GG Rn. 30. 5 MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 155 Rn. 1 f. m.w.N. zu der abweichenden Ansicht, die negative Koalitionsfreiheit sei nur durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. 6 Zur Koalition MünchArbR/Ricken, § 200 Rn. 7 ff.; allgemein zum Verhältnis von Verband und Mitglied: Lutter, AcP 180 (1980), S. 84, 88 f. 7 ErfK/Dieterich, Art. 9 GG Rn. 39. 2

A. Betätigungsfreiheit und Organisationsautonomie

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Vorstellung von der Koalitionsfreiheit als „Doppelgrundrecht“, wonach grundsätzlich nicht nur der Einzelne durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG in seinen Rechten geschützt ist, sondern auch die Koalition als Kollektiv.8 Diese Doppelnatur wirft zwangsläufig die Frage nach dem Verhältnis von Individuum und Kollektiv auf. So ist im Einzelnen umstritten, ob sich die kollektive Koalitionsfreiheit direkt aus Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG ergibt – ob es sich also um ein echtes Doppelgrundrecht handelt9 –, oder ob sich die Berechtigung erst über den Umweg aus Art. 19 Abs. 3 GG ergibt und sich somit aus der individuellen Koalitionsfreiheit ableitet.10 Geschützt ist jedenfalls auch das Handeln der Koalition als Kollektiv bzw. das gemeinsame Handeln ihrer Mitglieder sowie der Bestand der Koalition und insbesondere ihre Organisationsautonomie.11 Die Organisationsautonomie gewährleistet den Koalitionen das Recht, über ihre Rechtsform, ihren inneren Aufbau und die Rechte und Pflichten ihrer Mitglieder grundsätzlich frei entscheiden zu können.12 Am Beispiel der Frauenquote zeigt sich, dass sich die autonome Ausgestaltung des Organisationsrechts faktisch auch gegen die Mitglieder richten und deren Betätigungs- und Teilhaberechte innerhalb der Koalition beschneiden kann. Damit ist die Frage nach einem Mindestmaß an innerverbandlichen Betätigungsrechten des einzelnen Mitglieds aufgeworfen und somit zugleich nach dem Verhältnis von individueller Betätigungsfreiheit und Organisationsautonomie der Koalition.13

II. Interne Betätigungsgarantie des Koalitionsmitglieds Ob dem einzelnen Koalitionsmitglied eine interne Betätigungsgarantie zukommt und damit ein garantiertes Mindestbetätigungsrecht gegenüber der Koalition, wird uneinheitlich bewertet. Meist wird das Problem nur am Rande erörtert, etwa wenn in diesem Zusammenhang ein „Mindestmaß an demokratischer Organisation“14 gefordert wird oder wenn aus der Betätigungsgarantie ein nicht näher spezifiziertes Recht auf „Mitwirkung an der verbandsinternen Willensbildung“15 folgen soll. Richtig ist, dass die individuelle Betätigungsgarantie zwei Dimensionen hat: 8 BVerfG vom 26.6. 1991 – 1 BvR 779/85 – BVerfGE 84, 212, 224 f.; Dreier/H. Bauer, Art. 9 GG Rn. 82 m.w.N. 9 ErfK/Dieterich, Art. 9 GG Rn. 39 m.w.N. 10 Sachs/Höfling, Art. 9 GG Rn. 66 f. m.w.N.; Maunz/Dürig/Scholz, Art. 9 GG Rn. 240 m.w.N. 11 ErfK/Dieterich, Art. 9 GG Rn. 39 m.w.N. 12 MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 157 Rn. 18 ff. 13 Zu diesem Verhältnis MünchArbR/Ricken, § 200 Rn. 7 ff. 14 Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 9 GG Rn. 58. 15 Dreier/Bauer, Art. 9 GG Rn. 81; Maunz/Dürig/Scholz, Art. 9 GG Rn. 207.

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§ 2 Frauenquoten und Koalitionsfreiheit

Insbesondere im Bereich der Tarifautonomie und dort vor allem im Arbeitskampfrecht richtet sich die Betätigung der Mitglieder nach außen.16 Hier kompensiert das gemeinsame Handeln die strukturelle Unterlegenheit des einzelnen Arbeitnehmers gegenüber der Arbeitgeberseite als sozialem Gegenspieler.17 Diese Möglichkeit gemeinsamen Handelns, insbesondere im Arbeitskampf, ist wesentlicher Existenzgrund der Gewerkschaften und hat besondere wirtschaftliche und soziale Bedeutung.18 Die Betätigung wird dementsprechend vorrangig in ihrer Ausprägung als Freiheit des Handelns für die Koalition wahrgenommen19 – also im Sinne einer „externen Betätigungsgarantie.“20 Der Schutzbereich der individuellen Koalitionsfreiheit erschöpft sich allerdings nicht in der Betätigung für die Koalition, sondern umfasst auch das Recht, sich in der Koalition zu betätigen.21 Der Einzelne behält seine individuelle Koalitionsfreiheit auch nach dem Beitritt zu einer Gewerkschaft.22 Das Individuum geht nicht in der Koalition als Gemeinschaft auf, so dass es seine Rechte an die Koalition verlöre. Neben den der Koalition als Kollektiv zustehenden Rechten verbleibt der individuellen Koalitionsfreiheit damit ein selbstständiger Gehalt. Daher muss grundsätzlich Raum zur Entfaltung dieser Garantien verbleiben. Insoweit ist es richtig, von einer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten „internen Betätigungsgarantie“ zu sprechen.23 Zum Teil werden aus diesem Aspekt individueller Koalitionsfreiheit Vorgaben für die Organisation der Koalitionen abgeleitet.24 Wenn die Verfassung dem Einzelnen Privatautonomie und individuelle Koalitionsfreiheit gewährleiste, so gebe sie ihm dadurch zwar die Möglichkeit zur Disposition über die eigenen Rechtsverhältnisse, nicht jedoch über die Dispositionsmöglichkeit selbst. Willige das Individuum in ein System mangelnder innerverbandlicher Partizipationsmöglichkeiten ein, so sei dies ein Akt der „gänzlichen Aufgabe seiner Selbstbestimmung“25, die Koalitionsfreiheit des Einzelnen verkümmere in unzulässiger Weise zum „nudum ius“26. Daraus folge ein Mindestmaß an innerverbandlichen Beteiligungsrechten des Einzelnen.27 16

Sachs/Höfling, Art. 9 GG Rn. 63 ff.; MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 156 Rn. 14 ff. BVerfG vom 26.6.1991 – 1 BvR 779/85 – BVerfGE 84, 212, 229; Sachs/Höfling, Art. 9 GG Rn. 84; Dreier/Bauer, Art. 9 GG Rn. 83. 18 F. Bayreuther, Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie, S. 74. 19 Dreier/Bauer, Art. 9 GG Rn. 83; MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 156 Rn. 14 ff. 20 Oetker, RdA 1999, 96, 97. 21 Sachs/Höfling, Art. 9 GG Rn. 64 m.w.N.; Maunz/Dürig/Scholz, Art. 9 GG Rn. 22 und 169 m.w.N. 22 Oetker, RdA 1999, 96, 97; Höfling, FS Friauf, S. 377, 379. 23 Oetker, RdA 1999, 96, 97. 24 Säcker/Oetker, S. 14 f.; Oetker, RdA 1999, 96, 97 und 103. 25 Säcker/Oetker, S. 14. 26 Oetker, RdA 1999, 96, 97. 27 Säcker/Oetker, S. 14 f.; Oetker, RdA 1999, 96, 97 und 103. 17

A. Betätigungsfreiheit und Organisationsautonomie

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Dieser Ansicht ist insoweit zuzustimmen, als es eine Grenze zwischen Selbstverwirklichung und Selbstentrechtung gibt.28 Problematisch ist indes die vorgenommene Grenzziehung. Wenn nämlich eine Koalition satzungsmäßig die Rechte ihrer Mitglieder beschneidet, etwa indem sie ein Zweiklassenstimmrecht einführt, so wirkt dies faktisch als Privileg der Koalition als Gesamtheit bzw. als Instrument jener, die die Kontrolle über die Koalition ausüben. Die Unterordnung unter derartige Satzungsgestaltungen ist aber zugleich Teil der individuellen Koalitionsfreiheit, denn unabhängig von der Frage nach der Sinnhaftigkeit eines solchen Tuns, gibt es keinen sachlichen Grund, dem Einzelnen zu verweigern, sich für diejenige Art von Verband zu entscheiden, in der er seine Vorstellung von der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen verwirklicht sieht. Ihm muss daher die Möglichkeit eröffnet sein, sich für einen Verband zu entscheiden, in dem seine internen Betätigungsrechte weitgehend reduziert sind.29 Daher verkümmert das interne Betätigungsrecht des Einzelnen selbst dort nicht zum „nudum ius“30, wo die Koalition dem Mitglied wenige oder keine Einwirkungsmöglichkeiten auf die innerverbandliche Willensbildung zugesteht. Vielmehr ist gerade das Einverständnis mit einer solchen Satzungsgestaltung von Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG geschützt. Pointiert ausgedrückt: Auch der Grundrechtsverzicht ist Grundrechtsausübung.31 Dies gilt jedenfalls solange, wie die Einordnung in ein – ggf. undemokratisch organisiertes – System freiwillig erfolgt, der Verzicht auf faktische Einflussmöglichkeit also Ausdruck der individuellen Koalitionsfreiheit ist.32 Dies setzt insbesondere voraus, dass es Alternativen zur Verbandszugehörigkeit gibt, die dem Einzelnen die Möglichkeit eröffnen, seine Betätigungsfreiheit durch Austritt oder Übertritt in einen anders organisierten Verband zur Geltung zu bringen.33 Deshalb kann der durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten internen Betätigungsfreiheit dort eigenständige Bedeutung zukommen, wo sich der Einzelne mit einem Verband konfrontiert sieht, dessen herausragende Stellung und Macht eine Mitgliedschaft aus tatsächlichen Gründen unentbehrlich macht.34 Davon abgesehen, gibt es mit Blick auf die individuelle Betätigungsgarantie keinen Grund, die freie individuelle Akzeptanz von Satzungsgestaltungen einzuschränken und damit zugleich den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG auf das Recht zur Anerkennung „demokratischer“ Satzungsstrukturen zu verengen.35 Insoweit gilt für die Koalitionsfreiheit nichts anderes als für Vereinigungen im Sinne des 28

HGR/Merten, § 73, insb. Rn. 24 ff. m.w.N. Reuter, FS Söllner, S. 937, 945. 30 So aber Oetker, RdA 1999, 96, 97. 31 Zum Verhältnis von Grundrechtsverzicht und Grundrechtsausübung HGR/Merten, § 73, insb. Rn. 24 ff. m.w.N. 32 Reuter, FS Söllner, S. 937, 945. 33 Reuter, FS Söllner, 937, 945. 34 MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 156 Rn. 22. 35 Reuter, FS Söllner, S. 937, 945. 29

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§ 2 Frauenquoten und Koalitionsfreiheit

Art. 9 Abs. 1 GG, bei denen vor allem das Bundesverfassungsgericht hierarchische Strukturen als Ausdruck individueller und kollektiver Organisationsfreiheit für zulässig erachtet hat.36 Daher tritt die individuelle Betätigungsfreiheit regelmäßig hinter die Organisationsautonomie zurück. Der Schutz der individuellen Koalitionsfreiheit verdichtet sich nicht zu einer generellen Betätigungsgarantie im Sinne konkreter Beteiligungsrechte37 – jedenfalls nicht zu solchen im Sinne einer „demokratischen“ Organisation. Wenn die Mitglieder demnach ihr individuelles Betätigungsrecht so ausüben, dass sie der Einführung einer Frauenquote entweder direkt zustimmen, oder diese durch ihren Beitritt zum oder ihren Verbleib im Verband indirekt sanktionieren, so ist dies scheinbar ein Akt der Koalition als Verband, tatsächlich ist es aber Ausdruck individueller Betätigungsfreiheit. Es gibt keinen Grund, diese autonome Entscheidung der Mitglieder durch zusätzliche Anforderungen an die Organisation einer Koalition zu korrigieren und die Mitglieder damit gleichsam vor sich selbst zu schützen.38

B. Organisationsautonomie und besondere Aufgaben der Koalition In der Literatur wird – mit unterschiedlichen Begründungen – dennoch häufig eine demokratische Binnenstruktur als Koalitionsmerkmal gefordert.39 Diese Forderungen gehen im Kern auf ein besonderes Verständnis der Koalitionen zurück, das insbesondere die Gewerkschaften nicht allein als Zusammenschlüsse von Privatrechtssubjekten begreift, sondern ihnen besondere öffentliche Funktionen zuweist.40 Die Rechte der Koalitionen zur Ordnung des Arbeits- und Wirtschaftslebens werden als originär staatliche, delegierte Aufgabe angesehen, die nur auf staatsdemokratisch organisierte Vereinigungen übertragen werden dürfen.41 Die Vertreter dieser Ansicht können sich dabei scheinbar auf das Bundesverfassungsgericht berufen, das schon früh von der Ordnung des Arbeitslebens als einer 36

945. 37

BVerfG vom 5.2.1991 – 2 BvR 263/86 – NJW 1991, 2623, 2625; Reuter, FS Söllner, 937,

MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 156 Rn. 22. Reuter, FS Söllner, S. 937, 945. 39 Ridder, Zur verfassungsrechtlichen Stellung der Gewerkschaften, S. 11 ff.; Föhr, Willensbildung in den Gewerkschaften und Grundgesetz, S. 104 ff.; außerdem Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Band I, S. 400 f. mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 40 So die Analyse von Reuter, FS Söllner, S. 937, 945 f.; Jacobs/Krause/Oetker/Oetker, § 2 Rn. 75. 41 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Band I, S. 400 m.w.N.; Popp, Öffentliche Aufgaben der Gewerkschaften und innerverbandliche Willensbildung, S. 49 ff. 38

B. Organisationsautonomie und besondere Aufgaben der Koalition

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„im öffentlichen Interesse den Koalitionen übertragenen Aufgabe“ gesprochen hat.42 Der Status der Gewerkschaften ähnelt aus dieser Perspektive jenem der Parteien, deren öffentliche Funktion für das politische Leben derjenigen der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände für die Wirtschaftsordnung entspreche.43 Wie dies für die Parteien in Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG ausdrücklich angeordnet werde, müsse auch die innere Ordnung der Gewerkschaften den dort normierten demokratischen Grundsätzen entsprechen.44 In diesen Vorstellungen originär staatlicher Ordnung von Arbeits- und Wirtschaftsleben findet schließlich die Idee gesamtgesellschaftlicher Demokratisierung ihren Widerhall. Willy Brandts Postulat des „Mehr Demokratie wagen“45 findet hier seine gedankliche Fortsetzung in der Idee des kollektiven Arbeitsrechts als „Vorschule der Demokratie.“46 Demokratie wandelt sich so vom Staatsstrukturprinzip zur Maxime gesellschaftlicher Ordnung. Diese Idee einer besonderen Funktion für Staat und Gesellschaft findet sich auch in der Selbstwahrnehmung der Gewerkschaften, denen eine dem Status der Parteien vergleichbare gesellschaftliche Rolle zugesprochen wird.47 Tatsächlich sind Gewerkschaften als bloße private (Wirtschafts-)Interessenverbände aus historischer Perspektive nur ungenügend erfasst.48 So gründet die Koalitionsfreiheit auf dem Recht der Interessenverbände, wie sie als Antwort auf die beginnende Industrialisierung im 19. Jahrhundert entstanden und wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen ebenso nachzeichneten wie prägten.49 Daraus resultiert ein politisches Sendungsbewusstsein, das sich bis heute in den Gewerkschaften erhalten hat.50 So bekennen sich alle im Deutschen Gewerkschaftsbund organisierten Gewerkschaften in ihren Satzungen zu allgemeinpolitischen Zielen51 und zum Teil explizit 42

BVerfG vom 19.1.1962 – 1 ABR 14/60 – BVerfGE 18, 18, 27. Föhr, Willensbildung in den Gewerkschaften und Grundgesetz, S. 126. 44 Söllner, AuR 1976, 321, 323 f. m.w.N. 45 Bundeskanzler Willy Brandt in seiner Regierungserklärung vom 28.10. 1969 vor dem Deutschen Bundestag, Kopie des Redemanuskripts abrufbar auf der Internetseite der Friedrich Ebert Stiftung unter www.fes-online-akademie.de/download.php?d%3Dmehr_demokratie_wa gen.pdf. 46 Dazu Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Band I, S. 10 f.; zur Demokratisierungsdiskussion in Bezug auf Verbände in den 1970er Jahren: Säcker/Oetker, Probleme der Repräsentation von Großvereinen, S. 12 f. m.w.N. 47 Gamillscheg, AcP 164 (1964), S. 385, 400; dazu noch Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 195 m.w.N. 48 Instruktiv Richardi, Arbeitsrecht als Teil freiheitlicher Ordnung, S. 24 ff. 49 Sachs/Höfling, Art. 9 GG Rn. 1 und 48 ff.; ErfK/Dieterich, Art. 9 GG Rn. 15 ff.; BAG vom 3.4.1990 – 1 AZR 123/89 – NZA 1990, 886, 887. 50 BGH vom 25.1. 1990 – I ZR 19/87 – BGHZ 110, 156, 168. 51 § 3 Satzung der EVG in der Fassung vom 30.11. 2010; § 2 Satzung der GdP in der Fassung vom 24.11. 2010; § 3 Satzung der GEW in der Fassung vom Oktober 2009; § 3 Satzung der IG Bau in der Fassung vom November 2009; § 3 Satzung IG BCE in der Fassung vom 12.10. 43

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§ 2 Frauenquoten und Koalitionsfreiheit

zur Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern.52 In den so genannten Spartengewerkschaften53 finden sich derartige Bezüge regelmäßig nicht. Eine Ausnahme bildet hier die Gewerkschaft der Lokomotivführer.54 Die Vertretung der Mitgliederinteressen hat sich stets und bis heute mit sozialreformerischen und politischen Inhalten verknüpft. Indes verwechselt der Schluss von der sozialpolitischen Bedeutung der Gewerkschaften auf den staatlichen Ursprung ihrer Kompetenz den Zusammenhang von Ursache und Wirkung. Die Koalitionsfreiheit ist vorrangig ein Freiheits- und Abwehrrecht.55 Die besondere Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG dient nicht irgendwelchen übergeordneten kollektiven oder staatsdemokratischen Zwecken, sondern sie ist wie die Mitgliedschaft in anderen (privatrechtlichen) Vereinigungen auch Instrument zur „Verwirklichung von Privatautonomie“56. Die vom Bundesverfassungsgericht erwähnte „öffentliche Aufgabe“ kommt den Koalitionen nicht deshalb zu, weil sie gleichsam als Beliehene agieren, sondern weil sie private Rechtssubjekte sind.57 Die Ordnung des Arbeits- und Wirtschaftslebens ist nicht einer beinahestaatlichen Einrichtung übertragen, sondern den privaten Akteuren.58 Die Bedeutung der Koalition gründet also nicht in ihrer staatlichen Funktion, sondern in ihrer prinzipiellen Staatsferne.59 Gewerkschaften sind demnach – anders als Parteien – nicht (staats-)demokratischen Grundsätzen verpflichtet.60 Daher überzeugt der Ansatz nicht, von einfachgesetzlichen Kompetenzen der Koalitionen auf deren staatsdemokratische Verpflichtung zu schließen. So argumentiert Gamillscheg, dass eine nach dem Führerprinzip verfasste Organisation nicht das Recht haben dürfe, Richter zu benennen.61 Dem ist zwar grundsätzlich zuzustimmen, jedoch führt dies nicht zu einer Verkürzung des Schutzbereichs des Art. 9 2009; § 2 Satzung der IG Metall in der Fassung vom 1.1. 2008; § 3 Satzung der NGG vom 1.1. 2009; § 5 Satzung ver.di in der Fassung vom 30.9. 2009. 52 § 3 Abs. 4 Satzung der EVG in der Fassung vom 30.11. 2010; § 3 d) Satzung der GEW in der Fassung vom Oktober 2009; § 3 Nr. 3 Satzung der IG Bau in der Fassung vom November 2009; § 3 Nr. 3 Satzung IG BCE in der Fassung vom 12.10. 2009; § 2 Satzung der IG Metall in der Fassung vom 1. Januar 2008; § 3 Nr. 9 Satzung der NGG vom 1.1. 2009; § 5 Nr. 3 f) Satzung ver.di in der Fassung vom 30.9. 2009. 53 Zu diesem Begriff Kamanabrou, ZfA 2008, 241 ff. m.w.N. 54 § 2 Satzung der GdL in der Fassung von 2008. 55 BVerfG vom 1.3. 1979 – 1 BvR 532, 533/77 u. a. – BVerfGE 50, 290, 367; Maunz/Dürig/ Scholz, Art. 9 GG Rn. 156. 56 Lutter, AcP 180 (1980), S. 84, 94 m.w.N.; speziell zur Koalitionsfreiheit und mit weiteren Nachweichen MünchArbR/Ricken, § 200 Rn. 7 ff. 57 Maunz/Dürig/Scholz, Art. 9 GG Rn. 16 und 158; Reuter, FS Söllner, S. 937, 945 f. 58 Umfassend E. Picker, Die Tarifautonomie in der deutschen Arbeitsverfassung, passim. 59 Maunz/Dürig/Scholz, Art. 9 GG Rn. 10. 60 Zur Stellung der Parteien im verfassungsrechtlichen Gefüge und dem Gebot demokratischer Organisation Ipsen/Ipsen, § 1 PartG Rn. 1 ff. 61 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Band I, S. 10; weitere Beispiele für solche „öffentlichen Funktionen“ bei Reuter, FS Söllner, S. 937, 939 f.

B. Organisationsautonomie und besondere Aufgaben der Koalition

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Abs. 3 Satz 1 GG, sondern zu der Frage, ob der Staat einer in diesem Sinne undemokratischen Organisation eine entsprechende Kompetenz übertragen darf. Es handelt sich mit anderen Worten um ein Demokratiedefizit im Verantwortungsbereich des Staates.62 Die besseren Gründe sprechen also dafür, eine Verengung des Schutzbereichs auf demokratisch organisierte Vereinigungen abzulehnen. Die Ausgestaltung der innerverbandlichen Willensbildung ist damit im Lichte des Koalitionsbegriffs des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG weitgehend zur Disposition der Mitglieder gestellt. Autonom gesetzte Frauenquoten sind damit prinzipiell zulässig.63 Selbst wenn man indes die „Demokratie“ als Koalitionsmerkmal annehmen wollte, wäre damit für die tatsächlichen Anforderungen an die innerverbandliche Willensbildung und die Zulässigkeit von Frauenquoten wenig gewonnen, denn die Diskussion um die unterschiedlichen Begründungen eines gewerkschaftlichen Demokratieerfordernisses leidet unter dem allgemeinen und flexiblen Gebrauch des Begriffs der „Demokratie“, zumal häufig nur schwer abzugrenzen ist, worauf sich die Forderung nach Demokratisierung im Einzelfall gründet.64 So konkretisiert Otto seinen Begriff von „Demokratie“ vor allem dahingehend, dass dieser eine „autoritäre Struktur“ verbiete.65 Nach Gamillscheg soll grundsätzlich das Mehrheitsprinzip – verbunden mit „angemessenem“ Minderheitenschutz – gelten, wobei der „Schlagkraft“ des Verbandes Rechnung zu tragen sei66 und Oetker verlangt „institutionelle Absicherungen, damit eine koalitionsspezifische Betätigung des Einzelnen verbandsintern möglich bleibt“67. Diese Vorstellungen von „Demokratie“ sind so unbestimmt, dass sie für eine Frauenquote sowohl als Rechtfertigungsgrund (angemessener Minderheitenschutz?) als auch als Ablehnungsgrund (Verletzung des Mehrheitsprinzips? Autoritär?) herangezogen werden können. Wahrscheinlich wird man ähnliche Maßstäbe anlegen müssen wie sie für politische Parteien gelten sollen, so dass eine Frauenquote wohl zulässig wäre.68 Jedenfalls ist eine exakte koalitionsspezifische Grenzziehung zwischen demokratischen und undemokratischen Strukturen auf Grundlage dieses Demokratiebegriffs nicht möglich.69 Zudem verliert die „Demokratie“ wohl auch deshalb an Kontur, weil sie bewusst unbestimmt und offen gebraucht werden kann. So ist es möglich, sie ohne größeren 62

Skeptisch auch Schmiegel, Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen, S. 10, die im Ergebnis zutreffend aber ohne größeren Begründungsaufwand diesen „Außenfunktionen“ keine Bedeutung für die Organisation der Koalition als Verein zumisst. 63 Fuchsloch, ArbuR 1997, 354, 357. 64 Jacobs/Krause/Oetker/Oetker, § 2 Rn. 75. 65 Otto, Arbeitsrecht, Rn. 674. 66 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Band I, S. 401 f. 67 Oetker, RdA 1999, 96, 103. 68 v. Mangoldt/Klein/Starck/Achterberg/Schulte, Art. 38 GG Rn. 145 m.w.N. 69 Dies wird von Oetker, RdA 1999, 96, 103 auch so gesehen: „…Vagheit, die im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Direktiven für die Satzungsautonomie verbleibt“.

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§ 2 Frauenquoten und Koalitionsfreiheit

Begründungsaufwand mit allen gewünschten Bedeutungsgehalten aufzuladen. Der Begriff der „Demokratie“ verliert sich so freilich in Beliebigkeit.70 Und schlimmer noch: Es steht zu erwarten, dass jede Argumentation für oder wider einer bestimmten innerverbandlichen Regelung für sich in Anspruch nehmen wird, dem Ideal der „Demokratie“ verpflichtet zu sein – zumal eine gewisse Hemmschwelle bestehen mag, sich gegen das Postulat einer „Demokratisierung“ zu wenden. Bei diesem Verständnis verkommt das Demokratieerfordernis freilich zum bloßen Kampfbegriff.71 Die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG ist demnach ein Freiheitsrecht, das den Mitgliedern der Koalition die privatautonome Organisation ihres Verbandes ermöglicht.72 Grundsätzlich ist allein der Wille der Mitglieder Maßstab für die Richtigkeit innerverbandlicher Organisation. Die Koalition als Verband ist damit keinen besonderen staatsdemokratischen Zielen verpflichtet. Aus diesem Grund ist der Organisationsautonomie des Verbandes weite Freiheit eingeräumt und zugleich eine klare Grenze gesetzt: Die Mitglieder sollen grundsätzlich selbst entscheiden, im Rahmen welcher Organisation sie die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen wahren und fördern wollen. Der Koalitionsbegriff des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG erlaubt somit grundsätzlich die autonom gesetzte Frauenquote. Umgekehrt muss sichergestellt sein, dass eine Satzungsregelung – also auch eine Frauenquote – auf der freien Entscheidung der Mitglieder beruht. Diesen Vorgaben muss jede Ausgestaltung der Satzungsfreiheit durch das einfache Recht genügen.

70 So Schüren, Die Legitimation der tariflichen Normsetzung, S. 275: Es handle sich um einen „konsensfähigen, aber leider nicht sehr konkreten Begriff“. 71 Siehe Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, S. 1 mit dem Bonmot von der Demokratie als dem „missbrauchtesten aller politischen Begriffe“. 72 Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1155; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, S. 145.

§ 3 Frauenquoten und Vereinsrecht A. Gewerkschaften als nicht eingetragene Vereine Es ist Ausdruck der durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Organisationsautonomie, dass Koalitionen unter den für sie in Frage kommenden Rechtsformen grundsätzlich frei wählen können.1 In der Praxis sind Gewerkschaften regelmäßig als nichtrechtsfähige (Ideal-)Vereine organisiert.2 Gemäß § 54 Satz 1 BGB gelten für sie deshalb die Vorschriften über die Gesellschaft bürgerlichen Rechts i.S.d. §§ 705 ff. BGB. Nichteingetragene und damit nichtrechtsfähige Vereine und insbesondere Gewerkschaften sind jedoch als (Massen-)Organisationen mit körperschaftlicher Struktur konzipiert. Sie bedürfen außerdem eines selbstständigen Vermögens und einer entsprechenden Haftungsbeschränkung auf das Vereinsvermögen.3 Sie unterscheiden sich daher vom eingetragenen Verein nur durch den Umstand der fehlenden Eintragung.4 Jedenfalls unterscheiden sie sich wesentlich von der BGB-Gesellschaft.5 Der Verweis in das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts wird daher als „rechtspolitisch verfehlt“6 bzw. „sachfremd“7 empfunden. „Rechtspolitisch verfehlt“ oder „sachfremd“ ist die Anwendung des Rechts der BGB-Gesellschaft freilich nur aus moderner Perspektive. Historisch steht dahinter der Wille des Gesetzgebers, nur solchen Vereinigungen Rechtsfähigkeit zuzugestehen und ihnen eine effektive Betätigung zu ermöglichen, die sich durch Eintragung dem ursprünglich obrigkeitsstaatlich konzipierten Recht des eingetragenen Vereins unterwarfen.8 Flankiert wurde dies durch die Möglichkeit, politischen, sozialpolitischen und religiösen Vereinigungen gemäß §§ 61 Abs. 2, 43 Abs. 3 BGB a.F., die Eintragung zu verwehren.9 Der Gesetzgeber errichtete so ein (nur spärlich)

1

MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 157 Rn. 18 und § 160 Rn. 1. MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 160 Rn. 5; zum historischen Hintergrund dieser Entwicklung Oetker, RdA 1999, 96 f. m.w.N. 3 Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 768 f. 4 Palandt/Ellenberger, § 54 BGB Rn. 1. 5 Palandt/Ellenberger, § 54 BGB Rn. 2; Brox/Walker, Rn. 768. 6 Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 768. 7 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 11 Rn. 3. 8 Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 768; Oetker, RdA 1999, 96, 99. 9 Oetker, RdA 1999, 96, 99. 2

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§ 3 Frauenquoten und Vereinsrecht

„verschleiertes Konzessionssystem“10, das vor allem gegen politische Vereinigungen und die Gewerkschaften gerichtet war und diese in das organisatorisch ungeeignete Recht der BGB-Gesellschaft abdrängte.11 Durch dieses vorrangig obrigkeitsstaatlich konzeptionierte Vereinsrecht wurden im Übrigen nicht nur die nichteingetragenen Vereine benachteiligt. Auch das Recht des eingetragenen Vereins wurde schon zum Zeitpunkt seiner Entstehung als für die Organisation und Betätigung moderner Massenverbände wenig geeignet kritisiert. Bekannt ist der Ausspruch des sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Stadthagen, der das Vereinsrecht als Recht der „Skat-, Kegel-, Sauf- und Rauchvereine“ beschrieb.12 Art. 9 GG gebietet aber dem Gesetzgeber, das Vereinsrecht so auszugestalten, dass die Gewährleistungen der Vereinigungsfreiheit und insbesondere der Koalitionsfreiheit entfaltet werden können und so dem Einzelnen und der Koalition die grundrechtlich geschützte Betätigung ermöglicht wird.13 Ein Vereinsrecht, das darauf gerichtet ist, vor allem aus dem Motiv obrigkeitsstaatlicher Kontrollbedürfnisse heraus gewerkschaftliche Betätigung nach Möglichkeit zu verhindern oder zumindest zu erschweren wird diesen Anforderungen ohne Modifikationen nicht gerecht. Jedenfalls das ursprünglich intendierte Konzessionssystem ist daher mit Art. 9 GG unvereinbar.14 Indes ist das System der Konzessionierung heute schon aus einfachrechtlicher Perspektive unbedeutend. Mit Aufhebung der §§ 61 Abs. 2, 43 Abs. 3 BGB findet eine irgendwie geartete Zulassung politischer oder sozialpolitischer Vereinigungen nicht mehr statt.15 Da ohne eine materielle Prüfung im Vorfeld der Eintragung von einem echten Konzessionssystem keine Rede mehr sein kann, ist der tragende verfassungsrechtliche Einwand gegen das Eintragungserfordernis entkräftet. Die Eintragung als rein formales Erfordernis ist einer Vereinigung mit Blick auf Art. 9 GG aber zumutbar, zumal dahinter die grundsätzlich legitime gesetzgeberische Intention steht, das System der Normativbestimmungen nicht durch eine vollständige Gleichbehandlung von eingetragenem und nichteingetragenem Verein zu entwerten.16 Es ist also fraglich, ob das durch § 54 Satz 1 BGB indirekt geförderte Eintragungserfordernis in jedem Fall verfassungswidrig ist. Allerdings ergibt sich auch aus einfachrechtlicher Perspektive ein Bedürfnis, die rechtlichen Maßstäbe von eingetragenem und nicht eingetragenem Verein einander 10

Palandt/Ellenberger, § 54 Rn. 1. Palandt/Ellenberger, § 54 Rn. 1. 12 Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Band 1, Seite 995. 13 Oetker, RdA 1999, 96, 99. 14 Palandt/Ellenberger, § 54 BGB Rn. 1. 15 Palandt/Ellenberger, § 54 BGB Rn. 1. 16 BeckOKBGB/Schwarz/Schöpflin, § 54 BGB Rn. 15. 11

B. Weitgehende Satzungsautonomie im einfachen Vereinsrecht

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anzugleichen. Da der Gesetzgeber beim nichteingetragenen Verein von einer körperschaftlichen Struktur ausging und ihn im Wesentlichen aus politischer Motivation besonderen Zulassungsbeschränkungen unterwarf, kann man die Vorschriften über den eingetragenen Verein nach dem Wegfall dieses Kontrollsystems grundsätzlich entsprechend anwenden – und wird dies auch müssen, um ein funktionsfähiges Innen- und Außenrecht für den nichteingetragenen Verein zu ermöglichen.17 Rechtstechnisch ist es dafür nicht erforderlich, § 54 Satz 1 BGB für Idealvereine als außer Kraft gesetzt anzusehen.18 Die Vorschrift ist vielmehr einer ergänzenden Auslegung zugänglich.19 Dies hat die Konsequenz, dass die weitgehend dispositiven §§ 705 ff. BGB durch die Satzung für stillschweigend abbedungen gelten und durch die einschlägigen Bestimmungen über den eingetragenen Verein ersetzt werden können.20 Unabhängig von der Frage der verfassungs- oder einfachrechtlichen Begründung besteht heute somit weitgehend Einigkeit darüber, dass auf den nicht eingetragenen (Ideal-)Verein die Vorschriften der §§ 21 ff. BGB entsprechend anzuwenden sind, sofern diese nicht gerade die Rechtsfähigkeit oder die Eintragung voraussetzen.21

B. Weitgehende Satzungsautonomie im einfachen Vereinsrecht Das Organisationsrecht der Gewerkschaften richtet sich somit grundsätzlich nach den Bestimmungen des BGB-Vereinsrechts gemäß §§ 21 ff. BGB.22

I. Satzungsmäßige Regelung der Frauenquote Gemäß § 25 BGB wird die „Verfassung eines rechtsfähigen Vereins […] durch die Vereinssatzung bestimmt“. § 25 BGB findet entsprechende Anwendung auf den nichtrechtsfähigen Verein.23 Die Vorschrift erfasst damit auch die Gewerkschaften – unabhängig von deren Organisation als rechtsfähige oder nichtrechtsfähige Ver-

17

BeckOKBGB/Schwarz/Schöpflin, § 54 BGB Rn. 15; Staudinger/Weick, § 54 BGB Rn. 2. So MünchKommBGB/Reuter, § 54 BGB Rn. 4. 19 Staudinger/Weick, § 54 BGB Rn. 2. 20 Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 770; MünchGesR/Gummert, Band 5, § 11 Rn. 2; Staudinger/Weick, § 54 BGB Rn. 2. 21 Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 11 Rn. 4; Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 770; BGH vom 2.4.1979 – II ZR 141/78 – NJW 1979, 2304; BGH vom 11.7. 1968 – VII ZR 63/66 – NJW 1968, 1830. 22 MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 160 Rn. 16 ff. 23 MünchKommBGB/Reuter, § 25 BGB Rn. 2 m.w.N. 18

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eine.24 Fraglich ist, ob auch eine Frauenquote den Bereich der Vereinsverfassung berührt und demnach satzungsmäßig zu regeln ist. „Die Verfassung ist die rechtliche Grundordnung des Vereins und enthält die das Vereinsleben bestimmenden Grundentscheidungen.“25 Zur Verfassung der Koalitionen zählen Regelungen zum Koalitionszweck, zu ihrem Aufbau und ihren Organen, zu wesentlichen Verfahrensvorschriften und zu grundsätzlichen Mitgliederrechten und Pflichten.26 Daher können organisationsrechtliche Fragen wie die Frauenquote, die das Wahlrecht der Mitglieder und den inneren Aufbau der Gewerkschaft betreffen, bestimmende Grundentscheidungen sein. Schwierig ist die Abgrenzung zwischen echten Grundentscheidungen und solchen Regelungen, die zwar das Organisationsrecht betreffen, die aber wegen der ihnen fehlenden grundsätzlichen Bedeutung nicht zwingend in der Satzung geregelt werden müssen.27 Die Abgrenzung zwischen derartigen organisationsrechtlichen Regelungen und echten Grundentscheidungen ist im Einzelfall umstritten. Die Diskussion vollzieht sich parallel zur Frage nach der Funktion des § 25 BGB.28 Insbesondere die Rechtsprechung sieht im Schutz der Mitglieder den Hauptgrund für die satzungsmäßige Regelung.29 Dementsprechend sind organisatorische Regelungen dann in der Satzung festzuhalten, wenn sie schwerwiegend in mitgliedschaftliche Rechte eingreifen.30 Eine andere Ansicht verweist auf die weitgehende Dispositivität der Vorschriften des einfachen Vereinsrechts und zweifelt daher die mitgliederschützende Wirkung des § 25 BGB an.31 Die eigentliche Funktion der Satzung liege nicht in der Garantie eines Mindestgehalts von Mitgliedschaftsrechten sondern in ihrer integrativen Wirkung.32 Demnach wirken die gemeinsam formulierten Vorstellungen zum Vereinszweck und zu den Rechten und Pflichten der Mitglieder als einigendes Band im Sinne einer gemeinsamen Idee und gemeinsamer Absichten.33 24

OLG Frankfurt vom 19.12. 1984 – 9 U 107/83 – ZIP 1985, 213; Rn. 16; MünchKommBGB/Reuter, § 25 BGB Rn. 2; MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 160. 25 BGH vom 24.10. 1988 – II ZR 311/87 – NJW 1989, 1724, 1725 m.w.N.; Palandt/Ellenberger, § 25 BGB Rn. 1. 26 Dazu und zu den weiteren Mindestinhalten der Satzung: MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 160 Rn. 16 ff.; allgemein zum Vereinsrecht: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 440; MünchKommBGB/Reuter, § 25 BGB Rn. 4. 27 MünchKommBGB/Reuter, § 25 BGB Rn. 5. 28 MünchKommBGB/Reuter, § 25 BGB Rn. 6. 29 BGH vom 24.10. 1988 – II ZR 311/87 – NJW 1989, 1724, 1725; weitere Nachweise bei MünchKommBGB/Reuter, § 25 BGB Rn. 6. 30 BGH vom 24.10. 1988 – II ZR 311/87 – NJW 1989, 1724, 1725; BGH vom 28.11. 1988 – II ZR 96/88 – NJW 1989, 1212, 1214. 31 MünchKommBGB/Reuter, § 25 BGB Rn. 6 f. m.w.N. 32 MünchKommBGB/Reuter, § 25 BGB Rn. 8. m.w.N. 33 MünchKommBGB/Reuter, § 25 BGB Rn. 8. m.w.N.

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Die Frauenquote führt durch die Manipulation des Stimmgewichts zur Ungleichbehandlung der Vereinsmitglieder.34 Damit berührt sie die Grundsätze des Wahlrechts, die ebenso in der Satzung festzuhalten sind wie die Dauer der Wahlperiode und die Wahlberechtigung.35 Darüber hinaus sind Differenzierungen zwischen Vereinsmitgliedern sowohl unter dem Gesichtspunkt des Mitgliederschutzes, als auch nach Integrationsvorstellungen grundsätzlich satzungsmäßig zu regeln.36 Dies gilt insbesondere für die Frauenquote. Sie ist eine organisatorische Vorschrift von grundlegender Bedeutung für die Rechte und Pflichten der Mitglieder und muss daher aus Gründen des Mitgliederschutzes in der Satzung geregelt werden. Zugleich ist die Quote – je nach Perspektive – entweder ein Bekenntnis zur vereinsinternen Ungleichbehandlung von Mann und Frau oder zur angemessenen Förderung von Frauen. Sie verändert damit zwar nicht den Vereinszweck, der für die Koalition in der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder liegt37, modifiziert diesen aber zumindest insoweit, als sie die Einflussnahme bestimmter (weiblicher) Mitglieder stärkt. Die Quote ist insofern ein politisches Bekenntnis der Gewerkschaft zur Frauenförderung. Die integrative – oder eben desintegrative – Wirkung, die von dieser Entscheidung ausgeht, ist deshalb auch nach der Theorie von der Integrationswirkung der Satzung regelungsbedürftig. Der Streit um Mitgliederschutz- oder Integrationsfunktion der Satzung ist hier deshalb nicht entscheidend. Eine Frauenquote muss so oder so zumindest in ihrer Grundstruktur satzungsmäßig geregelt sein. Davon zu unterscheiden sind bloße Durchführungsregelungen zur Wahl, die unter Umständen die Frauenquote näher konkretisieren. Diese lassen sich auch außerhalb der Satzung in separaten Wahlordnungen regeln.38 Insoweit zulässig ist daher die Regelung zur Frauenquote in § 20 Abs. 3 Satzung ver.di39, wonach lediglich bestimmt ist, dass Frauen „in allen Organen […] mindestens entsprechend ihrem Anteil an der jeweils repräsentierten Mitgliedschaft vertreten sein“ müssen, wohingegen die praktische Umsetzung dieser Grundsatzentscheidung durch separate „Wahl- und Geschäftsordnungen“ erfolgen soll.

II. Einfaches Vereinsrecht und Ausgestaltung der Frauenquoten Es bleibt zu erörtern, welche Anforderungen das einfache Vereinsrecht an die Zulässigkeit und inhaltliche Ausgestaltung einer Frauenquote stellt. 34 35 36 37 38 39

Sachs, NJW 1989, 553, 554. MünchKommBGB/Reuter, § 25 BGB Rn. 12. Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, Rn. 129. MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 155 Rn. 15 ff. m.w.N. MünchKommBGB/Reuter, § 25 BGB Rn. 12. Satzung ver.di in der Fassung vom 30.9. 2009.

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Verglichen mit den detaillierten Regelungen der §§ 6 ff. PartG zur inhaltlichen Ordnung der Parteien sind die Regelungen des Vereinsrechts eher grundsätzlicher Natur. Die §§ 26 und 27 BGB normieren insbesondere die Notwendigkeit eines Vorstands und dessen Berufung „durch Beschluss der Mitgliederversammlung“. Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB wird über die „Angelegenheiten des Vereins“ durch die Mitgliederversammlung entschieden, die darüber mit der „Mehrheit der abgegebenen Stimmen“ Beschluss fasst. Änderungen der Satzung bedürfen gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 BGB „einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen“, Änderungen des Vereinszwecks sogar der „Zustimmung aller Mitglieder“. Damit konstituiert das Vereinsrecht die Herrschaft der Mitgliederversammlung als „oberstes Vereinsorgan“40 und begründet auf einer sehr grundsätzlichen Ebene den Regelfall einer demokratischen Vereinsstruktur. Allerdings sind die Regelungen über die Organisation der innerverbandlichen Willensbildung nach § 40 BGB weitgehend dispositiv.41 So können insbesondere die Befugnisse der Mitgliederversammlung ausgeweitet oder eingeschränkt werden. Mindestvoraussetzung ist lediglich die satzungsmäßige Abänderung in den Grenzen der zwingenden Vorschriften des Vereinsrechts. Nicht zur Disposition steht deshalb die Mitgliederversammlung als solche, deren Existenz in den zwingenden §§ 37 und 41 BGB vorausgesetzt wird.42 Der Verein kann sich somit ein Organisationsrecht geben, das nicht nach demokratischen Prinzipien verfasst ist.43 Die Rechte der Vereinsmitglieder können aber nicht nur durch die satzungsmäßige Herabstufung der Mitgliederversammlung modifiziert werden, sondern auch durch Differenzierungen zwischen den einzelnen Mitgliedern. Möglich sind Mehrstimmrechte ebenso wie Stimmrechtsausschlüsse, wenngleich die genauen Grenzen dieser Differenzierungsmöglichkeiten für das Vereinsrecht noch nicht abschließend geklärt und im Einzelfall umstritten sind.44 Demzufolge sind Veränderungen der Stimmrechtsgleichheit zugunsten von Frauen regelbar. Diese Satzungsfreiheit wird durch das sonstige einfache (Vereins-)Recht kaum beschränkt. So unterliegen Vereinssatzungen als gesellschaftsrechtliche Verträge gemäß § 310 Abs. 4 BGB nicht der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB.45 Allerdings unterliegt die Satzungsgestaltung den einfachgesetzlichen Bestimmungen zur Wirksamkeit von Rechtsgeschäften, die auch im Vereinsrecht Geltung beanspruchen. Die Satzung darf daher gemäß §§ 134, 138 BGB nicht gegen ein 40 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts I/2 Die juristische Person, S. 189; Staudinger/Weick, § 32 BGB Rn. 1. 41 MünchKommBGB/Reuter, § 40 BGB Rn. 3 f.; Palandt/Ellenberger, § 25 BGB Rn. 8. 42 Palandt/Ellenberger, § 32 BGB Rn. 1. 43 BeckOKBGB/Schöpflin, § 25 BGB Rn. 40; Oetker, RdA 1999, 96, 102 f. 44 MünchKommBGB/Reuter, § 32 BGB Rn. 25 ff m.w.N. 45 Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 447; Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 479 f.

