Formen und Funktionen der Vergilzitate bei Augustin von Hippo 3506790684

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Formen und Funktionen der Vergilzitate bei Augustin von Hippo
 3506790684

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STUDIEN ZUR GESCHICHTE UND KULTUR DES ALTERTUMS Neue Folge 1. Reihe: Monographien Im Auftrag der Görres-Gesellschaft herausgegeben von HEINRICH CHANTRAINE, TONY HACKENS (t), VOLKER MICHAEL STROCKA, HANS JÜRGEN TSCHIEDEL U. OTTO ZWIERLEIN

18. Band

2003

Ferdinand Schöningh Paderborn • München • Wien • Zürich

GERHARD ANSELM MULLER

Formen und Funktionen der Vergilzitate bei Augustin von Hippo Formen und Funktionen der Zitate und Anspielungen

2003

Ferdinand Schöningh Paderborn • München • Wien • Zürich

ruelabbildung: Holzschnitt zu Augusans ,De civitate dei', Basel 1489; links: der gerechte Abel mit der ,civitas dei', rechts: der Mörder Kain mit der .civitas diaboli'.

PVA 2002.

4961

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Umschlaggestaltung: Evelyn Ziegler, München Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem und alterungsbestandigem Papier© ISO 9706 © 2003 Ferdinand Schöningh, Paderborn (Verlag Ferdinand Schöningh GmbH, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn) Internet: www.schoeningh.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages nicht zulässig. Printed in Germany. Herstellung: Ferdinand Schöningh, Paderborn ISBN 3-506-79068-4 laatätotQüothek München

POI

m

Inhaltsverzeichnis Vorwort

5

Zu Abkürzungen und Zitaten

7

I 1 2 3

Augustins Vergilzitate im Horizont ihrer Zeit Zur Forschungslage Zielsetzung und Anlage dieser Arbeit

II 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 2 2.1 2.2 2.3 2.4 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5

Einleitung 9 11 15

Methoden

Zitartheorie Begrifflichkeit Qualitative Kriterien für Intertextualität Das Zitatsegment Zum Begriff Markierung Typeninventar intertextueller Einschreibungen nach ihrer Markierung Funktionen der Intertextualität und ihrer Markierung Raster für die Untersuchung der einzelnen Stellen Beschreibung Analyse Weitere Schritte der Interpretation Testimonien Xotjoig Das Konzept der Xgfjoac; Strukturmomente der Xgfjou; Begrifflichkeit Würdigung der Xofjoi.(;-Konzeption Anwendung auf die Fragestellung dieser Arbeit

19 19 20 22 23 24 27 29 29 31 32 33 34 34 35 36 38 39

VI

Inhaltsverzeichnis

III A

Einzeluntersuchungen

PHILOSOPHISCHE UND THEOLOGISCHE FRÜHSCHRIFTEN

A.l

Contra Academicos

1 2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3

Übersicht und Einleitung 41 Vergilbezüge 45 Eine Vergilreminiszenz im Prooemium 45 Die Vergillektüre als Teil des gemeinsamen Lebens in Cassiciacum . 46 Einpassung in den Tagesablauf, Umfang und Methode der Lektüre 46 Licentius 47 Vergillektüre und poetische Produktion in der Debatte des 6. Gesprächstages 47 Erneute Auseinandersetzung mit Licentius 48 Weitere Vergilbezüge auf der Ebene des Gesprächsrahmens . . . . 49 Die Metapher der arma Vulcania 49 Ein Aeneiszitat zur Ermunterung des Licentius 49 Eristische Zurückweisung der Eristik (ecl. 3,104-107) 50 Aen. 8,441 bezogen auf die Gesprächssituation 52 Vergilzitate und vergilische Wendungen auf der Inhaltsebene . . . 53 Das Proteusbild des Alypius und seine Interpretation durch Augustin 53 Aen. 1,401 als Beispiel für einen Weg 55 Vergils Gedichte als ein Gegenstand hellseherischen Könnens . . . 56 Das poetische Fama-Bild 57 Eine allegorische Vergilauslegung in Acad. 2,9,22? 57 Hercules und Cacus als Teil der Illustratio 58 Eine vergilische Wendung in Acad. 3,14,30 59 Andere herausragende Zitate, Bezüge oder Gestaltungselemente . . 59 Ein Verrinenzitat 59 Der Streit der Philosophen nach Cicero 60 Cicero in der „Satire vom skeptischen Ehebrecher"; Terenzwendung 60 Die Philocalia-Fabel 61 Die Gestalt Catilinas nach Sallust; Verrinenzitat 62 Die Rolle Ciceros in der These der platonischen Geheimlehre . . . 63 Abgelehnte Bezüge, Vergil- und Terenzwendungen 63

2.2.4 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5 2.4.6 2.4.7 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 4

41

Inhaltsverzeichnis

VII

A.2 De beata vita

66

1 2 3

67 69 70

Dichterzitate Cicero Eine thematische Zitatenreihe aus Cicero (frugalitas)

A.3 De ordine 1. 2 3 3.1 3.2 3.3 4 4.1 4.2 5 5.1 5.2 5.3 6 6.1 6.2 6.3 7 8

Situative Einkleidung des Gesprächsbeginns. Literarische und Poetologische Bezüge Der Apollo der Aeneis in ord. 1,4,10. Augustins Verhältnis zu den paganen Göttern Diskussion über eine Textvariante: Christus als Apollo noster / Apollo verus? Zur Behauptung der inhaltlichen Notwendigkeit Zur Behauptung der inhaltlichen Möglichkeit (Götterinterpretation, Parallelen) Zur Behauptung der formalen Möglichkeit (theologische Fremdzensur) Weitere Auseinandersetzung mit Licentius und seiner Dichtung . . Zenobius und sein Gedicht; Absage des Licentius an die Dichtung Der geläuterte Zugang des Licentius zur Poesie: Psalmen und christliche Dichtung Rahmenebene Terenzzitate Vergilische Wendung auf der Rahmenebene Vergillektüre Die discplinae liberales. Ihre Entwicklung als Rahmen eines Bildungsprogrammes Grammatik (Beispiel: Mutter des Euryalus) Proteusbild Pythagoras als Emblem; Vergilzitat Ballett und Dichtung (Vergil) als Gegenstände von Vernunfturteilen Gattungsbezüge

70 71 73 77 77 78 81 82 82 82 83 83 84 84 84 85 85 86 86 87

A.4 Soliloquia

87

1 2 2.1 2.2

89 90 90 91

(Mögliche) Ciceroreminiszenzen; Celsuszitat Aussagen über mimetische Kunst Begriffsbestimmungen Künstlerische Mimesis

VIII 2.3

Inhaltsverzeichnis Das Falsche (Mythos und Fiktion) als Teil der Grammatik; die Beispiele von Dädalus und Medea (Pacuviuszitat)

92

A.5 De animae quantitate

93

1 2 3 4 5

HÖR. sat. 2,7,86 Aen. 12,687 und georg. 2,460 HOR.epist. 1,2,40 Ecl. 9,32 HÖR. sat. 2,7,2f. in 28,55 und retr. 1,8,3

95 95 96 96 97

A.6

De magistro

98

1 2 3 4 5 6 7

Vergil (Aen. 2,659) Terenz (Andr. 204) Persius (3,32 und 3,35-42) Cicero (Verr. 2,2,104) Paulus (2Cor. 1,19)-die Bibel Die grammatische Tradition Lügen und Fehler, Ballett

99 100 101 101 102 103 104

A.7

De musica

104

1 2 3 3.1 4

Vergil Horaz Dichterverse als Beispiele Aus Terentianus Maurus bzw. Marius Victorinus genommene Verse Abgrenzung von der traditionalen Metrik; „rationale" Analyse der Senare 5 Ein inhaltlich eingesetztes Georgica-Zitat und eine Odysseeanspielung Die Einleitung des 6. Buches, Differenzierung des Publikums

106 108 109 109

112 112

A.8

De dialectica, Grammatiken

113

1 2 3 4

Vergil- und Enniusbezüge Cicerobezüge Terenz-und Sallustbezüge Zitate in den unter Augustins Namen umlaufenden Grammatiken

111

113 115 116 .116

Inhaltsverzeichnis

IX

B

ANTIMANICHÄISCHE SCHRIFTEN

B.l

De vera religione

117

1 2 2.1 2.2 3

Ein Vergilnachhall (Aen. 8,326) Die Schönheit der Welt Gedicht, spectacula, Architektur Wagenlenker und Gesangsliebhaber; positive Wertung des Ehrgeizes falsitas: Gaukelei-Ästhetik

117 118 118 119 120

B.2

De utilitate credendi

121

1 2

Bibelauslegung Die grundsätzlichen Möglichkeiten im Verhältnis Rezipient - Autor; Vergil, Lucrez, Epikur als Beispiele Notwendigkeit der Erklärung: Aristoteles, Archimedes, das Alte Testament Die Schwierigkeit angemessener Vergilrezeption Die Wahl der Lehrer nach dem Konsenskriterium; Cicero als Rhetorikmuster Lektüre nur nach Vorbereitung: Terentianus Maurus, Vergil und seine Kommentatoren Die Legitimität erklärungsbedürftiger Stellen: Vergil, ecl. 2 . . Vergilische Wendungen Cicerobezüge Cicero als Beispiel historischen'Wissens'

122

3 4 5 6 7 8 9 10

122 124 124 125 126 .127 128 129 130

B.3 Contra Adimantum

130

B.4 Contra Faustum Manichaeum

131

1 2 2.1 2.2 2.3 2.4

Der Vergleich zwischen paganer und manichäischer Mythologie . .132 Beurteilung des manichäischen Mythos mit paganen Beispielen (Mythos, Literatur) 133 Beispiele für Interpretationen paganer Mythen - ein Zitat aus Senecas Phaedra 133 Ein Verszitat aus Ciceros Rede Pro Deiotaro 134 Manichäische Kritik am Gottesbild und Schülerkritik an Vergil . .135 Mögliche Vergilreminiszenzen 135

X

2.5 3 3.1 3.2 3.4

Inhaltsverzeichnis Das Hippocentaurenbild Rückgriff auf übergreifende (pagane oder jüdische) Äußerungen Allegorese und Prophetien Gegen die Interpolationshypothese: Philologische Echtheitsdiskussionen Zur Kritik an den "Affekten" Gottes. Blick auf die pagane Affektenlehre (Cicero)

C

136 . . 137 137 137 138

THEOLOGISCHE SCHRIFTEN

C.l

De diversis quaestionibus octoginta tribus

140

1 2 3 4 5 6 7

Das Vergilzitat aus diu.qu. 53,2 Cicerobezug und sortes Vergilianae Von anderen Autoren übernommene Abschnitte Das Exemplum der cervi Eine epische Stilisierung in diu.qu. 61 Diu.qu. 78 zu der Schönheit der Kunstwerke Ausgewählte mögliche Bezüge zu philosophischen Autoren und Schriften

140 141 141 142 142 143 143

C.2 De mendacio, Contra mendacium

144

1 1.1 1.2 2 2.1 2.2

De mendacio Ausschluß der Scherzlügen Selbstzweckhafte und panegyrische Lügen Contra mendacium Figuratives Sprechen der Bibel Fabeln als Beispiele für die Wahrheit der Fiktion

144 145 145 146 146 147

C.3

De doctrina Christiana

148

1 2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3

Prolog und Buch 1 151 Buch 2 152 Bemerkungen im Rahmen der Behandlung der signa ignota proprio 152 Die Durchsicht der paganen Wissenschaften 153 Varro und die Musen 153 Erlaubte vs. superstitiöse Künste 155 Mimetische Kunstformen als superflua et luxuriosa instituta . . .155

Inhaltsverzeichnis 2.2.4 Nützliche Künste 2.2.5 Die Gefäße der Ägypter - Zusammenfassung und Rechtfertigung der Integration der artes in Augustins Bildungsprogramm . . . 3 Buch 3 3.1 Fehlformen im Umgang mit Zeichen. Ein Dichterzitat aus Varro . Beweisgang für die Zuordnung des Dichterzitates an Varro . . . 3.2 Figurative Sprache der Bibel 4 Buch 4 4.1 Allgemeine Ausführungen zu rhetorischer Theorie und Praxis . . 4.1.1 Rhetorik für Christen? - Die grundsätzliche Stellung von De doctrina christiana 4 Zu einer möglichen Verweisfunktion von De doctrina christiana 4 Stufungen von Empfehlung oder Ersetzung in De doctrina christiana 4.1.2 Der Ort der Rhetorik im Curriculum 4.1.3 Praktisch-mimetisches Lernen 4.1.4 Die Verhältnisbestimmung sapiens - rhetor 4.2 Beispiele 4.3 Verpflichtung zur perspicuitas 4.4 Officio eloquentis 4.5 genera dicendi - Stoff, Ziel, Stil 4.5.1 Stilproben aus Paulus 4.5.2 Ein Schmuckzitat aus der Aeneis 4.5.3 Stilproben aus Cyprian und Ambrosius 4.5.4 Die syntagmatische Kombination der genera 4.6 Ethische Bemerkungen und Schluß 5 Mögliche Vergilische Junkturen

XI 159 .160 161 . 161 .163 166 167 . 167 167 . 168 169 169 170 170 172 173 173 175 176 177 177 178 179 180

C.4

Confessiones

182

1

Zu modernen Confessionesdeutungen: die Aeneis als Strukturvorlage der Confessiones? Psychoanalytische Deutungen Literarische Zugänge Zeugnisse über die Aeneislektüre des Schülers Die errores des Aeneas und der Tod Didos Vertiefung: Die Wirkung der Aeneis auf Augustin Die Fiktionalität der Aeneis Homer als Folie Vergils Das mythologische Moment der Literatur Terenz

183 183 184 186 186 187 189 190 190 191

1.1 1.2 2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6

XII 2.7 3

Inhaltsverzeichnis

3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 5 5.1 5.2

Der Junomonolog Weitere Äußerungen über Rhetorik, den Lehrberuf oder Bildungserfahrungen Die Zeit als Schüler Augustin als Lehrer von Grammatik und Rhetorik in Thagaste und Karthago Faustus von Mileve Lehrtätigkeit in Rom und Mailand Alypius Weitere Entwicklung Augustins (Piatonismus) Theater Weitere Zitate Vergil Ein Horazzitat aus 2. Hand Terenz Das Catilina-Exemplum Das Medea-Exemplum Das Exemplum von Orest und Pylades Die Hymnendichtung des Ambrosius Beispiel der Metrik Anspielungen und Reminiszenzen Vergilische Anspielungen und Reminiszenzen Andere Anspielungen und Reminiszenzen

195 196 198 199 199 200 201 201 202 202 203 204 204 205 205 205 205 208

C.5

De trinitate

209

1

Mimenanekdote und Enniuszitat: Versuche, universale Strebungen zu bestimmen 210 Terenzzitat: Zustimmung zu Leiden, nicht positives Wollen . . .211 Vergil als Zeuge einer Gegenwärtiges einschließenden memoriaKonzeption 211

3.1 3.2

2 3

192 194 194

4 5

Vergil als Zeuge für die Bewertung selbstschädigenden Verhaltens Vergil als Beleg für die Prozesse menschlichen Denkens

.212 213

C.6

De cura pro mortuis gerenda. Unpolemische Diskussion und partielle Übernahme paganer Jenseitsvorstellungen . .213

1 2

Vergil als Zeuge der Ruhelosigkeit Unbestatteter Das Lucanzitat in 2,4

214 215

Inhaltsverzeichnis 3

XIII

4

Erscheinungen Verstorbener - Fehlinterpretation nach dem Muster des Pal inurus Eine Vergilreminiszenz

216 217

C.7

Enchiridion de fide, spe et caritate

217

1 2 3 4 5 6 7 8

Glaube, Ethik und naturwissenschaftliche Erkenntnis pagane Belege Verhältnisbestimmung von sperare und timere mit Lucan und Vergil Vergil als Zeuge eines Schöpfergottes Grenzen der Ursachenforschung - zwei Zitate aus den Georgica Rhetorische Folgerung der Existenz nützlicher Irrtümer aus ecl. 8,41 Definition der Lüge mit Hilfe eines Sallustzitats Der gratus error bei Zwillingen (Aen. 10,392) Aen. 2,20 als Beispiel eines kollektiven Singulars Eine sprichwörtliche Wendung aus der Aeneis

D

217 218 219 . . 220 221 221 222 223 223

ANTIPAGANE SCHRIFTEN

D. 1 De consensu evangelistarum. Vergil als Kronzeuge gegen eine philosophische Deutung des biblischen Gottes . . .225 1 2 3 4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 5 6

Problemstellung: Heidnische Kirchengegner und ihre Usurpation Christi 226 Die Römer und der AUeinverehrungsanspruch des Gottes der Juden 227 Asymmetrische Sanktionierung 227 Der biblische Gott aus Sicht der Paganen 229 Kosmologische Iuppiterinterpretation (ecl. 3,60) 229 Inkonsequenzen der kosmologischen Götterinterpretation: georg. 2,325f. 230 Euhemeristische Götterkonzeptionen (Zitate aus Cic. Tusc, Catil. und VERG. ecl.) 231 Saturn 232 Weitere Widersprüche im paganen Kult 234 Die Interpretatio Romana im Rückblick aus der Situation der Kultverbote 234 Zutreffende pagane Einschätzung des biblischen Gottes: Lucan . . 235

XIV 7

Inhaltsverzeichnis

8 9

Erfüllung der Weissagungen in Christus. Rückschlüsse auf pagane Orakel Die Situation der Gegenwart: Christiana tempora Ein Timaioszitat aus Cicero

236 236 237

D.2

D e divinatione daemonum

238

D.3

D e civitate dei. Auseinandersetzung mit R o m s geschichtlichem Anspruch. Vergil als einer der Referenzautoren . . 240

1 2 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5

Praefatio Historische Argumentation mit der Aeneis: Rom und Troja . . . . Die Moralität der Götter Die zu lehrende Ethik (Persius) Philosophie (Piaton) versus Literatur (Terenz); Persiuswendung . Die Ablehnung von Spielen (Cicero, vergilische Wendung, Labeo) Moral in der römischen Geschichte? (Sallust und Cicero) . . . "Die Götter verließen den unmoralischen Staat" - Anwendung eines Vergilverses 3.5.1 Aen. 2,351 f. zur Verteidigung der Götter angesichts der 1. Eroberung Roms 3.5.2 Die Abwesenheit der Götter im Bürgerkrieg 3.5.3 Bosheit der Dämonen im Vergleich mit Iuno 3.6 Diespiritualisiertepaf77a(Aen. ll,24f., Aen. l,278f.) 4 Gegen das angebliche Engagement der Götter in der römischen Geschichte 4.1 Die Vorgeschichte: Troja 4.2 Das römische Troja 4.3 Die Kriege der römischen Frühzeit 4.4 Der Raub der Sabinerinnen 4.5 Die weitere Königszeit 4.6 Die frühe Republik 4.7 Die späte Republik 5 Römische Charaktereigenschaften 5.1 Caesar: cupido laudis; Herrschaftswillen und sittliche Fundierung 5.2 Cato: virtus 5.3 Laster (Horaz) 5.4 Brutus 5.5 Ruhmsucht vs. Herrschaftsstreben (Vergil als Sprachbeleg) . . . . 5.6 Die Hilfe Gottes für das Imperium Roman um (Claudian)

243 245 248 248 .249 . 250 .252 253 253 254 254 255 256 256 257 258 259 260 262 262 263 . 263 265 265 266 266 267

Inhaltsverzeichnis 6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.4 7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 8 8.1 8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5 8.2.6 8.2.7 8.2.8 8.2.9 8.3 9 9.1 9.2

XV

Die paganen Götter - Mitwirkung an Imperien? 267 Kosmologische Götterinterpretation 267 Einzelne Götter 269 DasFatum 270 Die Theologia tripertita: Das Konzept Varros und die Kritik Senecas 271 Die Anwendung auf Einzelgötter 272 Georg. 2,490, ecl. 3,60 und Soran. fr. 2 272 273 Aen. 8,319f. als euhemeristisches Zeugnis Weitere Vergilbezüge in ciu. 7 273 Andere Zitate in ciu. 7: Ennius und Sallust 274 Dämonen 274 Dämonen und Spiele 274 Die Entrücktheit der Götter 275 Schilderung des Diabolischen oder Dämonischen mit vergilischen Motiven 275 Eine Interpretation der Dämonen mit der vergilischen Iuno . . . . 276 Kontrast: die Weissagungen der Sibylle 277 Ablehnung und Darstellung der Macht der Magie mit Vergilzitaten . 278 Philosophie 279 Affektenlehre 279 Aen. 4,449: Gegen eine enggeführte stoische Affektlosigkeit . . .279 Die vier Leidenschaften (Aen. 6,733f.) 280 Pagane Zeugen für die Ambiguität der Affekte: Cicero, Terenz, Vergil 280 Das postmortale Geschick des Menschen 282 Seelenwanderung 282 Körperlichkeit 282 Reinigung und Befleckung 283 Ewige Strafen 284 Möglichkeit einer Naturveränderung (Varro, Vergil, Bibel) . . . . 284 Ewige und zeitliche Strafen (Cicero, Vergil) 285 Relativer Wert von Verdiensten (Vergil) 286 Gegen eine Gebundenheit menschlicher Leiber an Elementarschichten 286 Auferstehung vs. Wiedereinkörperungswillen 287 Sexualität und Willensfreiheit (Cicero, Vergil, Terenz) 287 Die Frühgeschichte der Menschheit 288 Der Brudermord (Lucan) 288 Zitate zur biblischen Frühgeschichte: Vergil als Sprachbeleg . . .288

XVI 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7 10 10.1

10.2 10.3 11 11.1 11.2 12 12.1 12.2 12.3 12.4 12.5 13 14

Inhaltsverzeichnis Ein poetisches Selbstzitat als emblematische Bündelung des Arguments Die Frühgeschichte der Menschheit Die Zeit der Aeneishandlung Aeneas und weitere Gestalten der römischen Vorgeschichte . . Die Sibyllenprophetie Naturwissenschaftliche Argumentation Größe und Alter der Menschen der Vorzeit. Beispiel für eine bewusste Arbeit Augustins mit Zitaten (aus der Bibel, aus Plinius und Vergil) Weitere Bezüge auf Plinius und andere naturkundliche Quellen . Verwandlungen: Diomedes und seine Gefährten Pagane Belege im Friedensbuch Zitate in 19,5 (Terenz, Cicero) Räuber-Cacus Dichterzitate zu Einzelproblemen Lucanzitate zum Problem der Unbestatteten und zur Magie . . . Vergilzitate als Teil der Argumentation mit dem Lucretia-Exempel Aen. 1,12 als Sprachbeleg zur Erklärung von cultus Vergänglichkeit der Welt (Vergil) Eine Maxime aus Terenz Sonstige Bezüge Einzelne (mögliche) vergilische Wendungen

E

293 .295 295 296 296 297 298 .298 . 299 300 300 300 301 302

BRIEFE

E. 1 Briefe mit verschiedenen Korrespondenten 1

289 289 290 .291 292 293

303

Briefe mit intensiver Zitierung Vergils oder anderer paganer Autoritäten 303 1.1 Epp. 16/17: Maximus von Madaura-Augustin (Lucan, Vergil) . .303 1.2 Epp. 90 und 91 Nectarius-Augustin (Cicero-und Vergilzitate) . .305 1.3 Epp. 103, 104 Nectarius - Augustin (Cicero, Sallust, Vergil, historische Exempla) 307 1.4 Epp. 153 und 155: Augustin an Macedonius (Seneca, Sallust, Cicero, Terenz) 309 1.5 Ep. 118 Augustin an Dioscorus (Cicerothematik, Persiuszitat) . . .311 1.5.1 Ein Persiuszitat gegen Wissen als soziales Statuszeichen 312 1.5.2 Die Cicerozitate 313

Inhaltsverzeichnis Epp. 230, 231 Darius - Augustin (Vergil, Persius, Cicero, Ennius, Horaz) 1.6.1 Zwei Persiuszitate 1.6.2 Die Themistoklesanekdote 1.6.3 Enniuszitat aus dem Hortensius, Horazzitat 1.7 Ep. 258 Augustin an Marcianus (Cicero, Lucan, Terenz, Vergil) . 1.8 Ep. 12* Consentius an Augustin (Stilisierung nach dem Eunuchus, vergilische Wendung) 2 Briefe mit einzelnen prägnanten Zitaten 2.1 Ep. 14 Augustin an Nebridius (Anspielung auf die Aeneis) . . . 2.2 Ep. 15 an Romanianus (Vergilzitat) 2.3 Ep. 185 Augustin an Bonifatius (2 Terenzzitate) 2.4 Ep. 130 Augustin an Proba (Hortensiuszitat) 2.5 Ep. 140 Augustin an Honoratus (vergilische Wendung) 2.6 Ep. 164 Augustin an Evodius (vergilische Bilder) 2.7 Ep. 190 Augustin an Optatus (Vergilzitat als grammatisches Beispiel) 2.8 Ep. 2* Augustin an Firmus (Vergilzitat) 3 Licentius, Paulinus und Romanianus (ep. 24, 25, 26, 32) 3.1 Ep. 24, 25 Paulinus und Therasia an Alypius, an Augustin (vergilische Wendung) 3.2 Ep. 26 Augustin an Licentius 3.3 PAUL.NOL. ep. 7 / ap.AUG. ep. 32 (Paulinus und Therasia an Romanianus) 3.4 Ep. 259 an Cornelius (Romanianus?) (Cicero, Rhetorik, Paulinus) 4 Briefe mit eher beiläufiger Zitierung 4.1 Vergilische Bilder und Wendungen in epp. 41, 102, 180, 182, 4* . 4.2 Weitere Zitate 5 Äußerungen über Literatur 5.1 Ep. 7 Augustin an Nebridius (Literatur; Bezugspunkt Aeneis) . . 5.2 Ep. 101 Memorius an Augustin (Bemerkungen zur Literatur) . . 5.3 Ep. 260: Ein Gedicht des Audax an Augustin 6 Abgelehnte Wendungen

XVII

1.6

314 315 315 316 .317 318 320 .320 320 321 322 322 322 323 324 325 325 326 326 .327 327 . 327 329 330 .330 .330 331 331

E.2

Die Korrespondenz mit Hieronymus

332

1 2 3 4

ep. 40 HIER, epist. 102 (ap.Aug. ep. 68) Dares und Entellus AUG. ep. 73

333 333 336 337

AUG.

XVIII

Inhaltsverzeichnis

7 8 8.1 8.2 8.3

HIER, epist. 105 (ap.Aug. ep. 72) 340 Das Palinodiemotiv und das übrige Zitierverhalten in den weiteren Briefen dieses Corpus (HIER, epist. 112/75; 115/81; AUG. ep. 82) . . 3 4 1 Nachspiel: Der Brief des Secundinus und Augustins Antwort . . . 3 4 3 Pagane Zitate und Anspielungen in späteren Briefen: 346 HIER, epist. 126(165): Hieronymus an Marcellinus (Cicero, Vergil) . 346 Epp. 166, 167 Augustin an Hieronymus (Sallust, Cicero) 346 HIER, epist. 134 (ap.Aug. ep. 172); Augustin ep. 202A (Sallustzitat) 347

E.3

Der Briefwechsel mit Marcellinus und Volusianus

5 6

1 2 3 4

. . . . 347

Ep. 132: Augustin an Volusianus Ep. 135 Volusianus an Augustin (Vergilzitat und -anspielung) . Ep. 136 Marcellinus an Augustin Ep. 137 Augustin an Volusian Verteidigung der Inkarnation vor einem gebildeten Paganen mit Hilfe der 4. Ecloge 4.1 Rahmen (Aufnahme der Vergilanspielung) 4.2 Zur Inkarnation (Cicerozitat und philosophische Argumentation) 4.3 Argumentation mit Autoritäten: Bibel, Philosophie, Vergil (ecl. 4) 4.5 Zu Wundern und der Glaubwürdigkeit der Heilsgeschichte (Sallustwendung) 4.6 Schluß 5 Ep. 138 Augustin an Marcellinus. Rechtfertigung einer Glaubensentwicklung und der Ethik der Bergpredigt 5.1 Zur Frage der Veränderung im Übergang von AT zum NT . . 5.2 Zur Praktikabilität der Bergpredigt / des Christentums 5.2.1 Sallust und Cicero als Sprecher der römischen politischen Ethik 5.2.2 Die christliche politische Ethik 5.3 Historische Argumentation: Vorchristliche mala (Sallust, luvenal) 5.4 Der Vergleich Christi mit Apollonius und Apuleius 5.5 Auswertung 6 Ep. 143 Augustin an Marcellinus (Lucan, Cicero, Horaz)

.

348 .349 351 352

352 352 . . 352 . 353 355 356 357 . .357 359 . . 359 360 . 361 363 364 364

Inhaltsverzeichnis

F

XIX

SERMONES UND EXEGETISCHE SCHRIFTEN

F.l

Sermones

1

5 6 7 8 9 10 11 12

Vergil als Sprecher der platonischen Wiedereinkörperungslehre (s.241) 367 Vergil über die Ewigkeit Roms (s. 105,10) 371 Sallust-und Vergilzitate in s. 81 375 Die Zitierung von Vergil in expliziter Parallele zu Paulus (s.Dolb. 26,34) 376 Vergil als Beispiel einer ex evewta-Prophetie (s.Dolb. 23,15) . . .377 Ein Vergilvers als Motivbeleg in s.Lambot 8 377 378 Das Bild der Blutmitgift (s. 96; 183; 267) Euhemerismus (Vergil im Hintergrund; s. 273) 378 Ein Zitat aus Seneca (s.Frangip. 8) 379 Ein Sallustzitat (s.Denis 14) 379 Ein zweimal verwendetes Cicerozitat (s.Denis 23,2; s.Guelf. 31,2) . 379 Weitere pagane Bezüge 380

F.2

Epistulae ad Romanos inchohata expositio

380

F.3

De Genesi ad litteram libri duodecim

381

1 2 3

Lucan als Sachautorität (Gn.litt. 3,2) Eine Horazreminiszenz (Gn.litt. 9,8) Vergil als mögliche Quelle mythologischer oder historischer Sachinformationen Das Bad der Sonne im Ozean (Gn.litt. 1,10) Die Namensänderung von Albula zu Tiber (Gn.litt. 8,7) Das postmortale Geschick der Seele (Gn.litt. 12,32)

381 382

2 3 4

3.1 3.2 3.3

367

382 382 383 383

F.4 Locutionum in Heptateuchum libri septem

384

1 2 3

384 384

4

Die Schildbeschreibung als Beleg für gaesum (\oc. 6,10) Aen. 3,237 als Beispiel einer Prolepse (loc. 1,94) Zwei Aeneisstellen als Beispiele für präpositionslosen Akkusativ (loc. 4,47) Eine Aeneisstelle als Beispiel für domus in familialem Sinn (loc. 5,28)

385 385

XX

Inhaltsverzeichnis

5 6

Dichtersprache (loc 7,8; 7,63) Medeen und Phaedren: Plural statt Singular (loc. 2,133)

386 386

F.5

Quaestionum in heptateuchum libri Septem

386

1 2 3 4 5 6

8

Eine Eclogenstelle als Sachbeleg (qu. 1,95) 386 parcere subiectis als Maxime göttlichen Urteilens (qu. 6,14) . . .388 Die Deutung von aeternum mit Horaz (qu. 1,31) 388 Terenz als Beleg für eine Wortbedeutung (qu. 4,49) 389 Eine Gellius-Anekdote (qu. 1,30) 389 Die Formulierung eines römischen Gesetzes nach einer Cicerorede (qu. 2,84) 389 Zitate aus nichtkanonischen Schriften: das Exempel des Paulus (qu. 4,42) 390 Verhüllung als dichtungstypisches Stilmittel (qu. 3,74) 390

F.6

Enarrationes in Psalmos

1 2 3 4

Sachliche und sprachliche Belege aus Vergil, Sallust und Terenz . .391 Die Gründung Karthagos durch Dido 392 Eine vergilische Wendung (Aen. 11,361) 392 Cicero, Piaton, Pythagoras und Vergil als Vertreter paganer Philosophie 393

F.7

In Iohannis evangelium tractatus

1 2 3 4

Ein Eclogenzitat als Beleg für willentliches trahi Ein Georgicazitat als Beleg für ein faktitives Verständnis Die Wendung'insidiari ovili' Die Cicerozitate: zum Eigenlob und Definition der gloria

7

391

393 393 394 394 . . . .39 5 . . . .

Inhaltsverzeichnis

XXI

G

ANTIPELAGIANISCHE SCHRIFTEN

G. 1 De natura et gratia

396

G.2

Contra duas epistulas Pelagianorum

396

G.3

De praedestinatione sanctorum

397

G.4

Contra Iulianum / Contra Iulianum opus imperfectum

1 1.1 1.2

Vergilzitate 399 Bezüge auf das Verhältnis von Aeneas und Turnus 399 Zwei von Augustin vorgebrachte Vergilstellen zum Thema Appetit (c.Iul.4,67) 401 Georg. 3,129-137 in Julians Argumentation. Ein Georgicacento Julians 404 Vergilischc Wendungen 405 Pagane Exempel und Zeugnisse für den Tugendbegriff (Cicero, Horaz, Sallust) 407 Andere Dichterzitate 408 Terenzzitate 408 Ein Horazzitat 408 Lucans Catobild als Argument Augustins 409 Iuvenalzitat 410 Cicerozitate 410 Gegensätzliche Argumente aus Cicero zum Thema Scham . . . . 4 1 0 Gegensätzliche Argumente aus Cicero zum Thema Lust 411 Julians Rückgriff auf eine Philosophen-Liste Ciceros zum Thema voluptas 411 Weitere Cicerozitate 412 Von Augustin in c.Iul.imp. spontan gebrauchte Cicerozitate . . . . 4 1 4 Andere Prosaiker 415 Sallustzitate 415 Eine Soranus-Anekdote als Parallelbeleg 415 Cicero und Nepos 416 Mythos 416

1.3 1.4 2 3 3.1 3.2 3.3 3.4 4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 5 5.1 5.2 5.3 6

G.5 De anima et eius origine

. . .398

416

XXII

Inhaltsverzeichnis H.

ANTIDONATISTISCHE SCHRIFTEN

H.l

Contra epistulam Parmeniani libri tres

419

H.2

Contra litteras Petiliani libri tres

420

H.3

Contra Cresconium grammaticum

421

1 2 3 3.1 3.2 4

Die Frage der Erlaubtheit von Rhetorik und Dialektik Die Wortbildung Donatistae; Demosthenesanekdote aus Cicero . . Zwei Vergilbelege für Kontrastation (zu probabilius) Georg. 2,513f. in Cresc. 3,72,84 Georg. 3,513 und Aen. 3,498f. in Cresc. 4,55,65 Salvius von Membressa - ein vergilisch stilisiertes Exemplum . . .

421 422 423 423 424 425

IV

Auswertung

1. Zitierformen 2 Formen und Probleme der Einführung von Zitaten 2.1 Desakzentuierung 2.1.1 Herabsetzende Einführungsformen 2.1.2 Zuweisung an Autorengruppen 2.1.3 Signale ungenauen Zitierens 2.2 Verzicht auf Autorennamen, Zitate aus zweiter Hand 2.3 Rühmende Einführungen 2.4 Ergebnis 3 Stilfrage: Poesiezitate in der Prosa /unter Christen 4 Der Umfang von Augustins (paganer) Lektüre 5 Äußerungen über den Umgang mit Quellen 6 Vergilzitate aus Zwischenquellen? 7 Literarkritische Termini / Abwertung der Dichtung Exkurs: Literarkritische Terminologie und Position des Lactanz 8 Allegorische Vergilauslegung 9 Entwicklung / Chronologie 10 Die Rolle der Zitate in Augustins Argumentation 11 Die Bedeutung Vergils für Augustin

426 427 427 428 428 429 429 430 431 432 434 437 438 441 442 444 445 448 452

Inhaltsverzeichnis

XXIII

V

Literaturverzeichnis

1 Hilfsmittel 2 Augustin - Texte, Kommentare und Übersetzungen A Frühschriften B Antimanichäische Schriften C Theologische Schriften D Antipagane Schriften E Briefe F Predigten und Exegetische Schriften G Antipelagianische Schriften H Antidonatistische Schriften Weitere Werke Augustins 3 Andere Autoren: Texte, Kommentare und Übersetzungen 4 Literatur

VI VI.l VI.2 VI.3 VI.4 VI.5 VI.6

. . . .

455 455 456 457 457 458 458 458 459 460 460 460 462

Indices

Bibelstellen Augustinus Vergil Antike Autoren Liste der Vergilzitate Augustins (nach den Augustinstellen geordnet). Liste der Vergilzitate Augustins (nach den Vergilstellen geordnet) .

479 481 490 493 503 505

MATRI MAGISTRAE AMICO

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die unter dem Titel „Formen und Funktionen der Vergilzitate und -anspielungen bei Augustin von Hippo. Untersuchungen zur Rezeption der paganen lateinischen Dichtung und Literatur durch Augustin" im Wintersemester 2000/2001 von dem Fachbereich 15 - Philologie III der Johannes Gutenberg-Universität angenommen wurde. Die Arbeit wurde von Frau Professor Dr. Antonie Wlosok angeregt und betreut. Ihr und dem Korreferenten Herrn Professor Dr. Jürgen Blänsdorf ist der Verfasser für viele Korrekturen und Hinweise zu großem Dank verpflichtet. Femer haben sich Frau Regina Richter bei der Korrektur und Frau Doris Müller bei der Erstellung der Verweise und Register große Verdienste erworben. Das Cusanuswerk, Bonn, hat die Entstehung der Arbeit durch ein über drei Jahre hinweg gewährtes Stipendium gefördert. Den Herausgebern der Reihe „Studien zur Geschichte und Kultur des Altertums" danke ich für die Aufnahme meiner Arbeit, der Görres-Gesellschaft und ihrem Präsidenten Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Paul Mikat für die Übernahme der Druckkosten. Die Arbeit war ursprünglich nur auf die Vergilzitate hin angelegt, andere Autoren sollten nur als Vergleich herangezogen werden. Im Verlauf der Arbeit zeigte sich jedoch, daß dieses Konzept nicht oder nur unter Inkaufnahme von Einseitigkeiten durchzuhalten gewesen wäre. Deshalb sind die Zitate aus anderen Dichtern nach Möglichkeit vollständig aufgenommen, ebenso die meisten literarischen Prosazitate. Erstrebt wurde für diese Autoren ein zumal für die Prosaiker nicht völlig lückenloses aber die Bezüge in Umfang, Gestalt und Markierung angemessen erfassendes Bild. Dennoch nimmt Vergil der Zahl und der Qualität der Zitate nach, aber auch in der programmatischen Auseinandersetzung mit Dichtung bzw. der römischen Kultur insgesamt unter den Dichtern für Augustin eine einzigartige Stellung ein. Dies bestimmt noch immer Fragestellung und Perspektive dieser Untersuchung, was zumal im Zuschnitt der Einleitung und der Auswertung zum Tragen kommt. Den durch den Verzicht auf ein Sachregister entstehenden Mangel soll das ausführliche Inhaltsverzeichnis zu einem Teil beheben. Dabei konnten allerdings nicht alle durchlaufenden Linien aufgezeigt werden, so z.B. die Bemerkungen zum antiken Bildungsbetrieb (siehe S. 46ff., 70ff, 98ff., 46ff, 144ff, 148ff, bes. 167-180) oder zur Bibelauslegung (z.B. S. 117, 122ff, 131ff., 147, 148ff., 156ff., 161 ff., 166ff, 349ff; der Gedanke paganer Autoren als Autorität in Sprachfragen auch gegenüber der Bibel z.B. S. 102, 388, allgemeiner auch 212). Anderes, z.B. die differenzierte Bewertung der 4. Ecloge, läßt sich besser über das Stellenregister erschließen.

Zu Abkürzungen und Zitaten Die Abkürzungen der lateinischen Autoren folgen dem Thesaurus (Index 1990). Die Werke Augustins zitiere ich nach dem Augustinuslexikon, ebenso die Bücher der Bibel, mit der Ausnahme von Kohelet, das Eccle. abgekürzt wird, um eine Verwechslung mit Vergils Eclogen (ecl.) auszuschließen. Der leichteren Auffindbarkeit wegen nenne ich bei De doctrina christiana Buch, Paragraph nach J.Martin (der Zählung auch des CAG) und darüberhinaus Paragraph nach W.Green. Varros Res divinae (abgekürzt „r.d.") und De gente populi Romani („g.p.R.") zitiere ich nicht nach den Quellen, sondern nach der Ausgabe von Cardauns bzw. (mit Ag. gekennzeichnet) nach der von Agahd. Sekundärliteratur wird mit Verfassernamen, ggf. Kurztitel oder Jahreszahl angeführt. Die grundlegende Sammlung von Hagendahl (Augustine and the Latin Classics) zitiere ich in ihrem ersten Teil nach den Testimonien ("t"), im zweiten nach der Seitenzahl ("p")Hervorhebungen in lateinischen Zitaten stammen soweit nicht anders gekennzeichnet von mir. Die Schreibung folgt bis auf wenige Normalisierungen meist derjenigen der Ausgaben, die dem CAG (Corpus Augustinianum Gissense) bzw. der CLCLT (CETEDOC Library of Christian Latin Texts) zugrundeliegen. Lateinische Zitate werden durch einfache Anführungszeichen hervorgehoben. Unverändert übernommene Zitatelemente in den lateinischen Texten wurden i.d.R. durch Schweizer Anführungszeichen («...») bzw. Unterstreichung hervorgehoben, Veränderungen am Zitatsegment durch punktierte Unterstreichung. Einzelworte oder in den Formen veränderte Ausdrücke werden kursiv wiedergegeben.

I

Einleitung

1

Augustins Vergilzitate im Horizont ihrer Zeit

Spuren und direkte Zeugnisse der Vergillektüre sind in allen Phasen von Augustins schriftstellerischem Schaffen direkt zu greifen. Augustin schöpft dabei aus reicher und sicherer Kenntnis und verhehlt weder die Affiziertheit des jugendlichen Rezipienten noch seine spätere Distanz zu Vergil. Während er im Kreis von Cassiciacum an seine Lehrtätigkeit als Rhetor anknüpft und im Kreis seiner Schüler tägliche Vergillektüre betreibt, macht er sich später als Prediger vor seiner Gemeinde, die die Aeneis überwiegend - wenn auch mehrheitlich nicht aus eigener Lektüre - kennt, mit dem Wunsch Luft: „utinam pauci nossetis". Zeugnisse höchsten Lobes für den Dichter stehen auch sonst neben Vorwürfen der Lüge und des Opportunismus. Augustin steht mit der Zielrichtung und der Methode seiner Zitate sowie mit seinen Selbstzeugnissen und programmatischen Äußerungen zur Lektüre paganer Dichter und insbesondere Vergils in einem umfassenderen geistesgeschichtlichen Horizont, der Einrichtung einer christlichen Kultur in der antiken Welt nach dem Ende der Verfolgungszeit. Bereits mit Lactanz beginnt unter den Kirchenschriftstellern eine Periode, in der die Autoren offener, d.h. markiert und umfangreich, auf pagane Literatur und Dichtung zurückgreifen als Autoren der vorangehenden Generationen. Gleichzeitig werden diese Rückgriffe hinsichtlich der Frage der religiösen Zulässigkeit existentiell problematisiert. Die von Beginn an der christlichen Rezeption eigene Ambiguität1 wird so auf neuer Ebene weitergeführt. Der neben Lactanz und Augustin wichtigste Repräsentant dieser reflektierten Aufnahme umfangreicher wörtlich übernommener und deutlich markierter Dichterzitate ist Hieronymus; Ambrosius nimmt demgegenüber eine Sonderstellung mit eher konservativen Zügen ein. Mit der Entscheidung zum Einschluß dieser Elemente in einen stilistisch anspruchsvollen Prosatext stellen sich die genannten Schriftsteller in die Tradition des lateinischen philosophischen Dialogs vor allem Ciceros.2 Auch in dieser Zeit nehmen christliche Dichter wiederum eine Sonderstellung ein,3 die ihnen aus gattungsbedingter Notwendigkeit eine ganz andere - deutlich formalere - Vergilrezeption gestattet; analog zu den Prosaikern stehen auch sie unter den Bedingungen eines nun kulturell führenden Christentums. Stefan Freund hat in einer Eichstätter Dissertation jüngst für die vorkonstantinischen lateinischen Kirchenschriftsteller - ausschließlich - die Vergilzitate untersucht. Sie besitzen für ihn „exemplarischen Charakter", was er mit der Qualität Vergils als Schulklassiker, Nationaldichter, Theologe und Poet schlüssig begründet (15-17). Diesen herausgehobenen Rang besitzt er auch im Werk Augustins; allerdings stehen an der Seite des poeta nobilissimus auch andere Autoren, Dichter wie Prosaiker, die Augustin in oft paralleler Weise einsetzt. Die Auswahl dieser Autoren ist einerseits von einem in der Antike herausgebildeten und weit 1 2 3

Freund 19. S. Wlosok, Lactantius 402f. Das Bewußtsein dieser Tradition zeigt sich in der Reflexion von ord. 1,11,31, s.S. 87. Freund 13 bes. A2.

10

Einleitung

über diese hinaus tradierten Kanon, andererseits von hochspezifischen Verwendungsinteressen geprägt, was gegenüber dem Kanon zu Einschränkungen, Erweiterungen und zur besonderen Auswahlrezeption führt. Die generelle Fiktionalität poetischer Literatur steht für Augustin nicht im Kern der Kritik, auch wenn er über diese reflektiert.4 Das in De doctrina christiana entwickelte Bildungsprogramm des gebildeten Christen schließt eine solche Lektüre dann endgültig als nutzlos aus. Der primäre Angriffspunkt gegen die klassische Dichtung ist vielmehr deren wesentliche Verbindung mit paganen Göttermythen. Allegorische Lesarten, die diese Literatur für Christen gewinnbringend und gefahrlos ermöglicht, kennt er, propagiert sie jedoch nicht.5 In seinem Horizont lag viel eher ein völliges Verschwinden dieser Autoren aus dem Bewußtsein auch der gebildeten Christen. Daraus ist jedoch kein direkter Schluß auf sein eigenes Zitierverhalten oder auch seine eigene Lektüre und eine mögliche Entwicklung beider ableitbar. Im Gegenteil ist bis in die letzten datierbaren Schriften ein Nebeneinander von reger Zitierung paganer Autoren und besonders Vergils und dem völligen Fehlen solcher Zitate feststellbar.6 In den eigenen Schriften bewahrt Augustin - z.B. aus apologetischen Interessen - das, was er aus diesen Autoren als notwendig erachtet. Selten und meist in kontroverstheologischem Zusammenhang verweist er auf über die zitierten Segmente hinausgehende Zusammenhänge, die dann am zitierten Autor nachvollzogen werden müßten. Mißt man jenen Stellen eine „Beruhigungsfunktion" gegenüber den Lesern der eigenen Konfession zu, ergibt sich der Befund, daß Augustin in keinem Fall „seine" Leser zur selbständigen Klassikerlektüre führen wollte. Die zitierten Ausschnitte genügen dem mündigen Christen. Die Markierung der Zitate ordnet sich in einigen Fällen deutlich nachweisbar dieser Strategie unter. Während es den vorangehenden Generationen der Kirchenschriftsteller um eine Inkulturation des Christentums gegangen ist (Freund 19), erweist sich Augustin als weitgehend frei von diesen vielleicht auch von Unterlegenheitsgefühlen geprägten Strebungen; umfassende Bildung erwartet Augustin von profilierten 4 5

6

Ord. 2,14,40, s. S. 85; sol. 2,9-11,16-20; 2,15-17,29-13, s. S. 90-93; mend., c.mend. Von der Friihzeit in Cassiciacum abgesehen. In derselben Linie könnte seine auffallige Distanz zur zeitgenössischen christlichen Dichtung in den tradierten Maßen zu sehen sein. Obwohl Adressat und sogar - ausweislich eines Selbstzitates - Produzent solcher Dichtung geht Augustin, soweit ich es übersehe, nirgends auf die zu dieser Zeit durchaus in Blüte stehende Literatur, erwähnt sei Prudentius, ein (zur ab Gennadius greifbaren PrudentiusRezeption Schanz-Hosius, 4,1,255-258;). Das Lob für die ambrosianischen Hymnen und ein Claudianzitat sind keine Gegenbeispiele. Centonen erwähnt Augustin nur in ciu. 17,5. ohne sie als eigenständige Literaturform anzuerkennen. Wegen des Fehlens von Zitaten wurden in der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt (nach der Liste der Werke im AL 2,X-XXIV): adn.Iob, c.adu.leg., adult.coniug., agon., bapt, b.coniug., b.uid., cat.rud., conl.Max., cont., correct., corrept., disc.chr.. c.Don., duab.an., Dulc.qu., Emer., exc.urb., exp.Gal., exp.lac, exp.prop.Rm., c.Fel., f.et op., f.et symb., f.inuis., c.Fort., c.Gaud., gest.Pel., Gn.litt.imp., Gn.adu.Man.; gr.et lib.arb.; gr.et pecc.or.; gr.t.nou., haer., imm.an., adv.Iud., lib.arb., c.Max., mor., nat.b., nupt.et conc, op.mon., pat., pecc.mer., perf.iust., perseu., c.Prisc, ps.c.Don., qu.eu., qu.uet.t., reg. 1-3, c.s.Arrian., s.Caes.eccI., s.dom.m., Simpl., spec., spir.et litt., symb.cat., uers.mens., uers.Nab., uirg., un.bapt., util.ieiun., mithin ein großer Teil der kontrovers- und pastoraltheologischen, sowie etliche exegetische Schriften. In dieser Aufstellung nicht erfaßt sind die als Briefe gezählten, aber auch als eigenständige Monographien umlaufenden Schriften. Von den Briefen und Predigten greift die überwiegende Mehrheit nicht auf pagane Zitate und Anspielungen zurück, fallt also nicht in den Gegenstandsbereich dieser Arbeit. Zur Übersicht über die besprochenen Predigten und Briefe s. das ausführliche Inhaltsverzeichnis.