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gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen.46 Insoweit sind Frauenquoten jedoch unverdächtig – jedenfalls soweit man von theoretisch möglichen Extremfällen absieht, in denen männliche Vereinsmitglieder durch Quotenregelungen zielgerichtet marginalisiert werden. Aber selbst dann ist es grundsätzlich der autonomen Entscheidung der Mitglieder überlassen, Mitgliedschaft und Mitgliedschaftsrechte zu regeln. Zulässig sind deshalb insbesondere reine Frauengewerkschaften.47 Sollten diese ausnahmsweise Männer mit beschränkten Mitgliedschaftsrechten zulassen wollen, so ist dies grundsätzlich nicht zu beanstanden.48 Problematisch – weil missverständlich – sind Aussagen, die Mitglieder eines Vereins hätten einen Anspruch auf „relative Gleichbehandlung“, der willkürliche Differenzierungen zwischen den Mitgliedern verbietet.49 Zwar ist ein vereinsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz als Ausdruck von Treu und Glauben und der Mitgliedschaft im Grunde allgemein anerkannt.50 Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz ist im einfachen Vereinsrecht allerdings zunächst lediglich Maßstab zur Auslegung von Satzungsbestimmungen: Dort, wo Raum für verschiedene Interpretationen der Satzung verbleibt, ist davon auszugehen, dass diejenige Regelung gewollt ist, die von unsachlichen Differenzierungen absieht.51 Dort aber, wo die Mitglieder in freier Entscheidung Ungleichbehandlungen vorsehen und in Kauf nehmen, sind diese Satzungsgestaltungen – in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB – als privatautonome Entscheidungen zu respektieren.52 Der vereinsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz führt also nicht zu einer Verpflichtung des Vereins auf ein bestimmtes System organisierter innerverbandlicher Willensbildung und damit faktisch zu einer Abkehr vom Grundsatz frei ausgehandelter Vertragsbedingungen. Eine Satzungsbestimmung ist also nicht allein deshalb treuwidrig, weil sie das einzelne Mitglied benachteiligt – jedenfalls sofern es diese Benachteiligung in freier Entscheidung akzeptiert und somit selbstbestimmt auf innerverbandliche Einflussmöglichkeiten verzichtet.53 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Verfassungsrecht und dort aus dem Gedanken garantierter Mindestbeteiligungsrechte als Ausdruck der individuellen Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit. Im Gegenteil: Die Privatautonomie schützt das Recht des Einzelnen, seine Lebensverhältnisse auch im Verein mit anderen selbst46

Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 446; Staudinger/Weick, § 25 BGB Rn. 19. Aus Sicht des AGG: Schieck/Kocher, § 18 AGG Rn. 13 und § 5 AGG Rn. 14. 48 MünchKommBGB/Reuter, § 34 Rn. 21 mit der pointierten Aussage, es sei zulässig, Frauen in einem Kegelverein einen höheren Mitgliedsbeitrag abzuverlangen, wenn diese „beim Kegeln nerven“. 49 Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 841. 50 Allgemein zu diesem Grundsatz: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 838 ff. 51 MünchKommBGB/Reuter, § 34 BGB Rn. 20. 52 MünchKommBGB/Reuter, § 34 BGB Rn. 20; BeckOKBGB/Schwarz/Schöpflin, § 38 BGB Rn. 21. 53 Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, Rn. 171; MünchKommBGB/Reuter, § 34 BGB Rn. 20. 47

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bestimmt zu ordnen.54 Die individuelle Koalitionsfreiheit garantiert die Freiheit, selbst zu entscheiden, welcher Vereinigung zur Wahrung und Förderung der Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen man sich anschließen möchte. Wenn daher der Einzelne den Entschluss fasst, einer Vereinigung angehören zu wollen, die sich im Extremfall als reiner Frauenförderungsverein mit entsprechender Quotenregelung versteht, so ist diese Entscheidung nicht (nur) Akt der Herrschaft einer innerverbandlichen Mehrheit, sondern zugleich Ausdruck der freien Entscheidung des Einzelnen, sich dieser Regelung unterwerfen zu wollen. Die Ungleichbehandlung ist dann keine Einschränkung der individuellen Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit, sondern Ausdruck der Selbstbestimmung.55 Der Einzelne – bzw. die vereinsinterne Minderheit – ist im Übrigen weder schutzbedürftig noch schutzwürdig, denn die Entscheidungsfreiheit ist im einfachen Verein grundsätzlich dadurch hinreichend geschützt, dass dem Einzelnen die Möglichkeit verbleibt, einem Verein fernzubleiben, aus ihm auszutreten oder gemeinsam mit Gleichgesinnten einen neuen Verein zu gründen.56 Deshalb ist der Verbleib im Verein trotz Ungleichbehandlung Ausdruck der Akzeptanz der Vereinsordnung insgesamt. Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht ist daher nicht die Ungleichbehandlung rechtfertigungsbedürftig, sondern vielmehr der umgekehrte Fall einer zwangsweisen Gleichbehandlung der Mitglieder.57 Unterwirft sich also ein Vereinsmitglied einer satzungsmäßig geregelten Frauenquote, weil es – aus welchen Gründen auch immer – die Frauenförderung durch Benachteiligung männlicher Mitbewerber als persönlich wünschenswertes Ziel ansieht, so ist dies nicht als Herrschaft einer satzungsändernden Mehrheit oder als Akt der Selbstentrechtung zu verstehen, sondern als Ausdruck der privatautonomen Entscheidung des einzelnen Mitglieds, seine Lebensverhältnisse frei und selbstbestimmt zu gestalten und dabei Defizite der eigenen Rechtspositionen hinnehmen zu wollen. Nach vereinsrechtlichen Maßstäben sind Frauenquoten in Gewerkschaften deshalb grundsätzlich zulässig. Dies entspricht auch den Gewährleistungen der individuellen Koalitionsfreiheit.58

54 55 56 57 58

Lutter, AcP 180 (1980), S. 84, 95. Siehe § 2 A. II. MünchKommBGB/Reuter, § 34 BGB Rn. 20. MünchKommBGB/Reuter, vor § 21 BGB Rn. 94. Siehe § 2 A. II.

C. Gestörte Vertragsparität

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C. Gestörte Vertragsparität bei Vereinen mit überragender Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich Ungleichbehandlungen in Vereinssatzungen sind durch die individuelle privatautonome Entscheidung zu Beitritt und Verbleib in einem Verein legitimiert.59 Sie sind Ausdruck der Vertrags- und Vereinigungsfreiheit des einzelnen Mitglieds und genießen insoweit grundrechtlichen Schutz.60 Diese individuelle Freiheit zur Satzungsgestaltung setzt zugleich der Herrschaft der Mehrheit über Satzung und Verband Grenzen.61 Sie ist grundsätzlich nur solange rechtmäßig, wie der Einzelne sie in freier Entscheidung für sich als verbindlich anerkennt. Wo sich die Freiheit des Einzelnen im Verband nicht (mehr) behaupten kann, bedarf es einer Einschränkung der Gestaltungsfreiheit.62 Ein solches Ungleichgewicht könnte im Verhältnis der Gewerkschaften zu ihren Mitgliedern bestehen und deren Freiheit zur Satzungsgestaltung Grenzen setzen.

I. Ungleichgewicht zwischen Mitglied und Verein Das System der privatautonomen Gestaltung der Rechtsverhältnisse basiert auf der Annahme grundsätzlich freier und gleicher Vertragspartner.63 Diese können in einem „Prozess […] wechselseitigen Forderns und Nachgebens“64 ihre Rechtsbeziehungen zueinander gestalten, so dass regelmäßig die selbstbestimmte und interessengerechte Vertragsgestaltung garantiert ist.65 Das freie Spiel der Kräfte bedarf jedoch unter Umständen der Kontrolle. Dies kann insbesondere bei einem Machtgefälle zwischen den Vertragspartnern erforderlich werden, das ein freies Aushandeln der Vertragsbedingungen unmöglich macht und eine einseitige Bestimmung des Vertragsinhalts befürchten lässt.66 Bei einer solchen Störung der Vertragsparität kann weder von einer freien, noch von einer 59

945. 60

BVerfG vom 5.2.1991 – 2 BvR 263/86 – NJW 1991, 2623, 2625; Reuter, FS Söllner, 937,

BVerfG vom 1.3. 1979 – 1 BvR 532, 533/77 u. a. – BVerfGE 50, 290, 354; von Mangoldt/Klein/Starck/Kemper, Art. 9 GG Rn. 2 m.w.N. 61 Lutter, AcP 180 (1980), S. 84, 96 f. 62 MünchKommBGB/Reuter, vor § 21 BGB Rn. 120. 63 BVerfG vom 7.2. 1990 – 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242, 254 f.; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 GG Rn. 101. 64 Ritgen, JZ 2002, 114. 65 Maunz/Dürig/Di Fabio, Art. 2 GG Rn. 101; Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 460 m.w.N. 66 BVerfG 7.2. 1990 - 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242, 255.

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interessengerechten Lösung widerstreitender Interessen ausgegangen werden. Der unterlegene Vertragspartner ist daher schutzbedürftig.67 Der Sache nach geht es um die Abhängigkeit vertraglicher Vereinbarungen von Markt und Wettbewerb: Dort wo die Interessen der Beteiligten durch die Kontrolle des Marktes zum Ausgleich gebracht werden können, kann und muss die Rechtsordnung das Ergebnis dieser Interessenabwägung als frei ausgehandelte Vertragsbedingung grundsätzlich anerkennen. Umgekehrt ist eine Störung der Vertragsparität dort gegeben, wo die Überlegenheit eines Vertragspartners das Entstehen von Wettbewerb und damit von Marktkontrolle verhindert.68 Schwierigkeiten bereitet es, tolerierbare Ungleichgewichte und korrekturbedürftige Störungen der Vertragsparität voneinander abzugrenzen. Vorgeschlagen wird, zur Abgrenzung auf das Ergebnis der Vertragsverhandlungen abzustellen und eine Störung der Vertragsparität dann anzunehmen, wenn der Vertrag objektiv unvernünftige oder einseitig belastende Vertragsgestaltungen enthielte.69 Allerdings ermöglichte dies wohl nur in – ohnehin durch die §§ 134, 138 BGB erfassten – Extremfällen eine sinnvolle Abgrenzung zwischen zulässiger und unzulässiger Ausübung von Übermacht, zumal nicht klar ist, wie sich in einem System grundsätzlich gewillkürter Vertragsbedingungen objektive Angemessenheitsmaßstäbe definieren lassen sollen.70 Zudem ist es gerade Ausdruck der Privatautonomie, bei ihrer Betätigung nicht an objektive Kriterien angemessener Vertragsgestaltung gebunden zu sein, sondern die eigenen Wertvorstellungen zum Maßstab des Handelns machen zu können.71 Deshalb ist beispielsweise allein der Umstand einer satzungsmäßig festgelegten Frauenquote selbst dann kein Indiz für eine gestörte Vertragsparität, wenn man der Ansicht wäre, diese führte zu einer objektiv unangemessenen Benachteiligung der Mitglieder – etwa weil sie unter Umständen gegen Gleichheitsvorstellungen verstieße. Es bedarf anderer Maßstäbe. Speziell für das Vereinsrecht ist die Diskussion über Störungen der Vertragsparität vor allem mit Blick auf einen möglichen Aufnahmezwang geführt worden.72 Die Rechtsprechung billigte den Vereinen dabei lange Zeit ein hohes Maß an Autonomie zu.73 Die Grenze der Aufnahmefreiheit sollte erst bei einer Monopolstellung des Vereins und einem besonderen Interesse des Bewerbers an einer Mitgliedschaft 67 BVerfG vom 19.10. 1993 – 1 BvR 567/89 u. a. – NJW 1994, 36; BVerfG vom 5.8.1994 – 1 BvR 1402/89 – NJW 1994, 2749. 68 Zu diesem ganzen Absatz MünchKommBGB/Reuter, vor § 21 BGB Rn. 120. 69 Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 170, 185, 234 f. 70 Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 460 m.w.N.; Ritgen, JZ 2002, 114, 119 f. 71 MünchKommBGB/Reuter, vor § 21 BGB Rn. 93 m.w.N. 72 MünchKommBGB/Reuter, vor § 21 BGB Rn. 108 ff. m.w.N. 73 MünchKommBGB/Reuter, vor § 21 BGB Rn. 108; Staudinger/Weick, vor §§ 21 ff. BGB Rn. 23.

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erreicht sein, so dass die Verweigerung der Mitgliedschaft eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB sei.74 Aus der individuellen Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit leitete der Bundesgerichtshof später weitergehende Anforderungen ab und erstreckte einen möglichen Aufnahmezwang auf „Vereine mit einer überragenden Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich“75 – jedenfalls soweit ein „wesentliches oder grundlegendes Interesse“76 des Bewerbers an der Mitgliedschaft bestehe.77 Insbesondere für Gewerkschaften bejaht der Bundesgerichtshof daher eine grundsätzliche Pflicht zur Aufnahme solcher Mitglieder, die die Voraussetzungen der Mitgliedschaft erfüllen78, wobei sachliche Gründe einen Ausschluss oder die Verweigerung des Beitritts zu rechtfertigen vermögen.79 Die grundsätzliche Möglichkeit einer Inhaltskontrolle von Vereinssatzungen ist auch in der Literatur allgemein anerkannt.80 Umstritten ist allerdings, ob sie sich tatsächlich aus einer „überragenden Machtstellung“ ergibt, oder ob auch andere Faktoren eine korrekturbedürftige Unterlegenheit des Mitglieds bedingen können. So wird vertreten, dass die Marktkontrolle dort versage, wo es an einer echten Konkurrenz zu der jeweiligen Vereinigung fehle oder es wird auf einen besonderen öffentlichen Charakter des Verbandes abgestellt.81 Eindeutige Kriterien zur Feststellung sozialer Mächtigkeit und gestörter Vertragsparität haben sich bisher nicht herausgebildet. Einer hohen Mitgliederzahl oder einer besonderen wirtschaftlichen Bedeutung kann Indizwirkung zukommen.82 Allerdings ist ein faktisches Ungleichgewicht zwischen den Parteien für das Vertragsrecht nicht untypisch.83 Allein die politische, soziale oder wirtschaftliche Stellung eines Verbandes bewirkt für sich genommen keine Störung der Vertragsparität.84 74 RG vom 2.2.1905 – 153/04 – RGZ 60, 94, 102 ff.; MünchKommBGB/Reuter, vor § 21 BGB Rn. 108 m.w.N. 75 BGH vom 23.11. 1998 – II ZR 54 – 98 – NJW 1999, 1326. 76 BGH vom 23.11. 1998 – II ZR 54 – 98 – NJW 1999, 1326. 77 Dazu Palandt/Ellenberger, § 25 BGB Rn. 11. m.w.N. 78 BGH vom 10.12. 1984 – II ZR 91/84 – NJW 1985, 1216; BGH vom 19.10. 1987 – II ZR 43/87 – NJW 1988, 552, 555; OLG Frankfurt a.M. vom 22.8.2001 – 23 U 177/00 – NZARR 2002, 531, 533; nicht eindeutig BGH vom 1.10. 1984 – II ZR 292/83 – NJW 1985, 1214, 1215. 79 BGH vom 28.9. 1972 – II ZR 5/70 – NJW 1973, 35; BGH vom 15.10. 1990 – II ZR 255/ 89 – NJW 1991, 485; BGH vom 24.2. 1999 – 1 BvR 123/93 – NZA 1999, 713 = RdA 2000, 99 m. ablehnender Besprechung durch Reuter; ablehnend auch Gaumann, NJW 2002, 2155; ErfK/Franzen, § 3 TVG Rn. 12 m.w.N. 80 Staudinger/Weick, § 25 BGB Rn. 20; MünchKommBGB/Reuter, vor § 21 BGB Rn. 120 ff.; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 3329 jeweils mit weiteren Nachweisen. 81 MünchKommBGB/Reuter, vor § 21 BGB Rn. 114 m.w.N. 82 BGH vom 10.12. 1984 – II ZR 91/84 – NJW 1985, 1216; Schmiegel, Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen, S. 9 m.w.N. 83 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts Band II, S. 10; Schmiegel, Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen, S. 9 m.w.N. 84 Schmiegel, Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen, S. 9 m.w.N.

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Überzeugend ist daher der Ansatz, den Grad der sozialen Mächtigkeit eines Verbandes vor allem aus der Perspektive der Mitglieder festzustellen. Entscheidend ist dabei nicht, ob der Verein tatsächlich in besonderem Maße mächtig ist, sondern ob das (potentielle) Mitglied in einer Art und Weise auf die Mitgliedschaft angewiesen ist, die es zwingt, ungünstige Satzungsbedingungen zu akzeptieren.85 Dabei spielt es vor allem eine Rolle, welche Bedeutung eine durch den Verein angebotene Leistung für den Einzelnen objektiv hat, wobei es im Einzelfall schwierig sein mag, den Grad der Angewiesenheit objektiv zu bestimmen.86 Maßgeblich ist, ob zu der Mitgliedschaft in einem Verein Alternativen bestehen.87 Dies ist nicht der Fall, wenn der Einzelne lediglich die Möglichkeit hat, zwischen mehreren Situationen der Unterlegenheit zu wählen, so dass er letztlich nur entscheiden kann, von welchem Verein er sich die Bedingungen seiner Mitgliedschaft diktieren lassen möchte.88 Von einer echten Alternative kann man daher wohl erst dann sprechen, wenn die Möglichkeit der Neugründung eines Vereins besteht, der eine bestimmte Leistung in vergleichbarem Maße bereitzustellen in der Lage wäre. Allerdings ist zuzugeben, dass eine Mehrzahl von Vereinen einen Wettbewerb fördert, der die Gefahr unbilliger Benachteiligungen reduziert.89

II. Gewerkschaften als Verbände mit überragender Machtstellung Gewerkschaften werden regelmäßig als Verbände mit überragender Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich angesehen.90 Dabei fällt die Begründung nicht so leicht, wie dies zunächst den Anschein hat. Jedenfalls mit dem ursprünglich maßgeblichen Kriterium der Monopolstellung ist dies nicht zu begründen. Zwar mag es nach wie vor die „klassischen“, den Markt beherrschenden Gewerkschaften geben – zu denken ist etwa an die IG-Metall, deren Konkurrenz von der CGM nicht annähernd vergleichbare Bedeutung erlangt hat.91 Jedoch hat sich in anderen Bereichen längst eine gewisse Gewerkschaftsvielfalt entwickelt, so dass von einem echten Monopol häufig keine Rede mehr sein kann. 85

Schmiegel, Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen, S. 10 m.w.N. Schmiegel, Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen, S. 10 mit Verweis auf Fastrich, Die Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 232 f., der zumindest bei einer „existentiellen Abhängigkeit“ die Inhaltskontrolle für notwendig hält – m.w.N. 87 Schmiegel, Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen, S. 11 m.w.N.; ErfK/Schlachter, § 18 AGG Rn. 1; BGH vom 10.12. 1985 – KZR 2/85 – NJW-RR 1986, 583 88 Schmiegel, Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen, S. 11 m.w.N. 89 Schmiegel, Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen, S. 11 m.w.N. 90 BGH vom 25.3. 1991 – II ZR 1780/90 – NJW-RR 1992, 246; MünchArbR/Löwisch/ Rieble, § 160 Rn. 27; Adomeit/Mohr/Mohr, § 18 AGG Rn. 5. 91 Zur Gewerkschaftseigenschaft der CGM BAG vom 28.3.2006 – 1 ABR 58/04 – NZA 2006, 1112; Rieble, BB 2004, 885. 86

C. Gestörte Vertragsparität

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Beispiele sind namentlich der Marburger Bund, die Gewerkschaft der Lokomotivführer, UFO oder Cockpit, die allesamt das Gewerkschaftsmonopol der DGB-Gewerkschaften durchbrochen haben und die insbesondere nach der Aufgabe der Rechtsprechung des BAG zur Tarifeinheit92 in vergleichbarem Maße zum Abschluss von Tarifverträgen befähigt sind. Auch zeigt die sinkende Zahl gewerkschaftlich organisierter Arbeitnehmer93, dass auch die Nichtmitgliedschaft eine echte Alternative zur Gewerkschaftszugehörigkeit ist. Der Einzelne ist also nicht in jedem Fall auf die Mitgliedschaft in einer oder einer bestimmten Gewerkschaft angewiesen. Dennoch ist die Annahme einer regelmäßig herausragenden Machtposition der Gewerkschaften richtig. Zunächst ist die Gewerkschaftslandschaft trotz der genannten Entwicklungen (noch) nicht so weit diversifiziert, dass von einer echten Konkurrenz- und Marksituation auszugehen ist. So richten sich die neu entstandenen Spartengewerkschaften vor allem an bestimmte Arbeitnehmergruppen und bilden damit in ihrer Sparte nur neue Monopole. Die Zugehörigkeit ihrer Mitglieder zu so genannten Funktionseliten bedingt außerdem eine besondere Durchsetzungsfähigkeit im Arbeitskampf, die entscheidend zur Entstehung und zum Erfolg dieser Gewerkschaften beigetragen hat. Der Aufstieg der Spartengewerkschaften ist also nicht Ausdruck einer generell flexibilisierten Gewerkschaftslandschaft. Arbeitnehmer, die nicht den Funktionseliten zuzurechnen sind, sind für die gewerkschaftliche Betätigung und insbesondere für eine eventuell angestrebte Tarifbindung nach wie vor auf die dominierenden DGB-Gewerkschaften angewiesen. Im Übrigen gewähren Gewerkschaften ihren Mitgliedern eine Reihe von Leistungen, die nicht oder nicht in vergleichbarer Weise von anderen Vereinigungen oder in Eigeninitiative substituiert werden können. Dazu gehört die bereits erwähnte Tarifbindung, die Fähigkeit zum (erfolgreichen) Arbeitskampf und ihre Stellung in der Betriebsverfassung.94 Sie gewähren ihren Mitgliedern außerdem Serviceleistungen wie Rechtsschutz und Streikgeld.95 Daneben haben die Gewerkschaften bedeutenden politischen Einfluss.96 Die bestehenden Gewerkschaften sind damit die einzige Möglichkeit der Gewerkschaftsmitglieder, ihre positive Koalitionsfreiheit zu betätigen und die genannten Zusatzleistungen zu erhalten. Sie sind auf die Mitgliedschaft angewiesen. Es handelt sich bei Gewerkschaften regelmäßig um Vereine mit einer herausragenden Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich. 92

BAG vom 7.7.2010 – 4 AZR 549/08 – NZA 2010, 1068. Übersicht zur Entwicklung der Mitgliederzahlen in den Mitgliedsgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes unter http://www.dgb.de/uber-uns/dgb-heute/mitgliederzah len. 94 Schmiegel, Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen, S. 14 ff. 95 Zum Beispiel die Leistungen der IG Metall, Übersicht im Internet abrufbar unter http:// www.igmetall.de/cps/rde/xchg/internet/style.xsl/leistungen-und-beitraege-der-ig-metall-147. htm; Schmiegel, Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen, S. 16 f. 96 Schmiegel, Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen, S. 18 f. 93

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D. Inhaltskontrolle am Maßstab von Treu und Glauben I. Treu und Glauben als Maßstab Die Rechtsprechung unterwirft Satzungen von Vereinen mit überragender Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich einer Inhaltskontrolle nach Maßgabe des § 242 BGB.97 Damit ist auch die Frauenquote am Grundsatz von Treu und Glauben zu messen. Als Generalklausel98 ist § 242 BGB wegen seiner sprachlichen Unbestimmtheit einer Gesetzesauslegung nach Wortsinn, Systematik, Entstehungsgeschichte und Normzweck99 und einer entsprechenden Subsumtion nicht oder jedenfalls nicht ohne weiteres zugänglich.100 Der Begriff von Treu und Glauben ist „wertausfüllungsbedürftig“101. Zur Entwicklung eines konkreten Maßstabs von Treu und Glauben speziell für die Prüfung von Vereinssatzungen werden unterschiedliche Lösungsansätze vertreten, die sich allerdings vor allem in der Terminologie unterscheiden. In der Sache geht es um die Entwicklung objektiver Maßstäbe oder „Leitbilder“102, die es ermöglichen, einen gesetzlichen Normalfall zu definieren, von dem die vereinsrechtliche Regelung unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten in unzulässiger Weise abweicht.103 Dies entspricht sinngemäß dem auch sonst im Rahmen der Konkretisierung von Treu und Glauben üblichen System der Bildung von Fall- und Vergleichsgruppen104 und dem Rückgriff auf sonstige Wertmaßstäbe der Rechtsordnung.105 Gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB liegt eine unangemessene Benachteiligung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen unter anderem dann vor, wenn „eine Bestim97

BGH vom 27.9. 1999 – II ZR 305/98 – NJW 1999, 3552; BGH vom 27.9. 1999 – II ZR 377/98 – NJW 2000, 1028; BGH vom 28.11. 1994 – II ZR 11/94 – NJW 1995, 583, 585; BGH vom 24.10. 1988 – II ZR 311/87 – NJW 1989, 1724; Staudinger/Weick, § 25 BGB Rn. 20; Palandt/Ellenberger, § 25 BGB Rn. 9 f.; MünchKommBGB/Basedow, § 310 BGB Rn. 81. 98 Zum Begriff der Generalklausel und zur Einordnung des § 242 BGB als solche Kamanabrou, AcP 202 (2002), 662, 663 ff. 99 Zur „Unergiebigkeit der üblichen Auslegungsmittel“ Kamanabrou, AcP 202 (2002), 662, 670 ff. 100 BeckOKBGB/Sutschet, § 242 BGB Rn. 2. 101 Kamanabrou, AcP 202 (2002), 662, 669; MünchKommBGB/Roth, § 242 BGB Rn. 3 m.w.N. 102 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 280 ff.; Schmiegel, Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen, S. 34; Staudinger/Weick, § 40 BGB Rn. 1. 103 Schmiegel, Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen, S. 34. 104 Kamanabrou, AcP 202 (2002), 662, 672 ff.; MünchKommBGB/Roth, § 242 BGB Rn. 4. 105 Staudinger/Peter Huber, Eckpfeiler des Zivilrechts, S. 188. MünchKommBGB/Kieninger, § 307 Rn. 61.

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mung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist“. Hierin kommt der Gedanke zum Ausdruck, dass bei der gesetzlichen Regelung einzelner Vertragstypen gesetzgeberische Gerechtigkeitsvorstellungen darüber eingeflossen sind, welche Vertragsgestaltungen als angemessen anzusehen sind.106 Einer AGB-Kontrolle unterliegen Vereinssatzungen gemäß § 310 Abs. 4 BGB nicht. Dennoch lässt sich der Gedanke des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB für die Entwicklung eines vereinsrechtlichen Leitbildes der Satzungsgestaltung fruchtbar machen.107 Ausgangspunkt ist demnach die Frage, welche gesetzgeberischen Wertungen in den Regelungen des einfachen Vereinsrechts zum Ausdruck kommen und welche Folgerungen daraus für den Regelfall innerverbandlicher Willensbildung zu ziehen sind.

II. Die Entfaltung des Einzelnen als Leitbild Man könnte darauf abstellen, dass die §§ 32 und 33 BGB mit ihren Regelungen zur Mehrheitsherrschaft und zur qualifizierten satzungsändernden Mehrheit den Regelfall eines grundsätzlich demokratisch verfassten Vereins normieren. Unangemessen oder zumindest rechtfertigungsbedürftig wäre dann jedes Abweichen von diesem demokratischen Leitbild. Der Gesetzgeber habe demnach vereinsinterne Interessenkonflikte dadurch lösen wollen, dass stets der Wille der Mehrheit maßgeblich sein solle. Die Mehrheitsherrschaft begrenzt und begründet dann die Möglichkeiten zulässiger Satzungsgestaltung. Es handelte sich im Wesentlichen um ein einfachgesetzlich angeordnetes Demokratiegebot, für dessen Konkretisierung man wohl auf staatsdemokratische oder grundrechtliche Leitbilder zurückgreifen müsste.108 Für Satzungsgestaltungen im mächtigen Verband bedeutete dies, dass sie jedenfalls solange nicht treuwidrig wären, wie sie durch eine satzungsändernde Mehrheit legitimiert worden sind und das Prinzip der Mehrheitsherrschaft grundsätzlich gewahrt bleibt. Die Frauenquote wäre dann in den Gewerkschaften in ähnlichen Grenzen zulässig, wie dies bei politischen Parteien der Fall ist. Noch weitergehend wäre es, wollte man die Dispositivität der Satzung zum gesetzlichen Leitbild erheben. Demnach stellte das Gesetz zwar einen Rahmen von Regelungen bereit, der Verein solle aber weitgehend selbst über seine Organisation und seine vereinsinterne Beschlussfassung entscheiden. Daraus ließe sich der Schluss ziehen, der Gesetzgeber habe die Gestaltung der Satzung generell in die Hände des Verbandes legen wollen. Es käme dann nicht einmal darauf an, ob die Satzung noch demokratischen Prinzipien genügt. Interessenkonflikte würden in 106

MünchKommBGB/Kieninger, § 307 Rn. 61; grundsätzlich für die Leitbildfunktion dispositiver gesetzlicher Regelungen des Vereinsrechts Staudinger/Weick, § 25 BGB Rn. 20. 107 Schmiegel, Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen, S. 35 f. 108 OLG Frankfurt vom 19.12.1984 – 9 U 107/83 – ZIP 1985, 213, 218 ohne dieses Demokratiegebot weiter zu konkretisieren.

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Verbänden mit überragender Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich nicht anders gelöst, als in einfachen Vereinen. Grenzen ergäben sich dann allenfalls aus §§ 134 und 138 BGB.109 Indes widerspricht dies nicht nur den verfassungsfassungsrechtlichen Vorgaben zur Ausgestaltung des Vereinsrechts, sie finden auch keine Grundlage im einfachgesetzlichen System des Vereinsrechts. Dabei wird das Konzept einer weitgehenden Organisationsfreiheit scheinbar durch die verfassungsrechtlich geschützte Vereinsautonomie gestützt. Art. 9 Abs. 1 und 3 GG gibt einer Vereinigung nämlich das Recht zur „Selbstbestimmung über die eigene Organisation“ und über „das Verfahren ihrer Willensbildung“110. Man könnte die einfachgesetzliche Satzungsdispositivität – eingeschränkt allenfalls durch das Mehrheitsprinzip – als einfachgesetzlichen Ausdruck eines besonderen Rechts der Vereinigung interpretieren, die Angelegenheiten der Mitglieder zu regeln. Problematisch ist diese Vorstellung indes, weil ihr die Annahme zugrunde liegt, zwischen Vereinigung und Mitglied bestünde ein Antagonismus, der im Kollisionsfalle zugunsten des Kollektivs aufgelöst werden müsse.111 Die ursprünglich nach außen gerichtete Abwehrfunktion der Vereinigungsfreiheit wendet sich damit gegen das Mitglied der Vereinigung, dessen Beteiligungsrechte im Widerstreit zur Organisationshoheit des Kollektivs stehen.112 Das Vereinsrecht wäre dann die einfachgesetzliche Umsetzung einer Vorstellung von Herrschaft und Unterordnung, das in Art. 9 GG keine Grundlage findet.113 Vielmehr ist die Vereinigungsfreiheit gerade durch ihren individualschützenden Charakter gekennzeichnet.114 Die Vereinigung ist nicht als Selbstzweck berechtigt, sondern um der Privatautonomie ihrer Mitglieder auf kollektiver Ebene Geltung zu verschaffen. Das Individuum ordnet sich der Vereinigung nicht unter, sondern es betätigt sich in ihr und durch sie.115 Diesem Zweck muss das einfache Recht dienen. Die Vereinigungsfreiheit gebietet Strukturen, in denen das Individuum seine Privatautonomie zur Geltung bringen kann. Im einfachen Verein wird dieser verfassungsrechtliche Auftrag durch die Möglichkeit umgesetzt, die Satzung frei zu gestalten, die Betätigungsmöglichkeiten zu akzeptieren oder sich der Satzungshoheit durch Austritt zu entziehen. Der Einzelne soll selbst entscheiden, wie er seine Rechtsverhältnisse organisiert – also auch, ob er eine satzungsmäßige Ungleichbehandlung durch eine Frauenquote hinzunehmen gewillt ist. Das einfachgesetzliche Leitbild ist also nicht die völlige Freiheit der 109 Zu diesen Grenzen des einfachen Rechts für die Satzungsgestaltung BGH vom 27.9. 1999 – II ZR 377/98 – NJW 2000, 1028; MünchKommBGB/Reuter, vor § 21 BGB Rn. 94. 110 BVerfG vom 1.3.1979 – 1 BvR 532, 533/77 u. a. – BVerfGE 50, 290, 354. 111 Wank, FS Kissel, S. 1225, 1227. 112 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Band I, S. 184. 113 Die Koalitionsfreiheit ist „Assoziation“ nicht „Korporation“, so Maunz/Dürig/Scholz, Art. 9 GG Rn. 2, 31 m.w.N. 114 Siehe § 2 A. II. 115 MünchArbR/Ricken, § 200 Rn. 7 ff.

D. Inhaltskontrolle am Maßstab von Treu und Glauben

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Satzungsgestaltung und auch nicht die Herrschaft der Mehrheit über den Verband, sondern die freie Entscheidung der einzelnen Mitglieder über die Verfassung ihres Vereins. Was die Gesamtheit der einzelnen Vereinsmitglieder für sich als richtig anerkennt, ist der zu respektierende gesetzliche Normalfall. So sanktionieren die Mitglieder einer Koalition durch ihre Beitrittsentscheidung die Herrschaft der Satzung und sind deshalb grundsätzlich nicht schutzbedürftig.116 Da aber der Einzelne im mächtigen Verband auf die Mitgliedschaft angewiesen ist, besteht für ihn nicht die Möglichkeit, seine Unzufriedenheit mit der Satzung durch Austritt aus dem Verband zum Ausdruck zu bringen und sich so von der Satzungsherrschaft zu befreien. Er ist faktisch zur Mitwirkung im Verein gezwungen, seine Entscheidungsfreiheit ist nicht in erforderlichem Maße gewährleistet.117 Dies gebietet den Schutz der Freiheit des Individuums, um das Ungleichgewicht zwischen dem sozialmächtigen Verband und seinem Mitglied zu kompensieren. Es sind Mechanismen zu entwickeln, die die freie Entscheidung der Mitglieder hinreichend schützen.118 Dieser verfassungsrechtlich gebotene Schutz der Privatautonomie des Einzelnen beim Rechtsgeschäft119 der Satzungsgestaltung ist auch im einfachen Vereinsrecht verankert. § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB – der auch für nichtrechtsfähige Vereine gilt120 – verlangt für eine Änderung des Vereinszwecks die „Zustimmung aller Mitglieder“. Zumindest im Bezug auf die wesentlichen Bedingungen und die Grenzen der Vereinsmacht soll im Interesse des Minderheitenschutzes Einstimmigkeit herrschen.121 Zwar ist zu beachten, dass der Gesetzgeber diese Einstimmigkeit nur für den Fall der besonders einschneidenden Änderung des Vereinszwecks angeordnet hat – und damit bewusst vom Erfordernis der Einstimmigkeit bei jeder Art von Satzungsänderungen abgerückt ist.122 Auch steht das Erfordernis der Einstimmigkeit gemäß § 40 BGB grundsätzlich zur Disposition der Vereinsgründer bzw. der Gesamtheit der Mitglieder – wenngleich diese Dispositionsbefugnis für Vereine ohne Aufnahmefreiheit angezweifelt wird.123 Dennoch verdeutlichen diese Vorschriften ein vereinsrechtliches Prinzip: Maßgeblich ist die freie Entscheidung des Einzelnen, die Satzung für sich gelten zu lassen. Dieses Leitbild begrenzt die Freiheit der Satzungsgestaltung. 116 117 118 119 120 121 122 123

BVerfG vom 24.2.1999 – 1 BvR 123/93 – NJW 1999, 2657. Schmiegel, Die Inhaltskontrolle von Koalitionssatzungen, S. 23. BVerfG vom 7.2.1990 – 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242, 255. MünchKommBGB/Reuter, § 25 BGB Rn. 17. Staudinger/Weick, § 33 BGB Rn. 20. Staudinger/Weick, § 33 Rn. 2; BeckOKBGB/Schöpflin, § 33 BGB Rn. 1. Beuthien, BB 1987, 6 m.w.N. MünchKommBGB/Reuter, § 33 BGB Rn. 27.

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§ 3 Frauenquoten und Vereinsrecht

III. Mehrheitsprinzip kein hinreichender Schutz der Entfaltung des Einzelnen Die Privatautonomie der einzelnen Vereinsmitglieder könnte allerdings hinreichend durch das Mehrheitsprinzip geschützt sein, so dass es weitergehender Einschränkungen der Satzungsautonomie nicht bedarf. Die Zulässigkeit einer Frauenquote wäre dann allein davon abhängig, dass die Mehrheit der Verbandsmitglieder diese einführen möchte und dass die Möglichkeit besteht, sie mit Mehrheitsbeschluss wieder abzuschaffen. Das Mehrheitsprinzip bietet die Chance inhaltlich richtiger Entscheidungen und verhilft einer Vielzahl von Mitgliedern zur Entfaltung ihrer Auffassung von Verbandspolitik und Satzungsgestaltung.124 Allerdings ist das Mehrheitsprinzip als Instrument zum Schutz der Privatautonomie des Individuums ungeeignet. Deutlich wird dies anhand des staatsorganisationsrechtlichen Demokratiebegriffs. Staatsdemokratie und Mehrheitsprinzip dienen nämlich nicht dazu, dem Willen des Einzelnen Geltung zu verschaffen, sondern demjenigen der Mehrheit. Demokratisch soll gerade nicht erreicht werden, dass sich der Einzelne in einer Entscheidung möglichst wiederfindet, sondern es soll grundsätzlich dasjenige gelten, was die Mehrheit der Individuen für die Gesamtheit als richtig und verbindlich anerkennt. Demokratie dient folglich nicht der Verwirklichung der privatautonomen Selbstbestimmung des Einzelnen, sondern der Legitimation von Herrschaft.125 Und so ist auch das Mehrheitsprinzip im Vereinsrecht zunächst nur „formales Herrschaftsmittel“126. Das heißt freilich nicht, dass der Prozess innerverbandlicher Entscheidungsfindung nicht nach dem Mehrheitsprinzip organisiert sein kann. Es taugt aber nur als Mittel zur Entscheidungsfindung, nicht als Instrument zur Bestimmung des Status des einzelnen Mitglieds im Verband und seines Verhältnisses zu den anderen Vereinsmitgliedern. Der Umstand, dass die Mehrheit die Beschränkung der Rechte des Individuums sanktioniert hat, ist folglich kein hinreichender Legitimationsgrund. Das Mehrheitsprinzip kann und soll die Freiheit des Einzelnen nicht schützen. Oder anders gewendet: Die Benachteiligung eines Mitglieds wird nicht allein deshalb rechtmäßig, weil die Mehrheit es so will.

IV. Der vereinsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz Die naheliegende Antwort auf drohende Benachteiligungen des Einzelnen ist der Schutz durch ein Gebot der Gleichbehandlung. Ein solcher Gleichbehandlungsgrundsatz ist denn auch im Vereinsrecht allgemein anerkannt und verbietet als 124 125 126

Beuthien, BB 1987, 6. Maunz/Dürig/Klein, Art. 38 GG Rn. 68. Beuthien, BB 1987, 6.

D. Inhaltskontrolle am Maßstab von Treu und Glauben

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Ausdruck von Mitgliedschaft und vereinsrechtlicher Treupflicht jede sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Mitglieder.127 Er könnte daher einer Frauenquote entgegenstehen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist in Vereinen mit überragender Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine echte Schranke der Satzungsgestaltungsfreiheit. In diesen Vereinigungen ist die Unterwerfung unter die benachteiligenden Regelungen für die Mitglieder ohne Alternative und somit für die privatautonome Legitimation der Ungleichbehandlung kein Raum.128 Die Gewerkschaften sind als Vereine mit herausragender Machtstellung im wirtschaftlichen und sozialen Bereich an den vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden. Sie dürfen ihre Mitglieder also nur dann ungleich behandeln, wenn dies sachlich gerechtfertigt ist. Damit ist die Frauenquote als satzungsmäßige Verzerrung des Stimmrechts rechtfertigungsbedürftig. Die entscheidende Frage ist damit die nach dem Maßstab der Rechtfertigung einer treuwidrigen Ungleichbehandlung. Indes macht bereits die Frage die Schwäche des Maßstabs deutlich: Wenn der vereinsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz als Ausdruck von Treu und Glauben eine Gleichbehandlung der Mitglieder verlangt, dann muss sich auch die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung nach Treu und Glauben bemessen. Die sprichwörtliche Katze beißt sich hier aber in den Schwanz, denn nur wenn man sagen kann, worin der einfachgesetzliche Normalfall besteht, kann man feststellen, wodurch eine Abweichung von diesem Normalfall gerechtfertigt sein kann. Der vereinsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz bringt also nur zum Ausdruck, dass nicht treuwidrig ungleich behandelt werden darf, was nach Treu und Glauben gleich behandelt werden muss. In der Literatur finden sich vor allem Hinweise auf die umfangreiche Rechtsprechung zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen.129 Von einer tiefergehenden Analyse dieser Rechtfertigungsgründe wird regelmäßig abgesehen. Anscheinend hat sich die Vorstellung einer gewissen Beliebigkeit des Arguments durchgesetzt, wie sie häufig in der Auseinandersetzung mit Treu und Glauben zu finden ist. So findet sich etwa die Formulierung, der vereinsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sei in politischen Parteien „weiter gehender“, da diese durch das Demokratiegebot des Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG explizit gebunden seien.130 Dieses Argument „a maiore ad minus“ suggeriert eine gewisse Großzügigkeit bei der Ungleichbehandlung in Vereinen.

127 MünchKommBGB/Reuter, § 34 BGB Rn. 19 f.; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 838; BGH vom 19.7. 2010 – II ZR 23/09 – NJW 2010, 3521, 3522; BGH vom 24.3. 1954 – II ZR 33/53 – NJW 1954, 953; BGH vom 11.7. 1960 – II ZR 24/58 – NJW 1960, 2142; Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, Rn. 172. 128 MünchKommBGB/Reuter, § 34 BGB Rn. 20. 129 Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 842 ff. 130 Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 838.

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Dafür spricht, dass der einfache Verein – wie bereits erwähnt – nicht auf ein staatsorganisationsrechtliches Demokratiegebot verpflichtet ist. Es gibt keine Verpflichtung, die Mitglieder ohne Ansehen der Person zwingend gleich zu behandeln – also insbesondere freie und gleiche Teilhabe an der innerverbandlichen Willensbildung zu verwirklichen. Allerdings lässt sich auf Grundlage des privatautonomen Verständnisses der Mitgliedschaft ein klares Leitbild zur Gleichbehandlung entwickeln: Wenn der Verein ein Instrument zur Verwirklichung der Privatautonomie der Mitglieder ist, dann muss auch der Gleichbehandlungsgrundsatz im mächtigen Verein diesem Prinzip dienen. Die privatautonome Gestaltung der Satzung erlaubt zwar grundsätzlich die Einwilligung in satzungsmäßige Ungleichbehandlungen. Da es im mächtigen Verein an der Freiwilligkeit der Einwilligung mangelt, muss derjenige Status maßgeblicher Bezugspunkt sein, den das Mitglied ohne die Abänderung seines Status hätte. Sachgründe für eine Differenzierung ergeben sich daher vorrangig aus Unterschieden, die in der Person des Mitglieds begründet sind. Dementsprechend kann es zulässig – und aus Gründen der Gleichbehandlung unter Umständen sogar geboten – sein, wenn für abgestufte Arten der Mitgliedschaft unterschiedliche Stimmrechte vorgesehen sind131 oder wenn in Arbeitgeberverbänden entsprechend der Größe der Mitgliedsunternehmen differenziert wird.132 Die Gleichheit der Menschen „vor dem Gesetz“ wird in Art. 3 Abs. 1 GG ausdrücklich genannt und in Art. 3 Abs. 2 und 3 GG für das Verhältnis von Mann und Frau ausdrücklich angeordnet. Das BGB normiert ebenfalls keine vereinsrechtlich relevanten Unterschiede zwischen Frauen und Männern und behandelt beide als natürliche Personen gleich. Aus der Eigenschaft als Frau ergeben sich folglich keine unmittelbaren Unterschiede, die eine Bevorteilung sachlich zu rechtfertigen vermögen.

V. Keine Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen durch Verbandsinteressen Allerdings könnte die Frauenquote durch übergeordnete Interessen des Verbandes gerechtfertigt sein. So etwa, wenn die Frauenquote mit der Begründung eingeführt wird, sie steigere die Attraktivität des Verbandes für weibliche Mitglieder, oder sie sei im Interesse politischer Ziele des Vereines geboten. Auf Grundlage der Vorstellung einer vom einzelnen Vereinsmitglied losgelösten Vereinsautonomie und eines Antagonismus von Kollektiv und Individuum lässt sich

131 132

Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 842. Löwisch/Rieble, § 2 TVG Rn. 31.

E. Frauenquoten im Verein und AGG

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dies leicht rechtfertigen.133 Letztlich kommt es nur darauf an, wie man das „Doppelgrundrecht“ der Koalitionsfreiheit akzentuiert. Die Quote könnte etwa als Ausdruck der Loyalitätspflicht des Einzelnen134 mit den weiblichen Vereinszugehörigen oder mit dem Willen der Mehrheit gerechtfertigt werden. Sieht man den Verein aber als Instrument zur Verwirklichung individueller Privatautonomie im Kollektiv, so folgt daraus, dass übergeordnete Verbandsinteressen aus sich selbst heraus eine Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen vermögen. So ist insbesondere die Koalition der Verwirklichung der Autonomie ihrer Mitglieder verpflichtet, nicht übergeordneten Kollektivinteressen.135 Daher ist zu bezweifeln, ob es echte Verbandsinteressen bei einem privatautonomen Verständnis des Vereinsrechts überhaupt gibt. Denn es ist nicht der Verband, der durch das Abstimmungsverhalten der Mehrheit einen übergeordneten Willen bildet, sondern es sind die Interessen der einzelnen Mitglieder, die in der Mehrheitsentscheidung zum Ausdruck kommen. Diese Rückführbarkeit des Verbandsinteresses auf das Individuum ist aber nur dann gewährleistet, wenn sich die Privatautonomie des Einzelnen entfalten kann, also insbesondere von Ungleichbehandlungen bei der innerverbandlichen Willensbildung abgesehen wird.136

E. Frauenquoten im Verein und AGG In der Literatur wird erwogen, ob sich eine Rechtfertigung von Quotenregelungen nicht aus grundgesetzlichen Wertungen ergibt.137 Der vereinsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz als Ausdruck von Treu und Glauben wäre dann im Wege der mittelbaren Drittwirkung durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG zu modifizieren. Auf den vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und seine Modifikation durch das Verfassungsrecht kommt es aber dann nicht entscheidend an, wenn der Gesetzgeber die Grenzen zulässiger Ungleichbehandlung im Vereinsrecht durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz einfachgesetzlich konkretisiert hat.

133 Zu dieser Vorstellung Staudinger/Weick, vor §§ 21 ff. BGB Rn. 32; BeckOKBGB/ Schöpflin, § 21 BGB Rn. 55 jeweils m.w.N. 134 Dazu Wank, FS Kissel, S. 1225, 1227; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Band I, S. 184. 135 Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1155: „Privatnützigkeit der Koalitionsfreiheit“ m.w.N. 136 Zur Bedeutung und zum Zusammenhang Freiheit und Stimmrechtsgleichheit Beuthien, BB 1987, 6. 137 Fuchsloch, ArbuR 1997, 354, 356.

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I. Europarechtlicher und entstehungsgeschichtlicher Hintergrund des AGG Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vom 14.8. 2006 ist als Artikel 1 des „Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung“ am 18.8. 2006 in Kraft getreten.138 Es dient der Umsetzung der auf Grundlage von Art. 19 AEUV (ex.-Art. 13 EGV) und Art. 157 AEUV (ex.-Art. 141 EGV) ergangenen „Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft“, der „Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf“, der „Richtlinie 2002/73/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen“ und der „Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen“.139 Dem AGG war eine intensive Auseinandersetzung über die rechtlichen und politischen Möglichkeiten und die Folgen einer Antidiskriminierungsgesetzgebung vorausgegangen.140 Die Befürworter sahen in dem Gesetz ein angemessenes Mittel zur Bekämpfung von Diskriminierung.141 Kritiker betonten dagegen vor allem die Bedeutung und den Wert der Entscheidungsfreiheit privater Rechtssubjekte und bemängelten die mit dem Gesetz bewirkte Einschränkung des Prinzips privatautonomer Vertragsgestaltung.142 Weitgehend unbewältigt wirkt dieser Streit bei der Auslegung des AGG fort. Unklar ist insbesondere, wie die sowohl europarechtlich als auch grundgesetzlich gleichermaßen geschützten Prinzipien von Freiheit und Gleichheit im Einzelfall miteinander in Ausgleich gebracht werden können.143

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BGBl. I S. 1897. BT-Drs. 16/1780, S. 7; zur Entstehungsgeschichte MünchKommBGB/Thüsing, Einleitung zum AGG Rn. 1 ff. 140 Bauer/Göpfert/Krieger, Einl. Rn. 32b ff. m.w.N. 141 Baer, ZRP 2002, 290; Schieck, NZA 2004, 873, Nickel, NJW 2001, 2668; jeweils mit weiteren Nachweisen. 142 Adomeit, NJW 2002, 1622; Picker, JZ 2002, 880; Reichold, JZ 2004, 384; zu weiteren Nachweisen und zur Diskussion Bauer/Göpfert/Krieger, Einl. Rn. 32 f. 143 MünchKommBGB/Thüsing, § 5 AGG Rn. 6; Bauer/Göpfert/Krieger, , Einl. Rn. 32 g. 139

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Wegen des europarechtlichen Hintergrundes des AGG gilt der Grundsatz richtlinienkonformer Auslegung144, so dass die Interpretation des Gesetzes entscheidend durch das Europäische Recht geprägt ist.145 Aus der Eigenschaft des Vereins als Koalition ergibt sich nichts anderes. Die Regelung des Art. 153 Abs. 5 AEUV (ex.-Art. 137 EGV) steht dem nicht entgegen, da sich der Ausschluss der Kompetenzen nur auf Maßnahmen nach Art. 153 AEUV bezieht.146 Die Koalitionsfreiheit ist nicht generell frei von europarechtlichen Einflüssen.147 Der verbandsrechtliche Rahmen der Koalitionsfreiheit kann durch das Europarecht ausgestaltet werden.

II. Frauenquoten als rechtfertigungsbedürftige Benachteiligung von Männern Frauenquoten in Gewerkschaftssatzungen könnten zu einer nach dem AGG unzulässigen Benachteiligung von Männern führen. Dann müsste das AGG auf die Binnenorganisation der Gewerkschaften Anwendung finden. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 AGG ist eine Benachteiligung aus Gründen des Geschlechts im Sinne des § 1 AGG unter anderem „in Bezug auf […] die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder Arbeitgebervereinigung“ unzulässig. Damit ist insbesondere die Aufnahme von Mitgliedern in die Gewerkschaft und die satzungsmäßige Ausgestaltung der Rechte ihrer Mitglieder erfasst.148 Darüber hinaus ordnet § 18 Abs. 1 AGG die entsprechende Anwendung der Regelungen zum „Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung“ nach §§ 6 bis 17 AGG auf „die Mitgliedschaft oder die Mitwirkung in einer Tarifvertragspartei“ an, sowie auf solche Vereinigungen, die „eine überragende Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich“ innehaben. Der Begriff der Tarifvertragspartei bestimmt sich dabei nach der einfachgesetzlichen Regelung des § 2 Abs. 1 TVG, sowie nach den sonstigen gesetzlichen und richterrechtlichen Ausformungen des Tarifrechts.149 Wegen des Merkmals der „überragenden Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich“ wird auf 144 Zu diesem Grundsatz Calliess/Ruffert/Ruffert, Art. 288 AEUV (ex-Art. 249 EGV), Rn. 77. 145 Bauer/Göpfert/Krieger, Einl. Rn. 45; Däubler/Bertzbach/Däubler, Einl. Rn. 77 ff. jeweils m.w.N. 146 Schmidt/Senne, RdA 2002, 80, 82. 147 Greiner, Rechtsfragen der Koalitions-, Tarif- und Arbeitskampfpluralität, S. 163 f. m.w.N. 148 Bauer/Göpfert/Krieger, § 2 AGG Rn. 34 f.; MünchKommBGB/Thüsing, § 2 AGG Rn. 13. 149 Däubler/Herrmann, § 18 AGG Rn. 4; Bauer/Göpfert/Krieger, § 18 AGG Rn. 5 f.

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die Ausführungen zur Inhaltskontrolle verwiesen, die hier entsprechend gelten.150 Gewerkschaften sind daher sowohl als Tarifvertragspartei, als auch als Vereinigung mit überragender Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich im Sinne des § 18 Abs. 1 AGG zu qualifizieren. Verbotene Verhaltensweise ist insbesondere die in § 3 Abs. 1 AGG genannte „unmittelbare Benachteiligung“. Diese setzt voraus, dass „eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation“. Erfüllt ist dieser Tatbestand jedenfalls dann, wenn eine Person gegenüber Vergleichspersonen objektiv zurückgesetzt wird.151 Eine verbindliche Frauenquote bei der Besetzung von Gewerkschaftsgremien bevorteilt zielgerichtet Bewerberinnen. Sie ist daher immer auch eine Zurücksetzung der männlichen Mitbewerber, die nicht entsprechend privilegiert sind. Darüber hinaus kann es in der konkreten Wahlentscheidung durch die Quote zu einer Herabstufung eines männlichen Mitbewerbers kommen, der mehr Stimmen erreicht hat als die ihm vorgezogene weibliche Kandidatin. Die Frauenquote ist folglich eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG. Sie ist als solche rechtfertigungsbedürftig. Keine Benachteiligung liegt dagegen bei unverbindlichen Quoten vor, die in Gestalt von Soll-Vorschriften lediglich den Wunsch der Verbandsmehrheit zum Ausdruck bringen, die Repräsentation von Frauen in Vereinsgremien zu erhöhen. Zwar ließe sich allein die (unverbindliche) Aufforderung zur Wahl von Frauen als Werturteil über die Eignung von Männern und deren vermeintlich diskriminierendes Verhalten interpretieren – mithin als Herabsetzung männlicher Gewerkschaftsmitglieder. Das vom BAG als Merkmal der Benachteiligung verlangte Maß objektiver Zurücksetzung152 könnte durch eine derartige Wahlbeeinflussung erreicht sein. Diskutiert wird dies etwa für Wahlempfehlungen durch Amtsträger im Vorfeld kommunaler Wahlen.153 Jedoch sind die gewerkschaftlichen Regelungen zu Quoten erkennbar nicht als Aufruf zur Männerdiskriminierung zu verstehen, sondern als Versuch auf die Gleichberechtigung von Frauen hinzuwirken.154 Von ihnen geht keine herabsetzende Wirkung im Sinne eines Boykottaufrufs aus und sie bringen 150

MünchKommBGB/Thüsing, § 18 AGG Rn. 5 f.; Bauer/Göpfert/Krieger, § 18 AGG Rn. 6 ff. 151 BAG vom 25.2. 2010 – 6 AZR 911/08 – NZA 2010, 561; Rupp, RdA 2009, 307; Däubler/Bertzbach/Schrader/Schubert, § 3 AGG Rn. 15; Bauer/Göpfert/Krieger, § 3 AGG Rn. 7 f. 152 BAG vom 25.2. 2010 – 6 AZR 911/08 – NZA 2010, 561; Bauer/Göpfert/Krieger, § 3 AGG Rn. 7 f m.w.N. 153 VGH Kassel vom 18.12.2008 – 8 A 1330/08 – NVwZ-RR 2009, 572. 154 § 13 der Satzung der IG Metall in der Fassung vom 1.1. 2008 lautet etwa „In den Organen und Gremien der IG Metall müssen Frauen grundsätzlich mindestens entsprechend ihrem Anteil an der Mitgliedschaft vertreten sein. […]“ § 2 der Satzung bestimmt: „Sie [die Gewerkschaft] fördert aktiv die Gleichstellung von Frauen und Männern in Gesellschaft, Betrieb und Gewerkschaft […]“

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auch nicht den Willen der Mehrheit zum Ausdruck, Männer diskriminieren zu wollen.155 Der rein psychologisch wirkende Wunsch der Gewerkschaftsmehrheit nach diskriminierungsfreier Wahlentscheidung ist keine Benachteiligung der Männer.

III. Rechtfertigung einer Frauenquote nach § 5 AGG Eine verbindliche Frauenquote könnte aber als Maßnahme zur Beseitigung bestehender Nachteile im Sinne des § 5 AGG zulässig sein. § 5 AGG adaptiert das US-amerikanische Konzept der „affirmative actions“156 für das deutsche Recht und gestattet den Privatrechtssubjekten Benachteiligungen im Zusammenhang mit so genannten „positiven Maßnahmen“.157 Demnach ist eine Benachteiligung dann gerechtfertigt158, wenn sie als Folge einer Fördermaßnahme dem verhältnismäßigen Ausgleich von Nachteilen wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale dient.159 1. Zweckrichtung der Maßnahme Nach § 5 AGG ist eine Maßnahme nur gerechtfertigt, wenn sie bezweckt, Nachteile wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe zu kompensieren oder zu verhindern. Daher ist die Vorschrift keine Generalklausel zur Legitimation beliebig motivierter Fördermaßnahmen.160 Auch genügt es nicht, wenn eine Maßnahme lediglich zufällig oder mittelbar Nachteilen entgegenwirkt.161 Die Gewerkschaft muss mit der Quotenregelung die Absicht verfolgen, Nachteile für Frauen zu kompensieren.162

155 Vergleichbar LAG Düsseldorf vom 12.11.2008 – 12 Sa 1102/08 – juris, zu einer Stellenausschreibung, in der auf das besondere Interesse an weiblichen Bewerbern hingewiesen wird – erkennbar um die Unterrepräsentation zu kompensieren, nicht um zu diskriminieren. 156 Dazu Sacksofsky, ZESAR 2004, 208; Peters/Borkhäuser, ZaöRV 2005, 1. 157 Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 1 f. 158 Zu § 5 AGG als Rechtfertigungsgrund siehe Bauer/Göpfert/Krieger, § 5 AGG Rn. 4; Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 5. 159 Bauer/Göpfert/Krieger, § 5 AGG Rn. 6. 160 Schleusener/Suckow/Voigt/Voigt, § 5 AGG Rn. 13. 161 Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 19; Bauer/Göpfert/Krieger, § 5 AGG Rn. 8; Hey/Beitze, § 5 AGG Rn. 11. 162 Wendeling-Schröder/Stein/Stein, § 5 AGG Rn. 15.

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Es ist nicht selbstverständlich, dass Frauenquoten der Kompensation bestehender Nachteile dienen.163 In der öffentlichen Auseinandersetzung wird wiederholt das Argument angeführt, Frauenförderung durch Frauenquoten diene auch einer gesellschaftlich wie volks- und betriebswirtschaftlich wünschenswerten Feminisierung des Arbeits- und Wirtschaftslebens.164 Vorstellbar ist auch, dass die Frauenquote von der Verbandsmehrheit vor allem als Instrument angesehen wird, die Attraktivität der Mitgliedschaft für Frauen oder für solche Mitglieder zu steigern, für die Frauenförderung ein politisches Anliegen ist.165 Weiterhin kann die Quote dazu dienen, die Glaubhaftigkeit der auch von Gewerkschaftsseite vorgebrachten Forderung nach mehr Einfluss von Frauen in Wirtschaft und Gesellschaft zu erhöhen.166 Sollte die Gewerkschaft tatsächlich allein aus diesen Gründen motiviert sein, eine Frauenquote einzuführen, so wäre diese nicht auf die Beseitigung bestehender Nachteile gerichtet. Eine Frauenquote wäre dann nicht durch § 5 AGG gerechtfertigt. Die Bekenntnisse der Gewerkschaften in ihren Satzungen zur faktischen Gleichbehandlung von Mann und Frau weisen jedoch darauf hin, dass die Frauenquoten vorrangig als Reaktion auf strukturelle Nachteile von Frauen eingeführt worden sind.167 Dafür spricht auch die Art der eingeführten oder angestrebten verbindlichen Quotenregelungen, die alle auf den Anteil der Frauen an der Gesamtmitgliederzahl abstellen168 und somit erkennbar dazu dienen, Frauen nicht über das Ziel tatsächlicher Gleichberechtigung hinaus zu bevorteilen. Es ist daher überzeugend, dass die Gewerkschaften mit der Frauenquote vor allem die Beseitigung bestehender Nachteile bezwecken.

163 Allgemein zur Situation von Frauen in den Gewerkschaften und ihren Vorstellungen von der Organisation des Verbandes und der Stellung der Frau Frerichs/Pohl/Fichter/Gerster/Zeuner, Zukunft der Gewerkschaften, S. 67 ff. 164 Dazu die Studie im Auftrag der Unternehmensberatung McKinsey & Company: Desvaux/Devillard, Women Matter 2 – female leadership, a competitive edge for the future (2008), die solche positiven Effekte für Unternehmen bejaht; Siehe auch die Internetseite der Initiative „Gleichstellen – Bundesinitiative für Frauen in der Wirtschaft“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, abrufbar unter http://www.bundesinitiative-gleichstellen.de/gute-gruende. html 165 Newsletter Frauen in der GEW Nr. 3/2008 S. 1: „Sinnvolles Instrument zur Nachwuchssicherung“. 166 Siehe beispielsweise den Beitrag auf der Internetseite des DGB „Frauenquote: Die Zeit für Appelle ist vorbei“ vom 1.2. 2011, abrufbar unter http://www.dgb.de/themen/ ++co++5b115448 – 2e0 f-11e0 – 783d-00188b4dc422; so auch die stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di Margret Mönig-Raane in einem Interview mit Deutschlandradio Kultur vom 2.2. 2011 „Ohne Quote geht es nicht“, die auf das Beispiel Norwegen verweist, abrufbar im Internet unter http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/interview/1378525/. 167 Siehe beispielsweise § 5 Nr. 2 der Satzung ver.di in der Fassung vom 30.9. 2009. 168 § 13 Nr. 1. c.) der Satzung der EVG in der Fassung vom 30.11. 2010; § 18 Nr. 9 der Satzung der IG BAU in der Fassung vom November 2009; § 13 der Satzung der IG Metall in der Fassung vom 1.1. 2008; § 20 Nr. 3 der Satzung der Gewerkschaft ver.di in der Fassung vom 30. September 2009.

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Die zulässige Zweckrichtung ihrer Maßnahme hat gemäß § 22 AGG die Gewerkschaft zu beweisen.169 2. Bestehender Nachteil Die Frauenquote müsste einen „bestehenden Nachteil“ ausgleichen. Bemängelt wird die zahlenmäßige Unterrepräsentation von Frauen in (Führungs-)Gremien. Sie wird gedeckt durch den statistischen Befund.170 Fraglich ist, wie dies rechtlich zu bewerten ist. a) Die Aussagekraft des Statistikbeweises aa) Statistik als Beweis einer Benachteiligung Die Unterrepräsentation ist zunächst nicht mehr als eine statistische Größe, die die Gründe des geringeren Einflusses von Frauen nicht erklärt.171 Die Aussagekraft des Statistikbeweises im Antidiskriminierungsrecht wird deshalb in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich bewertet.172 Dabei geht es vor allem um die Frage, welche Anforderungen an den Beweis einer Benachteiligung im Sinne des § 3 AGG zu stellen sind. Ausgangspunkt der Kontroverse ist die Regelung des § 22 AGG, die bestimmt, dass nicht der Beweis einer Benachteiligung erbracht werden muss, sondern lediglich „Indizien“ zu beweisen sind, „die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen“. Nach der Gesetzesbegründung zu § 22 AGG sollen „auch die Ergebnisse von Statistiken“ in diese Bewertung einfließen können.173 Der erfolgreich geführte Beweis dieser „Indizien“174 löst dann eine Beweislastumkehr zu Lasten des (vermeintlich) Benachteiligenden aus.175 Damit wird einem Beklagten faktisch aufgegeben, lediglich vermutete Verhaltensweisen rechtfertigen zu müssen.176 Diese vom Gesetzgeber bewusst niedrig gehaltenen Anforderungen an das Beweismaß177 sind in der Literatur wegen der Abkehr von üblichen Prinzipien der Beweislastverteilung178 und der dadurch bedingten Unklarheit auf Kritik gestoßen.179 169

Schleusener/Suckow/Voigt/Voigt, § 5 AGG Rn. 15. Dazu oben § 1 B. 171 F. Bayreuther, NJW 2009, 806, 807; Windel, RdA 2007, 1, 5 – mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 172 F. Bayreuther, NJW 2009, 806 ff.; Dahm, BB 2010, 1792 ff. – jeweils m.w.N. 173 BT-Drs. 16/1780, S. 47. 174 Zur Frage des Beweismaßes Windel, RdA 2007, 1, 5. 175 Dazu und zu praktischen Folgen dieser Beweislastumkehr C. Picker, EuZA 2012, 257. 176 Grobys, NZA 2006, 898. 177 BT-Drs. 16/1780, S. 47. 178 Zu diesem zivilprozessualen Normalfall der Beweislastverteilung Musielak/Foerste, § 286 ZPO Rn. 34 ff. m.w.N. 170

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Das Problem verschärft sich, wenn man Statistikbeweise genügen lässt. Dann ist es faktisch nicht erforderlich, Indizien zu beweisen, „die eine Benachteiligung […] vermuten lassen“180, sondern es genügt darzulegen, objektiv schlechter gestellt zu sein als eine Vergleichsgruppe. Auf die genauen Ursachen dieses Unterschieds kommt es dann nicht an.181 Es ist also fraglich, ob Statistiken tatsächlich geeignet sind, Benachteiligungen im Sinne des § 3 AGG nachzuweisen. Dabei ist zu differenzieren: Bei so genannten horizontalen Vergleichen, bei denen die Angehörigen der Vergleichsgruppe einer ähnlichen Tätigkeit nachgehen oder derselben hierarchischen Ebene zugerechnet sind, ist die Aussagekraft des Statistikbeweises verhältnismäßig hoch.182 Lässt sich anhand dieses Vergleiches ein signifikanter Unterschied der formal gleichen Angehörigen einer Gruppe feststellen, dann liegt die Annahme einer Benachteiligung nahe. So etwa, wenn Männer und Frauen für die gleiche Tätigkeit unterschiedlich entlohnt werden.183 Schwieriger gestaltet sich der statistische Nachweis von Benachteiligungen auf Grundlage vertikaler Vergleiche.184 Finden sich beispielsweise weniger Frauen in Führungspositionen als in anderen Bereichen eines Unternehmens, so kann dies für eine diskriminierende Auswahlentscheidung sprechen. Allerdings kann dies genauso gut dem Leistungsprinzip geschuldet sein. Möglicherweise sind Männer schlicht besser qualifiziert, fühlen sich eher zu leitenden Tätigkeiten berufen oder haben weniger private Hindernisse zu bewältigen als Frauen – Umstände, die zwar auf strukturelle Nachteile, nicht aber auf eine Diskriminierung von Frauen durch das Unternehmen schließen lassen.185 Das LAG Köln und das LAG München haben vertikale statistische Vergleiche daher als alleinigen Beweis für eine Benachteiligung abgelehnt.186 Das LAG Berlin-Brandenburg hat dagegen einen statistischen Vergleich unterschiedlicher Hierarchieebenen als Nachweis einer Diskriminierung wegen des Geschlechts genügen lassen.187 Das BAG hat eine vermittelnde Position 179 MünchKommBGB/Thüsing, § 22 AGG Rn. 2 f.; ErfK/Schlachter, § 22 AGG Rn. 1; jeweils m.w.N. Bauer/Göpfert/Krieger, § 22 AGG Rn. 6; Badura, ZaöRV 68 (2008), 347, 357. 180 Wortlaut des § 22 AGG. 181 F. Bayreuther, NJW 2009, 806, 807. 182 F. Bayreuther, NJW 2009, 806, 807. 183 EuGH vom 27.6. 1990 – C 33/89 – NZA 1990, 771; EuGH vom 27.10. 1993 – C-127/92 – NZA 1994, 797; BAG vom 23.9.1992 – 4 AZR 30/92 – NJW 1993, 3091; F. Bayreuther, NJW 2009, 806, 807. 184 F. Bayreuther, NJW 2009, 806, 807. 185 F. Bayreuther, NJW 2009, 806, 807; BAG vom 27.1.2011 – 8 AZR 483/09 – NZA 2011, 689, 692; zu dem Problem des „systemischen Nichtwissens“ der Ursachen von Entgeltungleichheit Rieble, RdA 2011, 36, 38. 186 LAG München vom 7.8.2008 – 3 Sa 1112/07 – juris; LAG Köln vom 13.6.2006 – 9 Sa 1508/05 – juris. 187 LAG Berlin-Brandenburg – 15 Sa 517/08 – NZA 2009, 43.

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eingenommen.188 Zwar können Statistiken als Beweis genügen, sie müssen allerdings „aussagekräftig“ sein, also insbesondere möglichen alternativen Erklärungsansätzen für eine statistisch nachgewiesene Ungleichbehandlung Rechnung tragen.189 Vertikale statistische Vergleiche sind damit für sich genommen regelmäßig keine hinreichenden Indizien im Sinne des § 22 AGG.190 In Gewerkschaften ist prinzipiell jedes Mitglied wählbar und daher für jede gewerkschaftsinterne Funktion formal gleich geeignet.191 Daher spricht eine zahlenmäßige Unterrepräsentation von Frauen dort eher für eine Benachteiligung als in einem Unternehmen, in dem regelmäßig besondere Qualifikationen für eine Funktion nachgewiesen werden müssen. Faktisch handelt es sich aber auch bei den gewerkschaftsinternen Wahlen um Auswahlentscheidungen, bei denen Qualifikation und Erfahrung eine Rolle spielen (sollen). Die formell gleichen Gewerkschaftsmitglieder sind also materiell durchaus unterschiedlich gut für ein Amt geeignet. Hier kann sich eine eventuelle bessere Qualifikation der Männer in den Wahlergebnissen auswirken. Daher kann eine Überrepräsentanz von Männern dem Leistungsprinzip geschuldet sein. Der statistische Nachweis einer Unterrepräsentation von Frauen in Gewerkschaftsgremien genügt folglich für sich allein nicht für die Annahme einer „Benachteiligung“ der Frauen im Sinne des § 3 AGG. bb) Statistik als Beweis eines Nachteils Möglicherweise genügt die Statistik aber als Beweis eines „Nachteils“ im Sinne des § 5 AGG. Der Begriff des Nachteils ist weit auszulegen.192 Weiter jedenfalls als der der Benachteiligung im Sinne des § 3 AGG. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber zur Kompensation von Nachteilen nicht gezwungen ist, wohingegen er Maßnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen ergreifen muss. Ein Nachteil liegt dann vor, wenn Einzelpersonen oder Personengruppen wegen eines oder mehrerer der in § 1 AGG genannten Merkmale schlechter gestellt sind, als vergleichbare Personen.193 Erfasst sind sowohl konkrete Nachteile im Einzelfall, als auch strukturelle Nachteile.194 Der EuGH spricht von „in der sozialen Wirklichkeit 188 BAG vom 27.1.2011 – 8 AZR 483/09 – NZA 2011, 689, 692; BAG vom 22.7.2010 – 8 AZR 1012/08 – NZA 2011, 93. 189 BAG vom 22.7.2010 – 8 AZR 1012/08 – NZA 2011, 93, 99. 190 Windel, RdA 2011, 193, 197. 191 Siehe etwa § 21 Nr. 2 Satzung ver.di in der Fassung vom 30.9. 2009. 192 Bauer/Göpfert/Krieger, § 5 AGG Rn. 8; Däubler/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 20 f. 193 Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 20. 194 BT-Drs. 16/1780, S. 34; Hey/Beitze, § 5 AGG Rn. 8; Bauer/Göpfert/Krieger, § 5 AGG Rn. 8.

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bestehenden Ungleichheiten“195 und meint damit solche Nachteile, die durch gesellschaftliche Einstellungen und Verhaltensmuster verursacht sind.196 Die Rechtsprechung ist damit in Bezug auf den Nachweis nachteiliger Strukturen denkbar großzügig.197 Auch in der Literatur wird die genaue Ursache des Nachteils für unerheblich gehalten, es genüge wenn er tatsächlich besteht.198 Lässt sich also auf Grundlage von Statistiken nicht beweisen, dass Frauen benachteiligt werden, so lassen sich doch zumindest Ungleichgewichte zwischen Männern und Frauen feststellen, die den Schluss bestehender Nachteile zulassen.199 Dennoch bleibt fragwürdig, ob dies für die Voraussetzungen des § 5 AGG genügt. Gemäß § 5 AGG muss eine Person oder Personengruppe nämlich gerade „wegen“ eines der in § 1 AGG genannten Merkmale einen Nachteil erleiden. Fraglich ist daher, welche Anforderungen an den Nachweis dieses Kausalzusammenhangs zu stellen sind. So ist es zwar durchaus plausibel, aufgrund des statistischen Nachweises männlich dominierter Gewerkschaftsgremien trotz eines hohen Anteils an weiblichen Mitgliedern einen Nachteil für Frauen anzunehmen. Die Unterrepräsentation könnte allerdings genauso gut auf den Zufall zurückzuführen sein – sicher belegt ist ein Nachteil „wegen“ des Geschlechts durch die Statistik und deren Interpretation durch die Gewerkschaften demnach nicht.200 Das Problem stellt sich in ähnlicher Weise bei der Frage nach der Benachteiligung gemäß § 3 AGG „wegen“ eines der in § 1 AGG genannten Merkmale. Hier wirkt sich die Regelung des § 22 AGG allerdings so aus, dass der Benachteiligte den Kausalzusammenhang nicht (vollumfänglich) beweisen muss.201 Im Fall des § 5 AGG trifft den Benachteiligenden, der sich auf die Rechtfertigung wegen positiver Maßnahmen beruft, dagegen die volle Beweislast hinsichtlich der Voraussetzungen des Rechtfertigungsgrundes.202 Er muss also auch den Kausalzusammenhang zwischen dem zu kompensierenden Nachteil und dem Merkmal des § 1 AGG beweisen. Schwierig wird dies insbesondere dann, wenn das statistische Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen marginal ist. Soll etwa allein der Umstand, dass Frauen leicht unterrepräsentiert sind einen Nachteil wegen des Geschlechts begründen? Und ist ein Nachteil wegen des (männlichen) Geschlechts auch dann 195 EuGH vom 17.10. 1995 – Rs. C-450/93 – NJW 1995, 3109, 3110; EuGH vom 11.11. 1997 – Rs. C-409/95 – NJW 1997, 3429, 3430. 196 Schleusener/Suckow/Voigt/Voigt, § 5 AGG Rn. 12. 197 So die Analyse von Burg, S. 100 ff. 198 Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 21. 199 BAG vom 22.6.1993 – 1 AZR 590/92 – NZA 1994, 77; Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 23. 200 Zu der Gefahr von „Scheinrationalisierungen“ durch Statistiken mit zahlreichen weiteren Nachweisen Windel, RdA 2007, 1, 5. 201 ErfK/Schlachter, § 22 AGG Rn. 3. 202 Bauer/Göpfert/Krieger, § 22 AGG Rn. 11; Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 67.

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plausibel, wenn unter Umständen Männer in einem Gewerkschaftsvorstand gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtmitgliederzahl (leicht) unterrepräsentiert sind? Zweifel sind angebracht. Problematisch ist zunächst, anhand welcher Bezugsgröße die behauptete Unterrepräsentation festgestellt werden kann. Die Rechtsprechung des EuGH zu Quotenregelungen203 orientiert sich vor allem am Einzelfall.204 Das Gericht hat eine Unterrepräsentation im öffentlichen Dienst bei einem Anteil der Frauen von weniger als 50 Prozent an der Gesamtzahl der Angestellten bejaht.205 Unklar ist, ob das Gericht die Grenze aus dem Anteil der Frauen an der Gesamtbevölkerung ableitet oder aus der Zahl der Bewerber, wobei der Anteil in den zu entscheidenden Fällen jeweils bei annähernd 50 Prozent lag.206 In den Gewerkschaften ist der Bezugspunkt für eine Unterrepräsentation der Frauen in den Gewerkschaftsorganen ihr Anteil an der Gesamtmitgliederzahl. Ziel positiver Maßnahmen ist die Chancengleichheit, nicht die Ergebnisgleichheit.207 Dies gebietet gleiche Voraussetzungen beim Zugang zu Gewerkschaftsämtern.208 Ist dieser Zustand erreicht, dann kommt es auf das unterschiedliche Geschlecht der Bewerber in der Wahlentscheidung nicht an und dann steht zu erwarten, dass beide Geschlechter, jedenfalls im statistischen Mittel, entsprechend ihrem Anteil an der Mitgliederzahl in den Gewerkschaftsgremien vertreten sein werden. Eine Erheblichkeitsschwelle hat die Rechtsprechung nicht definiert, so dass eine Unterrepräsentation schon bei einem geringfügigen Unterschreiten der Grenze von 50 Prozent gegeben sein kann. Anderer Ansicht ist Thüsing, der aus der Rechtsprechung des EuGH unter Verweis auf die Entscheidung „Lommers“ eine Erheblichkeitsschwelle ableitet: Das Gericht erwähne ausdrücklich die „erhebliche Unterrepräsentation“209. Dies trifft zu.210 Allerdings trifft der EuGH damit lediglich eine nicht zu verallgemeinernde Feststellung im Bezug auf den konkreten Sachverhalt. Es 203 EuGH vom 11.11. 1997 – C-409/95 („Marschall“) – NJW 1997, 3429; EuGH vom 28.3. 2000 – C-158/97 („Badeck“) – NZA 2000, 473; EuGH vom 6.7. 2000 – C-407/98 („Abrahamsson“) – NZA 2000, 935; EuGH vom 19.3. 2002 – C-476/99 („Lommers“) – NZA 2002, 501. 204 Burg, Positive Maßnahmen zwischen Unternehmerfreiheit und Gleichbehandlung, S. 93 m.w.N. 205 EuGH vom 11.11. 1997 – C-409/95 („Marschall“) – NZA 1997, 1337; EuGH vom 28.3. 2000 – C-158/97 („Badeck“) – NZA 2000, 473. 206 Burg, Positive Maßnahmen zwischen Unternehmerfreiheit und Gleichbehandlung, S. 93 m.w.N. 207 ErfK/Schlachter, § 5 AGG Rn. 4.EuGH vom 17.10. 1995 – C-450/93 („Kalanke“) – NJW 1995, 3109; EuGH vom 19.3. 2002 – C-476/99 („Lommers“) – NJW 2002, 1859. 208 Bezogen auf die Zugangschancen zum Arbeitsmarkt EuGH vom 17.10. 1995 – C-450/93 („Kalanke“) – NJW 1995, 3109, 3110; EuGH vom 19.3. 2002 – C-476/99 („Lommers“) – NJW 2002, 1859, 1860. 209 MünchKommBGB/Thüsing, § 5 AGG Rn. 8. 210 EuGH vom 19.3. 2002 – C-476/99 – NZA 2002, 501, Rn. 36.

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ist nicht erkennbar, dass das Gericht dadurch einen allgemeinen Maßstab definieren wollte. Im Übrigen kann es unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung keine Erheblichkeitsschwelle geben. Es gibt grundsätzlich keine Ungleichbehandlung, die dem Betroffenen wegen ihrer Geringfügigkeit (noch) zumutbar ist. Lässt sich eine Unterrepräsentation aufgrund eines Nachteils nachweisen, dann kann diese grundsätzlich unabhängig von der Belastungsintensität kompensiert werden. Es ist jedenfalls kein schützenswertes Interesse Dritter an der Aufrechterhaltung einer – wenn auch nur geringfügigen – Ungleichbehandlung erkennbar. Richtig ist allerdings, dass eine nur geringfügige Unterrepräsentation auch auf anderen Faktoren als einem Nachteil beruhen kann – unter Umständen etwa auf dem bloßen Zufall. Thüsing ist daher zuzustimmen, wenn er auf das Beweisproblem hinweisen möchte, das sich bei nur geringfügigen (unter Umständen einmaligen) Abweichungen vom Idealzustand anteiliger Teilhabe entsprechend der Mitgliederstruktur ergibt. b) Strukturelle Nachteile Der Nachteil wird darüber hinaus durch benachteiligende Strukturen erklärt, deren gesamtgesellschaftliches Wirken einer Gleichberechtigung von Mann und Frau entgegenstehe. Die Annahme des Fortbestehens oder Fortwirkens dieser Strukturen wurde der gesetzgeberischen Konzeption des AGG zugrunde gelegt211 und lässt sich insbesondere für das Arbeitsleben belegen.212 Auch der EuGH stützt seine Überzeugung zum Nachteil von Frauen auf benachteiligende gesellschaftliche Strukturen, die er ohne größeren Begründungsaufwand als gegeben annimmt und deren gesonderten Nachweis er nicht verlangt.213 So beschränkt das Gericht seine Ausführungen darauf, es gäbe eine „Reihe von Vorurteilen und stereotypen Vorstellungen über die Rolle und Fähigkeiten der Frau im Erwerbsleben“, die zu der Tendenz führten, männliche Bewerber vorzuziehen.214 Ähnlich argumentierte das BAG in seiner Entscheidung zur Rechtmäßigkeit einer Wahl zum Betriebsrat nach Maßgabe des § 15 BetrVG, der eine Minderheitsgeschlechtsquote vorsieht. Das BAG maß diese Regelung unter anderem an Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG und unterstellte dabei „faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen“.215 Überträgt man diese Großzügigkeit bei der Beweisführung auf die

211

BT-Drs. 16/1780 S. 20 ff. Bundesministerium für Arbeit und Soziales u. a. (Hrsg.), 2. Bilanz Chancengleichheit, S. 8 ff.; Bispinck/Dribbusch/Öz, Geschlechtsspezifische Lohndifferenzen, S. 8 ff. 213 EuGH vom 17.10. 1995 – C-450/93 („Kalanke“) – NJW 1995, 3109, 3110 „in der sozialen Wirklichkeit bestehende faktische Ungleichheiten“; Burg, Positive Maßnahmen zwischen Unternehmerfreiheit und Gleichbehandlung, S. 100 m.w.N. 214 EuGH vom 11.11. 1997 – C-409/95 („Marschall“) – NZA 1997, 1337, 1338. 215 BAG vom 16.3.2005 – 7 ABR 40/04 – NZA 2005, 1252, 1256. 212

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Situation in den Gewerkschaften, dann ist ein die Frauen treffender Nachteil bei Unterrepräsentation regelmäßig zu bejahen. Allerdings ist diese Mischung aus statistischen Nachweisen und pauschal angenommen strukturellen Nachteilen problematisch: Ein „Nachteil“ im Wortsinne ist zumindest auch durch die subjektive Einstellung des „Benachteiligten“ bestimmt. Der Betroffene selbst definiert, was er als Nachteil empfindet. Wenn also eine Frau – aus welchen Gründen auch immer – nicht in den Vorstand einer Gewerkschaft gewählt werden möchte, dann ist allein der Umstand, dass sie nicht gewählt worden ist (für sie) kein Nachteil.216 Dieses subjektive Element des Nachteilsbegriffs lässt sich anhand einer Statistik nicht feststellen. Insoweit gestaltet sich der Beweis eines Nachteils sogar schwieriger als der einer Benachteiligung, da die Benachteiligung vor allem dann relevant wird, wenn sie in einer Klage behauptet wird und der Kläger damit das objektiv Schlechter-gestellt-Werden als für sich nachteilig definiert. Statistische Daten belegen einen echten Nachteil also nur dann, wenn sie entweder durch den Nachweis subjektiver Werturteile der Betroffenen ergänzt werden oder diese insoweit entbehrlich sind, wie sich ein objektivierter – typisierter – Nachteil definieren lässt. In letzterem Fall hätte gleichsam der Gesetzgeber definiert, was regelmäßig unter einem Nachteil zu verstehen ist und somit wie der Einzelne einen Nachteil zu empfinden hat. Dies stößt freilich dann an faktische Grenzen, wenn eine positive Maßnahme deshalb ins Leere läuft, weil der offiziell definierte Nachteil nicht als solcher empfunden wird – so etwa wenn sich mangels Interesse nicht genug Frauen finden, um eine Quote zu erfüllen. Umgekehrt steigt die Plausibilität eines Nachteils, wenn sich eine hohe Zahl von Bewerberinnen für Gewerkschaftsämter nachweisen lässt. Gegen einen Nachteil „wegen“ des Geschlechts könnte auch das an demokratischen Prinzipien orientierte System zur Wahl der Gewerkschaftsgremien sprechen. Anders als dies bei individuellen Auswahlentscheidungen im Vorfeld der Begründung eines Arbeitsverhältnisses der Fall sein kann, sind nicht (männliche) Einzelpersonen oder kleine Gruppen von Entscheidungsträgern für die Unterrepräsentation verantwortlich. Stattdessen ist es das Wahlverhalten der Mitglieder, das über die Besetzung der zu vergebenden Aufgaben und Funktionen bestimmt. Dadurch ist zwar nicht ausgeschlossen, dass diskriminierendes Verhalten das Auswahlergebnis beeinflusst, jedoch ermöglicht das demokratische Wahlsystem ein höheres Maß an Partizipation. Es garantiert insbesondere den Frauen als – vermeintlich oder tatsächlich – strukturell benachteiligten Vereinsmitgliedern ein Mitspracherecht. Jedenfalls in Gewerkschaften, in denen Frauen die Mehrheit der Mitglieder stellen, 216

So etwa das Argument von Manfred Gentz zur Idee einer Frauenquote in Vorständen und Aufsichtsräten: „Ganz viele Frauen wollen einfach nicht in Führungspositionen und sträuben sich dagegen.“ Zitiert nach Jahn, Diskriminierung von Männern beklagt, FAZ vom 18.2. 2011, abrufbar im Internet unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/ frauenquotein-aufsichtsraeten-diskriminierung-von-maennern-beklagt-1596968.html.

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wären sie also rein rechnerisch in der Lage, sich gegen die möglicherweise diskriminierende männliche Minderheit durchzusetzen. Die Unterrepräsentation von Frauen muss daher nicht als Nachteil interpretiert werden, sondern kann schlicht auf ihre Wahlentscheidung zurückzuführen sein. Die demokratischen Strukturen innerhalb einer Gewerkschaft führen außerdem zu einem gesteigerten Maß an Transparenz. Entscheidungen der Organe sind rechenschaftspflichtig und im Zweifel durch eine mögliche Abwahl sanktioniert. Minderheitsmeinungen können innerverbandlich artikuliert werden und haben die Chance sich argumentativ durchzusetzen und zur Mehrheitsmeinung zu werden.217 Damit ist die Gefahr einer willkürlichen, intransparenten und nicht korrigierbaren diskriminierenden Entscheidung zumindest abgeschwächt. Die Effektivität dieser demokratischen Mechanismen zeigt sich insbesondere an der Tatsache, dass sich in den Gewerkschaften satzungsändernde Mehrheiten finden, die eine Frauenquote einführen wollen. Es besteht offensichtlich der Wille, Frauen zu einer angemessenen Repräsentation im Verband zu verhelfen. Der Nachteil wegen des Geschlechts könnte sich allerdings auch daraus ergeben, dass in den Gewerkschaften ähnliche Mechanismen zulasten der Frauen wirken, wie sie auch in anderen Bereichen für ihren im Verhältnis zu Männern geringeren Erfolg verantwortlich gemacht werden.218 So wird der gewerkschaftsinterne Aufstieg einer Frau möglicherweise dadurch behindert, dass sie einen erheblichen Teil ihrer Lebenszeit in die Erziehung und Betreuung von Kindern investiert.219 Unter Umständen spiegelt sich in den Gewerkschaften als Berufsverbänden auch der geringere Status von Frauen im Erwerbsleben wider. Wenn Frauen allgemein schlechter qualifiziert sind als Männer, bei gleicher Qualifikation weniger verdienen und sich seltener in Führungspositionen finden220, so wirkt sich dies möglicherweise auch in den Gewerkschaften aus. Insgesamt ist die Annahme eines strukturellen Nachteils daher plausibel. Dennoch verbleiben Unsicherheiten. Problematisch ist diese Annahme struktureller Nachteile deshalb, weil sie eine echte Analyse des konkreten Nachteils nicht erforderlich macht. Statt dessen besteht die Gefahr von „Scheinrationalisierungen“ durch statistische Erhebungen.221 Damit läuft man Gefahr, im Ergebnis lediglich die 217

Zum Schutz parlamentarischer Rechte von Minderheiten BVerfG vom 14.01. 1986 – 2 BvE 14/83 u. a. – NJW 1986, 907; Übersicht zum Minderheitenschutz in demokratisch verfassten Systemen Pieroth, JuS 2010, 473, 480 f. 218 Zu diesen anderen Bereichen Rieble, RdA 2011, 36, 37 f. m.w.N. 219 Zu dem Zusammenhang von „Entgeltungleichheit und familienbedingter Erwerbsunterbrechung“ Bundesministerium für Senioren, Familie, Frauen und Jugend (Hrsg.), Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern, S. 20 ff.; kritisch zu diesem Argument Sachs, NJW 1989, 553, 557, der die Berücksichtigung der Kindererziehung deshalb für nicht überzeugend hält, weil nicht klar sei, weswegen kinderlose Frauen dann von der Förderung profitieren sollten; Krone/Stöbe-Blossey, FPR 2010, 137 ff. 220 Dazu Rieble, RdA 2011, 36 ff. m.w.N. 221 Windel, RdA 2007, 1, 5.

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Symptome eines Nachteils durch positive Maßnahmen zu kompensieren. Dies ist zwar vor allem der Natur sozialer Strukturen geschuldet, deren Komplexität eine eindeutige Aussage über die Kausalzusammenhänge unmöglich macht.222 Wie in der Wertung des § 22 AGG223 zum Ausdruck kommt, sollen die daraus resultierenden Probleme bei der Beweisführung nicht den Opfern diskriminierender Strukturen aufgebürdet werden. Allerdings verhindert dies auch eine Auseinandersetzung mit den wirklichen Ursachen erduldeter Nachteile. Wäre etwa festzustellen, dass die Unterrepräsentation von Frauen in Gewerkschaften vorrangig auf soziale Faktoren zurückzuführen ist224, so diente eine Beseitigung dieser Hemmnisse den Frauen vermutlich weit mehr und nachhaltiger als eine bloße Ergebniskorrektur.225 Zugleich wirkte sich eine gezieltere Nachteilskompensation weniger einschneidend auf die Rechtspositionen der benachteiligten Männer aus. Daneben gibt es eine Reihe weiterer rechtspolitischer Argumente, die am Sinn von Frauenquoten zweifeln lassen. So könnte die Quotierung dazu führen, dass Frauen sich im Zustand künstlicher Gleichstellung einrichten und damit gerade die Durchsetzungsfähigkeit einbüßen, die sie benötigen, um ihre Rechte einzufordern. In diese Richtung geht etwa die häufig gerade von Frauen geäußerte Befürchtung, wegen ihrer Rolle als „Quotenfrau“ von männlichen (und weiblichen) Bewerbern nicht als vollwertig wahrgenommen zu werden.226 Auch wenn es der Sache nach um die Kompensation eines Nachteils geht, kann die Frauenquote daher als ungerechtfertigter Vorteil wahrgenommen werden, der der Akzeptanz von Frauen mehr Schaden zufügen kann als dass er ihnen nützt. Allerdings ist diese Stigmatisierung der „Quotenfrau“ vorrangig ein Wahrnehmungsproblem. Die Quotierung dient eben nicht der Bevorzugung, sondern der Kompensation von Nachteilen. Dieses Missverständnis kann den strukturell Benachteiligten nicht angelastet werden. Es ist jedenfalls nicht rechtserheblich. Aus historischer Sicht ist an der strukturellen und gezielten Benachteiligung der Frauen nicht zu zweifeln. Auch ein Nachwirken bestehender Ressentiments und

222

Rieble, RdA 2011, 36, 39 m.w.N. Zum Zweck der Vorschrift des § 22 AGG Däubler/Bertzbach/Bertzbach, § 22 AGG Rn. 4 ff. 224 So Holst/Wiemer, Zur Unterrepräsentanz von Frauen in Spitzengremien der Wirtschaft – Ursachen und Handlungsansätze, S. 7 in Bezug auf Führungspositionen in Wirtschaftsunternehmen – m.w.N. 225 Wobei sich etwa bei Frauen begünstigenden Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie die Frage stellt, ob diese Maßnahmen nicht zu einer Verfestigung der Geschlechterverhältnisse führen, so Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 37. 226 Exemplarisch die Diskussion über die Einführung einer Frauenquote in der CSU, dazu Mühl, Wer’s braucht, FAZ vom 14.12. 2010, abrufbar im Internet unter http://www.faz.net/ak tuell/feuilleton/debatten/frauenquote-in-der-csu-wer-s-braucht-1575726.html; siehe auch die Befürchtungen von Kempter, ZRP 2011, 219, der für Unternehmen bei Einführung einer Frauenquote die Gefahr sieht, dass es auf das Leistungsprinzip faktisch nicht mehr ankommt. 223

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struktureller Nachteile ist glaubhaft.227 Allerdings drängt sich hier die Frage auf, ob die Nachteile für Frauen tatsächlich in korrekturbedürftiger Weise gesellschaftlich konserviert sind, oder ob sich Frauen nicht auch aus eigener Kraft von derartig nachwirkenden Zwängen befreien können. Vieles spricht dafür, so etwa der deutlich verbesserte Ausbildungshintergrund junger Frauen und Mädchen, die in vielen Bereichen ihre männlichen Altersgenossen anscheinend bereits hinter sich gelassen haben.228 Freilich gilt hier die ebenso pointierte wie inhaltlich richtige Feststellung Sacksofskys, angesichts konkreter Nachteile spiele es keine Rolle, dass „doch alles schon deutlich besser als früher“ sei.229 Allenfalls stellt sich hier die rechtspolitische Frage, ob Quotenregelungen angesichts gesellschaftlich erstarkender Frauen notwendig sind. c) Bedeutung der Selbsteinschätzung der Gewerkschaften Weiterhin gehen die Gewerkschaften selbst von Nachteilen aus, die sie durch die Quote zu kompensieren versuchen.230 Allerdings ist zweifelhaft, ob es auf die Selbsteinschätzung der Gewerkschaften ankommen kann. Hilfreich ist hier ein perspektivischer Wechsel: § 5 AGG ist vorrangig kein Instrument zur Verbesserung der Situation einer bestimmten Gruppe231, sondern ein Rechtfertigungsgrund für grundsätzlich unzulässige Benachteiligungen.232 Auf die Selbsteinschätzung der Gewerkschaften abzustellen hieße daher, das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes von den Behauptungen des Diskriminierenden abhängig zu machen. Das Gesetz trifft daher eine eindeutige Anordnung: Gemäß § 22 AGG trägt der Benachteiligende die Beweislast dafür, „dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat“. Prozessual trifft den Beklagten die

227 Stiegler, Das Geschlecht als Bremse?: Lebenswirklichkeit junger Frauen und gewerkschaftliche Organisation, S. 30 ff. 228 Siehe beispielsweise den Beitrag „Mädchen beim Abi vorn“ der Frankfurter Rundschau vom 6.2. 2010 zum höheren Anteil junger Frauen an der Gesamtzahl der Abiturienten in Hessen im Jahr 2009, abrufbar im Internet unter http://www.fr-online.de/rhein-main/hessens-schulab gaenger-maedchen-beim-abi-vorn,1472796,2714006.html; oder der Beitrag von SPIEGEL Online vom 12.3. 2009 zu benachteiligenden Strukturen für Jungen in Kindertagesstätten und Grundschulen, abrufbar im Internet unter http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/ 0,1518,612997,00.html. 229 Sacksofsky, ZESAR 2004, 208, 212. 230 Darauf deuten neben der Tatsache, dass überhaupt eine Quote angestrebt wird, die Formulierungen in den Satzungen hin, in denen die Gleichstellung oder Gleichberechtigung von Frauen und Männern als Ziel formuliert wird, siehe etwa § 5 Nr. 2 der Satzung ver.di in der Fassung vom 30. September 2009. 231 Diese Funktion hat die Vorschrift freilich auch, dazu Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 1 ff. m.w.N. 232 Bauer/Göpfert/Krieger, § 5 AGG Rn. 1.

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Beweislast für den Nachweis einer Rechtfertigung nach § 5 AGG.233 Im Rahmen der freien Beweiswürdigung gem. § 286 Abs. 1 ZPO234 muss der Richter daraufhin zu dem Ergebnis kommen, dass ein Nachteil wegen des Geschlechts gegeben ist und die sonstigen Voraussetzungen des Rechtfertigungsgrundes vorliegen. Die Selbsteinschätzung der Gewerkschaften ist daher nicht bedeutungslos. Auf die bloße Behauptung, die gewerkschaftsinternen Strukturen führten zu Nachteilen für Frauen, kommt es aber nicht entscheidend an. Andererseits gibt es keinen Grund, an den Ausführungen der Gewerkschaften zu zweifeln. Sie sind nicht verdächtig, gezielt männerdiskriminierende Maßnahmen zu ergreifen, die durch die Frauenquote lediglich kaschiert werden sollen. Im Übrigen lässt sich die Bewertung der Gewerkschaften im Einzelfall mit dem statistischen Befund zur Unterrepräsentation untermauern. Hinzu kommen die vom EuGH angenommenen strukturellen, typisierten Nachteile. Daher ist die Annahme eines Nachteils wegen des Geschlechts bei einer Unterrepräsentation der Frauen nach den Maßstäben der freien Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO235 grundsätzlich plausibel. d) Erfolgreiche Nachteilskompensation als Argument gegen einen Nachteil? Besondere Schwierigkeiten bei der Beweisführung ergeben sich daraus, dass eine einmal eingeführte kompensatorische Maßnahme für die Zukunft verlässliche Aussagen über fortwirkende Nachteile erschwert. Deutlich wird dies am Beispiel der IG Metall. Die Gewerkschaft hatte Ende 2010 einen Anteil weiblicher Mitglieder von 17,7 Prozent.236 Die satzungsmäßige Quotenregelung sieht eine Mindestrepräsentation weiblicher Mitglieder in den Gewerkschaftsgremien entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtmitgliederzahl vor.237 Diese Quote wurde in der Gewerkschaft im Jahr 2008 bzw. Ende 2010 in allen Gremien übererfüllt – mit Ausnahme des Kontrollausschusses, in dem die Quote nicht erreicht wurde.238 Ist daraus zu schließen, dass es einer Quote in der IG Metall mangels Nachteils nicht (mehr) bedarf?