Einleitung

11

Kirchenmännern (s. die Kritik an Faustus) und genügt selbst diesen Ansprüchen selbstverständlich, wie er im allgemeinen unaufdringlich, in bestimmten Zusammenhängen aber auch mit Stolz oder Ehrgeiz zeigt. Man könnte im Gegensatz zur Inkulturation die Tendenz einer „Herausleitung" des Christentums aus Teilen der paganen Kultur feststellen. Augustin zitiert Vergil und die anderen Dichter selten aus ästhetischem Interesse7, sondern als Sachautorität, was das Schwergewicht der theologisch interpretierbaren bzw. apologetisch auswertbaren Passagen erklärt. Zum anderen greift er auf einen Fundus von Stellen zurück, mit denen er Vergil als allgemeine Autorität bzw. Sprachautorität aufruft. Nur ein Teil dieser Stellen ist für die grammatische Tradition - soweit überliefert - von tatsächlichem oder auch nur hypothetischem Interesse. Ein anderer Teil ist nur als situative Bezugnahme auf Vergil im spezifischen Argumentationskontext Augustins vorstellbar. 2

Zur Forschungslage

Ausgehend von den unübersehbaren Selbstzeugnissen der Vergillektüre und -rezeption Augustins in einigen seiner bekanntesten Werke (vor allem in den Confessiones, in De civitate dei und in den Frühschriften von Cassiciacum), setzte sich bei der Erforschung der Vergilrezeption schon früh ein Bewußtsein für den besonderen Rang Augustins durch.8 Genannt seien hier neben der Arbeit Comparettis von 1895 die Untersuchungen von Angus (1906) zu den Quellen der ersten zehn Bücher von De civitate dei, sowie von Vasold (Augustinus quae hauserit ex Vergilio, 1907) und von H.Becker zur geistigen Entwicklung Augustins (1908). Der Ausgangspunkt der Rezeptionsforschung war dabei der einzelne pagane Autor oder die Frage nach den Quellen eines bestimmten augustinischen Werkes. Dies führte in der Literatur zu Verzerrungen, da eine ausgewogene Verhältnisbestimmung der verschiedenen von Augustin zitierten Autoren unterblieb. Durch die Konzentration auf den Einfluß einer Quelle gerieten die Intention und die Argumentationstechnik des Autors zu wenig in den Blick. Ferner wurde noch nicht mit ausreichender Differenziertheit zwischen Similien, verborgenen und offenen Bezügen unterschieden; die Relevanz der Bezüge sowohl für die Rezipienten wie auch für den Autor konnten so nicht angemessen erfaßt werden. Die 1984 postum erschienene monumentale Studie Pierre Courcelles ,Lecteurs paiens et lecteurs chretiens de l'Eneide' ist eine für den Überblick darüber, welchen relativen Stellenwert eine einzelne Aeneisstelle in der Vergilrezeption einnimmt und in welchen unterschiedlichen Facetten sie aufgerufen werden kann, höchst instruktive Sammlung, doch berücksichtigt Courcelle längst nicht alle wichtigen Stellen und Zitate, ist in seiner Interpretation oft ungenau und in der Einbeziehung bloß zufälliger Similien oft zu großzügig.9

7 8

9

Primär „als Autor", Freund 19. So schon Comparetti 17 zu den Tränen über Dido, 1 lOf. und 124f. zur 4. Ecloge. S. auch die Bibliographie bei Suerbaum 333f. zu Augustin, sowie die allgemeineren Rubriken zu Vergil im Christentum (312-315) und zu anderen Autoren des 4. Jahrhunderts (329-333). Weitere Literatur im Augustin-Artikel der Enciclopedia Virgiliana von Pizzani (59). Zu fehlenden Stellen s. z.B. S. 1403, 245"°. 279 29 ', 3047, 31467, 392 124 ; zu abzulehnenden oder zweifelhaften Aufnahmen z.B. S. 64 149 , 203 357 , 286 327 , 3687.

12

Einleitung

Verdienstvoll und hinsichtlich der Einbeziehung paralleler Aufnahmen der Vergilzitate, vor allem in der Grammatiker- und Scholiastentradition, noch immer nützlich ist die Sammlung der Vergilzitate Augustins durch Karl Hermann Schelkle, Virgil in der Deutung Augustins (1939). Neben einigen Lücken10 bzw. der Aussonderung einiger zu Unrecht als Zitate oder Anklänge besprochener Stellen11 ist aber aus heutiger Sicht die einseitige Ausrichtung an der Frage nach Zwischenquellen,12 die Verkennung der rhetorischen Funktion der Zitate und der durch diese evtl. bedingten Änderungen13 kritisch anzumerken. Auch die Emphase und Übergewichtung (rhetorisch funktionalisierter) positiver Urteile kann man heute wohl nicht mehr teilen.14 Die Engführung auf Vergil ist die Hauptschwäche dieser wie auch der anderen genau einschlägigen Vorgängerarbeit, der 1998 erschienenen Monographie Sabine MacCormacks, „The Shadows of Poetry. Virgil in the Mind of Augustine". Untersuchungen, die wie diese beiden Vergil isoliert betrachten, projizieren beinahe zwangsläufig eine innere Beziehung, die einer Entwicklung von Begeisterung hin zu Ablehnung und Resignation unterliege - entsprechend einer geistigen Verwandtschaft bei weltanschaulicher Abkehr.15 Der Vergleich mit anderen zitierten Dichtern und Prosaautoren führt demgegenüber zu einer differenzierteren Sicht: Die im einzelnen abweichenden, aber vergleichbaren Einführungen, Wertungen und Funktionalisierungen der Bezüge auf andere Autoren entlasten von der personalistischen Verengung; entsprechende Äußerungen zu Vergil können so als Elemente kommunikativer Strategien, nicht als unmittelbare „Herzensergießungen" erhoben werden.16 Diese Relativierung mindert nicht die Rolle Vergils als zentraler Bezugspunkt Augustins, vor allem aber kommt Augustin als ein Autor zu seinem Recht, der frei und bezogen auf Adressaten und Thema zu von ihm differenziert und kritisch gesehenen literarischen Mitteln greift. Er argumentiert fast immer situationsbezogen, so daß eine Herauslösung und Verallgemeinerung der von ihm in bestimmten Zusammenhängen io S. z.B. S. 97 322 . 1 S. z.B. S. 67 167 , 276278, 288 339 (auch 40650), 30933. 12 Dazu unten S. 438ff. S. auch S. 231 36 , 297 387 , 300405, 39916. 13 S. z.B. S. 322 104 , 373 28 (Verkennung der Polemik). S. 417 108 . Änderungen schreibt Schelkle dann Fehlleistungen des Gedächtnisses zu, z.B. S. 338 184 . Problematisch ist die Verkennung der Allusionskompetenz in der textkritischen Argumentation zu ord. 1,4,10, s.S. 77 219 . Hier wird der Zusammenhang von Fragestellungen der Markierung und Erkennbarkeit zu denen der Gestalt eines Zitatsegmentes deutlich. 14 S. z.B. S. 4441»4, 45214»); Zuweisung des Tusculanenzitates (2,64) in ciu. 14,18 an das direkt vorangehende Lucanzitat; decentibus statt decentius in doctr.chr. 4,51; Tullius eloquii in ep. 143,3 gehört in das Lucan-Zitat; in util.cred. 7,16 stehen zwischen volunt und Caecilii ist das Fragezeichen (oder das Komma) zu tilgen. Störend sind die Ausweisungen von 2Macc. 1,24 als Referenztext in mus. 6,2,2, wo eindeutig HYMN.Ambr. 4,1 zitiert ist, von Pacuv. fr. 397 in conf. 3,6,11 oder von Aen. 9,324 als Referenztext von doctr.chr. 4,35,139 (Junktur ,vocem premunt', s.S. 181). Zu textkritischen Vorschlägen s.S. 1629. In der Benutzung erwies sich der Ausfall der „Blätterfunktion" bei Predigten und Briefen als misslich; wichtige Ersatzfunktionen wie der direkte Zugriff auf Buch („kap:") oder Kapitel („par:") blieben in der mir vorliegenden Dokumentation unerwähnt. Anstelle der sinnlosen Langfassung des Werktitels hätte man sich in der Kurzübersicht der Ergebnisse eher das gesuchte Wort im kürzesten Zusammenhang (und sei es rein mechanisch den der Zeile) gewünscht. Außerdem wäre ein Hinweis sinnvoll, wie oft der gesuchte Begriff in dem jeweiligen Kapitel begegnet, da momentan die z.T. unübersichtlichen Kapitel ganz durchgeblättert werden müssen. Aber dies sind Anmerkungen, die den Wert dieses hervorragenden Arbeitsmittels nicht grundsätzlich beeinträchtigen.

16

Einleitung

hinaus anderer Kirchenschriftsteller oder weiterer spätantiker Autoren) erkennbar werden. Andere Elemente der literarischen Gestaltung müssen vergleichend betrachtet werden, um den Stellenwert der Vergilzitate zu erfassen.26 Unabdingbar sind die hier nahezu gleichberechtigt mituntersuchten Zitate aus der lateinischen Poesie.27 Fallweise werden aber auch Prosazitate oder Zitate aus der Bibel herangezogen. Zumindest hinsichtlich der paganen Zitate läßt Augustin ein Bewußtsein der unterschiedlichen Autoren und ihrer eventuell unterschiedlichen literarischen oder pädagogischen Dignität nur dann erkennen, wenn er dies argumentativ ausbeuten kann. Der Primat Vergils unter den Poesiezitaten und der zweite Rang unter den Zitaten insgesamt nach Cicero lassen sich aus den Interessen des Autors, weniger aus einer Neigung des Menschen Augustin erklären, wie aus dem Vergleich deutlich wird. Im Zentrum dieser Arbeit steht die detaillierte Untersuchung der Vergilzitate als Elemente der rhetorischen Strategie im Zusammenhang anderer Elemente und hinsichtlich der Bedeutung für die Rezipienten. Echte Neufunde von Zitaten sind trotz des Einsatzes moderner Datenbanken nur wenige zu vermelden.28 Allerdings ergeben sich einige textkritische Änderungsvorschläge.29 Eine Vollständigkeit hinsichtlich bloßer Similien wurde nicht angestrebt. Vorbewußte oder verborgene Übernahmen vergilischer Junkturen sind jedoch offenkundig von so geringer kommunikativer Relevanz, daß eine systematische Suche nicht sinnvoll erschien: die Stichproben zeitigten nur wenige und dürftige Ergebnisse (s.u.). Das methodische Vorgehen dieser Arbeit berührt sich sehr eng mit dem Freunds. Beide Arbeiten sind zunächst unabhängig voneinander angelegt; eine Übertragung der von der Intertextualitäts- und Markierungsforschung bereitgestellten Instrumente in den Bereich der Klassischen Philologie und insbesondere der Patristik ist sicher eine Aufgabe der gegenwärtigen Forschung, gerade da die elektronische Aufbereitung der Textcorpora die Zugriffsmöglichkeiten auf die Texte ungemein erleichtert. Im Laufe des Entstehungsprozesses der beiden Arbeiten kam es dann zu einem wechselseitigen Austausch und einer Feinabstimmung der Methoden, wofür ich Herrn Freund zu Dank verpflichtet bin. Der wesentlich andere Charakter der augustinischen Vergilbezüge macht jedoch eine gegenüber der Arbeit Freunds andere Akzentuierung der Einzelschritte notwendig.

Wichtig z.B. auch für eine abgewogene Einschätzung der Quellenfrage, s.S. 43804. Auf detaillierte Untersuchungen des Prosarhythmus oder von Sprache und Stil insgesamt mußte hingegen verzichtet werden. Ecl. 9,32 in an.quant.23,41, s. S. 97 322 ; Aen. 10,390-392 in ep. 14,2 ,gratus parentibus error'; ein auch ClC. Verr. 2,3,62 überliefertes, dort nicht erkanntes Terenzzitat in ep. 185,21 (bisher für eine Fälschung Augustins gehalten, s.S. 321 l01 ). S. die Aussage Hagendahls (1983 75): "Mit der Bestandsaufnahme ist es im ganzen gut bestellt. Viel weniger hat man sich interessiert für die technische Seite, die Zitatmethode ". S. auch vereinzelte Wendungen wie ,parcere subiectis' in qu. 6,14, s.S. 388 102 . Im einzelnen: ench. \6,60pionm stattpriorum, s.S. 224 466 , ep. 14,2: Dauciam statt Glauciam, s.S. 32092, ep. 143,3 (conlaudat statt conlaudant; Interpunktion, s.S. 364 319 ) ep. 167,6 deerant statt deerat, s.S. 347 233 , ep. 190,18 quae statt qui, s.S. 323 108 , s.Dolb. 26,29 nostrorum statt nostros, s.S. 37646.

Einleitung

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Die Ausgangslage des Materials, d.h. Zahl, Markierung und Gestalt der Bezüge, ist bei Augustin entschieden anders als bei den vorkonstantinischen christlichen Autoren. Das Spektrum der Bezüge ist von den verborgenen Reminiszenzen weg und hin zu den offenen und explizit markierten Zitaten verschoben. Deshalb kann in der hier vorliegenden Arbeit der Zitatbegriff enger gefasst werden. Die Suche nach geringfügigen lexikalischen, semantischen oder auch grammatischen Details erfolgte nur in Stichproben und ohne bemerkenswerte Ergebnisse. Diese Stichproben gingen von den manifest zitierten Stellen aus. Prämisse war hierfür die Annahme, daß bewußt und manifest rezipierte Stellen - abgesehen von einigen erstrangig bekannten Stellen - mit größerer Wahrscheinlichkeit auch in ein Stratum halb oder gar nicht bewußter Anklänge eingegangen sind als die überhaupt nicht zitierten Stellen.30 Daher konnte sich die Untersuchung auf die Bezüge oberhalb einer - im Einzelfall zum Teil natürlich umstrittenen - Schwelle der Bewußtheit und Erkennbarkeit beschränken. Soweit gängige Ausgaben oder Vorgängerarbeiten Similien annotieren, die nicht als Bezüge gelten können, habe ich dies vermerkt (ggf. in eigenen Unterkapiteln, meist aber in Fußnoten); angesichts der insgesamt geringeren Bedeutung dieser Falsifikationen wurde hierbei allerdings auf einen eigenen Index verzichtet. Als color Vergilianus /poeticus / classicus einzuordnende Phänomene spielen bei Augustin also keine Rolle, sofern sie nicht von expliziten und markierten Zitaten begleitet sind und über diese erfaßt werden können. Im Rückschluß kann dies als Indiz für die Bewußtheit im Einsatz reiner co/or-Phänomene bei anderen Autoren wie den vorkonstantinischen Apologeten gelten. Gegenüber dem Vorgehen Freunds ist die hier gewählte Form der Beschreibung etwas weniger formalisiert; sofern sie für die einzelnen Stellen von Belang schienen, wurden aber die gleichen Schritte in ähnlicher Abfolge unternommen. Dem Hauptteil der Arbeit, den nach Werken geordneten Beschreibungen der Zitate (III), sind Begründung, Darstellung sowie eine exemplarische Abgrenzung der hier verwendeten Methode vorangestellt (II). Eine wenn auch gedrängte Darstellung der übergreifenden Fragen im Zusammenhang mit Augustins Vergilzitaten soll als Schlußkapitel die in dieser Untersuchung erarbeiteten bzw. bestätigten Positionen und damit die übergreifenden Ergebnisse zusammentragen (IV).

Konkret wurden Wortverbindungen (z.B. unterschiedliche Kombinationen signifikanter Wortkerne) oder auch Einzelwörter, z.T. mit Synonymen, oder Namen aus von Augustin zitierten Stellen im gesamten CAG gesucht. Die Zahl der auf diese Weise miterfaßten verborgeneren Bezügen erschien so gering und in ihrer Bedeutung gegenüber den Bezügen oberhalb der Erkennbarkeitsschwelle unerheblich, daß auf eine systematische Untersuchung des CAG auf sämtliche „vergilischen" Wörter verzichtet wurde.

II

Methoden

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Zitattheorie

Die ältere Forschung hat in der Sammlung der Zitate und Anspielungen sowie in der Interpretation des Gesamtbefundes Wesentliches geleistet,1 aber auf der Mikroebene der genauen Beschreibung der Textstrategien wie auch auf einer übergreifenden Theorieebene können neuere Fragestellungen von Intertextualität und Markierung zu einem tieferen Verständnis beitragen.2 Hinsichtlich der Textgattungen wie auch der Kommunikationssituation zwischen Autor und Publikum ergeben sich für den hier interessierenden Autor bzw. für die (Spät-)Antike allgemein derart andere Ausgangsbedingungen, daß diese Fragestellungen der Ergänzung bedürfen (Kap. 2). 1.1

Begrifflichkeit

Unter Intertextualität wird hier textdeskriptiv und in der engeren Bedeutung die Bezugnahme eines Textes auf einen anderen verstanden.3 Aus einer überschaubaren Vielfalt der Terminologie möchte ich das System Helbigs modifizieren und folgende Momente unterscheiden: 1) Autor, 2) Rezipient, 3) manifester Text (präsenter Text oder nur Text), 4) Prätext, 5) Einschreibung (Zitatsegment, Referenz), 6) (fakultativ) Mechanismen der Fokussierung einer Einschreibung = Markierung.4 Von den fünf Unterkategorien der Intertextualität Genettes5 sind für diese Arbeit Intertextualität im engeren Sinne, d.h. die greifbare Anwesenheit eines Textes in einem anderen, und Metatextualität, d.h. kommentierende Verweise auf Prätexte, wichtig. Die Theorien der Intertextualität wurden an fiktionalen, poetischen Texten entwickelt, eine echte Ausweitung etwa auf appellative oder essayistische Texte steht noch aus.6 1

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Hagendahls Forderung (1983, 75, s.S. 1628), nach der Bestandsaufnahme die für die literarische Beurteilung gleich wichtige technische Seite, die Zitatmethode, zu untersuchen, blieb auch von ihm uneingelöst, vgl. z.B. die Kategorie einer „strikten" Zitatmethode, ebd. 78f. Herausgehoben seien hier der Sammelband Intertextualität (hg. v. U.Broich und M.Pfister), sowie die Dissertationen von S. Holthuis und J.Heibig. Unter den Anwendungen auf die klassische Philologie sei exemplarisch J.Blänsdorf, Senecas Apocolocyntosis genannt, der den Blick auf strukturale Transformation und Kontamination richtet und besonders die 'Einbettung' der Zitate beachtet. S. das Methodenkapitel Freunds, 19-28, mit einem dem hier unternommenen ähnlichen Verfahren und weiterer Literatur. Gegenüber der älteren Forschung erweist sich vor allem das Augenmerk auf die Markierung als weiterführend (s.S. 2536). Damit in Absetzung gegenüber einem textontologischen Aspekt der Intertextualität, Pfister 12-14. Holthuis akzentuiert in ihrer Definition zu sehr den Rezipienten (31f: ,intertextuelle Disposition' des Textes, Intertextualität als .intertextuell gelenkte Textverarbeitung'). Vgl. Heibig 75-78; vor allem gegen den Terminus "Referenztext" (ebd. 78) für Prätext. Genette, Palimpseste 7. Paratextualität, Hypertextualität (der Prätext als Folie für Imitation, Parodie usw.) und Architextualität (Gattungsbezug) bleiben außer Betracht. „Eine eingehende Untersuchung erfordert der Bereich nicht-poetischer Texte", Heibig 224. Allerdings meint er auch, die Restriktionen seiner Aussagen auf Texte dominant ästhetischer

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Theorie

Plett beschreibt die vier Möglichkeiten, die sich für literarischen oder nichtliterarischen Charakter des aufnehmenden oder des Prätextes ergeben. Einen Fall wie den hier untersuchten beschreibt er generell als "Unterordnung des literarischen Zitats unter die praktische Zielsetzung des Textes".7 Im Zentrum der hier unternommenen autorbezogenen intertextuellen Interpretation steht der Versuch, über die im Text greifbaren Signale zu rekonstruieren, mit welcher Intention ein Autor bestimmte Referenzen setzt und mit welchen Strategien er sie markiert;8 über bloß zufällige und unbewußte Reminiszenzen hinaus verleihen eigentliche intertextuelle Anspielungen einem Text zusätzliche Bedeutungen.9 1.2

Qualitative Kriterien für Intertextualität

Neben quantitativen Kriterien wie Dichte und Häufigkeit der intertextuellen Bezüge, Zahl und Streubreite der ins Spiel gebrachten Prätexte arbeitet Pfister die Intertextualität im engeren Sinn durch eine Skalierung der Intertextualität im weiteren Sinn heraus.10 Dabei skaliert er als „heuristische Konstrukte" (30), gedacht als System konzentrischer Kreise oder Schalen:

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Funktion "implizieren keine prinzipielle Unterscheidung zu nicht-poetischen Texten" (82). S. auch Holthuis 30. Schon mit didaktischen oder argumentierenden poetischen Formen (etwa dem antiken Lehrgedicht) ließen sich die modernen Kategorien sprengen. Holthuis äußert sich zu fachwissenschaftlichen Texten, was für die vorliegende Arbeit aber nicht fruchtbar wird: einerseits klammert sie die Intertextualität nicht-ästhetischer Texte, die sich auf ästhetische Texte beziehen, wie Rezension oder Kommentar, aus (Holthuis 254), andererseits nimmt sie für wissenschaftliche Texte nur sehr eng umrissene Funktionen an (159: bloße "'Validitäts-' und 'Relevanzsicherung' von Argumenten"; 160 zur De-Poetisierung der Zitate), ohne mit ästhetischen Ansprüchen oder mit einem tendenzgeleiteten Umgang mit Zitaten (Modifikationen, parteiliches Ausschneiden o.a.) zu rechnen. Modifizierungen oder Tendenzen untersucht sie folglich nicht (Holthuis 155-173; s. die zutreffende Kritik bei Heibig 224). Plett, 89 nach der Effekttrias und Affektenlehre der klassischen Tradition; ebd. eine Übersicht. "[...] mit welchem Hintergrundwissen, unter welchen Prämissen und mit welcher Intention er bestimmte Referenztexte selektiert und eingebettet hat, aus welchem Grund spezifische Referenz- und Markierungsstrategien verwendet wurden [...], Holthuis 186. Die hier betrachteten Ansätze der 'Textarchäologie' suchen in Absetzung von werkgenetischen Fragestellungen der Quellen- und Einflußforschung nach zusätzlichen Bedeutungen. „Man unterscheidet [...] produktionsästhetisch zwischen zufälligen und oft unbewußten Reminiszenzen des Autors, die zwar in den Text eingehen, deren Aufdecken diesem jedoch keine zusätzliche oder pointierte Bedeutung verleiht, und der eigentlichen intertextuellen Anspielung, die vom Autor intendiert ist und vom Leser erkannt werden muß, soll das Sinnpotential des Textes ausgeschöpft werden", Pfister 23. Zur möglichen Differenzierung s. S. 21. K. Stierle privilegiert die produktionsästhetische Intertextualität gegenüber der rezeptionsästhetischen, da „der Text selbst eine oder mehrere intertextuelle Relationen anzeigt" (Werk und Intertextualität, 10). Wie Eco, Die Grenzen der Interpretation, 35-40, geht Stierle damit den naheliegenden Weg, zu einer hypothetischen Autorintention über konkret faßbare Textintentionen zu gelangen. Pfister, 25-30. Dazu Heibig 60.

Theorie

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-

Referentialität (to use gegenüber to mention / refer to). In dem Maße der Hervorhebung des Zitatcharakters werde der Folgetext zum Metatext des Prätexts.11 - Kommunikativität (kommunikative Relevanz): Grad der Bewußtheit der intertextuellen Bezüge beim Autor wie beim Rezipienten. Hierbei stehen klassische oder aktuell diskutierte Prätexte esoterischen und nur für eine coterie (Clique) unmittelbar kommunikativ relevanten gegenüber. - Autoreflexivität: Der Autor reflektiert in seinem Text über die intertextuelle Bedingtheit und Bezogenheit seines Textes (wohl erst in postmoderner Literatur, s.S. 27 49 ). - Strukturalität (syntagmatische Integration alludierender Texte in den aktuellen Text): Eine struktural schwache Intertextualitat ist das nur punktuelle Anzitieren, die maximale ist der Prätext als strukturelle Folie des ganzen Textes. - Selektivität (Prägnanz der intertextuellen Verweisung): sowohl auf der Ebene des Zitatsegments (vom klar umrissenen Zitat bis hin zur Paraphrase, deren Grenzen der Ausdehnung oder der Abstraktheit nach verschwimmen), als auch auf der des Prätextes (Referenz exklusiv auf eine Stelle, inklusiv auf den gesamten Prätext oder auf einen übergreifenden Aspekt).12 Für Pfister ist gerade der selektive Verweis Synekdoche: „Mit dem pointiert ausgewählten Detail wird der ganze Prätext in die neue Sinnkonstitution einbezogen."13 Hier wird die Selektvität auf der Ebene des manifesten Textes als Umgrenztheit des Zitatsegments in einer eigenen Skala von der auf der Ebene des Prätextes unterschieden.14 Die Erweiterung des Resonanzraumes, d.h. das Mithören des Kontextes der Prätextebene wird Paragramm genannt. - Dialogizität: (semantisches und ideologisches Spannungsfeld von alludierendem und alludiertem Text): "Eine Textverarbeitung gegen den Strich des Originals, ein Anzitieren eines Textes, das diesen ironisch relativiert und seine ideologischen Voraussetzungen unterminiert, ein distanzierendes Ausspielen der Differenz zwischen dem alten Kontext des fremden Worts und

" "So treibt Intertextualitat immer auch zu einem gewissen Grad Metatextualitat hervor, eine Metatextualitat, die den Prätext kommentiert, perspektiviert und interpretiert und damit die Anknüpfung an ihn bzw. die Distanznahme zu ihm thematisiert." Pfister 26f. 12 Vgl. die Unterscheidung von Elementen- vs. Strukturreproduktion einerseits und Einzeltextvs. Systemreferenz andererseits, Karrer (in: Pfister 1985, 98-116) Die elliptische Anführung eines Prätextes ohne Reproduktion seiner Elemente oder Strukturen über Autoren-, Figurennamen oder Werktitel (der klassische Fall einer literarischen Anspielung) mit der Erweiterung prägnanter Wörter oder Wortverbindungen ist m.E. ein grenzwertiger Sonderfall der Elementen- und Strukturreproduktion (Zitat), gegen Karrer 106-108. Die Systemreferenz bezieht sich auf eine Gruppe von Prätexten, die in ihren parallelen Verfahren oder Elementen reproduziert werden (Erzählkonventionen, Werthaltungen, Karrer 110-114). Die Abgrenzungsprobleme zwischen Zitat und Allusion lassen sich auch mit dem Ansatz von Ffolthuis von 'textoberflächenstrukturellen' vs. 'texttiefenstrukturellen' Referenzverfahren nicht befriedigend klären, Holthuis 123f.l26f; auch für Allusionen entwirft sie ein Spektrum eindeutiger und weniger eindeutiger Manifestationsformen, u.a. mit einer Typologie von 'Allusionsmarkern' als Referenzindikatoren (124-133). S. auch zur Re-Linearisierung 91-93. 13 Pfister 29. S. auch Holthuis 95. 14 "Resonanzraum". Als Beispiel aus der antiken Literatur Blansdorf, 12: die Stadt (Troja bzw. Rom) wird Apocol. 1,2 bei 'non passibus aequis' (Aen. 2,724) mitgehört; ebd. der Terminus Paragramm.

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Theorie

seiner neuen Kontextualisierung"15 setzt Pfister schwachen Formen wie Übersetzung, Verifizierung, Imitation aus Bewunderung oder auch einem argumentum ad auctoritatem entgegen. Für das Verhältnis Augustins zu Vergil können 'Autoreflexivität'16 und 'Strukturalität'17 wohl nichts beitragen. Fallweise höchst unterschiedlich bei Augustin und daher hoch interessant sind die Kriterien der Referentialität (Vergil dient ihm oft nur als Steinbruch sprachlicher oder historischer Information, teilweise versucht er aber auch, Gedankengänge oder Produktionsbedingungen zu erheben), Selektivität und Kommunikativität. An den Einzelfällen muß geprüft werden, inwieweit sich Augustin des Kontextes bewußt war, wenn er die Aeneis auswendig oder in Form eines geflügelten Wortes zitiert. Durch die religiöse Differenz ist die Dialogizitat so fundamental von Distanz geprägt, daß die Fälle direkter Anknüpfung auffallen.18 Scharf treten bei Augustin metatextuelle Äußerungen hervor, aber nicht in einem modernen Sinne literaturwissenschaftlich, sondern in einer Textgattung, die heute als Essay eingeordnet würde. Die Zitierweise entspricht dabei in vielem eher einem juristischen Zitieren, als Bestätigung von Positionen. 1.3

Das Zitatsegment

Das Zitatsegment als Bestandteil des manifesten Textes weist gegenüber dem zitierten Ausschnitt im Prätext oft Differenzen auf, die eine terminologische Trennung nötig machen. Dabei kann die Transformationstetras aus der klassischen Rhetorik wirken, Addition, Subtraktion, Substitution, Permutation und zur Erweiterung, Tilgung, Ersetzung, Umstellung, und Wiederholung von Teilen des Prätextsegments führen.19 Insbesondere Interferenzen der sekundärsprachlichen (z.B. stilistischen) Codes von Prätext und Text lassen eine Devianz, eine 'Nahtstelle zwischen Zitat und Zitat-Kontext" entstehen, "welche den Ausgangspunkt für einen intertextuellen Dialog darstellt".20 Zu dem Zitierten kann eine implizite oder explizite Stellungnahme treten als Zustimmung (Bestätigung, Verstärkung, Überbietung) oder Ablehnung (Abschwächung, Verneinung, Verkehrung). Dabei können Homogenität der Wert-

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Pfister 29. Eine differenzierte Dialektik von Anknüpfung und Distanznahme entspricht antiker Mimesis, z.B. Kallimachos oder Vergil bezüglich Homers, Vergil bezüglich Ennius", anders als bei diesen poetischen 'Paaren' stehen bei Augustin ideologische Gegensätze im Vordergrund. Im engeren Sinn als Reflexion innerhalb des Textes über intertextuelle Bedingtheit und Bezogenheit; theoretische Äußerungen liegen vor und werden hier auch betrachtet. Schon durch die Gattungsdifferenz ausgeschlossen: allerdings muß auf den Ansatz Bennetts eingegangen werden, in der Aeneis die strukturelle Vorlage der Confessiones zu sehen (ebenso auf Tendenzen, ähnliches über das peregrinatio-Konzepl auch für De civitate zu versuchen). Diese Distanz läßt sich nicht im Sinne einer Devianz-Ästhetik fassen (Code-Durchbrechung, Normabweichung als Dialog mit normentreuen Texten), s. Pfister 54. Plett 82f. S. Holthuis 97. Plett 86, s. auch 83f.

Theorie

23

normen oder Inhomogenität auftreten, was für Plett besonders als intendierter Normenkonflikt interessant ist.21

1.4

Zum Begriff Markierung

Heibig differenziert intertextuelle Zugriffsarten generell nach markierten und nicht markierten Ausprägungsformen.22 Die "Durchleuchtung intertextueller Markierungsverfahren in literarischen Texten" erlaube „fundierte Rückschlüsse auf intendierte Leserrollen (die nicht zuletzt über Markierungsstrategien definiert werden) und mithin auf eine spezifizierte Lesertypologie".23 Der Minimalforderung der Erkennbarkeit einer Anspielung als solcher und der „Entschärfung unkalkulierbarer kommunikativer Störquellen" entspricht ein Autor mit spezifischen Intertextualitätssignalen „als Hilfsmittel und Garanten eines erfolgreichen Kommunikationsprozesses", die unter dem Begriff der Markierung subsumiert werden.24 Markierungen definiert Heibig als "deiktische Zeichen, welche die Aufmerksamkeit des Rezipienten auf eine ihrerseits deiktische Zeichenkette fokussieren sollen".25 Sie können sowohl außerhalb des Markierten stehen (inquit-F orme\) oder auch Teil des Markierten sein, wenn auch eigenständiger Aspekt (implizite Markierung z.B. durch Namen).26 Intertextuelle Markierung ist "Mittel der Referenzlenkung durch einen absichtsvoll agierenden Autor".27 Heibig unterscheidet latente oder manifeste Präsenz 21

Plett 90 (bezüglich ästhetischer Normen, s. die Kategorien aptum und decorum, vgl. in Methoden II die Schritte 4,14, 10). Als qualitative Kriterien nennt er (126-129) u.a. Kontamination, anagrammatische Relation (Decodierung durch Rekonstruktion der kohärenten Struktur eines spezifischen Referenztextes aus den Fremdtextelementen), das Abstraktionsniveau (Kontiguitäts- vs. Similaritätsrelation), eventuelle Brüche in der Integration (Struktur- und Sinninterferenzen). 22 Heibig (37) in Abgrenzung zur historisch gewachsenen Taxonomie (etwa Zitat vs. Reminiszenz oder offenes vs. kryptisches Zitat bzw. offene vs. versteckte Entlehnung). 23 Heibig 12. Die jeweilige Allusions(erkennungs-)kompetenz des Empfängers ist abhängig von transtextuellen Variablen, ebd. 14. Unter den Vorarbeiten hebt Heibig R.Lachmann, Gedächtnis und Literatur (1990), und H.F.PIett, lntertextualities (1991) hervor. 24 Heibig 15. Zu Ironiesignalen Heibig 65-72. Wegen ihrer zumindest minimalen Markierung auf metalinguistischer Ebene seien sie ein Instrument der Kommunikationssteuerung und böten eine Querverbindung zur Intertextualitätsmarkierung, bes. wenn Ironie als zitierender Sprechakt gefaßt werde. Ironiesignale seien restringierter, pragmatisch gebe es aber Berührungen hinsichtlich der Bedeutung des Kontexts oder der Intuition und Sprachkompetenz des Rezipienten für die Allusionserkennung, wie auch ihrer Einberechnung zu einer intendierten Leserrolle durch den Autor. Ironie als geistiges Spiel vertrage keine deutlichen Signale, was den Begriff problematisch erscheinen lasse. S. auch Broich, Formen der Markierung, in Broich/Pfister 1985, 31-47, hier 33; R.Warning, Ironiesignale und ironische Selbststilisierung, 420-422. 25 Heibig 73. 26 Gegen eine Gleichsetzung mit dem Zitatsegment selbst will Heibig „die Bezeichnung Markierung' für spezifische sprachliche oder graphemisch-visuelle Signale [...] reservieren, die eine intertextuelle Einschreibung erst als solche kennzeichnen (eben: ,markieren') sollen sei es, indem sie zu dieser hinzutreten, sei es, daß sie der Einschreibung inhärent sind und durch deren Kontextualisierung Markierungscharakter erhalten", Heibig 54. 27 Heibig 58. Die produktionsästhetisch motivierte Signalgebung von Referenzen mache sie kommunikativ relevant und von beliebigen Assoziationen unterscheidbar, ebd. 58f.

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Theorie

von Fremdtextelementen, wobei für erstere unabsichtlich latente (für Autor und Leser unbemerkte) von absichtlich latenten, also kaschierten, jedoch aufdeckbaren (Plagiat, intertextuelles Spiel) Bezügen unterschieden werden müsse.28 Für diese Bestimmung kann er auf das von W.Füger vorgelegte Gesamtspektrum von Intertextualität29 zurückgreifen, nach der bei markierter Intertextualität die Intertextualität dem Autor bewußt ist und dem Leser bewußt werden soll (unabhängig von dem faktischen Bewußtwerden), anderenfalls handle es sich um nichtmarkierte Intertextualität; „das Kriterium der Markiertheit einer Referenz" bezeichnet „einen Kernbereich intendierter Intertextualität".30 Auch ohne spezifisches Aufmerksamkeitssignal liegt Markiertheit vor, wenn eine intendierte Vermittlung nachweisbar ist. Vor allem die differenzierten Grade impliziter Markiertheit sowie die unterschiedlichen Komplexionsstufen (reine vs. modifizierte Wiederholung, letztere mit den Subtypen totale oder partielle Negation) sind Heibig in Fügers Ansatz wichtig.31 1.5

Typeninventar intertextueller Einschreibungen nach ihrer Markierung

Heibig entwirft ein Inventar möglicher Konkretisierungen intertextueller Markierung in einer Progressionsskala und untersucht Korrelationen zu spezifischen Textstrategien.32 Nullstufe: Unmarkierte Intertextualität (Auftreten intertextueller Echos ohne Indizien für ihr Vorhandensein). Die Referenz bleibt Rezipienten verborgen, denen der Referenztext unbekannt ist oder die ein einschlägiges literarisches Vorwissen nicht aktualisieren.33 Gründe, eine Referenz nicht zu markieren, sind 28 29 30 31

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33

Heibig 62f. Intertextualia Orwelliana, Poetica 21(1989), 181. Heibig 45. Heibig 46. Ursachenkomplexe sind für Füger (199) der Komplexitätsgrad der sprachlichen und gedanklichen Differenz zum (jeweils unterschiedlich bekannten) Prätext; die Plazierung und Profilierung des Referenzträgers im Text, speziell im Hinblick auf privilegierte Stellen; die Situierung der Referenz im Schichtenbau der linguistischen Hierarchien und des Kommunikationsprozesses; die Häufigkeit der indirekten Verweise auf einen bestimmten Prätext oder dessen Autor; der funktionale Stellenwert der Bezugnahme für die Sinnstruktur des jeweiligen Textes. Heibig 55f.63.80; ausgehend von einem idealen Kommunikationsmodell, in dem sowohl die intertextuelle Dimension einer konkreten Einschreibung als auch der in Frage stehende Fremdtext transparent sind, müsse eine intertextuelle Spur auf ihre hierarchische Position, den inhärenten Signalwert, die Art der Markierung und die Funktion der Spur im Werkkontext (Kritik, Sinnkomplexion ...) hin befragt werden. Historisch gibt er zu bedenken, daß im Falle eines klassischen Kanons explizite Markierung durch die gesicherte intertextuelle Kompetenz des intendierten Lesers innerhalb des Kanons von geringerer Bedeutung sei (ebd. 84). An Holthuis' (108) als Kontinuum zu denkender Skala (1) explizit markiert, 2) quasi-explizit markiert, 3) nicht explizit (= implizit) markiert, 4) explizit nicht markiert) kritisiert Heibig (48f.) zu Recht Starrheit, Formalismus und fehlende innere Differenzierung: Die Asymmetrie (eines zu weit gefaßten impliziten Bereichs) komme ihrem - auf ästhetische Intertextualität fokussierten - Erkenntnisinteresse entgegen, weil die schwächeren Signale den Relevanzentscheidungen des Lesers größeren Spielraum ließen. Heibig 88-90.

Theorie

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u.a. fehlendes Bewußtsein, Voraussetzung der Referenz als allgemein bekannt, Herausforderung der Kommunikationskompetenz, Erschwerung der Decodierungsaufgabe.34 Gerade ideologisch gebundene oder engagierte Autoren können gegnerische Positionen aufnehmen, aber unkenntlich machen in der Hoffnung, den Leser sachlich zu immunisieren, den Prätext aber in das Vergessen zu drängen. Als Hypothese für einige Fälle bei Augustin kann eine erzieherische Absicht gegenüber den Lesern angenommen werden, deren Aufmerksamkeit nicht auf Vergil gelenkt werden soll. Man kann sich diese Differenzierung des intendierten Publikums sowohl diatypisch wie diachron denken: In den Predigten wendet sich Augustin an ein Publikum, bei dem er vertiefte Vergilkenntnis nicht voraussetzt. Möglicherweise differenziert er ferner zwischen einem zeitgenössischen und gebildeten Leser (der Vergil erkennt) und einem zukünftigen Leser, der dieses Bildungsgewicht nicht mehr 'mitschleppt'. Unbegründet ist das von Holthuis (231) aufgestellte Postulat, "daß der empirische Autor zum Zeitpunkt der Textproduktion allenfalls den realen, zeitgenössischen Leser im Blick gehabt haben kann und spätere Lesergenerationen mit anderen Erwartungshaltungen und anderem Textwissen nicht vorhersehen konnte". Dem Autor einer Umbruchzeit ist grundsätzlich zuzubilligen, über Entwicklungen nachzudenken, die er abzusehen meint und an denen mitzuarbeiten er vielleicht beabsichtigt. Auffällig ist, daß etwa Augustins Kommentare zu Tyconius in De doctrina Christiana kaum zureichend ohne Parallellektüre dieser Schrift verstanden werden können, manche Vergilbezüge ihre volle Bedeutung zwar erst unter Vergegenwärtigung des dortigen Kontextes entfalten, basal aber auch ohne diese Kenntnis hingenommen werden können. Unabhängig von etwaigen Einschätzungen betreffs der Zukunft hat Augustin feste Vorstellungen, was sein eigentliches (katholisches) Publikum lesen solle. Reduktionsstufe: Implizit markierte Intertextualität. Heibig benennt drei je hinreichende Kriterien für Markiertheit: Emphase, Codewechsel, Verfremdungssignal(e) (z.B. Darstellung des Rezeptionsvorganges, Identifizierung des Referenztextes oder Thematisierung von Intertextualität).35 Die Wirkung der generell polyvalenten Signale impliziter Markierung hängt ab vom Bekanntheitsgrad des alludierten Referenztextes und dem der jeweils übernommenen Spur, vom Grad der Veränderung dieser Spur (Wiedererkennungswert), vom flankierenden Gebrauch intensivierender Maßnahmen (relative Quantität, Position, Kontrast).36 Emphase durch Quantität beeinflußt den Wahrnehmungsfokus des Rezipienten und wirkt durch Frequenz oder Position. Zur Frequenz gehören der allgemeine Durchdringungsgrad eines Textes mit markierter / unmarkierter Intertextualität 34

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Heibig 73f. Auf Seiten des Rezipienten entsprechen diesen Möglichkeiten fehlende Kenntnis des Prätextes, zu gute Tarnung, fehlende Aufmerksamkeit oder Falschzuordnung, ebd. 74. Heibig 93f. Implizite und explizite Markierung unterscheiden sich nicht nach der Deutlichkeit einer Referenz, die bei beiden nahezu beliebig steuerbar ist, sondern nach der Durchsichtigkeit einer Referenz, durch die eine explizite Markierung geringere Anforderung an die Allusionskompetenz des Rezipienten stellt, Heibig 95. Heibig 95-97. Die bloße Opposition ,hidden' - ,open quotations' (z.B. Hagendahl 1958 300-309) bleibt unbefriedigend, weil das einzige Kriterium die Nennung / Umschreibung des Namens ist, damit auch leicht erkennbare Zitate als verborgen gelten.

26

Theorie

(Kontamination)37, Repetition38, Addition als akkumulierte Einschreibungen, die auf denselben Prätext verweisen39, sowie Proportion.40 Markierend wirkt insbesondere die Zitierung von „Überschuß", d.h. von Prätextelementen, die für die Aussage im Kontext nicht notwendig wären, beispielsweise zur Erhaltung des Metrums, eines Kolorits oder einer bekannten Formel. Bezüglich der Position müsse nach der Distribution41 und nach der Exponiertheit einer Referenz im Werkkontext42 gefragt werden. Anders als Heibig, der damit seine eigene Systematik durchbricht,43 ordne ich linguistische Codewechsel,44 also (minimale) Brüche im kontinuierlichen Rezeptionsvorgang, z.B . diachron, diatopisch, diatypisch oder prosodisch, selbst bei durch sichtbare Nahtstellen zwischen einer eingelagerten Einschreibung und ihrem Kontext gegebener Signaldeutlichkeit unter die impliziten Signale. Vollstufe: Explizit markierte Intertextualität; Referenz wird hier transparent und stellt nur minimale Anforderungen an die Allusionskompetenz des Rezipienten.45 Die Markierungen erfolgten entweder onomastisch46 oder durch manipulierenden oder kommentierenden Eingriff durch den Autor. Für Mehrfachmarkierungen einer Spur nennt Heibig ästhetisch-dekorative Gründe, übervorsichtige Disposition des Autors, Rezeptionslenkung in Gestalt von Spielmaterial und Übermittlung inhaltlicher Informationen. Die Kombination starker und schwacher Signale erzeuge Dynamisierung, z.B. um eine Neubewertung des Gelesenen zu provozieren.47

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Heibig 98-100 in Anlehnung an Lachmann, Gedächtnis 61. Elemente werden aus verschiedenen Referenztexten selegiert und kombiniert. Dabei macht ein dichter intertextuellcr Bezugsrahmen wegen des aufgebauten Erwartungshorizonts die Decodierung einer Einschreibung wahrscheinlicher. Die mehrfache Bezugnahme auf ein spezifisches Zitatsegment bewirkt einen Konditionierungseffekt (bis hin zum running gag), Heibig lOOf. Am deutlichsten bei Augustin Aen. 2,351 in ciu. 2,22-3,15. Heibig 101f, 'Referenz-c/ws/er'. Bezüglich der relativen Erzählzeit, ,Syntagmatische Relationsachse', Heibig 102f. Heibig 104 f. Heibig 105-109 unterscheidet hier eine Hierarchie von Orten im Haupttext mit den formalen Zäsuren Textanfang und Textende von Referenzen in Paratexten (Komplementärebene). Heibig (118) begründet die Abweichung von dem Grundsatz, Deutlichkeit an sich sei nicht zureichend für Explizitheit, mit dem Charakter der Interferenz als neues Signalelement in der Progressionsskala. Mit Recht hält er eine Veränderung an einer intertextuellen Spur für wirkungsästhetisch nachrangig und Codewechsel - besonders in Figurenrede - generell für ein nur für den geübten l.eser erkennbares Mittel (ebd. 118-120). Eindeutigkeit ist das entscheidende Kriterium, um bloße Interferenzen aus den expliziten Signalen auszuschließen. Man kann mutmaßen, daß die Ausdünnung der expliziten Markierungsstufe bei Heibig durch die Ausgliederung der offengelegten Bezüge auf einen bestimmten Prätext und seinen Autor in die Kategorie der potenzierten Intertextualität diese Durchbrechung der eigenen Maximen nahelegte. Heibig 117-120. Graphemische Interferenzen (Heibig 122-124) können wegen der abweichenden Textgestaltung außer Betracht beleiben. Heibig Ulf, mit dem Bild des Palimpsests. Heibig 113-117, als Re-used figures (autographisch oder allographisch) oder Re-used authors, unter breiter Streuung der Signaldeutlichkeit. Heibig 125-130.

27

Theorie

Heibig bezeichnet m.E. nicht zutreffend als eine eigene vierte, potenzierte Stufe bereits die Markierung durch Thematisierung literarischer Produktion und Rezeption, etwa in Gestalt metakommunikativer Verben zur Betonung des Zitatcharakters, der Betonung einer bestimmten fremden Urheberschaft, dem periphrastischen Rekurs auf einen Autor (oder mehrere Autoren), der vagen und schließlich der eindeutigen Identifizierung eines Autors.48 Potenziert sei auch die Markierung durch Identifizierung des Referenztextes, expressis verbis oder duch eindeutige Paraphrase, speziell durch eine Bündelung expliziter Markierungen.49 Die Einordnung als „thematisiert" ist an dieser Stelle meines Erachtens unangebracht. Augustin verwendet alle diese Markierungen, ohne sein Verfahren oder seine Stellung zum zitierten Autor zu thematisieren und zu reflektieren. In der Sache dienen diese Markierungen vielmehr der Explizitmachung. Daneben sind - soweit es sich etwa um literarkritische Bemerkungen handelt -Fragen der Einführung berührt. 1.6

Funktionen der Intertextualität und ihrer Markierung

Heibig begreift Markierung als "Leserservice" und fragt nach der kommunikativen Relevanz von Intertextualitätssignalen.50 Das Funktionspotential markierter Intertextualität beschreibt er vorrangig als Wirkung der vom Text indizierten Referenzen auf den Rezipienten.51 Ein Autor kann Erwartungsparameter für die individuelle literarische Vorbildung und die Relevanzentscheidungen seiner unterschiedlichen Lesertypen in die Textproduktion einfließen lassen und für diese unterschiedliche Markierungsstrategien zuschneiden und so „ein System einander überlagernder Bedeutungsschichten konstituieren."52 48

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Heibig 131-134. In diese Kategorie rechnet Heibig auch Hinweise auf Inhalt, Textsorte, Literatur oder Referenzcharakter generell, denen gemeinsam sei die „ausdrückliche und unmißverständliche Offenlegung einer intertextuellen Bezugnahme. Bei nahezu gleichbleibender Transparenz der intertextuellen Disposition variiert jedoch die Identifizierbarkeit der Referenztexte erheblich und kann im Extremfall sogar gänzlich verlorengehen" (ebd. 133f). Mit der letzten Feststellung räumt Heibig eine Verletzung seines Transparenz-Prinzips ein. Heibig 135-137. Autoreflexivität betrachtet Heibig (137) als höchste Stufe der Potenzierung, sie ist jedoch als eigene Kategorie stärker zu trennen von der bloßen expliziten Nennung des Prätextautors - auch da dieser nicht unbedingt als Gattungsvorgänger die abzuarbeitende ,Überfigur' sein muß, sondern aus ferner liegenden Gründen genannt werden kann. Der über Explizitheit hinausgehende Gehalt von „thematisieren" ist eben die Autoreflexivität. Zunächst mit der rezeptionsästhetischen Bedingtheit intertextueller Markierung, konkret der Problematik intertextuellen Mißverstehens, Heibig 144-148. Heibig kritisiert an dem Ansatz Schulte-Middelichs bezüglich der vier Grundtypen der Zusatzkodierung (Schulte-Middelich 214-224) die zu enge Fixierung auf Affirmation vs. Destruktion, ohne Neutralität, außerdem Mischformen und Abweichungen einzubeziehen, des weiteren messe dieser Ansatz "dem Rezipienten als Adressaten der intertextuellen Kommunikation ein zu geringes Gewicht" bei, Heibig 143. Sein Vorhaben ist demgegenüber leserorientierte Intertextualitätforschung (149). "Letzter Zielpunkt und Adressat intertextueller Markierung ist stets der Rezipient", Heibig 149. Die Markierung betrifft den Dialog zwischen Autor und Rezipient (nicht den zwischen manifestem und Referenztext) und wirkt als ,zentrifugales' Signal, bei dessen Mißachtung durch eine nicht-intertextuelle Lektüre der Leser zum "'Gefangenen' des manifesten Textes" (ebd.) werde. Heibig 149. Für Augustin unmittelbar vorstellbar sind mehr oder weniger vergilkundige Leser. Der Autor entscheidet, welche Präsuppositionen er an den Leser heranträgt und welche

28

Theorie

Ein Verzicht auf Markierung mache eine intertextuelle Einschreibung für alle unkenntlich (in plagiatorischer Absicht oder aus ostentativ negierter Intertextualität), für niemanden (bei großer Deutlichkeit der intertextuellen Spur, wobei sich generell vermutlich die Bereitschaft zur Signalisierung eines Referenztextes umgekehrt proportional zu seinem Bekanntheitsgrad in einem spezifischen historischen Kontext verhalte) oder für eine Teilmenge der Leser, was der für die Intertextualitätsforschung ergiebigere Fall sei, „weil hier nuancierte Schreibweisen erforderlich werden und eine intendierte Leserrolle in klaren Umrissen hervortritt."53 Heibig erkennt zwei konträre Effekte, das sich an eine elitäre Zielgruppe mit gehobenem ästhetischen Anspruch wendende literarische Spiel, in dem Rezipienten „die latent vorhandene Interferenz zwischen aufnehmendem und eingelagertem Text" aktualisieren und pleonastische Informationsvergabe das ästhetische Stimulans gezielter Verrätselung der Textoberfläche zerstören würde, und den in Kauf genommenen oder sogar intendierten Ausschluß der Rezipienten, die nicht über das erforderliche Hintergrundwissen verfügen.54 Als kommunikatives Bindeglied zwischen Autor und Rezipient bewirkt die Markierung eine (partielle) Nivellierung der Leser-Niveaus55 in einem Prozeß der Irritation durch Wahrnehmung eines Störfaktors, dessen Identifizierung als Referenzmarkierung, der Identifizierung des Referenztextes, der Aktualisierung von Konnotationen im Zusammenhang mit dem Referenztext und der Übertragung relevanter Konnotationen auf den präsenten Text bis hin zu Folgerungen für die Interpretation.56 Darüberhinaus können Autoren etwa aus didaktischer und moralischer Intention explizit markierte Intertextualität zu persuasiven Appellen von hohem Stellenwert nutzen, z.B. „mit imperativischen Leseanweisungen verknüpfen, um ihr Lesepublikum zu einer konkreten Verhaltensaktivität zu veranlassen".57 Unter den dezentralen Aspekten bei Helbig seien die textorientierte58 und die produzentenorientierte Grundfunktion59 wenigstens erwähnt.

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58

Referenzen er als markierungsbedürftig erachtet. Für die vom Autor intendierte Erfassung der literariness des Textes (hier das vage Wissen um die Existenz einer paganen Position und paganer Dichtung) genügt beim Leser schon die 'Lücke', das Wissen um die Existenz eines Intertexts, nicht dessen genaue Kenntnis (Heibig 150). Diese Signale engen den rezeptionsästhetischen Spielraum erheblich ein. Heibig 157. Er weist auch (159f.) auf den unterschiedlichen Stellenwert von Markierungen bzw. dem Verzicht auf sie im inneren oder äußeren Kommunikationssystem eines Textes, sowie auf eine durch ostentative Abwesenheit von Markierungen erfolgende Aufmerksamkeitslenkung ('Stutzen'). Heibig 157f. P.H. Neumann, Das Eigene und das Fremde, 304. Heibig 161 -164; als kreative Eigenleistung sind die letzten Schritte nur bedingt steuerbar. Heibig 166 mit dem Beispiel von Defoes Bibelrekursen. Entgegengesetzt steht aber nicht die Dekonstruktion (Heibig 167; für ihn ist die leserorientierte Funktion dem Problem Affirmation vs. Destruktion immerhin übergeordnet), sondern ein 'Leseverbot', z.B. das Abraten von der Lektüre paganer Dichtung oder dasVersprechen einer adäquaten, korrigierten Auswahl des Lesenswerten. Heibig 174-178. Der manifeste Text steht im Fokus der Aufmerksamkeit, nicht der Prätext. Dieses Verfahren der Sinnkomplexion kann stilistische Gründe haben (brevitas) und wirkt oft in vergleichendem Zugriff: "wobei das implizite tertium comparaüonis als Substitut einer ausführlichen Charakterisierung steht" (177), z.B. indem die individuelle Textrezeption einer Figur als Voraussetzung und Vorgabe der Handlungsstruktur fungiert (178).

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Theorie

2

Raster für die Untersuchung der einzelnen Stellen

Die Untersuchung der einzelnen Stellen erfolgt in einem Dreischritt von Beschreibung (Schritte 1-6), Analyse (7-13) und weitergehenden Fragen der Interpretation (14-17). Die Verflechtung der Fragestellungen, wie sie im folgenden beschrieben wird, erschwert eine „chirurgische" Trennung. Die Abfolge ist daher in erster Linie analytisch-ideal zu verstehen. Reine Strukturreproduktionen sind bei Augustin kaum zu erwarten. Anspielungen werden als Übernahmen bloß von Gedanklichem nach dem hier vorgelegten Raster erfasst, das dann in den ersten Schritten weniger aussagekräftig ist» 2.1

Beschreibung

1. Bei der Beschreibung gilt die erste Frage dem Umfang des Zitatsegments, das von einer aus zwei Worten bestehenden Junktur (im Extremfall von einem Einzelwort)61 bis zur Übernahme einer vollständigen Versreihe reicht. Die Betrachtung ist primär auf den Mikrokontext des zusammenhängenden Zitatsegmentes bezogen, doch können weitere Elemente des Primärtextes in der Einleitung des Zitatsegmentes oder in der näheren Umgebung des manifesten Textes wiedererscheinen (s. auch Schritt 4 und 7). In einem weiteren Sinn müssen auch diese Elemente bei der Bestimmung des Umfangs (und damit als Kriterium der Signifikanz) mitgerechnet werden. 2. Bei der Frage nach der Umformung - also der Differenz zwischen dem Zitatsegment als Teil des Prätexts und als Teil des manifesten Textes (s.S. 22) geht es einerseits rein äußerlich um die klassisch-rhetorischen Basisprozesse der Addition, Subtraktion, Substitution und Permutation, andererseits sind dabei wichtige inhaltliche Beobachtungen zu treffen. Für die Markierung (3) ist erheblich, ob das Metrum gesprengt wurde oder erkennbar bleibt, ferner ob z.B. Synonyme Poetizismen vermeiden, die Stilhöhe anpassen oder Denotationen verändern. Ebenfalls für die Erkennbarkeit ist relevant, ob nicht gerade identifizierende Details (z.B. Namen) ausgeschnitten wurden. Außerdem müssen syntaktische Einpassung und evtl. die Verbindung verschiedener Zitatsegmente erhoben werden. Diese Veränderungen betreffen dann sowohl die Analyse des manifesten Textes (7) wie auch die des Verhältnisses zum Prätext (11), weil durch sie der Sichtausschnitt bestimmt wird, unter dem der Prätext im manifesten Text erscheint. Hinsichtlich der Linearisierung gibt die Umformung Auskunft, ob im Sinne Holthuis' Zitat, Paraphrase oder Allusion vorliegt.62 3. Die Markierung des Zitatsegments kann explizit, implizit oder gar nicht erfolgen.63 Diese Formen treten in Abstufungen und mit Grenzfällen auf. Am deutlichsten sind Angaben von Werk und Buch (bei Augustin selten), häufig und 59

60 61

62 63

Heibig 181f., z.B. um zu renommieren, sich mitzuteilen, zu rechtfertigen, Autorität einzufordern oder einen Bruch mit dem literarischen Kontinuum zu behaupten. Zu reinen Testimonien s.u. Vgl. Heibig 103: „Generell können Einzellexeme von hinreichender semantischer Prägnanz, wie etwa gewohnheitsmäßige Redefloskeln literarischer Figuren oder Lexeme, die einen Codewechsel im manifesten Text bedingen, einen spezifischen Referenztext evozieren". Hierbei muß die Relevanz dann besonders begründet werden. S. Holthuis 91-93. Autoreflexive und entmarkierte Zitierung können hier außer Betracht bleiben.

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Theorie

immer noch explizit die Namensnennung oder eindeutig identifizierende Periphrasen. Signifikanz, Transparenz und Resonanzraum werden in eigenen Schritten (5, 6, 9) geprüft, bei denen es gerade um die Erkennbarkeit Vergils unter anderen Dichtern oder dieses Werkes unter anderen geht. Deshalb kann der hier betrachtete Schritt der Untersuchung der Textstrategie, mit deren Hilfe der Leser die Referenz erkennen soll, die Erkennbarkeit als bloßes Zitat erheben, weshalb auch Periphrasen im Stil pauschaler Zuweisung an Dichter oder Pagane allgemein oder einen unbestimmten Dichter oder Paganen als explizit zu werten sind.64 Damit wird die Skala der Markiertheit um den Faktor der Erkennbarkeit des Autors entlastet und auf die Erkennbarkeit der Referenz beschränkt. Für die implizite Markierung kommen demnach vor allem Versstruktur, Poetizismen65 und Figureninventar bzw. Handlungssituationen des Prätextes in Betracht.66 Die Unterscheidung explizit-implizit bedeutet nicht automatisch deutlicher-weniger deutlich (s.S. 25"). Wendungen unterhalb der Erkennbarkeitsschwelle dieser Kategorien sind unmarkiert. Sie zu erkennen setzt auf Seiten des Rezipienten besondere Aufmerksamkeit und Kompetenz voraus. Die Unmarkiertheit bezieht sich auf den Mikrokontext; weitere Zitate in einem mittleren Kontext erhöhen die Erkennbarkeit dieser unmarkierten Bezugnahme (8). 4. Faktisch mit der Markierung meist verbunden ist die Einführung, die z.B. über den Kontext des Zitatsegmentes im Prätext oder über die Absicht der Zitierung informiert. Literarkritische Urteile über den Autor und sein Werk, den Wahrheitsgehalt und das Textverständnis sind für die spätere Interpretation von Interesse (14, 15). Doch spielen solche thematisierten Äußerungen (s.S. 2748) schon für die Einführung eine Rolle. Mit der Einführung kann oft auch schon die Rezeption im Hinblick auf das Verhältnis zum Prätext gesteuert werden (11). 5. Als Summe dieser Einzelbeobachtungen am Zitatsegment kann das Urteil über die Signifikanz der sprachlichen und/oder gedanklichen Gemeinsamkeit gelten, also darüber, ob Augustin wirklich Vergil zitieren wollte oder - im Extremfall eine bloß zufällige Übereinstimmung vorliegt.67 Verwandt ist die (von mir nachgeordnete) Frage nach Zwischenquellen (17), unter die auch „geflügelte Worte", d.h. ins Sprichwortgut übergegangene, fest geprägte Wendungen gehören.68 Herangezogen werden müssen auch andere Zitate im weiteren Zusammenhang (8). Ein Indiz für Signifikanz kann in Zweifelsfällen Sinnkomplexion sein (s. bes. 11). 6. Die Erkennbarkeit oder Transparenz69 eines Zitatsegments ist der Grad, in dem ein Zitat vom Rezipienten erkannt und dem richtigen Autor zugeordnet werden kann. Zu einem großen Teil ist dies über die Markierung und die mittels ihrer geschehende Rezeptionslenkung abgedeckt, aber es sind Fälle expliziter Markierung denkbar, deren genaue Quelle undeutlich bleibt (s.o. 3). Im übrigen ist zu fragen, ob Augustin möglicherweise - evtl. in Hinblick auf die Zukunft Alternativ wäre die Einführung einer quasi-expliziten Zwischenstufe, s. Holthuis, 108. Prosodische und diatypische Interferenzen. Heibig 93f.: Emphase, Codewechsel (= linguistische Interferenzen), Verfremdungssignale. Hier geht es um die Rekonstruktion der Absicht Augustins, soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden hat, erst in zweiter Linie um die rezipientenorientierten Fragestellungen Signaldeutlichkeit (3) oder Transparenz (14). ..Bildungstrümmer" in der Klassifizierung Herzogs, s. Herzog, Bibelepik 189. Durchsichtigkeit, Heibig 95. S. die Skalen Referentialität und Kommunikativität. Pfister 26 f.

Theorie

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an lesende Christen dachte, die Vergil nicht mehr kennen, d.h. an den von Augustin vorgenommenen Abgrenzungen etc. interessiert sind, ohne zu Vergil geführt werden zu sollen.70 Diese Zitate wären dann für Spezialisten transparent, nicht aber für einen weiteren Adressatenkreis. 2.2

Analyse

7. Das Zitatsegment steht im manifesten Text in einem sprachlichen, gedanklichen und argumentativen Zusammenhang, der erhoben werden muß.71 U.a. ist gegebenenfalls nach einer Position an Nahtstellen der Gliederung (Herausgehobenheit)72 sowie seiner argumentativen oder konstruktiven Funktion zu fragen, etwa der Rolle eines Zitates innerhalb eines „Beweises", z.B. als Prämisse, Einwand von Gegnern, Untersatz in einem Syllogismus usw. Diese Rolle verweist auf die Fokussiertheit des Zitatsegments (13). 8. Insbesondere sind andere Zitatsegmente im Zusammenhang zu beachten, seien sie aus der Bibel (Figuren von Kontrast und Überbietung), seien sie aus Vergil (Addition)73 oder anderen Schriftstellern (Kontamination)74. Beide Einzelfragen haben Rückwirkungen auf die Markiertheit (3), bestimmen wesentlich den Grad der Fokussierung (13) und lassen die Funktion des Zitates erkennen (12). 9. Die erste Frage nach der Prätextseite des Zitatsegments gilt dem Referenzraum oder „Resonanzraum".75 Die Referenz bezieht sich nur punktuell auf das zitierte Segment (Dekontextualisierung, 11), auf dessen Mikrokontext oder auch auf den Makrotext des Buches oder Werkes; das Zitatsegment steht somit streng selektiert oder synekdochisch. In letzterem Fall können der einzelne Prätext oder darüber hinaus die von ihm repräsentierten Gattungen (vergilische Dichtung, römisches Epos, mythologische Dichtung), römische Geschichte oder pagane Religion als textübergreifende Systeme von Augustin evoziert werden.76 Bei Augustin gibt es Stellen, an denen der genaue Bezug von Mythologemen oder dessen, was .die Dichter' sagen, unklar bleibt.77 Häufiger ist aber der Fall einer Einzeltextreferenz mit systemreferentiellen Gehalt. Hierbei kommen sowohl Erkennbarkeit (6) als auch der Aspekt der Verständnisebene ins Spiel (15). Gefragt werden muß hier auch, inwieweit Augustin der Kontext überhaupt bewußt war, wenn er etwa aus dem Gedächtnis zitierte, oder wie weit er den Resonanzraum seiner Evokation intendierte. 10. Auch für den Prätext müssen sprachlicher, gedanklicher und argumentativer Zusammenhang erhoben werden. 11. Davon unterscheiden möchte ich das Verhältnis des Zitatsegmentes zum Prätext78. Der in Schritt 10 erfragte Kontext kann genau so evoziert werden. 70 71 72 73 74 75 76 77 78

Vgl. s. 241, in dem Augustin seiner Hoffnung auf abnehmende Vergilkenntnis Ausdruck verleiht. Systemimmanente Interpretation des Textes, Holthuis 182. Vgl. Heibig 104-109 zur Position als Mittel der impliziten Markierung. Diese Referenzen können sich zu einem Cluster summieren, möglich wäre das bis hin zur Strukturalität. Spezialfälle sind Anagramm oder Repetition (gerade in ciu.). Allgemeiner Durchdringungsgrad, Emphase durch Quantität, Heibig 98. S.S. 26 37 . Referenzpunkt wäre verkürzend. Vgl. das Kriterium der Strukturalität, Pfister 28. Keine greifbaren Anspielungen auf die Systeme der Hirten- und Lehrdichtung. Ein von Augustin gebrauchter Gattungsbegriff ist allenfalls noch Panegyrik (laudes). S.u. zu Anspielungen, des weiteren in der Auswertung zu poeta. Skala der Dialogizität, Pfister 29.

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Theorie

kann modifiziert, umgebogen oder direkt verkehrt werden, was durch absichtsvolle Ignorierung oder irreleitende Einführung erreicht werden kann. Womöglich spielt der Kontext auch überhaupt keine Rolle (etwa bei der stereotypen, moralisch diskreditierenden Wendung ,et soror et coniunx' für Juno). In diesem Fall kann von Dekontextualisierung gesprochen werden (s. 8 zum Resonanzraum). Augustin nimmt bisweilen argumenti causa oder unbewußt Fehl- oder Umkontextualisierungen vor. Z.T. belegen kommentierende Bemerkungen die Bewußtheit dieses Vorgehens.79 12. Als Summe der bisherigen Analyse ist nach der Funktion des Zitates zu fragen. Die Skala möglicher Funktionen reicht dabei vom usus iustus (auf verschiedenen Ebenen der Komplexität), über das Autoritätszitat80, das antipagane Beweiselement mit der wichtigen Unterscheidung total (gegen Vergil) oder instrumental (mit Vergil gegen eine pagane Position) bis hin zur Ausweis- oder or«afws-Funktion.81 13. Die Fokussierung betrifft die Herausgehobenheit im manifesten Text und steht damit in Abhängigkeit von Funktion und Transparenz (11, 12). Dennoch scheint es sinnvoll, die Bedeutung des Zitatsegmentes für den Kontext eigens festzustellen. 2.3

Weitere Schritte der Interpretation

14. Weiter gilt es, häufig auftretende Wertungen und Bemerkungen Augustins über Vergil bzw. Dichtung auszuwerten. Hierher gehören nicht nur literarkritische Konnotationen der Markierung und Einführung (s. die 'Zusatzkodierungen' von Schritt 10 und 11), sondern auch allgemeine Urteile z.B. über den Wahrheitsgehalt von Dichtung oder Mythos oder den Hochmut der Heiden, als deren Repräsentant dann das entsprechende Zitat erscheint.82 Die ausgefeilteste Variante bei Augustin ist die sermocinatio Vergils (s. 105), wo Vergil vom Prediger verhört wird und seine eigenen Texte verteidigen muß. 15. Teilweise kann und muß der Verständnishorizont benannt werden, innerhalb dessen Augustin Vergil an der jeweiligen Stelle liest. Häufig sind das historisches oder immanentes Verständnis (nur ein Ausschnitt aus der Handlung, völlig ohne Wahrheitsproposition), z.T. auch politisches, mythologisches oder auch moralisches, eventuell auch allegorisches Verständnis, bzw. dessen Fehlen im Vergleich zu zeitgenössischen Verstehensweisen (18). Am interessantesten wird dies in dem Moment, wo Augustins Vergilverständnis moderne kontrovers diskutierte Fragen berührt.83 16. Um eine Verzerrung des Bildes zu vermeiden, muß die Frage nach möglichen oder wahrscheinlichen Zwischenquellen gestellt werden. Insbesondere bei gnomischen Wendungen an nicht markierten Stellen in wenig von expliziten Zitaten geprägten Kontexten könnte die Weitergabe als geflügeltes Wort angenommen werden. Andere Zitate können aus Anthologien stammen, wieder andere aus 79 80 81 82 83

S. mag. 4,9 (TER. Andr. 204); 5,16 (ClC. Verr. 2,2,104), s.S. 25 36 . Da Vergil hier als Autorität angeführt wird, möchte ich diese Stufe nicht unter usus iustw im engeren, Souveränität voraussetzenden Sinn subsumieren. Vgl. dazu die Skala der gegenüber dem Prätext möglichen Zusatzkodierungen bei SchulteMiddelich 214-220, bes. 215: positiv- neutral -negativ - gegen 'falsche' Interpretation. Vgl. ciu. praef., s.S. 23 21 . Vgl. c.lul. 3,32 bezüglich des Aeneisschlusses. S. auch util.cred. 6,13 zur unangefochtentadellosen Geltung Vergils.

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Theorie

christlichen Schriften. Das gründliche Vergilstudium der Jugend und frühen Erwachsenenzeit Augustins reicht aus, um ein Auswendigkönnen anzunehmen.84 Zweitens ist zumindest für die Arbeit an der civitas mit einer erneuten Lektüre unter praktischen Gesichtspunkten möglicher Verwendbarkeit auszugehen.85 Womöglich hat Augustin sich hierbei eine eigene Exzerptsammlung angelegt. Gleiches gilt unter den Dichtern zum mindesten noch für Lucan. Vielleicht ist mit Ähnlichem schon früher zu rechnen. Der Skopos der zahlreichen Zitate und Anspielungen in den Schriften gegen Julian liegt in der Anlehnung an Vergil nach dem Muster des Gegners. Für sie ist also - unabhängig von einer evtl. Eignung zum geflügelten Wort und einer auf diese Weise erfolgenden Überlieferung - mit dem aktuellen Quellenbewußtsein Augustins zu rechnen. Auch die exegetischen Autoritätsbelege setzen dies voraus. Selbst bei Stellen mit möglichen Zwischenquellen bleibt ein eigenständiges Erinnern bzw. Nachlesen Augustins möglich oder gar wahrscheinlich, insbesondere, wenn er diese Zitate anders einsetzt als seine apologetischen Vorgänger oder weitere Stellen aus dem Kontext evoziert. Gegen eine vorschnelle Annahme zahlreicher Zwischenquellen spricht das völlige Fehlen von Hinweisen auf sie in Augustins Schriften.86 Gerade bei sprachlichen oder metrischen Belegen, die sich genau so auch bei anderen Grammatikern finden, sind natürlich Grammatikertexte als Zwischenquelle kaum von der Hand zu weisen.87 Andererseits ist in ihnen ja ihrerseits die Transparenz auf Vergil gegeben, und es ist auch vorstellbar, daß der professionelle Grammatiker sich eigenständig an seine früheren Paradebeispiele erinnert (17). 17. Im Zusammenhang damit muß auch nach anderen Rezeptionsbelegen der jeweiligen Partien gefragt werden.88 Sie sind einerseits potentielle Zwischenquellen (s. 16), andererseits geben sie Aufschluß über die Exponiertheit dieser Stellen im Vergiltext und über die Anschlußfähigkeit dieser Stellen insbesondere für Christen. Sie bieten außerdem den Hintergrund für eine Wahrnehmung des eigenständigen Charakters von Augustins Klassikerlektüre. Dabei spielen neben christlichen Vergillesern besonders die paganen antiken Erklärer, Servius, Claudius Donatus und Macrobius, eine prominente Rolle sowohl für allegorisches wie für philosophisch-neuplatonisches Vergilverständnis. Neben Servius repräsentieren auch andere Scholiasten die Tradition des Unterrichts, in der Augustin von den Anfängen seiner Laufbahn her ja auch stand.

2.4

Testimonien

Ein abgewandeltes Vorgehen erfordern Vergiltestimonien bzw. Nennungen seines Namens ohne konkrete Bezüge auf seine Texte. In der Beschreibung kann hier nur nach Markierung, Einführung und Signifikanz gefragt werden, in dem von mir ,Analyse' genannten Komplex ist nach der Stellung im manifesten Text und den Bezügen des mittleren Kontextes, nach dem Resonanzraum bzw. dem Bezug, sowie der Funktion zu fragen. Auch hier ist der Fokus zu überprüfen, S. an.et or. 4,7,9, wo ein Simplicius als besondere Leistung Vergil rückwärts aufsagen kann. Etwa möglicherweise für die moralisch auswertbaren Stellen aus Juvenal. Hingegen ist er sich des Problemfeldes "Zitieren aus 2. Hand" durchaus bewußt und signalisiert ein solches Vorgehen zumindest an einer Stelle deutlich. Ein Sonderfall ist De musica, wo Augustin die Belegverse sicher aus der grammatischen Tradition schöpft. Diese Verse stehen (häufig) isoliert und werden von ihm sonst nicht verwendet. Vgl. die in util.cred. namentlich erwähnten Vergilkommentatoren. Soweit sie über Courcelle oder die elektronischen Datenbanken erfaßt werden können.

Theorie

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eventuelle Wertungen und die Verständnisebene. Die Untersuchung der Zwischenquellen und parallelen Rezeptionen ist nur bei sehr speziellen Bezügen möglich. 3

XQTJÖK;

Für Augustins Vergilrezeption erwies sich das Konzept der Xofjoic;, des usus iustus, wie es Christian Gnilka entwickelt hat und es Arbeiten anderer für Ambrosius und Sedulius anzuwenden suchten, als von nur begrenztem Nutzen. Da aber mit diesem Ansatz der Anspruch eines hermeneutischen Universalschlüssels für den Umgang der Kirchenschriftsteller mit der paganen Kultur vorgelegt wurde, möchte ich ihn zunächst besprechen und dann seine Anwendbarkeit auf das hier gestellte Thema betrachten. 3.1

Das Konzept der Xofjaic

Gnilka hat, zuletzt in den Monographien „Der Begriff des ,rechten Gebrauchs'" und „Kultur und Conversion" eine Beschreibung für den Umgang der Kirchenschriftsteller mit der sie umgebenden paganen Kultur entwickelt und vorgelegt,89 die sich ganz auf den Standpunkt dieser Autoren stellt und in programmatischer Beschränkung deckungsgleich ihren Horizont einzunehmen sucht.90 Er begreift diesen Umgang weitgehend einheitlich91 als Christianisierung der Umwelt und Conversion der Kultur, konkret in dem rechten Gebrauch (usus iustus, XQfjotc; öof>fj / öiicaia) der Kulturgüter durch die Christen, z.B. zu polemischem oder missionarischem Zweck. Gnilka bekräftigt dabei in Fragen der fehlenden moralischen Relevanz der römischen Religion wie auch der Amoralität der Theaterspiele die Position der Kirchenväter.92 Das Ergebnis sei eine „Kulturmetamorphose", eine geistige und kulturelle .Makromutation' nie dagewesener Art, die durch den Fortbestand alter Formen und Gedankenelemente in allerdings neuer Sinngebung gekennzeichnet sei.93 Die 89 90

91

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93

Zusammenfassungen des Chresis-Modells Mazzega 10-12. S. auch Gnilka 1979, bes. 141149. Gnilka fordert ein "gewisses Maß an innerer Zustimmung zu der Christianisierung" (1984, 23). Aufgabe des Interpreten ist demnach lediglich das Nachzeichnen unter dem einheitlichen und einigenden Gesichtspunkt der Chresis, Gnilka 1993, 91: „die Selbstzeugnisse der Väter, ihre Äußerungen über die Conversion bilden nur gleichsam die Vorzeichnung der Linie, nachgezogen wird sie durch die Interpretation der Denkmäler christlichen Lebens und Schaffens". Gnilka 1993, 77. Differenziert wird nur nach der Haltung der Personen: „bisweilen als Weite und Überlegenheit, bisweilen als Vorsicht und Besorgnis" (Gnilka 1984, 19). S. auch Gnilka 1993,124. Gnilka 1993, 119 bes. A125; 119f. zu den Spielen, wo Augustin gegenüber modernen Stimmen die größere Kompetenz zugesprochen wird, ohne daß eine Tendenz in seiner Darstellung erwogen wird. Gnilka 1984, 21 f. Als Zeugnis für diese Umwandlung führt Gnilka 1993, 96, HlL.ARELAT. vita Honorat. 17,6 an, der die permutatio bestaunt, die in der humanisierende Gegenrichtung zu der Kirkes abläuft (ohne Hinweis auf die Zitatelemente, s. HÖR. ep. 1,2,24 oder Ov. Met. 14.294; Vgl. CARM. de Sod. 17-20). Als "ganz unverdächtigen Zeugen" fuhrt Gnilka weiter (97) Rutilius Namatianus an, der l,525f. ebenfalls die Wirkung des Christentums mit Kirkes Zaubertrank vergleicht: 'num, rogo, deterior Circaeis seeta venenis? / tunc mutabuntur Corpora, nunc animi'.

Theorie

35

Legitimation liege in dem theozentrischen Gedanken, daß alles vom Menschen hervorgebrachte Gute und Schöne Gott als dessen Schöpfer gehöre.94 Die Kulturgüter böten in diesem Gedankenmodell eine Mischung von Wahrheit und Falschheit.95 Die Wahrheitshaltigkeit des Übernommen sei den Kirchenschriftstellern sehr ernst gewesen, es handle sich nicht um bloße Taktik.96 Zitierte Elemente würden nicht als Fremdes ,herübergezogen' oder ,herbeigezogen', vielmehr „durch den christlichen Gebrauch in ihren ursprünglichen, eigentlichen, passenden Bereich zurückgeführt, aus dem sie stammen und in dem sich erst ihr voller Sinn offenbart, der zuvor verdunkelt war".97

3.2

Strukturmomente der Xgfjmc

Gnilka unterscheidet mehrere Phasen in der Nutzung, nämlich Auswahl / Herauslösung, Reinigung und Bewahrung/Integration. Die Reinigung sei in der Conversion notwendig inbegriffen.98 Sie ermögliche das „Doppelprinzip der Erhaltung und Veränderung" und selbst die polemische Forderung nach Vernichtung etwa der Tempel, Altäre oder Götterbilder diene der weitestmöglichen Erhaltung.99 Eine Aufstellung der Bildwerke100 sei als Übernahme ganzer Einheiten aber nur eine Möglichkeit der Chresis; meist würden Elemente nach dem Aufbrechen des Ganzen und ihrer Herauslösung übernommen.101

94

„Die Schätze heidnischer Kultur müssen daher dem Zweck der Verehrung und Anbetung Gottes dienstbar gemacht werden", Gnilka 1984, 15. Daraus ergebe sich eine bewahrende Praxis in bezug auf alles, "was an der betreffenden Sache convertibel erschien" (ebd.). Die Vokabel convertere passe für diese „Bewahrung und (totale) Veränderung" (Gnilka 1984. 135). Das behauptete Maximum kann nicht bewiesen werden; auch Gnilka urteilt nur von dem aus, was z.B. Augustin faktisch bewahrt. 95 Z.B. Gnilka 1993, 36 über das Zwei-Wege-Bild Vergils als Schulbeispiel der Chresis bei Lactanz. Vgl. ebd. 184 zu AUG. ep. 137 mit dem Zitat aus ecl. 4,13f: Die nichtchristliche Kultur „stellt (1) eine ,Mischung' dar aus Wahr und Falsch, aber die wahren Elemente darin sind (2) durch die Menschwerdung Gottes ,bestätigt' worden, ja darin sieht Augustinus geradezu einen ,Zweck' der Inkarnation". 96 Vgl. Gnilka 1993, 90A102: in einer Wendung gegen Dörrie, Theologie und Philosophie 1981, 5f; 30, 43ff. Die von Dörrie ins Feld geführte ,Klugheit der Schlangen' (31) ist jedoch ebenso biblische Maxime, außerdem erwägt Gnilka die Möglichkeit eines nur defizienten Verständnisses, bzw. einer verzerrenden Wiedergabe nicht. 97 Gnilka 1993, 80, mit Bezug auf das Aratzitat des Paulus. Gnilka gibt hier keine Signale einer Distanzierung von der Paraphrase und Wiedergabe einer bloßen Innensicht. 98 Da das, „was die totale qualitative Veränderung verhindert, abgewiesen und aus dem Prozeß der Umformung ausgeschieden werden muß, damit diese überhaupt stattfinden kann", Gnilka 1993, 129f. S. auch Gnilka 1984, 17 mit der diakritischen Begrifflichkeit. 99 Gnilka 1993, 129. Gnilka entfaltet im folgenden durchaus unterschiedliche Haltungen und Forderungen der Kirchenschriftsteller gegenüber Tempel und Bildern (132-155), die er als Reaktionen aus demselben Geist, abhängig von äußeren Möglichkeiten auffaßt (151). 100 PRUD. c.Symm. 1,501-505, nach der Reinigung von Aspersion durch Opferblut. Von Mausbach, Die Ethik, 305f. als Prinzip betrachtet, obwohl Augustin die Bildnisse gerade nicht schonte. 101 „Nicht Piatons Philosophie in toto ist für die christliche Religion nutzbar und kein einziger platonischer Dialog im Ganzen, nicht die Ethik der Stoa insgesamt und keine ganze Schrift Senecas. Ebenso kein Werk Vergils, kein ganzes Buch oder Gedicht (die vierte Ekloge einmal beiseite!), keine zusammenhängende Partie daraus, kaum ein ganzer Vers - die Centonen wiederum nicht gerechnet. Die Väter werden nicht müde zu betonen, daß nur .Teile' (ueor|) für die Aufnahme und Neuorientierung in Frage kommen", Gnilka 1993.

36

Theorie

Gerade die literarischen Beispiele bestätigen nicht die universale Tauglichkeit dieses Grundsatzes resp. seiner Übertragbarkeit aus dem Bereich der Bauten und Bilder auf den der Literatur102: Centonen (eine eigene Kunstform, nicht bloße Übernahmen des Brauchbaren) werden von anderen Kirchenschriftstellern nicht eben positiv beurteilt.103 Vergilpassagen hätten durchaus übernommen werden können. Es fehlte offenbar am Willen, ein Florilegium mit Vergilversen 'ad usum Christian? anzufertigen. Pagane Dichtung wird von christlicher Dichtung „gebraucht", wobei die Rede z.B. von Transposition oder Kontrafaktur adäquater erscheint. Die Rezeption außerhalb eines poetisch-produktiven Zusammenhanges läßt sich mit 'Gebrauch' nur unzureichend erfassen, etwa in Fällen, in denen ein philosophischer Gedanke in der Fassung eines Dichters herangezogen wird. Allerdings geschieht das bei Augustin als Argument oder Beglaubigung, selten im Sinne einer spoliierenden Umorientierung. 3.3

Begrifflichkeit

Ausgehend von der doppelten Setzung a) der notwendigen Verstehensvoraussetzung einer Horizontverschmelzung zwischen modernem philologischen Interpreten und Kirchenschriftsteller und b) der durchgehenden geistigen Überlegenheit und Souveränität der Kirchenschriftsteller gegenüber den Ideen ihrer paganen Umwelt104 diagnostiziert Gnilka „die Schwäche der modernen Begrifflichkeit", der er aufgrund des Fehlens einer antiken Fundierung einen Verlust an Aussagekraft und fehlende Eindeutigkeit zuschreibt.105 Insbesondere wendet er sich gegen ,Synthese' und ,Symbiose'. 106 Für grundlegend erachtet Gnilka x@f)OÖai, XQfjaig, uti, usus101 Den Begriff des rechten Gebrauchs, gekennzeichnet „als herrscherlicher Akt einer jeweils überlegenen geistigen Potenz",108 verortet er in der antiken Philosophie, um dann bei Kirchenvätern über die Aufnahme des philosophischen Chresis-Begriffes

102 103 104 105

106

107 108

152f. Ausgeschieden worden seien Dinge, die durch heidnischen usus proprius in enge Verbindung mit paganem Kult geraten sind, ebd. 155. Vgl. Gnilka 1993, 186 mit Bezug auf AUG. ep 137,16. Vgl. HIER, epist. 53,7; Herzog, Bibelepik 175.210f. „Plerophorische Überlegenheit" Gnilka 1984, 18. S. auch ebd. 134 (s.S. 38 124 ). Gnilka 1984, 25. Aus dem Literaturbericht W. Fauths (Philosophische Tradition und geistige Begegnung mit der Antike im Schrifttum der Patristik, GGA 230, 1978, 69-120) listet er die Termini Akkomodation, Adaption, Transformation, Verschmelzung, Infiltration, Beeinflussung, Einfärbung, Dependenz, Imprägnation, Rezeption, Begegnung auf, die von kirchlichen Denkern nicht (oder nur mit Zusätzen) verwendet worden seien.An Herzogs Musterung der Begrifflichkeit und ihrer Mängel (Probleme der heidnisch-christlichen Gattungskontinuität, bes. 390ff.) kritisiert Gnilka die „Untauglichkeit der formalen (neopositivistischen) Betrachtungsweise" als urteilender Instanz, während er offenbar das Kontinuitätsmodell der Vergeistigung billigt (Gnilka 1984, 26A28). Unter Berufung auch auf moderne kirchenamtliche Äußerungen in Gnilka 1993, 122f, wo er A138 eine weitere Widerlegung ankündigt. Trotzdem könnte die Praxis aller und das Bewußtsein der nicht engagierten christlichen Autoren als Symbiose oder Synthese beschrieben werden, wobei dann freilich zum einen eher die Kontinuität zu der paganen Welt in den Blick käme, zum anderen die christlichen Schriftsteller nicht mehr als einheitliche Front der Väter erschienen. Gnilka 1984, 27. S. auch Thraedes Kritik, JbAC 22, 1979,72 Chresis als bloßes Etikett, anzuwenden auch auf Augustins Paulus'benutzung'. Gnilka 1984, 33; der Gedanke 29-43.

Theorie

37

eine terminologische Verfestigung bei Origenes festzustellen109 i.S. einer Pflicht zum Gebrauch der vorchristlichen Güter. Bei Origenes begegnet auch bereits die allegorische Exegese von Ex 3,21."° Über das Stichwort Ägypten (und dem Verbot, dorthin hinabzusteigen) kann auch die Warnung allegorisch aus der Bibel gelesen werden, Unbrauchbares und zu Häresien führende philosophische Ideen ,mitzunehmen'.' • • Wie ein Lehrer „sich aus didaktischen Gründen auf die Ebene des Schülers" begebe, 112 würden in einer äußerlichen Anpassung als Mittel zum Zweck und vorübergehend Dinge geduldet..., „die einer vollkommenen Auffassung christlichen Lebens nicht entsprechen".113 Augustin habe dies durch das uti/rw/-Schema vertieft. • u Eine allegorische Interpretation des aix|iaA.CDTi£eiv aus den Anweisungen von Dt. 21,10-13' 15 verdeutliche, „daß die Chresis nicht in einer äußerlichen Angleichung an die nichtchristliche Kultur, sondern in einer Eroberung und positiven Verarbeitung ihrer Güter besteht."116 Sowohl für den diakritischen117 wie auch für den schöpferischen Aspekt118 konnte das Gleichnis der Biene aus paganer Literatur herangezogen und entwickelt werden.119 Selbst innerhalb der selbstauferlegten - nicht konsequent durchhaltbaren120 Beschränkung auf die Väterterminologie fehlen wichtige anders konnotierte Termini, vor allem usurpare.121

109 110

111

112

Wichtig als Schulprogramm, unter Einschluß der Lektüre heidnischer Philosophen und Hymnendichter, ausgenommen der Atheisten, ebd. 55. Überboten durch die Mndigenen' Schätze Jerusalems; zur Ausgestaltung in doctr. ehr. s.S. 160. Gnilka 1984, 57f.

Gnilka 1993, 82 nach ORIO. c.Cels. 4,12; legitime und pädagogische o-iryxaTäßaoit;. "3 Gnilka 1993, 82 mit dem Beispiel der Gedächtnismähler an Märtyrerfesten. Weitere Begriffe seien "umwandeln" (uxTaoeudui^eiv) und "zurückgeben" (QJIOÖIÖÖVCU), Gnilka 1993,63-92. 114 Gnilka 1984, 80: ,ja man darf sagen, daß erst dieser Kirchenvater den Begriff w; zu einem zentralen Begriff seines Denkens und zu einem Begriff wahrhaft theologischen Ranges gemacht hat.", Darstellung ebd. 80f. mit den Termini: convertere / 'referre ad DeumV 115 HIER, epist. 70,2 (Bezug auf Paulus' Zitatpraxis) Gnilka 1984, 17. Gnilka 1979, 142f. 116 Gnilka 1984, 64f. 117 Gnilka 1984, 105-117. Neben der pädagogischen Warnung vor Schädlichem konnte nach Lucr. 3,9ff die Tätigkeit der Biene als reines Sammeln von Gutem aus Gutem begriffen werden und so etwa für die Bibellektüre dienen. Das Bienenbild hilft auch Hieronymus, den selektiven Charakter christlicher Chresis, konkret der nur partiellen Zustimmung des Paulus zu den von ihm zitierten paganen Texten zu kennzeichnen (in Tit. 607,28, zu Tit. 1,12). 11!i Gnilka 1984, 118-132, bes. SEN. ep. 84, wo die einzelnen Arbeitsgänge der Umwandlung ausgewertet werden; diese ist aber als Prozeß der verwandelnden Aneignung des Fremden durch das Subjekt und auf dieses hin (coalescere, confundere) für die Kirchenväter nicht verwendbar. Macr. Sat. 1,3-9 legt angelehnt an Seneca, aber ohne moralphilosophischen Zusammenhang, den Nachdruck auf die Ordnung des gesammelten Materials innerhalb einer Imitatio-Theorie (Gnilka 1984, 120f.). 119 Weitere Metaphernbereiche Gnilka 1984, 17; 1993, 83-91. 120 S. Gnilka 1984, 64; Gnilka 1993, 46 ('Auseinandersetzung'). 121 Eindeutig terminologisch, Bei Augustin doctr.chr. 2,30,47, sowie ciu. 5,8 für die stoische Homerinterpretation; bei anderen Kirchenväter für den Umgang des Paulus mit den paganen Zitaten: AMBR. fid. 3,1,19 oder für eigene literarische Tätigkeit im Verhältnis zu paganen Quellen: SlJLP.SEV. chron. 1,1,4. Gnilka vermerkt es nur doctr. 2,36,54 als Mißbrauch der Redekunst zu Unrecht und Irrtum, Gnilka 1984, 88A232. Daneben auch refutare, retorquere etc.