233

Bauer/Göpfert/Krieger, § 5 AGG Rn. 4. Zur Einschlägigkeit des Maßstabs des § 286 ZPO Bauer/Göpfert/Krieger, § 22 AGG Rn. 11; Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 67. 235 Zur Anwendbarkeit dieses Maßstabs Bauer/Göpfert/Krieger, § 22 AGG Rn. 11. 236 IG Metall Vorstand (Hrsg.), Frauen und Männer in der IG Metall – Genderbericht der IG Metall 2011, S. 12. 237 § 13 Satzung IG Metall in der Fassung vom 8. Januar 2008. 238 IG Metall Vorstand (Hrsg.), Frauen und Männer in der IG Metall – Genderbericht der IG Metall 2011, S. 12. 234

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Grundsätzlich ist es denkbar, dass eine Maßnahme einen Nachteil nicht nur kompensiert, sondern ihn nachhaltig beseitigt. Deshalb lässt sich die Situation in der IG Metall grundsätzlich so interpretieren, dass die Gleichberechtigung in der Gewerkschaft verwirklicht ist. Allerdings schließt die Manipulation durch die Quotenregelung die Vergleichbarkeit der statistischen Werte aus. Der Schluss von der Überrepräsentation auf das Fehlen eines Nachteils geht daher fehl. Damit steht der Rechtsanwender freilich vor einem Dilemma: Die einmal eingeführte positive Maßnahme erschwert oder verhindert die verlässliche Aussage darüber, ob es der Nachteilskompensation noch bedarf. Fraglich ist, zu wessen Lasten sich diese Ungenauigkeit in der Beweisführung auswirken soll. Legt man die Rechtsprechung des EuGH zu strukturellen, typisierten Nachteilen zugrunde, die sich in der Unterrepräsentation lediglich ausdrücken, dann ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Frauen latent benachteiligt sind.239 Dies kommt auch in der Gesetzesbegründung zu § 5 AGG zum Ausdruck.240 Regelmäßig wird daher zu vermuten sein, dass eine positive Maßnahme einen Nachteil lediglich kompensiert, ihn aber nicht dauerhaft beseitigt. Eine vergleichbare Situation besteht hinsichtlich des Verbots des Trucksystems.241 Das BVerfG und das BAG haben anerkannt, dass die Notwendigkeit eines Verbots im Vergleich zur historischen Ausgangslage weit weniger dringlich ist. Dies führt dennoch nicht dazu, dass die Beschränkung unangemessen ist. Es könne nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die gegenwärtige Situation gerade durch die bestehende gesetzliche Regelung bedingt ist und damit ein Wiederaufleben unerwünschter Praktiken zu befürchten ist.242 Im Fall des § 5 AGG ist das Problem zwar etwas anders gelagert, da dort wegen der Großzügigkeit in der Beweisführung die Einschätzungsprärogative über den konkreten Nachteil faktisch an das private Rechtssubjekt delegiert ist. Allerdings ist dieser Unsicherheitsfaktor eines weitgehend unbestimmten Nachteilsbegriffs Teil der gesetzgeberischen Konzeption. Man wird daher – wie im Fall des Truckverbots – davon ausgehen müssen, dass allgemeine strukturelle Nachteile jedenfalls solange vom Gesetzgeber angenommen werden, bis er sich zu einer Neukonzeption des § 5 AGG entschließt. Die dauerhafte Übererfüllung einer ursprünglich zulässigen Quote entkräftet daher nicht die Annahme eines fortbestehenden Nachteils. 239 EuGH vom 17.10. 1995 – C-450/93 („Kalanke“) – NJW 1995, 3109, 3110 „in der sozialen Wirklichkeit bestehende faktische Ungleichheiten“. 240 BT-Drs. 16/1780 S. 20 ff. 241 Zum Trucksystem Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Klebeck/Kolbe, § 107 GewO Rn. 15 ff. 242 BVerfG vom 24.2.1992 – 1 BvR 980/88 – NJW 1992, 2143; BAG vom 20.3.1974 – 5 AZR 351/73 – AP Nr. 1 zu § 115 GewO; BAG vom 6.12.1978 – 5 AZR 436/77 – AP Nr. 4 zu § 115 GewO.

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3. Verhältnismäßigkeit von Quotenregelungen § 5 AGG verlangt, dass die Maßnahme zur Beseitigung von Nachteilen geeignet und angemessen sein muss. Die Frauenquote ist also am Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu messen.243 Diese umfangreiche inhaltliche Überprüfung ist für das Zivilrecht untypisch, das den Privatrechtssubjekten regelmäßig objektive Grenzen setzt und ihnen im Rahmen dieser Grenzen weitgehende Entscheidungsfreiheit belässt.244 Der dem Öffentlichen Recht entliehene Maßstab der Verhältnismäßigkeit geht darüber hinaus.245 Er verlangt neben der grundsätzlichen Geeignetheit einer Maßnahme vor allem deren Erforderlichkeit als mildestes zur Verfügung stehendes wirksames Mittel. Dieses muss schließlich angemessen, also verhältnismäßig im engeren Sinne sein.246 Notwendig ist die Übertragung dieses Maßstabs vor allem wegen europa- und verfassungsrechtlicher Anforderungen an die Ausgestaltung des § 5 AGG.247 Die eigentlich unzulässige Benachteiligung einer Gruppe im Rahmen positiver Maßnahmen ist nur dann zulässig, wenn sie als Ausnahme zum Diskriminierungsverbot nicht willkürlich ist und insbesondere dem Maßstab der Verhältnismäßigkeit genügt.248 Dieser Maßstab ermöglicht eine einzelfallorientierte Interessenabwägung und bildet so die Grundlage der Rechtfertigung eines an sich unerwünschten und unerlaubten Verhaltens.249 a) Strengere Verhältnismäßigkeitsprüfung bei § 5 AGG? Dem Gesetzgeber kommt bei der Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme eine weite Einschätzungsprärogative hinsichtlich des von ihm verfolgten Zwecks zu.250 Ob dies entsprechend für die Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 5 AGG gilt, ist umstritten. Zum Teil wird gefordert, die Prüfung habe „streng“ zu erfolgen251 – freilich ohne näher zu erläutern, was darunter zu verstehen sein soll. Wahrscheinlich steht dahinter der Gedanke, die Zulässigkeit diskriminierenden 243 Bauer/Göpfert/Krieger, § 5 AGG Rn. 12; Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 25 m.w.N. 244 Medicus, AcP 192 (1992), S. 35 – dort insbesondere S. 55 ff. 245 Zum öffentlich-rechtlichen Maßstab der Verhältnismäßigkeit Voßkuhle, JuS 2007, 429 m.w.N. 246 Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 25 ff. 247 Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 25 m.w.N. zu diesen Voraussetzungen. 248 BT-Drs. 16/1780, S. 34; Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 25. 249 MünchKommBGB/Thüsing, § 20 AGG Rn. 12. 250 Ossenbühl, FS Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz I, S. 458 ff. – insbesondere S. 496 ff.; kritisch aus jüngerer Zeit Hillgruber, JZ 2011, 861; jeweils m.w.N. 251 BeckOKArbR/Roloff, § 5 AGG Rn. 4 f.; Kast/Herrmann, BB 2007, 1841, 1846, die die Rechtsprechung des EuGH dahingehend interpretieren, ohne dies allerdings an einer genauen Formulierung zu belegen.

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Verhaltens nicht von der Bewertung demokratisch nicht legitimierter und grundrechtlich nicht gebundener Privatrechtssubjekte abhängig zu machen.252 Daran ist richtig, dass das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 AGG in vollem Umfang der Überprüfung durch den gesetzlichen Richter unterliegt.253 Eine Einschätzungsprärogative im eigentlichen Sinne kommt dem Benachteiligenden daher nicht zu.254 Ob dies allerdings im Ergebnis zu einem wesentlich strengeren Prüfungsmaßstab führt ist zweifelhaft, denn das großzügige Verständnis des „Nachteils“ eröffnet von vornherein einen weiten Anwendungsbereich des § 5 AGG. Wenn nicht einmal eindeutig definiert werden muss, worin der Nachteil seine genaue Ursache hat, dann bedingt dies zwangsläufig ein weites Verständnis der Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme und damit auch der Zweck-Mittel-Relation zur Kompensation dieses Nachteils. b) Geeignetheit Um den Anforderungen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu genügen, muss die Maßnahme geeignet sein, den angestrebten Zweck zu erreichen. Will man die wirksame Beseitigung bestehender Nachteile nicht vereiteln, so wird man keine übermäßig hohen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Eignung stellen dürfen.255 Überzeugend ist es, eine Maßnahme dann für geeignet zu halten, wenn „objektiv die Wahrscheinlichkeit besteht, dass durch die Maßnahme das bezweckte Ziel auch erreicht wird.“256 Eine verbindliche Quotenregelung führt zu einer Erhöhung des Anteils weiblicher Mitglieder in Führungspositionen. Der die Unterrepräsentation bedingende Nachteil wird dadurch kompensiert. Die Quote ist objektiv geeignet. c) Erforderlichkeit Die Quote müsste zur Beseitigung des Nachteils erforderlich sein. § 5 AGG nennt diese Voraussetzung nicht ausdrücklich. Sie ist jedoch allgemein anerkannt.257 Dafür 252

So wohl BeckOKArbR/Roloff, § 5 AGG Rn. 4. Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 67. 254 OVG Berlin-Brandenburg vom 28.6.2010 – 4 S 98/09 – NVwZ-RR 2010, 990, 991; anders BAG vom 19.1. 2011 ¢ 3 AZR 29/09 – NJW 2011, 2538 zur Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien bei der Prüfung einer sachlichen Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts. 255 Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 25. 256 Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 25; Schleusener/Suckow/Voigt/Voigt, § 5 AGG Rn. 19 m.w.N. 257 Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 25; Bauer/Göpfert/Krieger, § 5 AGG Rn. 12; Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 14; Hey/Beitze, §5 AGG Rn. 14; BeckOKArbR/Roloff, § 5 AGG Rn. 5; zur Rechtsprechung des EuGH, der ebenfalls die Erforder253

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spricht schon, dass § 5 AGG die Angemessenheit einer Regelung verlangt. Eine angemessene Zweck-Mittel-Relation setzt aber stets voraus, dass die Betroffenen nicht stärker belastet werden als nötig.258 Die Quotenregelung muss also das mildeste unter mehreren zur Beseitigung des Nachteils gleich wirksamen Mitteln sein.259 Die Prüfung der Erforderlichkeit wird durch den weit gefassten Nachteilsbegriff erschwert. Die statistisch nachgewiesene Unterrepräsentation von Frauen soll ebenso strukturelle Nachteile beweisen können wie zielgerichtete Benachteiligungen oder Mischformen von zielgerichtet und strukturell diskriminierendem Verhalten. Eine Überprüfung der Effektivität alternativer Nachteilskompensation ist allerdings kaum möglich, wenn es auf genaue Kausalzusammenhänge zwischen Nachteil und Diskriminierung nicht ankommt.260 Unmöglich wird dies, wenn anhand statistischer Nachweise lediglich das Symptom eines Nachteils – nämlich die statistische Unterrepräsentation – genügen soll, einen Nachteil zu beweisen. Der weite Nachteilsbegriff eröffnet dann nämlich dem positiv Diskriminierenden faktisch die Deutungshoheit über die (genaue) Ursache des Nachteils. Er muss lediglich anhand einer Statistik beweisen, dass seine Einschätzung plausibel ist.261 Ihm kommt damit faktisch eine ähnlich weite Einschätzungsprärogative zu, wie diese dem Gesetzgeber in ständiger Rechtsprechung durch das Bundesverfassungsgericht zugebilligt wird.262 Gegen diese (Selbst-)Einschätzung lässt sich nur schwer argumentieren. Dies offenbart Mängel in der gesetzgeberischen Konzeption des Antidiskriminierungsrechts: An die Stelle des konkreten Nachteils tritt der pauschalierte strukturelle Nachteil, dessen Vorliegen die Gewerkschaft zur Grundlage und Rechtfertigung ihrer Nachteilskompensation macht. So ist letztlich gar nicht zu sagen, ob es ein milderes Mittel wirklich gibt, da man zwar vordergründig auf den konkreten Nachteil abstellt, tatsächlich aber eine abstrakte Vorstellung von Nachteil zum Bezugspunkt macht, gegen die sich nicht argumentieren lässt. Dies lässt sich auf die Kurzformel bringen: Die Situation von Frauen ist abstrakt „schlimm“ – und dort, wo sich dieser Nachteil im Einzelfall durch Unterrepräsentation offenbart, ist die Situation von Frauen eben konkret „schlimm“. Zur Kompensation dieses „schlimmen“ Nachteils sind dann im Zweifel drastische Maßnahmen erforderlich. Dennoch sind Alternativen zur Frauenquote denkbar. Möglich wäre es, den Status der Frauen durch Information und Überwachung zu verbessern. So kann eine gelichkeit prüft: EuGH vom 19.3. 2002 – Rs. C-476/99 („Lommers“) – NZA 2002, 501, 504; EuGH vom 11.1. 2000 – Rs. C-285/98 („Tanja Kreil“) – NZA 2000, 137, 138. 258 Hey/Beitze, §5 AGG Rn. 14. 259 Bauer/Göpfert/Krieger, § 5 AGG Rn. 14; zum anwendbaren Begriff der Erforderlichkeit im öffentlichen Recht: Maunz/Dürig/Grzeszick, Art. 20 GG Rn. 113 ff. 260 MünchKommBGB/Thüsing, § 5 AGG Rn. 12. 261 Siehe § 3 E. III. 2. a) aa). 262 BVerfG vom 29.7. 1959 – 1 BvR 394/58 – NJW 1950, 1675, 1676; BVerfG vom 18.12. 1974 – 1 BvR 430/65 u. 259/66 – NJW 1975, 1265; BVerfG vom 4. 8. 2000 – 1 BvR 1510/99 – NVwZ 2001, 190, 191.

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gebenenfalls einzurichtende Arbeitsgruppe – ähnlich einer Frauenbeauftragten – über die Situation von Frauen in Gewerkschaften informieren und Vorschläge zur Kompensation von Nachteilen machen. Dies kann zumindest in solchen Gewerkschaften eine Verbesserung der Situation weiblicher Mitglieder mit sich bringen, in denen sich Mehrheiten für eine Frauenquote gefunden haben – hier ist es unter Umständen lediglich fehlendes Problembewusstsein, das die männlich dominierte Gewerkschaftsmehrheit von frauenfreundlicheren Wahlentscheidungen abhält. Unbewusst diskriminierendes Verhalten könnte auf diese Art kompensiert werden. Allerdings haben die Gewerkschaften solche Frauenreferate oder Arbeitsgruppen zur Gleichstellung ohnehin eingerichtet. So gibt es in der Gewerkschaft ver.di u. a. einen „Bereich Frauen und Gleichstellungspolitik“, eine „Bundesfrauenkonferenz“ und einen „Bundesfrauenrat“ – sowie umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit, die einem interessierten Publikum kaum verborgen sein kann.263 Außerdem sind derartig unverbindliche Methoden kaum geeignet, das Problem nachhaltig zu lösen. Jedenfalls in Konfliktsituationen könnten sich diskriminierende Einstellungen Bahn brechen. Außerdem ist das Problem möglicher struktureller Nachteile von Frauen in Beruf und Gesellschaft allgemein bekannt. Es ist daher zweifelhaft, ob allein ein Mangel an Aufklärung den Nachteil von Frauen begründet. Daher fehlt es im Vergleich zur Frauenquote jedenfalls an der gleichen Wirksamkeit. Möglich wäre weiterhin eine Reform des gewerkschaftsinternen Wahlsystems. Organisierte man die Besetzung gewerkschaftlicher Gremien nämlich nach dem System der (personifizierten) Verhältniswahl, so eröffnete dies die Chance die gewerkschaftsinternen pluralistischen Strukturen ohne Quotierung, allein durch freie Wahlen bei der Besetzung von Gremien und Organen abzubilden. Den Frauen wäre es dann freigestellt, den Wahlkampf entsprechend ihrer Vorlieben zu organisieren, frauenspezifische Ziele zu definieren und zu artikulieren und sich schließlich gezielt als Vertreter von Fraueninteressen als Alternative zur Wahl zu stellen. Frauen hätten somit die Möglichkeit, ihren Interessen jederzeit Geltung zu verschaffen. Damit wäre für die Chancengleichheit im Sinne der Gleichberechtigung aus politischer Sicht unter Umständen sogar mehr gewonnen, als durch eine starre Quote erreicht werden kann. Mit einer solchen Reform des Wahlrechts wäre allerdings nicht jeder gesellschaftliche oder soziale Einfluss auf die innerverbandliche Willensbildung aufgehoben. So wäre es beispielsweise möglich, dass viele Frauen – aus welchen Gründen auch immer – nach wie vor ihre Stimme lieber einer männlich dominierten Liste geben. Dies wäre dann zwar Ausdruck einer formell freien Entscheidung der weiblichen Mitglieder, könnte aber dennoch auf strukturellen Nachteilen beruhen, die Frauen etwa vor einer Kandidatur zurückschrecken ließen. Auch könnten sich mögliche tradierte Vorstellungen von der Ungeeignetheit weiblicher Bewerber auf die Wahlentscheidung weiblicher Mitglieder auswirken. Schließlich kompensierte 263

Übersicht im Internet unter http://frauen.verdi.de/frauen_verdi.

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eine Verhältniswahl nicht den Einfluss diskriminierender männlicher Mitglieder – weibliche Bewerber könnten sich dann nämlich nur im Fall eines konzertierten Abstimmungsverhaltens der Frauen gegen ihre männlichen Konkurrenten durchsetzen. Reformen des Wahlrechts sind daher ebenfalls keine gleichwertige Alternative zu einer verbindlichen Frauenquote. Eher kurios ist schließlich das zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 15 BetrVG vorgebrachte Argument, es bedürfe keiner Frauenquote, weil Männer ebenso wie Frauen geeignet seien, die Interessen beider Geschlechter wahrzunehmen. Setzten sich Frauen nicht durch, so hieße dies nicht automatisch, dass ihre Interessen nicht berücksichtigt seien.264 Dies ist grundsätzlich richtig. Es erscheint lebensnah, auch einem Mann die Sachwalterschaft weiblicher Interessen übertragen zu können, ohne pauschal befürchten zu müssen, er nutze diese Position zum Nachteil der Frauen aus.265 Allerdings verkennt diese Ansicht, dass es für die Kompensation eines Defizits an Beteiligung darauf ankommen muss, den Beteiligten selbst die Entscheidung darüber zuzugestehen, wie sie partizipieren wollen. Dies schon allein aus praktischen Gründen: Es ist schlicht nicht feststellbar, wie der Einzelne ein Beteiligungsrecht ausübt, es sei denn, man überlässt ihm selbst die Entscheidung. Jede Aussage darüber, dass Männer wüssten, welche Entscheidung eine Frau an vergleichbarer Stelle getroffen hätte und entsprechend handelten, ist ebenso unmöglich zu belegen, wie die Behauptung, Männer handelten regelmäßig zum Nachteil von Frauen. Mit anderen Worten: Niemand weiß, welche die Interessen von Frauen sind, sofern man sie nicht danach fragt. Außerdem ist es gerade Ausdruck der Privatautonomie, selbst definieren zu können, welches die eigenen Interessen sind – also sich auch solche Positionen zu eigen zu machen, die objektiv nicht im eigenen Interesse sind. Dementsprechend kann niemand sagen, ob Männer objektiv oder subjektiv im Sinne von Frauen handeln. Die Frage, ob die Interessen weiblicher Mitglieder in einem Verband wahrgenommen werden, kann daher nur durch deren gleichberechtigte Partizipation beantwortet werden. Des Weiteren ist es auch für die Partizipation an anderen Prozessen der Willensbildung unerheblich, ob sich ein objektiv richtiges oder interessengerechtes Ergebnis ohne Beteiligung der Normunterworfenen oder vertraglich Gebundenen finden lässt. Es verstieße jedenfalls gegen das Prinzip der Privatautonomie, wollte man eine Person entsprechend objektiver Interessenlagen vertraglich verpflichten, ohne sie an dem Vertragsschluss teilhaben zu lassen266 bzw. gegen demokratische Prinzipien, wollte man von Wahlen absehen, da sich allgemein sagen lasse, was für das Volk die interessengerechte Lösung von Problemen sei.267 Die entscheidende 264

Richardi/Thüsing, § 15 BetrVG Rn. 4. BAG vom 12.11. 1998 – 8 AZR 365/97 – NZA 1999, 371 zur Gleichstellungsbeauftragten; siehe aber BAG vom 18.3. 2010 – 8 AZR 77/09. 266 Zur Entscheidungsfreiheit als Teil der Privatautonomie zum Beispiel BVerfG vom 2.5.1996 – 1 BvR 696/96 – NJW 1996, 2021; Lorenz, NJW 1997, 2578 ff. 267 Pieroth, JuS 2010, 473, 478 ff. zur Freiheit und Gleichheit der Wahl als Teil des Demokratieprinzips. 265

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Frage ist somit, ob Frauen spezifische Nachteile haben, die zu einer Unterrepräsentation führen. Sofern dies der Fall ist, kann dieses Minus an Partizipationsrechten nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass die Frauen im Ergebnis nicht benachteiligt würden, da andere ihre Interessen ebenso gut wahrnehmen können. Auf der Grundlage des pauschalierten Nachteilsbegriffs des § 5 AGG wird man die Frauenquote somit als das mildeste zur Verfügung stehende Mittel zur Kompensation einer Unterrepräsentation ansehen müssen. Sie ist damit im Sinne des § 5 AGG erforderlich. d) Angemessenheit einer relativen verbindlichen Quotenregelung Eine Quotenregelung muss schließlich eine im Sinne des § 5 AGG „angemessene“ Maßnahme sein. aa) „Chancengleichheit“ als Maßstab der Angemessenheit Entscheidend sind dabei letztlich die Umstände des Einzelfalles.268 In der Literatur wird versucht, dem Bedürfnis der Praxis nach objektiven Maßstäben durch einen Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH Rechnung zu tragen.269 Ausgehend von seiner zurückhaltenden Entscheidung „Kalanke“ aus dem Jahr 1995270 hat der EuGH Frauenquoten in einer Reihe von Entscheidungen für grundsätzlich zulässig erachtet.271 Demnach sind Frauenquoten bei der Einstellung zum öffentlichen Dienst zulässig, sofern sie der Kompensation einer Unterrepräsentation dienen und die Möglichkeit zur abweichenden, insbesondere leistungsabhängigen Differenzierung im Einzelfall eröffnen. Unangemessen ist es, Frauen ohne Berücksichtigung ihrer Qualifikation männlichen Mitbewerbern vorzuziehen.272

268 Schleusener/Suckow/Voigt/Voigt, § 5 AGG Rn. 22; Bauer/Göpfert/Krieger, § 5 AGG Rn. 15; Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 28. 269 Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 32 ff.; MünchKommBGB/Thüsing, § 5 AGG Rn. 17 f. 270 EuGH vom 17.10. 1995 – C-450/93 – NZA 1995, 1095; Schmidt, NJW 1996, 1724. 271 EuGH vom 11.11. 1997 – C-409/95 („Marschall“) – NJW 1997, 3429; EuGH vom 28.3. 2000 – C-158/97 („Badeck“) – NZA 2000, 473; EuGH vom 6.7. 2000 – C-407/98 („Abrahamsson“) – NZA 2000, 935; EuGH vom 19.3. 2002 – C-476/99 („Lommers“) – NZA 2002, 501; Dazu Burg, Positive Maßnahmen zwischen Unternehmerfreiheit und Gleichbehandlung, S. 80 ff. 272 EuGH vom 11.11. 1997 – C-409/95 („Marschall“) – NJW 1997, 3429; EuGH vom 28.3. 2000 – C-158/97 („Badeck“) – NZA 2000, 473; EuGH vom 6.7. 2000 – C-407/98 („Abrahamsson“) – NZA 2000, 935; EuGH vom 19.3. 2002, C-476/99 („Lommers“) – NZA 2002, 501; MünchKommBGB/Thüsing, § 5 AGG Rn. 17.

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Das Gericht betont unter Verweis auf die maßgebliche Richtlinie273, dass Maßnahmen nur dann angemessen seien, wenn sie der Förderung oder Verwirklichung von „Chancengleichheit“ dienten.274 Die Grenze der Angemessenheit einer Frauenquote ist also dort erreicht, wo eine Maßnahme nicht mehr darauf gerichtet ist, ein Defizit zu kompensieren, sondern den Frauen einen Vorteil zu verschaffen, der über die Kompensation des Nachteils hinaus geht. Dies sei bei der Einstellung der Fall wenn Frauen allein wegen ihrer Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht, ohne Rücksicht auf ihre Qualifikation bevorzugt werden.275 Fraglich ist allerdings, inwieweit sich die Aussagen des EuGH abstrahieren lassen. Abgesehen vom Maßstab konkreter Fallbeispiele ist nämlich mit der Rechtsprechung zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Quotenregelungen und der Erfordernis der Ausnahme im Einzelfall zunächst wenig gewonnen. Der EuGH bringt damit nämlich lediglich zum Ausdruck, dass ein Nachteil nicht überkompensiert werden darf, dass bei steigender Intensität der Belastung intensiverer Ausgleichsmechanismen erforderlich sind und dass es auf die Abwägung der konkreten Umstände ankommt. Dies gilt freilich für jede Verhältnismäßigkeitsprüfung und bringt die Diskussion in Bezug auf Grenzbereiche nicht entscheidend voran. bb) Probleme bei der Übertragung des Maßstabs der Chancengleichheit auf die Situation in den Gewerkschaften Hinzu kommt, dass sich die Rechtsprechung des EuGH nicht ohne Friktionen auf die Situation in den Gewerkschaften übertragen lässt. Problematisch ist, dass das Kriterium der einzelfallbezogenen Rücksichtnahme auf Qualifikationen für die Bewerbung auf Posten und Funktionen in den Gewerkschaften nicht passt. Die Gewerkschaftsmitglieder sind nämlich im Rahmen der gewerkschaftlichen Vorschriften über das passive Wahlrecht alle grundsätzlich gleich gut für ein Amt qualifiziert.276 Jedenfalls formal lässt sich per se kein Unterschied zwischen den Bewerbern benennen. Das eigentliche Urteil über die (materielle) Qualifikation eines Bewerbers soll gerade durch die Wahlentscheidung getroffen werden. Dieser Entscheidungsprozess wird indes durch eine verbindliche Quotenregelung beeinflusst. Im Rahmen demokratisch organisierter Auswahlentscheidungen steht eine Frauenquote also zwangsläufig einem formal verstandenen 273

EGV).

Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie 76/207/EWG; siehe auch Art. 157 AEUV (ex-Art. 141

274 EuGH vom 19.3. 2002 – Rs. C-476/99 („Lommers“) – NZA 2001, 501 503; EuGH vom 11.11. 1997 – C-409/95 („Marschall“) – NJW 1997, 3429, 3430; EuGH vom 6.7. 2000 – C-407/ 98 („Abrahamsson“) – NZA 2000, 935, 938; EuGH vom 28.3. 2000 – C-158/97 („Badeck“) – NZA 2000, 473, 475. 275 EuGH vom 17.10,1995 – C-450/93 („Kalanke“) – NJW 1995, 3109 ff. 276 Beispiel § 17 Nr. 7 der Satzung der IG Metall in der Fassung vom 1.1. 2008, der das passive Wahlrecht zu Bezirkskonferenzen einzig von einer 36 monatigen Gewerkschaftszugehörigkeit abhängig macht.

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Leistungsprinzip entgegen.277 Eine Frauenquote zur Einflussnahme auf gewerkschaftsinterne demokratische Entscheidungen ist also nur dergestalt denkbar, dass es auf Erwägungen zur Qualifikation eines Bewerbers gerade nicht ankommen kann. Alleiniges Differenzierungsmerkmal ist somit das Geschlecht. Dies ist aber eine Quotengestaltung, die bei der Auswahl von Bewerbern für ein Anstellungsverhältnis gerade unzulässig sein soll.278 Möglicherweise lässt sich eine Frauenquote dennoch mit dem Erfordernis der Rücksichtnahme auf individuelle Qualifikationen vereinen. Denn durch eine (angemessene) Quotenregelung könnte nicht die fehlende Eignung kompensiert werden, sondern die durch strukturelle Nachteile hervorgerufene schlechtere Ausgangssituation weiblicher Bewerber. Diejenigen weiblichen Mitglieder, die von der Quotenregelung profitieren, verdrängen demnach ihre männlichen Mitbewerber nicht, obwohl diese besser geeignet sind, sondern weil sie sich ohne den Nachteil gegen ihre Mitbewerber durchgesetzt hätten. Sofern die Quotenregelung also der Nachteilskompensation dient, könnte durch die Frauenquote das Leistungsprinzip überhaupt erst verwirklicht werden.279 Allerdings führt diese Betrachtung nicht weiter. Angesichts des weiten Nachteilsbegriffs lässt sich nämlich der genaue Zusammenhang zwischen dem zu kompensierenden Nachteil und dem Leistungsgefälle nicht feststellen. Eine solche Betrachtungsweise ist daher auf die Fiktion einer idealtypischen Nachteilskompensation angewiesen. Dies führt zu einer abstrakten Vorstellung von Leistung und Nachteil, die der nach dem Maßstab der Verhältnismäßigkeit geforderten Einzelfallbetrachtung nicht gerecht wird. Dennoch steht das Leistungsprinzip der Einführung einer Frauenquote nicht entgegen. Und zwar deshalb, weil auch die durch die individuelle Wahlentscheidung angenommene besondere Leistungsfähigkeit eines Bewerbers letztlich nur Fiktion ist. Eine Wahl zeichnet sich nämlich gerade dadurch aus, dass es auf eine objektivierbare Qualifikation des Bewerbers nicht ankommt. Die Wahlentscheidung kann willkürlich getroffen werden. Weder muss ein Bewerber eine besondere Qualifikation beibringen, noch setzt sich automatisch derjenige durch, der über die bessere fachliche Eignung verfügt. Zugespitzt ließe sich sagen, dass es auf Leistung bei der Wahlentscheidung gerade nicht ankommt. Insoweit ähnelt eine Quotenregelung der Wahlentscheidung: beide Methoden zur Besetzung einer Stelle sind von dem Prinzip getragen, dass es nicht auf die bessere Qualifikation eines Bewerbers ankommt, sondern darauf, welche Funktion für eine bestimmte Person oder Personengruppe gewünscht ist. 277 Ähnlich Pfarr, NZA 1995, 809, 812, die in einer Quote allerdings eine für die Einstellung zum öffentlichen Dienst zulässige Modifikation des Leistungsprinzips sieht; so auch Pfarr/Fuchsloch, NJW 1988, 2201, 2205 f. 278 Siehe § 2 E. III. 3. d) aa). 279 Ähnlich Fuchsloch, NVwZ 1991, 442, die auf Verzerrungen des Leistungsprinzips durch diskriminierendes Verhalten hinweist.

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Auf das Leistungsprinzip im engeren Sinne kommt es bei der Wahlentscheidung nicht an. Dementsprechend kann auch die Zulässigkeit einer Frauenquote nicht allein daran scheitern, dass eine Frau einen eventuell besser qualifizierten Mann verdrängt. Insoweit ist die Rechtsprechung des EuGH zum Erfordernis der Chancengleichheit an die Situation in den Gewerkschaften anzupassen. Lässt man mit dieser Prämisse eine relative verbindliche Frauenquote zu, dann ist freilich der Unterschied zwischen Ergebnisgleichheit und Chancengleichheit faktisch eingeebnet.280 cc) Reduzierte Anforderungen an die Angemessenheit im „Vorfeld des Zugangs zum Arbeitsmarkt“? Bei der Frage des Angemessenheitsmaßstabs sind möglicherweise gewerkschaftliche Besonderheiten zu beachten, die einen weniger strengen Prüfungsmaßstab bedingen. Auf das Leistungsprinzip käme es dann nicht entscheidend an. In der Literatur wird vertreten, dass Frauenquoten in Gewerkschaften vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH unproblematisch durch § 5 AGG gerechtfertigt seien. Dies schon deshalb, weil durch die Quotenregelung das „Vorfeld des Zugangs zum Arbeitsmarkt und der Gleichberechtigung bei der Beschäftigung“ berührt sei, weswegen ein großzügiger Angemessenheitsmaßstab angelegt werden müsse.281 Das Argument wird auf die Entscheidung „Badeck“ des EuGH gestützt, in der Quoten für die Besetzung von Ausbildungsstellen in großzügigerem Umfang für angemessen erachtet wurden als bei sonstigen Auswahlentscheidungen.282 Dies vermag nicht zu überzeugen. So ist nicht einleuchtend, warum ein strenger Diskriminierungsschutz nur auf den Bereich des Arbeitsverhältnisses beschränkt sein soll – aus dem AGG lässt sich eine dahingehende Differenzierung jedenfalls nicht entnehmen. Sie erklärt sich auch nicht aus einer besonderen Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers infolge gestörter Vertragsparität oder einer besonderen existentiellen Bedeutung des Arbeitsverhältnisses, denn auch das sonstige Zivilrecht kann besondere – existentielle – Bedeutung für den Einzelnen erlangen, zumal es gerade Ausdruck der Privatautonomie ist, einem objektiv bedeutungslosen Sachverhalt besondere Bedeutung beizumessen. Im Übrigen berührt die gewerkschaftliche Betätigung keineswegs nur das „Vorfeld“ der Arbeitsbedingungen, denn die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ist Voraussetzung für eine Bindung an den Tarifvertrag und die individuellen Einflussmöglichkeiten auf die Tarifwillensbildung und den Tarifabschluss berühren 280

Ähnlich Sacksofsky, ZESAR 2004, 208, die auf die geringen praktischen Unterschiede zwischen Chancen- und Ergebnisgleichheit und Gleichstellung hinweist – ohne daraus die Unangemessenheit solcher Maßnahmen zu folgern. 281 Schieck/Kocher, § 18 AGG Rn. 13. 282 EuGH vom 28.3. 2000 – Rs. C-158/97 („Badeck“) – NZA 2000, 473.

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ganz unmittelbar die Frage der Gestaltung von Arbeitsbedingungen.283 Da Gewerkschaften jedenfalls regelmäßig auf den Abschluss von Tarifverträgen hinarbeiten, kann nicht pauschal von einer durch Ferne zum Arbeitsleben begründeten Großzügigkeit bei der Angemessenheit benachteiligender Gewerkschaftssatzungen ausgegangen werden. Schließlich überzeugt das Argument auch deshalb nicht, weil die Erwartungshaltung, diskriminierungsfrei einen Arbeitsplatz zu erlangen zunächst nicht mehr ist als eben bloße Erwartung, wohingegen durch eine benachteiligende Gestaltung von Mitgliedschaftsrechten eine konkrete Rechtsposition geschmälert wird. Wenn überhaupt, so ließe sich argumentieren, dass Diskriminierungen beim Beitritt zu einem Verein eher angemessen sind, als Diskriminierungen im Vorfeld der Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Dies gilt aber in keinem Fall pauschal, sondern ist eine Frage einzelfallbezogener Verhältnismäßigkeit. dd) Angemessenheit und „Frauengewerkschaften“ Eine Besonderheit sind so genannte Frauengewerkschaften, die als Vereinigungen „deren Hauptziel es ist, dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in der Praxis Geltung zu verschaffen“284 ihre Mitgliedschaft zulässigerweise auf Frauen beschränken.285 Daraus folgt allerdings nicht die Rechtfertigung einer Quote als Minus zum Ausschluss der Männer von der Mitgliedschaft. Die Ausnahme von der Gleichbehandlung beim Zugang zu einem Verband gründet nämlich auf dem Gedanken, dass sich frauenspezifische Interessen definieren lassen, die eines abgeschirmten Diskussionsraumes bedürfen und eine konzertierte und unverfälschte – parteiische – Einflussnahme der Frauen ermöglichen.286 Dies ist bei den DGB-Gewerkschaften ebenso wenig der Fall, wie bei den so genannten Spartengewerkschaften. Sie haben sich anderen Zielen gewidmet und bedürfen daher anderer Organisationsstrukturen. Außerdem gibt es auch einen qualitativen Unterschied zwischen der Beschränkung der Beitrittsfreiheit und der Ungleichbehandlung der Mitglieder. Männer sind im Fall der Frauengewerkschaft zwar von den Leistungen des Verbandes ausgeschlossen, sie sind aber zumindest nicht einer diskriminierenden Verbandsgewalt unterworfen, die ihnen Beitrags- und Solidaritätspflichten287 abverlangt.

283 Allgemein zur Bindung des Gewerkschaftsmitglieds an einen Tarifvertrag Löwisch/ Rieble, § 3 TVG Rn. 74 ff. 284 Erwägungsgrund 7 der Richtlinie 2002/73/EG. 285 Schiek/Schiek § 5 AGG Rn. 14 und § 18 AGG Rn. 13. 286 Riesenhuber/Franck, JZ 2004, 529, 530. 287 Eingehend zu den Pflichten des Mitglieds Lutter, AcP 180 (1980), 85, 102 ff.

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ee) Frauenquoten als angemessenes Instrument zur Verwirklichung von Chancengleichheit Damit verbleibt es bei der Ausgangsfrage, ob Frauenquoten den allgemeinen Angemessenheitsmaßstäben des durch das Europarecht konkretisierten § 5 AGG genügen. Der EuGH hat sich mit dieser speziellen Frage bislang nicht befasst. Maßstäbe zur Angemessenheit von leistungsunabhängigen Quotenregelungen lassen sich jedoch der Rechtsprechung des BAG entnehmen. Das Gericht hat sich in einem Beschluss vom 16.3. 2005 mit der Zulässigkeit der Regelung zur Beteiligung des in der Minderheit befindlichen Geschlecht nach § 15 Abs. 2 BetrVG auseinandergesetzt.288 Die Regelung verlangt, dass in einem Betriebsrat mit mindestens drei Mitgliedern das Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, mindestens entsprechend seines Anteils an der Belegschaft im Betriebsrat vertreten sein muss. Die Wirksamkeit der Wahl war mit dem Argument angezweifelt worden, die Quotenregelung des § 15 Abs. 2 BetrVG sei verfassungswidrig, da sie gegen demokratische Prinzipien und den Gleichheitssatz verstoße. Dies entspricht einer in der Literatur verbreiteten Ansicht.289 Jedenfalls sei die durch § 15 Abs. 5 Nr. 2 Satz 1 WO vorgenommene Konkretisierung des § 15 Abs. 2 BetrVG nicht verhältnismäßig, da die Erfüllung der Mindestquote auch durch eine „ausschließlich listeninterne Sitzverschiebung“290 erreicht werden könne. Das BAG setzt sich in seinem Beschluss mit der Zulässigkeit von Quotenregelungen auseinander und misst sie insbesondere an grundrechtlichen Garantien. Dabei erörtert das BAG die Frage, ob die Regelung des § 15 Abs. 2 BetrVG durch das in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG normierte Gebot der Förderung der „tatsächliche[n] Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen“ gerechtfertigt ist. Dies bejaht das Gericht ausdrücklich. Es hält dabei den § 15 Abs. 2 BetrVG – trotz der geschlechtsneutralen Formulierung – für eine vor allem Frauen begünstigende Regelung. Weiterhin sieht das Gericht in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG einen echten Rechtfertigungsgrund, der dem Gesetzgeber Abweichungen vom Gebot der Gleichbehandlung erlaube, wenn dies dazu diene, „faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, durch begünstigende Regelungen auszugleichen.“291 Zweck des § 15 Abs. 2 BetrVG sei es, die vom Gesetzgeber erkannten frauenspezifischen Nachteile bei der Besetzung des Betriebsrats zu beseitigen, bzw. den eventuell erreichten Einfluss zu sichern. Dies diene insoweit den spezifisch weiblichen Interessen, als davon auszugehen sei, dass weibliche Betriebsratsmitglieder 288

BAG vom 16.3.2005 – 7 ABR 40/04 – NZA 2005, 1253. Rieble, ZIP 2001, 133, 141; Hanau, RdA 2001, 65, 70 es könne „das Verdikt nur einheitlich auf verfassungswidrig lauten“; Ubber/Weller, NZA 2004, 893; a.A. Brors, NZA 2004, 472. 290 BAG vom 16.3.2005 – 7 ABR 40/04 – NZA 2005, 1253. 291 BAG vom 16.3.2005 – 7 ABR 40/04 – NZA 2005, 1253, 1256. 289

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sich zumindest eher für die Belange weiblicher Belegschaftsangehöriger einsetzen werden.292 Eine entsprechende Prognose hält das Bundesarbeitsgericht mit Blick auf die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers für plausibel.293 Schließlich genüge es für die Annahme eines zu kompensierenden Nachteils, wenn Frauen bzw. Angehörige des Minderheitengeschlechts in einem Bereich „bislang typischerweise unterrepräsentiert sind.“294 Die anschließende Prüfung der Verhältnismäßigkeit fällt knapp aus. Vor allem geht es um die durch § 15 Abs. 5 Nr. 1 und 2 WO erfolgte Konkretisierung des § 15 Abs. 2 BetrVG, die das Gericht im Ergebnis für erforderlich hält. Dabei sind vor allem die Ausführungen zur Erforderlichkeit des § 15 Abs. 5 Nr. 2 WO für die vorliegende Arbeit interessant. Die Vorschrift ordnet einen „Listensprung“ für den Fall an, dass auf einer Liste nicht genügend dem Minderheitengeschlecht angehörende Bewerber zu finden sind, um die durch § 15 Abs. 2 BetrVG geforderte Quote zu erfüllen. Faktisch läuft dies auf eine Benachteiligung solcher Listen hinaus, die nicht genügend Angehörige des Minderheitengeschlechts aufstellen, um der Quote Rechnung zu tragen. Das LAG Köln hatte diese Regelung in der Vorinstanz für nicht erforderlich gehalten, weil den Interessen des Minderheitengeschlechts grundsätzlich auch durch einen listeninternen Geschlechtertausch Rechnung getragen werden könne.295 Diese Ansicht wird vom BAG nicht geteilt. Das vom LAG vorgeschlagene Prozedere sei deshalb kein milderes Mittel, weil der Gesetzgeber gezielt darauf habe hinwirken wollen, dass schon bei der Besetzung der Listenplätze Angehörige des Minderheitengeschlechts angemessen berücksichtigt werden. Dies sei aber nur zu erreichen, wenn für den Fall einer listenmäßigen Unterrepräsentation durch den Listensprung konkrete Nachteile für den Wahlerfolg einer Liste zu befürchten seien.296 Das BAG hält diese Regelung im Übrigen für angemessen, bleibt eine echte Verhältnismäßigkeitsprüfung indes schuldig. Die Abwägung erschöpft sich im Wesentlichen in der Formulierung, eine mögliche Ungleichbehandlung der Geschlechter sei mit Blick auf Art. 3 Abs. 2 GG „zur Verwirklichung des Gleichberechtigungsgebots gerechtfertigt.“297 Dabei nimmt das BAG Bezug auf die europarechtlichen Vorgaben zu positiven Maßnahmen. Die Regelung der § 15 Abs. 2 BetrVG und ihre Ausgestaltung durch § 15 Abs. 5 Nr. 1 und 2 WO soll auch diesen Vorgaben genügen, die das BAG in ihrem Regelungsgehalt als offenbar grundsätzlich deckungsgleich mit den Vorgaben

292 293 294 295 296 297

BAG vom 16.3.2005 – 7 ABR 40/04 – NZA 2005, 1253, 1256. BAG vom 16.3.2005 – 7 ABR 40/04 – NZA 2005, 1253, 1256. BAG vom 16.3.2005 – 7 ABR 40/04 – NZA 2005, 1253, 1258. LAG Köln vom 31.03. 2004 – 3 TaBV 12/03 – Juris. BAG vom 16.3.2005 – 7 ABR 40/04 – NZA 2005, 1253, 1256. BAG vom 16.3.2005 – 7 ABR 40/04 – NZA 2005, 1253, 1258.

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des Art. 3 Abs. 2 GG ansieht. Jedenfalls diene eine Minderheitengeschlechtsquote der „Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen.“298 Dieser Rechtsprechung des BAG lassen sich zwar Eckpunkte zur Zulässigkeit von Frauenquoten entnehmen. Eine tiefergehende Begründung bleibt das Gericht hingegen schuldig. Im Wesentlichen beschränkt es sich darauf, die Regelung für zulässig zu erklären, ohne genau zu erläutern, warum dies der Fall ist und welche Ausgestaltung einer Quote demnach unangemessen wäre. Der geringe Begründungsaufwand ist gleichwohl aufschlussreich. Das Gericht geht offenbar davon aus, dass eine entsprechende Quotenregelung unproblematisch durch Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt ist und mit europarechtlichen Vorgaben im Einklang steht. Diese Rechtsprechung zu Quotenregelungen ist deshalb nicht ohne Weiteres auf § 5 AGG übertragbar, weil sich Art. 3 GG an den Gesetzgeber richtet und – wenn überhaupt – grundsätzlich allein diesen zu Ungleichbehandlungen ermächtigt. § 15 Abs. 2 BetrVG ist folglich an einem anderen Maßstab zu messen als privatrechtlich vereinbarte oder vorgeschriebene Frauenquoten. Allerdings deuten die Ausführungen des BAG zur Vereinbarkeit seiner Rechtsauffassung mit den europarechtlichen Vorgaben darauf hin, dass das Gericht auch nach Maßgabe des § 5 AGG in Bezug auf die Gewerkschaften zu keinem wesentlich anderen Ergebnis gekommen wäre. Dies ist angesichts der weit verstandenen Begriffe des Nachteils und der Chancengleichheit überzeugend. Trotz der genannten Bedenken hinsichtlich der gesetzlichen Regelung lassen sich § 5 AGG und die europarechtlichen Vorgaben kaum anders interpretieren, als dass sie die Einführung von Quotenregelungen ermöglichen sollten. Der Gedanke der Chancengleichheit wirkt nur insoweit begrenzend, als er den Mitgliederanteil der Frauen als Bezugsgröße kompensatorischer Maßnahmen definiert. Wenn Frauen in Gewerkschaften einen Nachteil erleiden, der es ihnen im Verhältnis zu ihren männlichen Mitbewerbern erschwert, Zugang zu einem Gewerkschaftsamt zu erhalten, so ist die relative Quotierung zugunsten weiblicher Mitglieder kein Instrument der Bevorzugung, sondern schafft gleiche Voraussetzungen. Indem Frauen entsprechend ihrer Mitgliederzahl Zugang zu Gewerkschaftsämtern ermöglicht wird, wird der durch den Nachteil bedingte Unterschied nivelliert. Damit wird zwischen Männern und Frauen ein Gleichgewicht hergestellt, das eine gleichberechtigte Entfaltung innerhalb des Verbandes ermöglicht. Eine relative verbindliche Quote, die sich an dem Anteil weiblicher Gewerkschaftsangehöriger an der Gesamtmitgliederzahl orientiert, ist damit angemessen.

298

BAG vom 16.3.2005 – 7 ABR 40/04 – NZA 2005, 1253, 1258.

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ff) Keine Notwendigkeit zur geschlechtsneutralen Formulierung Weiterhin stellt sich die Frage, ob die Quote nicht deshalb unangemessen ist, weil sie weniger belastungsintensiv geschlechtsneutral formuliert werden könnte. Denkbar wäre eine Quotierung für Angehörige des Minderheitengeschlechts, wie sie in § 15 BetrVG geregelt ist, so dass Männer wie Frauen gleichermaßen in den Genuss einer solchen Regelung kommen können. Das BAG stellt dazu immerhin heraus, dass die geschlechtsneutrale Formulierung des § 15 Abs. 2 BetrVG der Durchsetzung tatsächlicher Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern diene.299 Dies darf allerdings nicht überbewertet werden. Zum Einen sagt das Gericht nicht, dass eine nicht geschlechtsneutral verfasste Quotenregelung stets unverhältnismäßig wäre. Außerdem erkennt es, dass die Quote faktisch vor allem Frauen privilegiert und privilegieren soll und sieht dies offenbar nicht als Hindernis an.300 Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Benachteiligungen nach § 5 AGG nur dann gerechtfertigt sein können, wenn sie der Kompensation eines Nachteils dienen. Eine geschlechtsneutrale Quote, die Männer unabhängig von einem konkreten Nachteil privilegiert, wäre bei strenger Interpretation des § 5 AGG kein Instrument der Nachteilskompensation und daher unangemessen. Unter dem Aspekt der Angemessenheit ist eine geschlechtsneutrale Formulierung nicht erforderlich. e) Besondere Quotenregelungen Eine verbindliche Quotenregelung zu Gunsten von Frauen, die der Kompensation von Nachteilen dient und die sich an dem Anteil der Frauen an der Gesamtmitgliederzahl orientiert ist als positive Maßnahme nach § 5 AGG grundsätzlich angemessen. Je nach Ausgestaltung ist es denkbar, dass eine Quotenregelung von diesen Vorgaben abweicht. Es ist die Angemessenheit derartiger Regelungen zu untersuchen. aa) Annähernd relative Quotenregelungen Eine relative verbindliche Quote wird in der praktischen Anwendung regelmäßig zu einer Besetzung der Gremien führen, die nur annähernd die tatsächliche Mitgliederstruktur wiedergibt. Beträgt der Anteil von Frauen beispielsweise 24,9 Prozent an der Gesamtmitgliederzahl und sind 4 Personen in ein Gremium zu wählen, so stellt sich die Frage, ob ein satzungsmäßig vorgesehenes Aufrunden zugunsten der weiblichen Mitglieder zulässig ist.

299 300

BAG vom 16.3.2005 – 7 ABR 40/04 – NZA 2005, 1253, 1258. BAG vom 16.3.2005 – 7 ABR 40/04 – NZA 2005, 1253, 1256.

E. Frauenquoten im Verein und AGG

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Die Gewerkschaft ist nicht dazu gezwungen. Es steht ihr im Rahmen des § 5 AGG frei, strukturelle Nachteile zu kompensieren oder diese hinzunehmen.301 Dementsprechend kann sie die Quote so gestalten, dass sie nur bei einer bestimmten Mindestzahl weiblicher Mitglieder Wirkung entfaltet. Aus den gleichen Gründen zulässig ist ein in der Satzung oder der Wahlordnung vorgesehenes Abrunden zum Nachteil weiblicher Mitglieder. Ein Aufrunden zugunsten weiblicher Mitglieder führte bei strengem Verständnis der Chancengleichheit zur grundsätzlich unzulässigen Überrepräsentation von Frauen. Das Problem stellt sich in ähnlichem Maße im Betriebsverfassungsrecht. Die Regelung des § 15 Abs. 2 BetrVG schreibt eine Mindestrepräsentation des zahlenmäßig unterlegenen Geschlechts vor. Daher wird vertreten, es müsse im Einzelfall zugunsten des Minderheitsgeschlechts aufgerundet werden.302 § 5 WO sieht allerdings eine Berechnung der auf das in der Minderheit befindliche Geschlecht nach dem Höchstzahlensystem vor, so dass das Gebot, „mindestens“ entsprechend seinem Anteil vertreten zu sein, nicht zwingend erreicht wird.303 Dies wird – auch mit dem Argument der andernfalls drohenden Gefahr einer Überrepräsentation von Frauen – dennoch für zulässig gehalten.304 Letzteres überzeugt. Eine Überrepräsentation ist jedenfalls in der Gewerkschaft unangemessen. Zwar ist das gesamte Konzept der Frauenquote von vornherein auf eine schematische Nachteilskompensation ausgelegt, die zu einer stilisierten Geschlechterrepräsentation führen soll. Letztlich ist dies jeder Wahl repräsentativer Organe eigen, bei der eine hohe Zahl von Stimmen auf ein Repräsentativorgan „heruntergerechnet“ werden muss.305 Kleinere Verzerrungen sind daher hinnehmbar. So ist eine Regelung zulässig, die angesichts eines Mitgliederanteils der Frauen von 24,9 Prozent ein Viertel der zu besetzenden Posten für weibliche Mitglieder vorsieht. Jedoch darf es unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit nicht zu wesentlicher Überrepräsentation kommen. Dies schon deshalb nicht, weil sich die Situation in den Gewerkschaften in einem wichtigen Punkt von der Besetzung des Betriebsrats unterscheidet: Die Gewerkschaft hat es selbst in der Hand, die Gefahr von Über- oder Unterrepräsentation durch Rundungseffekte zu begrenzen. Sie kann nämlich die Zahl der zu besetzenden Gremien der Mitgliederstruktur anpassen. So könnte in dem genannten Beispiel, der Vorstand auf 5 Mitglieder erweitert werden. Dies führte zwar zur Notwendigkeit eines Abrundens und damit zu einer 301

Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 30a. Löwisch, BB 2001, 1734, 1746; Franke, NJW 2002, 656, 657; ArbG Ludwigshafen vom 19.6.2002 – 8 BV 820/02 – NZA-RR 2002, 527, 529. 303 Beispiel bei Richardi/Thüsing, § 15 BetrVG Rn. 14 f. 304 Richardi/Thüsing, § 15 BetrVG Rn. 16a. 305 HSR/H. Meyer, § 45 S. 528; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Band I, S. 295. 302

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§ 3 Frauenquoten und Vereinsrecht

nicht optimalen Kompensation bestehender Nachteile. Dieser Zustand ist allerdings eher hinnehmbar als die Gefahr einer unangemessenen Benachteiligung männlicher Mitglieder. Unangemessen und damit unzulässig ist eine Verknappung der zu besetzenden Ämter, die zu einer deutlichen Überrepräsentation der Frauen führt. Daher ist die Umsetzung der in der Gewerkschaft ver.di gemachten Pläne zur Reduzierung der Landesbezirksvorstände auf drei Mitglieder bei einem Frauenanteil von über 50 Prozent und einer verbindlichen relativen Quotenregelung unangemessen, weil sie Frauen im Wege der Quotierung unter Umständen einen Mindesteinfluss sichern kann, der über ihren Anteil an der Gesamtmitgliederzahl deutlich hinausgeht.306 bb) Quote zur Sicherung einer Mindestbeteiligung Zulässig sind Quoten, die Frauen eine bestimmte Mindestzahl an Posten garantieren, die unter dem Anteil liegt, der ihnen aufgrund ihres Anteils an der Gesamtmitgliedschaft zustünde. Zu denken ist beispielsweise an eine Regelung, die bei einem Anteil der Frauen an der Gesamtmitgliedschaft von 40 Prozent eine Mindestquote von 10 Prozent der Sitze vorsieht. Eine solche Maßnahme kompensierte zwar unter Umständen nicht den gesamten Nachteil, sie diente aber zumindest der Verbesserung der Situation von Frauen und damit dem Ziel der Chancengleichheit. Eine Pflicht des Arbeitgebers jeden Nachteil durch positive Maßnahmen im Sinne des § 5 AGG (ganz) zu kompensieren, besteht nicht.307 cc) Starre Quoten Unangemessen sind dagegen Quoten, die unabhängig von der Mitgliederstruktur ein starres Verhältnis zwischen den Geschlechtern vorschreiben. So etwa wenn Frauen ohne Bezug zu ihrem Anteil an der Mitgliederzahl garantiert die Hälfte aller zu besetzenden Ämter erhielten.308 Schreiben diese Quoten einen Höchstanteil an den zu besetzenden Stellen vor, der unter dem Anteil der Frauen an der Gesamtmitgliederzahl liegt, so sind sie schon deshalb unangemessen, weil sie nicht der Kompensation bestehender Nachteile dienen, sondern faktisch Männer bevorzugen.

306 Zu diesen Plänen und mit einem Rechenbeispiel Amann, Streit über Frauenquote beendet, FAZ vom 20.9. 2006 – abrufbar im Internet unter http://www.faz.net/aktuell/beruf-chan ce/recht-und-gehalt/verdi-streit-ueber-frauenquote-beendet-1355947.html. 307 Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 30a. 308 Anders als beim Zugang zu Ausbildungsplätzen und befristeten Qualifizierungsstellen, dazu EuGH vom 28.3. 2000 – C-158/97 („Badeck“) – NZA 2000, 473.

E. Frauenquoten im Verein und AGG

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Liegt die Quote über dem Anteil der Frauen an der Gesamtmitgliederzahl, so kompensiert sie nicht vorrangig einen Nachteil, sondern gewährt darüber hinaus einen Vorteil. So etwa, wenn Frauen trotz eines Mitgliederanteils von 20 Prozent die Hälfte aller Gewerkschaftsämter zustünden. Derartige Quoten dienen nicht der Verwirklichung von Chancengleichheit durch Kompensation gruppenbezogener Nachteile, sondern der Verfestigung eines bestimmten Einflusses allein auf Grund des Geschlechts. Sie sind daher unangemessen. Ihre Rechtfertigung kann sich allenfalls in Ausnahmefällen aus sachlichen Gründen ergeben, die etwa eine paritätische Beteiligung der Geschlechter erforderlich machen. Damit ist das Phänomen spezifischer Sonderinteressen angesprochen, die eines Diskussions- und Rückzugsraumes oder einer besonderen Expertise bedürfen.309 Daher ist es zulässig, wenn die Gewerkschaft eine „Arbeitsgruppe Frauen“ einrichtet und das aktive und passive Wahlrecht insoweit auf die weiblichen Mitglieder beschränkt. Zulässig ist es auch, ein Gremium paritätisch zu besetzen, wenn sich dessen Mitglieder speziell mit Fragen der Gleichberechtigung von Frauen und Männer in der Gewerkschaft auseinandersetzen. Funktion dieses Gremiums ist dann der Geschlechterdialog, so dass die jeweils hälftige Besetzung mit Frauen und Männern Voraussetzung der Funktionsfähigkeit des Gremiums ist. dd) Mehrheitsbegünstigende Quoten Einen Grenzbereich berühren Quotenregelungen, die sich zwar am Anteil der Frauen an der Gesamtmitgliederzahl orientieren, die eine Quotierung aber auch dann vorsehen, wenn Frauen die Mehrheit innerhalb eines Verbandes bilden. Dieses Problem stellt sich in der Gewerkschaft ver.di, die in § 20 Abs. 3 ihrer Satzung310 eine relative verbindliche Frauenquote vorschreibt, wobei Frauen einen Anteil von 50,7 Prozent an der Gesamtmitgliederzahl ausmachen.311 Ob derartige Regelungen in angemessener Weise Nachteile kompensieren hängt vom Verständnis des Begriffs der Chancengleichheit ab. Diese verlangt eine Gleichheit in den Voraussetzungen. Damit sind einerseits Fördermaßnahmen möglich, andererseits sind aber auch die Benachteiligten in der Pflicht, denen abverlangt wird, ihre Chancen wahrzunehmen. Sie müssen Eigeninitiative entwickeln und selbst auf die Verbesserung ihrer Situation hinwirken. Dies ist im Übrigen nicht bloß eine Frage der Abwägung von Rechtsgütern, sondern es ist der Natur der Sache ge-

309

Riesenhuber/Franck, JZ 2004, 529, 530; Schiek/Schiek, § 18 AGG Rn. 13; Däubler/ Bertzbach/Brors, § 8 AGG Rn. 18 f. 310 § 20 Abs. 3 der Satzung ver.di in der Fassung vom 30.9. 2009. 311 Zahlen abrufbar im Internet unter http://www.dgb.de/uber-uns/dgb-heute/mitgliederzah len/2010.

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§ 3 Frauenquoten und Vereinsrecht

schuldet. Augenfällig wird dies etwa, wenn sich nicht genug Frauen finden, um eine Quote zu erfüllen. Allerdings ist fraglich, ob die Kompensation von Nachteilen allein von der Frage der zahlenmäßigen Unter- oder Überlegenheit der Frauen abhängt. Der unpräzise, objektivierte Nachteilsbegriff verhindert auch hier eine tiefergehende Analyse. Geht man jedoch von den vom Gesetzgeber und der Rechtsprechung angenommenen strukturelle Nachteilen aus, dann kann ein Fortwirken dieser ungünstigen Strukturen auch dann angenommen werden, wenn Frauen die Mehrheit in einem Verband stellen. Die Gemengelage von wirtschaftlichen Nachteilen, schlechterer Ausbildungssituation und tradierten benachteiligenden Vorstellungen zur Rolle der Frau,312 bedingt einen Nachteil, der sich nicht durch zahlenmäßige Überlegenheit kompensieren lässt. Dies zeigt sich schon daran, dass Frauen in der Bundesrepublik Deutschland die Bevölkerungsmehrheit stellen313 – käme es tatsächlich allein auf die Möglichkeit zur Durchsetzung im demokratischen Verfahren an, dürfte es nachteilige Strukturen auch in der Gesamtgesellschaft nicht mehr geben. Überlegt werden kann, ob die zahlenmäßige Überlegenheit den Nachteil insoweit kompensiert, dass es in Abwägung mit dem Interesse der Männer auf formelle Gleichbehandlung einer Quotenregelung nicht mehr bedarf. Dies führt zu der Frage, ob die Quote deshalb unangemessen ist, weil die Belastung durch die benachteiligenden Strukturen angesichts der zahlenmäßigen Überlegenheit der Frauen hinnehmbar ist.314 Freilich verkehrt diese Frage den Prüfungsmaßstab. Entscheidend muss es darauf ankommen, welches schützenswerte Interesse am Fortwirken (wenn auch nur geringfügig) benachteiligender Strukturen besteht. Solange Frauen in einem Verband einen Nachteil erleiden, der zu einer geringeren Repräsentation führt als ihnen in diskriminierungsfreien Wahlentscheidungen zusteht, solange kann dieser Nachteil im Interesse der Chancengleichheit kompensiert werden.

IV. Folgen verbandsrechtlich unzulässiger Quotenregelungen Frauenquoten sind aus verbandsrechtlicher Perspektive nach Maßgabe des AGG in weitem Umfang zulässig.

312

Siehe § 3 E. III. 2. b). So die Informationen des Statistischen Bundesamtes, abrufbar im Internet unter http:// www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/-Navigation/Statistiken/Bevoel kerung/Bevoelkerungsstand/Bevoelkerungsstand.psml. 314 Unklar Sachs/Osterloh, Art. 3 GG Rn. 288, die die Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer solchen Maßnahme anklingen lässt, wenn sie davon spricht, dass zwischen Chancen- und Ergebnisgleichheit bei zahlenmäßiger Überlegenheit der Frauen praktisch kein Unterschied mehr feststellbar ist. 313

E. Frauenquoten im Verein und AGG

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Regelungen, die unangemessen und damit nicht durch § 5 AGG gerechtfertigt sind, verletzen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Die Satzung ist insoweit nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam.315 § 139 BGB findet keine Anwendung.316 An die Stelle der Quotenregelung tritt der vereinsrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung, als Teil des dispositiven einfachen Rechts.317 Im Ergebnis tritt an die Stelle einer unzulässigen Quotenregelung das Gebot formeller Gleichbehandlung der Mitglieder.318

315

Däubler/Bertzbach/Herrmann, § 18 AGG Rn. 19. Staudinger/Roth, Neubearbeitung 2010, § 139 BGB Rn. 19. 317 Zur Geltung der dispositiven Vorschriften des BGB bei teilweiser Unwirksamkeit der Satzung, Däubler/Bertzbach/Herrmann, § 18 AGG Rn. 19. 318 Zum vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz S. 44 ff. 316

§ 4 Frauenquoten und Tariffähigkeit Frauenquoten könnten mit den Anforderungen an die Tariffähigkeit einer Gewerkschaft unvereinbar sein. „Tariffähigkeit ist die Fähigkeit, Partei eines Tarifvertrags sein zu können.“1 Gemäß § 2 Abs. 1 TVG sind insbesondere „Gewerkschaften“ tariffähig. Die Vorschrift konkretisiert diesen Gewerkschaftsbegriff nicht.2 In Rechtsprechung und Literatur werden dennoch eine Reihe von Anforderungen an die Tariffähigkeit von Arbeitnehmervereinigungen gestellt.3 Quotenregelungen müssen diesen Anforderungen Rechnung tragen.

A. Keine Ausgestaltung der Tarifautonomie durch das AGG Allerdings könnte es auf den Gewerkschaftsbegriff des § 2 Abs. 1 TVG nicht entscheidend ankommen. Denn möglicherweise hat der Gesetzgeber die Tarifautonomie durch das AGG dahingehend einfachgesetzlich ausgestaltet, dass eine nach dem AGG zulässige Organisation auch nach tarifrechtlichen Maßstäben unbedenklich ist. Zu prüfen wäre dann allerdings, ob eine solche Ausgestaltung den Anforderungen des Art. 9 Abs. 3 GG genügt. Mögliche Kollisionen von AGG und Tarifautonomie werden in der Literatur allenfalls am Rande thematisiert.4 Vermutlich fehlt es schlicht an Problembewusstsein, zumal das durch das AGG angeordnete Gebot der Gleichbehandlung verfassungsund europarechtliche Vorgaben konkretisiert und daher regelmäßig nicht mit den Anforderungen an die Tariffähigkeit kollidiert. Daher ist eine Abgrenzung zwischen AGG und Tarifautonomie grundsätzlich nicht notwendig. Das durch die Frauenquote bedingte Demokratiedefizit macht eine solche Abgrenzung indes erforderlich. Für ein Gleichlaufen von Gleichbehandlungs- und Tarifvertragsrecht spricht die Regelung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 AGG, die die entsprechende Geltung der Vorschriften des zweiten Abschnitts des AGG „für die Mitgliedschaft oder die Mit1

MünchArbR/Rieble/Klumpp, § 164 Rn. 1; Wiedemann/Oetker, § 2 TVG Rn. 8; BAG vom 28.3. 2006 – 1 ABR 58/04 – NZA 2006, 1112. 2 ErfK/Franzen, § 2 TVG Rn. 1. 3 Jacobs/Krause/Oetker/Oetker, § 2 Rn. 35; ErfK/Franzen, § 2 TVG Rn. 1 ff. m.w.N. 4 Bei MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 161 Rn. 19 wird in Fn. 29 auf eine mögliche Kollision von Frauenquoten und Partizipationsrechten des einzelnen Mitglieds hingewiesen.

A. Keine Ausgestaltung der Tarifautonomie durch das AGG

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wirkung in einer Tarifvertragspartei“ anordnet. Das allgemeine Benachteiligungsverbot des § 1 AGG gilt durch die Bezugnahme des § 7 AGG, so dass insbesondere die Vorschrift des § 5 AGG über die Zulässigkeit positiver Maßnahmen Anwendung findet.5 Somit können sich die Gewerkschaften auch in ihrer Eigenschaft als Tarifvertragspartei auf den Rechtfertigungsgrund des § 5 AGG berufen.6 Wenn eine Gewerkschaft nun Gefahr liefe, durch ein erlaubtes und gesetzgeberisch gewünschtes Verhalten ihren Status als Tarifvertragspartei zu verlieren, so reduzierte dies die praktische Wirksamkeit gleichbehandlungsrechtlicher Vorschriften. Der Schluss liegt daher nahe, eine nach § 5 AGG rechtmäßige Maßnahme auch aus tarifrechtlicher Sicht als zulässig anzusehen. Allerdings trifft eine Gewerkschaft keine Verpflichtung, Maßnahmen nach § 5 AGG zu ergreifen.7 Ob und in welchem Umfang sie dies tut, liegt grundsätzlich im Ermessen der Gewerkschaft. Auch § 17 AGG, der insbesondere Tarifvertragsparteien auffordert, Maßnahmen gegen Benachteiligungen im Sinne des § 1 AGG zu ergreifen, drückt lediglich den Wunsch des Gesetzgebers aus, Tarifvertragsparteien mögen die Antidiskriminierungsbemühungen unterstützen. Eine Pflicht zur Kompensation von Nachteilen ist daraus nicht abzuleiten.8 Im Übrigen sind nach § 5 AGG vielgestaltige Maßnahmen zulässig, die im Vergleich zur Frauenquote Gewerkschaftsmitglieder weniger intensiv oder gar nicht benachteiligen können und daher grundsätzlich unverdächtig sind, die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie zu gefährden. So verbliebe die Möglichkeit, Maßnahmen geringerer Eingriffsintensität zu ergreifen – insbesondere solche, die sich nicht (direkt) auf die innerverbandliche Willensbildung auswirken.9 Der durch das AGG intendierte Schutz liefe also zumindest nicht leer, ginge man von einer Unvereinbarkeit einiger der nach § 5 AGG zulässigen Maßnahmen mit dem Tarifrecht aus. Für eine Trennung von Gleichbehandlungs- und Tarifrecht spricht außerdem der Gesetzeszweck. Ausweislich des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung dient das AGG der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben zur Antidiskriminierungsgesetzgebung,10 nicht der Ausgestaltung des Tarifrechts. Aus dem Umstand, dass das Gesetz in manchen Punkten über diese Vorgaben hinausgeht,11 ergibt sich keine grundlegende Erweiterung des Gesetzeszwecks. Die europarechtlichen Vorgaben erfassen die Voraussetzungen der Tariffähigkeit schon deshalb nicht, weil das Koalitions- und Streikrecht nach Art. 153 AEUV (ex.-Art. 137 EGV) nicht in die Zuständigkeit der Europäischen Union fällt bzw. diese insoweit lediglich arbeits- und 5 Wendeling-Schröder/Stein/Wendeling-Schröder, § 18 AGG Rn. 15; Däubler/Bertzbach/ Herrmann, § 18 AGG Rn. 16; Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 15. 6 Däubler/Bertzbach/Herrmann, § 18 AGG Rn. 16. 7 Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 30a. 8 BT-Drcks. 16/1780, S. 39; Bauer/Göpfert/Krieger, § 17 AGG Rn. 8. 9 Beispiele bei Däubler/Bertzbach/Hinrichs, AGG, § 5 AGG Rn. 36. 10 BT-Drcks. 16/1780, S. 2. 11 MünchKommBGB/Thüsing, Einl. AGG Rn. 24 f.

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§ 4 Frauenquoten und Tariffähigkeit

sozialpolitische Koordinierungsaufgaben wahrnimmt.12 Den Richtlinien lässt sich außerdem keine Formulierung entnehmen, die darauf schließen lässt, dass sich europarechtlich eine diesbezügliche Kompetenz angemaßt worden wäre. Ebenso spricht der Wortlaut der Regelung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 AGG dafür, dass der Begriff der „Tarifvertragspartei“ durch die Vorschrift nicht neu gefasst werden sollte, sondern dass an die bestehenden tarifrechtlichen Vorschriften angeknüpft werden sollte.13 Nicht das AGG definiert damit das Tarifrecht neu, sondern die tarifrechtlichen Regelungen definieren den Anwendungsbereich des AGG. Die durch das AGG erfolgte Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit14 bezieht sich damit allein auf die verbandsrechtlichen Gewährleistungen und erfasst nicht den Bereich der Tarifautonomie. Die Anforderungen an die Tariffähigkeit aus Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG und § 2 TVG werden durch das AGG nicht modifiziert. Nach § 5 AGG gerechtfertigte Maßnahmen können diesen Erfordernissen grundsätzlich entgegenstehen.

B. Frauenquoten und „demokratisch“ organisierte Tarifwillensbildung Zu den Voraussetzungen der Tariffähigkeit soll unter anderem15 eine „demokratische“ Organisation der Gewerkschaften gehören.16 Daran ist gegebenenfalls auch eine Frauenquote zu messen.

12 Calliess/Ruffert/Krebber, Art. 153 AEUV (ex.-Art. 137 EGV) Rn. 1 ff.; BAG vom 28.3. 2006 – 1 ABR 58/04 – NZA 2006, 1112, 1117; Wißmann, RdA 1999, 152, 157. 13 Bauer/Göpfert/Krieger, § 18 AGG Rn. 5 f.; Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 18 AGG Rn. 4; Wendeling-Schröder/Stein/Wendeling-Schröder, § 18 AGG Rn. 5 ff. 14 Falke/Rust/Falke, § 18 AGG Rn. 5. 15 Zu den übrigen Voraussetzungen der Tariffähigkeit umfangreich und mit zahlreichen weiteren Nachweisen Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Band I, S. 392 ff. und insbesondere S. 425 ff.; zur Übersicht Otto, Arbeitsrecht, Rn. 672 ff. 16 Eine Auswahl: ErfK/Franzen, § 2 TVG Rn. 15; Däubler/Schiek, Einl. Rn. 308; Däubler/ Däubler, Einl. Rn. 92; Däubler/Peter, Rn. 8; Jacobs/Krause/Oetker/Oetker, § 2 TVG Rn. 36 und 74 m.w.N.; Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 47 ff. insb. S. 54: „Eine Gewerkschaft, die nicht den Ansprüchen demokratischer Organisation genügt, ist nicht tariffähig“; Kempen/Zachert/Kempen, Grundlagen Rn. 59, 67 ff. und § 2 TVG Rn. 33; Löwisch, ZfA 1970, 295, 304 ff. m.w.N.; Schüren, Die Legitimation der tariflichen Normsetzung, S. 230 ff.

B. Frauenquoten und „demokratisch“ organisierte Tarifwillensbildung

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I. „Demokratie“ und Funktionsfähigkeit des Tarifvertragssystems Eine eindeutige gesetzliche Regelung der Voraussetzungen der Tariffähigkeit gibt es nicht.17 Das TVG bestimmt in § 2 Abs. 1 TVG lediglich, dass „Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern“ Partei eines Tarifvertrages sein können, ohne den Begriff der „Gewerkschaft“ näher zu konkretisieren.18 Die Tariffähigkeit der Gewerkschaften als Arbeitnehmerverbände ist nach heute vorherrschender Ansicht dennoch an besondere Voraussetzungen gebunden.19 „Gewerkschaft“ und „Koalition“ sind nicht synonym. Aus verfassungsrechtlicher Sicht begegnet diese Einschränkung keinen grundsätzlichen Bedenken. Zwar ist das Gebot der funktionsfähigen Ausgestaltung20 stets bezogen auf die Garantien des Art. 9 Abs. 3 GG.21 Das Tarifsystem muss so beschaffen sein, dass die durch das Grundgesetz geschützte Tarifautonomie sinnvoll betätigt werden kann.22 Zurückhaltung ist daher geboten, wenn mit dem Argument, die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie sicherstellen zu wollen, die Organisations- und Betätigungsfreiheit der Koalitionen und ihrer Mitglieder beschränkt wird.23 Allerdings ergibt sich eine gewisse Großzügigkeit der Maßstäbe schon aus dem Umstand, dass ein Idealzustand tarifautonomer Entfaltung regelmäßig nicht zu benennen ist, die Vorgaben des Art. 9 Abs. 3 GG vage sind und ein Optimum damit nicht nachprüfbar zu erreichen ist.24 Das Bundesverfassungsgericht bezeichnet die „Gewährleistung“ der Tarifautonomie durch Art. 9 Abs. 3 GG als „ganz allgemein“ und räumt „dem einfachen Gesetzgeber einen weiten Spielraum zur Ausgestaltung der Tarifautonomie“ ein.25 17

ErfK/Franzen, § 2 TVG Rn. 1 ff. Löwisch, ZfA 1970, 295; Löwisch/Rieble, § 2 TVG Rn. 5. 19 Löwisch/Rieble, § 2 TVG Rn. 29 ff. m.w.N.; Däubler/Peter, § 2 TVG Rn. 2 ff.; Otto, Arbeitsrecht, Rn. 673 ff; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 71 m.w.N. 20 BVerfG vom 1.3.1979 – 1 BvR 532, 533/77 – BVerfGE 50, 290, 367 f.; Löwisch, ZfA 1970, 295, 302 f.; ErfK/Dieterich, Art. 9 GG Rn. 83 ff.; Rieble, Verfassungsfragen der Tarifeinheit, Rn. 130. 21 BVerfG vom 1.3.1979 – 1 BvR 532, 533/77 – BVerfGE 50, 290, 369; Jacobs/Krause/ Oetker/Oetker, § 2 Rn. 35. 22 BVerfG vom 1.3.1979 – 1 BvR 532, 533/77 – BVerfGE 50, 290, 369; BVerfG vom BVerfGE 58, 233, 249; Wiedemann/Oetker, § 2 TVG Rn. 29 m.w.N. 23 Otto, Arbeitsrecht, Rn. 673; Wiedemann/Oetker, § 2 TVG Rn. 29. 24 Rieble, Verfassungsfragen der Tarifeinheit, S. 148 ff., der dies im Zusammenhang mit der Abgrenzung von Ausgestaltung und Eingriff diskutiert und dabei die Frage nach einem aus Art. 9 Abs. 3 GG abzuleitenden konkreten Mindestgehalt stellt. 25 BVerfG vom 19.10. 1966 – 1 BvL 24/65 – BVerfGE 20, 312, 317; fast wortgleich BVerfG vom 1.3.1979 – 1 BvR 532, 533/77 u. a. – BVerfGE 50, 290, 369. 18

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§ 4 Frauenquoten und Tariffähigkeit

Der Gesetzgeber ist daher in seiner Entscheidung zwar nicht ungebunden, er kann aber dennoch detaillierte Regelungen erlassen, deren Rechtfertigung sich auch aus Erwägungen zu Praktikabilität und Rechtssicherheit ergeben.26 Jedenfalls kann weder der Gesetzgeber für sich in Anspruch nehmen, einen Idealzustand der Ausgestaltung erreicht zu haben, noch kann einer Regelung entgegengehalten werden, sie gestalte das System der Tarifautonomie nicht optimal aus.27 An die Stelle eines eindeutigen Regelungsauftrags tritt daher die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers.28 Daher spielt es zunächst keine Rolle, ob die Anforderungen an die Tariffähigkeit in Art. 9 Abs. 3 GG verankert sind, oder ob sie sich erst aus dem einfachgesetzlichen Gewerkschaftsbegriff des § 2 Abs. 1 TVG ergeben. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber ein insgesamt funktionsfähiges Tarifvertragssystem bereit hält.29 Dieser Funktionsfähigkeit dient der Gewerkschaftsbegriff des § 2 Abs. 1 TVG, indem er nur solchen Arbeitnehmerverbänden den Abschluss von Tarifverträgen ermöglicht, „die in der Lage sind, den von der staatlichen Rechtsordnung frei gelassenen Raum des Arbeitslebens durch Tarifverträge sinnvoll zu gestalten.“30 Löwisch/Rieble bezeichnen die Tariffähigkeit als „vertragsfunktionale Voraussetzung“31 und zitieren an gleicher Stelle das BVerfG mit den Worten: „Tarifautonomie ist darauf angelegt, die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer beim Abschluß von Tarifverträgen durch kollektives Handeln auszugleichen und damit ein annähernd gleichgewichtiges Aushandeln der Löhne und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen.“32 Damit sind zwei unterschiedliche Dimensionen der Voraussetzungen der Tariffähigkeit angesprochen: Zum einen der Gedanke des „funktionsfähigen“ Systems, der an Erwägungen zur Parität der Tarifvertragsparteien anknüpft. Dies betrifft insbesondere die Merkmale der „Mächtigkeit und Durchsetzungsfähigkeit“, die unerlässliche Voraussetzung gleichberechtigter und freier Vertragsverhandlungen sind.33 Dieses Erfordernis der Vertragsparität ist ohne Zweifel bedeutsam und grundsätzlich allgemein anerkannt. Allerdings erklärt es nicht das Erfordernis demokratischer Strukturen. Vertragsparität kann ohne Weiteres auch zwischen nicht demokratisch organisierten Vertragspartnern herrschen. Zum anderen gibt es noch eine zweite Dimension funktionsfähiger Ausgestaltung der „Tarifautonomie“ – nämlich die Verpflichtung zur Einrichtung eines Systems 26 27 28 29 30 31 32 33

ErfK/Dieterich, Art. 9 GG Rn. 85. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 425 ff. und 441 f. Neumann, RdA 2007, 71, 73 ff.; Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 426 f. MünchArbR/Rieble/Klumpp, § 164 Rn. 2; Däubler/Peter, § 2 TVG Rn. 4. BAG vom 28.3.2006 – 1 ABR 58/04 – NZA 2006, 1112, 1116. Löwisch/Rieble, § 2 TVG Rn. 4. BVerfG vom 26.6.1991 – 1 BvR 779/85 – BVerfGE 84, 212, 229. Löwisch/Rieble, § 2 TVG Rn. 35 ff.

B. Frauenquoten und „demokratisch“ organisierte Tarifwillensbildung

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Rechtsetzung, das die Autonomie der Mitglieder wahrt.34 Die daraus resultierenden Anforderungen die innerverbandliche Willensbildung werden im Zusammenhang mit den Voraussetzungen der Tariffähigkeit oft vernachlässigt.35 Tatsächlich könnte es entscheidend auf sie ankommen. Dazu ist zu untersuchen, was sich hinter dem Begriff der „Tarifautonomie“ verbirgt.

II. Tarifautonomie als kollektive Privatautonomie Die Rechtsnatur der Tarifautonomie ist seit Langem umstritten. Die Argumente und Meinungen sind vielfältig. Krause kategorisiert sie mit dem Gegensatz eines „ordnungsrechtlichen“ und eines „freiheitsrechtlichen“ Verständnisses der Tarifautonomie.36 Damit ist treffend beschrieben, worum es bei dem Streit im Kern geht: Ist die Tarifautonomie „von oben“ her zu denken und damit quasistaatlich bzw. vom Staat abgeleitet, oder ist sie „von unten“ zu verstehen – also auf die Autonomie der Mitglieder zurückzuführen?37 1. Die Bedeutung der Normsetzungskompetenz der Tarifpartner Der Streit entzündet sich an der unterschiedlichen Interpretation einer tarifrechtlichen Besonderheit: der Normsetzungskompetenz der Tarifpartner.38 Nach § 1 Abs. 1 TVG und § 4 Abs. 1 TVG entfalten die „Rechtsnormen“ 39 des Tarifvertrages unmittelbare und zwingende Wirkung für die beiderseits Tarifgebundenen. Sie wirken „wie ein Gesetz“40 auf deren Arbeitsverhältnisse ein.41 Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip gebieten indes, dass der Einzelne nur solchen Normen unterworfen wird, die ihm gegenüber entweder (staats-)demokratisch oder mitgliedschaftlich legitimiert sind.42 Stets muss also gewährleistet sein, dass sich die Normgeltung auf einen Akt der Legitimation durch den Einzelnen gründet –

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Löwisch/Rieble, Grundl. Rn. 47. Unerwähnt beispielsweise bei Däubler/Peter, § 2 TVG Rn. 5. 36 Jacobs/Krause/Oetker/Krause, § 1 Rn. 18. 37 Rieble, ZfA 2000, 5, 8 bezogen auf die Frage der Legitimation der Koalitionen. 38 Wiedemann/Thüsing, § 1 TVG Rn. 42. 39 Zu den „Arten der Tarifvertragsnormen“: Wiedemann/Wiedemann, § 1 TVG Rn. 335 ff.; Löwisch/Rieble, § 1 TVG Rn. 20 ff – jeweils m.w.N. 40 BAG vom 12.12. 2007 – 4 AZR 998/06 – NZA 2008, 649, 652. 41 ErfK/Franzen, § 4 TVG Rn. 1 ff. m.w.N. 42 BVerfG vom 24.5.1977 – 2 BvL 11/74 – NJW 1977, 2255, 2257; BVerfG vom 14.6. 1983 – 2 BvR 488/80 – NJW 1984, 1225. 35

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und sei es auch nur mittelbar.43 Auch die Normsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien bedarf daher der Legitimation.44 Die Rechtsetzung durch Tarifvertrag wurde lange Zeit als originär staatliche Funktion verstanden, die den Tarifparteien lediglich übertragen worden sei. So ging das BAG in einem Urteil vom 15.1. 1955 davon aus, dass „die Tarifvertragsparteien ihre Autonomie zur Rechtsetzung aus ausdrücklicher staatlicher Übertragung im TVG herleiten.“45 Aus dieser Perspektive nehmen die Koalitionen eine eigentlich dem Gesetzgeber zustehende Befugnis zur Rechtsetzung im Bereich der Ordnung des Arbeits- und Wirtschaftslebens kraft Delegation wahr. Das Bundesarbeitsgericht leitete aus diesem Gedanken delegierter Normsetzungsbefugnisse eine Bindung der Tarifvertragsparteien an den Gleichheitssatz ab.46 Bis heute ist die Diskussion um den Geltungsgrund tarifvertraglicher Normen stark rechtsfolgenorientiert und kreist beispielsweise um das Für und Wider der Grundrechtsbindung47 und um den Versuch, Wirkungen des Tarifvertrags auf Außenseiter zu erklären.48 Auch die Kritik an der Vorstellung eines staatlichen Rechtsetzungsmonopols hat vor allem im Zusammenhang mit der Frage nach der Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien an Dynamik gewonnen.49 Wohl vor allem durch den Willen zur Rettung tariflicher Altersgrenzen motiviert50 hat das Bundesarbeitsgericht mittlerweile auf eine privatautonome Begründung tariflicher Normsetzung umgeschwenkt. Die Geltung der durch Gewerkschaften und Arbeitgeber(-verbände) vereinbarten Tarifnormen beruhe „auf dem Verbandsbeitritt ihrer Mitglieder“51, der ein Akt „der privatautonomen Unterwerfung unter geltendes und künftiges Tarifrecht“52 sei. Direkte Folge ist eine Abkehr vom Postulat umfassender Grundrechtsbindung. Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung somit fundamental neu ausgerichtet – freilich ohne dies umfassend zu begründen. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vermag in ihrer Grundannahme

43 Allgemein zur demokratischen Legitimation, Voßkuhle/Kaiser, JuS 2009, 803 m.w.N.; zur demokratischen Legitimation der Normsetzung durch die Exekutive Maunz/Dürig/Herzog/ Grzeszick, Art. 20 GG Rn. 131 ff. ebenfalls m.w.N. 44 Rieble, ZfA 2000, 5, 12 ff. 45 BAG vom 15.1.1955 – 1 AZR 305/54 – NJW 1955, 684, 687; zu dieser Rechtsprechung mit weiterführenden Hinweisen Däubler/Reim, § 1 TVG Rn. 48 und Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Band I, S. 557 f. m.w.N. 46 BAG vom 15.1.1955 – 1 AZR 305/54 – NJW 1955, 684 ff. 47 So Rieble, ZfA 2000, 5, 6 die Literatur sei „fixiert auf die Grundrechtsfrage“. 48 Wiedemann/Thüsing,§ 1 TVG Rn. 54 m.w.N. 49 Dieterich, FS Schaub, S. 117 ff.; ders., FS Wiedemann, S. 229 ff. 50 So die Vermutung von Rieble, ZfA 2000, 5, 6 f. 51 BAG vom 11.3.1998 – 7 AZR 700/96 – NZA 1998, 716, 717 f. 52 BAG vom 25.2.1998 – 7 AZR 641/96 – NZA 1998, 715, 716; sinngemäß auch BAG vom 28.6.2001 – 6 AZR 114/00 – NZA 2002, 331.

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dennoch zu überzeugen. Normsetzungskompetenzen müssen nicht auf staatlicher Delegation beruhen, sondern sie sind auch „privatautonom erklärbar“.53 2. Kollektive Privatautonomie statt Herrschaft des Kollektivs Dass die Tarifnormsetzung auch mitgliedschaftlich legitimiert sein kann, bedeutet nicht, dass es sich nicht dennoch um quasistaatliche Aufgabenwahrnehmung handeln könnte.54 Der Streit ist also durch die Erkenntnis privatautonomer Rechtsetzung nicht gegenstandslos, sondern letztlich nur zurückverlagert auf die Frage nach dem grundsätzlichen Verständnis des Verhältnisses von Mitglied und Koalition.55 Muss sich der Einzelne im Zweifel dem Willen des Kollektivs beugen oder ist sein Wille Maßstab der Rechtmäßigkeit kollektiver Betätigung? Beherrscht der Verband die Mitglieder oder beherrschen die Mitglieder kollektiv-privatautonom den Verband?56 Dieser Gegensatz einer fremd- oder selbstbestimmten Rolle des Individuums im System der Tarifautonomie57 wurde und wird ganz unterschiedlich aufgelöst.58 Die Rezeption hängt eng zusammen mit einem Wandel in der Wahrnehmung des Individuums und der Rolle der Koalitionen in Staat und Gesellschaft.59 Insoweit bestehen Parallelen zur Diskussion um die Demokratie als Koalitionsmerkmal.60 Die ganz überwiegende Ansicht in der Literatur geht heute von einem freiheitlichen Verständnis der Tarifautonomie aus und interpretiert sie als kollektive Privatautonomie.61 Das Bundesarbeitsgericht hat sich dieser Bewertung angeschlossen.62 In der Tat sprechen die besseren Gründe für ein kollektiv-privatautonomes Verständnis der Tarifautonomie. Der Verfassungsgesetzgeber hat die Grundrechte als liberale Freiheitsrechte ausgestaltet. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass er ausgerechnet im Bereich kollektiv wahrgenommener Freiheit eine Art Zwischen53

Rieble, ZfA 2000, 5, 19. Rieble, ZfA 2000, 5, 19. 55 Rieble, ZfA 2000, 5, 19 ff. 56 Zu diesem von ihm kritisierten Wunsch nach „kollektiver Herrschaft“ Rieble, ZfA 2000, 5, 20 ff. 57 Jacobs/Krause/Oetker/Krause, § 1 Rn. 18. 58 Siehe die zahlreichen Nachweise bei Rieble, ZfA 2000, 5, 19 ff. und Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Band I, S. 558 ff. 59 Grundlegend E. Picker, GedS Knobbe-Keuk, S. 879 ff. 60 Siehe § 2 A. 61 Siehe jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen Rieble, ZfA 2000, 5; Picker, NZA 2002, 761; Bayreuther, Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie; ErfK/ Dieterich, Art. 9 GG Rn. 55 f. 62 BAG vom 26.8. 2009 – 4 AZR 294/08 – NZA-RR 2010, 305, 307; BAG vom 18.7.2006 – 1 ABR 36/05 – NZA 2006, 1225, 1230. 54

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instanz der Grundrechtsbetätigung schaffen wollte, die die individuelle Freiheit im Zweifel verdrängt. Die Mitglieder delegieren auch im Bereich der Tarifautonomie nicht ihre Freiheit an den Verband, der sie für sie und eventuell auch gegen sie durchsetzt, sondern sie verwirklichen ihre Freiheit durch die Gewerkschaft.63 3. Bedeutung für die innerverbandliche Willensbildung Die Tarifautonomie ist also kollektive Privatautonomie und die Normwirkung des Tarifvertrages ist mitgliedschaftlich legitimiert. Fraglich ist, welche Bedeutung dies für die Organisation der innerverbandlichen Willensbildung hat. Manche Autoren messen der Frage nach dem Legitimationsgrund der Normsetzung generell kaum praktische Bedeutung bei.64 Bezogen auf die innerverbandliche Willensbildung findet sich bei Gamillscheg das Argument, der „Einfluß des Mitglieds auf die Verbandspolitik“, werde durch die Vertreter kollektiv-privatautonomer Ansätze in „idealisierender Weise überschätzt“.65 – Dieser Einwand ist grundsätzlich berechtigt: Unabhängig vom Verständnis der Bedeutung des Individuums ist die Entscheidungsfindung innerhalb eines Verbandes schon allein aus Gründen der Funktionsfähigkeit und Praktikabilität stets nach dem Mehrheitsprinzip organisiert. Damit muss sich der Einzelne so oder so einer Mehrheit beugen. Ob man in dieser Mehrheit die Herrschaft eines Kollektivs verwirklicht sieht oder ob man sie als Mehrheit von autonomen Individuen begreift, hat zunächst keine praktischen Auswirkungen. Freilich spricht dies nicht gegen die Tarifautonomie als kollektive Privatautonomie, sondern lässt sich – sollte das Argument zutreffen – gegen jedes Organisationsprinzip erheben. Stets müssen Kompromisse zwischen Freiheitsentfaltung, Gleichheitsvorstellungen und sonstigen übergeordneten Interessen eingegangen werden. Auch die Funktionsfähigkeit eines Systems macht unter Umständen Abstriche von einem Idealzustand erforderlich. Allerdings ist insoweit Gamillscheg zuzustimmen, als gerade die Vertreter kollektiver Privatautonomie für ihr System ein besonderes Maß an individueller Entfaltungsmöglichkeit reklamieren.66 Wenn daraus in der Rechtswirklichkeit nun aber keinen wesentlichen Unterschiede folgen, dann wirkt der Einwand mangelnder individueller Entfaltung hier besonders schwer. Allerdings ist der Unterschied jedenfalls in Bezug auf die innerverbandliche Willensbildung durchaus von Bedeutung: Wenn eine Koalition bei der Gestaltung und beim Abschluss von Tarifverträgen eigentlich hoheitliche Aufgaben wahrnimmt, dann gelten für sie grundsätzlich ähnliche Regeln, wie sie auch die Träger hoheit63

Rieble, ZfA 2000, 5, 23 ff. So etwa Däubler/Reim, § 1 TVG Rn. 58; Schüren, Die Legitimation der tariflichen Normsetzung, S. 238 f. 65 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 560 f. 66 Auffallend bei Rieble, ZfA 2000, 5; auch Picker, NZA 2002, 761. 64

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licher Gewalt verpflichten. Konkret wäre die mitgliedschaftliche Legitimation wohl nach dem Vorbild der funktionalen Selbstverwaltung zu organisieren, um eine hinreichende staatsdemokratische Legitimation der (Tarif-)Normsetzung zu erreichen.67 Davon abgesehen bedürfte es keiner weitergehenden Legitimation der Normsetzung. Die Geltung der Tarifnorm wäre insbesondere nicht abhängig vom Einverständnis des einzelnen Gewerkschaftsmitglieds.68 Darüber hinaus, könnten Belange des Kollektivs oder der Allgemeinheit nicht nur zum Maßstab der inhaltlichen Ausgestaltung von Tarifnormen werden69, sondern auch die Organisation der Normsetzung beeinflussen. Damit fällt insbesondere die Rechtfertigung einer Frauenquote leicht. Sie ergibt sich bei diesem Verständnis allein aus dem Willen der Koalition, verkörpert in ihren rechtsetzenden Organen. Jedenfalls lässt sie sich zwanglos mit übergeordneten Interessen rechtfertigen, wie beispielsweise der Durchsetzung tatsächlicher Gleichberechtigung, wie sie in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG verfassungsrechtlich verankert ist. Eine Legitimation durch die Mitglieder macht dagegen die Rückführbarkeit der konkreten Tarifnorm auf den Willen der Mitglieder erforderlich. Der Tarifvertrag hat seine konkrete Gestalt nicht deshalb, weil übergeordnete Verbandsinteressen oder staatsorganisationsrechtliche Vorgaben ihn prägen, sondern weil sein Inhalt dem Willen der Normunterworfenen entspricht.70 Dieses Prinzip kollektiver Privatautonomie wirkt sich auch auf die innerverbandliche Willensbildung aus. Die kollektive Betätigung im Rahmen der Tarifautonomie muss Ausdruck der individuellen Entscheidung des einzelnen Mitglieds sein, das Handeln der Koalition mittragen zu wollen.71 Erforderlich ist deshalb eine Beteiligung der Mitglieder an der tariflichen Willensbildung. Dies kommt in der Forderung nach „demokratischen“ Strukturen als Voraussetzung der Tariffähigkeit zum Ausdruck. Inwieweit dies zu einem bestimmten Organisationsrecht führt, ist im Folgenden zu untersuchen.