38 3.4

Theorie Würdigung der Xgfjaiq-KonzeptioD

Die Zusammenstellung der Bilder einer souveränen, diakritischen und produktiven Aneignung nichtchristlichen Kulturgutes durch Christen ist unbestreitbar nützlich, zumal die Entwicklung und Ausarbeitung dieser Bilder oft selbst den beschriebenen Chresis-Vorgang in besonderer Weise repräsentiert. Allerdings ist der Anspruch Gnilkas überzogen, damit einen generellen Schlüssel vorzulegen. Erstens müßte überprüft werden, ob die Methode gegenüber der Bibel nicht in ähnlicher Weise beschrieben werden könnte. Dort ist zwar die Ausgangslage die einer grundsätzlichen Annahme, aber auch hier wird eine Herauslösung vorgenommen, um aus dem Gesamt einzelne theologische Aussagen zu gewinnen; widerstrebende Züge werden gereinigt (etwa durch allegorische Interpretation), womöglich werden andere Dinge stillschweigend ignoriert. Erst wenn die Haltung gegenüber Texten der Bibel oder der christlichen Tradition scharf davon abgesetzt werden kann, tritt das Besondere gegenüber den paganen Texten hervor. Zweitens müssen andere Facetten des patristischen Wortinventars für den Umgang mit Texten erfaßt werden. Drittens gibt es neben der hier beschriebenen „integrierenden" Weise des Umgangs mit Fremdtexten noch einen polemischrefutativen, der die inkorporierten Teile nur zum Zwecke der Bestreitung bewahrt und außerdem wohl noch eine Verwendung paganer Güter in inhaltlicher Neutralität als Ausweis der Zugehörigkeit zu dem Kreis der Gebildeten. Letzteres könnte man als Schmuckzitat bezeichnen, allerdings erfüllt dieses eine Funktion auf der Kommunikationsebene. Hier wird man allerdings Grenzfällen begegnen, weil auch inhaltliche Konnotationen in aufnehmender oder konfrontativer Weise mitschwingen können.122 Trotz der Abgrenzungsproblematik möchte ich mich idealtypisch an diesen drei Möglichkeiten orientieren. Außerdem muß der Grad der inhaltlichen Umbiegung berücksichtigt werden, die die Kirchenschriftsteller u.U. bewußt und in der Tradition antiker Polemik vornehmen konnten.123 Gnilka weist völlig zu Recht auf die Termini und Bilder hin, die ein Bewußtsein der Kirchenschriftsteller in ihrem Tun und damit zumindest einen Strang einer Theorie für ihr Verhältnis zur paganen Umwelt dokumentieren.124 Unstatthaft ist aber die Einschränkung auf die expliziten Selbstäußerungen und das Beharren auf einer durchgehenden Souveränität, konkret das Verbot, darüberhinaus nach Beeinflussung o.a. zu fragen und damit eigene, weitergehende Kriterien zu entwickeln.125 Die prinzipielle Möglichkeit einer die Schwelle des 122 123 124

125

Wie z.B. in ord. 1,4,10. S. zuciu. 5,8 S. 271. Seine Apologie (Gnilka 1993, 79) läuft ins Leere Mit dem von Gnilka beschrittenen Verfahren erhebt man tatsächlich nur Absicht und Selbststilisierung, nicht aber die Sache des Umgangs. Zum Beleg verweist er (1984, 134) pauschal auf die Beispiele "der gelungenen Chresis, deren Zahl freilich Legion ist". Der Maßstab des Gelingens ist jedoch theologischdogmatisch. Aneignung und Gebrauch als bloßes Aufsammeln von Gedanken oder Fortnelementen sind wenig überraschend angesichts der geradezu enttäuschenden Bruchlosigkeit der Christen gegenüber der antiken Kultur. Gnilka entwirft verzerrend den Vergleich mit einem Piatonforscher, der nicht von Idee spreche und Trugbild statt Urbild sage: „Wer sich von vorneherein nicht auf die Bilder und Begriffe der Väter einlassen will, wer etwa von Beeinflussung' spricht und nicht von ,Nutzung\ versperrt sich und anderen den Weg zum Verständnis des Denkens der Väter." (Gnilka 1984, 134). Termini, die den Horizont eines Autors übersteigen, sind prinzipiell zulässig und häufig unabdingbar, da ein Interpret mit 'blinden Flecken' oder sogar bewußten Verdrängungen eines Autors rechnen muß. Selbst bei Positionen, die ihre Voraus-

39

Theorie

Bewußtseins und der Entscheidung unterlaufenden Beeinflussung kann nicht geleugnet werden. Die Sicht Gnilkas bestimmt ein triumphalistischer Zug: Mißverständnisse oder mögliche auch nur partielle geistige Unterlegenheit begegneten bei den Vätern nie, alles geschehe planvoll souverän. Da er den Erfolg ausschließlich an den Kategorien der dogmatischen Integrität mißt, kann er zirkulär den faktischen Gebrauch zum optimalen und weitest möglichen erklären.126 Eine Trennung von Selbstsicht und Selbstäußerungen der Kirchenschriftsteller unterbleibt dabei. Gerade für Äußerungen des Überlegenheitsbewußtseins ist dies methodisch unzureichend. Die angeführten Äußerungen lassen sich auch als Indizien eines tatsächlich bestehenden Unterlegenheitsgefühles deuten, z.B. in Fragen der Schönheit und des Stils127 aber auch gegenüber komplexen philosophischen Gedankengängen. Dem Konzept der Chresis fehlt die ,Feinkörnigkeit'. Dieser Obertitel sagt nicht aus, ob ein Kirchenschriftsteller die Transparenz auf die Vorlage wünscht, ob er - in modernen Begriffen - zitiert, verweist oder plagiiert. Erst die Erkennbarkeit ermöglicht das ,Ausborgen' einer Autorität, die in manchen Kontexten pagane Autoren eben doch darstellten.128 Anderenfalls bleibt es bei der Übernahme einer gedanklichen Struktur, die aus sich heraus wirken oder durch den eigenen Kontext beglaubigt (oder widerlegt) werden soll. Überdies kann eine Erkennbarkeit gestuft erfolgen durch Signale, die von Rezipienten unterschiedlicher Bildungsniveaus unterschiedlich tief entschlüsselt werden, indem etwa eine Meinung einer Autorengruppe zugewiesen wird, eine Identifikation aber nur dem Spezialisten offensteht. 3.5

Anwendung auf die Fragestellung dieser Arbeit

Das Konzept der Chresis erweist seine Tauglichkeit für Philosopheme129 oder Wissenschaftszweige130, nicht jedoch für die Dichtung - in der Hinsicht, daß Dichtung oder allgemein Literatur im engeren Sinn Gegenstand der Mitnahme und des Nutzens sein könnte.131 Die Belege aus diesem Bereich fallen ungenügend aus. Augustin kann die Gedichte Vergils als Steinbruch benutzen, auf der Kommunikationsebene ('rhetorisch', ohne echten Inhaltsbezug) oder zu Setzungen explizit machen, wird der Interpret die 'mitgelieferten' Schlüssel zur Kenntnis nehmen, auf eigene Wertungen aber nicht verzichten. 126 Gnilka macht sich Aufgabe und Selbstsicht der "Väter" zu eigen. Damit wird der interessantere 'Rand' ignoriert: die Lösung aus alten Zusammenhängen, die Affiziertheit, die fehlende Souveränität. 127 Vgl. etwa zur Wirkung paganer Literatur und Dichtung HIER, in Ion. 3,6f. (p. 420), epist. 21,13,4, Hagendahl 1958 315. Zur Gefahr, wegen der Schönheit u.a. paganer Dichtung (im Unterschied zur Bibel) ,ad impios eultus' verfuhrt zu werden LACT. epit. 5,6, inst. 5,1,10. 128 Was bei einseitiger Betonung des Überlegenheitsbewußtseins zu wenig in den Blick kommt. 129 Durchgeführt in M.Becker, Die Kardinaltugenden, bes. S. 13.273-276. S. Prestel (11-22) für die Cicerorezeption in doctr.chr. etwa die Freundschansdefinition Ciceros in ep. 258,1, s.S. 317. 130 S. für die Rhetorik W.Blümer, Rerum Eloquentia, bes. die Einleitung 5-8, sowie das Nachzeichnen des Bildes vom fueus eloquentiae 9-33. 131 Der umgekehrte Fall, daß christliche Dichtung Nutzung betreibt, ist natürlich leicht nachweisbar, s. hierfür Mazzega zu Sedulius' Carmen paschale B3, 10f.34-51. Des weiteren s. Gnilka 1979.

40

Theorie

apologetischen Zwecken. Beidemale entfällt der Schritt der Reinigung, deshalb wäre die präzise Kategorie der Chresis verfehlt; bei dem rhetorischen Mittel muß eine Neutralisierung erfolgen, evtl. kann auch eine Neucodierung durch den Kontext vorliegen, womit bereits ein Grenzfall zur Chresis erreicht ist. Andererseits müssen Autoritätszitate insofern abgegrenzt werden, als sie gerade nicht aus der Position der Überlegenheit heraus erfolgen. Sie können als usus iustus allenfalls im weiteren Sinne gelten. In diesem weiteren Sinne als chresishaft erweist sich vor allem eine Gruppe augustinischer Vergilzitate, nämlich die Rechtfertigung von Sprachgebrauch oder Stilmitteln der Bibel mit Hilfe Vergils. Augustin wertet Ansätze für eine sehr viel näher liegende Erklärung, nämlich in die Septuaginta und dann in die lateinischen Übersetzungen eingedrungene Semitismen nicht aus, sondern präsentiert die z.T. an den Haaren herbeigezogenen Vergilparallelen. Er sucht damit offenbar Unterstützung bei der größten Sprachautorität. Beliebt sind bei ihm ferner Lucanzitate. Hier geht es aber nur noch um Sprachrichtigkeit oder Zulässigkeit rhetorischer Figuren, nicht mehr um Inhalte oder Schönheit. Auffällig sind dabei Stellen, die ihrem Inhalt nach Mythologumena einbegreifen. Allerdings wirkt diese Gruppe nur durch ihre explizite Anlehnung an Vergil; Augustin ,rettet' den angefeindeten Stil seiner biblischen Autoren unter den ,SchutzmanteP der großen Sprachautorität Vergil. Auch dies spricht gegen eine zu hohe Ansetzung der Souveränität und des Selbstbewußtseins, auch wenn sich dieses dann im Laufe der Entwicklung emanzipiert. Nicht nur wegen des mythologischen bzw. pagan-theologischen Gehalts des vergilischen Werkes an sich oder wegen eines fehlenden Interesses an Belletristik (soweit nicht erbaulich funktionalisiert) verwendet Augustin Vergil nur mit Zurückhaltung, sondern auch weil selbst der usus iustus zurücklenken würde auf den usus proprius und Augustin die ,pagane Bibel' nicht noch aufwerten wollte.

III

Einzeluntersuchungen

A

Philosophische und theologische Frühschriften

A.l

Contra Academicos

1

Übersicht und Einleitung

Literarische Bezüge, besonders Vergilanspielungen und -zitate 1 sind in Contra Academicos wichtige Elemente sowohl des Rahmens unter Einschluß von Dichterzitaten voranschreitet.2 Daneben lassen sich auf ganz unterschiedlichen Ebenen weitere Mittel literarischer Gestaltung über den gesamten Dialog hin verfolgen: 1) Wiederkehrende Elemente des literarischen Rahmens sind funktional eingesetzt und konventionell, wie insbesondere der Vergleich mit Cicero zeigt. 2) Mit Cicero verbindet sich auch das wichtigste Charakteristikum der Gestaltung, die meist beweisenden Zitate aus Ciceros philosophischen, vor allem akademischen Schriften.3 Diese Bezüge nehmen einen konkurrenzlos breiten Raum ein, da a) Cicero für Augustins Kenntnisse die Hauptquelle ist, b) die Academica die Folie für Contra Academicos sind und c) Augustin auf der Dialogebene bei seinen Schülern Cicerolektüre voraussetzen bzw. fordern kann.4 Wörtliche Zitate stehen neben Paraphrasen oder bloßen Verweisen. Auch muß mit der Möglichkeit tendenziösen Zitierens gerechnet werden. Hierher gehören

1 2

3

4

Übersicht Fuhrer 138f. s.S. 46. Im Gefolge klassischer Ausprägungen des philosophischen Dialogs; ein zentrales Moment der von Fuhrer (2f.) betonten "Integration von christlicher Lehre und traditionell-heidnischem Bildungsgut". Wegen der trümmerhaften Überlieferung von Ciceros Academica bleiben Aussagen Spekulation. Jedoch sind nirgends andere philosophische Quellen zwingend anzunehmen. Auch Rahmenelemente sind ciceronisch stilisiert, so beim Übergang zum Lehrvortrag. Fuhrer 284. Zur Autorität Ciceros s. die Verwirrung des Trygetius angesichts der Namensnennung, Acad. 1,9,24 (s. Lütcke, auetoritas 114). Dies gilt besonders für den Hortensius, der von der Ausgangsfrage an im Hintergrund bestimmend ist (fr. 69.3SZ, Acad. 1,2,5; auch der die Exposition des Themas abschließende Satz stammt evtl. aus dem Hortensius: '[...] nam majores nostri, quos sapientes beatosque aeeepimus, eo solo, quod uerum quaerebant, bene beateque uixerunt', 1,2,6). Trygetius wehrt bezüglich des sapiens die Nachfrage nach Karneades (als ihm unbekannt), nicht aber die nach Cicero ab, dem er zugesteht, ein Weiser zu sein; daraufhin konfrontiert Licentius ihn mit zwei Hortensius-Zitaten (fr. 91.1 SZ, 1,3,7), die das Suchen nach der Wahrheit als Ziel und Glück des Menschen bestimmen. Trygetius erkennt daraufhin Cicero den Rang des Weisen wieder ab und bezieht zumindest in der Angelegenheit dieses Zitates eine Gegenposition (1,3,8). In 2,7,17 ist fehlendes Studium von Ciceros Academici (libri) ein Vorwand, sich aus dem Gespräch zurückzuziehen. Die Schüler haben wohl nur den Hortensius gelesen, den Augustin hier nicht unter die Academici libri rechnet (vgl. 3,20,45; 3,14,31). Alypius beruft sich in 2,10,24 auf Cicero als neben Augustin selbst zweite Autorität zur Abwehr eines Scheingefechts ('[...] quod te ipso insinuante et auetoritate illa Tulliana turpissimum esse saepe confessi sumus'). Mit der Rückführung dieses Grundsatzes auf Cicero bezieht sich Alypius offensichtlich auf den Unterricht Augustins und auf de orat. 1,47 (wörtlich in c.Cresc. 1,12,15 und ciu. 9,5; Hagendahl 041, Fuhrer 212f). Auffällig ist der Rang Ciceros als auetoritas. 'video enim te non tarn aecusatorem quam adiutorem fore' (2,10,24) ist kein Nachhall von Cic. nat.deor. 1,17 (so Pease ad 1., von Fuhrer 212 als Möglichkeit angeführt), da dort der Gegensatz mit aecusator nicht gegeben ist.

42

Früh Schriften

auch Beispiele und Topoi, die Augustin aus Cicero oder anderen Quellen bezieht.5 Er übernimmt in 3,6,13 leicht modifiziert die Freundschaftsdefinition aus Lael. 20; dieses Glanzlicht schließt den dialogischen Teil.6 Die Existenz des Weisen sichert er mit zwei Cicerozitaten ab, das erste umgeformt und eingepaßt, das zweite wörtlich und unter Angabe der Herkunft angeführt.7 3) Durch den Text ziehen sich Metaphernketten in mehreren Strängen, Waffen und Militär,8 Licht und Sehfähigkeit9 sowie Elemente wie Wasser und Wind.10 Dazu kommen Metaphern aus religiösen oder mythologischen Kontexten" sowie solche aus Bereichen des täglichen Lebens12 und metaphorische Einzelausdrücke.13 Z.T. verdichten sich die sonst verstreuten Metaphern zu einem zusammenhängenden Gefüge.14 5

6

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11

12 13 14

Z.B. Acad. 3,10,23-13,29; Augustin eröffnet das Gespräch des 3. Tages mit einer als traditionell ausgewiesenen (und als bekannt vorausgesetzten) Definition der Weisheit, die er aus Cicero bezieht, der seinerseits sie .alten Philosophen' zuschreibt, ClC. off. 2,5, Tusc. 4,57; daß Augustin wie SEN. ep. 89,5 die causae wegläßt, spricht für eine unabhängige Parallele (gg. Voss, Acad. 339f.A28). Einem doxographischen Handbuch oder einer skeptischen Schrift könnte er mit der Reihe disjunktiver, unverwechselbar wahrer Sätze in 3,10,23 folgen, Fuhrer 338f. mit AI2. S. auch die Schulbeispiele für Sinnestäuschungen in 3,11,26. Fuhrer vermutet 357 als Quelle eine Sammlung skeptischer Tropen. Acad. 3,6,13: ' [...] si quidem amicitia rectissime atque sanctissime definita est «rerum humanarum et diuinarum cum beniuolentia et caritate consensio»', ClC. Lael. 20, Fuhrer 282; Hagendahl 523f. und t202a. Die Modifikation erstreckt sich auf die Umstellung der beiden Bereiche analog zu Augustins Wertehierarchie, sowie auf das Weglassen der Universalität (omnium), die in diesem Stadium des Dialogs noch nicht gerechtfertigt wäre. Die Markierung erfolgt nicht namentlich, aber explizit; der Charakter der Stelle wird zutreffend wiedergegeben. Augustin signalisiert explizit seine auf die Sache (rectissime) und ihren religiösen Gehalt (sanctissime) bezogene vollständige Billigung. Acad. 3,14,31: 'clamat Cicero «se ipsum magnum esse opinatorem, sed de sapiente se quaerere» (ac. 2,66 oder eine entsprechende Stelle in der verlorenen Fassung von ac. I, Fuhrer 383; da die Schüler diese Schrift nicht gelesen haben bzw. Augustin über den Hortensius hinaus nicht zur Letüre von Ciceros akademischen Schriften anregen möchte, beschränkt er sich bei der Angabe), quod si adhuc uos, adulescentes, ignotum habetis, certe in Hortensio legistis: «si igitur nee certi est quidquam nee opinari sapientis est, nihil umquam sapiens approbabit»' (Hort.fr. 100M, Fuhrer 383f. mit A6). Acad. 1,9,24 (wegen omen kritisiert in retr. 1,1,6); 2,8,21; 2,9,22; 3,7,14 (u.a. Folter); 3,7,15; 3,15,33f; 3,18,41; Kriegsgefangene: 2,7,19; 3,7,14. In den weiteren Bereich gehören auch Sport und Wettkampf (3,2,5; theatricus plausus i.S. von Kampfspielen, 1,1,2) sowie Jagd (Schlingenmetaphorik, 2,8,21, evtl. biblischer Herkunft; vgl. den Vogelfänger in 2,3,7. 3,7,16). Acad. 1,1,3; 2,1,2 63 146 ; 2,3,7; 3,10,22 (Fuhrer 325), 3,7,14. S. auch 2,9,23. Verwandt die erotische Metapher Feuer für die Begeisterung durch die Philosophie in einem durch die ausgefeilte (hymnenartige) Struktur sowie reiche Stilfiguren und Metaphorik auffälligen Abschnitt (2,2,3-5): Die Feuermetaphorik prägt - dreigestuft - den ersten Teil von 2,2,5 (Fuhrer 88-106, bes. 89). Acad. 1,1,1; 2,1,1; 2,3,8: Aufnahme der maritimen Metapher der aurae prosperae aus 2,1,1, verbunden mit der Assoziation der Artes liberales; 'auras tibi liberas tantum opto'; 3,4,7. Schiffbruch 1,5,15 und 2,6,14 (opinionis, Fuhrer 170). Wassermetaphorik für den Gesprächsverlauf (2,7,17). Platonische Mysterienterminologie Acad. 1,1,1; 2,10,24; 3,17,38.41; 3,20,44; Fortuna 1,1,1; 2,1,1, s. retr. 1,1,2f., Fuhrer 63; necessitas naturae 1,1,1; dionysischer Zug 3,7,16; Erstlingsopfer 3,4,7. Acad. 1,1,4; 2,2,5; 3,4,7; 2,8f.,21f.; 2,9,22; 2,13,29; 2,2,3; 1,1,3; 3,10,23. Unklar die Metaphern des 'Strohakademikers' 3,18,41 und der Ställe für Epikureer 3,18,41. Acad. 3,10,22; 1,1,3; 2,3,7; 2,2,5; inculcare für Verse 3,4,7; 2,12,28; 3,10,22. Z.B. die Pflanzenmetaphorik in 2,2,6, Fuhrer 111: deformiter und tortuose sind deren Elemente, aber auch auf die Metaphorik von Pl OT. enn. 1,6 bezogen und übertragen zu ver-

Frühschriften

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Dramatisch erfolgt ein Umschlag zu einem Wohlgerüche verbreitenden Feuer durch die Lektüre von 'libri quidam pleni'. 15 Diese Metapher (,stoffreich" oder eher gedankenreich') wird explizit einem Celsinus entlehnt (der Satzrhythmus verlangt diese Zuordnung). In diesem Gewährsmann ist Cornelius Celsus oder ein gemeinsamer Bekannter16 zu sehen, kaum ein griechischer Autor.17 Die folgende Harzmetapher steht in keinem Zusammenhang und ist nicht so exotisch, daß eine fernliegende Quelle angenommen werden müßte.18 Ein mythologisches Beispiel ist Dädalus in 3,2,3; 19 in 3,4,7 spricht Augustin metaphorisch von einem Labyrinth (das der 'disciplinarum circulus' zu werden drohe).2» 4) Markant sind Mittel rhetorischer Verlebendigung, wie sie die Dialogebene ('"terenzische Wendungen" für den urbanen Ton) und den Inhalt des Dialogs resp. der oratio perpetua prägen, vor allem die Apostrophen und Interlocutores,21

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stehen. Diese doppelte Funktion nimmt eine Sonderstellung ein und kann nicht verallgemeinert werden. Acad. 2,2,5: '[...] libri quidam pleni, ut ait Celsinus, bonas res Arabicas ubi exhalarunt in nos [...]'. Solignac (conf 1, 103A2) nennt Celsinus Tatianus, s. Seeck, 'Celsinus (5)', RE 3, 1897, 1881f. S. Fuhrer 93f. Identifikation mit Kelsinos von Kastabala Courcelle, Lettres, 179-181, vgl. Schanz, RhM 36,1881, 369-371 (dieser sei identisch mit Celsus aus haer.praef. 5, dagegen Kroll, 'Kelsinos', RE II, 1921, 150; Solignac, Doxogr. 126A36; s. Andresen, Gedanken 79). Celsus, Autor von sechs Büchern Philosophie aus haer.praef., ist eher mit dem Enzyklopädisten Cornelius Celsus identisch, so M.Wellmann ('A. Cornelius Celsus', RE 4, 1901, 1273-1276, 1276), zitiert auch sol. 1,21, s.S. 90 286 . Sie gehört vielmehr in die durchgehende, pathetisch gesteigerte Feuermetaphorik (Begeisterung durch I^ktüre oder Gespräch; Fuhrer 95) i.S. einer Steigerung nach der Kostbarkeit und der Zugewinnung einer weiteren Sinnesdimension neben der Größe der Flamme. Arabien ist das klassische Herkunftsland für Harze und Düfte, so daß hier ein bildlicher, aber nicht ungewöhnlicher Sprachgebrauch vorliegt (ungewöhnlich und einer Erlaubnis heischenden Formel bedürftig hingegen sind libri pleni). Auch eine Zuweisung an Porphyrius ist überflüssig und für die Ponderierung der Metaphorik (die keine in allen Details bedeutungstragende Allegorie ist) sogar störend. S. Fuhrer 94f. Die Beispiele für Verachtung des Instruments nach Erreichen des Ziels schließen den entlegensten Fall ein, das Fliegen, konkret Dädalus, Acad. 3,2,3: 'nam ut sine naui uel quolibet uehiculo aut omnino, ne uel ipsum Daedalum timeam, sine ullis ad hanc rem aecommodatis instrumentis aut aliqua oecultiore potentia Aegeum mare nemo transmittit, quamuis nihil aliud quam peruenire proponat, quod cum ei euenerit, illa omnia, quibus aduectus est, paratus sit abicere atque contemnere, [...]'; Fuhrer 240 mit Hinweisen auf dasselbe Bild in doctr.chr. 1,4 (1,10) und plotinische Metaphorik. Zu Dädalus auch sol. 1,11,20, ord. 2,12,37 und mag. 12,40. Mit Recht lehnt Fuhrer 240f. (bes. A4) die These Courcelles u.a. ab. Augustin wolle den Mythos hier neuplatonisch oder allegorisch interpretieren. Labyrinlhus erscheint bei Augustin nur hier in metaphorischem Kontext, sonst ciu. 18,13 im Mythenkompendium (und gramm. d im Zitat). Fuhrer nennt 259 als Parallele den Wald in ord. 2,17,45. Die Rede eines Akademikers über die Begriffe probabilie und veri simile paßt so gut in die Frage der Auseinandersetzung um Worte (s.S. 414), daß die Vermutung eines fictus interlocutor näher liegt als die eines wörtlichen Zitates (Acad. 2,11,26, ClC. ac.frg. 19M; Hagendahl tl21). Inquit Academicus ist keine eindeutige Zitatmarkierung, die abstrakte Benennung weist eher auf eine fingierte Einrede hin (s. Karneades in §27). Ohne ciceronischen Inhalt zu bestreiten, ist die Verdichtung zu diesem Satz augustinisch. Die Cicero im Anschluß zugewiesenen haec verba sind die übersetzten Termini, nicht das Zitat, da es um die sprachliche Rechtfertigung geht; wenn man in dem Academicus einen interlocutor sieht, liegt der Bezug von haec verba auf die gesamte Rede sogar ausgesprochen fem (gegen Fuhrer 220f.). Die summarischen Rückverweise andernorts (civ. 13,16; civ, 9,3) schließen

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szenische Ausgestaltungen wie der Philosophenstreit (3,7,16), die Wandererfabel (3,15,36) oder die Satire des 'skeptischen Ehebrechers' sowie die philosophischplatonische Philokalia-Fabel (2,3,7).22 5) Zu den literarischen Zitaten zählen die Evokationen mythologischer Gestalten wie Fama (2,8,20), Proteus (3,5,11; 3,7,14), Hercules und Cacus (3,8,17; 3,10,22) oder Dädalus (3,2,3), soweit sich im Hintergrund eine literarische Vorlage - evtl. auch nur unbestimmt - erahnen läßt, sowie deutlich literarische Prosazitate wie aus Sallusts Catilina oder nichtphilosophischen Schriften Ciceros. Andere mythologische Bezüge sind metaphorisch, so das Labyrinth (3,4,7) oder die Herculeskeule (3,7,17).23 Die Zitate oder Anspielungen haben beweisende bzw. die Argumentation stützende Funktion oder tragen zum urbanen Gesprächston bei;24 sie können sich dabei mit den anderen Mitteln der Verlebendigung berühren. Auf der Rahmenebene wird die Auseinandersetzung um das Bildungsideal, konkret um die schmerzhaft erlebte Konkurrenz von Philosophie und Dichtung, als durchgängiger Subtext über mehrere Etappen geführt. Zu poetischem Kolorit zählen vultus serenati (2,7,18), die Schwurformel (3,16,35) oder 'corporum molem atque machinam'. 25 6) Höchst selten, dann aber bedeutungsvoll, sind biblische Zitate oder Anspielungen sowie direkt christlich verstehbare Formulierungen: - die mit Christus gleichgesetzte virtus und sapientia Gottes (s. lCor. 1,24).26 - explizit markiertes Zitat von Mt. 7,7 (Lc. 11,9) als Warnung vor Skeptizismus (2,3,9),27 - Bezug der 'una verissimae philosophiae disciplina' mit den Kriterien von Col. 2,8 und der Zwei-Welten-Lehre auf das Christentum (3,19,42).28 Zur Seelenrückkehr bedürfe der Mensch göttlicher Hilfe, die Augustin besonders mit der Inkarnation verbindet.29 - Am Ende des Dialogs das einzige explizit christliche Bekenntnis (zur 'auctoritas Christi'). 30 Sehr zurückhaltend gibt Augustin bei zwei Vergilanspielungen Hinweise auf eine religiös-philosophische, kryptochristliche Deutung.31 Vom Schluß der Schrift32

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ein engeres Verständnis für diese Stelle keineswegs aus. Unentschieden Piasberg (praef. 14 mit A3). Andere Beispiele unterschiedlichsten Umfangs: Wanderer- und Räuberwirtshausbild Acad. 1,4,11; 1,5,13; der Wahrsager Albicerius l,6f.,17-21; sagacitas der Bienen 1,7,20; VaterSohn-Beispiel 2,7,16.19; Wetterprognose 2,11,26; Baum 2,12,27; der Streit zwischen Weisem und Weisheit 3,14,31. Vgl. auch die Sirenen in beata u. 1,4. Hagendahl 446: "No other work of Augustine's has so much quotations ornandi causa". Acad. 3,11,25; zu der von Hagendahl vermuteten Anspielung auf LlJCR. 5,96 (t485), differenziert Fuhrer 347: "Bild und Alliteration wirken poetisch". Gerade die Parallelen conf. 12,20,29 und 13,32,47 sprechen gegen eine echte Bezugnahme. Adressatin der Gebete für Romanianus, Acad. 2,1,1. Zur Tragweite der Gleichsetzung Fuhrer 65-67. In Acad. 1,1,1 ein deus als Erfüller von vota (deus auch Adressat von Licentius' Ausbruch, 2,7,18). Zur Textgestalt und zum theologischen Hintergrund Fuhrer 133f. Fuhrer 453-455 (zur Textgestalt des Zitates A84); ebenso in ord. 1,11,32, Kritik in retr. 1,3,8. Fuhrer 456-467. Eindeutige, nichtterminologische Umschreibung der Inkarnation. Acad. 3,20,43. Fuhrer 472-477. Ein numen könne Hinweise geben, um Proteus zu fassen (3,5,11; 3,6,13), ein Gott gegen den Schatten des Karneades helfen (im Bild: des Cacus). Keine ausgearbeitete Allegorie, s.S. 53 80 . An Herkules wird nicht der Aspekt "Helfer von Menschen" hervorgehoben.

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her ist es legitim, bei den göttlichen Mächten, die die mit den Skeptikern gleichgesetzten vergilischen Gestalten niederringen bzw. zu bezwingen helfen, angedeutete Anspielungen auf den christlichen Gott zu sehen. Augustin eröffnet hier Resonanzräume, die er nicht weiter markiert. Im Kontext der (Rück-)Wendung zum Christentum spricht er von intensiver Pauluslektüre, ethisch akzentuiert und als im Einklang mit neuplatonischen Schriften begriffen.33 Der weitgehende Verzicht auf biblische Zitate kann nicht als Wahrung der "Stileinheit" in der "Stiltradition der rhetorischen und historischen Prosa" 34 begriffen werden: Bibelzitate könnten den häufigen Dichterzitaten funktional an die Seite gestellt werden. Augustin bleibt durch diesen Verzicht vielmehr zumindest vorgeblich auf dem Boden der paganen philosophischen Tradition; die Dialoge geben sich somit als Gesprächsbeiträge auf allgemeiner Grundlage. 7) Die inhaltliche Dichte der oratio perpetua korrespondiert mit einem Zurücktreten der „Zwischenstücke (Szenerie, Rollenverteilung, Austausch von Komplimenten, persönliche Auseinandersetzungen usw.)"35, damit auch mit einem geringeren Anteil literarischer (nichtphilosophischer) Anspielungen, die sich meist an diese Elemente anlagern. Hingegen wird die illustratio zum bestimmenden Merkmal der literarischen Gestaltung.36 2

Vergilbezüge

2.1

Eine Vergilreminiszenz im Prooemium

In der metaphern- und bilderreichen Einleitung ruft Augustin Romanianus zu einem philosophischen Leben, wofür die in Buchform gebrachte Disputation des Sohnes mit Trygetius Lockspeise sein soll.37 Die Angabe, ein Schreiber sei zur Bewahrung der Worte hinzugezogen worden, wertet er durch die einzige Reminiszenz des Proömiums (Aen. 9,312f.) auf, angespielt ist auf die von Iulus dem Aeneas übermittelte Botschaft.38 Auffällig ist die Parallele einer Botschaft des Sohnes an den Vater. Die Reverenz ist deutlich. Dezent erhöht Augustin die technische Mitteilung und gibt so dem Proömium durch die poetisch-gewählte 32

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Fazit ist die göttliche Hilfe gegen die Skepsis, 'auctoritas Christi'. Vgl. die Worte des Alypius: 'habemus ducem, qui nos in ipsa ueritatis arcana deo iam monstrante perducat'. Acad. 3,20,44, s.S. 59' l 8 . Acad. 2,2,5. Fuhrer 100-106. Diskussion der verschiedenen Deutungen von isli einerseits und huic tanto bono andererseits Fuhrer 104f. Testard, Cicero 166f. sieht in ClC. Tusc. 1,73 die Vorlage dieser Stelle. Die mimetische Beschreibung des stolpernden Ganges (Fuhrer lOOf.) findet sich in der angeblichen Vorlage nicht. Deren Kontext ist außerdem von dem hier betrachteten weit entfernt. Diese Kategorie sieht Van der Nat, Voraussetzungen, 198, durch die Bibelzitate frühchristlicher Autoren verletzt. Zutreffend dagegen Fuhrer 67. Fuhrer 286. Zu diesem Übergang von einer platonischen Tradition des Wechselgesprächs zu einer aristotelischen Form des Lehrvortrags Fuhrer 285. S. die Fabel von den zwei Wanderern (Acad. 3,15,34, Fuhrer 389-393, bes. 390). Seine Schüler seien überraschend motiviert und durch den Hortensius für die Philosophie prinzipiell gewonnen, Acad. 1,1,4. Acad. 1,1,4: 'adhibito itaque notario, ne aurae laborem nostrum discerperent. nihil perire permisi', S. Aen. 9,312f. ('Sed aurae / omnia discerpunt'), Hagendahl t916, Courcelle 623, Schelkle 161 f. Seltenheit und Prägnanz sprechen trotz der Kürze für Bewußtheit und Erkennbarkeit.

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Krühschriften

Diktion und die dadurch implizit markierte Anspielung einen abschließenden Glanzpunkt.39 2.2

Die Vergillektüre als Teil des gemeinsamen Lebens in Cassiciacum

2.2.1 Einpassung in den Tagesablauf, Umfang und Methode der Lektüre Augustin bricht das komplexe Thema der Definition der Weisheit wegen der hereinbrechenden Nacht ab. Dann trägt er nach, daß die Diskussion ab 1,4,11 erst am Abend begonnen hatte, während die Gruppe den Tag für Angelegenheiten des Landgutes und vor allem für eine recensio des .ersten Vergilbuches' verwendet hatte.40 Gemeint ist hier wohl das erste Buch der Aeneis: Dies würde das Zitat des Licentius (s.S. 55' 02 ) erklären und zu den Lektüregewohnheiten und Schwerpunkten passen. Auch wenn das Landgut, die praktische Tätigkeit dort und die Gesamtzahl der erwähnten Bücher auf die Georgica deuten könnten, läßt sich genausogut eine Deutung auf die ersten vier Aeneisbücher vertreten:41 sie sind die häufigst zitierten in Acad. Die Proteusallegorie (s.S. 5386) ist als Indiz weniger aussagekräftig, da eine isolierte Gestalt leichter auch aus femer zurückliegender Lektüre ins Gedächtnis gerufen werden kann. Acad. 2,4,20 (s.Anm. 43) findet sich kein Hinweis auf ein Durcharbeiten des gesamten Werkes; die umständliche Angabe weist auf eine etwas in der Luft hängende Auswahl. Auch die ersten vier Bücher der Aeneis bilden eine Einheit und sind mit die beliebtesten gewesen. Damit trägt Augustin hier einen wichtigen Hinweis auf die Atmosphäre und den Tagesablauf von Cassiciacum mitten im Dialog nach. Der nächste lag hingegen ist anders strukturiert, da die Vorarbeiten des letzten mehr Zeit für die Diskussion ließen.42 Augustin stellt (2,4,20) die Verbindung zu dem ersten Gesprächsgang (sermo) her und erwähnt eine Unterbrechung von sieben Tagen, die der Vergillektüre vorbehalten waren.43 Wertet man die Angabe wörtlich aus, kommt man zu einem gegenüber der ersten Angabe verlangsamten Lektüretempo, das dem in ord. 1,8,26 angegebenen entspricht und auf eine inhaltliche Kommentierung hinweist.44 Die Formulierung klingt nicht nach dem Erreichen eines WerkIm Gegensatz zu dieser Beteuerung signalisiert Augustin eine nach den Sprechern gestufte Überarbeitung, Acad. 1,1,4: 'res et sententias illorum, mea uero et Alypii etiam uerba lecturus es.' Acad. 1,5,15: 'nam disputare coeperamus sole iam in occasum declinante diesque paene totus cum in rebus rusticis ordinandis tum in recensione primi libri Vergilii peractus fuit'. Hagendahl t797. Fuhrer 139 sieht in recensio nur "(wieder-)lesen"; dies ist sicher nicht eng zu fassen, andererseits bleibt an diesem halben Tag zu viel mehr keine Zeit. Mit Courcelle 35, gegen Alfaric 397. Die Angabe Stocks (132: Aen. 2 und 4) ist unbelegl. Acad. 1,6,16. Ob auch die Vergillektüre ,geopfert' wurde, geht aus dieser Bemerkung nicht hervor. Offenbar auch ohne andere philosophische Diskussionen, Fuhrer 137f., 15-17. Acad. 2.4,10: 'post pristinum sermonem, quem in primum librum contulimus, Septem fere diebus a disputando fuimus otiosi, cum tres tarnen Vergilii libros post primum recenseremus atque, ut in tempore congruere uidebatur, traetaremus'. Die Schreibung des Namens nach Fuhrer 138 gegen Doignon (Problemes 82-86). Zu den besprochenen Büchern s.S. 46. Zu traclare Fuhrer 139 mit A4; Hinweis auf doctr.chr. 1 prooem. Sie erwägt auch eine varronische enarratio (Marrou 20-26) oder eine allegorische Auslegung.

Frühschriften

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abschlusses, aber Augustin lag bei der Schilderung des idealen Lebens seines Kreises nicht an der Identifikation des Gelesenen, sondern an der Atmosphäre der Mischung von Philosophie, praktischer Betätigung und Dichter- bzw. Vergillekture. Der Hinweis auf die zeitliche Angemessenheit scheint noch nicht die Rücksichtnahme auf die Erfordernisse der Organisation ihres Zusammenlebens zu bedeuten,45 sondern eher auf ein unterschiedlich ausgedehntes Verweilen an den jeweiligen Stellen ohne festes Zeitkorsett und Vorausplanung. Aus pädagogischen Gründen lenkt Augustin die Gruppe von der Dichtung zu der offengebliebenen Frage der Akademiker. Licentius hat dergestalt „Feuer" für die Dichtung gefangen, daß ihn andere Tätigkeiten verdrießen und Augustin meint, gegensteuern und ihn ablenken zu sollen.46 Trotz der Sorge des Lehrers läßt Licentius sich auf das von Augustin durch ein allgemeines (und in der Protreptik häufiges)47 Lob der Philosophie aufgeworfene Thema ein. 2.2.2 Licentius Vor dem Mittagessen des 4. Gesprächstages erbittet Licentius eine Kurzfassung der Lehrmeinung der Akademiker (2,4,10). Diesen Einstieg biegt Augustin ab einem scherzhaften Geplänkel über die geringere Menge, die Licentius beim Denken essen werde, wogegen der Beobachtungen an anderen und sich selbst bei seinen Dichtungsversuchen: ' de istis metris cogitantem' - hält, in Sorgen esse man umso mehr.48 Augustin antwortet mit einem Scherz, der den Doppelsinn von metrum ausbeutet.49 Die Passage ist einschließlich der ungewöhnlichen Formulierung des Dichtens auf diese Pointe hin zugeschnitten. 2.2.3 Vergillekture und poetische Produktion in der Debatte des 6. Gesprächstages Angesichts der übereinstimmend von Skeptikern und anderen Philosophen vertretenen absoluten Vorrangstellung der Suche nach der Wahrheit stellt Augustin zu Beginn des 6. Gesprächstages für den vergangenen Tag ein bedauerliches Mißverhältnis fest (3,1,1). Die beiden Jüngeren haben sich zwar ihren Studien widmen können, ansonsten haben häusliche Pflichten nur knapp zwei Stunden zum Philosophieren gelassen (3,2,2). Diese Studien sind literarischer Natur, wobei Trygetius nun auf sich gestellt Vergil liest und Licentius sich produktiv mit Dichtung beschäftigt.50 Die von Trygetius gelesenen carmina Vergils lassen 45 46 47 48 49

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So später in 3,2,2. Fuhrer akzentuiert den Arbeitsaspekt bereits hier stärker (139). Acad. 2,4,10: "quo tarnen opere Licentius in poeticae Studium sie inflammatus est [...]' Zu den verschiedenen diesbezüglichen Interventionen in den Dialogen Fuhrer 139. Fuhrer verweist 140 auf beata u. 2,10, ClC. ac. 2,6 und fin. 1,2. Zur komischen Dimension von 'manibus et dentibus nostris [...] nimis imperiosus' Fuhrer 143. Als Metrum und Maß; Acad. 2,4,10: 'audi potius, inquam, de Academicis quod rogaueras, ne te metra ista uoluentem non solum in epulis sine metro sed etiam in quaestionibus patiar'. Der Exkurs ist als flachsende, dann ernste Diskussion auf dem Rückweg zu denken. Fuhrer 141. Acad. 3,1,1: 'nam et tu, Trygeti, Vergilii te carminibus oblectasti et Licentius fingendis uersibus uacauit, quorum amore ita perculsus est, ut propter eum maxime mihi istum sermonem inferendum putarem, quo in eius animo philosophia - nunc enim tempus est -

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keine nähere Identifizierung zu. Denkbar wäre eine Fortsetzung der Lektüre an dem Punkt, an dem die Gruppe abgebrochen hat.51 Möglich ist auch eine davon unabhängige Lektüre. Licentius' Dichten52 spricht Augustin bereits in 2,3,7 (an den Vater) und 2,4,10 (mit pädagogischer Sorge) an, es spielt wie das Konkurrenzverhältnis insgesamt auch in De ordine eine wichtige Rolle. Licentius sei in einem Alter, in dem die Philosophie wichtiger als Dichtung und überhaupt jede andere Disziplin sein solle.53 Er kritisiert damit nicht Dichtung oder Dichterlektüre an sich, sondern als Konkurrenz zur Philosophie. 2.2.4 Erneute Auseinandersetzung mit Licentius Nach dem Essen des 6. Tages verzögert sich der Gesprächsbeginn: Augustin inszeniert eine Zurechtweisung des Licentius und seiner Begeisterung für die Dichtung, deren Funktion an dieser Stelle nicht unmittelbar einsichtig ist. Prägend ist eine Durstmetaphorik: Licentius ,lechzt' nach Dichtung, der Musenquell auf dem Helikon könnte seinen Durst nicht stillen,54 er steht vom kurzen Mittagessen vorzeitig auf, ohne zu trinken,55 wird von Augustin aufgefordert, dies nachzuholen, und leistet dem Folge, auch um die Zurechtweisung zu beenden und die Situation zu entspannen. Was genau Licentius getan hat, als er vorzeitig aufgestanden ist, wird nicht klar. Während man von De ordine her an Dichten denken könnte, evoziert die Vorhaltung eher ein Rezitieren griechischer Tragödien oder diesen nachempfundener Texte.56 Inhiantem läßt offen, ob er bereits begonnen hat (evtl. erkennbar eine Rezitation vorbereitete) oder seine Unruhe als Wunsch nach literarischer Betätigung interpretiert wird. Diese Stelle ist ein Glied in der Kette von Konkurrenzsituationen zwischen Philosophie und Dichtung; dem Autor liegt offenbar an einem erneuten Hinweis auf dieses spannungsvolle Verhältnis und auf die noch ungefestigte Persönlichkeit des Licentius.

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maiorem partem non modo quam poetica sed quaeuis alia disciplina sibi usurpet ac uindicet.' Aen. 5. Im Fall einer Georgicalektüre wären z.B. die Eclogen denkbar. Carmina werden für die Eclogen oft - auch von Vergil selbst - gebraucht, aber auch Dichtungen aller Art einschließlich der Epik (s. bes. Aen. 9,444) können so heißen, Hey, carmen, TLL 3, 463-474, bes. 466, l.5ff. S. die Charakterisierung des Licentius Fuhrer 7-10, bes. 8 zur Versepistel. S.S. 326 122 . Daher sei er der eigentliche Adressat der Unterredung. Fuhrer bezieht 236 istum sermonem nur auf den 5. Tag, zumindest das Gespräch des 4. Tages gehört aber notwendig dazu, s. 2,4,10, s.S. 47 46 . Zu der Textgestalt, der metonymischen Deutung und dem Hinweis auf ord. 1,3,8 Fuhrer 257. Acad. 3,4,7: 'et cum redissemus, inuenimus Licentium, cui numquam sitienti Helicon subuenisset, excogitandis uersibus inhiantem'. Acad. 3,4,7: 'cui ego: opto quidem, inquam, tibi, ut istam poeticam, quam concupisti, conplectaris aliquando, non quod me nimis delectat ista perfectio, sed quod uideo te tantum exarsisse, ut nisi fastidio euadere ab hoc amore non possis, quod euenire post perfectionem facile solet. deinde cum sis bene canorus, malim auribus nostris inculces tuos uersus quam ut in illis Graecis tragoediis more auicularum, quas in caueis inclusas uidemus, uerba quae non intellegis cantes. admoneo tarnen, ut pergas potum, si uoles, et ad scholam redeas nostram, si tarnen aliquid iam de te Hortensius et philosophia meretur, cui dulcissimas primitias iam uestro illo sermone libasti, qui te uehementius quam ista poetica incenderat ad magnarum et uere fructuosarum rerum scientiam.'

Früh Schriften

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Er wünscht sich für Licentius eine Heilung durch ,Schocktherapie', durch den Überdruß an einem eigenen poetischen Projekt (ausdrücklich nur zu diesem therapeutischen' Zweck).57 Die Rezitation dieser eigenen Verse kontrastiert er dann mit der Darbietung unverstandener Worte griechischer Tragödien,58 gekleidet in das Bild von Käfigvögeln.59

2.3

Weitere Vergilbezüge auf der Ebene des Gesprächsrahmens

2.3.1 Die Metapher der arma Vulcania Folge der im Proömim zu Buch 2 untersuchten Hindernisse der Wahrheitsfindung60 sei, daß die Menschen nicht sorgfältig und anhaltend suchten, der Skeptizismus daher nicht wirkungsvoll bekämpft werde und unwiderleglich scheine.61 Augustin erhöht die Militärmetaphorik mit der vergilischen Wendung arma Vulcania, durch quasi als Fremdelement markiert. Ein Großteil der Belege der prägnanten Junktur steht im Zusammenhang der Aeneisdeutung, wo sie als markanter Ausdruck eines ganzen Handlungsstranges dient. Daher kann von einem bewußten Bezug ausgegangen werden.62 Diese poetische und mythologische Überhöhung einer Metapher gestattet er sich nur in seinem Frühwerk.

2.3.2 Ein Aeneiszitat zur Ermunterung des Licentius Nach einem 'emotionalen Ausbruch' des Licentius63 mahnt Augustin, die Kräfte für die Verteidigung der Akademie zu sammeln, sich nicht durch das Kampf57 58

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Zum Verhältnis von amor und fastidium und zur verächtlichen Metapher inculces Fuhrer 257f. W.Weismann, Kirche und Schauspiele, 129f. (A43) denkt an „Texte, die der griechischen Tragödie nachempfunden und für den Vortrag der Kitharöden bestimmt waren" (111 A242; Fuhrer 258). Eine solche Annahme ist nicht gerechtfertigt. Denkt man an lateinische Textfassungen, bliebe das fehlende Textverständnis unerklärt, die Annahme griechischer Fassungen und ihr Weg nach Cassiciacum wäre ebenfalls unbefriedigend. Näher liegt, daß Augustin den Eindruck vermitteln will, in seinem Kreis bestehe Zugang zu (Auszügen aus) griechischen Tragödien, Licentius habe sich an ihrem kaum bis gar nicht verstandenen Wohlklang berauscht und dieses Erlebnis den anderen mitteilen wollen. Eine „Behinderung der Entwicklung höherer Fähigkeiten" (Fuhrer 258) ist in Bezug auf den Vogel des Bildes (anders als bzgl. der philocalia in 2,3,7) nicht zu entdecken. Da nur in Gefangenschaft lebende Vögel menschliche Laute nachahmen, konnte Augustin, wollte er Gattungsnamen oder deren Reihung umgehen, den Gedanken kaum anders ausdrücken. Anders mus. l,6unden.Ps. 18,2,1. Zu dem Viererkatalog der Voraussetzungen Fuhrer 58f. Acad. 2,1,1: 'eoque fit, ut Academicorum arma, quando cum eis ad manus uenitur, nee medioeribus uiris sed acutis et bene eruditis inuieta et quasi Vulcania uideantur'; Fuhrer 62, Hagendahl t908), Courcelle 600. Die Wendung findet sich in dieser Form61 zweimal in der Aeneis: 8,535 ('Vulcaniaque arma') und 12,739 ('arma dei ad Volcania'), danach zweimal in der Ilias Latina (835.961) sowie in den Aeneisargumenta (ANTH. 654,36), mehrfach bei Servius: ad Aen. 1,489.751; 12,739. In der patristischen Literatur (für die Vulcan insgesamt am Rand steht und nur in wenigen meist standardisierten Situationen angesprochen wird) findet sich kein Beleg außerhalb FULG. Virg. 105,3. Die Belegstellen rechtfertigen nicht die Einordnung als Sprichwort, auch wenn Augustin an einen bekannten Inhalt anknüpft, der sprichwörtliches Potential birgt (s. Courcelle 600). Beim Gedanken an eine 'Conversio' des Romanianus zur Philosophie, Acad. 2,7,18, Fuhrer 182f.

Frühschriften

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signal einschüchtern zu lassen, und nicht so schnell aufzugeben - und sei es aus dem Wunsch, den Kampf der anderen zu sehen. In dieser Ermunterung verwendet er ein Aeneiszitat (11,424), das als ,gültige Beschreibung' einer vorzeitigen Aufgabe fungiert.64 Die Wendung ist mit fünf Wörtern recht lang, kann als deutlich implizit markiert gelten und paßt in den Duktus dieses urbanen Gesprächs. Augustin läßt nur das Fragewort aus, um sie in eine Aussage zu überführen.65 Er verwendet die poetische Prägung, ohne ihren Ursprungskontext und -Sprecher zu evozieren.

2.3.3 Eristische Zurückweisung der Eristik (ecl. 3,104-107) Augustin versucht, Alypius mit der Frage in die Enge zu treiben, ob der akademische Weise die Weisheit besitze (3,4,8). Der will der Festlegung mit der (wiederholten) präzisierenden Nachfrage entkommen: ob dieser Weise dies nur annehme oder ob er die Weisheit wirklich besitze.66 Augustin weist diese Gegenfrage mit einer Anspielung auf Vergil zurück.67 Zunächst bezeichnet er das Vorgehen, eine Frage durch die Vorlage einer anderen zu parieren, mit dem für uns nicht greifbaren Ausdruck "Etruskischer Streit".68 Dabei ist nicht zu entscheiden, ob a) für Augustin Tuscum iurgium gleichbedeutend mit Carmen amoebaeum ist, also den dichterischen Agon meint, der von beiden Parteien im Konsens ausgetragen wird (i.S. von Vergils Intention) oder ob er b) so den rhetorischen Kniff bezeichnet, einer Frage mit einer Gegenfrage auszuweichen, und dafür die Vergilstelle gegen ihren ursprünglichen Sinn

Acad. 2,7,18: 'et in uires tuas redi, quas ut congereres undeunde posses patronus Academiae futurus, longe ante monueram, non opinor ideo, ut modo «ante tubam tremor oecupet artus» (Aen. I 1,424) aut ut uisendae alienae pugnae desiderio tarn cito te optes esse captiuum' Hagendahl t929, Courcelle 672f. Die Frage ist in der Turnusrede gegen den Friedensschluß Teil einer höhnischen Doppelfrage (1 l,423f.). Auch die erste Hälfte hätte in die Situation gepaßt, aber statt des Posaunenbildes das der Schwelle und überdies eine eher militärisch-persönliche Note gehabt Augustin greift hier offenbar die von Klang und Bildgehalt stärkere Wendung auf, die evtl. in einer Kurzform als ante tubam / ante tubas Eingang in sprichwörtliches Gut gefunden hat, so Fuhrer 184. Da bei dieser Wendung aber auch die eigentliche Erfahrung im Hintergrund stehen kann, ist die Annahme eines aus Vergil hergeleiteten Sprichworts in diesen Fällen problematisch, s. Otto, tuba, 352 und Courcelle 672. Schelkle 170f. Fuhrer 260f. und 255f. (zu Augustins Strategie in 3,3,6). Die zugrundeliegenden Gesprächsregeln („Gegenfragen sind nicht erlaubt; die Antwort darf nur bestätigend oder ablehnend sein") rekonstruiert Fuhrer 261 f. mit Verweis auf die spätere Anweisung 'potes [...] aut aiere aut negare' und eine 'lex apud dialecticos percontandi disserendique', GELL. 16,2,1 (S. Erler, Augustinus' Gesprächsstrategien, bes. 289-291; ders.. Streitgesang und Streitgespräch, S.85, zur Logik des Wettstreits in der Ecloge bes.79A.28). Acad. 3,4,8: 'hoc est, inquam, Tuscum illud iurgium, quod dici solet, cum quaestioni intemptatae non eius solutio, sed alterius obiectio uidetur mederi.' Baer verzeichnet im TLL 7, 667 wie Otto 352 diese Stelle als einzigen Beleg für einen sprichwörtlichen Gebrauch. Fuhrer weist 261 mit Recht die von Voss (Dial. 291 A 421) annotierte Parallele HIER. adv.Iovin. 2,6 (puerorum more certantium) zurück. Sie denkt an einen Bezug auf die Fescennina licentia, eine etruskische (faliskische) Form von Spottliedern, die in der Tradition (HÖR. ep. 2,l,145ff. und LlV. 7,2,7) als Vorstufe des römischen Dramas genannt wird und Augustin aus der Schultradition bekannt gewesen sein dürfte. Auch wenn sie ebd. PLAUT. Persa 215ff. als Beispiel für „Frage und Gegenfrage" bzw. die Technik des 'par pari respondere' im Fescenninischen Vers verankern kann, ist fraglich, ob Augustin wirklich diese Spottform anspricht. Allenfalls liegt ein ungenauer Bezug vor, der eher ad hoc gebildet ist.

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gebraucht. Angesichts seines sonstigen Verhaltens ist die zweite Möglichkeit vorzuziehen.69 Augustin hält in jedem Fall ein solches Vorgehen für unerlaubt (es liefe der Absicht seiner Gesprächsführung hier zuwider). Ohne sich daran zu stören, daß die Gegenfrage im Frühjudentum und zumal in der Praxis Jesu eine entscheidende Rolle spielt, untermauert er seine Weigerung mit einer vorgeblichen Kritik Vergils an dieser Art Gesprächsführung: 'quod etiam poeta noster - ut me aliquantum Licentii auribus dedam - decenter in bucolico carmine hoc70 rusticanum et plane pastoricium esse iudicauit, cum alter alterum interrogat, ubi «caeli spatium non amplius» quam tres ulnas pateat, (ecl. 3,105) ille autem «quibus in terris inscripti nomina regum nascantur flores»' (ecl. 3,106f., Acad. 3,4,9). Augustin praphrasiert V.104.71 Die Reminiszenz an Apollo als Gott der Divination,72 tilgt er aus theologischen Gründen. Bei vollständiger Beibehaltung des Wortbestands ist V.105 in Prosa umgeformt.73 Die Einleitung der Antwort verzichtet auf ein Verbum dicendi, also soll wohl interrogat auch hier mitgehört werden. Augustin zitiert die eineinhalb Verse des Rätsels ohne Änderung. Die zweite Hälfte von V.107 (den Kampfpreis Phyllis) läßt er aus, sei es aus Parallelität zur Auslassung der zweiten Hälfte von V.104, sei es, um die Wettkampfsituation völlig fernzuhalten, die der Zuspitzung auf die Gegenfrage entgegenliefe. Poeta noster heißt Vergil später nicht mehr;74 Augustin stellt sich damit in eine Lese- und Interpretationsgemeinschaft Vergils. Ausdrücklich will er sein Dichterzitat als Freundlichkeit gegenüber dem eben noch abgekanzelten notorischen "Poesiefan"75 Licentius verstanden wissen. Er nimmt damit seiner Anspielung den Charakter einer Ausflucht und läßt sie zu einem Glanzlicht werden, das Aufmerksamkeit und Freude der anderen weckt und die Atmosphäre geistvoller Unterhaltung verstärkt. Mit decenter signalisiert Augustin, daß er die vorgebliche Wertung Vergils teilt. Die Titelangabe klärt - sofern dies für die Rezipienten nötig sein sollte - die Identität des Dichters, bereitet aber auch schon die abwertenden Äußerungen zur Stilhöhe vor. Mit den stilkritischen Begriffen rusticanum und {plane) pastoricium erfaßt Augustin Charakteristika der Eclogen 69 70

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So auch Erler, Gesprächsstrategie 290f. Der Kommentar durch Fuhrer (262f.) legt nahe, daß sie von der ersten Möglichkeit ausgeht. S.u. zu den stilkritischen Äußerungen. Hoc in der Einführung ist auffällig: Fuhrer 262 bezieht es auf carmine und erwägt eine Korruptel; die Stellung legt ein Verständnis als Acc.n. und redundante Wiederaufnahme von quod nahe. Die Rätselfrage des Damoetas, ecl. 3,104f.: 'Die quibus in terris et eris mihi magnus Apollo / tris pateat caeli spatium non amplius ulnas'. Die einleitende Anrede läßt Augustin wie auch bei der Gegenfrage aus; 'quibus in terris' verkürzt er zu ubi, wohl auch um die Wiederholung zu vermeiden. Vgl. SHRV. ad L: ' [...] quia in rebus incertis sola opus est divinatione.' Quam ist eingefügt, ein Vergleich mit bloßem Akkusativ (der Erstreckung) ist in der Prosa kaum möglich. 7 Halbfüße sind unverändert; das Hyperbaton ist aufgelöst, das Prädikat steht in Endstellung. S. ,Tullius noster' (3,18,41, Fuhrer 438f). Noster betont nicht die Zugehörigkeit zum lateinischen Sprachraum, da kein Gegensatz etwa zu griechischen Formen von Disputen vorliegt. Schelkle 16. Vgl. Acad. 2,3,7; 2,4,10; 3,1,1; 3,4,7; ord. l,2f.,5f. u.ö.

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allgemein und gerade der dritten, die mit einem ruppigen Streit unter wüsten Beschimpfungen beginnt.76 Aber er bezieht diese Wertungen auf das Wettdichten, das gerade den Ausweg aus dem Streit eröffnet und als künstlerische und produktive Verarbeitung aufzufassen ist. Augustin verwendet hier die Zuweisung an die Gattung, um eine implizite Kritik Vergils am Dargestellten zu insinuieren. Das Wettkampfprinzip des Carmen amoebaeum11 beruht auf Entsprechungen in den Versen, d.h. eine Rätselfrage soll mit einer Rätselfrage desselben Umfangs beantwortet und überboten werden, eine Lösung wäre ein Regelverstoß. Daher ist eine von Vergil intendierte Kritik an zumindest diesem Teil des Verhaltens der Hirten auszuschließen. Augustin nimmt die Umwertung gegenüber Vergil sicher bewußt vor. Die Assoziation der eristischen Gegenfrage mit den Gebräuchen des Gymnasiums am Ende seines Einwurfs deutet auf Redeagone, deren Prinzip er zweifelsohne in der dritten Ecloge78 wiedererkennt, was er sich des Arguments wegen nicht anmerken läßt.79 Selbst wenn ihm das Prinzip des carmen amoebaeum entgangen sein oder er es hier außer Kraft gesetzt80 gesehen haben sollte, wäre das Verhalten des Menalcas als geschickt und eristisch zu betrachten, allenfalls als sachlich nicht weiterführend zu kritisieren, nicht aber durch den Hinweis auf die soziale Stellung des Sprechers abzutun. Die Antwort mit einer Gegenfrage schließt Augustin für ihren philosophischen Kreis aus und entschuldigt sich dafür, agonal-eristische Verhaltensweisen hereinzutragen.81 2.3.4 Aen. 8,441 bezogen auf die Gesprächssituation Mit einem markanten Halbvers aus der Aeneis (8,441) wischt Augustin alles Geplänkel beiseite; er will keinen Streit provozieren, sondern das Gespräch S. die Einfuhrung SERV. ad ecl. 3,1: '[...] in eclogam plenam iurgii et convicionim pastoralium [...]'; zum Resonanzraum der Urteile Fuhrer 263 (zu QuiNT. inst. 6,3,17). Ungenau MacCormack 48: "The playful allegory of these images endowed the discourses of Cassiciacum with beauty and charm". Alterna. ecl. 3,59; SERV. ad 1.: 'in amoebaeo enim carmine difficilior pars respondentis est, qui non pro suo arbitrio aliquid dicit, sed aut maiorem aut contrariam format responsionem': zur Definition ad 3,28: 'amoebaeum autem est, quotiens qui canunt, et aequali numero versuum utuntur, et ita se habet ipsa responsio, ut aut maius aut contrarium aliquid dicant'. Vgl. ad ecl. 7,5.20,25. Die Übernahme des griechischen Terminus ist sonst nur bei Diomedes belegt, s. Vollmer, amoebaeus, TLL 1, 1960,1.26ff. Die Zitierungen von V.60 (Hagendahl t939) belegen, daß Augustin der Text vertraut war und er ihn in seinem philosophischen Gehalt ernst nahm, ihn gerade nicht für unkultiviertes "Hirtengezänk" hält. Das gymnasium ist „der traditionelle Schauplatz philosophischer Gespräche" (Fuhrer 263, s. auch 397), aber es trägt bei Augustin an allen Stellen außerhalb von Acad. auch die Konnotation des Agonistischen: mus. 1,12 und conf. 9,7 als Stätte sportlicher Agone, Acad. 3,16,35 als Ort des Philosophierens Ciceros; rhetorische Agone ep. 118,9.21, ciu. 18,41. Eine musische Konnotation findet sich nicht, ließe sich aber wegen der geringen Zahl der Stellen nicht völlig ausschließen. Vgl. SERV. ad 104: "relicto certamine sibi proponunt aenigmata' - was sich durch den Fortgang (2. Vershälfte von 107) von selbst erledigt. Die Badeanlagen erinnerten an Elemente von Gymnasienbauten, betonen in ihrer Bescheidenheit aber auch den Kontrast. Gleichzeitig dient das ,Landgut' dem witzigen Ausschluß der rusticitas des Hirtenstreits, Acad. 3,4,9: 'quod quaeso, Alypi, ne in uilla nobis licere arbitreris, certe uel istae balneolae aliquam decoris gymnasiorum faciant recordationem', Fuhrer 263.

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führen und protokollieren lassen,82 auch um die Jungen zu schulen.83 Schon mit tollamus cuncta spielt Augustin klar auf den Kontext des Zitats an, die Anrede Vulcans an die Zyklopen, die mit der Herstellung des Schildes betraut werden (Aen. 8,439). Diese Anspielung beweist, daß ihm der Kontext des zitierten geprägten Wortes präsent war. Er überträgt die Hauptzüge, das Beiseitelassen des Unwichtigen und das Zuwenden zum Wichtigen, auf die Situation des Gesprächs. In einer unmerklichen Verschiebung setzt Augustin den Akzent auf die Reifung des ,Kombattanten' (von fabellae pueriles zu den Heldenwaffen), während die Zyklopen prinzipiell bei ihrer Tätigkeit bleiben, sich nur auf einen neuen Gegenstand und Empfängerkonzentrieren müssen. Wenn Rezipienten auch die Herkunft und den Bezug des Zitates (auf die schließlich sieghaften Waffen des Aeneas) erkennen, werden damit die Assoziation der ,historischen Mission', der 'entscheidenden Runde' wie auch die Siegeszuversicht evoziert. Diese Anwendung des Halbverses auf die eigene Situation ist reizvoll und zeugt vom Selbstbewußtsein Augustins in der antiskeptischen Auseinandersetzung. 2.4

Vergilzitate und vergilische Wendungen auf der Inhaltsebene

2.4.1 Das Proteusbild des Alypius und seine Interpretation durch Augustin Alypius verteidigt seinen Standpunkt84 mit einem mythologischen, aus Vergil geschöpften Bild, dem längst philosophisch gedeuteten Proteus (unter dem Aspekt der Wandlungsfähigkeit), das Augustin ihm entwindet und unter dem Aspekt seiner Wahrheitsbindung für sich funktionalisiert (3,5,11-3,7,14). Alypius sieht die Akademiker noch nicht widerlegt, vielmehr bleibe ihnen der Ausweg der eito/ti (der assensionis suspensio), die sie auch gegenüber der eigenen lehre anwenden könnten. Gerade die Widerlegung ihrer Position (durch Augustin) könne diese verstärken, da sie zeige, daß man keiner Position zustimmen dürfe.85 Und selbst dies stünde unter dem Vorbehalt einer möglichen künftigen Widerlegung, so daß sie in Proteus ihr Abbild erkennen müßten.86 Die Diese Deutung der elliptischen Argumentation Fuhrer 204; alternativ könnte man in der schriftlichen Form den Ernst der Diskussion gefordert sehen gegenüber einem bloß rhetorischen Schaukampf. Acad. 2,9,22: 'tollamus iam cuncta ista de medio; «arma acri facienda uiro» (Aen. 8,441): nee quiequam minus semper optaui quam inter eos, qui secum multum uixerunt multumque sermocinati sunt, oriri aliquid, unde nouus quasi conflictus exsurgat.' S. Aen. 8,439-443. Fuhrer 204; Hagendahl t906; Schelkle 154; Courcelle 595f. mit zwei Nachwirkungen: PLIN. epist. 6,33,1 (spielerische Aufnahme von V.439) und MIN.FEL. 23,6 (Ort der Herstellung der Waffen des Aeneas, Freund 170). Gegen Augustins Beharren auf dem Begriff des Weisen, Acad. 3,4,10 (Fuhrer 265-268). Zur Gedankenführung Fuhrer 270-272. Dem zweiphasigen Geschehen bei Alypius entspricht bei Cicero eine gemäßigte und eine radikal-skeptizistische Position (ac. 2,110 und 1,45), Fuhrer 271. Acad. 3,5,11: 'forte enim aliquando contra hoc quoque nonnihil uel a se uel a quopiam reperiri posse, quod acute probabiliterque dicatur, suamque imaginem et quasi speculum quoddam in Proteo illo animaduerti oportere, qui traditur eo solere capi, quo minime caperetur, inuestigatoresque eius numquam eundem tenuisse nisi indice alieuius modi numine. quod si assit et illam nobis ueritatem, quae tantum curae est, demonstrare dignetur, ego quoque uel ipsis inuitis - quod minime reor - illos superatos esse confitebor.' Zur Textgestalt Fuhrer 274. Fuhrer sieht (274f.) in dem Konditionalgefüge einen Irrealis; demzufolge wäre 'quod minime reor' auf das Folgende zu beziehen, so daß Alypius die akademische Position für unbesiegbar hielte. Man kann es aber auch als Wunsch verstehen,

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Beschreibung des Proteus („der der Überlieferung nach darin gepackt werde, worin er am wenigsten gepackt werden könne") legt als Vergleichspunkt nur die Fähigkeit nahe, sich der von dem Gegner sicher geglaubten Umklammerung durch geschickte Veränderung zu entziehen.87 Dieser Zug gehört zum gemeinsamen Bestand aller Versionen, in denen Proteus in der mythologischen Dichtung begegnet. Auch wenn für die vorangegangenen Tage keine GeorgicaLektüre angenommen wird, verdient die Fassung Vergils (georg. 4,338/387-452) den Vorzug vor der Ovids (met. 8,730-737) oder der Homers (Od. 4,455-458).88 Mit diesem Bild legt Alypius zumindest durch das irreale Gedankenspiel seine Distanz zum akademischen Standpunkt an.89 Mehr noch kommt diese in der Weiterführung zum Ausdruck, der Vorstellung eines göttlichen Hinweises, mit dem die, die Proteus befragen wollten, seiner wirklichen Gestalt habhaft werden könnten. Er formuliert dies allgemeiner als göttliche Offenbarung der Wahrheit, der er selbst und auch die Akademiker folgen würden. Er tritt damit zunehmend aus dem Proteusbild heraus. Ansatzpunkt ist aber die im Proteusmythos in verschiedenen Varianten angelegte Überwindung auf den Rat einer Gottheit hin.90 Die Ausdeutung im Sinne einer verborgen gehaltenen Wahrheit91 impliziert Alypius noch nicht, ist aber vom Autor im Vorblick auf ihre Aufnahme durch die Dialogfigur Augustin angelegt.92 Augustin sieht die Position der Akademiker entscheidend geschwächt; außerdem befänden sie sich gar nicht inhaltlich im Dissens mit ihm, enthielten sich nur der Zustimmung (3,5,12). Zur Anwendung des Grundsatzes, der Wahrheit müsse man zustimmen,93 und damit zur Widerlegung des Skeptizismus interpretiert er dann den Proteus-Vergleich. Einem nicht näher identifizierten numen überträgt er das Zeigen der Wahrheit.94 Er greift den Vergleich auf mit Lob für Alypius und einer expliziten pädagogischen Finalisierung - gewissermaßen als Trost für Licentius: der Dichtung komme auch in der Philosophie ein Platz zu.95 Proteus gilt nun als Bild der Wahrheit.96 Mit imago und inducere in verwendet Augustin

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die Parenthese bezieht sich dann auf den Unwillen der Akademiker, s. die Fortsetzung (bes. das Ende von 3,6,13 - dieser Satz ließe sich allerdings auch ironisch verstehen), das Fehlen weiteren Protestes auf Seiten des Alypius und sein schließliches Eingeständnis der Niederlage unter innerer Zustimmung in 3.20,44. Fuhrer 273f. Zu dem akademischen Spezifikum, gerade den Angriff zum eigenen Vorteil auszunutzen, liefert die Proteusgestalt wohl keine Parallele. Vgl. das Zitat von georg. 4,411 in ciu. 10,10. Proteus genannt auch L.ICENT. carm.ad Aug. 18 (Shanzer 133, 118A51); Heiter, Proteus, RE 23,1 1957, 967f. In Acad. 2,8,21 übernimmt Alypius die Rolle des Gesprächs wegen, nicht aus innerer Überzeugung. Die Nymphen Eidothea bei Homer, Kyrene bei Vergil. Fuhrer 274. Fuhrer verweist 273AI0 auf PLAT. Euthyd. 288b8, sowie Eutyphr. 15d; Ion 541e. Vorbereitet in der Ausdehnung auf verilas. Fuhrer beobachtet 274, daß der numen-Gedanke zur Argumentation des Alypius nichts beiträgt. Augustins Aufnahme ord. 2,15,43 bezieht die erst von ihm vorgenommene Verbindung von numerus, Proteus und index veritatis ein, Fuhrer 275. Zur Verschiebung der Aussagen weg von den Wahrnehmungsinhalten Fuhrer 275-277. Acad. 3,6,13, Fuhrer 277f. Relativierung der platonischen Dichterkritik (rep. 2,38ld zu Proteus; ClC. Tusc. 2,27) Fuhrer 280. Acad. 3,6,13: 'nam et Proteus ille - quanta abs te mentis altitudine commemoratus, quanta intentione in optimum philosophiae genus! - Proteus enim ille, ut uos adulescentes non penitus poetas a philosophia contemnendos esse uideatis, in imaginem ueritatis inducitur'.

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einen Terminus der allegorischen Interpretation und eine Theater-Metapher.97 Gegenüber 3,5,11 kann er die von Alypius eingeführte Wahrheit ins Zentrum rücken und Proteus als deren Allegorie behandeln.98 Die Aussage über die Wandlungsfähigkeit läßt sich innerhalb der Allegorie {imagines als Gestalten des Proteus; comprehensio damit auch manuelles Erfassen) wie auch wahrnehmungstheoretisch verstehen (Trugvorstellungen). Eine wahrnehmungstheoretische Deutung schließt Augustin an, wobei die Metaphorik des Proteus-Vergleichs nachwirkt.99 2.4.2 Aen. 1,401 als Beispiel für einen Weg Licentius nimmt am 2. Gesprächstag die Diskussion mit einer Definition des Irrtums auf.100 In einem scharfen Geplänkel lehnt er Trygetius' Bestimmung der sapientia als 'recta via vitae' mit einem konkretistischen Beispiel als zu umfassend ab (1,5,13)101 und nötigt Trygetius zur Präzisierung: 'sapientia est uia recta, quae ad ueritatem ducat' (1,5,14). Auch diese Bestimmung will Licentius widerlegen. Für sein Argument benötigt er eigentlich nur irgendeine via, um durch die konkretistische Fehldeutung Trygetius' Definition ad absurdum zu führen. Er wählt aber statt eines rein hypothetisch-abstrakten (wie in 1,5,13) oder aus der unmittelbaren Umwelt gegriffenen Beispiels ein literarisches Beispiel, Aen. 1,401.'02 Wenn Aeneas also auf seinem Weg im Sinne der Definition zur Wahrheit gelange, müsse Trygetius die zurückgelegte Strecke sapientia nennen. Augustin läßt Licentius einen ganzen Vergilvers zitieren, explizit markieren und in die Situation des Epos einordnen. Insofern Licentius durchgängig mit Dichtung sowohl produktiv als auch rezeptiv verbunden wird, ist dies auf der Ebene des Dialogs durchaus stimmig. Wie Augustin nachträgt (s.S. 46), ist wohl das 1. Aeneisbuch an diesem Tag behandelt worden. Der Vers wird überdies durch seine Stellung im ersten Buch und in der Venusrede bekannt gewesen sein, zumal Zu imago Prinz, TLL 7,404-414,412,47ff., bereits bei Alypius (3,5,11, noch unterminologisch). Zu inducere Henselllek/Schilling, 195; TLL 7,768,69 und 1232,69ff, Fuhrer 279. Auch in der Weiterführung verwendet Augustin Theatermetaphorik, ostentare, personam sustinere. Fuhrer 280. Fuhrer 280 mit Verweis auf die verschiedenen allegorischen Deutungen des homerischen Proteus (meist als Materie; Herter, Proteus, RE 23,1, 1957, 969-971). Alypius hatte die Akademiker mit Proteus verglichen. Zu ciu. 10,10 (Vergleich mit der fallacia der Dämonen) P.Hadot, Citations, 228. Acad. 3,6,13: 'ueritatis, inquam, Proteus in carminibus ostentat sustinetque personam, quam obtinere nemo potest, si falsis imaginibus deceptus comprehensionis nodos uel laxauerit uel dimiserit. sunt enim istae imagines, quae consuetudine rerum corporalium per istos, quibus ad necessaria huius uitae utimur, sensus nos, etiam cum ueritas tenetur et quasi habetur in manibus, decipere atque inludere moliuntur'. Fuhrer 280f. mit A21. Acad. 1,4,11, zur Herkunft evtl. aus dem Hortensius Voss Acad. 339A23. Das Beispiel vom Räuberwirtshaus scheint ad hoc gebildet; es funktioniert auf der Grundlage einer Wegmetaphorik, also in christlichem (oder gnostischem, jedenfalls religiösem) Kontext. Acad. 1,5,14: 'similiter et hoc, inquit ille, refellitur; nam cum apud Vergilium Aeneae dictum est a matre: «perge modo et, qua te ducit uia, dirige gressum» (Aen. 1,401, Hagendahl t826), sequens hanc uiam ad id, quod dictum erat, id est ad uerum, peruenit. contende, si placet, ubi pedem ille incedens posuit, sapientiam posse dici.' Schelkle 81 f. MacCormack 48 (s. 136f.) ignoriert bei der Deutung auf Augustins biographische Umwege die Sprecherfigur und die enge Funktionalisierung.



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die Vorstellung des aktiv führenden Weges markant ist.103 Der mythologische Gehalt der evozierten Szene (i.S. einer ,Venustheologie') bleibt ausgeblendet, auch wenn mittels der Periphrase auf Venus angespielt wird. Es wird auch nicht auf den Inhalt der Anweisungen oder einen eventuellen, über den situativen der Wegweisung hinausgehenden Wahrheitsgehalt Bezug genommen; das Beispiel ist im Grunde beliebig. Diese Gedankenfigur wird nicht weiter verfolgt oder kommentiert, sie ist rhetorisches Geplänkel, das dem eigentlichen Argument nur präludiert. Der Aeneisvers verleiht dieser Volte Klang und Gewicht, inhaltlich trägt er nichts bei. 2.4.3 Vergils Gedichte als ein Gegenstand hellseherischen Könnens Licentius wendet gegen die Definition der Weisheit als 'rerum humanarum divinarumque scientia' das Beispiel des ihnen allen bekannten moralisch verkommenen Hellsehers Albicerius in Karthago ein (l,6,17f.), dessen Fähigkeiten er mit zwei selbsterlebten, sowie zwei berichteten Fällen von Gedankenlesen illustriert. Hier geht es um einen Grundstückskauf des Flaccianus, sowie um einen von einem Schüler Augustins gedachten Vergilvers.104 Da die Beispiele Kenntnis in menschlichen Dingen bewiesen und die Gabe der Hellseherei Kenntnis in göttlichen Dingen, müsse Albicerius nach der Definition sapiens genannt werden. Trygetius erhöht daraufhin die Anforderungen an das infrage stehende Wissen: es müsse ohne Irrtum oder Schwanken sein (vgl. ClC. Ac. 2,23). Albicerius habe aber häufig auch falsche Antworten gegeben.' 05 Weiterhin definiert er res humanae in einem vertieften Sinn mit den Kardinaltugenden (1,7,20). Mit diesen kontrastiere Albicerius' Lebenswandel; das Hersagen des Verses sei nur eine besondere (dämonische) Sinneswahrnehmung. Es genügt Trygetius zunächst, nur das letzte Beispiel aufzugreifen, dem er immerhin zugesteht, daß die literarische Bildung wirklicher geistiger Besitz ist; dem Hellseher erkennt er aber nur Wahrnehmung und verständnislose Imitation zu (1,7,20). Wirkliche Formen geistigen Besitzes hätten demnach etwa die Erklärung der Metren oder das Verfertigen eigener Verse (1,7,21).

Vgl. den einzigen weiteren von Courcelle (94) genannten antiken Nachhall, in einem Epitaph (CLE 1310,5 Bücheier): 'Vade, age , nunc hospes qua te via ducit euntem'. Der Vers konnte gut christianisiert und spiritualisiert werden, wie Petrarca Farn. 1,5,6 zeigt. Die Junktur via ducit findet sich bei Augustin weitere fünf Mal, perge modo immerhin in ord. 2,8 und sol. 1,9; das poetische dirige gressum begegnet sonst nicht bei den Kirchenvätern (biblisch und häufig mit dem Plural gressus). Acad. 1,6,18: 'iam illud sine stupore animi non queo dicere, quod amico nostro, diseipulo tuo, sese uolenti exagitare flagitantique insolenter, ut diceret, quid secum ipse tacitus uolueret, Vergilii uersum eum cogitare respondit. cum ille obstupefactus negare non posset, perrexit quaerere, quisnam uersus esset; nee Albicerius, qui grammatici scholam uix transiens uidisset aliquando, uersum ipsum securus et garrulus canere dubitauit.' Dieser Schüler ist jetzt offenbar abwesend. Dieses Beispiel ist mehrstufig angelegt: während es nicht überrascht, daß ein Schüler an einen Vergilvers denkt, ist das Herausfinden des konkret gemeinten Verses unwahrscheinlich - sofern ein nicht einschlägiger Vers gemeint wäre; die Identifizierung unterbleibt. Die verblüffende, fehlerfreie und flüssige Deklamation des Verses trotz der fehlenden Schulbildung legt ein besonders deutliches Gedankenlesen nahe. Behauptend auf alle Seher(vä/es) ausgedehnt, Acad. 1,7,19.

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2.4.4 Das poetische Fama-Bild Trygetius verteidigt das 'veri simile'-Konzept gegen die polemische Illustratio Augustins (2,7,19). Er möchte die sinnliche Wahrnehmung von Ähnlichkeit sowie das Hörensagen (die fama) aussparen, da gerade die Akademiker beidem mißtrauten. Explizit stellt er den Bezug auf die mythologische und aus der Dichtung bekannte Gestalt der Fama her, ohne konkret einen Text zu zitieren.106 Wegen monstrosis und der Augen (sowie der Lektüre in Cassiciacum) ist wohl Aen. 4,181-183 evoziert; mille ließe an Ov. met. 12,44 denken, kann dem jungen Mann aber auch aus einem (mündlichen) Kommentar durch den Lehrer in Erinnerung geblieben oder eine spontane Konkretisierung für ,viele' sein.107 2.4.5 Eine allegorische Vergilauslegung in Acad. 2,9,22? Die Rückkehr der Seele entwirft Augustin dreistufig: Kampf gegen die Sinnestäuschungen, Triumph über die Begierden und Erlangung der Herrschaft an der Seite der temperantia.m Fuhrer weist auf die Verbindung von Rückkehr- und Kampfmetaphorik hin, womit sie den Handlungsablauf der Aeneis in Verbindung bringt.109 Wie die Neuplatoniker die Rückkehr der Seele mit dem vöajoq des Odysseus verglichen,110 werde dieser Gedanke auf die Aeneis übertragen. Angesichts des sonstigen Fehlens allegorischer Gesamtinterpretation der Aeneis durch Augustin sind die Parallelen nicht spezifisch genug, um diese These zu belegen. Das folgende Zitat (s.S. 5383) ist zu punktuell, um als nachträgliches Signal zu gelten.

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Acad. 2,8,20: 'uidebatur enim mihi fama inprobe inruisse in quaestionem uestram, cum Academici ne oculis quidem credant humanis, nedum famae mille quidem, ut poetae fingunt, sed monstrosis tarnen luminibus.' Der wahrnehmungstheoretische Kontext bestimmt den Gegensatz als den zwischen der Zahl der Augen und ihrer wegen der Abnormität beeinträchtigten Wahrnehmungsfähigkeit, Fuhrer 189. Die einleitende Formel signalisiert in konventioneller Weise die Herkunft allgemein aus der mythologischen Dichtung, ohne die Kenntnis mehrerer Belege zu implizieren, s. Fuhrer 189. 107 Hagendahl stellt diesen Vers in eine Reihe auf die Akademiker angewandter ornamentaler Vergilzitate (p431, s. auch t854) Courcelle führt 31 lf. nur zwei weitere Echos der vergilischen Passage auf, ANTH. 8,28 und - sehr blaß - HIER, epist. 40,7: 'Oculos ... vigiles', daneben HIER, epist. 106,57. 108 Acad. 2,9,22, Fuhrer 197-203. Retr. 1,1,7 Kritik an der Rückkehr-Metapher. In ,auferantur de manibus' sieht sie 196 „bereits eine Anspielung auf den Kontext des unten zitierten Vergil-Verses". im Mit den drei Phasen Schwierigkeiten der Deutung der fata, Rückkehr ins Ursprungsland. Sieg über die Latiner und Herrschaft an der Seite Lavinias. Fuhrer I98f, gestützt auf das Vergilzitat s.S. 53 83 . ""Stellen ebd., die Plotinanklänge (2,2,6; 3,19,42) machen nach Fuhrer plausibel, daß Augustin solche Interpretationen gekannt hat. Auch wenn dies nicht notwendig ein neuplatonischer Vergilkommentar gewesen sein muß, sind bei ihm platonisierende Vergilinterpretationen zumindest später und bezüglich der Seelenwanderungslehre greifbar. S. dazu Fuhrer 199A13, sowie S. 297 387 , S. 37014.

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Frühschriften

2.4.6 Hercules und Cacus als Teil der Illustratio Gegen Karneades' Einschränkung des Geltungsbereichs der skeptischen Grundthese111 auf philosophische Fragen hält Augustin die Herkunft der Definition der kataleptischen Erscheinung aus der Philosophie, zumindest ihrem Vorfeld; Karneades würde sich (a) mit ihrer eventuellen Erschütterung ,ins eigene Fleisch schneiden'." 2 Im Fall (b) ihrer Gültigkeit (und der Verunklärung ihrer Selbstapplizierbarkeit) diene sie als latibulum und Räuberhöhle für die Skeptiker. Augustin bleibt in dem hochrhetorischen Duktus und zeichnet diese Situation durch das Bild von Cacus und Hercules, an dessen Ende die Zerstörung der akademischen Rückzugsmöglichkeit durch einen von außen kommenden Gegner steht.113 Der Vorwurf, wie Schlangen bzw. Tiere überhaupt aus Verstecken anzugreifen, gehört in das rhetorische Arsenal allgemein und wurde speziell auch gegen Karneades erhoben.114 Während die Motive des Schlupfwinkels, des Lauerns und der ahnungslosen Passanten noch nicht in besonderer Weise an Cacus erinnern, erfolgt mit der Figur des Gegners der Umschlag zu einer eindeutigen Evokation der Cacus-Gestalt in der Fassung Vergils (Aen. 8,185275). Neben dem Heroennamen fungieren spelunca und semihomo (Aen. 8,193f.)115 als markierende Signalwörter. Auch die Umschreibung der Todesart, des Erwürgtwerdens, weist auf die vergilische Fassung.116 Die zweite Formulierung ist als Begraben unter den Trümmern der Höhle zu verstehen, was an eine ungenaue Zitation denken läßt.117 Mit der deutlichen Anspielung verstärkt Augustin implizit die moralische Abwertung von Karneades' Verhalten; die Widerlegung der akademischen Position, d.h. die Aufdeckung der Ausfluchten gewinnt die Dimension einer herkulischen, übermenschlich schwierigen und erlösenden Aufgabe. Insofern hat der Bezug auf den Mythos mehr als nur illustrierende Funktion. Der im Schlußsatz erwähnte helfende Gott legt sogar nahe, daß Augustin die Möglichkeit einer allegorischen Interpretation des Hercules auf den christlichen Gott bzw. Christus angelegt und offengehalten hat. Wie bei vielen Anspielungen dieser Schrift eröffnet sich ein Resonanzraum je nach

1 2 3

4 5 6 7

S. Acad. 3,10,22 'nihil posse pereipi et nulli rei debereadsentiri', Fuhrer 321 f. Fuhrer 327. Zu 'rediet bipennis in crura' Otto 99, Haussier, Nachtr. 99; s. Gn.adv.Man. 1,5,8. Acad. 3,10,22: 'si eam non audebis euertere - est enim latibulum tuum, unde in incautos transire cupientes uehemens erumpis atque exilis - aliquis te Hercules in tua spelunca tamquam semihominem suffocabit et eiusdem molibus opprimet docens aliquid esse in philosophia, quod tamquam simile falso incertum abs te fieri non possit'. Hagendahl tOOOa, Courcelle 574 (die Einleitung verfehlt die Situation), MacCormack 137. In ciu. 19,12 wird die Cacus-Gestalt breiter aufgenommen und ausgewertet, s.S. 283 312 . Zu weiteren (seltenen und in der Tragweite nicht an die augustinischen heranreichenden) Nachwirkungen dieser Erzählung Courcelle 574-578 (u.a. HIER. c.Vigil. 1. Fuhrer 328: NUMEN. frg. 27,23-26 DesPlaces (zur Sache ClC. Art. 13,21,3), allg. ClC. Vatin 4. Beide auch ciu. 19,12. Semihomo wie semiferus von Grammatikern vermerkt, SERV. ad 8,194.267. Bei LIV. 1,7,7; PROP. 4,9,15f.; Ov. fast. l,575f. wird Cacus von Hercules mit der Keule erschlagen. Bei Vergil wird die Höhle zerstört, der tote Cacus aber herausgeschleift. Aen. 8,190192.264f. Fuhrer denkt 329 an die Freilegung und den Beschuß der Höhle (8,233240.248f.).

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Aufmerksamkeit und Interesse des Rezipienten.118 Eine ironische Note erhält das Bild, wenn man einen Bezug auf den Lucullus annimmt, wo der Kampf des Karneades gegen die voreilige adsensio Herkulesarbeit (und Kampf gegen eine Hydra) genannt wird.' 19 2.4.7 Eine vergilische Wendung in Acad. 3,14,30 Die Diskussion de adsentiendo einleitend knüpft Augustin an den Sieg der Akademiker (ihrer Ejtoxii) im Moment ihrer Niederlage an. Er wertet diese Gedankenfigur mit einer vergilischen Junktur ('arte Pelasga', 3,14,30) als unzulässige Spitzfindigkeit. Er verbindet darin das durchgängig negative Griechenurteil120 mit einer vernehmlichen Anspielung auf die Aeneis, genauer auf die Wertung der Trugreden Sinons durch den Dichter, Aen. 2,152 (oder 2,106).121 Durch die poetische Namensform und die intensive Lektüre der ersten Bücher ist die Anspielung trotz der Kürze deutlich implizit markiert und transparent. Das könnte bedeuten, daß ihr Resonanzraum auszuweiten ist und die Handlungsstruktur des zweiten Aeneisbuches assoziiert werden soll. Demzufolge wäre die akademische Niederlage ein "trojanisches Pferd", mit dem die sich in Sicherheit wiegenden Gegner der Skepsis ihre eigene Niederlage herbeiführten, da die Skeptiker nun um so mehr auf die Enthaltung von Urteilen dringen können. Diese Zusatzcodierung muß vom Leser nicht notwendigerweise entschlüsselt werden.122 3

Andere herausragende Zitate, Bezüge oder Gestaltungselemente

3.1

Ein Verrinenzitat

Augustin weicht der von Alypius geforderten Offenlegung seines Selbstverständnisses als 'accusator Academicorum' aus, indem er - in Aufnahme von Ciceros Beschreibung seiner Aufgabe gegen Verres - zwischen für eine dritte Partei engagierten und nicht engagierten Anklägern unterscheidet. Die Einleitung legt den Gedanken an eine konkrete Formulierung nahe. 123 Drei Stellen kommen für ein jeweils sehr freies Zitat in Betracht; wegen der Steigerung und der Nennung der Parteien ist Verr. 2,1,21 der wahrscheinliche Bezugspunkt; die Substituierung von provincia durch den Namen erklärt sich aus der Absicht der historischen

118

Ablehnend zur allegorischen Interpretation Fuhrer 328f. gegen O'Connell, Theory 244f.; s. Malherbe, Herakles, RAC 14, 1988, 575f.578f. s.S. 44 31 . Vom Duktus der Stelle her könnte man für Hercules auch einen Cacus/Karneades gleichrangigen, also menschlichen Gegner einsetzen, vielleicht Augustin selbst, was in dem dux aus dem Schlußwort des Alypius einen Anhalt fände: "habemus ducem, qui nos in ipsa veritatis arcana deo iam monstrante perducat' (Acad. 3,20,44). 119 CIC. ac. 2,108, s. Gunermann 27A1, Fuhrer 329. 120 Fuhrer 224 mit den Stellen aus Acad. 2,12,27; 3,8,17; 3,11,26; 3,14,30; 3,15,33. 121 Aen. 2,152: 'ille dolis instructus et arte Pelasga*, Hagendahl t835. Im Genitiv Aen. 2,106. Schelkle 86, Courcelle 159f. Auch sonst ist diese Bezeichnung in der Aeneis (2,83; 6,503) negativ konnotiert. 122 In Acad. haben etliche Stellen einen potentiell stark erweiterten Resonanzraum, s.S. 449. 123 Acad. 2,9,22: 'non enim si a Cicerone modestissime dictum est ita eum esse Verris accusatorem, ut Siculorum defensor esset, propterea necesse est eum, qui aliquem accuset, habere alterum, quem defendat.' Vgl. Fuhrer 195.

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Frühschriften

Einordnung.124 Die Einführung mit Nennung der beteiligten Personengruppen leistet bereits eine explizite Markierung, so daß es auf ein Erkennen des Wortlauts nicht mehr ankommt, zumal die Lektüre dieser Reden bei den Jüngeren nicht ohne weiteres vorauszusetzen ist. Augustin zitiert aus dem Gedächtnis oder unter bewußter Veränderung (Zuspitzung mit ita ... ui) in einer Gestalt, die eine eindeutige Zuordnung nicht mehr erlaubt. 3.2

Der Streit der Philosophen nach Cicero

Zum Beleg der relativen Geltung der Akademiker bei den anderen Philosophenschulen schildert Augustin den Streit der Philosophen nach Cicero. Die Einführung läßt nicht erkennen, ob ein wörtliches Zitat vorliegt. Die Angabe legt eine freie Paraphrase aus dem Gedächtnis nahe. 125 Mit einer unmarkierten, aber deutlichen Terenzwendung und mindestens einer unklassischen Konstruktion lassen sich Indizien für die Umformulierung aufzeigen.126 3.3

Cicero in der „Satire vom skeptischen Ehebrecher"; Terenzwendung

Augustin reflektiert (3,16,35) das Verhältnis von errare und peccare (damit die moralische Relevanz der £Jtoxf|) mit einer "Satire vom skeptischen Ehebrecher" (Fuhrer 393). Dieser handelt gemäß dem probabile (ohne assensio, also definitionsgemäß ohne Irrtum). In einer farbigen und detailliert ausgestalteten Szene beschwört Augustin mit einer Prosopopoiie Cicero127 herauf und führt das eatoxrj-Konzept ad absurdum, indem er es nacheinander zur Grundlage für das Handeln des jungen Mannes, für die Verteidigungsstrategie durch 'Cicero', den Richterentscheid und den anschließenden Trost macht. Er spielt hier den Skeptiker gegen den in der Erziehung engagierten Moralphilosophen aus, den er in ClC. Verr. 2,1,21: 'Meum fuit cum causa accedere ad aecusandum: quae causa fuit honestior, quam a tarn inlustri provincia defensorem constitui et deligi?'; bei Verr. 2,1,98 ('[...] sed ego defensorem in mea persona, non aecusatorem maxime laudari volo') überwiegt der Gegensatz; wegen der Zugehörigkeit zu einem Trikolon scheidet Verr. 2,4,82 ('Haec abs te non Siculorum defensor, non tuus aecusator, non Segestani postulant, [...]') aus. Voss annotiert (343A25) die erste und dritte, ebenso Green; Knöll und Hagendahl (tl06) nur die dritte, Testard (Cic. 11,3) die beiden ersten. Die von Hagendahl (50f.) genannten Verrinenzitate lassen keine Bevorzugung eines bestimmten Buches erkennen. Acad. 3,7,15 Fuhrer diskutiert (289-292) die Forschungsmeinungen und weist den zugrundeliegenden Abschnitt dem 4. Buch der Academici posteriores zu (s. die erhaltene Version ac. 2,114-143; diese besitzt in keiner Weise die dramatische Dichte der augustinischen Szene). Ein Zitat dieser Länge, zumal in Prosa, kann nicht als auswendig vorgetragen vorausgesetzt werden. "Inde ad iurgium', TER. Eun. 626, Fuhrer 294 (nicht bei Hagendahl; s. Baer, TLL 7.2,665,75). Qui statt uter nach roga, Fuhrer 297; der Acl nach dubito ist für Cicero immerhin belegt, ebd. 298. Ergänzend zu Fuhrer kann man die letzten Sätze von § 15 noch i.S. einer summarischen Zusammenfassung der Einführung zuordnen und die Wiedergabe erst mit §16 beginnen lassen, um die inhaltliche Verdoppelung zu vermeiden. Dann ist der Einsatz mit 'fac enim verbi causa Stoicum adesse [...]" Signal für eine sehr freie und ungefähre Wiedergabe. Der abschließende Hinweis auf weitere derartige Auseinandersetzungen bei Cicero (Acad. 3,7,16 kann sich auch auf eine Szenenfolge wie die im l.ucullus beziehen (ac. 2,114ff.). Dazu Fuhrer 298. Nur im ersten Teil dieser Szene redet Augustin 'Cicero' an, im weiteren Verlauf (der 'Gerichtsszene') spricht Augustin von ihm in der dritten Person.

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polemischer Absicht genau hierfür lobt. Eben als Lehrer der Skepsis fällt "Cicero' die Pflicht der Verteidigung zu; 128 die skeptische Verteidigungsposition wäre, die Verführung als "einem probabile folgen" darzustellen oder die Faktizität der Handlung in den Bereich nur subjektiver Wahrheit zu weisen.129 Verfange die Verteidigungsstrategie, laufe sie ins Leere, wenn die Richter ihrerseits dem probabile folgten und den jungen Mann verurteilten, ohne kritisiert werden zu können. 'Cicero' muß nun die Rolle wechseln und philosophischen Trost spenden: als fortgeschrittener Akademiker solle der Delinquent die Verurteilung für eine Traumhandlung halten. Von der Satire leitet Augustin mit einer terenzischen Wendung (Eun. 331) zur ernsthaften Aussage über.130 Der Schwur (unter Abstraktion des Schwurgaranten) soll den urbanen Ton, der aus den Komödien gerade des Terenz gelernt wurde, nicht einzelne Stellen evozieren (oder gar eine komische Wirkung erzielen).131 Der Bezug geht weder auf den Einzeltext noch auf die Gattung, sondern auf ein kulturelles System, das literarisch stilisierte Gespräch. 3.4

Die Philocalia-Fabel

Eingelegt in die Schilderung der hypothetischen Wirkung der Philosophie auf Romanianus' Gegner (2,2,6f.) ist eine ,Fabula',132 durchaus im doppelten Sinne des platonischen Mythos und der literarischen Gattung mit Tendenz zur Tierfabel, vgl. die scherzhafte Selbstprädikation als Äsop und die Ankündigung einer poetischen Fassung durch Licentius, eher eine ironische Anspielung als ein wirkliches Projekt des Jüngeren.133 Augustin beginnt mit der Bewertung der Lebensweise des Gegners als Philocalia in der abschätzigen Konnotation des normalen Sprachgebrauchs; diesen korrigiert er zugunsten eines aus der Etymologie und der Bestimmung von sapientia als vera pulchritudo gewonnenen wesentlichen Zusammenhangs mit der Philosophie, so daß beide auf der Ebene des Mythos als Schwestern gelten 128

Die Antwort malt Augustin zunächst als Ausweichen ohne Preisgabe des skeptischen Standpunkts aus. Er beharrt jedoch auf der subjektiven Sicht des jungen Mannes. 129 Der Ehemann schlafe, vollziehe sogar mit seiner Frau den Beischlaf; zu der Pointe Fuhrer 397f. 130 Acad. 3,16,35: 'sed uos me iocari arbitramini. liquet deierare per omne diuinum nescire me prorsus, quomodo iste peccauerit, si quisquis id egerit quod probabile uidetur non peccat [...]'. TER. Eun. 331: Miquet mihi deierare', Fuhrer 399, Voss Dial. 231. Die Kritik in retr. 1,1,4 zielt auf den Schwur an sich wie auch auf das unbestimmte divinum (Fuhrer ebd.). Die Ergänzung der Formel um das Göttliche als Schwurgaranten spricht gegen die Annahme dieser Terenzstelle als unmittelbarer Vorlage. Fuhrer 399 ortet wohl mit Recht die Formel 'peromnes deos' im Hintergrund. 131 Gegen Fuhrer 399: "Die komische Wirkung der Terenz-Reminiszenz kontrastiert mit der Versicherung, nicht im Scherz zu sprechen". 132 Acad. 2,3,7. Zum Begriff Fuhrer 113 bes. A96 (s.S. 92 297 ), zur Erzählung insgesamt ebd. 112-121. 133 Acad. 2,3,7: 'quam totam fabulam - nam subito Aesopus factus sum - Licentius tibi carmine suauius indicabit; poeta est enim paene perfectus.' Aesop wird bei Augustin sonst nur c.mend. 28 (s.S. 14746), cons.eu. 1,12 (s.S. 2268) genannt. Vermutlich kam ihm in Erinnerung an diese Nachricht die Idee zum folgenden Scherz. Das Futur ist mit Fuhrer 118 als Potential aufzufassen, aber es ist eben scherzhaft. Das Lob für Licentius trägt eine ironische Note, ist dennoch eine Verbeugung vor dem Vater. Mit suavius ist der Dichtung eine konventionelle stilkritische Kategorie zugeordnet.