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Dazu BVerfG vom 5.12.2002 – 2 BvL 5/98 u. a. – NVwZ 2003, 974; Linsenmaier, RdA 2008, 1, 6 ff. 68 Zur Außenseiterproblematik Rieble, ZfA 2000, 5, 16; Picker, NZA 2002, 761, 769 jeweils m.w.N. 69 Dazu ablehnend Rieble, ZfA 2000, 5, 19 ff. 70 Rieble, ZfA 2000, 5, 23 ff. 71 MünchArbR/Rieble/Klumpp, § 164 Rn. 5.

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III. „Demokratie“ ist nicht Staatsdemokratie Die Forderung nach demokratischen Binnenstrukturen als Voraussetzung der Tariffähigkeit meint richtigerweise nicht die Demokratie im staatsrechtlichen Sinne.72 Staatsdemokratie dient nämlich nicht dazu, dem Willen des Einzelnen Geltung zu verschaffen, sondern demjenigen der Mehrheit.73 Staatsdemokratisch soll gerade nicht erreicht werden, dass sich der Einzelne in einer Entscheidung möglichst wiederfindet, sondern es soll grundsätzlich das gelten, was die Mehrheit der Individuen für die Gesamtheit als richtig und verbindlich anerkennt.74 Staatsdemokratie dient folglich nicht der Verwirklichung privatautonomer Selbstbestimmung des Einzelnen, sondern der Legitimation staatlicher Herrschaft.75 Ziel ist nicht die Selbstverwirklichung im Kollektiv, sondern die in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG geforderte Volkssouveränität.76 Die Übertragung staatsdemokratischer Vorstellungen auf die Organisation der Tarifwillensbildung wird dennoch gefordert. Tendenziell ist sie mit einem quasistaatlichen Verständnis der Tarifnormsetzung verbunden. Daneben gibt es aber auch einen kollektiv-privatautonomem Ansatz der Übertragung von staatsdemokratischen Vorstellungen auf die Organisation der Tarifwillensbildung.77 Dieser „autonome“ Ansatz läuft auf eine sinngemäße Anwendung staatsdemokratischer Regelungen hinaus, die wegen der Ähnlichkeit des Ergebnisses – der Normunterworfenheit – geboten sei.78 Hierin kommt eine Vorstellung von der Demokratie als allgemeinem Rechtsprinzip zum Ausdruck: Die Anerkenntnis von Normsetzungsbefugnissen durch Zivilrechtssubjekte setze voraus, dass diese ähnlichen Regeln unterworfen seien, wie die anderen Bereiche der Rechtsordnung.79 Konsequent ist daher Schüren, der zwischen mitgliedschaftlicher Legitimation und staatsdemokratisch organisierter Willensbildung letztlich keinen entscheidenden Unterschied sieht.80

72 Löwisch/Rieble, § 2 TVG Rn. 31; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1165; Däubler/Däubler, Einleitung Rn. 92 die Anwendung des Demokratiegebots des Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG sei zumindest „zweifelhaft“. 73 Pieroth, JuS 2010, 473, 475. 74 Umfassend Hillgruber, AöR 127 (2002), 460. 75 Maunz/Dürig/Klein, Art. 38 Rn. 68. 76 BVerfG vom 23.10.1952 – 1 BvR 1/51 – NJW 1952, 1407. 77 Zu den unterschiedlichen Ansätzen mit zahlreichen weiteren Nachweisen Schüren, Die Legitimation der tariflichen Normsetzung, S. 237 ff. 78 Schüren, Die Legitimation der tariflichen Normsetzung, S. 238 f., insbesondere die Formulierung auf S. 239: „Damit wäre der Meinungsstreit über die Natur der tariflichen Normsetzungsbefugnis im hier interessierenden Zusammenhang unerheblich.“ 79 Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, 51 f. 80 Schüren, Die Legitimation der tariflichen Normsetzung, S. 239.

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Im Ergebnis mag dies sogar weitgehend richtig sein, denn in den Schlüsselfragen organisierter innerverbandlicher Willensbildung ähneln sich das staatsdemokratische und das kollektiv-privatautonome Modell stark – so etwa in Bezug auf die Entscheidungsfindung nach dem Mehrheitsprinzip. Das ändert aber nichts daran, dass die Organisation der Willensbildung im System kollektiver Privatautonomie auf einem anderen Prinzip gründet, nämlich dem Vertragsschluss.81 Pointiert ausgedrückt tritt an die Stelle des staatsdemokratischen Herrschaftsmodells der Idealfall einer allgemeinen Akzeptanz der Bedingungen des Verbandsvertrages und der Tarifnorm. Das staatsorganisationsrechtliche Demokratieprinzip ist deshalb grundsätzlich nicht auf die Situation des tariffähigen Verbandes anwendbar. Auf die Ähnlichkeit des Ergebnisses staatlicher und tariflicher Rechtsetzung – nämlich die Normunterworfenheit – kommt es nicht an. Allenfalls können Parallelen zwischen Staatsdemokratie und der Organisation innerverbandlicher Willensbildung auftreten.82 Staatsorganisationsrechtliche Vorgaben sind kein Maßstab für die innerverbandliche „Demokratie“ als Voraussetzung der Tariffähigkeit.

IV. „Demokratie“ zur Sicherung individueller Selbstbestimmung 1. Vereinsrecht als Grundfall „demokratischer“ Organisation Prinzip des Organisationsrechts ist die privatautonome Entfaltung des Einzelnen. Ausdruck dieser Privatautonomie ist es, grundsätzlich frei darüber entscheiden zu können, wie man seine Lebensverhältnisse gestalten möchte.83 Deshalb muss prinzipiell die Möglichkeit bestehen, über die eigenen Rechte disponieren zu können. Grundsätzlich kann daher auch jeder selbst darüber entscheiden, wie er seine Rechte im Rahmen der Tarifautonomie als kollektiver Privatautonomie wahrnehmen möchte. Daher verwundert es zunächst, wenn aus der Notwendigkeit mitgliedschaftlicher Legitimation ein zwingendes Erfordernis demokratischer Organisation abgeleitet wird. Nimmt man den Gedanken der privatautonomen Begründung mitgliedschaftlicher Legitimation ernst, dann ist eine Koalition eben tatsächlich „auf den Status eines einfachen Vereins zurückgestuft.“84 Dann muss aber prinzipiell dem Gewerkschaftsmitglied die Möglichkeit eröffnet sein, beschränkte innerverbandli81

Rieble, ZfA 2000, 5, 23 ff. Däubler/Däubler, Einleitung Rn. 92. 83 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts Band II, S. 5 f. 84 So eine Formulierung von Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Band. I, S. 567, der diese Rückstufung auf das einfache Vereinsrecht allerdings ablehnt. Für den Status als – durch Art. 9 Abs. 3 GG besonders geschützten – einfachen Verein Rieble, ZfA 2000, 5, 22. 82

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che Stimm- und Beteiligungsrechte akzeptieren zu können – so wie dies im einfachen Vereinsrecht zulässig ist.85 Es gibt deshalb keinen Grund, mitgliedschaftliche Legitimation von vornherein eng zu interpretieren und diese daher nur in solchen Strukturen verwirklicht zu sehen, die eine möglichst unmittelbare und gleiche – streng „demokratische“ – Partizipation ermöglichen. Geschützt werden muss allenfalls die Möglichkeit, über den Grad und Umstand der Partizipation und die Mitgliedschaft frei entscheiden zu können, so dass der Beitritt zu einer Gewerkschaft und der Verbleib in ihr tatsächlich als freie, privatautonome Legitimation der Normsetzung angesehen werden kann. Die Situation des Mitglieds einer tariffähigen Koalition ist insoweit nicht grundsätzlich anders als die des Mitglieds eines Verbandes ohne Aufnahmefreiheit und Marktkontrolle.86 Allein aus dem Gedanken individueller Selbstbestimmung im Kollektiv ergeben sich somit keine besonderen Anforderungen an die „demokratische“ Organisation als Voraussetzung der Tariffähigkeit. Die für den Verein mit überragender Machtstellung im wirtschaftlichen und sozialen Bereich aufgestellten Grundsätze gelten somit entsprechend für den tariffähigen Verband. Daraus folgt zwar ein grundsätzliches Gebot der Gleichbehandlung zum Schutz der Gewerkschaftsmitglieder, indes kein gesteigertes Maß an Partizipation. 2. Strengere Partizipation im Bereich der Tarifautonomie Allerdings könnten die Besonderheiten im Bereich der Tarifautonomie eine möglichst direkte Teilhabe an der Tarifwillensbildung erforderlich machen. a) Besonderheiten im Bereich der Tarifautonomie aa) Außenwirkung des Tarifvertrages Zunächst wirkt die tarifliche Regelungsmacht über die innerverbandlichen Rechtsbeziehungen hinaus. Sie regelt mit normativer Wirkung eine Rechtsbeziehung des Gewerkschaftsmitglieds mit einer nicht dem Verband angehörenden Person.87 Diese Rechtsbeziehung zu einem Dritten, die im Zeitpunkt des Verbandsbeitritts dem Gewerkschaftsmitglied entweder gar nicht oder nicht in ihrer konkreten Gestalt gegenwärtig ist oder die für die Zukunft abänderbar ist, erfordert möglicherweise ein besonderes Maß an Partizipation bei der Tarifwillensbildung.

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Siehe § 3 B. II. Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1159 ff. und insbesondere Rn. 1165, der dieses privatautonome Ausgangsmodell der organisierten Willensbildung im Zusammenhang mit der „Differenzierung nach Koalitionsaufgaben“ diskutiert. 87 Rieble, ZfA 2000, 5, 14. 86

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Das ist allerdings keine singuläre Erscheinung des Tarifvertrages. Drittwirkungen finden sich auch in anderen Bereichen des Schuldrechts.88 Beispiele sind der Betriebsübergang nach § 613a BGB und das Prinzip „Kauf bricht nicht Miete“ gemäß § 566 BGB.89 Die genannten Vorschriften taugen allerdings nur begrenzt als Leitbild für die Tarifautonomie, da sich das Legitimationsproblem in den durch sie erfassten Lebenssachverhalten weniger dramatisch auswirkt. So erfolgt der Übergang der Mietverhältnisse nach § 566 BGB vor allem zum Schutz des Mieters, dessen Status sich durch den Übergang des Eigentums an der Wohnung nicht wesentlich ändert und dem Mieter das Recht zur Kündigung lässt.90 Ähnlich ist die Lage beim Betriebsübergang, bei dem das Gesetz dem Arbeitnehmer ein Widerspruchsrecht einräumt.91 Dennoch zeigen die Beispiele, dass nicht allein der Umstand der Drittwirkung derart atypisch ist, dass ein besonderes Maß mitgliedschaftlicher Legitimation zwingend erforderlich ist.92 Allerdings lässt die besondere Qualität tariflicher Normsetzung unter Umständen nicht jede beliebige Legitimation der Drittwirkung genügen. Der Umstand, dass der Tarifvertrag faktisch über die Rechtsbeziehung zwischen Mitglied und Verein hinauswirkt, ist für sich genommen also kein Problem. Die Drittwirkung verschärft aber das Legitimationsproblem in einem unter Umständen besonders sensiblen Bereich. bb) Grundrechtsrelevanz tariflicher Rechtsnormen Diese besondere Sensibilität im Bereich der Tarifnormsetzung ergibt sich insbesondere aus ihrer Grundrechtsrelevanz. Die Regelungen des Tarifvertrages berühren regelmäßig sowohl die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit93, als auch deren Vertragsfreiheit der Normunterworfenen und das Recht auf Gleichbehandlung nach Maßgabe des Art. 3 GG. Die Normunterworfenen sind insoweit schutzbedürftig.94 Die Frage, ob die Tarifvertragsparteien mittelbar oder unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind, ist dabei zunächst zweitrangig, denn selbst wenn sich die Grundrechte nicht direkt auf das Verhältnis zwischen dem Verband und seinem

88 89 90 91

687. 92 93 94

Rieble, ZfA 2000, 5, 15; Jauernig/Mansel, § 241 BGB Rn. 6. Weitere Beispiele Weitnauer, FS Larenz, S. 705, 712 ff. Zum Schutz des Mieters durch § 566 BGB: Kühn, NZM 2009, 4 ff. U.a. zum Schutz des Arbeitnehmers durch § 613a BGB: Jochums/Klumpp, JuS 2006, Rieble, ZfA 2000, 5, 14. Dazu Junker, NZA 1997, 1305, 1306 f. MünchArbR/Rieble/Klumpp, § 169 Rn. 36; Löwisch/Rieble, § 1 TVG Rn. 218 ff. m.w.N.

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Mitglied auswirken, kann der Schutz nicht wesentlich hinter dem einer unmittelbaren Grundrechtsbindung zurückbleiben.95 Dies ergibt sich aus dem kollektiv-privatautonomen Verständnis der Tarifautonomie, denn wenn die Berechtigung der Koalition im Interesse der Privatautonomie des einzelnen Mitglieds erfolgt und somit letztlich durch dieses legitimiert sein muss, dann darf das einzelne Mitglied nicht willkürlichen und unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen seiner in Koalitions- und Berufsfreiheit, sowie dem Gleichheitssatz verkörperten Rechte und Interessen unterworfen werden.96 Deshalb bedarf es geeigneter Mechanismen zum Schutz der Interessen des Mitglieds vor einem Verband, der zwar im Interesse des Mitglieds berechtigt ist, aber gleichwohl die Macht hat, gegen das Mitglied eigene Interessen zu formulieren und durchzusetzen. Im sozialmächtigen Massenverband ist die tarifvertragliche Missachtung der Grundrechte des Mitglieds also Folge gestörter Vertragsparität, auf die mit dem Mittel der Inhaltskontrolle am Maßstab der Rechte der Mitglieder reagiert werden muss. Dieser Gedanke ist auch auf die Organisation innerverbandlicher Willensbildung übertragbar. Der Schutz der Grundrechte bzw. Interessen des Mitglieds vollzieht sich nämlich auf zwei Ebenen: Neben die Inhaltskontrolle des Produkts „Tarifvertrag“ tritt die Kontrolle seines Entstehungsprozesses. Neben die Kontrolle durch Außengrenzen der Regelungsmacht tritt das Partizipationsrecht des Einzelnen zum Schutz seiner privatautonomen Entscheidungsfreiheit. Insoweit gibt es Parallelen zur Staatsorganisation: Der Grundrechtsschutz im Staat wie im Verband ist nur dann gewährleistet, wenn der Einzelne nicht schrankenlos der Macht einer Übergeordneten Einheit unterworfen ist und wenn er die Möglichkeit hat, auf die Entscheidungen dieser Einheit Einfluss zu nehmen. cc) Ständiger Wandel tariflicher Normen Hinzu kommt, dass die genauen Umstände tariflicher Bindung erst zum Zeitpunkt des Abschlusses eines Tarifvertrages klar werden. Das Mitglied kann also im Moment des Beitritts nicht wissen, welchen Bedingungen es sich eigentlich unterwirft. Preis sieht darin eine Schwachstelle kollektiv-privatautonomer Legitimationstheorien, die nicht zu erklären vermögen, wie der Einzelne eine Normsetzung legitimieren kann, die er in ihrer konkreten Gestalt gar nicht zu erfassen vermag.97 Nun ließe sich diesem Argument die Spitzfindigkeit entgegenhalten, dass auch die Beauftragung „ins Blaue hinein“ prinzipiell hinreichender Legitimationsakt sein kann. Es ist jedenfalls nicht untypisch, die Gestaltung der eigenen Rechtsverhältnisse Dritten zu übertragen und dabei weitgehende Vertretungsmacht einzuräumen. 95 96 97

MünchArbR/Rieble/Klumpp, § 169 Rn. 36. MünchArbR/Rieble/Klumpp, § 169 Rn. 36. So Preis, Kollektivarbeitsrecht, S.234.

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Allerdings hat Preis insofern Recht, als für den besonderen Bereich der Tarifnormsetzung jedenfalls eine Grenze der Selbstentrechtung gefunden werden muss. Richtigerweise stellt dies stellt nun aber nicht den Gedanken mitgliedschaftlicher Legitimation insgesamt in Frage, sondern macht besondere wiederkehrende Legitimationsakte erforderlich. Wenn der Einzelne nämlich nicht weiß, wie sich die Normunterworfenheit zukünftig darstellt, dann muss er sie stets erneut bestätigen und kann ihre Legitimation nicht in einem einmaligen Unterwerfungsakt antizipieren. dd) Existentielle Bedeutung der Arbeitsbedingungen und strukturelle Unterlegenheit der Gewerkschaftsmitglieder Entscheidend ist jedoch ein anderer Gesichtspunkt: Die Bedingungen, unter denen abhängige Arbeit geleistet wird, sind für die Betroffenen von besonderer, existentieller Bedeutung.98 Die ökonomische und persönliche Abhängigkeit der Arbeitnehmer bedingt Gefährdungen ihrer wirtschaftliche Existenz und macht Maßnahmen des Arbeits- und Persönlichkeitsschutzes erforderlich.99 Diesen Interessen des Arbeitnehmers lässt sich im herkömmlichen System freier Vertragsgestaltung regelmäßig nicht Geltung verschaffen, denn das wirtschaftliche Gefälle und die Eigenarten von Arbeitsleistung und Arbeitsmarkt bedingen eine typische strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers im Verhältnis zum Arbeitgeber100 und machen ein gleichberechtigtes und freies Aushandeln der Vertragsbedingungen regelmäßig unmöglich.101 Die Wahl zwischen verschiedenen Arbeitsplätzen ist dann stets nur die „Unterwerfung unter verschiedene fremdgesetzte Ordnungen“.102 Es bedarf daher Mechanismen zum Schutz der Privatautonomie des einzelnen Arbeitnehmers, die eine Fremdbestimmung nach Möglichkeit ausschließen. Die Korrektur der gestörten Vertragsparität im Interesse eines wirkungsvollen Arbeitnehmerschutzes vollzieht sich im Arbeitsrecht auf unterschiedliche Weise. Im Individualarbeitsrecht wird versucht, das Ungleichgewicht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber hauptsächlich durch Beschränkungen der Vertragsfreiheit zu kompensieren.103 Im kollektiven Arbeitsrecht wird durch institutionalisiertes gemeinsames Handeln der Arbeitnehmer ein Gegengewicht geschaffen, um so die

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ErfK/Dieterich, Art. 9 GG Rn. 65. Otto, Arbeitsrecht, Rn. 79 f.; Krause, Arbeitsrecht, Rn. 5; MünchArbR/Richardi, § 3 Rn. 30 ff. 100 BVerfG vom 19.12. 2004 – 1 BvR 2582/03, 1 BvR 2283/03, 1 BvR 2504/ 03 – NZA 2005, 153, 155; MünchArbR/Richardi, § 3 Rn. 30. 101 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Band I, S. 3 ff. m.w.N.; Krause, Arbeitsrecht, Rn. 6 m.w.N. 102 Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 6. 103 Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, Rn. 17 ff. m.w.N. 99

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Übermacht der Arbeitgeberseite auszugleichen.104 Auch hieran zeigt sich, dass eine Koalition vor allem zum Schutz der Privatautonomie ihrer Mitglieder und im Interesse deren selbstbestimmter Organisation des Arbeitslebens berechtigt ist.105 Dieses Verständnis ist bedeutsam für die Frage nach der innerverbandlichen Organisation und den Partizipationsrechten des einzelnen Verbandsmitglieds. Es führt nämlich zu dem Schluss, dass bei der Organisation der Arbeitsbedingungen – und insbesondere auf der Ebene der Tariffähigkeit – nur solche innerverbandlichen Strukturen zulässig sind, die dieses Ziel der Selbstbestimmung des Mitglieds tatsächlich und effektiv verwirklichen. Es wäre widersinnig, im Interesse des Schutzes der Privatautonomie des Individuums und dessen Befreiung aus existenzgefährdender Unterwerfung ein System kollektiver Interessenvertretung zu schaffen, das den Einzelnen nur in vergleichbare Abhängigkeit zwingt, indem es statt einer Unterordnung unter den Arbeitgeber die Herrschaft durch einen Verband konstituiert.106 b) Zusammenfassung: Möglichst unverfälschte Partizipation des Einzelnen als Ideal „demokratischer“ Strukturen Prinzip der „demokratischen“ Organisation der Tarifwillensbildung ist also die Orientierung am Willen des Individuums angesichts spezifischer Schutzbedürftigkeit. Zusammenfassend lassen sich folgende organisatorische Grundsätze aufstellen: Wenn es um die Wahrnehmung individueller Interessen im Kollektiv geht, dann kommt es für die Organisation der Gewerkschaft entscheidend darauf an, ob das Handeln des Kollektivs auf den Willen des Einzelnen zurückzuführen ist. Vorbild ist der Konsens beim Vertragsschluss, so dass der theoretische Idealzustand der Tarifwillensbildung die einstimmige Akzeptanz der Bedingungen des Tarifvertrages ist. Über dieses Erfordernis der Einstimmigkeit kann der Einzelne indes autonom disponieren, so dass die Entscheidungsfindung nach dem Mehrheitsprinzip unter anderem durch die Beitrittsentscheidung sanktioniert ist. Eine Grenze der Disposition über die Partizipationsrechte ergibt sich aus der Eigenschaft der Gewerkschaften als Verbände mit überragender Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich. In diesen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Einzelne Satzungsgestaltungen allein durch Beitritt und Verbleib im Verein hinreichend sanktioniert, so dass eine grundsätzliche Gleichbehandlung der Mitglieder und ein Höchstmaß an Einflussnahme auf die innerverbandliche Willensbildung erforderlich sind.

104

Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Band I, S. 8 f.; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 2; ErfK/Dieterich, Art. 9 GG Rn. 65; Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, Rn. 20. 105 Zu diesem Verständnis vom „Doppelgrundrecht“ MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 155 Rn. 4. 106 Rieble, ZfA 2000, 5, 21; ähnlich Kempen/Zachert/Kempen, Grundlagen Rn. 67.

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Die Besonderheiten tarifautonomer Rechtsetzung machen überdies eine ständig wiederkehrende Beteiligung der Mitglieder erforderlich, speziell im Vorfeld von Arbeitskampfmaßnahmen und bei der Rechtsetzung durch Tarifvertrag. Diese Prinzipien der Gleichbehandlung und der ständig wiederkehrenden Legitimation der Tarifpolitik definieren einen Rahmen des Organisationsrechts. Dies läuft auf eine basisdemokratische Organisation107 oder zumindest auf eine möglichst unmittelbare und wiederkehrende Beteiligung an der Willensbildung hinaus.108 Vor diesem Hintergrund sind Frauenquoten als Manipulation der Wahlentscheidung problematisch. 3. Quoten und Funktionsfähigkeit der „demokratisch“ organisierten Gewerkschaft In seiner konkreten Ausgestaltung muss das Organisationsrecht der Gewerkschaften aber überdies der Funktionsfähigkeit des Verbandes Rechnung tragen. Quotenregelungen könnten dieser Funktionsfähigkeit geschuldet sein. So ist unmittelbar einsichtig, dass in modernen Massenverbänden ein allgemeiner Konsens in der Gestaltung von Organisation und Verbandstätigkeit und als Voraussetzung tariflicher Rechtsetzung nicht zu verwirklichen ist.109 Die Willensbildung so zu organisieren wie einen gewöhnlichen Vertragsschluss, wird den tatsächlichen Anforderungen an die Funktionsfähigkeit des Verbandes nicht gerecht. Schon eine einzige Gegenstimme könnte die Gewerkschaft handlungsunfähig machen. Das Zuviel an Rücksichtnahme auf die individuelle Entscheidungsfreiheit geht zulasten der Funktionsfähigkeit des Verbandes und erschwert die Interessenwahrnehmung im Kollektiv. Beschränkungen individueller Privatautonomie sind daher zum Schutz kollektiver Privatautonomie geboten. Für die Zulässigkeit einer Frauenquote ist dies deshalb bedeutsam, weil die formale Gleichheit der Mitglieder in einem Verband, dessen Entscheidungsfindung nach dem Mehrheitsprinzip organisiert ist, auf die Voraussetzungen der Willensbildung bezogen ist. Das Ergebnis des Willensbildungsprozesses kann indes zu einer Ungleichbehandlung führen. Es setzt sich nicht das Prinzip formaler Gleichheit der Mitglieder durch, sondern der Wille der Mehrheit. Deshalb ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Mehrheit der Mitglieder durch ihre jeweilige Wahlentscheidung faktisch eine Quote verwirklicht. Für die Frage der Zulässigkeit einer satzungsmäßig vorweggenommenen Ungleichbehandlung ist daher durch den bloßen Verweis auf die formale Gleichbehandlung wenig gewonnen. Wenn die Gewerkschaft in jeder einzelnen Wahlentscheidung Frauen bevorzugen darf, warum soll sie dies nicht auch satzungsmäßig regeln dürfen? Oder zumindest: Warum sollte 107

Säcker/Oetker, Probleme der Repräsentation von Großvereinen, S. 2. Löwisch, ZfA 1970, 295, 306; Löwisch/Rieble, § 2 TVG Rn. 32 m.w.N. 109 Allgemein für Großvereine: Säcker/Oetker, Probleme der Repräsentation von Großvereinen, S. 2. 108

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jede Form von satzungsmäßiger Ungleichbehandlung die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gefährden, wenn die Mehrheit angesichts konkreter Entscheidungen ohne Weiteres in der Lage ist, ein einer Quote entsprechendes Ergebnis zu verwirklichen? Man kann sogar einen Schritt weitergehen und anzweifeln, ob und inwieweit Frauenquoten das System direkter Partizipation überhaupt stören. Zunächst ist eine verbindliche Quotenregelung nämlich lediglich Ausdruck des Willens der Mehrheit, Frauen einen gesteigerten Einfluss bei der innerverbandlichen Willensbildung zu verschaffen. Dass sich der Mehrheitswillen im Ergebnis durchsetzt, ist der Funktionsfähigkeit des Verbandes geschuldet und grundsätzlich nicht zu beanstanden. Diese legitime Mehrheitsentscheidung wird durch eine Frauenquote antizipiert.110 Mit anderen Worten: Ein vollkommen legitimes und im einzelnen Wahlgang ohne weiteres erreichbares Ergebnis wird durch die Quote „in Form gegossen“. Hinzu kommt, dass ein gewisses Maß an Antizipation oder Vorbereitung der Wahlentscheidung in Verbänden ohnehin der Regelfall sein wird. Jeder Wahlentscheidung geht ein innerverbandlicher Diskurs voraus, der nur in seltenen Fällen zu Kampfabstimmungen führt.111 Die Frauenquote ist daher keine außergewöhnliche Abweichung von einem ohnehin nur theoretischen Ideal möglichst direkten Einflusses auf die innerverbandliche Willensbildung. Vielmehr kann man sie vor diesem Hintergrund sogar als ein Instrument zur Stärkung des Einflusses der Mitglieder verstehen, weil sie die faktisch bedeutsame Auswahlentscheidung der Gewerkschaftsgremien immerhin durch die durch die satzungsändernde Mehrheit der Mitglieder gewünschte Mindestbeteiligung von Frauen begrenzt. Sie lässt sich – plakativ ausgedrückt – als Instrument gegen die „Klüngelei“ männerbündischer Vorstände begreifen.112 Eine Quote lässt sich daher als Regelung interpretieren, die im Ergebnis weder die Gleichheit der Mitglieder, noch die Freiheit der Stimmabgabe entscheidend manipuliert.113 Die Frauenquote ist bei diesem Verständnis eine formale organisatorische,

110 Dieses Argument erörternd aber im Ergebnis ablehnend von Nieding, NVwZ 1994, 1171, 1174. 111 So erhielt Berthold Huber bei seiner Wiederwahl zum Vorsitzenden der IG Metall auf dem Gewerkschaftstag 2011 96,2 Prozent der Stimmen, Ergebnisse abrufbar im Internet unter http://www.igmetall.de/cps/rde/xchg/SID-4B306049 – 232CEE58/internet/style.xsl/pressemittei lungen-2011 – 8727.htm; Bei den Wahlen zum Bundesvorstand der Gewerkschaft ver.di am 19.9. 2011 erhielt – bis auf die Kandidatin Isolde Kunkel-Weber (59,1 Prozent) und die Kandidatin Elke Hanack (78,8 Prozent) – keiner der 14 Kandidaten weniger als 80 Prozent der Stimmen, Ergebnisse abrufbar im Internet unter http://www.verdi.de/ueber-uns/bundeskon gress/wahlen. 112 Generell zu Ideal und Wirklichkeit innergewerkschaftlicher Willensbildung Lessner, RdA 2005, 285, 288 m.w.N. 113 Lange, NJW 1988, 1174, 1180.

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letztlich der Willkürkontrolle unterliegende Entscheidung – ähnlich wie die Zahl der zu wählenden Vorstandsmitglieder oder der Ablauf des Wahlverfahrens.114 Eine Quotenregelung ist indes mehr als eine nur formale Vorwegnahme der Mehrheitsentscheidung. Dafür spricht schon, dass in der Einführung einer Quotenregelung zwar der freie Mehrheitswille zur (abstrakten) Frauenförderung zum Ausdruck kommt, es der Mehrheit aber offenbar an Glauben an die eigene (konkrete) diskriminierungsfreie Wahlentscheidung mangelt. Wäre dies anders, bedürfte es einer Frauenquote nicht, die Mehrheit der Mitglieder könnte in jeder einzelnen Wahl ihre Vorstellung von angemessener Repräsentation von Frauen in die Wahlentscheidung einfließen lassen. Allenfalls wäre dann eine unverbindliche Soll-Regelung erforderlich, durch die die Mehrheit der Mitglieder an ihr grundsätzliches Streben nach stärkerer Partizipation der Frauen angesichts konkreter Wahlentscheidungen „erinnert“ würde. Außerdem bindet eine Satzungsregelung nicht nur die gegenwärtigen, satzungsändernden Mitglieder, sondern auch künftige Mitglieder, die an der Entscheidung zur Quotenregelung nicht beteiligt sind. Gegen eine dadurch bewirkte unzulässige Selbstbindung könnte allerdings die Möglichkeit der Satzungsänderung sprechen. Es ist möglich, dass sich in einer Gewerkschaft neue Mehrheiten finden, die eine Frauenquote nicht länger wünschen und sie deshalb aus der Satzung entfernen oder inhaltlich abändern. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass den Satzungsbestimmungen eine besondere Qualität zukommt. So ist es erforderlich, sich dem innergewerkschaftlichen Diskurs zu stellen, was den Gegnern einer Frauenquote eine argumentative Rechtfertigungslast in der innergewerkschaftlichen Auseinandersetzung aufbürdet – zumal es sich bei Satzungsbestimmungen um Grundsatzentscheidungen handelt. Allerdings ist dies für die Organisation der innerverbandlichen Willensbildung nicht untypisch. Auch sonstige inhaltliche Neuausrichtungen erfordern das Engagement der Gewerkschaftsmitglieder. Dies vorauszusetzen erscheint nicht als unbillige Härte, zumal die Alternative eine Beschränkung der Organisationsfreiheit der Mehrheit ist. Es ist der Minderheit zumutbar, sich im innerverbandlichen Diskurs zu Wort melden zu müssen und gegebenenfalls eigene Mehrheiten zu bilden. Die eigentliche Verzerrung des Mitgliederwillens liegt daher nicht in der Antizipation des Mehrheitswillens, sondern in einer satzungsrechtlichen Besonderheit: Dem Erfordernis qualifizierter Mehrheiten zur Abänderung der Satzung.115 Dadurch wird es unmöglich, dass sich eine einfache Mehrheit ohne Beeinflussung durch die Quotenregelung in der konkreten Wahlentscheidung durchsetzt. Die Quote ist demnach mehr als nur ein in Rechtsform gegossenes Bekenntnis zur Frauenförderung, denn sie führt eine Verbindlichkeit dieser Ausrichtung der Gewerkschaft herbei, die über eine bloße Modifikation der Mehrheitsentscheidung 114

Lange, NJW 1988, 1174, 1180. Zum Beispiel § 20 Nr. 12 der Satzung der IG Metall in der Fassung vom 1.1. 2008: Zwei Drittel der abstimmenden Delegierten. 115

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hinausgeht. Zumindest errichtet sie eine Hürde, die die gleiche und unmittelbare Partizipation beeinträchtigt.116 Mit dem Gedanken der funktionsfähigen Ausgestaltung der Gewerkschaftsorganisation ist eine verbindliche Quotenregelung nicht zu erklären: Sie ist als Modifikation des Mehrheitsprinzips grundsätzlich verzichtbar, ohne dass Defizite in der Handlungsfähigkeit des Verbandes zu befürchten sind. Zulässig sind allerdings unverbindliche Soll-Regelungen, die in den Wahlvorschlag einfließen können und damit in ihrer faktischen Wirkung unter Umständen nicht hinter einer verbindlichen Quotenregelung zurückbleiben. Eine solche Satzungsbestimmung ist lediglich Ausdruck eines gewerkschaftspolitischen Diskurses, den zu führen jedem Mitglied zuzumuten ist. Die mitgliedschaftliche Legitimation wird nur durch Zwang in Frage gestellt. Ein Recht, in seiner Wahlentscheidung politisch unbeeinflusst zu bleiben gibt es nicht – zumal ein solches wiederum die Funktionsfähigkeit des Verbandes gefährden würde, der zur Gesamtwillensbildung auf den innerverbandlichen Diskurs angewiesen ist. Die Frauenquote ist also nicht deshalb gerechtfertigt, weil sie der funktionsfähigen Ausgestaltung des Verbandes dient. 4. Frauenquoten als hinnehmbare Verzerrung der Tarifwillensbildung? Frauenquoten könnten als Verzerrung der Tarifwillensbildung (noch) hinnehmbar sein, ohne dass die Funktionsfähigkeit des Tarifvertragssystems gefährdet wäre. So gibt es weitere organisatorische Besonderheiten in den Gewerkschaften, die nicht mit dem Gedanken der Funktionsfähigkeit zu erklären sind und die die Tarifwillensbildung ebenfalls beeinflussen. Im Zusammenhang mit der Diskussion über die Zulässigkeit von so genannten OT-Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden wird das Argument angeführt, derartige abgestufte Mitgliedschaftsrechte seien unter anderem deshalb zulässig, weil sich in den Gewerkschaften ebenfalls OTMitglieder fänden. Dies seien etwa Arbeitslose, Studenten oder Rentner, deren Partizipation an der Tarifwillensbildung sich mangels Normunterworfenheit verzerrend auswirke.117 Allerdings sollte die Feststellung unzulässiger Einflussnahme in den Gewerkschaften Anlass sein, diese zurückzudrängen, nicht sie als Rechtfertigung für sonstige problematische Satzungsbestimmungen heranzuziehen. Daher vermag der Umstand, dass in den Gewerkschaften ohnehin kein organisatorischer Idealzustand

116

Mit Blick auf Quoten in politischen Parteien von Nieding, NVwZ 1994, 1171, 1174 m.w.N. 117 Löwisch/Rieble, § 2 TVG Rn. 88; BAG vom 4.6.2008 – 4 AZR 419/07 – NZA 2008, 1366, 1369.

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verwirklicht ist, für sich genommen eine Verzerrung der innerverbandlichen Willensbildung durch eine Quotenregelung nicht zu rechtfertigen. Weitere Fragen werfen Satzungsgestaltungen auf, die dazu führen, dass der Wille des einzelnen Mitglieds lediglich vermittelt zum Ausdruck kommt, so bei der Delegation von Entscheidungskompetenzen auf den Vorstand oder auf (Tarif-)Kommissionen. Schüren weist in diesem Zusammenhang auf ein mögliches Entstehen oligarchischer Strukturen in basisdemokratisch organisierten Massenverbänden hin.118 Ohne repräsentative Strukturen bestünde die Gefahr, dass eine aktive und interessierte Minderheit die faktische Kontrolle über den Verband und damit über die passive und desinteressierte Mehrheit erlangen kann.119 Modelle innerverbandlicher repräsentativer Demokratie können daher nicht nur zulässig, sondern sogar geboten sein, um ein System kollektiver Privatautonomie funktionsfähig zu erhalten. In Betracht kommen außerdem Steigerungen der Effizienz innerverbandlicher Abläufe, so etwa wenn bestimmte Vorgänge besonderes Wissen, Engagement oder Diskretion erforderlich machen und deshalb in die Hände speziell geschaffener Kommissionen gelegt werden. So beispielsweise wenn Vorbereitung und Durchführung von Tarifverhandlungen auf eine Tarifkommission übertragen werden. Auch in Bereichen, die nicht direkt die Funktionsfähigkeit des Verbandes berühren, lässt sich ein Idealzustand gewerkschaftlicher Organisation nicht benennen. Das Grundgesetz macht in Art. 9 Abs. 3 GG schlicht keine konkreten Vorgaben zum Organisationsrecht. So ist die Entscheidung über die Zahl der Vorstandsmitglieder, die Häufigkeit von Versammlungen oder das Prozedere der Urabstimmung im Vorfeld eines Arbeitskampfes in der konkreten Ausgestaltung beliebig. Diese Unbestimmtheit führt in der Praxis stets zu organisationsrechtlichen Kompromissen zwischen Funktionsfähigkeit, Verbandspolitik und Teilhabe. Derartige Regelungen bedingen zwangsläufig eine reduzierte oder nur vermittelte Teilhabe des einzelnen Mitglieds an der Tarifwillensbildung. Die Ausgestaltung des Organisationsrechts ist daher stets mit der Unsicherheit behaftet, dem Idealzustand innerverbandlicher Willensbildung nicht gerecht zu werden. In einem komplexen sozialen Gebilde wie einer Gewerkschaft ist eine eindeutige Aussage darüber, ob das Organisationssystem der Entfaltung des Einzelnen optimal dient, nicht möglich. Es gibt schlicht nicht die eine Organisationsform, die den Anforderungen an die Funktionsfähigkeit kollektiv-privatautonomer Systeme eindeutig am besten gerecht wird. Allenfalls lassen sich organisatorische Maßnahmen daraufhin überprüfen, ob ihr Nutzen für die Entfaltung des Einzelnen im Kollektiv plausibel ist. Faktisch wird die Kontrolle der Satzungsgestaltung auf ihren Nutzen für die Funktionsfähigkeit des Verbandes daher regelmäßig auf eine bloße Willkürkontrolle hinauslaufen. Die Diskussion über das gewerkschaftliche Organisationsrecht und die Bedeutung 118

Schüren, Die Legitimation der tariflichen Normsetzung, S. 241 f. m.w.N. Schüren, Die Legitimation der tariflichen Normsetzung, S. 241 f. m.w.N.; dazu auch Lessner, RdA 2005, 285, 288 m.w.N. 119

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„demokratischer“ Strukturen für die Tariffähigkeit bewegt sich wohl auch daher auf einer sehr abstrakten Ebene und mündet selten in die Forderung nach konkreten organisationsrechtlichen Vorschriften. Dennoch lässt sich Folgendes festhalten: Kann man solche organisatorischen Regelungen benennen, die die Teilhaberechte der Mitglieder schmälern ohne aus praktischen Gründen unerlässlich zu sein, so ist es überzeugend, derartige Satzungsgestaltungen auszuschließen. Überzeugender jedenfalls als angesichts der Komplexität des innerverbandlichen Ausgleichs von Teilhabe und Funktionsfähigkeit zu kapitulieren und jede Verzerrung des Mitgliederwillens für zulässig zu halten. Eine Frauenquote ist für die funktionsfähige Ausgestaltung des Verbandes verzichtbar. Sie ist daher nicht deshalb rechtmäßig, weil sie eine hinnehmbare Verzerrung der Tarifwillensbildung darstellt. 5. Frauenquoten als Instrument zur Verwirklichung individueller Freiheit? Möglicherweise sind Frauenquoten als reine Störung der individuellen Teilhabe an der Tarifwillensbildung nur unzureichend erfasst. Ihre Rechtfertigung könnte sich daraus ergeben, dass sie ein Instrument zur Verwirklichung individueller Freiheit sind. In ihrer nach § 5 AGG zulässigen Ausgestaltung dient eine Frauenquote der Kompensation bestehender Nachteile und der Verwirklichung von Chancengleichheit. Damit modifiziert sie nicht nur das System der innerverbandlichen Willensbildung, sondern sie eröffnet zugleich individuelle Entfaltungsmöglichkeiten der weiblichen Mitglieder. Das durch die Frauenquote bewirkte Minus an innerverbandlicher Partizipation ist daher nicht bloß Verfälschung des Mitgliederwillens, sondern Ausgleich eines durch diskriminierende Strukturen verzerrten Mechanismus der innerverbandlichen Willensbildung. Erst durch die Frauenquote – so die theoretische Überlegung – kann diskriminierungsfreie und damit unverfälschte Partizipation verwirklicht werden. Bei diesem Verständnis ist die Quote kein Instrument zur Durchsetzung von Gleichheitsvorstellungen, sondern sie dient als Kompensation einer durch diskriminierende Freiheitsausübung verursachten Beschränkung der Freiheit weiblicher Gewerkschaftsmitglieder. Sie ist folglich Instrument zum Schutz der Privatautonomie der Frauen. Grundsätzlich ist diese Vorstellung von mehr Freiheit durch Gleichheit plausibel. Das Übergewicht eines Vertragspartners – hier der Gewerkschaftsmehrheit – kann ein Maß erreichen, das ein sinnvolles und gleichberechtigtes Aushandeln der Vertragsbedingungen unmöglich macht und damit eine echte privatautonome Gestaltung der Vertragsbedingungen verhindert. Ließe sich ein genaues Defizit an individueller Freiheit benennen, so könnte dies durch eine Regelung kompensiert werden, die nicht lediglich als Beschränkung der Vertragsfreiheit zu begreifen wäre, sondern als

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Kompensation einer Schwäche, die ein privatautonomes Aushandeln erst ermöglicht. Freiheit und Gleichheit stehen insoweit in einem Zusammenhang.120 Allerdings wird es in der Praxis nicht gelingen, Freiheit durch Gleichheit zu verwirklichen.121 Dies scheitert schon an der subjektiven Struktur der Privatautonomie, die eben nicht verlangt, dass eine Person objektiv richtige oder nachvollziehbare Entscheidungen trifft, sondern die die Gestaltung der privaten Lebensverhältnisse in die Hand der Betroffenen legt.122 Wie aber soll man einen Idealzustand freier Entfaltung verwirklichen, wenn man allenfalls näherungsweise sagen kann, wie die Rechtssubjekte ihre Freiheit bei optimaler Entfaltung betätigt hätten?123 Am Beispiel der Frauenquote zeigt sich das Problem in besonderem Maße: Es ist nicht gesagt, dass Frauen ohne Nachteil tatsächlich entsprechend dem statistischen Mittel weibliche Kandidaten gewählt hätten oder von der Gesamtheit der Mitglieder gewählt worden wären. Es ist zwar plausibel, dass Frauen in Massenverbänden annähernd entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtmitgliedschaft in Ämtern vertreten sein müssten – sicher feststellbar ist dies aber nicht. Des Weiteren verlangen die Maßstäbe des AGG keinen exakten Nachweis eines Nachteils im Sinne echter Ursachenforschung. Will man aber ein Minus an Freiheit kompensieren, dann muss man zumindest annähernd wissen, worin die zu kompensierende Unfreiheit besteht. Andernfalls sind nur schematische, an objektiven Kriterien orientierte Regelungen zur Kompensation möglich, die zwar geboten, erforderlich und angemessen sein können, die aber vor allem ein weniger an Entscheidungsfreiheit bewirken – jedenfalls können sie nicht für sich in Anspruch nehmen, einen Idealzustand privatautonomer Entfaltung zu verwirklichen. Schließlich ist durch Regelungen wie diejenige des AGG oder der §§ 138, 242 BGB gar keine Verwirklichung von Freiheit beabsichtigt. Vielmehr dienen sie – zumindest auch – der Beseitigung von Missständen durch Einschränkungen der Vertragsfreiheit.124 Es ist nicht ersichtlich, dass es gerade beim AGG beabsichtigt gewesen oder gelungen sein sollte, einen optimalen Ausgleich von Freiheitsrechten und damit ein insgesamt größeres Maß an Freiheit verwirklicht zu haben. Die Adaption derartiger Regelungen durch die Gewerkschaftssatzung verändert an dieser Bewertung nichts. Die Gewerkschaften machen sich angesichts einer als nachteilig empfundenen Entwicklung zwingende öffentlich-rechtliche Gleichheitsvorstellungen zu eigen. Dieses Mehr an Gleichheit ist nur durch ein Weniger an Freiheit zu 120

Zu diesem Gedanken: Gusy, NJW 1988, 2505, 2506 f. m.w.N. HGR/Heun, § 34 Rn. 1 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen; Grundlegend zum „Verhältnis von Gleichheit und Freiheit“ Maunz/Dürig/Dürig/Scholz, Art. 3 Abs. 1 GG Rn. 120 ff. 122 MünchKommBGB/Busche, Vorbem. § 145 BGB Rn. 6 m.w.N. 123 Canaris, AcP 200 (2000), 273, 286 f. 124 Umfassend Zöllner, NZA-Beil. 2006, 99 ff. (insb. S. 100 f.). 121

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verwirklichen. Frauenquoten sind kein Instrument zur Förderung und Verwirklichung individueller Teilhabe an der Tarifwillensbildung. 6. Frauenquoten als Instrument „demokratischen“ Minderheitenschutzes? Frauenquoten könnten ein Instrument „demokratischen“ Minderheitenschutzes sein. a) Minderheitenschutz bei spezifischem Gruppeninteresse Zu einem funktionierenden System der Partizipation gehört ein effektiver Minderheitenschutz.125 Ein besonderes Maß an Schutzbedürftigkeit soll bei „spezifischen Gruppeninteressen“ bestimmter Gruppen von Gewerkschaftsmitgliedern bestehen.126 Dies ist richtig. Lässt sich feststellen, dass ausgewählte Gewerkschaftsangehörige von bestimmten tariflichen Regelungen in besonderem Maße betroffen sind, so ist es unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung angemessen, hierin einen hinreichenden Grund für eine satzungsmäßige Differenzierung zu sehen, und den jeweiligen Gruppenangehörigen spezifische Einflussmöglichkeiten zu eröffnen.127 Allerdings wird sich regelmäßig kein spezifisch weibliches Gruppeninteresse in Bezug auf die Tarifwillensbildung definieren lassen. Eine Ausnahme mag bei bestimmten Berufsgruppen gegeben sein, deren Angehörige in der Überzahl Frauen sind. Dann ist es aber vorrangig das besondere Berufsgruppeninteresse, an das die Sonderrechte anzuknüpfen sind, und allenfalls mittelbar die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht. Davon abgesehen gebietet der Minderheitenschutz lediglich eine Rücksichtnahme auf spezifische Gruppeninteressen und kein Recht auf unbedingte Durchsetzung dieser Interessen durch entsprechende Manipulation der Stimmrechtsgleichheit. Diesem Gebot der Rücksichtnahme ist grundsätzlich durch pluralistische innerverbandliche Strukturen, die Akzeptanz von Minderheitsmeinungen und einen freien innergewerkschaftlichen Diskurs über die Tarifziele Rechnung getragen. Unter Umständen ist es darüber hinaus erforderlich und gerechtfertigt, besondere Kommissionen oder Interessenvertretungen einzurichten, die die Mitwirkung an Verbands- und Tarifzielen ermöglichen.128

125 126 127 128

Löwisch/Rieble, § 2 TVG Rn. 33; BeckOKArbR/Waas, § 2 TVG Rn. 16. Löwisch/Rieble, § 2 TVG Rn. 33. Löwisch, ZfA 1970, 295, 307. Zu diesem ganzen Absatz Löwisch/Rieble, § 2 TVG Rn. 33.