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können.134 Im Fortgang erweisen sie sich als Vögel konzipiert.135 Die philocalia geht dabei auf die Leimrute der libido, ist getrennt von ihrem geistigen Bezug {caelum). In einen Vogelkäfig gesperrt verliert sie ihre Federn und starrt vor Schmutz. Sie behält nur noch ihren Namen, der sie vor Verachtung (des Weltmenschen, der sie besitzt) schützt, hat aber ihre Herkunft vergessen. Nur die Philosophie kennt sie und ihre Herkunft.136 Abschließend richtet Augustin den Blick wieder auf den Gegner des Romanianus, der sich fortan im Schoß der Philosophie bergen und Romanianus als ,Bruder' vorfinden würde. 137

3.5

Die Gestalt Catilinas nach Sallust; Verrinenzitat

In einer Praeteritio demonstriert Augustin die gefährliche Wirkung des probaMe-Konzepts, nicht mehr satirisch-ausschmuckend, sondern in Anspielung auf die Gestalt Catilinas. Bereits in der Hinführung klingt die sallustische Charakterisierung durch.138 Der offenkundige Bezugspunkt ist die Rede vor den Mitverschwörern (Cat. 20), das Paradigma einer annehmbaren Darstellung sogar der größten139 Verbrechen. Augustin unterschlägt dabei, daß diese Rede nicht vor sapientissimi iudices, sondern vor Personen ähnlichen Hintergrunds gehalten wird.

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Acad. 2,3,7; zu philosophia Fuhrer 114f. In retr. 1,1,7 kritisiert Augustin die mythologische Redeweise und legt die Inkonsequenz dieses Gebäudes offen, das auf eine Identifizierung, nicht auf eine Schwesternschaft hinausläuft. In der Rückschau überwiegt eine Sachästhetik anstelle der wirkungsästhetischen Kategorien. Die inkonsequente Verhältnisbestimmung bleibt im Rahmen der Lizenzen der Gattung; der Angriff aus der Distanz des Alters soll solche Redefiguren grundsätzlich treffen. Fuhrer 116f. zu den platonischen Metaphern vom Seelenflug (incl. des Leimmotivs, s. sol. 1,14,24). Vom Schluß her erscheinen die Vögel eher als die Seelen selbst, was in das platonische Konzept paßt. Acad. 2,3,7. Die Deutung des aueeps als philosophus (Fuhrer 117) erscheint abwegig, insbesondere wegen des jämmerlichen Zustands der Philocalia. Die Gefangenschaft erscheint als Entfremdung, eine Intervention durch die frei umherfliegende Philosophie wird immerhin erwogen. Betreffs des aueeps ist eher an einen anonymen Widersacher bzw. den Weltmenschen (konkret den Gegner des Romanianus) zu denken, der die edle Philocalia herunterkommen läßt. Das Vogelfängermotiv bei Augustin auch mag. 10,32 (neutral, ebenso an.quant. 21,36); util.cred. 1,2 und Io.eu.tr. 1,14 - beide Male negativ konnotiert i.S. diabolischer bzw. manichäischer Verführung vgl. Ps. 124,6. Acad. 2,3,7. Mit der Unterscheidung vera und falsa pulchritudo (immateriell vs. materiell) wird das Bild der Schwestern gesprengt. Quer zum Duktus der Fabel verleiht der Schlußsatz der Hoffnung Ausdruck, Romanianus und der Gegner gehörten zu den „Philosophenseelen'", während die anderen ihrem Aufschwung nur zusehen könnten; wohin Augustin hier die (f*A.ÖKa>.oi rechnet, bleibt unklar: das Bild redet nicht von einer Befreiung der „PhilokalenVögel". S. Fuhrer 122. Acad. 3,16,36: "taceo de homieidiis parrieidiis sacrilegiis omnibusque omnino quae fieri aut cogitari possunt flaeitiis ac facinoribus [...] qui autem non putant ista probabiliter posse persuaderi, legant orationem Catilinae, qua patriae parrieidium, quo uno continentur omnia scelera, persuasit'. Augustin übernimmt zwei klangvolle Junkturen aus SALL. Cat. 14,1-3, s. zur ersten SALL. Cat. 23,1; 37,5 (s. Fuhrer 399f. mit AI8); parrieidium. flagitium. facinus auch in ClC. Catil. 1,17f. (Courcelle, Le jeune Augustin 321). Die Zusammenrückung der Junkturen ist ein hinreichendes Indiz, daß Augustin nach der Salluststelle gestaltet - ohne Markierung und ohne intendierte Transparenz. In der ciceronischen Werteskala, s. ClC. off. 1,57, Fuhrer 401. Auch patriae parrieidium ist ciceronisch (Phil. 2,17; Süll. 6; off. 3,83, s. ciu. 1,5: die Catilinarierpatriaeparrieidae).

Frühschriften

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Catilina gilt auch sonst als exemplarischer Verbrecher;140 mit der politischen Gegnerschaft wird der Politiker Cicero gegen den Skeptiker ins Feld geführt.141 Mit einem auffälligen, langen Zitat aus den Verrinen leitet Augustin zu dem eigentlich kritischen Punkt über: die Grundlage entfalle, ein Verbrechen als solches oder auch nur als Irrtum (error) zu benennen. 142 Das Zitat kann allenfalls als durch die rhetorische Fülle implizit markiert gelten (Ciceros Reden gegen Verres werden in 2,9,22 explizit genannt); ob dies für die Schüler genügt, bleibt offen. Das Verständnis als Zitat ist ganz vom Bildungsniveau und der Aufmerksamkeit abhängig. Es trägt für den Gebildeten zum urbanen Ton bei, ist aber nicht als sinntragend berechnet. 3.6

Die Rolle Ciceros in der These der platonischen Geheimlehre

Im zweiten Teil der oratio perpetua entwirft Augustin unter Vorbehalten die Geschichte des Piatonismus bis zu Plotin als Geheimlehre.143 Von Karneades wird die Auseinandersetzung bis auf Cicero als lateinischen Vertreter überblickt.144 Er kritisiert ihr Wuchern in den formal gelobten Schriften Ciceros: Diser Aufwand sei der dissimulatio unangemessen (3,18,41). Augustin nimmt eine zurückhaltende Position gegen die referierte These ein, wichtig ist ihm nur das Ergebnis der Widerlegung der skeptischen Thesen. Für die Geheimlehre ruft er Cicero als Zeugen auf und bestimmt diese Position eigenständig als die Piatons.145 4

Abgelehnte Bezüge, Vergil- und Terenzwendungen

Augustin charakterisiert Situation und Persönlichkeit des Romanianus mit Wetter- bzw. Gewittermetaphorik (2,1,2).146 Zu Recht weist Fuhrer die Versuche 140

Conf. 2,5,11; c.Iul. 4,3,19.25 u.ö. (Courcelle 322-328), sowie VERG. Aen. 8,668f, s. Fuhrer 400. Fuhrer 401. Zum Ausspielen s. 3,16,35 (Erzieher/Staatsmann vs. Skeptiker). 142 Acad. 3,16,36: 'minus id ad nos, minus ad uitae nostrae discrimen, minus ad fortunarum periculum pertinet. illud est capitale, illud formidolosum, illud optimo cuique metuendum, quod nefas omne, si haec ratio probabilis erit [...]', ClC. Verr. 2,2,76f.; Fuhrer 401 (das Zitat entging früheren Forschern). 143 Acad. 3,17,38: 'pro mysteriis custodita' Fuhrer 418-424. Mysterienterminologie auch 3,18,41. Fuhrer 403-408 zu Quellen, Vermittlungsformen und Augustins Leistung. Für die Herkunft der Lehre greift er Platon-Lcgenden auf, z.B. ClC. Tusc. l,38f. 144 Acad. 3,18,41. Durchgehende Kriegsmetaphorik Tullius noster ist primär auf die Sprachzugehörigkeit zu beziehen (Fuhrer 438f). Andererseits klingt ein gewisser Stolz doch durch. 145 Acad. 3,20,43. Fuhrer 469. Das angebliche Referat oder Zitat (ClC. ac.fr. 21, Plasb. p. 61,17) ist evtl. nur die Wiedergabe eines Mißverständnisses von ac. 2,60, Fuhrer 468. 146 Acad. 2,1,2: Die naturalis mentis altiludo des Gönners verberge sich wie ein Blitz hinter Wolken (den Angelegenheiten seiner Familie) und nur schwache (murmura, fulgora) und momentane Anzeichen (fremitus - Donner der ratio; coruscamen - Aufblitzen der temperantia) drängen nach außen. Acad. 2,1,1; zur Metaphorik Fuhrer 62.64f Gegen den Verweis (Fuhrer 64) zu 'cursum suum [...] excutiat' aus der vorausgehenden Wasser-, Sturm- und Hafenmetaphorik auf Aen. 3,200 ('excutimur cursu et caecis erramus in undis') ist der Gebrauch von cursus für Seefahrt in konkretem wie in übertragenem Sinn zu geläufig (s. Hofmann, 'cursus', TLL 4, 1529-1539, bes. 1532, 1.22fT.), auch mit lenere (z.B. ClC. rep. 1,3; 1,10; Aen. 3,686). Die Vorstellung des Abkommens vom Kurs kann nicht als weiterer paralleler Zug gelten, weil er im Bild bereits angelegt ist. 141

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Früh Schriften

Doignons, enge Bezüge zu den Gewitter- und Feuerprodigien der Aeneis herzustellen, zurück, erkennt aber Anspielungen allgemein auf (epische) Szenen und Vergleiche, "wo durch Feuer, Blitz und/oder Donnergrollen die Bedeutung eines Geschehens und göttliches Wirken manifestiert werden".147 Die Bildgehalte sind jedoch unterschiedlich: göttliche Beglaubigung oder Unheil in der Aeneis; hier die durch Alltagsgeschäfte hervorbrechende Tugend. Insofern Augustin im menschlichen Bereich bleibt, stützt er sich auf die bereits aus dem epischen Kontext in den des urbanen Gesprächs abgesunkene Metaphorik. Charakteristisch für die Frühschriften ist die Unbefangenheit, in der die portenta als quaedam futurorum signa bezeichnet werden.148 Die topische Wendung Mnanis famae cupiditas' (2,2,5) ist kein Bezug auf Aen.4,218."»9 Fuhrer assoziiert zu 'in illam religionem, quae pueris nobis insita est et medullitus inplicata' (Acad. 2,2,5) die vergilische Vorstellung des 'in den Knochen' oder 'im Mark' wirkenden Liebesfeuers".150 Wahrscheinlicher ist die parallele, unabhängige Übertragung von Krankheiten auf Liebe bzw. auf andere erschütternde Erfahrungen.151 Augustin beschreibt die Erfahrung der Philosophie als Erscheinung in einer vergilischen Wendung, ohne daß eine deutliche und erkennbare Anspielung gegeben wäre: 'Tunc vero quantulocumque iam lumine adsperso152 tanta se mihi philosophiae facies aperuit, ut...'(2,2,6). Damit führt er die Lichtmetaphorik mit einer Personfikation weiter,153 er spielt nicht auf die Rückverwandlung der Allecto aus der Iunopriesterin in ihre eigene Gestalt an.154 Gegenüber dem Kontext ergibt sich kein 'Überschuß', der das Zitat vereindeutigte oder auf eine Intention hindeutete. Gerade der Dativ trägt eine Adressierung hinein, die nicht bei Vergil zu finden ist. Licentius erwähnt bei seinem Wunsch nach Ablösung durch Alypius noch einmal mit einer differenzierten und ausgeführten Wassermetaphorik den kanaFuhrer 69. S. Doignon, La baroque invitation, 222 zur Verbindung von fremitu und coruscamine. Coruscamen ist sonst nur bei Apuleius und Fulgentius belegt (Burger, 'coruscamen', TLL 4, 1073), z.B. APUI. Socr. 3, zitiert in ciu. 9,16. "Möglicherweise nimmt Augustin auch an der vorliegenden Stelle auf Apuleius' Wortgebrauch Bezug. Das Bild selbst ist hingegen konventionell", Fuhrer 70. Fuhrer 71 f. bes. A20 versteht signa futurorum auf der Sachebene als Orakelsprüche. Dagegen spricht aber quasi. Sie sind eher der zusammenfassende Oberbegriff der Metaphern der Bildebene. Gegen Courcelle 316. Fuhrer 96, s. Cresc. 3,5, ep. 93,18 (inania als Inhalt der famä). Fuhrer 98A70, s. Aen. 1,660: 'ossibus inplicet ignem' und 4,66: 'est mollis flamma medullas'. S. z.B. CYPR. mortal. 14; ZbNO 1,1,156. Im christlichen Bereich ist besonders die Vorstellung der Prüfung bis ins Mark durch Gott verbreitet (vor allem bei AMBR., z.B. in psalm. 118serm. 15,39u.ö.). Dativ, bezogen auf mihi, Verweis auf die Zwischenstufe der Feuermetaphorik (s. Fuhrer 106). Zum platonischen Einschlag der auch sonst in Prosopopoiien betonten/ac/es Fuhrer 107. Aen. 7,448: 'tantaque se facies aperit'. Eine solche Anspielung wäre inhaltlich unangemessen (gegen Hagendahl p431: "the remarkable thing is that in such a context the author applies to Christian philosophy what Virgil says of the infernal fury Allecto"). Eine "Rettung" des Bildgehaltes überzeugt nicht (Fuhrer 107: "Das Tertium comparationis ist jedoch die elektrisierende und folgenschwere Erscheinung der philosophia bzw. Allektos"), insbesondere da nicht nur die Monstrosität der Furie, sondern auch die Rückverwandlung aus einer täuschenden Verstellung wesentlich an dem Vers ist, facies also einen ganz anderen Ton trägt. Courcelle (544) leugnet einen inhaltlichen Bezug.

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lisierten Verlauf der Diskussion, deren Worte aufgefangen würden und nicht zur Erde fielen; dadurch seien sie nützlich und ästhetisch ansprechend.155 Diese Worte tragen merklich poetisches Kolorit, vor allem ablesbar an ore, sowie der Wendung sermo caeditur.i5b Der Bezugspunkt des ausdrücklich als Zitat oder Redewendung eingeführten Bildes der auf die Erde fallenden Worte könnte in der biblischen Rede vom Wort Gottes gesehen werden, was hinsichtlich der Rollenverteilung und des sonstigen Befundes der Cassiciacumschriften nicht zufriedenstellt.157 Auch in dem Geplänkel der beiden Jungen (2,7,18) finden sich poetische Wendungen, vor allem die z.T. für vergilisch gehaltene Vorstellung der 'vultus serenati'. 158 Hagendahl (t832a) will in ,intentis omnibus sie coepi' (Acad. 3,4,8) einen Nachhall von Aen. 2,1 sehen. Ebenso wie in der von ihm annotierten Stelle doctr.chr. 4,10,25 erweist sich diese Zuweisung als unhaltbar. Die Fügung kann natürlich aus der Gesprächssituation abgeleitet werden; intentis omnibus auch exc.urb. 7, sowie in anderen Kasus en.Ps. 21,2,29;48,1,1. Die bei der Abweisung eines akademischen Einwands (3,12,28) gebrauchte Redewendung nihil perieli est ist wohl als bewußt terenzische Formulierung eingeflossen, ohne Verweischarakter oder Transparenz auf eine bestimmte Stelle (Andr. 350 oder Phorm. 763). 159

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Acad. 2,7,17: 'nam quoniam placuit uobis ista fundere potius quam efifundere, siquidem ore prorumpentia stilo excipitis nee in terram, ut dicitur, cadere sinitis, legere etiam uos licebit; sed nescio quo modo, cum admouentur oculis idem ipsi, quos inter sermo caeditur, bona disputatio si non utilius, at certe laetius perfundit animum.' 156 Fuhrer verweist 180f. auf Aen. 5,842 oder LUCR. l,39f, bzw. auf TER. Heaut. 242. 157 S. etwa 4Rg. 10,10, 3Rg. 8,56 (Fuhrer 181f.) oder auch ausführlicher Is. 55,IOf. Gerade die beiden ersten Stellen entstammen in der Aufmerksamkeit weit hinten rangierenden Büchern. Überdies ist Wassermetaphorik für die Rede konventionell (Fuhrer nennt 180 TER. Ad. 769 und SEN. ep. 100,2). Voss sieht hier eine „volkssprachliche Wendung"' und führt eine überzeugende Parallelstelle an (Dialog 232, A141 mit ep. 213,2, ohne biblische Obertöne). 158 In Aen. 1,255 heißt es von Iuppiter: 'voltu quo caelum tempestatesque serenat' S. Courcelle 72f, P.Keseling, Virgil bei Augustinus, 383f, sowie Führers Ablehnung (184) als "sehr spitzfindig". Man kann hier nicht von einer Anspielung sprechen, nur von poetischem Kolorit. Insbesondere muß der Unterschied zwischen dem aktiven (Vergil) und dem passiven serenus/-are (Augustin, die meisten anderen Belege) beachtet werden. Aus der stattlichen Reihe poetischer Verbindungen passen daher eher vultuque sereno LuCR. 3,293 (ähnlich CATU. 55,8; HÖR. c. 1,37,26; OV. trist. 1,5,27) oder vultuque serenus, LUCAN. 4,363, vgl. zahlreiche Belege aus der kaiserzeitlichen und spätantiken Dichtung. Die Partizipform serenatus begegnet poetisch ab GERM. 133 und dann häufig bei SIL. (z.B. 12,66 vom Himmel), in der Verbindung mit vultus belegt erst mit VEN.FORT. carm. 6,2,103. Trotz des vergilischen Kontextes und der infolge der Bekanntheit von Aen. 1 (evtl. auch durch die kürzliche Behandlung) herabgesetzten Signalschwelle ist offenkundig keine Transparenz auf diese Stelle intendiert; ein inhaltlicher 'Mehrwert' ist nicht feststellbar, es geht allein um die Höhe der Diktion. 159 Voss, Dial 231: 'sicheres Terentianum'. Nicht aufgenommen bei Hagendahl. Bei Terenz heißt es jeweils nil. Die synkopierte Form perieli dient als Markierung des Zitats oder der geprägten Wendung.

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A.2

De beata vita

Unter den Cassiciacum-Dialogen nimmt De beata vita eine Sonderstellung ein,160 wie sich auch in der Wahl der literarischen Gestaltungsmittel zeigt. Dichterische Bezüge sind selten und stärker zur Begründung von Einzelargumenten funktionalisiert. Unter den reichen anderen Mitteln literarischer Gestaltung161 fallen besonders die Metaphernstränge auf: die Hafenallegorie des Proömiums und die das Dialoggeschehen spiegelnde Speisemetaphorik.162 Zahlreich sind die Bezugnahmen auf Cicero, vor allem auf den Hortensius. In ähnlicher Weise dient Sallust als Repräsentant der allgemein (4,30) hervorgehobenen sprachlichen Autorität und Präzision der Alten. Als Gegensatz zum Mangel verwendet Augustin plenitudo, obwohl Sallust von opulentia spreche.163 Augustin spielt dabei offenbar auf Cat. 52,22 an.164 Bei der Entfaltung der Maßethik verwendet Augustin Etymologien.165 Die einzigen deutlichen Bibelzitate in beata u. finden sich bei der theologischen Füllung der sapientia (4,34).166

160 Voss, 208-211, bes. 209f. zur starken Stellung ,Augustins' im Dialog. 161 Rahmenelemente sind u.a. die gegenüber Acad. strengere Gesprächslenkung, die Erklärung der derben Charakterisierung der Akademiker durch Monnica als vulgären/volkstümlichen Ausdruck (beata u. 2,16, caducarii; Navigius nimmt den Ausdruck in 3,20 auf oder der besondere Hinweis auf wörtliches Aufschreiben (3,18). Einzelne Metaphern sind meist konventionell. 162 Voss, 208. Vorstufe ist ein witziger Einwand des Trygetius gegen die Korrelation von Nahrung und Unterhalt des Leibes (beata u. 2,7). Den Abbruch der Hauptdiskussion des ersten Tages motiviert Augustin in der mehrstufig angelegten Speisemetaphorik ^Übersättigung', das Nebenthema als ,Nachspeise' von den .Süßigkeiten der Rhetorenschulen', Maß halten; Neugier auf neuen ,Gang'; Eifer, ,den Dienern zu helfen', 2,13). Licentius formuliert die Bedenken gegen Augustins antiakademischen Schluß in Weiterführung der Süßspeisenmetaphorik, worauf dieser scherzhaft auf die konkrete Ebene wechselt und Navigius einbezieht, der seiner Milz wegen Süßspeisen nicht vertrage; der wiederum zitiert eine stilkritische Bemerkung aus dem Hortensius mit derselben Metaphorik (beata u. 2,14, mit markiertem Hortensiuszitat: , [...] ut ait ille de melle Hymetio, «acriter dulce est nihilque inflat uiscera». ClC. Hort.fr. 82SZ. Zu Textgestalt und Kommentar Grilli 63-66). Augustin verbindet die den Gesprächsgang kommentierende Metaphorik mit seinem literarischen Anliegen, die Personen mit ihren Eigenheiten einzubinden; gleichzeitig läßt er die Kette der auf verschiedene Sprecher verteilten Cicerobezüge nicht abreißen. Mehrere weitere Verweise verbinden die Ebene der Metaphorik mit der konkreten des Gesprächsrahmens (2,16; 3,17.20; 4,36). 163

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Beata u. 4,31: 'quamuis enim Sallustius, lectissimus pensator uerborum, egestati opposuerit opulentiam, tarnen aeeipio istam plenitudinem.' Einzige für uns greifbare Entgegensetzung der beiden Begriffe; Hagendahl t566d, auch ciu. 5,12. Beata u. 4,32: zu modestia, temperantia sowie zu opulentia. Eine als sprichwörtlich eingeführte Wendung beata u. 4,26: 'illudque uulgare satis asserebat infidum hominem malo suo esse cordatum'. Die Einleitung beglaubigt das Zitat aus lCor. 1,24 mit auetoritate divina, die Formel aus Io. 14,8 wird nüchtern mit dictum est markiert. Beide Zitate sind expli/it, aber sparsam hervorgehoben, passend zum Duktus der Schrift bzw. der Schriften von Cassiciacum insgesamt.

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Dichterzitate

Vergilzitate finden sich nicht; Vergil könnte allenfalls bei einer poetischen Wendung 167 und einem mythologischen Bezug, dem Sirenenbild,168 im Hintergrund stehen. Elemente aus der Dichtung integriert Augustin in De beata vita nur vier Mal, drei terenzische Maximen sowie einen Vers aus einem Hymnus des Ambrosius. Augustin differenziert in Bezug auf den Weisen zwischen Mangel an Dingen des leiblichen Bedarfs (den der Weise nicht kenne) und dem - dem Weisen erlaubten - Gebrauch der vorhandenen Dinge und begründet dies mit einem ausdrücklich als sentenüa eingeführten Terenzvers), den er anschließend auf seine Argumentation hin ausdeutet.169 Im nachhinein wird der Vers als Komödienzitat markiert (s.u.). Vom dem Ursprungskontext (Chremes will sich vor einem Kampf drücken) hat Augustin die Sentenz völlig abgelöst. Die Einpassung in den Dialog zitiert er nicht (er brauchte eine Begründung, keinen Gegensatz); die Einleitung stört die metrische Folge nicht. Die Ersetzung von cavere durch das synonyme und metrisch passende vitare wird einem Gedächtnisirrtum anzulasten sein.170 Direkt im Anschluß an die Erklärungen zum ersten Zitat wird der alternative und ethisch interessantere Fall ebenso mit einem Terenzzitat (Andr. 305f.)

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Beata u. 1,4: 'sed neque mihi nebulae defuerunt, quibus confunderetur cursus meus, et diu, fateor, quibus in errorem ducerer, labentia in Oceanum astra suspexi.' Gegen SchwarzKirchenbauers Anmerkung ist dies wohl kein besonderer Anklang an Aen. 3,515 ('sidera [...] labentia caelo'; mit gleichem Recht könnte man z.B. LUCR. 1,2 annotieren oder die sachlich nahe Passage in ClC. nat.deor. 2,104), vielmehr eine allgemein poetische Stilisierung und gehobene Metapher, bei der eine ferne Erinnerung an Vergil vermutlich einging.Gegenüber der Vergilstelle sind Wortwahl und -folge anders. Zudem differiert die zugrundegelegte Situation, ohne daß eine gezielte Umwertung erkennbar würde: Palinurus orientiert sich an den Sternbildern, während Augustin metaphorisch und entsprechend dem erstgenannten Nebelbild einem Irrtum unterliegt und sich statt am Nordstern an den falschen Sternen orientiert. Die Wendung ist Teil der übergreifenden Wettermetaphorik, nicht etwa eine kurz gefaßte Abrechnung mit Astrologie o.a. Schelkle erkennt ferner (114) in 'multis etiam me cumulastis honoribus' (beata u. 4,36) eine Reminiszenz an Aen. 5,532 'muneribus cumulat magnis', was aber nur die Gewähltheit der Wendung unterstreicht. 168 Beata u. 1,4: 'itaque tantus me arripuit pectoris dolor, ut illius professionis onus sustinere non ualens, qua mihi uelificabam fortasse ad Sirenas, abicerem omnia et optate tranquillitati uel quassatam nauem fessamque perducerem.' Das Sirenenbild (für das Ziel seines Berufes) ist eine allgemein-mythologische Anspielung ohne Bezug auf einen konkreten Text; Sirenen werden bei den lateinischen Vätern wegen der leichten Ausdeutbarkeit häufig genannt, bei Augustin in einer weiteren Frühschrift, mor. 1,1342 ('[...] quid inter superstitionis sirenas et portum religionis intersit'). Die von Green annotierten Stellen GELL. 16,8,17 und EPICT. 2,23,36-41 tragen nichts bei. 169 Beata u. 4,25 : 'uerissima est enim illa sententia: nam «tu quod uitare possis, stultum admittere est» (TER. Eun. 761). uitabit ergo mortem ac dolorem, quantum potest et quantum decet, ne, si minime uitauerit, non ex eo miser sit, quia haec aeeidunt, sed quia uitare cum posset, noluit, quod manifestum stultitiae Signum est', s. TER. Eun. 761: ,scio istuc. sed tu quod cavere possis stultum admittere est. Hagendahl t636. Weder dieser noch der folgende Vers, der sich auf biblische Maximen beziehen ließe, werden sonst von Kirchenvätern zitiert. Womöglich war die nur zu durchsichtige Bemäntelung von Chremes' Feigheit hier hinderlich. Den Eunuchus zitiert Augustin relativ häufig, s. z.B. ord. 1,4,9. 170 Allenfalls könnte man an eine Verstärkung denken; im Kontext begegnet das Wortfeld (e)v;tare noch zweimal; cavere wird sonst von Augustin ungleich häufiger gebraucht als vitare.

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beschrieben.171 Augustin beläßt die bei Terenz aus der Situation gegebene konstative Fassung der Protasis, statt sie in eine konditionale Form zu überfuhren. Er kupiert lediglich die Satzeinleitung der Sentenz.172 Die mit Hilfe etymologischer Erwägungen gewonnene Gleichsetzung von modus, sapientia und plenitudo untermauert Augustin mit einem weiteren und gern gebrauchten Terenzwort (TER Andr. 61). 173 Augustin war sich sicher der griechischen Herkunft bewußt; die Zitierung verweist aber sowohl durch die Textgestalt als auch durch die Betonung der Popularität eindeutig auf die Andria als Augustin bewußte Quelle. 174 Gegenüber den späteren Zitierungen fällt die Übernahme der ersten Vershälfte auf, bei einer geringfügigen, die Versstruktur des jambischen Senars nicht störenden Änderung des Anfangs. Im Anschluß summiert er die Diskussion, bevor er die explizite theologische Deutung gibt. Der Terenzvers schließt daher den eigentlichen Gedankengang als Glanzlicht ab. Auch die theologische Deutung - die dreifache und trinitarisch interpretierbare Bestimmung Gottes 175 - wird durch ein poetisches Zitat abgeschlossen und überhöht. Dem Kontext wie der Rollenverteilung angemessen zitiert Monnica aus einem Hymnus des Ambrosius (HYMN. Ambr. 5,32).176 Bei der implizit trinitarischen Bestimmung hakt die Mutter mit einer Umlenkung in ein explizit christlich-trinitarisches Bekenntnis ein, das zugleich Reverenz an Ambrosius ist. Monnica zitiert den Schlußvers von HYMN. Ambr. 5, 'Deus creator omnium'. Der

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Beata u. 4,25: 'si autem non ualuerit euitare, cum id sedulo ac decenter egerit, non eum ista inmentia miserum facient. etenim et illa eiusdem comici sententia non minus uera est: «quoniam non potest id fieri, quod uis, id uelis, quod possis» (Andr. 305f). quomodo erit miser, cui nihil aeeidit praeter uoluntatem. quia, quod sibi uidet non posse prouenire, non potest uelle?' Hagendahl t628a, Maxime des Byrria an seinen Herrn, der sich eine andere Braut als die bereits vergebene Philumena suchen soll. Zitiert in trin. 13,7,10 und ciu. 14,25 -jeweils unter Namensnennung des Dichters und zustimmend. Der Kürze wegen, aber auch um den Namen und die pagane Schwurformel abzuschneiden: 'quaeso edepol, Charine [...]' (Andr. 305). Das Metrum (trochäischer Octonar in 305 bzw. Septenar in 306) kann kaum mitgelesen worden sein. Das an das Terenzzitat anschließend formulierte Ideal des Weisen (beata u. 4,25) entspricht dem der Stoa (vgl. etwa für das Freisein von Leidenschaften ClC. Tusc. 3,7, für das Leben gemäß der Tugend Tusc. 5,28), ergänzt um das göttliche Weisheitsgesetz. Beata u. 4,32: 'in plenitudine autem modus: modus igitur animo in sapientia est. unde illud praeclarum est et non inmerito diffamatur: «hoc primum in uita esse utile, ut ne quid nimis»', TER. Andr. 61, Hagendahl t622a; Sosia bestätigt damit die mediocriter-Maxime seines Patronus Simo: '(non injuria; nam id arbitror/) adprime in uita esse utile, ut nequid nimis.' Weitere Aufnahmen des Sprichworts doctr.chr. 2,39,58 (s.S. I60117) und en.Ps. 118,4,1 (die griechische Herkunft erwähnt), s. auchS. 392 120 . Die Parallelfassung Heaut. 519 'Nil nimis' wirkt bei ClC.fin.3,73; SEN. ep. 94,43; die Andria-Fassung bei HIER, epist. 60,7; 108,20; 130,11. Die Änderung zu hoc primum ist sprachlich zu erklären. Die weniger sentenzenhafte und weniger bekannte Maxime aus dieser Komödie in 4,25 (s.S. 68 172 ) zeigt möglicherweise die Spur einer zusammenhängenden Exzerpierung oder Nachbearbeitung. Gott (Ziel der Erkenntnis, die die beata vila ausmacht) als Wahrheit (Gottvater), Weg zur Wahrheit (Christus) und Verbindung mit der Wahrheit (Geist), 4,35. Beata u. 4,35: 'hie mater recognitis uerbis, quae suae memoriae penitus inhaerebant, et quasi euigilans in fidem suam uersum illum sacerdotis nostri: «foue precantes, trinitas» (HYMN. Ambr. 5,32), laeta effudit atque subiecit: «haec est nullo ambigente beata uita, quae uita perfecta est, ad quam nos festinantes posse perduci solida fide alacri spe flagTanti caritate praesumendum est».'

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Abendhymnus, „Lieblingshymnus" Augustins, paßt zur Situation des Gesprächsendes, so daß hier ein erweiterter Resonanzraum angenommen werden kann.177

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Cicero

Viele deutliche Bezüge in De beata vita weisen auf den Hortensius. Ein Testimonium der Hortensiuslektüre leitet den biographischen Rückblick zur Erklärung der Allegorie ein.178 Aus ihm stammt auch die hier unmarkierte Maxime in 2,10 'beatos nos esse volumus'. 179 Die von der Mutter getroffene Differenzierung der Relevanz der erstrebten Güter für das Glück nach ihrer moralischen Wertigkeit gestaltet Augustin als spontane Parallelbildung zu dem von ihm nachgetragenen explizit (namentlich und mit Buchtitel) markierten Hortensiuszitat.180 Aus dem Hortensius stammt auch das Bild des Hymettischen Honigs, s.o.S. 66 162 , ebenso das breit ausgeführte Beispiel des Orata.181 Der Kontext eines weiteren Hortensiuszitates ist durch eine frühe (s. retr. 1,2,4) Textlücke nicht mehr faßbar.182 Monnica bezeichnet Oratas Mangel an Weisheit als egestas; in der Freude und Verwunderung der anderen hebt Augustin hervor, daß Monnicas einfacher religiöser Sinn damit die von Augustin aufgesparte Pointe aus dem Hortensius (de philosophorum lihris) erfaßt habe. 183

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In dem Hymnus spielt Wahrheit keine Rolle, trinitarisch wird er (entsprechend dem Gattungsgesetz) erst in der Schlußstrophe. In mus. 6 ist der Eingangsvers durchgängiges Beispiel. In conf. 9,32 zitiert Augustin die beiden F.ingangsstrophen, in conf. 10,32 und 11,35 den Eingangsvers, in retr. 1,21,1 die Verse 15f.; andere Hymnen zitiert er nur nat.et gr. 74(hymn. l,3,7f.). 178 Beata u. 1,4; Angabe von Alter, Lektüresituation (Schulkontext) und Wirkung (Feuermetaphorik). 179 ClC. Hort.fr. 36; diese Definition ebenfalls als Ausgangspunkt in Acad. 1,2,5, sowie trin. 13.4.7 u.ö. 180 Beata u. 2,10, ClC. Hort.fr. 39SZ (Hagendahl tl83a, ohne den letzten Satz auch in trin. 13.5.8 und ep. 130,10). Das Zitat untermauert und ergänzt das Gesagte; trotz der Länge (57 Wörter) stört es durch die Hintanstellung den Charakter des Gespräches nicht. Durch das Beglaubigungssignal vermuteter Inspiration läßt Augustin hier Glaube und Vernunft unabhängig zu demselben Standpunkt gelangen. 181 Die Gedankenfolge läßt sich rekonstruieren: Reichtum des Hedonisten Orata mit dem Erfinden schwebender Fischteiche als besonderem Ausdruck und bleibende Angst vor Verlust. Aus einem isolierten Satz bei Nonius (194,12v; s. auch 216,12) im Vergleich mit Nachrichten bei VAL.MAX. 9,1,1; Pt.IN. nat. 9,168 (s. auch VARRO rust. 3,3,10) wird deutlich, daß Cicero im Hortensius von Orata sprach, so daß die hier vorliegende Stelle als Zitat oder Paraphrase gelten kann. Licentius' Einwand verschiebt den Fokus auf Orata selbst, weg von dem fingierten Pendant. Die neu einsetzende Unterstellung (faciamus eum) spricht gegen eine Zitierung aus dem Cicerotext. Die mehrfache Erwähnung des ingenium, zuerst in der Weiterfuhrung durch Licentius macht es wahrscheinlich, daß die Bezugsstelle vom ingenium sprach und Licentius bekannt war, was bei dem Hortensius gegeben ist. 182 Beata u. 4,26, illustrierend zu der These, jeder Unglückliche leide Mangel. Vermutlich hat Augustin zuvor für eine Moralisierung der Begriffe Reichtum bzw. Mangel plädiert, um Cicero als begründende Autorität anzuführen: '«an uero», quod ait Tullius, «multorum in terris praediorum dominos diuites appellairtus, omnium uirtutum possessores pauperes nominabimus?»' Hagendahl tl97. 183 Beata u. 4,27; dem Hortensius ist der Mindestbestand 'egebat sapientia' zuzuschreiben (Hagendahl 1199). Als egestas animi gilt die stultitia als Eigenschaft des miser und wird dem Beispiel Orata zugeordnet, beata u. 4,28.

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Eine thematische Zitatenreihe aus Cicero {frugalitas)

Aus den Tusculanen übernimmt Augustin in 2,8 die Etymologien von nequitia und frugalitas; der Wortlaut läßt eher an eine Zitierung aus dem Gedächtnis denken.184 Beide Etymologien nimmt er in 4,30f. (und in uera rel. 11,21) wieder auf. Den Begriff frugalitas erläutert Augustin in 4,31 weiter, zunächst mit einem allgemein angeführten Gedanken, wohl aus einer (uns nicht mehr greifbaren) Cicerostelle,185 dann mit einem Zitat aus Pro Deiotaro, das Augustin explizit einleitet.186 Dessen Gestalt spricht gegen eine Zitierung aus dem Gedächtnis.187 Mit der Abfolge von Tusc. 3,16, einer unbekannten (Hortensius-?) Stelle, Deiot. 26 läßt sich also eine Kette oder ein Mini-Exzerpt zum Thema frugalitas bei Cicero fassen. A.3

De ordine

In mehrfacher Hinsicht ist Dichtung ein wichtiges Thema in De ordine. In üblicher Weise sind Vergilzitate Teil der Beweisführung (6.3, 7, zur Proteusfigur 6,2);188 hinzu kommt die direkte Thematisierung als Teil des entworfenen Studienprogramms (6.1). Auch hinsichtlich des Gespächsrahmens tritt neben die für Cassiciacum typischen Elemente (Mitteilung von Vergillektüre, urbane Zitate, 5.1-3) eine auffällige Intensivierung durch die Auseinandersetzung mit Licentius' poetischer Produktion (1, 4.1). Augustin eröffnet hier einen Weg zu allegorischer christlicher Dichtung eigenen Typs (4.2). Zentral ist eine -exemplarisch zu verstehende - Auseinandersetzung mit der Apollokonzeption der Aeneis 184

Beata u. 2,8, s. ClC. Tusc. 3,18, Hagendahl t308, die Reihenfolge vertauscht. Die Zuweisung an veteres entspricht vielleicht Ciceros Hinweis auf den allgemeinen Sprachgebrauch. 185 Die Einfuhrung mit multi spricht nicht dagegen, zumal wenn dort ein Dialogpartner spräche oder eine traditionelle Meinung referiert würde (s. vorige Anm.). Man muß auch nicht an eine Stelle aus dem Kontext des oben bereits zitierten und 4,30f. wieder anklingenden 3. Tusculanenbuches denken, da das anschließende Zitat aus der Rede für Deiotarus zeigt, daß Augustin einschlägige Cicero-Zitate aus dem Gedächtnis oder aus einem - eigenen oder fremden - Exzerpt zusammengetragen hat. Green verweist auf Tusc. 3,8,16 ohne daß sich eine genaue Parallele ergibt. 186 Beata u. 4,31: ,merito etiam uirtutum omnium matrem multi frugalitatem esse (ClC. fr.inc.) dixerunt. quibus consentiens Tullius etiam in populari oratione ait: «ut uolet quisque accipiat; ego tarnen frugalitatem, id est modestiam et temperantiam, uirtutem maximam iudico» (ClC. Deiot. 26, Hagendahl t96): prorsus doctissime ac decentissime; considerauit enim frugem, id est illud, quod esse dicimus, cui est non esse contrarium. sed propter uulgarem loquendi consuetudinem [...Jduobus consequentibus quid senserit inlustrauit subiciendo modestiam et temperantiam.' 187 Die Rede zitiert Augustin sonst nur in c.Faust. 21,16 (um 400; Hagendahl t95) mit einer schon in der Rede als Vers herausgehobenen Sentenz. Bei einer so wenig präsenten Rede ist ein Gedächtniszitat von 15 unveränderten und wenig geprägten Worten unwahrscheinlich. Die Junktur oratio popularis (bei Augustin nur hier) ist insofern ungewöhnlich, als nicht Caesar angesprochen ist. Die Besonderheit, an einem König die Tugend eines Privatmannes zu loben, findet keinen Niederschlag bei Augustin, die Einschränkung (ut... tarnen) bleibt im Zitatsegment als Überschuß stehen. 188 Prominent ist eine Anspielung auf Cicero und sein Vorgehen gegen Catilina als (im nachhinein problematisiserte) Analogie für die Gerechtigkeit Gottes, die schon vor einer aktualen Distribution der Potenz nach existierte. Trygetius lehnt sich an ClC. Catil. 1,23.27 an, ord. 2,7,22 (Hagendahl t49.88f).

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(2). Eine inhaltlich zusammenhängende Reihe von Stellen des Epos - alle aus Apollogebeten - wird dazu verwendet, die Weissagungs- und Lenkungsfunktion des Gottes für Christus zu usurpieren. An einer Textschwierigkeit entzündet sich allerdings ein alternatives Verständnis, das zu einer entscheidend anders akzentuierten Wertung gelangt. Christus erscheint in dieser Perspektive als noster oder verus Apollo. Diese positive Anknüpfung Augustins an Apollo wird als Aktualisierung eines henotheistischen Konzepts gesehen, das in der Konsequenz an der Vollendung der Konversion zum Christentum auf der Stufe von Cassiciacum zweifeln ließe (3). Weil die Apollostellen im Zusammenhang einer ganzen Reihe poetologischer Metaphern in dem szenischen Eingangsteil der Vorbereitung des eigentlichen Gesprächs von De ordine stehen, wird die Eingangspartie vom Fortgang des Werkes gesondert betrachtet (1). Nur hingewiesen sei auf das Beispiel der Sprachrichtigkeit.189 1

Situative Einkleidung des Gesprächsbeginns. Literarische und Poetologische Bezüge

Die demonstrative Vertrautheit mit Dichtern bildet ein wichtiges Element des urbanen Tones im Cassiciacumkreis. Als Gesprächsauslöser fungiert eine Maus, die Licentius190 durch Klopfen verscheucht, wodurch er sein Wachsein signalisiert. Augustin kann ihn nun auf das unregelmäßige Rauschen des Wasserkanals ansprechen, wobei er gegen die Nachtarbeit des Schülers stichelt: 'nam video tibi Musam tuam lumen ad lucubrandum accendisse' (1,3,6).191 Nach der physikalischen Erklärung provoziert .Augustinus' den Freund mit einem erneuten Seitenhieb auf die Dichtung: 'Merito, inquam, tu nihil mirabaris et apud Calliopam te intus tenebas' (1,3,8). Auch hier benennt Augustin die poetische Tätigkeit des Jüngeren mit dem Bild der Verbindung zu einer Muse, konkret Kalliope als Muse der Dichtung.'92 Mit dem unerwarteten Bekenntnis zu einem umgreifenden ordo ruft Licentius den Eifer seines Lehrers auf den Plan: er fordert ihn zur Verteidigung der These 189

In ord. 2,16,44 wendet Augustin das Mißverständnis ab, er erkläre eine detaillierte Bildung zur Heilsnotwendigkeit. Steigernd weist er auf die eigenen Unsicherheiten und den Spott der Italer, dann auf selbst bei Cicero nachweisbare Solözismen und Barbarismen. Den Tadel der Italer weist er in §45 zurück: 'non enim defuit, qui mihi nonnulla huiusmodi uitia ipsum Ciceronem fecisse peritissime persuasisset. barbarismorum autem genus nostris temporibus tale conpertum est, ut et ipsa eius oratio barbara uideatur, qua Roma seruata est'; es gehe um die Seele, nicht um den Körper der Grammatik. 190 Ord. 1,2,5: 'repente admirabiliter poeticae deditus'. Zur Person Fuhrer, Acad. 9. 191 Bei den lucubrationes des Licentius ist an ein meditierendes Ausarbeiten von Versen zu denken, die am folgenden Tag niedergeschrieben werden. Die (scherzhafte) Nennung der Muse hier wie der Calliope (1,3,8) kritisiert Augustin retr. 1,3,2; mitgemeint sind ord. 1,8,24 (ebenfalls auf Licentius' Dichten bezogen) und 2,14,41 (die Musen als Töchter Jupiters und der Erinnerung, in allegorischer Deutung, ähnlich doctr.chr. 2,27). Die Musen sonst nur noch mus. 1,1,1 in einer Etymologie. 192 Während beim ersten Mal die Inspiration als Entzünden einer Lampe angesprochen war, ist es nun das Moment der Sammlung und Konzentration; andererseits ist dem Lehrer mit dem Inhalt dieser geistigen Tätigkeit nicht ganz wohl und so bleibt der Satz doppelsinnig. Die admiraüo ist negativ zu wertendes Jtddoi; in stoischem Sinne s. H.Reiners, Ataraxie, Hist.W.Ph. 1, 1971, 593; ders., Apathie I, ebd., 429-433. Diese negative Bewertung kritisiert Augustin später in retr 1,3,2.

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der Existenz eines ordo auf. Einen Seitenhieb gegen die dichterischen Bemühungen 193 kleidet Augustin auch hier in traditionelle poetologische Bilderwelt, den Aufstieg auf den Helikon, die topische Metapher für den Weg zum Dichter; dagegen stellt er den religiös erheblichen Aufstieg zum Himmel. 194 Auf eine Gesprächspause195 reagiert ,Augustinus' scharf und kündigt einen Sturmangriff unter Ausnutzung aller Dichtungsformen als Angriffslied auf die von Licentius geliebten Verse an, die ihn von der Wahrheit trennen. Diese metaphorische Wand sei eine Steigerung gegenüber der, die Licentius zwischen den Liebenden errichte, weil jene immerhin durch eine Ritze im Holz einander hätten zuatmen können. Auktorial trägt Augustin nach, daß es sich um den PyramusStoff als dem gegenwärtigen poetischen Projekt des Licentius handelt.196 Licentius ist zunächst von der unerwarteten Strenge in Augustinus' Ton überrascht und denkt eine Weile nach, in der , Augustinus' zu seinen eigenen Gedanken zurückkehrt, weil er Licentius völlig in seiner Dichtung versunken wähnt. Licentius braucht aber Zeit, um dann in einer ausgesprochen witzigen und geschliffenen Form nicht nur seine Bereitschaft zu bekunden, sich auf die Diskussion einzulassen, sondern auch ein Bekenntnis zur Ordo-Philosophie und zur Philosophie als Lebensform im Sinne Augustins und zur Priorität der Philosophie vor der Dichtung abzulegen. Seine Überzeugung scheint ihm so gewiß, daß eine etwaige Niederlage nur ihn als Redner, nicht aber die Sache träfe. Dabei sieht er sich ertappt und formuliert dies scherzhaft mit den Worten des Parmeno aus dem Eunuchus (1024), wobei Augustinus seine Figur den Dichternamen nachtragen und den Versschluß hodie perii ausdrücklich für die gegenwärtige Situation zurückweisen läßt, 'hodie inveniar'.197 Scherzhaft begreift Licentius die Ord. 1,3,8: 'Hoc, mihi crede, longo intervallo transcendit Heliconem, ad cuius verticem tamquam ad caelutn pervenire conaris'. Augustin gebraucht die Metapher bereits Acad. 3,4,7, ebenfalls für Licentius' Neigung zur Dichtung. Hier denkt er offensichtlich an die Musenquelle Hippokrene. Im poetologischen Sinn verstanden evozieren LACT. inst. 1,5,10 und HIER, epist. 58,3 auf den Helicon. S. ENNOD. epist. 2,6 (Zitat aus MAR. VICTOR, aleth. 6,13), zur Quelle epist. 5,8; carm. 1,8,39; 2,17,10. Ansonsten erwähnt den Berg unter den Kirchenschriftstellern IS1D. orig. 14,8,11 ohne Musenbezug. Adcaelum hier nicht bloß hyperbolisch. Licentius erbittet die Pause, um - so hat es den Anschein - einen passenden Dichtervers zu überlegen oder selbst Verse zu ersinnen und so in existentiell gefährlicher Weise den aufgenommenen philosophischen Faden wieder zu verlieren, ord. 1,3,8: 'hie ego nonnihil metuens, ne studio poeticae penitus prouolurus a philosophia longe raperetur'. Der Autor Augustin läßt seiner Figur ein Eigenleben, da nicht deutlich wird, ob der Tadel hier tatsächlich berechtigt ist; Licentius' späteres, terenzisch formuliertes Eingeständnis bezieht sich auf die ordo-These und die gesamte Situation. Ord. 1,3,8: 'inritor, inquam, abs te uersus istos tuos omni metrorum genere cantando et ululando inseetari, qui inter te atque ueritatem inmaniorem murum quam inter amantes tuos conantur erigere. nam in se Uli uel inolita rimula respirabant. Pyramum enim ille tum canere instituerat'. Mühlenberg übersetzt: „'Du reizt mich dazu', sagte ich, ,diese deine Verse zu verunglimpfen, indem ich sie in jeder Tonart singe und heule' und begreift so m.E. unnötigerweise die versus auch als Objekt zu den Gerundien. Pyramus und Thisbe kann Augustin sowohl für die Mauermetaphorik wie auch als Ausgangspunkt für eine christliche Deutung verwenden, s. S. 82 241 . Sofern Licentius damit nach dem Modell Ovids dichtet (zu den Charakteristika der Wand einschließlich des Alters des Spalts vgl. bes. Ov. met. 4,6567), kleidet Augustin also seinen Tadel wieder in eine literarische Anspielung. Ord. 1,3,9: ,«egomet meo indicio quasi sorex», inquit, «non dictum est commodius apud Terentium quam nunc dici a me de me potest. sed sane illud ultimum fortasse in contrarium uertetur; quod enim ait ille: «hodie perii» (TER. Eun. 1024f), ego forte hodie inueniar. nam si non contemnitis, quod superstitiosi solent, etiam de muribus augurari, si ego illum murem

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Situation als ein „Mausorakel" nach Art der superstitiosi.m Neben den Anklängen durch den Bezug auf Dichtung ist auch schon mit diesem divinatorischen Hinweis eine Vorbereitung auf die Apollothematik des folgenden Kapitels gegeben. Bei der Verteilung der Diskussionsrollen reklamiert Licentius - wieder einmal voreilig - für sich Sicherheit:199 Er will die von Augustin erwähnte Mauer vor ihrer Vollendung niederreißen. Die Dichtung habe nicht so viel Macht, ihn von der Philosophie abzuhalten wie das skeptizistische Mißtrauen gegenüber der Möglichkeit der Wahrheitsfindung.200 2

Der Apollo der Aeneis in ord. 1,4,10. Augustins Verhältnis zu den paganen Göttern

Das "Vorgeplänkel" schließt mit einer hymnischen Überantwortung an die implizit christlich konzipierte Wahrheit ab. Der exponierten Position im Dialog entsprechend sind hier vier Stellen der Aeneis ineinandergewoben. Die Absage des Licentius an den Skeptizismus ermöglicht in Verbindung mit der von ihm eingeräumten Vorrangstellung des philosophischen Gespräches gegenüber der dichterischen Tätigkeit den eigentlichen Gesprächsbeginn; Augustin verleiht seiner Begeisterung darüber mit Aen. 10,875 (zitiert bis zur Hephthemimeres) Ausdruck: 'hie ego multo uberius cernens abundare laetitias meas, quam uel optare aliquando ausus sum, uersum istum gestiens effudi: «sie pater ille deus faciat».' (Aen. 10,875; ord. 1,4,10) Die Form der unterbrochenen Zitierung zeugt von der Vertrautheit der Runde mit Vergil; für den Leser ist mit dem versum istum ein deutliches Markierungssignal gegeben. Die Fortsetzung des Zitats wird nachgereicht, in Bestreitung bzw. Variation. Um die Freude über den Gesprächsbeginn auszudrücken, zitiert Augustin die erleichterte Reaktion des Aeneas, als sich Mezentius endlich dem Kampf stellt.201 Dieses bekannte Gebet läßt der Autor Augustin den Dialogsprecher usurpieren. uel soricem, qui me tibi uigilantem detulit, strepitu meo commonui, si quid sapit, redire in cubile suum secumque conquiescere, cur non ego ipse isto strepitu uocis tuae commonear philosophari potius quam cantare?' Vgl. DON. Ter.Eun. 1024: 'quietus enim dum semper est sorex, vel voce vel strepitu se prodit et indicat, quo facilius capi possit'. Spiel mit den Schattierungen von perii: „unter-" bzw. „verlorengegangen". 198 Mühlenberg fuhrt (362A21) ClC. div. 1,99 an, doch bezieht sich dies auf die verlorene Intaktheit der Schilde, während man bei dem augurari aus Mäusen alltäglichen Tieraberglauben assoziieren oder über die Übertragung der offiziellen Vogelweissagung auf ein unpassendes Tier schmunzeln soll. 199 Wohl in Bezug auf seinen Satz, nichts geschehe außerhalb der Ordnung. 200 Ord. 1,4,10: 'quid enim dubitem parietem, cuius mentionem fecisti, antequam plane se erexit, diruere? non enim uere poetica tantum me auertere a philosophia potest, quantum inueniendi ueri diffidentia.' Licentius spielt damit auf seine Absage an den Skeptizismus in ac. 2,7,19 an. In 1,6,16 ein Rückblick auf den "literarisch orientierten", jetzt aber zur Philosophie gelangten Licentius. 201 Aen. 10,785f.: 'Sic pater ille deum faciat, sie altus Apollo, / ineipias conferre manum', Hagendahl t925. Einziger weiterer Beleg bei Courcelle (657f.) ist HIER. adv.Rufin. 1,5, wohl von Augustin abhängig, s.S. 81 2 3 9 : Hieronymus spricht von der Freude auf die literarische Auseinandersetzung mit Rufin; durch drei Psalmzitate rundet er das Vergilzitat ab und neutralisiert es. Hagendahl 1958 387 mit AI.

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Dazu sind Manipulation, Kupierung und Refutatio notwendig. Er greift in geringem Umfang, aber entscheidend in den Text ein und macht aus dem Göttervater Jupiter den Gottvater. Für den christlichen Hörer stört nur noch ille, das aber metri causa nicht aufgegeben wird und innerhalb des bei Zitaten erlaubten, ja notwendigen Maßes an Verfremdung bleibt.202 Bei der Evokation unterbleibt die Zitierung der Fortsetzung conferre manum als für die philosophische Diskussion zu konkret und unpassend. Explizit bestritten wird die zweite Hälfte des Aeneisverses, die Macht und Wirkung Apollos, incipias (Aen. 10,876), der Aspekt des lang erwarteten Anfangs, begegnet in ergo adgrediemur wieder. Dazwischen steht eine auf weitere Aeneispassagen rekurrierende .Abrechnung' mit dem Gott Apollo und seiner Weissagefunktion. Augustin manipuliert wie gezeigt die erste Hälfte von Aeneas' Gebetsanrufung mittels einer stillschweigenden Korrektur. Die Modifizierung läßt die Übernahme der Jupiterprädikation für den christlich verstandenen Gott zu. Darauf folgt als Begründung des Gebetsanrufes eine Verheißung, erweitert durch eine Aretalogie, die als Vorbereitung der Absage an Apollo die offenbarende Kraft und Tätigkeit des Gottvaters203 preist. 'perducet enim ipse, si sequimur, quo nos ire iubet atque ubi ponere sedem, qui dat modo augurium nostrisque inlabitur animis.' (ord. 1,4,10.). Diese die Kontrastierung vorbereitende Passage ist aus Elementen eines anderen an Apollo gerichteten Gebetes der Aeneis gebaut, Aen. 3,88f.204 Augustin formt die Bitte des Aeneas um Hilfe und Wegweisung von der Frageform in das Futur der Glaubensgewißheit, von der Anrede in die Aussage der Aretalogie um. Losgelöst vom vergilischen Text formuliert er die Einpassung (den logischen Anschluß und das Hauptsatzgerüst), darauf folgt die als Bedingungssatz umgestaltete erste Frage des Aeneas: die inspirierende und leitende Kraft ist deutlich benannt. Die beiden weiteren Fragesätze werden zu allgemeinen Relativsätzen. Der Verallgemeinerung dient auch die Änderung von sedem zu sedes, ansonsten ändert Augustinus nur die Konjunktion, womit der Hexameterrhythmus verloren geht. Die Wortfolge ist im wesentlichen erhalten. Ähnlich vollständig arbeitet Augustin V.89 ein. Während dieser als Bitte im Aeneasgebet einen Neueinsatz markiert, schließt Augustin begründend an. Die Anrede pater entfällt, modo scheint als Füllwort einen gewissen rhythmischen Ausgleich zu bieten und trennt die tontragenden Wörter. Auffällig ist die Umstellung der zweiten Vershälfte. Die Beibehaltung der vergilischen Wortfolge würde auch in der dritten Person zu der in der Prosa verpönten Klausel des Hexameterschlusses führen. Diese nicht als Zitat und Usurpation markierte Interpretatio christiana von Aen. 3,88f. überträgt die Inspirationsfunktion auf den christlichen Gott.205 202 Vgl. HIER. adv.Rufin. 1,5; s. zum Überschuß S. 26. 203 Wäre hier bereits Christus gemeint (zu Christus als der Wahrheit s.S. 76, s.S. 73 199 ), würde die zweiteilige Struktur des Aeneiszitats bewahrt. Der Übergang wäre aber wohl zu hart. 204 Aen. 3,88f.: 'quem sequimur? quove ire iubes? ubi ponere sedes? / da pater augurium atque animis inlabere nostris', Hagendahl t847. 205 Gunermann (1973, 191) konstruiert eine Parallelität auf der menschlichen Seite hinsichtlich der Heimatlosigkeit. In Aen. 3 enthülle sich ein vom fatum vorgezeichnetes Ziel allmählich, im ersten Tagesgespräch von ord. werde das Wirken des ordo erhellt. Hinter der historischen Bestimmung der Trojaner stehe "eine umfassendere Bedeutung [...]: die Bestimmung des Menschen, der irrend sucht, zu seinem eigentlichen Vaterlande, nämlich Gott [Acad. 3,19,42], zu gelangen". Den errores aus Unkenntnis über die Zielbestimmung entsprächen bei Augustin die in den göttlichen Heilsplan gehörenden Leiden. Diese Verbindung ist

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Explizit spricht Augustin im folgenden diese Apollo ab, wobei er nun durch das Epitheton altus die zweite Vershälfte von Aen. 10,875 aufgreift und damit die Fortsetzung des Zitates signalisiert, nun in ironischer Distanzierung. Gerade die abwertende Tätigkeitsbeschreibung konkret verstandener Divination konterkariert die vorgebliche Erhabenheit (im Gegensatz zu einem philosophisch geläuterten Wahrheits- und Gottesbegriff): ,nec enim «altus Apollo» est, qui in speluncis in montibus in nemoribus nidore turis pecudumque calamitate concitatus inplet insanos, sed alius profecto est, alius ille altus ueridicus atque ipsa, quid enim uerbis ambiam? ueritas, cuius uates sunt, quicumque possunt esse sapientes.' (ord. 1,4,10)206 Die einleitende Negation bezieht sich nicht auf den Relativsatz, wie die Semantik der in ihm gebrauchten Begriffe zeigt, sondern auf die vorangegangene Vorstellung einer Führung durch Gott, die - weil nach einem Apollogebet aus der Aeneis formuliert - diesem Kontext erst entwunden werden muß. Die hochrhetorisch gebaute Gegenaretalogie gebraucht abwertende und unvergilische Begriffe. Die Refutatio wird damit zur Herabsetzung: In einem asyndetischen Trikolon wendet sich Augustin zunächst den Orten von Apollos Inspirationstätigkeit zu. Während Offenbarungen Apollos auf Bergen oder in Hainen in der Aeneis keine Rolle spielen,207 wird bei speluncis die pejorative Absicht greifbar. In dem von Anspielungen auf die Aeneis dicht gesättigten Kontext erinnert eine Inspiration durch Apollo in einer Höhle an die Sibyllengrotte.208 Spelunca trägt gegenüber antrum die Denotation des Monströsen, im Kontext des 6. Aeneisbuches heißt so der Eingang in die Unterwelt.209 Der Gebrauch von implere für Inspiration ist vergilisch -in Aen. 3,434 bezogen auf Helenus und als Beglaubigung der folgenden Worte über die Sibylle.210 Chiastisch ordnet Augustin die für Prophezeiungen vorausgesetzten Opfergaben an: nidor ist wegen der Assoziation zu gebratenem Fett abwertend, 'pecudum calamitas' ebenfalls dcspekäußerst schwach, das Leiden in der Aeneis ist erfahren, in De ordine nur betrachtet. Jeder philosophische Erkenntnis- und Lernprozeß könnte in dieser Weise mit der allegorisch verstandenen ersten Aeneishälfte parallelisiert werden. Die konkrete Stelle zeugt eher von Selbstsicherheit als von einer dem Aeneas parallelen existentiellen Unsicherheit. 206 Übersetzung: „Und jene wegweisende und inspirierende Instanz ist nämlich nicht der «erhabene Apollo», der in Höhlen, auf Bergen, in Wäldern, erregt durch Weihrauchgestank und Massensterben von Vieh, Wahnsinnige erfüllt, sondern das ist ein völlig anderer, jener andere, Erhabene, Wahrsagende und - warum soll ich darum herumreden? - die Wahrheit selbst, deren Propheten alle sind, die weise sein können." 207 Vergil gebraucht nemus nicht in Verbindung mit Apollo; die Erwähnung des Heiligtums von Leukas Aen. 3,274. Augustin greift auf allgemeines Wissen um Orte des Apollokultes zurück. 208 A e n 6,11.42.77.99.157 u.ö., sonst umschrieben. z.B. 'rupe sub ima', Aen. 3,443. Gunermann engt (194) seine Sicht auf Aen. 3,441-454 ein, um die Homonymie folia für die sich verwirrenden Weissagungsblätter der Sibylle und das in De ordine den Wasserstau verursachende Laub auszuwerten. Er übergeht, daß nur bei der Sibylle die Bewegung der folia die Ordnung stört, das Laub hingegen zur ihrer Erkenntnis führt. Neben der Helenusprophetie kann das gesamte 6. Aeneisbuch als Bezugshintergrund der vagen und pejorativen Anspielung auf die gesamte Sibyllenhandlung gelten. 209 Aen. 6,237, vgl. auch 1,60; 3,424; 8,193.210.212.224.234; schwer einzuordnen ist die Höhle des Didobuches Aen 4,124.165; neutral, die Natur betreffend georg. 2,469; 3,145; 4,364. 210 Von Schelkle (98) als mögliche Anspielung geführt. Der spiritualisierte Gebrauch von implere (mit Abi.) ist Augustin aus biblisch-kirchlichem Schrifttum geläufig (Labhardt 'implere', TLL 7.1,628-638, 631 f., 1.76ff), die Nähe zur Sibyllenbeschreibung macht aber auch einen Vergilnachhall plausibel.

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tierlich; 2 " der Aspekt ist auf die abstoßende und verheerende Seite der Tieropfer verschoben. Beide bedeutungstragende Begriffe sind nichttechnisch und unpoetisch. Auch die Darstellung des Inspirationsvorgangs selbst ist im Gehalt vergilisch, die Formulierung betont aber die negative Seite der Einwohnung des Gottes in der Prophetin (in den Plural verallgemeinert). Eine Distanz zur Besessenheit zeigt schon Vergil.212 In der emphatischen Entgegensetzung wird das Epitheton altus aufgenommen und wie die Weissagungsfunktion dem implizit christlich konzipierten Gott zugeschrieben. Der Christusbezug ist nicht explizit, doch durch die Identifizierung mit der Wahrheit deutlich. Künder213 dieser Wahrheit seien potentiell alle Philosophen, womit die Zielbestimmung der augustinisch verstandenen Philosophie aufscheint. Nach dieser Ersetzung des enthusiasmierenden Gottes durch eine christlich verstandene Wahrheit und damit der Refutatio der zweiten Vershälfte des programmatisch zitierten Verses Aen. 10,875 kann Augustin dessen Fortsetzung paraphrasieren und damit den Bogen zu dem Ansatz dieses Zitatgewebes schlagen: ,ergo adgrediemur (s. Aen. 10,875), Licenti. freti pietate cultores uestigiis nostris ignem perniciosum fumosarum cupiditatum opprimamus' (s. Aen. ll,787f.; ord. 1,4,10). Den Vorsatz, das Gespräch zu beginnen, erweitert er durch eine inhaltliche Zielbestimmung, die erneut ein Apollogebet der Aeneis rezipiert und die Apollo dargebotene Verehrung auf den Christengott umbezieht.214 Die drei ersten Worte dienen als Devise und Erkennungssignal des wörtlichen Zitates. Danach variiert Augustinus in charakteristischer Weise: Aus der Periphrase für das Zurücklegen eines Weges wird die Vorstellung vom Auslöschen eines Feuers von Leidenschaften.215 Augustin erhält weitgehend den Wortbestand des Zitates, erreicht aber durch die Eingriffe eine Christianisierung und Moralisierung hin zu dem allgemein-platonisierenden Gedanken der Reinigung von Leidenschaften. Er evoziert Apollo dabei als konkreten mythologischen Gott, nicht henotheistisch gedeutet. Eben dieser mythologischen Figur setzt er den philosophisch-moralisch relevanten christlichen Gott entgegen. Das einfache, scheinbar spontane Zitat als Ausdruck der Begeisterung erweist sich als kunstvolles und hochgradig literarisches Gewebe aus vier Aeneisbezügen, die thematisch durch die Usurpation der Apollofunktion der Aeneis 211

212 213 214

215

Spelthahn verzeichnet in dem Artikel 'calamitas', TLL 3, 118-121, bes. 118, l.83ff. diese Stelle nicht, auch keine direkt vergleichbaren. Am ehesten bietet sich der Gebrauch von calamitas im Zusammenhang mit Viehseuchen an, in deren Nähe Schlachtopfer mit dieser Prägung. Vgl. Aen. 3,443: 'insanam vatem aspicies', Aen. 6,78f.: 'At Phoebi nondum patiens immanis in antro / bacchatur vates' (die Widerstände gegen die Trance), Aen. 6,1 00 furens. Vates, u.a. im Kontext der Sibylle (Aen. 3,443). Aen. ll,787f.: 'freti pietate per ignem / cultores [...] premimus uestigia', Hagendahl t931; Amins leitet damit seinen feigen Bogenschuß ein. Der zweifelhafte Kontext des Gebetes wird nicht evoziert. Wechsel des Objekts von premerelopprimere (das Kompositum verstärkt; statt des historischen Präsens steht der Hortativ). Beide Begriffe werden verschränkt: ignem ist durch perniciosum gewertet, cupiditatum durch fumosarum in den Bildbereich des Feuers zurückbebezogen. Die konkreten Flammen der Aeneis werden zu metaphorischen. Die vestigia verlieren ihre syntaktische Funktion und bleiben als eher überschüssige Angabe (im Sinne einer Metapher für den Lebensweg) stehen.

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verbunden sind. Das Ausgangs- und Anknüpfungszitat bildet den Aufhänger für drei Erweiterungen und Präzisierungen. Augustin variiert hier in seiner Zitattechnik: von freier Inhaltswiedergabe bis zu großer Textnähe, die aber zur Einpassung in den intendierten Sinn erhebliche Detailänderungen notwendig macht. Damit sind vier wesentliche Apollogebete aus der Aeneis zusammenmontiert. Während Jupiter durch implizite Änderung christianisiert wird, werden Prädikationen Apollos z.T. stillschweigend usurpiert, z.T. auch explizit bestritten. Im Dialog hat diese Passage die Funktion, den Beginn der Disputation zu betonen und zu erhöhen. Die religiöse Fassung als Anrufung der Gottheit mit Aretalogie und Bitte steht in der Tradition weniger der philosophischen Dialoge als vielmehr dichterischer Prooemien. Gleichzeitig kommt damit ein überraschend kontroverser Einzelzug hinein, eine Abrechnung mit Apollo als dem Weissagegott.216 Die Intensität dieser Auseinandersetzung kann nur vor dem Hintergrund der in Cassiciacum gepflegten Vergillektüre verstanden werden. Die Äußerung der Freude über den Beginn der erwarteten Diskussion durch einen entsprechenden Aeneisvers scheint zunächst - einschließlich der notwendigen Selbstunterbrechung - noch glaubhaft spontan. Die Anreicherung dieses einen Zitats durch ein kunstvolles Gewebe dreier weiterer (bzw. zweier Zitate und einer Inhaltsparaphrase) macht jedoch den literarischen, aus dem lebendigen Gespräch weiter fortentwickelten Charakter dieser Szene deutlich.217 3

Diskussion über eine Textvariante: Christus als Apollo noster / Apollo verus?

Ein Teil der handschriftlichen Überlieferung hat über den hier ausgeschriebenen Bestand hinaus den Fortgang des ersten Aeneiszitates, 'sie altus Apollo / ineipias'. 218 Dies würde eine Gleichsetzung Christi mit Apollo bedeuten. Die in der Forschung dafür vorgebrachten drei Argumente sind nicht haltbar. Insbesondere muß ein zirkulärer Schluß vermieden werden. 3.1

Zur Behauptung der inhaltlichen Notwendigkeit

Das Argument, die spätere Nennung von 'altus Apollo' erfordere der Verständlichkeit wegen eine vorhergehende vollständige Zitierung von Aen. 10,875, ist in keiner Weise zwingend.219 Eine vollständige einleitende Zitierung mit anschließender Wiederaufnahme der Elemente wäre der Stilisierung des Cassi216 217

218

219

Zur Rolle Apollos in der Spätantike D. Detschew, Apollon, RAC 1, 1950, 524-529. Wernicke, Apollon: PW 2,1-111; Dölger, AC 3,1932, 226f. MacCormack verkennt die Polemik und die Literarizität bei einer Deutung als hinführende Stufe (48: "Supplications that were addressed in Vergil's poem to Apollo, the god of prophecy, thus became for Augustine Steps toward his own supplication for the Christian god"). Die Handschriften A, S und T, die zwar alt sind, aber, wie Hagendahl (437) und Gunermann (191A29) einräumen, oft Interpolationen aufweisen. Die hier vertretene Lesart in den neueren Editionen von Green und Knöll (mit Courcelle 657f), anders die Mauriner, Schelkle (98f), Hagendahl (437), Doignon und Gunermann (191). Gegen Schelkle 99, Doignon, images 177 und Hagendahl, 437. Auch Doignons Postulat (ebd.), ineipias sei als Anfangsformel notwendig, um den mit enim eingeleiteten Satz verständlich zu machen, gilt nur bei Setzung der Langfassung. Der kürzeren Lesart schließt sich ein begründender Satz gut an.

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ciacumkreises unangemessen und verfiele dem Verdikt, taedium zu erregen.220 Das schon bei dem Terenzzitat von 1,3,9221 gebrauchte Mittel der Suspension wird hier bis an seine Grenzen ausgeweitet. Die zunächst nur angerissene, nach einer Unterbrechung fortgesetzte und auch noch in eine Korrektur überführte Zitierung ist besonders reizvoll wegen des gestuften Anspruchs an die Entschlüsselungskompetenz des Lesers; die Langfassung ist hingegen '"textstrategisch" reizlos. 3.2

Zur Behauptung der inhaltlichen Möglichkeit (Götterinterpretation, Parallelen)

Doignon zufolge hat Augustin Aen. 10,875 im Licht zeitgenössischer 'philosophischer' Kommentare gelesen, für die Servius und Macrobius als Zeugen dienen: "les deux noms invoques par Virgile ne sont que celui d'un Dieu unique".222 Zeugnisse für weitergehende inhaltliche Übernnahmen Augustins aus solchen Quellen lassen sich aber gerade nicht zeigen. Der Zielpunkt der hier betrachteten Stelle ist Trennung und Dissoziation. Eine Lesart im Sinne Doignons muß 'altus Apollo' in dem 'nee enim'-Satz als Satzprädikat auffassen223 und postuliert einen positiven bzw. zweigeteilten Apollobegriff Augustins.224 Die Negation ist aber auf das Vorhergehende {augurium und echte Inspiration) zu beziehen, während die Gegenaretalogie rauschhafte Besessenheit als dämonische und reale Nachäffung beschreibt. Altus ist Zitatsignal (zur Anknüpfung), nicht Prädikat. Doignon sieht in der Passage eine Kritik am materiellen Apollokult mit Hilfe eines immateriellen, solaren, neuplatonisch interpretierten und mit Christus gleichgesetzten Apollo;225 gerade der für die neuplatonische Apollokonzeption wesentliche solare Aspekt wird von Doignon in den Text hineingetragen, um das 220

221 222

223

224 225

Vgl. QlJINT. inst. 4,2,44: ,nam supervacua cum taedio dieuntur'; taedium ist auch für Augustin ein wichtiges homiletisch-katechetisches Kriterium, vgl. cat.rud. 3; 14; 16; 19, doctr.chr. 4,25; c.litt.Pet. 2,41; ep. 105,8, allerdings nicht in der speziellen stilkritischen Schattierung der „Überkodierung". Die explizite Korrektur richtet sich hier nicht gegen den Text, wie tendenziell bei den Apollozitaten, sondern nur gegen die Anwendbarkeit auf die konkrete Situation. Doignon, images 177f, gestützt auf Schelkle 98-102. Gleich die erste der beiden Belegstellen Doignons (178 AI9), SKRV. ad Aen. 6,9, entpuppt sich als Mißverständnis. Keineswegs hält Servius hier Apollo für gleichbedeutend mit pater deum, sondern er zitiert lediglich den vollständigen Vers Aen. 10,875, auch wenn er nur die zweite Hälfte als Beleg für die Wortbedeutung von altus benötigt. Einschlägig ist hingegen MACR. Sat. 1,17,2-6; Vettius fuhrt alle von den Dichtern mythologisch dargestellten Götter auf Sol zurück, dessen virtutes die Einzelgötter seien (vor allem an Apollo verdeutlicht). Etwa: „Und der erhabene Apollo ist nicht die Naturkraft. Sondern der erhabene Apollo ist ein völlig anderer...". Doignon (images 178) reklamiert eine solche Scheidung des erhabenen Apollo von den negativen Zügen bereits für Vergil. Eine solche Trennung hat bei Vergil keinen Anhalt, an der Sibyllenszene frappiert gerade die Einheit von Naturgewalt und Offenbarer. Zur Gegenaretalogie assoziiert er (ebd.) u.a. zu dem nidor der Blutopfer den eines duftenden Lorbeerhains (Aen. 6,656f). Gunermann 91. Doignon, images 178f, bes 179: "il censure la degradation du eulte du 'grand Apollon' dans des rites qui sont etrangers ä la vie des ämes. Cette critique procede ä la fois du proces de la mythologie qu'Augustin a pu lire chez Varrone de la diatribe de Porphyre contre les defigurations de Papollinisme". Die genannten Kenntnisse und Einschätzungen Augustins (civ. 10,32 u.ö.) können nicht ohne weiteres für die Frühzeit geltend gemacht werden.

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fehlende Bindeglied zwischen Apollo und Christus zu ersetzen.226 Das Stilmittel, die Nennung Christi hinauszuzögern, darf nicht dazu führen, die im Neuplatonismus vorhandenen, keineswegs aber wesentlichen Einsprengsel paganer Mythologie für Augustin anzunehmen. Die Metaphern aus dem solaren Bereich müssen nicht (intentional) auf Apollo verweisen.227 Die dafür ins Feld geführten beiden poetischen und vereinzelten Parallelbelege (aus dem Licentiusgedicht228 und aus einem Hymnus in der Appendix zu Paulin von Nola 229 ) halten einer näheren Überprüfung nicht stand. Gerade die Beispiele Dölgers für polemische Usurpationen oder Formeln wie "wahrer Prometheus" 230 verdeutlichen, daß die von Doignon angenommene Denkfigur möglich ist, man aber eine eindeutige rhetorische Abgrenzung und Kontrastierung erwarten kann. Hier werden überdies nicht direkt Götter ineins gesetzt, sondern Inhalte und Funktionen usurpiert, als deren Kurzfassungen die Namen stehen. Gerade die Betonung verus schafft Distanz, spricht den Mythologemen die reale Wirkung und Bedeutung ab. Augustin kennt solche Gleichsetzungen, bestreitet sie aber und ist weit entfernt, die Götternamen auch nur als Symbole göttlicher oder nur irgend positiver Kräfte anzunehmen.231 Gerade bei Sollsol ist die Abgrenzung des göttlich-personalen oder des funktionalen Aspektes schwierig.232 Aus vereinzelten Brückenschlägen 226

In der Gleichsetzung von Christus und Wahrheit (beata u. 4,34), als Emanation Gottes gefaßt, erkenne Augustin den veridicus Apollo. Doignon muß einräumen (images 181), daß nicht der mythologische Apollo, sondern eine neuplatonische innere Sonne den Bezug herstellt. 227 Sie sind religionsgeschichtliches Allgemeingut. Die Verbindung Sonne - Wahrheit/Weisheit, Christus als Logos - Wahrheit/Weisheit und Christus - Sonne ist so biblisch verwurzelt und nahegelegt, daß selbst ein Neuchrist, der trotz immerhin langen Kontaktes mit dem Christentum noch nicht völlig biblisch durchtränkt ist, dazu nicht den Umweg über Apollo nehmen muß! 228 LlCENT. carm.ad Aug. 32f.: ,Tibi noster Apollo / corda replet paremque suum patremque deorum / conciliat'; Schelkle 99f. mit einem entschuldigenden Hinweis auf den Charakter von ord. als Frühwerk und der Einordnung der Übertragung von Apollo auf Christus bei Licentius als "ganz ungeschickt". 229 PS.PAUL.NOL. carm.app. 2,51-60, bes. 51 f., s.S. 80 235 : „Salve, o Apollo vere. Paean inclite / pulsor draconis inferi". Schelkle 100. Vgl. Doignon, images 180f. Beide verweisen auf Dölgers Aufsätze "Das Sonnengleichnis in der Weihnachtspredigt des Bischofs Zeno" und "Amor und Christus...". 230 Gerade für das 4. Jh. Beobachtet Dölger (Sonnengleichnis 1, Amor 225 mit TERT. apol. 18 für verus Prometheus und CLEM.ALEX. Protr. 1,4,1 für Orpheus), daß Christliches als das Original gegenüber dem Unechten und Nachgemachten heidnischer Kultvorgänge und -formein behauptet wird. Insbesondere die Auseinandersetzung des Firmicus Maternus mit den Mysterienkulten gehöre in diese Kategorie, ebd., 225f. (FlRM. err. 18,2; 19,1; 20,1; 27,8). 231 S. 190,1: '[...] super istum solem, quem pro deo colunt, qui mente caeci verum iustitiae non vident solem'. Augustin trennt zwischen Christus als der wahren Sonne, der Sonne als kosmischer Realität und der Verehrung eben dieser geschöpflichen Realität als Gott. S.Dolb. 26, bes. 24: Augustin bestreitet die von den Paganen behauptete Trennung von Bild und Gemeintem und lehnt insbesondere eine Gleichsetzung von Mercur und ingenium vehement ab. 232 In ZF.NO 2,12 ('hie sol noster, sol verus') ist die Kleinschreibung vorzuziehen; Zeno biegt nicht einen Sonnenhymnus oder ein Sonnengebet um (Dölger, Sonnengleichnis 3), er knüpft direkt an der Sonne an. Doignons Parallele zum wahren oder falschen Apollo ist ungenau: bei der Sonne geht es um konkret vs. metaphorisch wahr (mit einer bloß relativen Minderung des Vergleichsgegenstands, Dölger, Sonnengleichnis 6). Dölger hebt allerdings im Sinne seiner These den fortdauerenden Einfluß der Personifikation stärker hervor (ebd. 13). Viel stärker als bei Apollo liegt bei der Sonne eine Nähe zu Christus vor und lassen sich Attribute übertragen (Belege Dölger, Weihnachtspredigt, 13,23-55).

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kann kein durchgängiges assimilatives Muster konstruiert werden, das für diese Stelle beweiskräftig wäre.233 Bezüglich der Licentiusstelle ist die einfachere Hypothese, daß der auch sonst in seinem Gedicht zu Exaltationen neigende und darin Augustin und Paulin Anlaß zur Sorge gebende junge Mann den in ord. implizit angelegten Christus-ApollVergleich zu einer Gleichsetzung ausgebaut hat. Das vermeintliche Echo erweist sich als Übersteigerung und Neuschöpfung. In dem im Corpus des Paulinus überlieferten Hymnus ist tatsächlich Christus als 'Apollo verus' tituliert, allerdings wegen der ganz anderen Einbettung nicht als Parallele aussagekräftig. Nur in dem ganz auf Christus (als den Heiler) bezogenen Kontext des Gedichtes wird die Übertragung möglich, die an der - bei den Kirchenschriftstellern sonst praktisch nicht präsenten234 - Heilerfunktion Apollos anknüpft.235 Nach der Anrede als „wahrer Apollo, erhabener Paian", durch die die Heilerfunktion des paganen Apollo als angemaßt oder lügnerisch impliziert wird, bilden Mythos (Python) und die zugehörige Ikonographie Apollos (als Bogenschütze) Leitfaden und Muster, um die Attribute auf Christus zu übertragen und umzudeuten. Man kann dies kaum Allegorie nennen, da kein Apollobild vorgestellt und in eigenem Recht belassen wird. Vielmehr wird der Bildtyp usurpiert und spiritualisiert. Die Attribute werden gleich christianisiert.236 Der insgesamt mit Mythologumena unbefangen umgehende Dichter237 kann diese gewagte Gleichsetzung nur mit der genauen Angabe der Funktion und in einer sehr eindeutig christlichen Umgebung vornehmen, in einer Form, die Apollo keine eigenen positiven Züge läßt.238 Die weiten poetischen Lizenzen 233

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Die Göttlichkeit der Sonne - trotz der erwähnten Schwierigkeit, in diesem Punkte scharf zu trennen - ist nirgends Gegenstand christlicher Assoziationen, allenfalls Boethius ausgenommen (cons. 5,c.2,l-3, das Homerwort vom allessehenden Phoebus, dem Christus als sol verus entgegengesetzt ist). Lactanz z.B. vermeidet in seinem Phoenixgedicht den Namen Apollo für Sol. Paian oder Paean begegnen nicht (nur zweimal in grammatischem Kontext). Eine Durchsicht aller etwa 280 Stellen, an denen lateinische Kirchenväter von Apollo sprechen, ergibt ein deutliches Interesse an der Weissage- und Orakelfunktion des Gottes, insbesondere als inspirierende Autorität hinter den Sibyllen. Die musische Funktion begegnet selten. Der Aspekt des Heilgottes erscheint nur noch in der Schwundstufe als Topos der unpassenden Ikonographie im Verhältnis des bartlos-pubertären Vaters zu dem bärtigen Sohn Äskulap. Öfter, meist im Kontext von Listen, geht es um genealogische Fragen, ebenfalls im Kontext von Listen wird auf mythologische Details, bes. erotische Verstrickungen, sowie die Täuschung vor Troja verwiesen. Die Gleichsetzung mit Sol ist bekannt und wird bei systematischer Auseinandersetzung mit der antiken Götterwelt auch vermerkt: ARNOB. nat. 3,33 und FlRM. err. 17,3, sowie AUG. ciu. 7,16. Von einem falsus Apollo spricht MAR.VlCI. aleth. 3,204-209. Ergänzt wird dieses Bild durch die Untersuchung für Phoebus. Dieses Prädikat wird fast nur von Dichtern gebraucht (bei ENNOD. poetologisch), steht meist, vor allem bei Boethius für die Sonne. Auffällig ist, daß der Dichter v. Ps.PAUL.NOL. carm. 2 in seiner Verbindung von Heilung und Sieg (io triumphe) die Verschmelzung von Heilgott (riaifjcov) und Triumphgott (riaiäv) aktualisiert. Ps.PAUL.NOL. carm.app. 2,51-66: 5 Distichen in der Apollo zugehörenden Bildersprache, dann je ein Distichon der Sieg Christi (vgl. lCor. 15,54f.57) und seine kosmische Macht im Sinn des Philipperhymnus (Phil. 2,10 dichterisch umgesetzt) und als trinitarischer Gott. Z.B. statt des Pythondrachens draco in/erus (52) bzw. serpens vetus (59, Apc. 12,9). Metonymie: Venus und Bacchus V.24, der Wagen des Sol und die Achse der Morgenröte Vv.67.69. Die Einordnung dieses Hymnus bei Detschew (Apollon, 528f, hier 529) als ein Fall, in dem „die heidnische Vorstellung mit christlichem Geist erfüllt wurde" und in dem Christus „völlig unter dem Bild des Apollon und seines Kampfes mit dem Drachen" erscheine, ist bei Betrachtung des Gedichtganzen nicht nachzuvollziehen. Ansonsten führt auch Detschew

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auch in einem Hymnus dürfen nicht in einen philosophisch-theologischen Dialog rückübertragen werden. Ein entscheidendes Argument gegen die Konstruktion einer Christusprädikation als Apollo (yerus) ist das Schweigen Augustins in den sonst skrupulösen Ausführungen zu ord., retr. 1,3,2, wo Augustin harmlose, rein literarische Nennungen der Musen, nicht aber eine theologisch viel heiklere Gleichsetzung Apollos mit Christus kritisiert. Offenkundig hielt Augustin die Apollostelle auch im Rückblick nicht für mißverständlich. Auch die Stellung im Dialog spricht gegen eine zu weitgehende Belastung: die Passage steht im Zeichen einer in urbanem Ton geführten Polemik gegen Licentius' dichterische Neigungen. Augustin vollzieht den Übergang von Dichtung als Bestandteil von Bildung und Kultur und propädeutischer Übung zu philosophischem Ernst. Die Abkehr gestaltet er bewußt literarisch mit aller stilistischen Eleganz und unter Ausreizen aller Möglichkeiten; dennoch wäre ein positives Bekenntnis zu einem christlichen Apollo deplaziert. 3.3

Zur Behauptung der formalen Möglichkeit (theologische Fremdzensur)

Die Streichung der angeblich zum Verständnis notwendigen Wendung wird von Schelkle und Doignon mit theologischer Fremdzensur erklärt,239 einem sonst für Augustin nicht belegten Phänomen.240 Gegen das Verdikt Schelkles (99) ist ein Eindringen der Zitatfortsetzung in den Text plausibel zu erklären: ein Leser, dem Vergilkenntnis nicht mehr selbstverständlich war, kann sie sich notiert, ein weiterer Abschreiber die Glosse dann in den Text eingefügt haben.

(ebd.) neben einem positiv zu deutenden Fall aus dem Osten nur die Ablehnung Apollos als böser Dämon, ja Satan an. 239 Schelkle 98f., wegen des theologischen Anstoßes von 'altus Apollo'; da Doignon die Gleichsetzung gerade für verbreitet hält, konstruiert er einen trinitätstheologischen Anstoß (images 178; der Kopist habe angenommen, Augustin habe erst Gott Vater, dann Christus angerufen). Doignon argumentiert ferner mit der parodischen Paraphrase durch HIER, adv.Rufin. 1,5 (dat. 401-402: 'Sic pater ille deum faciat; sie magnus Iesus. Incipiat conferre manum'), die den Augustin-Abschreiber in seiner trennenden Auffassung bestärkt habe. Diese Annahmen sind hochspekulativ und nicht plausibel. Schelkle (99f.) läßt den Interpolator nach Hieronymus magnus Jesus schreiben (von den Maurinern für einige Handschriften von ord. bezeugt); auch dies kann aber als Glosse erklärt werden. Die Langfassung bei Hieronymus setzt jedenfalls nicht voraus, daß er diese bei Augustin gelesen hat, da er kompetent gewesen ist, den Vers eigenständig wieder zusammenzusetzen und zu parodieren. Die Hieronymusstelle spricht in dieser Hinsicht sogar eher für die Kurzfassung in ord. 240 Parallelbelege werden nicht erbracht. Zu denken geben müßte, daß auch in den entsprechenden Handschriften die von Augustin selbst für mißverständlich gehaltenen Stellen (vgl. retr.) nicht „korrigiert" wurden, z.B. für ord. 1,1,3 eine Ergänzung von corporis zu sensus, die Kenntlichmachung der platonischen Zwei-Welten-Lehre in 1,11,32 (beide retr. 1,3,2) oder retr. 1,3,3 zu ord. 2,20,52.

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Weitere Auseinandersetzung mit Licentius und seiner Dichtung

4.1

Zenobius und sein Gedicht; Absage des Licentius an die Dichtung

Auf Pyramus und Thisbe greift Augustin bei einer Zwischenfrage zurück: die Dichtung des Licentius spricht er als Gespräch mit diesem Paar an.241 Die Verschriftlichung des Gesprächs begründet Augustin mit einer Verpflichtung gegenüber Zenobius: er habe in der Frage "de ordine" Zenobius immer nur vertröstet, der daraufhin Augustin in einem - literarisch von Augustin anerkannten Gedicht242 herausgefordert habe. Diese Notiz nimmt das Motiv der poetischen Produktion auf, wobei Augustin pragmatische Erwartungen einer weiteren Rolle dieses Gedichts gleich abwendet.243 Statt dessen bereitet sie die Absage des Licentius an die Dichtung vor.244 In der Darstellung Augustins ist dieser Abschied von der Dichtung, hier mit den letzten Nachwehen noch einmal exlizit aus Licentius' Mund formuliert, die Überwindung einer schweren Krise, die philosophischen Fortschritt entscheidend gefährdet. Die Formulierung dieser Absage nimmt das poetische Projekt noch einmal auf und läßt so zwei Aspekte mitschwingen: den der Mythologie (damit der Falschheit) und den erotischer Verstrickung. 4.2

Der geläuterte Zugang des Licentius zur Poesie: Psalmen und christliche Dichtung

In direktem Anschluß wird Licentius' neu erwachte Begeisterung für die Psalmen unter dem Aspekt der musikalischen Wirkung geschildert;245 ,Augustin' ermuntert Licentius, seine poetische Arbeit christlich geleitet fortzusetzen

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Ord. 1,5,12: 'licet, inquam, me odiosum percontatorem uoces, uix enim possum non esse, qui expugnaui, ne cum Pyramo et Thisbe conloquereris, pergam tarnen quaerere abs te'. In ähnlicher Weise wird der Gesprächsgegenstand, das fallende Laub, zum Element des witzigen Spiels (1,5,13). Augustin spricht in ord. 2,5,15 von -frommen und begabten - Menschen, die den OrdnungsZusammenhang im Quadrivium nicht sehen könnten und dies in Gedichten äußerten (Zenobius?), denen er das Studium der artes liberales und im Fall von fehlender Studienmöglichkeit den Glauben empfiehlt; evtl. stammen die Beispiele auch aus dem Gedicht des Zenobius. Ord. 1,7,20: 'crebrarum autem ille proerastinationum usque adeo fuit inpatiens, ut me, quo diligentius et copiosius respondere cogerer, etiam carmine prouocaret, et bono carmine, unde illum magis ames. sed neque tunc tibi legi potuit ab istarum rerum studio remotissimo neque nunc potest [...].' In der Perspektive dieses Freundes der Familie werde aber auch Licentius' glühendes Interesse für die Dichtung ein Grund zur Freude sein: 'et cum te poeticae quoque studiosum esse cognouerit, sie gratulabitur, ut eum mihi gestientem uidere iam uidear' (ebd.). Ord. 1,8,21: 'pigrior sum ad illa metra subito effectus. alia, longe alia nescio quid mihi nunc luce resplenduit. pulchrior est philosophia, fateor, quam Thisbe, quam Pyramus, quam illa Venus et Cupido talesque omnimodi amores.' Der anschließende Dank an Gott unter Seufzen gilt dem Abschied selbst, nicht der Schwierigkeit, Lehrern und Freunden den Umschwung mitzuteilen, vgl. Augustins Reaktion. Ord. 1,8,22, Monnicas Verärgerung über den auf der Toilette gesungenen Ps. 79,8: 'nihil enim aliud dicebat, quoniam ipsum cantilenae modum nuper hauserat et amabat, ut fit, melos inusitatum'.

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(1,8,24);246 nach der Schilderung der Todesszenen würde dies statt eines Preises der Liebe eine Absage an die körperliche Liebe und ein Lob der reinen Liebe zwischen anima und intellectus in der Philosophie bedeuten.247 Augustin empfiehlt hier ausdrücklich Dichtung - zumindest dem Licentius und zur Vollendung seiner Bekehrung, die damit auch sein Lieblingsprojekt einschließe. Das hier unbedenklich gebrauchte mythologische Bild wird Augustin später zurücknehmen.248 Die empfohlene Dichtung ist insofern allegorisch zu nennen, als Abstrakta allegorisch beschrieben werden. Zumindest bei dem konkret angesprochenen Projekt kommen literarisch-mythologische Gestalten vor, werden aber nicht als Träger von Bedeutungen allegorisch funktionalisiert. Aus den Andeutungen Augustins scheint sich eher eine zweiteilige Struktur zu ergeben, das im nachhinein abgewertete Liebespaar erhält eine spirituelle Folie. Die Textgestalt schließt jedenfalls eine allegorische Deutung von Pyramus und Thisbe im engeren Sinn aus. 5

Rahmenebene

5.1

Terenzzitate

Augustin bricht das nächtliche Gespräch mit einem Terenzvers ab. Licentius' euphorische Ausführungen über die Ordnung (die mala einschließe) hatten in eine verunsicherte Frage geführt (1,7,19). Diese Unsicherheit greift Augustin mit dem Stichwort religio auf, das er in einem implizit, aber (durch Kontext und Sprachgestalt deutlich) markierten Zitat aus der Andria auf Licentius anwendet, bevor er das Gespräch fortführt: 'cui ego: «noua nunc religio istaec in te incessit, cedo» (Ter. Andr. 730), inquam,...' (1,7,20).249 Ein weiteres Terenzzitat fällt wiederum auf der Hbene des Gesprächsrahmens. Licentius bittet um die Wiederholung einer Frage. Während der Autor explizit zurückverweist, läßt die Dialogfigur Augustin Licentius abblitzen mit einer ohne Einführung aus dem Phormio zitierten Sentenz und fordert ihn zum Nachlesen des Geschriebenen auf.250 Der Einschluß des aiunt, mit dem Phormio seine 246

Die diseiplinae liberales sind hier bereits Teil der Ordnung und zur vita beata gehörig, ord. 1,8,24. In einer allegorischen Erzählung unterscheidet er zwei Gruppen, die beide nach der vita beata strebten: die, die sofort wieder zu ihren Lüsten zurückfallen und sich mit dem nackten Leben begnügen, und die, die wirklich glücklich leben; bei letzteren überlagert das Bild von Bräutigam und Braut das des Aussatzes und bereitet so die Empfehlung allegorisch interpretierter erotischer Dichtung vor. 247 Ord. 1,8,24: 'uade ergo interim ad illas Musas. uerumtamen scis, quid te facere uelim? iube, ait, quod placet. - ubi se, inquam, Pyramus et illa eius super inuicem, ut cantaturus es, interemerint, in dolore ipso, quo tuum Carmen uehementius inflammari decet, habes commodissimam opportunitatem. arripe illius foedae libidinis et incendiorum uenenatorum execrationem, quibus miseranda illa contingunt, deinde totus adtollere in laudem puri et sinceri amoris, quo animae doetae diseiplinis et uirtute formosae copulantur intellectui per philosophiam et non solum mortem fugiunt uerum etiam uita beatissima perfruuntur.' 248 Retr. 1,3,2, s.o. zu ord. 1,3,6 S. 71 1 9 1 . 249 Hagendahl t632. Augustin weitet religio hier von "religiösem Bedenken" (das Myris in Davus' List - daher nova - erkennt, einen Meineid zu umgehen) zu "Bedenken" allgemein aus; in einem umfassenderen Sinn könnte er auch mit der mehrfach reflektierten religiösphilosophischen Bekehrung des Licentius spielen (sonst wäre nova nur überschüssiges Zitatsignal wie das Versende). 250 Ord. 2,7,21: 'cui loco superius a Trygetio fuisse responsum non omnino animum aduerterat. tum ego. quid, inquam, uel cur tibi repetam? «actum, aiunt, ne agas» (TER. Phorm. 419).