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Zulässig wäre beispielsweise ein Frauenreferat, durch das institutionalisiert spezifisch weibliche Interessen in die Entscheidungsfindung einfließen könnten.129 Eine Frauenquote wird dadurch nicht gerechtfertigt. b) Staatsdemokratischer Minderheitenschutz Obwohl es bei der „Demokratie“ als Voraussetzung der Tariffähigkeit nicht um Demokratie im staatsrechtlichen Sinne geht,130 lassen sich bestimmte staatsorganisationsrechtliche Mechanismen des Minderheitenschutzes unter Umständen dennoch auf die Organisation des tariffähigen Verbandes übertragen. So macht § 6 Abs. 6 Satz 2 BWahlG für die Parteien nationaler Minderheiten eine Ausnahme von der 5 %-Sperrklausel bei Bundestagswahlen.131 § 3 Abs. 1 Satz 1 SchlHWahlG nimmt den Südschleswigschen Wählerverband als Partei der dänischen Minderheit von der 5 %-Hürde bei Landtagswahlen aus. Die Regelungen werden überwiegend für verfassungsgemäß gehalten.132 Der Gesetzgeber sei berechtigt, das Wahlrecht so auszugestalten, dass die „wesentlichen politischen Strömungen“ und „gewichtige Anliegen im Volke“ im Parlament als „Repräsentationsorgan“ abgebildet werden.133 Es ist plausibel, auch den Gewerkschaften die Möglichkeit zuzugestehen, eventuellen Hindernissen für Minderheiten entgegenzuwirken und Defizite bei der authentischen Repräsentation der gewerkschaftsinternen Strömungen und Interessengegensätze durch Privilegien für benachteiligte Gruppen zu kompensieren. Allerdings ergeben sich daraus keine wesentlich anderen Folgen als beim Minderheitenschutz bei spezifischem Gruppeninteresse. Aus der Übertragung staatsdemokratischer Instrumente des Minderheitenschutzes lassen sich allenfalls grundlegende Schutzmechanismen ableiten. Etwa wenn Frauen tatsächlich nur 5 Prozent der Gesamtmitgliederzahl ausmachen. Verbindliche Frauenquoten – jedenfalls solche von beispielsweise 40 Prozent – sind dadurch nicht gerechtfertigt.

V. Keine relevante Wirkung der Frauenquoten nach außen Dagegen sind Frauenquoten nicht deshalb unzulässig, weil sie die Tarifwillensbildung im Verhältnis zu Dritten verzerren. 129

Siehe § 3 E. III. 3. e) dd). Siehe § 4 B. III. 131 Sachs/Magiera, Art. 38 GG Rn. 94. 132 Sachs/Magiera, Art. 38 GG Rn. 94; BVerfG vom 14.2.2005 – 2 BvL 1/05 NVwZ 2005, 568; BVerfG vom 23.1. 1957 – 2 BvE 2/56 – NJW 1957, 377. 133 BVerfG vom 14.2.2005 – 2 BvL 1/05 – NVwZ 2005, 568, 569. 130



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Praktisch geworden ist eine solche Außenwirkung in jüngerer Zeit bei der Frage nach der Zulässigkeit von Mitgliedschaften ohne Tarifbindung in Arbeitgeberverbänden.134 Die Rechtsprechung hat derartige Satzungsgestaltungen zwar grundsätzlich für zulässig erachtet. Jedoch sieht sie die Gefahr, dass wegen des Einflusses nicht tarifgebundener Mitglieder auf die Tarifwillensbildung „das erforderliche Verhandlungsgleichgewicht und damit die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie“ nicht mehr gewährleistet sei.135 Innerverbandliche Regelungen der Tarifwillensbildung können sich also in unzulässiger Weise auf die Verhandlungen mit dem Tarifpartner auswirken. Bei Frauenquoten besteht diese Gefahr nicht. Zwar kann sich der gesteigerte Einfluss von Frauen in der konkreten Verhandlungssituation auswirken – etwa wenn die Interessen von Berufsgruppen mit hohem Frauenanteil stärker berücksichtigt werden. Dies ist jedoch legitimer Ausdruck freier Koalitionszwecksetzung und ändert nichts an der Bindung der Gewerkschaftsmitglieder an den Tarifvertrag. Fremdeinflüsse auf die Tarifwillensbildung sind nicht zu befürchten.

C. Zulässige Implementierung materieller Gleichheitsvorstellungen als Ausdruck der Organisationsautonomie Fraglich ist, ob das gewerkschaftliche Organisationsrecht tatsächlich in dem beschriebenen besonderen Maße auf die Selbstverwirklichung des Einzelnen ausgerichtet sein muss, oder ob die Gewerkschaft einen weitergehenden Spielraum zur Ausgestaltung hat.

I. Organisationsautonomie der Gewerkschaftsmitglieder Orientiert man sich am Ideal basisdemokratischer mitgliedschaftlicher Legitimation, dann ist jede Verzerrung der möglichst gleichen und unmittelbaren Partizipation der Mitglieder eine Gefahr für die „demokratische“ Organisation und damit für die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie. Nur ausnahmsweise wären Abweichungen von diesem Idealzustand zulässig – konkret dann, wenn dies aus Gründen der Funktionsfähigkeit des Verbandes erforderlich ist. Eine Frauenquote wäre dann nicht zu rechtfertigen.

134

BVerfG vom 1.12. 2010 – 1 BvR 2593/09 – NZA 2011, 60; BAG vom 4.6.2008 – 4 AZR 419/07 – NZA 2008, 1366; BAG vom 20.5. 2009 – 4 AZR 179/08 – NZA 2010, 102. 135 BVerfG vom 1.12. 2010 – 1 BvR 2593/09 – NZA 2011, 60; BAG vom 4.6.2008 – 4 AZR 419/07 – NZA 2008, 1366; BAG vom 20.5. 2009 – 4 AZR 179/08 – NZA 2010, 102.

C. Zulässige Implementierung materieller Gleichheitsvorstellungen

111

Zugleich ist diese Lösung aber eine Abkehr vom einfachgesetzlichen Prinzip der Satzungsdisponibilität.136 An die Stelle autonomer Satzungsgestaltung und der damit verbundenen Freiheit zur Ungleichbehandlung tritt ein Gebot strenger Gleichbehandlung, das Differenzierungen zwischen den Mitgliedern faktisch ausschließt. Es beschränkt damit die Handlungsmöglichkeiten einer satzungsändernden Mehrheit der Mitglieder, ihre Vorstellung von der Organisation der tariflichen Willensbildung umzusetzen. Diese Organisationsautonomie ist durch die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG verfassungsrechtlich geschützt.137 Ihr ist sowohl im Verhältnis zum verfassungsrechtlichen Gehalt der Tarifautonomie, als auch bei der Interpretation des einfachgesetzlichen Gewerkschaftsbegriffs Rechnung zu tragen.138 Die Organisationsautonomie umfasst insbesondere das Recht, über den inneren Aufbau der Gewerkschaft und die Rechte der Mitglieder grundsätzlich frei bestimmen zu können.139 Es gilt der „Grundsatz der freien Selbstgestaltung der Vereinigung.“140 Diese Freiheit kommt auch in dem Mangel an konkreten gesetzlichen Vorgaben zur Organisation der Tarifwillensbildung zum Ausdruck: Wie erörtert sind zahlreiche Ausgestaltungen der Tarifwillensbildung möglich. Das Gebot „demokratischer“ Organisation wird weder durch detaillierte gesetzliche Vorgaben konkretisiert, noch lässt sich angesichts der Komplexität des Verbandswesens eine idealtypische Umsetzung des Gebots individueller Partizipation definieren.141 Folglich sind vorrangig die Gewerkschaften selbst berufen, sich als Tarifvertragsparteien zu organisieren. Es ist Sache der Mitglieder, zu konkretisieren in welchen Organisationsstrukturen sie ihre durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Rechte wahrnehmen möchten. Wenn die Gewerkschaften dabei materielle Gleichheitsvorstellungen in die Satzung aufnehmen, so ist dies zunächst als autonome Ausgestaltung eines durch Art. 9 Abs. 3 GG gelassenen organisatorischen Freiraums zu verstehen und als solcher zu respektieren. Führt diese autonome Ausgestaltung zu Kollisionen mit dem Gedanken möglichst unmittelbarer und wiederkehrender Partizipation, so ist die systemgerechte, freiheitswahrende Antwort nicht, die Autonomie weitgehend zu beschränken, sondern so viel Organisationsfreiheit zu erhalten wie möglich. Oder anders ausgedrückt: Die autonom gesetzte Frauenquote ist grundsätzlich keine Gefahr für die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie, sondern Ausdruck eines sich selbst organisierenden Systems der Tarifautonomie. 136 137 138 139 140 141

Siehe § 3 B. MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 157 Rn. 18 ff. Siehe § 2 A. MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 157 Rn. 18 ff. Badura, Das Arbeitsrecht der Gegenwart Band 15 (1977), S. 17, 28. Siehe § 4 B. IV. 3.

112

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Daher ist auch die Trennung zwischen Satzungsgestaltung und konkreter Abstimmungssituation künstlich. Die Tarifwillensbildung vollzieht sich nicht nur in und durch die einzelne Abstimmung, sondern auch in der Ausgestaltung der Organisationsstruktur des Verbandes. Erforderlich ist nicht, dass jeder einzelne Tarifvertrag direkt und unmittelbar durch die Mitglieder legitimiert ist, sondern dass das System der Tarifwillensbildung insgesamt auf die Entscheidung der Mitglieder zurückgeht und dass dabei dem Interesse möglichst direkter Partizipation in der konkreten Entscheidungssituation Rechnung getragen wird.

II. Treu und Glauben als Prüfungsmaßstab Fraglich ist nun, wie der Widerspruch zwischen Organisationsautonomie und Partizipationsinteresse des einzelnen Mitglieds aufgelöst werden kann. Dazu bedarf es eines Prüfungsmaßstabs: Die Gewerkschaft möchte durch die Frauenquote vom Gebot grundsätzlicher Gleichbehandlung ihrer Mitglieder abweichen. Die Frage nach der Zulässigkeit einer solchen Ungleichbehandlung gewinnt im Bereich der Tariffähigkeit eigenständige Bedeutung, denn die Gleichbehandlung ist nicht nur verbandsrechtlich geboten, sondern auch Voraussetzung eines Systems demokratischer Willensbildung – gleich ob man sie staatsdemokratisch oder mitgliedschaftlich versteht. Damit wird der Grundsatz der Gleichbehandlung im tariffähigen Verband durch die Vorgaben zur Organisation der tariflichen Willensbildung konkretisiert. Die Gleichbehandlung ist im tariffähigen Verband bezogen auf ein bestimmtes Ziel: Der Einzelne soll deshalb gleich behandelt werden, damit er sich im Rahmen der Tarifwillensbildung bestmöglich entfalten kann. Der Unterschied liegt – pointiert ausgedrückt – darin, dass es nicht genügt, wenn die Mitglieder alle gleich schlecht behandelt werden, sondern die Gewerkschaft muss so organisiert sein, dass eine möglichst gleiche direkte Partizipation des Einzelnen ermöglicht wird. Es geht also um die autonome Ausgestaltung des Gebots der Gleichbehandlung in einem besonders sensiblen Bereich mitgliedschaftlicher Legitimation. Das BAG ist in der Frage autonomer Ausgestaltung der Tarifwillensbildung anscheinend großzügig. Das Gericht sieht die Rechtssetzungsbefugnisse einer Gewerkschaft als hinreichend mitgliedschaftlich legitimiert an, wenn die Satzung der Gewerkschaft „grundsätzlich die Gleichheit der Mitglieder vorsieht“ und leitet daraus „gewisse Mindestanforderungen an die demokratische Verfassung einer Gewerkschaft ab“.142 Dies spricht für einen Maßstab, der die Beteiligungsrechte weitgehend zur Ausgestaltung und Disposition der Gewerkschaftsmehrheit stellt. Welche Kriterien das BAG allerdings genau zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung heranziehen will, lässt sich der Formulierung „grundsätzlich“ nicht entnehmen. 142

BAG vom 28.3.2006 – 1 ABR 58/04 – NZA 2006, 1112, 1117.

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Möglich wäre es, die Kontrolle der Satzung auf willkürliche Ungleichbehandlungen zu beschränken. Gerechtfertigt wäre dann jedes Abweichen vom Gebot der Gleichbehandlung, sofern sich dafür nur irgendein sachlicher Grund finden ließe.143 Für die Frauenquote ergäbe sich ein solcher Sachgrund aus dem Willen des Verbandes zur Frauenförderung. Die Quote wäre gerechtfertigt. Ob dies genügt, ist fraglich. Hilfreich ist ein Blick auf die zu Art. 3 GG entwickelte Dogmatik.144 Dort werden Ungleichbehandlungen zunächst einer Willkürkontrolle unterzogen. Das BVerfG verschärft den Maßstab der Willkürkontrolle bei steigender Belastungsintensität durch die Ungleichbehandlung.145 Der genaue Prüfungsmaßstab wird intensiv diskutiert. Unklar ist insbesondere, inwieweit sich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf das Gleichbehandlungsgebot übertragen lässt.146 Die Frage ist trotz weitgehender Übereinstimmung im Ergebnis im Einzelnen ungeklärt. Im Grunde geht es um die Adaption des Prinzips angemessener Zweck-Mittel-Relation bei der Überprüfung einer Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz.147 Es kommt darauf an, ob der mit der Ungleichbehandlung verfolgte Zweck in einem angemessenen Verhältnis zu dem beeinträchtigten Rechtsgut steht.148 Dieses Prinzip von steigender Kontrolldichte bei zunehmender Belastungsintensität lässt sich auf den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerkschaftsmitglieder übertragen. Angesichts der konkret in Rede stehenden Abwägung gewichtiger, grundrechtlich geschützter Positionen, käme es in Bezug auf die Frauenquote auf die Verhältnismäßigkeit der satzungsrechtlichen Ausgestaltung an. Organisationsautonomie und Partizipationsinteresse wären in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Dieser Gedanke findet sich insbesondere bei Rieble, der davon spricht, hinter dem Demokratieerfordernis verberge sich die „angemessene Beteiligung der Mitglieder an der tariflichen Willensbildung.“149 Dieser Maßstab lässt sich vor allem auf den Gedanken des Schutzes der Gewerkschaftsmitglieder stützen, deren grundrechtlich geschütztes Partizipationsrecht durch die Ungleichbehandlung geschmälert wird. Mangels Vertragsparität entfällt die Richtigkeitsgewähr. An die Stelle ausgehandelter Vertragsbedingungen tritt die 143 MünchKommBGB/Reuter, § 32 BGB Rn. 32 (zum Vereinsrecht); BVerfG vom 4.12. 2002 – 2 BvR 400/98 – NJW 2008, 2409, 2414 und Pieroth/Schlink, Grundrechte – Staatsrecht II, Rn. 471 (zu Art. 3 GG); BGH vom 16.12. 1991 – II ZR 58/91 – NJW 1992, 892, 894 und Baumbach/Hueck/Baumbach/Fastrich, § 13 GmbHG Rn. 31 (zur GmbH); jeweils mit weiteren Nachweisen. 144 Dazu ErfK/Schmidt, Art. 3 GG Rn. 30 ff. 145 BVerfG vom 10.1.1995 – 1 BvF 1/90 – NJW 1995, 2339, 2342; Pieroth/Schlink, Grundrechte – Staatsrecht II, Rn. 470. 146 Albers, GJuS 2008, 945; ErfK/Schmidt, Art. 3 GG Rn. 30 ff. 147 ErfK/Schmidt, Art. 3 GG Rn. 31; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 472. 148 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 472. 149 Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1867; ähnliche Formulierungen in: Rieble, FS Reuter, S. 805, 810 und MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 160 Rn. 27.

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angemessene Ausgestaltung.150 Ähnlich wie bei der Regelung des § 5 AGG hätte der Gesetzgeber also durch die Ausgestaltung des § 2 TVG dem grundsätzlich unerwünschten Verhalten der Ungleichbehandlung die engen Grenzen der Angemessenheit gesetzt.151 Für das Vereinsrecht findet sich dieser Gedanke besonders akzentuiert bei Vieweg, der verlangt, der Gesetzgeber müsse die Abwägung der Grundrechtspositionen selbst vornehmen und dürfe diese „nicht der verbandsinternen Selbstregulierung überlassen“152. Dieser Angemessenheitsmaßstab ist zweifelhaft. Zunächst steht davon nichts in § 2 TVG – wobei zuzugeben ist, dass das Wortlautargument angesichts des spärlichen Begriffs der „Gewerkschaft“ kaum verfängt. Die Grenzen der Auslegung wären sicher nicht verletzt, interpretierte man den Angemessenheitsmaßstab in den Gewerkschaftsbegriff hinein. Dennoch zeigt die explizite Normierung des Angemessenheitsmaßstabs in § 5 AGG das Verhältnis von privatautonomer Regel und öffentlich-rechtlicher Ausnahme: Die Gewerkschaft ist als Privatrechtssubjekt nicht – oder jedenfalls nicht unmittelbar – an die Grundrechte und insbesondere den Gleichheitssatz gebunden. Sie trifft daher anders als die öffentliche Gewalt keine generelle Rechtfertigungslast in Bezug auf Ungleichbehandlungen. Prinzip der privatautonomen Organisation ist vielmehr die Freiheit der Satzungsgestaltung, die den Privatrechtssubjekten grundsätzlich gerade keinen Interessenausgleich im Sinne des Angemessenheitsmaßstabs aufbürdet.153 Verpflichtet sind sie nur insoweit, als die Rechte Dritter oder sonstige Rechtsgüter ihrer autonomen Vertragsgestaltung eine Außengrenze setzen.154 Maßstab der Satzungsgestaltung ist nicht die Angemessenheit, sondern der Grundsatz von Treu und Glauben. Freilich kommt es in der Praxis entscheidend darauf an, wie man die unbestimmten Rechtsbegriffe „angemessen“ und „treuwidrig“ konkretisiert. Hält man eine Frauenquote für unangemessen, weil das Partizipationsinteresse nicht hinreichend berücksichtigt wurde oder hält man sie für treuwidrig, weil das Beteiligungsrecht zu stark beeinträchtigt wurde ändert im Ergebnis nichts. Im Übrigen ist häufig nicht klar, wie der Begriff der „Angemessenheit“ zu verstehen sein soll. Es herrscht anscheinend die Ansicht vor, es handle sich dabei um ein „allgemeines zivilrechtliches Rechtsinstitut“155 oder ein „allgemeines Rechtsprinzip“156 (was immer das für den Einzelfall heißen soll) hinter dem sich letztlich nur der – inhaltlich richtige wie nichtssagende – Gedanke verbirgt, eine Vertragsgestaltung dürfe eben nicht rechtswidrig sein.157 Zum Teil wird der Maßstab der Angemessenheit umge150 151 152 153 154 155 156 157

Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), S. 1, 14 ff. BT-Drucks. 16/1780, S. 34; Däubler/Bertzbach/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 25. Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, S. 190. Dazu § 2 B. Paulus/Zenker, JuS 2001, 1 ff. Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, S. 303 f. Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), S. 1, 16. Auffällig bei BGH vom 14.4. 1975 – II ZR 147/73 – NJW 1975, 1318, 1320.

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kehrt und auf die unverhältnismäßige Beeinträchtigung abgestellt.158 Es ist daher grundsätzlich wenig ergiebig, sich auf die Begriffe der „Angemessenheit“ oder „Treuwidrigkeit“ zu kaprizieren und daraus konkrete Folgen für die Verbandsorganisation ableiten zu wollen. Dennoch erscheint mir der Unterschied bedeutsam. Stellt man nämlich auf den originär öffentlich-rechtlichen Maßstab der Angemessenheit ab, dann verschwimmt die Grenze zwischen Staatsorganisation und kollektiv-privatautonomem System. Nicht die autonome Entscheidung der Mitglieder zur Verfasstheit ihres Verbandes ist dann maßgeblich, sondern die heteronome Vorstellung davon, wie ein Verband idealerweise verfasst zu sein hat, wird zum Maßstab der Satzungskontrolle.159 Wo soll hier die Grenze sein? Genügt die Angemessenheit einer Regelung? Bedarf es womöglich einer direkten Anwendung der Grundrechte – mit dem Ergebnis, dass eine Frauenquote sogar geboten sein könnte, sollte anders ein angemessener Ausgleich der Interessen nicht zu erreichen sein? Daran schließt sich die Frage an, wo der fundamentale Unterschied zu quasistaatlichen Vorstellungen der Tarifautonomie sein soll, die doch letztlich von ganz ähnlichen Gedanken eines Idealzustands der Tarifwillensbildung getragen sind. Ob man nun öffentlich-rechtliche Vorstellungen adaptiert, weil man der Ansicht ist, der Einzelne sei in besonderem Maße schutzbedürftig, oder weil man meint, das Individuum bedürfe der leitenden Hand des Kollektivs ist letztlich nur eine Frage der Akzentuierung. Nach Bedarf lässt sich jene oder jene Rosine herauspicken. Bezogen auf die Frauenquote ist somit mal Art. 3 Abs. 1 GG der entscheidende Maßstab und mal Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG.160 Daher gilt: Die Frage ist nicht, ob die Gewerkschaft den Rechten ihrer Mitglieder optimal Rechnung trägt, sondern dass sie sie nicht in unzulässiger Weise schmälert. Dazu bedarf es eines möglicherweise eng gefassten Begriffs der Treuwidrigkeit, der der besonderen Qualität des Partizipationsrechts Rechnung trägt. Die Freiheit der Gewerkschaft bei der Satzungsgestaltung muss und darf nur insoweit eingeschränkt werden, wie dies mit Blick auf den Schutz der Mitglieder erforderlich ist.161 Es kommt nicht darauf an, ob eine Organisationsform die Interessen der Mitglieder angemessen berücksichtigt, sondern darauf, ob diese durch eine Satzungsregelung in treuwidriger Weise beeinträchtigt werden. Geschützt werden muss die Freiwilligkeit, nicht die inhaltliche Richtigkeit einer Satzungsgestaltung.162 Nur in Ausnahmefäl-

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MünchKommBGB/Roth, § 242 BGB Rn. 380. Dazu dass dies in einer freiheitlichen Ordnung gerade nicht „Sache des Staates“ ist Staudinger/Looschelders/Olzen, § 242 BGB Rn. 460; siehe auch Medicus, AcP 192 (1992), 35, 61 f. 160 Zur Frage der Wirkung des öffentlich-rechtlichen Gleichheitssatzes im Privatrecht Maunz/Dürig/Dürig/Scholz, Art. 3 GG Rn. 517 f. 161 Rittgen, JZ 2002, 114, 119 f. 162 Bezogen auf den Vertrag Canaris, AcP 200 (2000), S. 273, 284. 159

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len – nämlich dann, wenn der Einzelne entgegen Treu und Glauben benachteiligt wird – muss dies korrigiert werden.163 Eine „Gewerkschaft“ im Sinne des § 2 TVG ist damit eine Organisation, die das Partizipationsrecht ihrer Mitglieder nicht treuwidrig beeinträchtigt.

III. Frauenförderung als frei gesetzter Zweck Die Besonderheiten des Prüfungsmaßstabs von Treu und Glauben machen sich zunächst bei der Frage nach dem legitimen Zweck einer Frauenquote bemerkbar. Die Koalition ist in der Bestimmung ihrer Zwecke weitgehend frei. Dies ist Ausdruck der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Freiheit zur Bestimmung des Koalitionszwecks und der Organisationsautonomie164 und bedarf keiner Korrektur durch einen strengen Angemessenheitsmaßstab. Es ist daher grundsätzlich Angelegenheit der Mitglieder den Gewerkschaftszweck frei zu definieren oder zu modifizieren. Eine Grenze könnte sich allenfalls aus der in Art. 9 Abs. 3 GG genannten Beschränkung des Koalitionszwecks auf die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ergeben – so etwa in dem theoretischen Extremfall, dass die Gewerkschaft allein aus allgemeinpolitischen Motiven den Einfluss von Frauen zu stärken suchte und sich dadurch grundlegend von den durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionszwecken entfernte. Allerdings geht es bei der Quotenregelung um den innerverbandlichen Einfluss von Frauen bei der Besetzung von Gewerkschaftsgremien. Dies berührt unmittelbar die Organisation der Tarifwillensbildung und konturiert das „inhaltlich-programmatische Profil“165 der Gewerkschaft als Interessenverband. Dies steht in direktem Zusammenhang mit der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen (weiblicher) Mitglieder. Die Frauenförderung durch Quotenregelungen ist ein legitimer Zweck.

163 Medicus, AcP 192 (1992), 35, 62: „lediglich ganz ausnahmsweise“ dürfe in das System freier Vertragsgestaltung eingegriffen werden. 164 ErfK/Dieterich, Art. 9 GG Rn. 40; MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 157 Rn. 15 ff.; BAG vom 28.3.2006 – 1 ABR 58/04 – NZA 2006, 1112, 1117; BAG vom 18.7. 2006 – 1 ABR 36/05 – NZA 2006, 1225, 1230 m.w.N. 165 Bezogen auf Parteien v. Mangoldt/Klein/Starck/Achterberg/Schulte, Art. 38 GG Rn. 145.

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IV. Prüfung am Maßstab von Treu und Glauben 1. Das Problem des fehlenden gesetzlichen Leitbildes Wenn man auf den klaren Maßstab strenger Gleichbehandlung verzichtet und stattdessen auf eine Interessenabwägung abstellt, dann sind eindeutige Grenzen zwischen angemessener und unangemessener Ungleichbehandlung kaum zu ziehen.166 Sowohl das Interesse der Mitglieder an Partizipation, als auch dasjenige an einer gesteigerten Beteiligung von Frauen sind grundsätzlich legitim und in einer konkreten Wahlentscheidung durchsetzbar. Welches überwiegt und welches dem System kollektiver Privatautonomie eher gerecht wird, lässt sich kaum verbindlich feststellen. Oder anders ausgedrückt: Je nach frauen- und verbandspolitischer Präferenz ist beinahe jede beliebige Position vertretbar: Wer das Ziel der Frauenförderung wünscht, wird den Willen der satzungsändernden Mehrheit besonders betonen und wem die Abkehr vom Idealfall möglichst direkter Partizipation im Interesse der Gleichbehandlung suspekt ist, der wird den Eingriff in die Partizipationsrechte der Mitglieder beklagen – beides ebenso vertretbare wie beliebige Positionen. Der Gedanke der Interessenabwägung vermag den klaren gesetzlichen Maßstab also nicht zu ersetzen.167 2. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG als Maßstab Möglicherweise kann die Wertung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG als Maßstab herangezogen werden. a) Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG als Rechtfertigungsgrund Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG fördert der Staat „die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Der genaue Regelungsgehalt des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ist unklar und nach wie vor Gegenstand der Diskussion. Die Schwierigkeiten bei der Interpretation der Vorschrift sind unter anderem auf deren Entstehungsgeschichte zurückzuführen. In ihrem Wortlaut kommt ein Kompromiss zwischen unterschiedlichen Vorstellungen von Frauenförderung und Geschlechtergerechtigkeit zum Ausdruck, die von einer Stärkung der „Wirksamkeit des Grundrechts der Gleichberechtigung“ bis zur tatsächlichen Gleichstellung der Geschlechter durch staatliche Intervention reichten.168 Einig war sich die Gemeinsame Verfassungskommission allerdings darin, dass die in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nor166

Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 280 f. Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, S. 281. 168 Dazu die Begründung der Gemeinsamen Verfassungskommission BT-Drucks. 12/6000 S. 49 ff. 167

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mierte „Beseitigung bestehender Nachteile“ nicht die „vom Nachteil losgelöste Kompensation durch einen mit der konkreten Benachteiligung sachlich nicht verbundenen Vorteil“ erfasst.169 Es geht also um die Beseitigung von Hindernissen auf dem Weg zur verfassungsrechtlich gebotenen Gleichberechtigung. Im Mittelpunkt steht demnach die Chancengleichheit der Geschlechter.170 Insoweit gilt ein ähnlicher Maßstab wie bei § 5 AGG und den ihn prägenden europarechtlichen Vorgaben.171 Zumindest missverständlich ist daher der vereinzelt durch Art. 3 GG gerechtfertigte Gedanke der „Gleichstellung“ von Frauen und Männern172 – jedenfalls sofern damit Ergebnisgleichheit gemeint ist.173 Allerdings ist die praktische Ausgestaltung der Gesetze zur Gleichbehandlung häufig so generalisierend, dass die Beseitigung bestehender Nachteile in der Praxis häufig zu Gleichstellung führen mag. So knüpft eine nach § 5 AGG zulässige relative Quote zwar an bestehende Nachteile an. Jedoch bedarf es diesbezüglich keiner differenzierten Begründung, so dass faktisch nicht der Nachteil kompensiert, sondern Ergebnisgleichheit herbeigeführt wird.174 Der Streit um den Bedeutungsgehalt von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG entzündet sich allerdings nicht am Begriff der „Beseitigung bestehender Nachteile“, sondern an der Frage, des Verhältnisses von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG zu dem Gebot der Gleichheit von Mann und Frau gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG. Umstritten ist, ob die Regelung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG zu rechtfertigen vermag. Dagegen spricht sich insbesondere Starck aus. Dieser sieht in der Regelung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG eine Staatszielbestimmung, deren Verwirklichung nur in den durch das Verfassungsrecht gesetzten Grenzen der „Kompetenzregeln, Grundrechte und sonstigen Bestimmungen“ möglich sei.175 Konsequent lehnt er eine Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ab176 und sieht den Anwendungsbereich der Norm vor allem in solchen Situationen, in denen frauenspezifische („biologische“) Nachteile ausgeglichen werden können. Als Beispiele nennt er Nachteile durch „Geburten und Erziehungsjahre“.177 Das Bundesverfassungsgericht sieht den Gesetzgeber durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG dazu ermächtigt, „faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, 169

BT-Drucks. 12/6000 S. 50. Dreier/Heun, Art. 3 GG Rn. 102; Maunz/Dürig/Dürig/Scholz, Art. 3 Abs. 2 GG Rn. 59. 171 Siehe § 2 E. III. 3 d) aa). 172 Pfarr, NZA 1995, 809, 812; kritisch dazu mit weiteren Nachweisen Dreier/Heun, Art. 3 GG Rn. 101. 173 Sachs/Osterloh, Art. 3 GG Rn. 282. 174 Ähnlich Sacksofsky, ZESAR 2004, 208: „Versteht man Chancengleichheit als umfassend, die soziale Wirklichkeit einschließend, unterscheiden sich Chancen- und Ergebnisgleichheit im Ergebnis weniger stark, als in der Diskussion vielfach behauptet wird.“ 175 von Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 3 Abs. 2 GG Rn. 312. 176 von Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 3 Abs. 2 GG Rn. 313. 177 von Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 3 Abs. 2 GG Rn. 316. 170

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durch begünstigende Regelungen auszugleichen.“178 Dies entspricht der schon zu Art. 3 Abs. 2 GG a.F. geäußerten Auffassung, das Gleichberechtigungsgebot ermögliche die Kompensation faktischer Nachteile durch begünstigendes Eingreifen des Gesetzgebers.179 Damit ist allerdings nicht zwingend gesagt, dass Ungleichbehandlung zulasten von Männern rechtmäßig sind.180 Die Ausführungen des Gerichts werden dementsprechend unterschiedlich interpretiert. Starck sieht in ihnen die Bestätigung seiner ablehnenden Haltung zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG. Er verweist insbesondere auf den nicht veränderten Sprachgebrauch des Bundesverfassungsgerichts in Folge der Verfassungsänderung und sieht darin die Kontinuität fehlender Rechtfertigung.181 Der Ansicht Starcks ist insoweit zuzustimmen, als die Begründung der Gemeinsamen Verfassungskommission den politischen Kompromiss zwischen weitgehender Gleichstellung und zurückhaltender Frauenförderung erkennen lässt und ihr keine eindeutige Aussage zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen zu entnehmen ist. Auch die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts sind im Sinne Starcks interpretierbar. Durch die Neufassung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG sind überdies Vorstellungen materieller Gleichheit in das Grundgesetz implementiert worden, die sich nicht leicht mit dem hergebrachten Verständnis der Gleichbehandlung von Mann und Frau vereinbaren lassen.182 Daher ist die Frage der Rechtfertigung im Einzelfall diskussionswürdig. Die Mahnungen Starcks, sich auf das Prinzip strenger Gleichbehandlung zu besinnen, sind daher angebracht. Dennoch geht er zu weit, wenn er dem Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG praktisch jede rechtfertigende Funktion in Bezug auf Ungleichbehandlungen abspricht. Dafür spricht schon der Umstand, dass durch die Veränderung des Art. 3 GG erkennbar die Situation von Frauen verbessert werden sollte. Die Begründung der Gemeinsamen Kommission spricht davon, es sei Ziel der Änderung des Grundgesetzes, „dem bereits bestehenden Grundsatz des Grundgesetzes, ,Männer und Frauen sind gleichberechtigt‘, zur stärkeren Durchsetzung in der Lebenswirklichkeit zu verhelfen.“183 Versteht man das Gesetz im Sinne Starcks, dann ergibt sich durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG kein wesentlicher Unterschied zur Rechtslage vor der Verfassungsänderung. Die Regelung wäre weitgehend sinnlos.

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BVerfG vom 24.1.1995 – 1 BvL 18/93 u. a. – BVerfGE 92, 91, 109. BVerfG vom 28.1.1992 – 1 BvR 1025/82 u. a. – BVerfGE 85, 191, 207; BVerfG vom 28. Januar 1987 – 1 BvR 455/82 – BVerfGE 74, 163, 180. 180 Sachs/Osterloh, Art. 3 GG Rn. 265. 181 von Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art. 3 Abs. 2 GG Rn. 306. 182 Mit diesem Problem etwa Sachs, NJW 1989, 553, 558: Die Quote als „verfassungswidriger Stumpfsinn“. 183 BT-Drucks. 12/6000 S. 50. 179

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Die überwiegende Ansicht in der Literatur nimmt daher an, dass die Verwirklichung tatsächlicher Gleichberechtigung von Mann und Frau grundsätzlich auch Ungleichbehandlungen zu rechtfertigen vermag.184 Damit ist der Streit über die Zulässigkeit von Ungleichbehandlungen freilich nicht beigelegt, er hat sich nur auf die Ebene der Verhältnismäßigkeitsprüfung verlagert. Trotz erkennbarer Unterschiede in der Grundhaltung zu Frauenfördermaßnahmen sind die Differenzen in der Rechtsfolge gering. Beispielhaft seien hier einerseits Dürig und Scholz genannt, die in ihrer Kommentierung zu Art. 3 GG viel Wert auf die Differenzierung zwischen Chancen- und Ergebnisgleichheit legen, den ebenfalls gewährleisteten Schutz des Mannes betonen und auf die Zurückhaltung der Gemeinsamen Verfassungskommission im Bezug auf das „Quotenproblem“ verweisen und die dennoch letztlich zu dem Ergebnis kommen, dass Quotenregelungen in den durch das Europarecht gesetzten Grenzen verfassungsgemäß sind.185 Andererseits finden sich Beispiele für die gegenteilige Haltung etwa bei Pfarr und Sacksofsky, die gelegentlich den Eindruck erwecken, es sei im Grunde jede Ungleichbehandlung verfassungsgemäß, sofern man sie nur als Frauenfördermaßnahme etikettiere, die sich aber letztlich ebenfalls den europarechtlichen Vorgaben annähern.186 Insbesondere leistungsabhängige relative Quotenregelungen, wie sie durch die europarechtlichen Vorgaben ermöglicht werden,187 werden als Instrument zur Verwirklichung von Chancengleichheit grundsätzlich als zulässig erachtet.188 Entscheidend kommt es darauf an, dass diese der Kompensation von Nachteilen dienen und nicht zu einer absoluten Bevorzugung von Frauen führen. Insoweit gelten die zu den europarechtlichen Vorgaben gemachten Ausführungen entsprechend.189 Regelungen wie § 5 AGG sind nach Maßgabe des Art. 3 GG zulässig190 – jedenfalls mit Blick auf die Kompensation von Nachteilen „wegen des Geschlechts.“191

184 Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 3 GG Rn. 97 und 106; ErfK/Schmidt, Art. 3 GG Rn. 90 ff.; Dreier/Heun, Art. 3 GG Rn. 112; Sachs/Osterloh, Art. 3 GG Rn. 264 ff. und 281 ff.; von Münch/Kunig/Gubelt, Art. 3 GG Rn. 93a ff.; zurückhaltend aber nicht wesentlich anders im Ergebnis Maunz/Dürig/Dürig/Scholz, Art. 3 Abs. 2 GG Rn. 58 ff. – jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen. Zur Rechtsprechung des BAG vom 16.3.2005 – 7 ABR 40/04 – NZA 2005, 1252, 1256 ff. 185 Maunz/Dürig/Dürig/Scholz, Art. 3 Abs. 2 GG Rn. 58 ff. 186 Pfarr, NZA 1995, 809 ff.; Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, S. 374 ff. 187 § 2 E. III. 3. d). 188 Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 3 GG Rn. 97 und 106; ErfK/Schmidt, Art. 3 GG Rn. 90 ff.; Dreier/Heun, Art. 3 GG Rn. 112; Sachs/Osterloh, Art. 3 GG Rn. 264 ff. und 281 ff.; von Münch/Kunig/Gubelt, Art. 3 GG Rn. 93a ff.; zurückhaltend aber nicht wesentlich anders im Ergebnis Maunz/Dürig/Dürig/Scholz, Art. 3 Abs. 2 GG Rn. 58 ff. – jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen. Zur Rechtsprechung des BAG vom 16.3.2005 – 7 ABR 40/04 – NZA 2005, 1252, 1256 ff. 189 § 2 E. III. 3. d); außerdem Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 3 GG Rn. 106. 190 Däubler/Hinrichs, § 5 AGG Rn. 9; Wendeling-Schröder/Stein/Stein, § 5 AGG Rn. 8.

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b) Grundrechte im Privatrecht Fraglich ist, inwieweit Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG auf das Organisationsrecht der Gewerkschaften einwirkt. Ausgangspunkt ist Art. 1 Abs. 3 GG, der ausweislich seines Wortlautes nur die staatliche Gewalt an die Grundrechte bindet.192 Privatrechtliche Beziehungen sind von deren Geltungsbereich zunächst nur insoweit erfasst, als die ihnen zugrundeliegenden gesetzlichen Regelungen den Anforderungen des Grundgesetzes genügen müssen.193 Eine unmittelbare Wirkung im Privatrecht, wie sie insbesondere von Nipperdey194 vertreten und früher vom Bundesarbeitsgericht angenommen wurde,195 entfalten die Grundrechte grundsätzlich nicht.196 Die Funktion der Grundrechte liegt originär im Schutz vor staatlichen Eingriffen in die Freiheit des Einzelnen.197 Damit haben sie zugleich eine objektiv-rechtliche Dimension, denn sie beschränken als „negative Kompetenznormen“ den Handlungsspielraum des Staates.198 Durch diese Vorstellung einer Freiheit „vom“ Staat ist der Gehalt der Grundrechte jedoch nur unzureichend erfasst, denn sie entfalten ihre Wirkung häufig erst in und durch staatlich bereitgestellte Leistungen, Verfahren und Teilhaberechte, so dass neben den status negativus der status positivus als Freiheit „durch“ den Staat tritt.199 In besonderen Bereichen konkretisiert sich diese Funktion der Grundrechte zur Schutzpflicht, die dem Staat zur Bewahrung grundrechtlich geschützter Positionen ein aktives Tun abverlangt.200 Daneben werden die Grundrechte als Teil einer objektiven Werteordnung verstanden für deren Schutz der Staat unabhängig von der konkreten Gefährdung im Einzelfall Verantwortung trägt.201 Diesen Dimensionen der Grundrechte mit ihren unterschiedlichen Gewährleistungen muss der Staat gemäß Art. 1 Abs. 3 GG Rechnung tragen.

191

Mit dieser Einschränkung Rieble, Stellungnahme zum Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes (ADG-E), A.-Drs. 15 (12) 440-B S. 3. 192 Zum Begriff der staatlichen Gewalt und ihrer Bindung an die Grundrechte Sachs/ Höfling, Art. 1 GG Rn. 80 ff.; ders., JA 1995, 431 – jeweils m.w.N. 193 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 193. 194 Nipperdey, RdA 1950, 121, 124 f.; ders., Grundrechte und Privatrecht, S. 15. 195 BAG vom 3.12.1954 – 1 AZR 150/54 – NJW 1955, 606, 607; zum Wandel in der Rspr. BAG vom 27.5. 1986 – 1 ABR 48/84 – NJW 1987, 674, 676. 196 BVerfG vom 23.4.1986 – 2 BvR 487/80 – NJW 1987, 827; Dreier/Dreier, Vorb. Rn. 98; zu den Ausnahmen Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 191 und insbesondere zu Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 9 GG Rn. 47a. 197 BVerfG vom 15.1.1958 – 1 BvR 400/51 („Lüth“) – BVerfGE 7, 198; HGR/Sachs (2006) § 39 Rn. 1 ff. m.w.N. auch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. 198 HGR/Jarass, § 38 Rn. 5 ff. 199 Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 87 ff. 200 HGR/Calliess, § 44 Rn. 1 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 201 HGR/Di Fabio, § 46 Rn. 1 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen

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Da insbesondere die zivilrechtlichen Generalklauseln wegen ihrer sprachlichen Unbestimmtheit in besonderem Maße Raum für (richterliche) Interpretationen lassen, ist gerade bei ihnen eine grundrechtskonforme Auslegung geboten.202 Das Bundesverfassungsgericht geht daher in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Grundrechte als Maßstab für die Auslegung zivilrechtlicher Normen herangezogen werden könne.203 Diese „mittelbare Drittwirkung“ der Grundrechte ist heute grundsätzlich anerkannt, wenngleich über ihre Wirkung im Einzelnen kontrovers diskutiert wird.204 Raum für grundrechtliche Wertungen ist vor allem dann, wenn es zu Störungen im System frei ausgestalteter Rechtsbeziehungen kommt. Das Wirken der Grundrechte im Zivilrecht wird daher vor allem mit dem Schutz des Einzelnen begründet. In den Worten des Bundesverfassungsgerichts: „Wo es an einem annähernden Kräftegleichgewicht der Beteiligten fehlt, ist mit den Mitteln des Vertragsrechts allein kein sachgerechter Ausgleich der Interessen zu gewährleisten. Wenn bei einer solchen Sachlage über grundrechtlich verbürgte Positionen verfügt wird, müssen staatliche Regelungen ausgleichend eingreifen, um den Grundrechtsschutz zu sichern.“205 Das Gericht beruft sich dabei unter anderem auf Konrad Hesse, der die selbstverantwortliche Lebensgestaltung als „Grund“ und „Grenze“ der Privatautonomie bezeichnet hat.206 Der Schutz vor einem übermächtigen Staat wird folglich ergänzt, durch „den Schutz personaler Freiheit gegen Ausübung wirtschaftlicher oder sozialer Macht.“207 Daher kann der grundrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz prinzipiell individualschützend auf die Privatrechtsbeziehungen einwirken.208 Die Adaption grundrechtlicher Wertvorstellungen leuchtet in zivilrechtlichen Grenzbereichen unmittelbar ein. Gilt es etwa die vertragsrechtliche Außengrenze der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 BGB zu konkretisieren, so ist der Rückgriff auf die in den Grundrechten verkörperte Werteordnung naheliegend. Regelmäßig mag dies sogar geboten sein, um nicht grundrechtlich geschütztes Verhalten durch ein nicht näher konkretisiertes Sittengesetz unangemessen zu beeinträchtigen.209

202

Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 101 ff., 195 f. BVerfG vom 15.1.1958 – 1 BvR 400/51 („Lüth“) – BVerfGE 7, 198; BVerfG vom 23.4. 1986 – 2 BvR 487/80 – NJW 1987, 827. 204 von Münch/Kunig/Kunig, Art. 1 GG Rn. 63; Sachs/Sachs, vor Art. 1 GG Rn. 32; Diederichsen, AcP 198 (1998), 171, 230 ff.– jeweils mit weiteren Nachweisen. 205 BVerfG vom 7.2.1990 – 1 BvR 26/84 – BVerfGE 81, 242, 255. 206 Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, S. 37. 207 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 357. 208 Maunz/Dürig/Dürig/Scholz, Art. 3 Abs. 1 GG Rn. 505 ff.; Dreier/Heun, Art. 3 GG Rn. 113 ff. 209 MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 BGB Rn. 20 ff. m.w.N. 203

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Für den vermittels § 242 BGB erfassten Kernbereich der Vertragsgestaltung bereitet dies indes größere Schwierigkeiten. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit210 setzt gerade die Ungebundenheit – das Recht auf Willkür – voraus. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob eine privatautonome Vertragsgestaltung objektiv richtig im Sinne von grundrechtrechtskonform ist, sondern grundsätzlich allein darauf, dass sie von den Vertragspartnern gewollt ist. Problematisch ist daher, dass der Einfluss der Grundrechte auf das Zivilrecht zu einer Überlagerung privatrechtlicher Regelungen durch öffentlich-rechtliche Maßstäbe führt. Tendenziell läuft dies auf eine Abkehr von privatrechtlichen Prinzipien oder doch zumindest auf deren öffentlich-rechtliche Modifikation hinaus. Statt auf die Richtigkeit privatautonomer Entscheidungen zu vertrauen, erscheinen diese als latent korrekturbedürftig.211 Dies ist vor allem deshalb fragwürdig, weil auch die Privatautonomie als Prinzip des Zivilrechts Maßstab mit Verfassungsrang ist oder jedenfalls in ihren zentralen Bereichen verfassungsrechtlich geschützt wird.212 Zivilrechtliche Normen sind also nicht bloß technische Regelungen, sondern sie verkörpern ihrerseits Wertentscheidungen.213 Prinzipiell bedarf die privatautonome Gestaltung der Lebensverhältnisse also keiner Korrektur durch Wertmaßstäbe, sondern sie selbst bildet den Wertmaßstab.214 Das Argument, die Frauenquote sei allein deshalb gerechtfertigt, weil das Grundgesetz dem Staat die Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern abverlange, verfängt daher schon deshalb nicht, weil die Gewerkschaft ihren Mitgliedern verpflichtet ist und nicht der Verwirklichung staatsorganisationsrechtlicher Ziele. Die Friktionen zwischen öffentlichem Recht und privatautonomer Organisation werden insbesondere bei der Übertragung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG deutlich. Regelmäßig wirken die Grundrechte nämlich freiheitsgewährend oder freiheitsschützend auf das Zivilrecht ein: Ein zivilrechtlich grundsätzlich zulässiges Ergebnis wird wegen seiner Unvereinbarkeit mit den grundrechtlichen Gewährleistungen korrigiert.215 Im Fall der Rechtfertigung satzungsmäßiger Ungleichbehandlung wirkt sich der Rückgriff auf Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG dagegen unmittelbar freiheitsverkürzend aus. Die Gewerkschaft macht sich ein originär nur den Staat verpflichtendes Prinzip zu eigen, um die Rechte ihrer Mitglieder zu beschränken. Damit tritt an die Stelle formaler Gleichheit zum Schutz der Privatautonomie ein System materieller Gleichbehandlung, das nicht zu einem Höchstmaß an individueller Entfaltung,

210 Deren Verwirklichung nach Diederichsen im Wesentlichen im Rahmen des Zivilrechts erfolgt: Diederichsen, AcP 198 (1998), S. 171, 211. 211 Staudinger/Coing/Honsell, Einleitung zum BGB Rn. 196. 212 Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 25; MünchKommBGB/Armbrüster, § 138 Rn. 20. 213 Staudinger/Coing/Honsell, Einleitung zum BGB Rn. 196. 214 Staudinger/Coing/Honsell, Einleitung zum BGB Rn. 196. 215 BVerfG vom 15.1.1958 – 1 BvR 400/51 („Lüth“) – BVerfGE 7, 198.

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§ 4 Frauenquoten und Tariffähigkeit

sondern zu einem dem Willen der satzungsändernden Mehrheit entsprechenden System des Interessenausgleichs führt. Allerdings ist die Wahrnehmung grundrechtlicher Gleichheitsvorstellungen als Störfaktor einseitig. Geschützt ist eben nicht nur das Partizipationsinteresse der Mitglieder, sondern auch die Freiheit der Mehrheit, sich bei der Ausgestaltung der Verbandsorganisation zu entfalten und dabei auch den Einfluss von Frauen zu stärken. Die Möglichkeit, grundrechtliche Wertungen zu übertragen, lässt sich also auch als Instrument zum Schutz der (satzungsändernden) Mehrheit begreifen, nicht mehr als nötig in ihrer Freiheit zur Satzungsgestaltung beschränkt zu sein. Richtig verstanden ist die Ausrichtung der Verbandsorganisation an Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG also keine systemwidrige Implementierung von öffentlich-rechtlichen Rechtfertigungsgründen, sondern Ausdruck privatautonomer Organisation, die nur insoweit beschränkt werden muss, wie dies den Grundrechten der Mitglieder zuwiderläuft. Dies ist nach Maßgabe des Art. 3 GG nicht der Fall, wenn die Ungleichbehandlung wegen der Kompensation struktureller Nachteile und der Verwirklichung faktischer Gleichberechtigung gerechtfertigt ist. Dem Schutzinteresse des Einzelnen ist insoweit Rechnung getragen, als das Ergebnis mit Art. 3 GG insgesamt vereinbar ist. c) Keine Pflicht zur Quote Die mittelbare Drittwirkung führt jedenfalls nicht zu einer Pflicht der Gewerkschaft, eine Quote einzuführen. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG enthält einen Rechtfertigungsgrund für ein Abweichen des Staates vom Gebot der Gleichbehandlung von Mann und Frau,216 kein Individualgrundrecht.217 Es ist in das Ermessen des Gesetzgebers gestellt, ob und wie er von dieser Rechtfertigungsmöglichkeit Gebrauch macht. Individuelle Ansprüche auf Förderung der tatsächlichen Gleichberechtigung lassen sich daher schon gegenüber dem Staat nicht ableiten.218 Erst recht hat das einzelne (weibliche) Mitglied keinen Anspruch auf Förderung gegen die Gewerkschaft. Im Übrigen kollidierte ein aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG abgeleitetes Recht auf Förderung der Frauen mit der ebenfalls grundrechtlich geschützten Privatautonomie der Mitglieder. Die Gewerkschaft ist im Interesse ihrer Mitglieder und deren privatautonomer Entfaltung berechtigt und nicht zur Umsetzung öffentlich-rechtlicher Wertvorstellungen. Selbst wenn sich aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG konkrete individuelle Rechte gegen den Staat ergäben, wäre daraus nicht zu folgern, dass sie gerade im Vereinsrecht Geltung beanspruchten. Vielmehr müsste sich der Gesetzgeber

216

Siehe § 4 IV. 2. a). von Münch/Kunig/Gubelt, Art. 3 GG Rn. 93b. 218 von Münch/Kunig/Gubelt, Art. 3 GG Rn. 93b; Maunz/Dürig/Scholz, Art. 3 Abs. 2 GG Rn. 66. 217

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ausdrücklich zur Geltung dieser öffentlich-rechtlichen Wertvorstellungen im Vereinsrecht bekennen und dieses entsprechend anpassen. Ein Zwang zur Quote ergäbe sich dann allenfalls aus einer möglichen staatlichen Schutzpflicht. Dabei geht es zunächst um den allgemeinen Appell an den Gesetzgeber, dem objektiven Gehalt des Verfassungsauftrags gerecht zu werden. In diesem Sinne ergibt sich eine Schutzpflicht schon aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG, wonach der Staat die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern „fördert“.219 Davon zu unterscheiden ist der aus der Schutzpflicht erwachsende konkrete Regelungsauftrag. Daraus ergäbe sich eine Pflicht zum Handeln nur dann, wenn die durch Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Gleichberechtigung von Mann und Frau ohne gewerkschaftsinterne Fördermaßnahme in einem Maße gefährdet wäre, dass die Rechtsprechung als Teil staatlicher Gewalt zur Korrektur des vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes gezwungen ist. Angesichts der vom Bundesverfassungsgericht geübten Zurückhaltung bei der Annahme eines konkreten Regelungsauftrags zur Wahrung staatlicher Schutzpflichten220 kann für die Voraussetzungen der Tariffähigkeit nicht die Fehlerhaftigkeit der privatautonomen Konzeption und eine entsprechende Pflicht zum Handeln festgestellt werden. 3. Ausgleich zwischen Gleichheitsvorstellungen und Partizipationsrecht nach dem Vorbild politischer Parteien Die entscheidende Frage ist nun, wie Gleichheitsvorstellungen und Partizipationsrechte miteinander in Ausgleich zu bringen sind. Vorbild könnte der Umgang mit Frauenquoten in politischen Parteien sein. Den Parteien ist durch das Grundgesetz ein Prinzip innerer Ordnung vorgegeben. Diese muss gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG „demokratischen Grundsätzen entsprechen“. Gleichwohl haben alle in der 17. Wahlperiode im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien mit Ausnahme der FDP unterschiedliche Quotenregelungen zur Frauenförderung in ihre Satzungen aufgenommen. Die Regelungen reichen von der unverbindlichen Soll-Regelung bis zur zwingenden fünfzigprozentigen Mindestbeteiligung von Frauen bei der Besetzung von Parteiämtern.221 219

Dreier/Heun, Art. 3 GG Rn. 114. BVerfG vom 28.5.1993 – 2 BvF 2/90 u. a. – BVerfGE 88, 203 (260). 221 § 11 Abs. 4 der Satzung von Bündnis 90/Die Grünen in der Fassung vom 25.11. 2007: „Alle Bundesorgane, -kommissionen und Bundesarbeitsgemeinschaften sind zu mindestens 50 % mit Frauen zu besetzen. […].“; § 15 Abs. 2der Satzung der CDU in der Fassung vom 4.12. 2007: „Frauen sollen an Parteiämtern in der CDU und an öffentlichen Mandaten mindestens zu einem Drittel beteiligt sein.“; § 8 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der CSU in der Fassung vom 29 Oktober 2010: „Frauen sollen mindestens 40 % der Parteiämter in der CSU innehaben.“; § 10 Abs. 4 Satz 1 der Satzung der Partei DIE LINKE in der Fassung vom 23. 10.2011: „Bei Wahlen von Vorständen, Kommissionen, Arbeitsgremien und Delegierten sind mindestens zur Hälfte Frauen zu wählen.“ § 11 Abs. 2 Satz 1 des Organisationsstatuts der SPD in der Fassung 220

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Vor allem in den achtziger und frühen neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden derartige Regelungen kontrovers diskutiert.222 Sie werden heute jedenfalls im innerparteilichen Bereich ganz überwiegend für grundsätzlich zulässig erachtet.223 Dies lässt sich möglicherweise auf das Organisationsrecht der Gewerkschaften übertragen. Parteienrechtlich werden Quotenregelungen mit dem Gedanken eines Gegensatzes von Organisationsautonomie und Demokratiegebot gerechtfertigt. Der Partei steht es zu, sich programmatisch autonom auszurichten und diese politische Richtungsentscheidung in ihrer Organisation zum Ausdruck zu bringen224 – etwa indem sie den innerverbandlichen Einfluss von Frauen stärkt und damit zugleich ein politisches Bekenntnis zur Rolle der Frau in Partei und Gesellschaft ablegt. Diese politische Freiheit kann sie in Konflikt zum Demokratiegebot des Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG bringen. In diesem Fall bedarf es eines Ausgleichs zwischen Demokratie und Organisationsfreiheit.225 Dabei wird ausdrücklich226 oder sinngemäß227 auf den Maßstab der Angemessenheit abgestellt, der auch verbindliche Quotenregelungen grundsätzlich zulasse.228 Die Grundrechte können zur Konkretisierung dieses Maßstabs zumindest mittelbar herangezogen werden, abhängig von der rechtlichen Bewertung des Verhältnisses von Mitglied und Partei als zivil- oder öffentlich-

vom 14. November 2009: „In den Funktionen und Mandaten der Partei müssen nach Maßgabe dieses Statuts und der Wahlordnung Frauen und Männer mindestens zu je 40 % vertreten sein.“; keine Quotenregelung sieht die Satzung der FDP in der Fassung vom 13.5. 2011 vor. 222 Für Frauenquoten Lange, NJW 1988, 1174; zurückhaltend von Nieding, NVwZ 1994, 1171, 1176 ff. (Frauenquoten im innerparteilichen Bereich bewegten sich „in einer rechtlichen Grauzone“); grundsätzlich gegen Frauenquoten und dabei in Fn. 1 auch die Diskussion im politische Parteien einbeziehend Sachs, Gleichberechtigung und Frauenquoten, NJW 1989, 553 ff., pointiert auf Seite 558 gegen den „verfassungswidrigen Stumpfsinn“ – wobei er stark pauschalisiert und nicht zwischen staatlichem und privatem Handeln differenziert, jeweils mit weiteren Nachweisen. 223 Bundesschiedsgericht Bündnis 90/Die Grünen vom 7.11. 1998 – 98 – 11 – NVwZRR 1999, 545; für die Zulässigkeit im „innerparteilichen Bereich“ Maunz/Dürig/Klein, 62. Ergänzungslieferung, Art. 21 GG Rn. 347 mit weiteren Nachweisen; Ipsen/Ipsen, § 17 PartG Rn. 19; Isensee/Kirchhof/Kunig, Handbuch des Staatsrechts Band III, § 40 Rn. 32 f. m.w.N. 224 Jarass/Pieroth/Pieroth, Art. 21 GG Rn. 15 m.w.N. 225 Dreier/Morlok, Art. 21 GG Rn. 137; v. Mangoldt/Klein/Starck/Achterberg/Schulte, Art. 38 GG Rn. 145; Kunig, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 40 Rn. 32 f. jeweils mit weiteren Nachweisen. 226 Kunig, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 40 Rn. 33; von Mangoldt/ Klein/Starck/Achterberg/Schulte, Art. 38 GG Rn. 147. 227 Dreier/Morlok, Band 2, Art. 21 GG Rn. 137. 228 Dreier/Morlok, Band 2, Art. 21 GG Rn. 137; v. Mangoldt/Klein/Starck/Achterberg/ Schulte, Art. 38 GG Rn. 145; Kunig, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 40 Rn. 33 jeweils m.w.N.

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rechtlich.229 Frauenquoten in Parteien werden deshalb auch mit dem ausdrücklichen Verweis auf Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG gerechtfertigt.230 In den Gewerkschaften ist die Situation ähnlich.231 Auch dort gibt es einen Konflikt zwischen einer satzungsändernden Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder, die den Verband durch die Frauenquote tarifpolitisch prägen möchte und den Erfordernissen einer möglichst gleichen und unmittelbaren Teilhabe an der tariflichen Willensbildung. Es gibt auch in den Gewerkschaften einen Gegensatz zwischen Satzungsgestaltungsfreiheit, gewerkschaftspolitischen Interessen und Partizipationsrechten. Nun kann man es sich leicht machen und angesichts des ähnlichen Interessengegensatzes mit dem Argument „a maiore ad minus“ Frauenquoten in Gewerkschaften schon deshalb für zulässig halten, weil diese nicht explizit an demokratische Grundsätze gebunden sind.232 Allerdings meint die Verpflichtung der Parteien auf das Gebot demokratischer Binnenstrukturen staatsdemokratische Vorstellungen233, die gerade nicht auf die Verwirklichung privatautonomer Entfaltung im Kollektiv abzielen. Daher passt der simple Schluss von der „Vereinigung mit Demokratiegebot“ auf die „Vereinigung ohne Demokratiegebot“ nicht. Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG hat schlicht einen anderen Regelungsgegenstand. Die dort für die Parteien geforderten Demokratievorstellungen lassen sich nicht auf die innerverbandliche Willensbildung übertragen.234 Die Quote in den Gewerkschaften ist folglich nicht allein deshalb zulässig, weil sie ein für die Parteien hinnehmbares Demokratiedefizit ist. Andererseits fehlt es für die Gewerkschaften an einer expliziten organisationsrechtlichen Vorgabe, die sich zu einem dem Art. 38 GG ähnlichen Gebot strenger Wahlrechtsgleichheit verdichtet. Eine solche lässt sich weder dem Art. 9 Abs. 3 GG und dem dort verankerten Gebot funktionsfähiger Ausgestaltung der Tarifautonomie entnehmen, noch dem Gewerkschaftsbegriff des § 2 TVG.235 Aus den gesetzlichen Vorgaben lässt sich nur ein „Minimum an Mitwirkungsrechten“236 ableiten, so dass das Organisationsrecht weitgehend der Konkretisierung durch die Mitglieder bedarf. Daher ist es richtig, den Gewerkschaften einen im Vergleich zu den Parteien wei-

229

Mit überzeugenden Argumenten für ein privatrechtliches Verhältnis und mit weiteren Nachweisen auch zu abweichenden Ansichten Sachs/Ipsen, Art. 21 GG Rn. 75 ff. 230 von Mangoldt/Klein/Starck/Achterberg/Schulte, Art. 38 GG Rn. 144 ff.; Zypries/Holste, NJW 2008, 3400, 3402. 231 Fuchsloch, ArbuR 1997, 354, 355 ff., die Frauenquoten in Gewerkschaften unproblematisch als durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG gerechtfertigt ansieht. 232 Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 838. 233 Dreier/Morlok, Art. 21 GG Rn. 123 ff. mit weiteren Nachweisen. 234 Jacobs/Krause/Oetker/Oetker, § 2 Rn. 75 m.w.N. 235 Siehe § 4 C. I. 236 Rieble, FS Reuter, 805, 821.

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tergehenden Spielraum bei der Ausgestaltung des Organisationsrechts zuzugestehen.

237

Die Gewerkschaftsmitglieder sind also vor die Herausforderung gestellt, sich ein Organisationsrecht zu geben, das sowohl dem Partizipationsrecht des Einzelnen, als auch der Funktionsfähigkeit des Verbandes und dem Recht der Mitglieder auf Gleichbehandlung Rechnung trägt. Dieser Herausforderung begegnen sie – wie die Parteien – durch eine demokratischen Grundsätzen entsprechende Willensbildung und durch die Implementierung des grundrechtlichen Gleichheitsverständnisses. Sie gestalten ihr System der Tarifwillensbildung anhand der Vorgaben des Grundgesetzes aus. Solange sie diesen Vorgaben gerecht werden ist die dadurch bedingte Verzerrung der innerverbandlichen Willensbildung unter dem Aspekt des Mitgliederschutzes grundsätzlich nicht korrekturbedürftig. Eine Frauenquote nach öffentlich-rechtlichem Vorbild ist nicht treuwidrig und gefährdet daher nicht die demokratische Verfassung des Verbandes als Teil der Gewerkschaftseigenschaft im Sinne des § 2 TVG. Keine wesentlich andere Bewertung ergäbe sich anhand des Maßstabs der Angemessenheit. Wenn die Gewerkschaften in Ermangelung konkreter Vorgaben zur Organisation der Tarifwillensbildung die widerstreitenden Interessen von formeller und materieller Gleichbehandlung, Organisationsautonomie und Partizipationsinteresse dadurch in Einklang bringen, dass sie das grundrechtliche System der Gleichbehandlung adaptieren, dann ist dies grundsätzlich angemessen. 4. Frauenquoten bei mehrheitlich weiblichen Gewerkschaftsmitgliedern Eine verbindliche relative Frauenquote könnte allerdings dann treuwidrig sein, wenn Frauen in einem tariffähigen Verband die Mehrheit der Mitglieder stellen. Aus der vereinsrechtlichen Perspektive begegnen diese Quotenregelungen nach Maßgabe des § 5 AGG keinen Bedenken.238 Im tariffähigen Verband sind sie indes treuwidrig und damit unzulässig. Dies folgt aus der Abwägung mit dem Mehrheitsprinzip als Mindestvoraussetzung mitgliedschaftlicher Partizipation.239 Das Mehrheitsprinzip wird vor allem aus staatsorganisationsrechtlicher Perspektive diskutiert.240 Seine Begründungen sind vielgestaltig. Im Wesentlichen lassen sich zwei Ansätze unterscheiden: Zum Einen der Gedanke, durch das Mehrheitsprinzip werde für eine Höchstzahl von gleichen Abstimmenden deren freie 237

Reuter, FS Söllner, S. 937, 945. Siehe § 3 E. III. 3. e) dd). 239 Zum Mehrheitsprinzip als Mindestvoraussetzung mitgliedschaftlicher Partizipation Dymke, Tarifgemeinschaft und mehrgliedriger Tarifvertrag, S. 146. 240 Umfassend mit zahlreichen weiteren Nachweisen Fach, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Bd. LXI/2 (1975), S. 201 ff.; Hillgruber, AöR 127 (2002), S. 460 ff. 238

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Entfaltung ermöglicht – also ein Optimum von Freiheit und Gleichheit erreicht.241 Zum Anderen die Überlegung, eine Herrschaft der Mehrheit erhöhe zumindest die Chance auf eine inhaltlich richtige Entscheidung.242 Das Bundesverfassungsgericht hat die Bedeutung des Mehrheitsprinzips in jüngerer Zeit in seinem Urteil zum Vertrag von Lissabon betont.243 Dabei erörtert das Gericht insbesondere die degressiv proportionale Vertretung der Bürger im Europäischen Parlament nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 EUV, die bewirkt, dass Kandidaten aus unterschiedlichen Ländern eine unterschiedliche Zahl von Wählern repräsentieren. Im Parlament kann dies dazu führen, dass eine Mehrheit der Abgeordneten eine Minderheit der Wähler repräsentiert. Das Bundesverfassungsgericht hält dies im Ergebnis noch für hinnehmbar, da das Europäische Parlament als supranationales Vertretungsorgan „eine Vertretung der miteinander vertraglich verbundenen Völker“ sei, weswegen die unterschiedliche Gewichtung des Stimmgewichts nach Nationen gerechtfertigt sei.244 Grundsätzlich hält das Gericht das Mehrheitsprinzip aber für unerlässlich, da nur so „eine ausreichende Gleichheitsgewähr der Wählerstimmen“ bestehe, die „bei jeder nicht nur unerheblichen Kontingentierung der Sitze verfehlt“ werde.245 Auf das Vereinsrecht sind die staatsorganisationsrechtlichen Begründungen des Mehrheitsprinzips nicht ohne Weiteres übertragbar. Im privatautonom verfassten Verband steht die freie Entfaltung des Einzelnen im Mittelpunkt, die sich gerade auch in der Akzeptanz von Ungleichbehandlungen äußern kann. Auch sind die Mitglieder grundsätzlich nicht gehalten, eine inhaltlich richtige, vernünftige oder objektiv nachvollziehbare Verbandspolitik zu verfolgen. Das Mehrheitsprinzip ist damit zunächst vor allem der freien Entscheidung der Mitglieder geschuldet, ihren Verband funktionsfähig zu organisieren. Dennoch ist das Mehrheitsprinzip auch im Vereinsrecht mehr als ein „technischer Notbehelf.“246 Jedenfalls im Verein mit herausragender Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich lässt sich Einstimmigkeit nicht verwirklichen. Überdies kann mangels Marktkontrolle nicht von der allgemeinen Akzeptanz der Satzungsbedingungen ausgegangen werden. Daher ist das Mehrheitsprinzip einerseits notwendige Beschränkung der Vertragsfreiheit des Einzelnen – weil es an die Stelle individueller Entfaltung die Herrschaft der Mehrheit treten lässt. Andererseits garantiert es ein Höchstmaß an privatautonomer Entfaltung freier und gleicher Individuen.

241

Hillgruber, AöR 127 (2002), 460, 462 f. Beuthien, BB 1987, 6. 243 BVerfG vom 30.6.2009 – 2 BvE 2/08 u. a. – NJW 2009, 2267. 244 BVerfG vom 30.6.2009 – 2 BvE 2/08 u. a. – NJW 2009, 2267, 2277. 245 BVerfG vom 30.6.2009 – 2 BvE 2/08 u. a. – NJW 2009, 2267, 2277 f. 246 So zur Staatsdemokratie, bei der das Mehrheitsprinzip mehr als nur „technischer Notbehelf“ ist, Hillgruber, AöR 127 (2002), 460, 462. 242

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Insoweit ähnelt sich die Situation von Verein und Staat. Die Mitglieder eines Vereins sind in ähnlicher Weise aneinander gebunden, wie dies für die „Mitglieder“ des Staates gilt. Damit stellt sich das Problem des Ausgleichs von Freiheit und Gleichheit in ähnlichem Maße und daher sind die staatsorganisationsrechtlichen Vorstellungen von Mehrheitsherrschaft auf den Verein übertragbar. Es muss auch im Verein ein Mindestmaß an individueller Einflussnahme sichergestellt werden und der Wille einer Mehrheit gleicher Mitglieder maßgeblich sein, deren Gesamtwille grundsätzlich als vernünftiger Interessenausgleich zu respektieren ist.247 Allerdings fehlt es für die Gewerkschaften an konkreten Vorgaben zur Organisation der innerverbandlichen Willensbildung. Was sie unter Gleichheit verstehen und aus welchen Gründen sie ein ungleiches Stimmengewicht in Kauf nehmen ist damit vorrangig ihrer autonomen Abwägung überlassen. Daher wirkt sich auch hier der Maßstab von Treu und Glauben aus, der lediglich eine Außengrenze setzt. Die Frage ist daher, wann eine organisationsrechtliche Ausgestaltung die Grenzen des Mehrheitsprinzips verletzt. Es geht darum, ob eine Quotenregelung bewirkt, dass für die Gesamtwillensbildung nicht mehr von der Herrschaft der Mehrheit gesprochen werden kann. Insoweit lässt sich aus dem staatsdemokratischen Mehrheitsprinzip ein Mindestmaß an Partizipation ableiten: Wenn die Mitglieder auch nicht zwingend gleich sein müssen, so ist die Grenze zulässiger Ungleichbehandlung jedenfalls dann erreicht, wenn sich die Minderheit gegenüber der Mehrheit durchzusetzen vermag. Von echter mitgliedschaftlicher Partizipation kann daher nur dann die Rede sein, wenn sich trotz aller berechtigter Interessen des Minderheitenschutzes, der Funktionsfähigkeit, der Gleichbehandlung und der Verbandspolitik die Mehrheit der Mitglieder in einer Entscheidung wiederfindet. Durch eine verbindliche Frauenquote von mehr als 50 Prozent ist dieses Prinzip verletzt. Dies zeigt sich am theoretischen Beispiel einer Frauenquote von 80 Prozent. Der Mehrheit der Mitglieder wäre es ohne Weiteres möglich, beispielsweise einen zu 80 Prozent aus Frauen bestehenden Vorstand zu wählen. Durch eine Vorwegnahme dieses Ergebnisses in Gestalt einer Quote würde aber nicht nur eine abstrakte Mehrheitsentscheidung vorweggenommen oder modifiziert, sondern die Durchsetzung der Kandidatinnen wird selbst für den Fall sichergestellt, dass annähernd alle Stimmen an männliche Kandidaten fallen oder in einer nicht manipulierten Wahl fallen würden. Damit wird durch die Quotenregelung möglich, dass die Mehrheit der Stimmen zu einer Minderheit im Ergebnis führt und umgekehrt genügt die Minderheit der Stimmen, um die Mehrheit an Repräsentation im Verband zu erreichen. Dieser Effekt der Umkehr der Mehrheitsverhältnisse kann nur dann eintreten, wenn die Frauenquote mehr als 50 Prozent beträgt. Bis zu diesem Schwellenwert führt die Quote allenfalls zu einer Modifikation des Mehrheitswillens, so dass sich die Mehrheit zwar nicht vollumfänglich durchzusetzen vermag, die Mehrheit der 247

Beuthien, BB 1987, 6.

C. Zulässige Implementierung materieller Gleichheitsvorstellungen

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gewählten Angehörigen der jeweiligen Gremien aber dennoch die Mehrzahl der Stimmen der Mitglieder auf sich vereinigt. Ist die Quote höher als 50 Prozent, so kann sich eine Minderheit rechnerisch gegen die Mehrheit durchsetzen. Dies ist selbst dann bedenklich, wenn sich in der konkreten Wahlentscheidung die Mehrheit der Mitglieder für die quotierten Wahlbewerber ausspricht und sich im Ergebnis trotz Quotierung die Mehrheit gegen die Minderheit durchsetzt. Denn eine Wahl, die von vornherein so determiniert ist, dass im Zweifel Stimmen für männliche Bewerber ohne entscheidenden Einfluss auf die Verbandspolitik bleiben, wird regelmäßig dazu führen, dass die Mitglieder bevorzugt eine Bewerberin wählen werden, so dass sichergestellt ist, dass ihre Stimme bei der Gestaltung der Tarifpolitik Wirkung entfaltet. Für eine Quote bei einem Frauenanteil von über 50 Prozent spricht dann allenfalls der Gedanke, dass die Manipulation des Wahlergebnisses zugunsten von Frauen sich nicht zwingend verbandspolitisch auswirken muss. Frauen verkörpern allein wegen ihres Geschlechts keine besondere verbandspolitische Präferenz, so dass nicht pauschal angenommen werden kann, durch eine Quote werde beispielsweise der linke oder rechte Gewerkschaftsflügel oder eine besondere Berufsgruppe innerhalb der Gewerkschaft gestärkt. Es ließe sich argumentieren, dass die Gewerkschaftsmitglieder zur Durchsetzung ihrer Ziele eben einzig eine hinreichende Anzahl weiblicher Repräsentanten finden müssen, um ihre verbandspolitischen Ziele durchzusetzen. Dann stellt sich freilich die Frage, ob dadurch das emanzipatorische Anliegen der Quote nicht konterkariert wird. Lassen sich verbandspolitische Vorhaben nur mittels weiblicher Kandidaten sicher durchsetzen, dann besteht die Gefahr, dass Frauen nicht wegen ihrer Eignung gewählt werden und auch nicht wegen einer verbandspolitischen Präferenz, sondern weil sie als Frauen einen bestimmten verbandspolitischen Inhalt transportieren. Weibliche Kandidaten würden damit tatsächlich zu reinen „Quotenfrauen“. – Freilich ist auch dies nicht zwingend: Es ließe sich genauso argumentieren, dass die Wahrnehmung verbandspolitischer Interessen durch Frauen zu einer Bestenauslese unter den weiblichen Kandidaten führt, so dass letztlich doch die persönliche Eignung entscheidender Faktor für die Wahlentscheidung ist. Allerdings kommt es auf derartige Überlegungen zum „Output“ eines Entscheidungsprozesses gar nicht an. Entscheidend ist, dass das Mehrheitsprinzip gerade die freie und ungebundene Entscheidung der Mitglieder schützt. Sie sollen ihr Recht auf Partizipation durch die Stimmabgabe grundsätzlich nach persönlicher Präferenz willkürlich geltend machen können. Weder ist ihnen zuzumuten, strategische Überlegungen über die Auswirkungen ihrer Stimme anzustellen, noch weibliche Kandidaten vorzuziehen, obwohl sie dies eigentlich nicht möchten. Dies gilt umso mehr im System privatautonomer Verbandsorganisation, das anders als das Staatsorganisationsrecht nicht auf übergeordnete Vorstellungen von Gerechtigkeit oder inhaltlicher Richtigkeit verpflichtet ist, sondern dessen Maxime die selbstbestimmte Entscheidung über die eigenen Lebensverhältnisse ist.

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§ 4 Frauenquoten und Tariffähigkeit

Hinter das Prinzip der Mehrheitsherrschaft darf die Organisation der innerverbandlichen Willensbildung daher nicht zurückfallen. Jedenfalls dann, wenn die Minderheit der Mitglieder es schafft, eine Gewerkschaft zu dominieren, kann von einer echten „demokratischen“ Partizipation nicht mehr die Rede sein. Das Zuviel an materieller Gleichheit von Mann und Frau führt zu einem nicht mehr zu tolerierenden Maß an Ungleichheit bei der Stimmgewichtung und damit zu einer Beschränkung der individuellen Freiheit, die über das hinnehmbare Maß hinausgeht. Eine Quote, die dazu führt, dass eine Minderheit über die Mehrzahl der zu besetzenden Stellen entscheidet ist eine treuwidrige und unangemessene Beschränkung des Gedankens möglichst gleicher und direkter Partizipation.

D. Folgen unzulässiger Quotenregelungen für die Tariffähigkeit I. Gefahren für die Tariffähigkeit nur bei Störung der Tarifwillensbildung Folgen für die Tariffähigkeit hat eine Quotenregelung grundsätzlich nur dann, wenn sie sich auf die Tarifwillensbildung des Verbandes auswirkt. Somit stellt nicht jede Quotenregelung in einer Gewerkschaft per se die Tariffähigkeit der Organisation in Frage. Da es um den Schutz der Normunterworfenen vor unzulässiger Beeinträchtigung ihrer Teilhaberechte an der Tarifwillensbildung geht, ist die Tariffähigkeit nur dann gefährdet, wenn sich die unzulässige Quotenregelung bei der Besetzung von Organen auswirkt, die mit der Tarifnormsetzung betraut sind. Die Gewerkschaften sind gehalten, ihre relativen verbindlichen Quotenregelungen entsprechend anzupassen. Erforderlich ist insbesondere eine Trennung von Verbandstätigkeit und Tarifnormsetzung im engeren Sinne. In den damit befassten Gremien darf es nicht zu einem zahlenmäßigen Übergewicht solcher Mitglieder kommen, deren Zugehörigkeit zu dem Gremium auf eine Quotierung zurückgeht. Nur dann ist gewährleistet, dass in der Tarifnormsetzung der Wille der Mehrheit der Mitglieder zum Ausdruck kommt. Eine saubere Trennung zwischen Verbandstätigkeit und Tarifnormsetzung gibt es in den Gewerkschaften indes nicht. So hat beispielsweise der Bundesvorstand der Gewerkschaft ver.di „ein Vetorecht gegen Tarifforderungen und Tarifabschlüsse.“248 Angesichts der Komplexität der gewerkschaftlichen Strukturen und mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann nicht jede Verzerrung der Tarifwillensbildung zum Verlust der Tariffähigkeit führen. Entscheidend wird es darauf 248

§ 69 Nr. 3 Satzung ver.di in der Fassung vom 30.9. 2009.

D. Folgen unzulässiger Quotenregelungen für die Tariffähigkeit

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ankommen, ob die Tarifpolitik der Gewerkschaft insgesamt als Folge der Quotenregelung von einer Minderheit dominiert wird.

II. Das Beispiel der Gewerkschaft ver.di Von den Gewerkschaften, die gegenwärtig eine Frauenquote eingeführt haben, stellt sich das Problem einer möglichen Umkehr der Mehrheitsverhältnisse einzig bei der Gewerkschaft ver.di. Da sich der Frauenanteil an der Gesamtmitgliederzahl gegenwärtig auf 50,7 Prozent beläuft249, ist das Problem bundesweit (noch) theoretisch. Faktisch läuft die Quote im Moment auf eine paritätische Besetzung der Gremien mit Männern und Frauen hinaus. Hinzu kommt, dass die Quote jedenfalls in Bezug auf den Bundesvorstand zur Zeit nicht in vollem Maße umgesetzt wird250, so dass die Auswirkungen auf die Tarifwillensbildung praktisch nicht ins Gewicht fallen. Ver.di wird auf Bundesebene de facto nicht von Minderheiten dominiert. Problematisch ist vor allem zweierlei: Zum einen sieht die Quotenregelung in § 20 Nr. 3 der Satzung eine Orientierung am Anteil der Frauen an der „jeweils repräsentierten Mitgliedschaft“ vor.251 Es kann daher in den einzelnen Untergliederungen der Gewerkschaft zu einer mehrheitlichen Besetzung der Gremien mit „Quotenfrauen“ kommen. Zum anderen gibt es in der Gewerkschaft anscheinend Bestrebungen, die Zahl der zu besetzenden Ämter zu reduzieren.252 Derartige Intensivierungen der Auswirkung von Quoten sind mit Blick auf die Angemessenheit einer Maßnahme nach § 5 AGG bedenklich.253 Sie verschärfen auch das Problem defizitärer mitgliedschaftlicher Legitimation im Bereich der Tarifwillensbildung. Andererseits ist die Frauenquote nur dann eine Gefahr für die Tariffähigkeit, wenn sie faktisch zu Defiziten in der Tarifwillensbildung führt. Es genügt also nicht, dass die Quote lediglich theoretisch zu nicht mehr hinnehmbaren Verzerrungen des Prinzips mitgliedschaftlicher Legitimation führen kann. Allerdings ist bereits darauf hingewiesen worden, dass solche faktischen Auswirkungen auch durch die abstrakte Satzungsregelung bedingt sein können – so wenn die Wahlentscheidung wegen der Verbindlichkeit der Quotenregelung determiniert ist. Beispiel ist die Tendenz eine Frau zu wählen, wenn durch die Quote die faktischen Durchsetzungsmöglichkeiten männlicher Kandidaten erheblich reduziert sind 249 Zahlen abrufbar im Internet unter http://www.dgb.de/uber-uns/dgb-heute/mitgliederzah len/2010. 250 Siehe § 1 B. 251 Siehe § 1 A. 252 Dazu Amann, Streit über Frauenquote beendet, FAZ vom 20.9. 2006 – abrufbar im Internet unter http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/recht-und-gehalt/verdi-streit-ueber-frauen quote-beendet-1355947.html. 253 Siehe § 3 E. III. 3. e).

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§ 4 Frauenquoten und Tariffähigkeit

– gewerkschaftspolitische Vorhaben also letztlich nur noch durch weibliche Kandidaten durchgesetzt werden können.254 Es kann also nicht allein darauf ankommen, dass sich eine verbindliche Quote in der konkreten Wahlentscheidung nicht unmittelbar korrigierend auswirkt, weil sie ohnehin „freiwillig“ verwirklicht worden ist. Unerheblich ist auch, dass sich das einzelne Mitglied unter Umständen verbandsrechtlich gegen eine mehrheitsbegünstigende Quotenregelung wehren kann. Grundsätzlich gilt zwar: Eine Frauenquote, die den Partizipationsinteressen des Mitglieds bei der Tarifwillensbildung nicht hinreichend Rechnung trägt, ist eine treuwidrige Verletzung der Mitgliedschaftsrechte – und zwar auch insoweit, als sie nach Maßgabe des AGG zulässig wäre.255 Sie unterliegt daher der richterlichen Inhaltskontrolle nach § 242 BGB.256 Das Mitglied hat einen Anspruch auf Teilhabe257 – und zwar auf diskriminierungsfreie Teilhabe und kann diesen Anspruch im Zweifel durchsetzen. Dies ändert aber nichts daran, dass Fehler in der Tarifwillensbildung die Tariffähigkeit auch dann berühren, wenn die Mitglieder bereit sind, diese Fehler hinzunehmen. Im Fall der Gewerkschaft ver.di ist die Tariffähigkeit dennoch (noch) nicht gefährdet, weil die Quote – soweit ersichtlich – bislang nicht zu einer faktischen Umkehr der Mehrheitsverhältnisse geführt hat. Dies hängt zusammen mit der Ausgestaltung der Quotenregelung durch die Wahlordnungen, die eine flexiblere Handhabung der Quoten ermöglicht, als dies die strenge Formulierung des § 20 Nr. 3 der Satzung vermuten lässt. So sah Nr. 7.3 der Geschäfts- und Wahlordnung des 3. Bundeskongresses der ver.di258 vor, dass „auf Antrag einer/eines Stimmberechtigten und mit Unterstützung der Mehrheit der anwesenden stimmberechtigten Frauen gegen einen Antrag oder einen Wahlvorschlag vor der Beschlussfassung ein Veto nach § 20 Abs. 3 ver.di-Satzung eingelegt werden, wenn in dem Antrag frauen- und gleichstellungspolitische Interessen berührt sind bzw. der Wahlvorschlag nicht den Anforderungen der Quotenregelung nach § 20 Abs. 3 entspricht.“ In dem Protokoll zum 3. Bundeskongress der Gewerkschaft vom 19.9. 2011259 wird zur Wahl zum Gewerkschaftsrat erwähnt, dass die Frauenmindestquote von 50 Prozent eingehalten wurde (Protokollteil 8 S. 14). Nicht erwähnt und nicht beanstandet wird, dass bei der Besetzung des Vorstandes die Frauenquote nicht erreicht wurde (ebenfalls Protokollteil 8). 254

Siehe § 4 B. IV. 4. Siehe § 4 A. 256 Zu dieser Inhaltskontrolle Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Rn. 3325 ff.; MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 161 Rn. 57. 257 MünchArbR/Löwisch/Rieble, § 161 Rn. 12. 258 http://www.verdi.de/suche?ZentralSearchPortlet.global_search_in-put=wahlord nung&global_search_submit=. 259 http://www.verdi.de/ueber-uns/bundeskongress/tagesprotokolle/++co++a9995d6ee2ba-11e0 – 6984 – 0019b9e321e1. 255

D. Folgen unzulässiger Quotenregelungen für die Tariffähigkeit

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Die Gewerkschaft hat also in der Praxis die nach dem Satzungswortlaut eigentlich verbindliche Quote faktisch als Soll-Quote ausgestaltet, die Differenzierungen im Einzelfall ermöglicht.

§ 5 Gesamtergebnis in Thesen Frauenquoten sind grundsätzlich Ausdruck autonomer Organisation des Verbandes durch die Gewerkschaftsmitglieder. Durch die Zustimmung zur Satzungsänderung, den Verbleib in der Gewerkschaft oder den Beitritt zur Gewerkschaft legitimiert das einzelne Mitglied die Ungleichbehandlung durch die Frauenquote. In Verbänden mit herausragender Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich bedingt die strukturelle Unterlegenheit des Einzelnen die Beschränkung der Satzungsgestaltungsfreiheit zum Schutz des Individuums. Der vereinsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verdichtet sich zu einem echten Gebot der Gleichbehandlung. Durch die Regelung des § 5 AGG wird das Gebot der Gleichbehandlung der Vereinsmitglieder modifiziert. Zur Verwirklichung von Chancengleichheit durch die Kompensation struktureller Nachteile wegen des Geschlechts sind relative verbindliche Frauenquoten zulässig. Eine Quote ist dann gerechtfertigt, wenn durch sie eine Unterrepräsentation weiblicher Gewerkschaftsmitglieder kompensiert wird. Weder kommt es auf die zahlenmäßige Überlegenheit von Frauen im Verband an, noch auf eine geschlechtsneutrale Formulierung. Zulässig ist auch eine nur teilweise Nachteilskompensation zur Sicherung einer Mindestbeteiligung. Weder haben das einzelne weibliche Mitglied, noch die Gesamtheit der Frauen in der Gewerkschaft einen Anspruch auf (volle) Nachteilskompensation durch eine Quotenregelung. Das AGG gestaltet jedoch nicht die Voraussetzungen der Tariffähigkeit aus. Daher kann eine nach dem AGG zulässige Quotenregelung im Widerspruch stehen zu den Anforderungen an den tariffähigen Verband. Das Erfordernis mitgliedschaftlicher Partizipation als Voraussetzung kollektiv privatautonomer Tarifwillensbildung gebietet im Grundsatz eine möglichst unverfälschte und gleiche Teilhabe der Mitglieder an der Tarifwillensbildung. Eine verbindliche Quotenregelung steht diesem Prinzip entgegen. Der durch Art. 9 Abs. 3 GG und den einfachen Gesetzgeber weitgehend offen gelassene Gewerkschaftsbegriff macht eine autonome Ausgestaltung der Organisation der tariflichen Willensbildung erforderlich. Die Gewerkschaften können dabei grundrechtliche Gleichheitsvorstellungen in ihre Satzung aufnehmen, um den Konflikt von Partizipationsinteresse, Gleichbehandlung und Organisationsautonomie zu lösen.

§ 5 Gesamtergebnis in Thesen

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Die Adaption des Gebots zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Mann und Frau gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG lässt grundsätzlich die Einführung von Frauenquoten zu, wie sie auch durch die Regelung des § 5 AGG ermöglicht werden. Die Grenze zulässiger Ausgestaltung von Quotenregelungen ist dann erreicht, wenn das Partizipationsinteresse des Mitglieds in treuwidriger Weise durch die Einführung einer Frauenquote verletzt wird. Dies ist dann der Fall, wenn die Quote dazu führt, dass eine Mehrheit der Sitze in einem mit der Tarifwillensbildung befassten Gremium quotiert ist. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, dass eine Minderheit der Mitglieder die Gewerkschaft dominiert.

Literaturverzeichnis Gesetzesänderungen, Rechtsprechung und Literatur habe ich bis zum 1.10. 2012 berücksichtigt. Hier nicht verzeichnete Quellen sind in den Fußnoten ausführlich zitiert. Das betrifft insbesondere Internetquellen; diese wurden sämtlich letztmals am 1.10. 2012 abgerufen. Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich die Verweise auf Rechtsnormen auf die zum 1.10. 2012 gültige Fassung. Adomeit, Klaus: Diskriminierung – Inflation eines Begriffs, NJW 2002, 1622 Adomeit, Klaus/Mohr, Jochen: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Kommentar zum AGG und zu den Diskriminierungsverboten, 2. Auflage 2011 (zit.: Adomeit/Mohr/Bearbeiter) Albers, Marion: Gleichheit und Verhältnismäßigkeit, JuS 2008, 945 Badura, Peter: Gleiche Freiheit im Verhältnis zwischen Privaten, ZaöRV 68 (2008), 347 – Das Recht der Koalitionen, in: Das Arbeitsrecht der Gegenwart Band 15 (1977), S. 17 Baer, Susanne: „Ende der Privatautonomie“ oder grundrechtlich fundierte Rechtsetzung? – Die deutsche Debatte um das Antidiskriminierungsrecht, ZRP 2002, 290 Bamberger, Heinz-Georg/Roth, Herbert (Hrsg.): Beck’scher Online-Kommentar BGB (Stand 1.2.2012) (zit.: BeckOKBGB/Bearbeiter) Bauer, Jobst Hubertus/Göpfert, Burkard/Krieger, Steffen: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Kommentar, 3. Auflage 2011 Bayreuther, Frank: „Quotenbeweis“ im Diskriminierungsrecht?, NJW 2009, 806 – Tarifautonomie als kollektiv ausgeübte Privatautonomie – Tarifrecht im Spannungsfeld von Arbeits-, Privat- und Wirtschaftsrecht, 2005 Beuthien, Volker/Biedenkopf, Kurt: Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz im Vereinsrecht, BB 1987, 6 Biedenkopf, Kurt: Grenzen der Tarifautonomie, 1964 Bispinck, Reinhard/Dribbusch, Heiner/Öz, Fikret: Geschlechtsspezifische Lohndifferenzen nach dem Berufsstart und in der ersten Berufsphase, 2008 Brors, Christiane: Ist § 15 II BetrVG verfassungswidrig?, NZA 2004, 472 Brox, Hans/Walker, Wolf-Dietrich: Allgemeiner Teil des BGB, 35. Auflage 2011 Bundesministerium für Arbeit und Soziales u. a. (Hrsg.): 2. Bilanz Chancengleichheit – Frauen in Führungspositionen, 2006 Bundesministerium für Senioren, Familie, Frauen und Jugend (Hrsg.): Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern, 2. Auflage 2010

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145

Sachwortverzeichnis Allgemeine Geschäftsbedingungen 40 Arbeitgeber 55, 80, 87, 90, 99 f. Arbeitgeberverband 23, 46, 90, 104, 110 Arbeitnehmer 20, 39, 73, 88, 97, 99 Arbeitskampf 39, 105 Arbeitskampfmaßnahmen 101 Arbeitskampfrecht 20 Betriebsrat 58, 75, 79 Betriebsverfassungsrecht 79 Beweis 53 – 55, 58 f., 61, 63, 67 Beweisführung 64 Beweislast 56, 62 f. Beweislastumkehr 53 Beweislastverteilung 53 Beweiswürdigung 63 BGB-Gesellschaft 27 f. CGM 38 Cockpit 39 Demokratie 23, 25 f., 41, 44, 84, 89, 91, 94 f., 105, 109, 126 f. DGB 16 f., 39, 74 Diskriminierung 54 Einschätzungsprärogative Erziehung 60 Erziehungsjahre 118 EVG 13 f., 16

64 – 67, 76, 88

Frauenbeauftragte 14, 68 Frauenförderung 13 f., 31, 34, 52, 103, 113, 116 f., 119, 125 Frauengewerkschaft 33, 74 Führungsposition 15, 54, 60, 66 Geburten 118 GEW 16 f.

Gleichbehandlung 52, 58, 74 f., 82 – 84, 96 f., 100 f., 108, 111 – 113, 117, 119, 123 f., 128, 136 Grundgesetz 47, 87, 105, 119, 121, 123, 125, 128 Haftungsbeschränkung auf das Vereinsvermögen 27 IG BAU 13 f., 16 IG Metall 13 f., 16, 63 Kinder 60 Koalition 30 Koalitionsfreiheit 18 – 24, 26, 28, 33 f., 37, 39, 47, 49, 86, 111 – als Doppelgrundrecht 19, 47 – Individualgrundrecht 18 – negative Koalitionsfreiheit 18 Koalitionszweck 30 Konzessionssystem 28 Leistungsprinzip

54 f., 72 f.

Marktkontrolle 36 Massenverbände 28, 98, 101, 105, 107 Minderheit 34, 60, 75, 79, 103, 105, 109, 129 – 133, 137 Minderheitenschutz 25, 43, 108 f., 130 Organisationsautonomie 19, 22, 26 f., 111 – 113, 116, 126, 128, 136 Partei 23 – 25, 32, 37, 41, 45, 109, 125 – 128 Privatautonomie 20, 24, 33, 36, 42 – 44, 46 f., 69, 73, 95, 98 – 101, 106 f., 117, 122 – 124

Sachwortverzeichnis

147

Quotenregelungen – in den Gewerkschaften 13 – in Unternehmen 13 – unverbindliche 13 f., 50 – verbindliche 13 f., 50 – 52, 66, 69, 71, 77 f., 80 f., 102, 104, 109, 126, 130, 132 – 136

Tarifwillensbildung 73, 94, 96, 100, 104 – 106, 108 – 112, 115 f., 128, 132 – 134, 136 f. Treu und Glauben 33, 40, 45, 47, 114, 116, 130 Trucksystem 64 Truckverbot 64

Rechtsfähigkeit

UFO 39 Unterlegenheit – des Mitglieds gegenüber dem Verein 37 f., 136 – strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers 20, 88, 99

27

Satzung 18, 21, 23, 26, 29 – 33, 35 – 38, 40 – 43, 46, 49, 52, 74, 79, 81, 83, 103 – 105, 107, 110 f., 113 – 115, 125, 133 – 135 Spartengewerkschaft 24, 39, 74 Statistik 15, 53 – 57, 59 f., 63 f., 67, 107 Südschleswigscher Wählerverband 109 System der Normativbestimmungen 28 Tarifautonomie 20, 84 – 89, 91 – 93, 95 – 98, 102, 110 f., 115, 127 – als kollektive Privatautonomie 91 – 95, 98, 101 Tariffähigkeit 84 – 89, 93 – 96, 100, 106, 109, 112, 125, 132 – 134, 136 Tarifvertrag 73, 84, 87, 89 f., 93, 97 f., 100 f., 110, 112 – normative Wirkung des Tarifvertrages 92, 96

ver.di 13 f., 16, 31, 68, 80 f., 132 – 134 Verein 25, 27 – 30, 32 – 36, 38 – 43, 45 – 47, 74, 95 – 97, 100, 129 f. – Idealverein 29 – nichteingetragener Verein 28 f. – nichtrechtsfähiger Verein 27, 29 – Rechtsfähigkeit 29 Vereinigungsfreiheit 18, 24, 28, 35, 42 Vereinsrecht 28 – 33, 36, 41 – 44, 47, 96, 114, 124 f., 129 Vertragsparität 35 – 37, 73, 88, 98 f., 113 Wahlrecht

30 f., 68 f., 71, 81, 109