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Maxime als allgemeines (Rechts-)Gut ausweist, in das Zitatsegment macht eindeutig, daß Augustin hier die Terenzstelle zitiert. 5.2

Vergilische Wendung auf der Rah inen ebene

Bei der Einleitung des Gesprächs gedenkt Augustin mit einer vergilischen Wendung der abwesenden Freunde und Schüler. Der personale Gebrauch von maxima cura stammt aus Aen. 1,678, bzw. georg. 4,354.251 Dieser Gebrauch reicht nicht aus, um von einer implizit markierten Referenz zu sprechen, aber der Anklang ist deutlich. 5.3

Vergillektfire

Auf den zeichenhaft interpretierten Hahnenkampf folgen am ersten Gesprächstag die Rekapitulation und Verschriftlichung des Vorgesprächs sowie eine Erholungspause, die nur von der Rezitation des üblichen halben Vergilbuches unterbrochen wird.252 Die Notiz dient einerseits der Schilderung der Tagesabläufe, andererseits illustriert sie das Maß-Prinzip, das Gespräch und Rahmen gleichermaßen prägt. 6

Die discplinae liberales. Ihre Entwicklung als Rahmen eines Bildungsprogrammes

Augustin unterscheidet nach den Ausführungen zu Ballett und Dichtung (s.S. 87) drei Arten des Vernunftgemäßen: Handeln, Lehre, ästhetisches Vergnügen. Für die beiden letzteren, den diseiplinae zugehörigen entwirft Augustin eine anthropologische Grundlegung.253 Augustin verbindet eine Genealogie der Wissenschaften (mit den Sinnen als Leitfaden) mit einem Bildungsprogramm ('ordo eruditionis', 2,17,46), dem Siebener-Schema der Artes liberales;254 wegen der Vergänglichkeit der Töne, bzw. ihres Bleibens im Gedächtnis führt Augustin zustimmend die Musen-

251 252

253

254

quare moneo potius, ut ea, quae supra dieta sunt, uel legere eures, si audire nequiuisti.' Hagendahl t642, Otto 9, 'agere 2'; diese Version auch HIER. adv.Pelag. 1,24. S. DONAT. ad 1. ('acta res est, de qua sententia prolata est') und ad Ad. 232 ('Quod enim semel in iure iudicatum fuerit et iterum agi non potest'). Phormio fuhrt den Rechtsgrundsatz vor Demipho an, der einen Gerichtsbeschluß anfechten will. Ord. 1,9,27: '[...]qui nobis maxima cura sunt,...'; näher am Vergiltext util.cred. 3, S. 12861. Ord. 1,9,26: '[...] nisi quod ante cenam cum ipsis dimidium uolumen Vergili audire cotidie solitus eram, nihil nobis ubique aliud quam rerum modum considerantibus, quem non probare nemo potest, sentire autem, cum quisque aliquid studiose agit, difficillimum atque rarissimum'. Kommunikationsbedürfnis über räumliche und zeitliche Distanz. Für die Entfaltung greift Augustin explizit auf einen varronischen Terminus (litteratio) zurück, ord. 2,12,35, Cardauns/Hagendahl t668. Dazu M.Fussl, Diseiplinae liberales (AL 1999), bes. 472 zum Einwirken Varros und der diesbezüglichen Forschungskontroverse, 479-481 zur Bewertung des Triviums.

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genealogie an.255 Die Zielsetzung seines Programmes des Aufstiegs der ratio durch die Wissenschaften benennt Augustin explizit in 2,19,50f.256 6.1

Grammatik (Beispiel: Mutter des Euryalus)

Augustin legt seine Sicht der Entwicklung der Grammatik dar (2,12,36f.), die durch die schiere Menge des Aufgeschriebenen ('historia') unendlich vielfältig geworden sei. Dies begreift insbesondere den Mythos ein, für den er den Flug des Dädalus nennt.257 Augustins Abneigung gegen die Spitzfindigkeiten, mit denen Lehrer behelligt werden, bricht sich mit dem Mitleid für seine früheren Kollegen Bahn, wenn diese für unkundig erklärt würden, wenn sie den Namen der in der Aeneis namenlosen Mutter des Euryalus nicht angeben könnten.258 Bei einer Durchmusterung der Sinne (2,14,39) unterscheidet Augustin Töne nach der Erzeugung durch Stimme (Theater und Rezitationen: 'tragoedos uel comoedos uel choros cuiuscemodi atque omnes omnino, qui uoce propria canerent'), Blasen oder Schlagen (Saiteninstrumente). Mit Hilfe der in der Grammatik entwickelten Metrik gelange die ratio zu festen Ordnungen (Kommata und Kola), sowie zu Versen und Versmaßen, damit zur Dichtung, die Augustin unter dem Inhaltsaspekt heraushebt und ihr die Lizenz der Fiktion zugesteht. Wegen der Herkunft aus der Grammatik seien deren Lehrer für die Beurteilung zuständig.259 6.2

Proteusbild

Bei dem Aufstieg gelangt die ratio zur Geometrie und Astronomie (2,15,42), schließlich zur Zahl selbst. Dabei evoziert Augustin - mit Bezug auf Acad. - die Gestalt des Proteus in Bezug auf das Prinzip der Zahl hinter den Erscheinungen des Zählbaren.260 255

Zur vierten Stufe, der Musik, ord. 2,14,41: '[...]rationabili mendacio iam poetis fauente ratione louis et Memoriae filias Musas esse confictum est.' Wiederum mit einer Nennung von Dichtung und Musik, ord. 2,19,50: '[...] per suam [sc. rationis] scientiam uersum bene currere citharamque concinere'. 257 Wer ihn nicht kenne, werde als ungebildet angesehen. Hingegen sollte man den Autor einer solchen Erzählung für einen Lügner, die Leser (Schüler), die sie glaubten, für töricht und die Lehrer, die im Unterricht (oder andere, die die Lehrer) danach fragten, für unverschämt halten, ord. 2,12,37. 258 Ord. 2,12,37: 'aut in quo nostros familiäres grauiter miserari soleo, qui si non responderint, quid uocata sit mater Euryali, aecusantur inscitiae, cum ipsi eos, a quibus ea rogantur, uanos et ineptos nee curiosos audeant appellare?' S. Aen. 9,465-503; MACR. Sat. 4,1,5 (Aen. 9,476f. Beispiel für Pathosdarstellung). In ord. 2,13,38 betrachtet Augustin Dialektik und Rhetorik als den Teil der Studien, der bezüglich des Bezeichnens vernunftgemäß sei. Bennett 64n33, Schelkle 160f. zur Kritik am Fehlen des Namens (SERV. ad 9,282, vgl. SERV.auct. ad 8,498, Georgii 407). 259 Ord. 2,14,40: '[...] cum uideret [sc. ratio] non solum sonorum sed etiam uerborum rerumque magna momenta, plurimum eos honorauit eisque tribuit quorum uellent rationabilium mendaciorum potestatem. et quoniam de prima illa diseiplina stirpem ducebant, iudices in eos grammaticos esse permisit'. 260 Ord. 2,15,43: 'hunc [sc. numerum ratio] uero totis uiribus conprehendit, qui iam uniuersae ueritatis index futurus, ille, cuius mentionem fecit Alypius, cum de Academicis quaereremus, quasi Proteus in manibus erat, imagines enim falsae rerum earum, quas numeramus, ab illo oecultissimo, quo numeramus, defluentes in sese rapiunt cogitationem et saepe illum.

256

86

6.3

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Pythagoras als Emblem; Vergilzitat

Augustins Bildungsprogramm wird in der Schlußbemerkung des Alypius aufgenommen, der durch die Ausführungen die Tradition, namentlich die Lehre des Pythagoras bestätigt sieht. 261 Dieser ist offenbar wegen der Verbindung von Lehre und Leben Emblem dafür, wie Augustin - aus dem Mund des Alypius sein eigenes Programm gesehen haben wollte. 2 6 2 Für die zeitliche Nachordnung politischer Unterweisung, um nur den sapiens als gefestigte und stabile Persönlichkeit diesen Stürmen auszusetzen, zitiert Augustin Aen. 7,586 mit einer für ihn ungewöhnlichenen Erweiterungsformel, die den Aeneiskontext einbezieht: 'tantos ibi enim fluctus uidebat [sc. Pythagoras], ut eis nollet committere nisi uirum, qui et in regendo paene diuine scopulos euitaret et, si omnia defecissent, ipse illis fluctibus quasi scopulus fieret. de solo enim sapiente uerissime dici potest. «ille uelut pelagi rupes immota resistit» (Aen. 7,586) et cetera, quae luculentis in hanc sententiam uersibus dicta sunt.' (ord. 2,20,54) Mit aufgerufen ist die Ausführung des Vergleichs; da Augustin das Zitat mit der Fels- und Seemetaphorik eingeleitet hatte, wäre ein ausführliches Zitat eine Verdopplung. 2 6 3

7

Ballett und Dichtung (Vergil) als Gegenstände von Vernunfturteilen

Nach kürzeren Beispielen für die Rolle der ratio in der Wahrnehmung (2,11,33) verweilt Augustin länger bei Architektur 264 und für das Gehör bei der Dichtung (carmina). Neben den rhythmischen Genuß tritt dabei auch die Frage nach der Bedeutung, die ebenfalls Gegenstand eines Vernunfturteils sei; Augustin stellt dazu wieder ein sichtbares Beispiel neben die Dichtung, (konventionelles) Ballett. 265 Entsprechend stellt er für die Dichtung zwei Verse Vergils vor, die für den Rhythmus wie für den Inhalt als vernunftgemäß zu loben seien:

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cum iam tenetur, elabi faciunt'. S. Acad. 3,5,11, s.S. 44 31 , sowie die eigene Aufnahme in Acad. 3,6,13, S.54 96 . Ord. 2,20,53: Augustin nennt Pythagoras häufiger und in unterschiedlichen Zusammenhängen, dies ist aber die einzige Formulierung eines Nahverhältnisses, kritisiert in retr. 1,3,4. Aus der bestätigenden Aufnahme dieser Figur durch den Sprecher Augustin geht hervor, daß eine schriftliche Überlieferung durch Varro das Pythagoras-Bild geprägt hat, ord. 2,20,54: ,si quid litteris memoriae mandatis credendum est; quamvis Varroni quis non credat?', Cardauns/Hagendahl t669. Hagendahl t897, Courcelle 557, Schelkle 143. Die stilistische Hervorhebung der Verse entspricht der oben festgestellten doppelten Charakterisierung der Dichtung. Den epischen Vergleich rühmt und erklärt CLAUD.DON. ad 1. (kurz und billigend SERV. ad 1., mit Hinweis auf ClC. Mil. 5 als Vorlage). MACR. wendet den Vers Sat. 6,3,1 auf Homers Qualität an, der Nachahmer nichts anhaben könnten. In der Aeneis kontrastiert diese Heraushebung mit der Schwäche des Latinus. Bezüglich des Gesichtssinnes, ord. 2,11,34. S. uera rel. 30,55,151 ff., S. 1191 >. Ord. 2,11,34: ' [...] dicitur tarnen rationabilis illa saltatio, quod bene aliquid significet et ostendat excepta sensuum uoluptate. non enim, si pinnatam Venerem faciat et Cupidinem palliatum, quamuis id mira membrorum motione atque conlocatione depingat, oculos uidetur offendere [...]' Zum Ballettbetrieb s. doctr.chr. 2,38,97f. (s.S. 15693), mus. 1,2,3, mag. 3,5. Augustin relativiert scherzhaft den Gegenstand des Balletts durch die Vertauschung die Epitheta (Zach, 'palliatus', TLL 10,127,1.68).

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'quod autem per eundem sonum bene significatur, nuntio quidem aurium sed ad solam mentem refertur. itaque cum audimus illos uersus: «quid tantum Oceano properent se tinguere soles hiberni uel quae tardis mora noctibus obstet» (Aen. l,745f. = georg. 2,481f.), aliter metra laudamus aliterque sententiam nee sub eodem intellectu dieimus. rationabiliter sonat et rationabiliter dictum est.' (ord. 2,11,34) Augustin zitiert dabei ein Verspaar, das in zwei indirekten Fragen die jahreszeitlich unterschiedliche Tag- und Nachtlänge (konkret die Wintersituation) ausmalt, als Gegenstände von kosmologischer Lehrdichtung. Dieses Verspaar hatte Vergil sowohl im Lob des Landlebens wie im Iopaslied in Aen. 1 verwendet.266 Bereits in 2,4,13 dienen Solözismen und Barbarismen, die als besondere Höhepunkte eines Gedichts und - in engeren Restriktionen - einer Rede zu gelten hätten, als Beispiel für häßliches Detail und schönes Ganzes aus der Dialektik sind.267 8

Gattungsbezüge

Mit der expliziten Einbeziehung der Mutter in das Gespräch bestimmt Augustin die Position seiner philosophischen Dialoge in explizitem Bezug zur Gattung. Dabei setzt er sich von einer Schriftengruppe ab, die auf die Bedürfnisse einer hochkultivierten Oberflächlichkeit antwortet. Trotz inhaltlichen Lobs werden formale Ansprüche abgewehrt. Gemeint sind hier offenbar die Dialoge Ciceros (sie sind lateinisch, alt und werden in diesem Kreis gelesen, was Monnica beobachten konnte). Augustin nennt Theodorus als zeitgenössischen Vertreter.268 A.4

Soliloquia

Trotz des nicht-szenischen Charakters setzt Augustin auch in den Soliloquien269 verschiedene Rahmenelemente bewußt ein.270 Der unmittelbare Bezug zum Schreiben des Buches tritt gegenüber den sonstigen Schriften stärker hervor.271 266 Hagendahl t831.957. Aus späteren Zitaten scheint die Georgicastelle für Augustin prominenter (s. georg. 2,479f. in ench. 5,16 und 2,490 in ciu.7,9 und ench. 5,16). Beide Stellen sind durch ihren Kontext mythologisch nicht belastet. In den Kommentaren spielten die Verspaare offenbar keine Rolle, s. CLAUD.DON. ad Aen. 1,745: 'quae omnia ad rerum naturam pertinent et nisi a doctissimis traetari non possunt' Schelkle vermutet 39 aber eine Behandlung wegen der metrischen Abbildung des Ganges der Pferde. Courcelle 136f. (mit zwei späteren Zitaten von Aen. 1,744 bei HIER.). 267 Ord. 2,4,13. Als Beispiel nennt Augustin Trugschlüsse, bevor er summarisch für das Quadrivium die Bedeutung der Ordnung behauptet, ord. 2,5,14. 268 Ord. 1,11,31. Zu Theodorus J.Doignon, Augustin 'verus homo' ä Cassiciacum: la marque morale de Mallius Theodorus: L'Antiquite Classique 60 (1991), 193-200. 269 Voss 233-245 (die 243-245 untersuchte sprachliche Gestaltung ist kaum eine Terenzimitation, ebenso ist sol. 2,7,22 'profer, si quid habes' zu wenig aussagekräftig, um als Nachhall von ecl. 9,32 gelten zu können). Zu Übernahmen philosophischer Gedanken Gigon 211-221. Ein Einfluß von Senecas (verlorenem) Traktat De matrimonio (ebd. 214) auf 1,10,17 kann angesichts fehlender Hinweise und des sonstigen Befundes der Senecarezeption Augustins vernachlässigt werden. 270 Z.B. Tage und Bücher zur Gliederung (sol. 2,19,33; 2,20,34), ,Gesprächsregeln'; spezifisch für die Soliloquien Gebete: 1,1,2-6; 2,1,1; 2,6,9. Die Einordnung des im Gebet Gesagten als Lesefrüchte unterschiedlicher Provenienz ist keine Entwertung (1,4,9, gegen Gigon 210f.). 271 Sol. 1,13,23; 1,14,24; 1,15,27; 1,15,30.

88

Frühschriften

Statt einer Widmung findet sich eine ,Huldigung' an Ambrosius und einen christlichen Dichter (2,14,26).272 Instruktiv sind auch die Partien, die die Inhalte der Grammatik behandeln, vor allem Dichtung bzw. andere mimetische Künste sowie Mythologie. Gemessen an den anderen Frühschriften ist die Dichte literarischer Gestaltungsmittel geringer. Interessant ist aber der Vergleich mit De immortalitate animae, das als Vorentwurf und Materialsammlung zu einem nicht ausgeführten 3. Soliloquienbuch gelten kann und völlig schmucklos und nüchtern ist.273 Offenbar erstellte Augustin zunächst ein Gedankengerüst, das er bei der Ausarbeitung auch literarisch schmückte. Schon das Eingangskapitel der Soliloquien proklamiert einen explizit schmucklosen, nichtliterarischen Charakter des Werkes.274 Vor diesem Hintergrund fällt dann allerdings die ciceronische Stilisierung der gesamten Schrift275 und dieses Kapitels auf276 Sowohl Lichtmetaphern wie auch der Gedanke einer Heilung mit dem zugehörigen Wortfeld ziehen sich durch die gesamte Schrift.277 Mehrfach gebraucht

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277

In der Aporie der Überlegung über die Unsterblichkeit der Seele schlägt die Ratio die Zuflucht zu den Schriften anderer vor (sol. 2,14,26). Sie denkt dabei sowohl an noch nicht gelesene Autoren der Vergangenheit (griechische Philosophen) wie auch an (persönlich) bekannte hervorragende Zeitgenossen, die sich in Prosa und Dichtung dazu geäußert haben. Der Fortgang läßt erkennen, daß nur je ein „Dichter" (Migne denkt an Zenobius, vgl. das in ord. 1,7,20 erwähnte Carmen, das aber eher ein Freundschaftsgedicht ohne weitergehenden philosophischen Gehalt zu sein scheint) und ein Prosaiker, offenbar Ambrosius, gemeint sind. Letzterer wird als Wiederbeleber der Beredsamkeit sowie als Lehrer des modus vivendi gepriesen. Ersterer ist Augustin zwar vertraut, aber infolge der Entfernung (im transalpinen Gallien?) kaum mehr brieflich erreichbar, so daß Augustin noch nicht einmal über die Fertigstellung seines Gedichtes gegen die Todesfurcht informiert ist. Die (in gewissem Umfang) parallele, aber eben doch eigenständige Behandlung der Thematik durch Augustin wird mit dieser Verbeugung gerechtfertigt und mit Freundlichkeiten verbunden. Vgl. retr. 1.5,1: ' [...] quod mihi quasi commonitorium esse uolueram propter soliloquia terminanda, quae imperfecta remanserant.' Bestimmung als „Hypomnema im technisch strikten Sinn" Gigon, Überlegungen 209. S. auch J.A. Mourant, 213-217. Es soll dem eigenen Fortschritt dienen und nur wenigen .Mitbürgern' (primär dem Freundeskreis, wie er teilweise in Cassiciacum versammelt ist), nicht aber einem breiten Publikum dienen; sol. 1,1,1. S. H.Müllers Einleitung 33f. bezüglich Stil und Vokabular. Für den Eingangssatz kann er auf den Anfang von de orat. verweisen. Im Hintergrund der Prädikation 'deus, per quem malorum escis atque illecebris non haeremus' (sol. 1,1,3) steht eine Junktur aus dem Hortensius (fr. 84,5 SZ, Hagendahl tl88e), wie die expliziten späteren Zitierungen zeigen: c.Iul. 4,72.76 und 5,33. Augustin entleiht das Bild, wohl ohne Erkennbarkeit oder Zusatzcodierung zu beabsichtigen. Eine andere Passage (1,1,4) preist Gott als Herrn des Kosmos, stilisiert nach einer vornehmlich an der Astronomie und den Gedanken von Ordnung und Maß ausgerichteten kosmologisch-solaren Theologie, wie sie in der römischen Philosophie und Dichtung greifbar ist. Fehlende wörtliche Berührungen verbieten die Zuweisung an eine bestimmte (uns bekannte) Stelle. Die Gebetssprache dieser Stelle neigt zu poetischen Formulierungen (z.B. 'sol exercet diem' - vgl. Aen. 10,807f., von Landleuten gesagt: 'sole reducto / exercere diem' - oder das 'cursus peragere' der sidera vgl. PARTHEN. fr. 1; ANTH. 83,50). Die Einbindung in den Gedanken (von der kosmologischen zur ethischen Stabilität) spricht dafür, daß Augustin aus der Anschauung bzw. der von ihm erinnerten philosophisch-dichterischen Tradition die kosmologischen Grundgegebenheiten aufzählt und passend zu dem Niveau dieses hymnischen Teiles formuliert, ohne konkrete Stellen vor Augen zu haben. Beides: 1,10,17; 1,13,23; Licht allein: 1,15,27; Heilung allein: 1,9,16, wo die angestrebte seelische Gesundheit Züge der dutdöeia trägt. Interessant sind Verschränkungen der Metaphorik mit der Rahmensituation (l,14,25f. Frauenphantasie und Lungenkrankheit).

Früh Schriften

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Augustin das Bild eines Schiffes, u.a. als Angst vor Schiffbruch durch Seeungeheuer und Klippen.278 Bei der Frage der Ratio nach dem Charakter von Augustins amor sapientiae häufen sich erotische Metaphern, die ihre Herkunft wohl nicht zuletzt in Sprache und Gedankenwelt der erotischen Elegie haben (insbesondere die Motive von Liebesmartern und Eifersucht).279 Gerade die Einbeziehung eigener Erfahrungen wie der erotischen Anfechtungen und der Zahnschmerzen (1,12,21) ist ein individuelles Stilmittel in Augustins Dialogen.280 1

(Mögliche) Ciceroreminiszenzen; Celsuszitat

In der Rückschau auf den Weg der seelischen Gesundung rekapituliert Augustin den Einfluß des Hortensius auf die Abkehr vom Reichtum (bes. 1,10,17). Das einstige Streben nach weltlichen Gütern belegt Augustin mit den Metaphern tabes, die es wegzuschneiden gelte, und pestis (1,11,18f.), wobei er einräumt, latent noch immer dafür anfällig zu sein. Aus dem Seuchen-Bild kann er die Latenz begründen und greift zu einem weiteren drastischen Bild, das er aus den Tusculanen entlehnt.281 Augustin zitiert hier den Wortbestand mit geringfügigen Änderungen, die an eine Zitierung aus dem Gedächtnis denken lassen. Cicero billigt in der zitierten Passage den stoischen fortitudo-Begriff, der den Kampfrausch (insania, rabies) ausschließt, den er als durchgängige Charaktereigenschaft betrachtet. Dafür zieht er eine stoische Maxime heran (die er wohl gegen ihre ursprüngliche Sinnrichtung „liest").282 Augustins Einleitung ist unbestimmt und kann sich sowohl auf Cicero (der Plural wäre dann desakzentuierend) wie auch auf die Stoiker beziehen. Die Drastik des Bildes ist in sich überzeugend und bedarf keiner Beglaubigung durch eine identifizierbare namentlich genannte Autorität. Die Sachaussage muß Augustin als Überschuß mitzitieren, um den verständnisnotwendigen Kontext zu geben (und das Zitat als solches zu konstituieren).

Sol. 2,8,15. Mit monstra könnten auch mythologische Gestalten wie Skylla und Charybdis gemeint sein; s. Szantyr, 'monstrum', TLX 8,1446-1454, bes. 1449-1451; die vorliegende Stelle ist unter den unbestimmten Gebrauch gerechnet (wie er sich für Seeungeheuer dichterisch ab Vergil Aen. 6,729 findet), der bestimmte Gebrauch ist in ähnlicher Häufigkeit poetisch belegt (ecl. 6,75 u.ö.). Sol. 1,13,22. Die Motive werden in der nächtlichen erotischen Phantasie aufgenommen (1,14,25). Als „souveräne Nonchalance" gewürdigt und von der gravitas Ciceros abgesetzt bei Gigon 214. Sol. 1,11,19: 'aliud est enim exhausta pestis, aliud consopita. ad hoc enim ualet, quod a quibusdam doctis uiris dictum est, ita «omnes stultos insanos esse, ut male olere omne caenum. - non semper. - conmoue, senties» (ClC. Tusc. 4,54). multum interest, utrum animi desperatione obruatur cupiditas an sanitate pellatur.', Hagendahl t321. O. Gigon verweist (ad I.) auf Tusc. 3,8-11 und SVF 3,658. Den Einwand durch einen lnterlocutor und damit die Explikation des drastischen Bilds formuliert Cicero auf der Ebene des Dialogs, also nicht mehr an die Stoiker angelehnt. Diese Differenzierung gibt Augustin nicht wieder. Zu der ,Leserichtung' der Gleichung nimmt er - da nicht an der Aussage interessiert - keine Stellung

Frühschriften

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Augustin wehrt sich gegen die Erschließung der Ewigkeit der Seele aus der Allgegenwart des Irrtums (sol. 2,3,4) mit einem ciceronischen Ausruf.283 An einer Reihe von Stellen nimmt Augustin markiert philosophische Gedanken auf, die letztlich platonischen Ursprungs sind, deren Vermittlung aber unklar bleibt.284 Neben Cicero ist an neuplatonische Einflüsse zu denken, wie wenigstens die Nennung Plotins zeigt.285 Namentlich zitiert Augustin außer Cicero lediglich Cornelius Celsus, dessen Zuordnung von Weisheit und körperlichem Schmerz als höchstem Gut bzw. Übel er (in abgeschwächter Form) zustimmt; seine Zusammenfassung stellt er dem begründenden Zitat voran.286

2

Aussagen über mimetische Kunst

2.1

Begriffsbestimmungen

Die Aussagen über mimetische Kunstformen stehen im Zusammenhang der Diskussion über den Begriff und den ontologischen Status von Wahrheit und Irrtum; sie orientieren sich an dem Leitwort falsitas unter dem Aspekt der Differenz (Unähnlichkeit in der Ähnlichkeit).287 Die Ratio unterscheidet symmetrische und asymmetrische Ähnlichkeitsrelationen (2,6,11). Letztere seien im menschlichen Bereich Gemälde, fiktionalc Kunst überhaupt ('in picturis huiuscemodi quibusque figmentis') bis hin zum Dämonenwerk. Soweit das Falsche existiere, 288 unterscheidet die Ratio lauschendes

283

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Sol. 2,4,5: 'o plumbeum pugionem!. Die sprichwörtliche Wendung Findet sich in zwei Fassungen bei Cicero, Art. 16,2 und fin. 4,48. Wegen der genauen Entsprechung von Wortlaut und Kontext (Kritik an Schlüssen des Gegenübers) ist die zweite Stelle als Quelle dieses stilisierten und urbanen - Ausrufs anzunehmen; Hagendahl tl 73. Augustin wird die Formulierung gegen Iulian einsetzen (c.Iul. 1,4,12 und 3,7,16), was ebenfalls für eine bewußte Anleihe spricht. So z.B. die Behauptung, die Seele sei dem Tod nicht unterworfen, da sie überall Leben schaffe (sol. 2,12,22f.: 'quod a magnis philosophis dictum est'; letztlich aus dem Phaidon, 103cff. und bes. 105d). Neben Piaton ein potentieller Maßstab in der Gotteserkenntnis in sol 1,4,9. Sol. 1,12,21: '[...] cogor interdum Cornelio Celso adsentiri, qui ait summum bonum esse sapientiam, summum autem malum dolorem corporis, nee eius ratio mihi uidetur absurda. «nam quoniam duabus», inquit, «partibus compositi sumus, ex animo scilicet et corpore, quarum prior melior, deterius corpus est, summum bonum est melioris partis Optimum, summum malum autem pessimum deterioris. est autem optimum in animo sapientia, est in corpore pessimum dolor»'; Hagendahl t43, Barwick 119. Augustin spielt auf diesen Celsus möglicherweise bereits in Acad. 2,2,5 an, s.S. 43. In der Praefatio zu seinem Spätwerk haer. stellt er das Werk und die Methode der 6 Bücher vor. Sol. 2,2,2ff. Gigon 217-221; „das System als Ganzes [...] wird man ungern Cicero selbst geben" (ebd. 219). Zunächst wird an der falsitas die Ähnlichkeit mit dem Wahren gesehen. Konventionelle Beispiele fuhren zu der Aussage 'similitudo rerum, quae ad oculos pertinet, mater est falsitatis' (2,6,10). Komplementär dazu: 'similitudo mater veritatis; dissimilitudo mater falsitatis' (2,7,13). Auch in anderen Sinnen, s. bes. akustische falsilates, sol. 2,6,12: Uhren, die Vogelstimmen nachahmen, und 'falsae voces', zu denen Augustin die versprochenen Ausfuhrungen nicht nachreicht.

Früh Schriften

91

{fallax oder fallens; appetitus fallendi - gesteuert durch ratio oder natura) von dem weiteren Begriff „Lügendes" (mendax).2*9 2.2

Künstlerische Mimesis

Eine Unterhaltungsfunktion des mentiri setzt Augustin von einer Täuschungsabsicht ab und nennt Schauspiele und epische (oder lyrische) Gedichte.290 Anders als der dramatischen und literarischen Mimesis schreibt die Ratio zunächst der Mimesis der bildenden Kunst Täuschungsabsicht zu; damit ergäbe sich für sie eine entscheidend andere moralische Beurteilung, so daß ,Augustin' sofort einhakt.291 Im Fortgang wechselt die bildende Kunst (wie auch das Spiegelbild) unvermerkt die Seiten und wird analog dem Drama behandelt. Die Ratio begründet ihre Unterscheidung mit dem Wirklichkeitsstatus der dramatischen bzw. bildnerischen Fiktion: Da sie nicht wahr sein könne, liege keine Täuschungsabsicht vor. Die Ratio nennt dabei die drei Formen des Dramas und eine verallgemeinernde Wendung; ihr mimetischer Status ohne Wirklichkeitsbehauptung entspreche dem der bildenden Kunst.292 Augustins Beispiel für die Verschränkung von wahr (Schauspieler) und falsch (Person der Rolle) ist Roscius, der sprichwörtlich berühmte Schauspieler der Cicerozeit.293 Augustin weist ihm nacheinander (trikolon abundans) Hecuba, dann Priamos, dann Hector, Andromache und Hercules zu (das Prädikat verus ist zumindest in Bezug auf Hercules ungewöhnlich). Diese Rollen sind vermutlich wohl exemplarisch, nicht Aufnahme einer Vorlage.294 ,Augustin' will das Doppeldeutige verlassen und die vollkommene und göttliche Wahrheit suchen. Die verworfenenen Abbildungstechniken seien ihrerseits nicht nachahmenswert: Schauspieler, Spiegelbilder und eine berühmte Bronzeplastik, das Rind des Myron.295

289

Sol. 2,9,16: '[...] quod omnis fallax adpetit fallere; non autem omnis uult fallere qui mentitur.' Diese Zuordnung ist gegenüber uera rel. 33,61,172 und mend. (s.S. 1453') nahezu umgekehrt. 290 Sol. 2,9,16: 'nam et mimi et comoediae et multa poemata mendaciorum plena sunt delectandi potius quam fallendi uoluntate et omnes fere, qui iocantur, mentiuntur...'. Mit mentiri verbindet sich keine moralische Qualität wie bei fallere, sondern nur eine Wirklichkeitsproposition. Gegen die Etymologie bezeichnet falsus im folgenden meist nur Nichtwirkliches (nicht auffallaxlfallens bezogen). 291 Sol.2,9,17f.('contendunt'). 292 Nun exemplarisch die libri comicorum, sol. 2,10,18. 293 Sol. 2,10,18; Zu Roscius Otto 302. Das Beispiel stammt wie der Pacuviusvers aus Cicero, s.S. 93. 294 In de orat. 3,102 legt ihm Cicero immerhin auch einen Vers in der Rolle der Andromache bei. 295 Sol. 2,10,18; Bezugspunkt des Beispiels ist vermutlich ClC. Verr. 2,4,135: '...quid Atheniensis ut ex marmore Iacchum aut Paralum pictum aut ex aere Myronis buculam?' (syntaktisch eingepaßt und umgestellt), Hagendahl tl07, H.Müller 284A95. Augustin nennt Myron sonst nicht mehr.

92

Frühschriften

2.3

Das Falsche (Mythos und Fiktion) als Teil der Grammatik; die Beispiele von Dädalus und Medea (Pacuviuszitat)

Die Ratio argumentiert gegen diese Haltung, indem sie Augustin zunächst die Wahrheit von Dialektik und Rhetorik feststellen läßt (2,11,19). Im Gegensatz dazu sei in fiktionaler Literatur und damit in einem Teilgebiet der Grammatik die Verbindung von falsch und wahr wesensnotwendig.296 Die fiktionale Literatur wird hier mit fabulosa in das Begriffsfeld vor allem des Mythos gerückt. ,Augustin' erklärt die Verbindung mit der Funktion der Grammatik als eines „kulturellen Speichers", der keinen Anteil an der Falschheit hat und auf diese sogar hinweist.297 Dabei gibt er die traditionelle doppelte Funktionsbestimmung der Literatur (s. HÖR. ars 333). Er muß mit dieser Zuordnung die moralische Abwehr nicht aufgeben und wehrt sich gegen die Bestimmung der Wahrheit von Dialektik und Grammatik aus ihrem Wissenschaftsbegriff, weil er die Mythen ausschließen will. Die Ratio entwickelt daraufhin eine Lehre von der Wahrheit des Mythos, die diesen als Fiktion ernst nimmt und so Fiktion in die Wissenschaft integriert: als notwendige Verbindung von Wahrem und Falschem analog dem über das Drama oder die bildende Kunst Gesagten. Hingegen wäre es falsch, einen Mythos für historisch wahr zu halten. Das konkrete Beispiel für einen solchen, im Grammatikunterricht prominenten Mythos ist Daedalus und seine Flucht von Kreta. Dabei kann sowohl die vergilische Fassung vom Anfang des 6. Aeneisbuches (14-30) wie auch die Erzählung Ovids im Hintergrund stehen (Met. 8,183235).29» ,Augustin' leugnet die Imitationsbeziehung des Falschen gegenüber dem Wahren (1,15,29). Wiederum aus der Mythologie greift er ein Beispiel, dem in der Wirklichkeit nichts entspreche: die auf dem von einem Drachengespann gezogenen Wagen (heran-)fliegende Medea.299 ,Augustin' zitiert dazu einen Vers des Pacuvius,300 den er wahrscheinlich aus Ciceros De inventione (1,27) genomSol. 2,1 1,19: "an ignoras omnia illa fabulosa et aperte falsa ad grammaticam pertinere?' S. ord. 2,12,37. Sol. 2,11,19: 'siquidem est fabula compositum ad utilitatem delectationemue mendacium'. Sol. 2,11,20: '... hinc enim exstitit illud, quod superius mirabamur de uolatu Daedali ueram fabulam esse non potuisse, nisi Daedalum uolasse falsum esset.' Eine literarische Vorlage i.e.S. wäre nur anzunehmen, wenn das von den Schülern geforderte Behalten und Wiedergeben das Auswendiglernen eines Textes meint. In diesem Fall verdiente die längere Fassung Ovids den Vorzug (das Wortfeld volare begegnet anders als in der Kurzfassung der Aeneis häufig: 206.208.213.223). Möglich ist aber auch eine - z.B. an den Vergiltext angehängte - Prosaerklärung ohne festgefügte literarische Gestalt, die in freier Paraphrase wiedergegeben werdem soll. Daedalus auch Acad. 3,3, ord. 2,37, s. ciu. 18,13. Sol. 2,15,29: 'non enim, cum dicitur iunetis alitibus angujbus Medeam uolasse, ulla ex parte res ista uerum imitatur, quippe quae nulla sit nee imitari aliquid possit ea res, quae omnino non sit.' Die Ratio spricht hierauf dem Mythologem jedes Sein ab, damit auch die Prädikate falsum oder monstrum. Sol. 1,15,29: 'miram rem uideo. itane tandem cum audio: «angues ingentes alites iuneti iugo», non dico falsum?'; TRF 397, fr. 260 (Medus fr.9), D'Anna 121; Hagendahl t492. Der Vers stammt aus der Tragödie Medus (zur Handlung HYG. fab. 27, D'Anna 117f); Medea eilt hier auf dem - fest zu ihrer Gestalt gehörenden (Ranke-Graves §155,3, Bd. 2,244) Drachengespann ihrem Sohn zu Hilfe (s. auch ClC. rep. 3,9, sowie VARRO Men. 284B, s. zur Cicerostelle MAR.VICTORIN. rhet. 1,27 p. 202H). Dies ist das einzige feststellbare Pacuvius-Zitat Augustins. Inwieweit Medea volans (conf. 3,6,11) auf Pacuvius anspielt, scheint ungewiß (eher eine selbständige Formulierung, s. O'Donnell ad 1., II 182). In ep. 7,4

Frühschriften

93

men hat.301 Der Gebrauch des Verses dort macht die Gedankenverbindung deutlich: Cicero spricht der fabula die Wahrheit wie auch die Wahrscheinlichkeit, das Nachahmungsverhältnis gegenüber der Wahrheit, ab, was er mit diesem Beispiel illustriert. Augustin bestreitet damit den Wahrheitsbezug der Fiktion generell. Die Ratio löst das Problem, indem sie nicht mehr von dem Sachverhalt, sondern von der Aussage, die strukturell der über ein wirkliches Geschehen gleicht, spricht, diese implizit für existent, für ein falsum und damit eine imitatio veri erklärt (2,15,29). Dabei rekurriert sie offenbar auf die oben getroffene Unterscheidung nach der Täuschungsabsicht und trennt erkennbar fiktionale Literatur als nicht-fallens von vorgeblich realer Literatur.302

A.5

De animae quantitate

Die Schrift De animae quantitate weist sehr eigenwillige literarische Gestaltungsmittel auf, vor allem aber eine in dieser Form wohl einzigartige Dichte und kaum gewürdigte Kette von Vergil- und Horazzitaten.303 Daneben treten eine explizite Varroentlehnung,304 mehrere anonyme philosophische Bezüge 305 sowie auffällige Metaphern.306 Weiterhin verwendet Augustin Beispiele aus sehr unterschiedlichen Bereichen,307 u.a. dem Mythos (Hercules)308 und dem Odysseestoff.309 (388 oder kurz darauf) ist der Flug der Medea Beispiel in ähnlichem Kontext und wohl von sol. abhängiger Formulierung, s.S. 330 145 . Medea auch c.Sec. 26, cons.eu. 3,53 und loc. 2,133 in Katalogen. 301 Hagendahl t334. Bei Cicero fallt der Name nicht, andererseits ist das der bekannteste Beleg für ein „Drachengespann", man könnte sich auch bei einer Verwendung von De inventione in der Schule eine mündliche F.rklärung des Bezugs vorstellen. Jedenfalls rechtfertigt diese Zusat/information nicht die Annahme einer originalen Lektüre von Pacuvius oder die zwingende Annahme einer anderen Quelle. 302 Die Ratio deckt durch Nachfragen ein qualitatives Gefälle auf, demzufolge Silber nicht als falsches Blei bezeichnet würde (sol. 2,16,30). ,Augustin' führt das zu einem Ausfall gegen transvestitische Schauspieler. Die ratio stellt präteritorisch Fälle von zulässigem bzw. wünschenswertem Transvestitismus dagegen. Diese Ausnahmenkasuistik erinnert an die Rhetorenschule. Hagendahl t530 verweist auf das Thema des Tyrannenmörders in QUINT. decl.min. 282, das als Parallele, nicht aber als Vorlage gelten kann. Die ratio sieht das Falsche nun als imitatio veri erwiesen und fragt nach unvermischter Wahrheit (die nicht wie der 'theatricus Achilles' falsch sein müsse, um in anderer Hinsicht wahr zu sein) außerhalb der diseiplinae (2,17,31). 303 Voss, Dialog 257 mit der Liste der Stellen und einer Einordnung hinsichtlich des Beitrags sowohl zur Gedankenführung als auch zur gliedernden oder überleitenden Funktion. 304 Flötenspieleranekdote in 19,33. Zuweisung an VARRO disc. 1, Cardauns/Hagendahl t670. 305 In der Einleitung wehrt der Gesprächspartner vorsorglich einen von Augustin angeblich häufiger vorgebrachten Satz eines griechischen Philosophen ab, an.quant. 1,1: 'qua prohibemur ea, quae supra nos sunt, requirere'. Die Kirchenvätern zitieren die Maxime häufiger und schreiben sie Sokrates zu MIN.FF.L. 13,1, LACT. inst. 3,20,10, epit. 32,3 und HIER, adv.Rufin. 3,28; bei TERT. nat. 2,4,15 Epikur. S. Otto, 'supra', 335 (mit griechischen Bezugsstellen), Voss 257. In 30,58 spielt Augustin lobend auf die Stoiker und das zenonische Wahrheitskriterium an. Mehrere Male bezieht sich Augustin erkennbar auf die Neuplatoniker, so z.B. in 30,61 oder 32,68 (Plotin, s. Pepin, Une nouvelle source 62-65, 85n3). 306 Metaphorik des Höhlengleichnisses (an.quant. 14,25; 32,75). Blick-Metaphorik (27,53). Juristische Metaphorik (29,57). Gemälde- und Kopistenbild (33,76). 307 Tierbeispiele (an.quant. 9,15). Augustin verschärft das Problem des zuckenden abgeschnittenen Eidechsenschwanzes durch die vorgeblich selbst beobachtete - zoologisch unhaltbare - und in einer anschaulichen Szene geschilderte Teilbarkeit von Tausendfüßlern (Borstenwürmern?; 31,62f). Zu antiken Quellen für die Regenerationsfähigkeit bzw. das Zucken des

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Früh Schriften

Instruktiv ist auch eine Bemerkung zu Kultur und Künsten.310 Neben einigen bibelnah formulierten Theologumena finden sich direkte Bibelzitate - auffälligerweise erst gegen Ende der Schrift.311 Die Dialogführung verzichtet auf eine Szenerie, stellt sich aber durch eine Reihe von Topoi in die klassische Dialogtradition.312 Nicht zuletzt durch die Zeichnung des manchmal vorschnellen, Augustin gegenüber sehr ehrerbietigen Schülers gewinnt der Dialog eine freundschaftliche und z.T. fast heitere Note.313 Gelungen ist insbesondere die Anwendung von Bildinhalten auf die Gesprächssituation.314

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Eidechsenschwanzes Keller, 273f.; nicht bei Bartelink, Augustinus über die minuta animalia. Vorstellungen über die Teilbarkeit von Regenwürmern entstanden wohl aus der reparativen Regenerationsfähigkeit des Wurm-Vorderteils, s. W.Westheide, R.Rieger (Hg.), Spezielle Zoologie, 1 .Teil: Einzeller und wirbellose Tiere. Stuttgart 1996, 363 (und 401-403). Wie Augustin zu dieser Erzählung kommt, ab welcher Stelle die Anekdote fiktional ist, muß offen bleiben. Die Frage des Seelenwachstums erörtert Augustin mit einer Reihe von Erfahrungen, zunächst mit Lern Vorgängen: Spracherwerb bei Kindern, Gehörlosen, Kindern Gehörloser (18,31); Sprachen lernen über Lehrer, konkret Lateinlernen von Griechen (18,32). Für die Bedeutungsebenen von Größe als räumlicher Erstreckung bzw. Qualität (an.quant. 3,4). Mit Hercules ist ein philosophisches Standardbeispiel angesprochen, das hinsichtlich der Körpergröße wie auch der Leistung und Qualität (vgl. die Deutung als stoischer Tugendheld) besonders geeignet ist, seiner mythologischen Herkunft wegen für einen Christen aber problematisch sein dürfte. Die Verwendung hier ist überraschend unbefangen. S. A.J. Malherbe, 'Herakles', 560f.574f. In 16,30 knüpft Augustin noch einmal an das Beispiel an, ohne die excellentiafactorum zu kommentieren. Augustin hat die definitorische Kopplung der scientia an die ratio durch einen allgemeinen Hinweis auf die Tiere widerlegt (26,49), was Euodius bereitwillig aufnimmt und mit einem literarischen Beispiel veranschaulicht: 'sciebat enim, ut opinor, dominum suum canis, quem post uiginti annos recognouisse perhibetur, ut taceam de ceteris innumerabilibus.' Angespielt ist auf den Hund des Odysseus (Od. 17,291-327). Die unmittelbare Quelle der Information ist nicht zu erkennen (Schulgut), die Identifikation (Zeitangabe) aber eindeutig. In 28,54 nimmt Euodius das Beispiel wieder auf und nennt zur Anknüpfung den Namen. In typischer Form zieht er den Bildbereich auf die Situation des Gesprächs aus, indem er seine Position im Gefolge Homers als voreiliges Gebell abqualifiziert, 28,54. Das Beispiel auch mus. 1,8 (s.S. 112414), ohne Hinweis auf Odysseus c.ep.Man. 17. Die dritte, erste eigentlich menschliche Seelenstufe ist von der Entgrenzung des Gedächtnisses geprägt, wodurch Kultur und ihre vielfältigen Subsysteme möglich werden, darunter Rhetorik, Dichtung, darstellendes Spiel und Musik (an.quant. 33,72: '... fluuios eloquentiae, carminum uarietates, ludendi ac iocandi causa milleformes simulationes, modulandi peritiam, ...'). Dieses Panorama wird mit echter Bewunderung gesehen trotz der moralischen Indifferenz eines Teils dieser Fähigkeiten. S. Voss 257: "Kennzeichnend für den "Fortschritt' des Gesprächs von der rationalen Untersuchung im Dialog zur feierlichen Verkündigung gegen Ende des Werkes ist der Übergang von Zitaten aus der klassischen Literatur zu Worten der Heiligen Schrift". Die drei markierten Bibelzitate sind Ps. 50,12 in an.quant. 33,75 und Mt. 4,10(= Dt.6,13) in 34,78 (Länge und begründende Einleitung markieren implizit), sowie lCor. 3,2 in 33,76. Schwächer markiert Eccle. 1,2 in 33,76;, als "verschleiert" und "neutralisiert" zählt Voss (257A250) das Theologumenon aus Eph. 4,22-24 in 28,55, s.S.93306. Hinzuzuzählen ist der Gedanke der Gottebenbildlichkeit (Gen. 1,27) ebd. In der Verteilung und mit der Rahmung eines Horazzitats nehmen diese beiden eine Sonderstellung ein. Die anderen Zitate entstammen dem Schlußabschnitt der Stufenlehre oder dem Abschluß des Hauptthemas. Voss 245f.A200 Zusamenstellung der Topoi der klassischen Dialogtradion; s. auch den Hinweis auf die simulata dubitatio (248A210), Umwege der Beweisführung (251 f.). Aus ep. 162,2 geht hervor, daß es sich um Euodius handelt, Voss 253-258. An.quant. 27,53 (Euodius, s.S.93306); 28,54 (Eu., s.93306); 29,57 (Eu., dann ,Augustin'); 31,63 (Aug.). Ähnlich das Wortspiel in 9,15 (Aug.).

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HÖR. sat. 2,7,86

Augustin entwickelt die strukturelle Parallele von ratio und Geometrie hinsichtlich der aequalitas als ihrer Norm und Vollstufe. Er verdeutlicht dies an Tugend und Kreis, indem er ein explizit und namentlich markiertes Horazzitat, einen Vers aus der Satire 2,7, anführt, das geometrische Prädikate (metaphorisch) auf den Weisen anwendet: 'sed certe etiam illud uides, ut opinor, similiorem uirtuti esse circulum figurarum planarum alia qualibet. hinc est enim quod apud Horatium magnis laudibus solemus extollere illum uersum, quo ait, cum de sapiente ageret: «fortis et in se ipso totus teres atque rotundus». (Hör. sat. 2,7,86) et recte; nam neque in animi bonis quicquam inuenis, quod magis sibi ex omni parte consentiat quam uirtutem neque in planis figuris quam circulum.' (an.quant. 16,27) Das erste Wort des Zitatsegments gehört syntaktisch noch zum vorigen Vers und trägt zu dem Bild nichts bei. Offenbar kam es Augustin auf die Vollständigkeit des - metrisch gehörten - Hexameters an. Der folgende, nicht zitierte Vers bleibt im Bildbereich, verdeutlicht aber, daß am Weisen wegen seiner Glätte nichts (Verunreinigendes) haften bleibe, es Horaz also nicht um platonische Vollkommenheit der Form geht.315 Den zweifelhaften Kontext der Satire316 ignoriert Augustin, indem er für das entworfene Bild des Weisen und den Kreis als seine geometrische Entsprechung Horaz selbst als Autorität in Anspruch nimmt. Der Vers dürfte kaum zum Sprichwort aufgestiegen sein, die Beibehaltung von fortis wie auch die spätere Anspielung auf diese Satire lassen zumindest ein Nachlesen des Wortlautes erwarten. Gegen die Einführung ist nicht von einem habituellen Gebrauch des Verses auszugehen, das Lob vielmehr situativ zu verstehen. Augustin erklärt im Anschluß sein Bild noch einmal unter ausdrücklicher Zustimmung, indem er die maximale innere Übereinstimmung hervorhebt. 2

Aen. 12,687 und georg. 2,460

Mit verschiedenen Beispielen argumentiert Augustin gegen die Annahme eines Wachstums der Seele in Entsprechung zu dem des Körpers (16f.,28f). Den griechischen Begriff der uaKQOÜvuia erklärt er als Metapher von Körperlichem auf Unkörperliches, für die er zwei vergilische Metaphern als Analoga in umgekehrter Übertragungsrichtung anführt.317 Augustin greift mit Aen. 12,687 zunächst

315

HÖR. sat. 2,7,83-88; Hagendahl t412. Augustin bezieht sich unten noch einmal auf diese Satire, s.S. 97 323 , sonst aber spielen Horazens Satiren bei ihm keine Rolle - mit Ausnahme des Mäusegesprächs von sat. 2,6 (s.S. 14746; die von Hagendahl als t409 geführten Echos von sat. l,3,68f. sind kaum bewußt oder transparent). Der Vers begegnet sonst bei Kirchenschriftstellern nicht, 'teres atque rotundus' nur AMBR. virginit. 15,97. Zu platonischen Idealformen als Entsprechung des Idealweisen AUG. ep. 3,1. 316 An den Saturnalien kritisiert der selbst nicht eben vorbildhafte Sklave Davus den Lebenswandel seines Herrn; seine Maßstäbe hat er allerdings erst jüngst vom Türsteher eines Stoikers erworbenen, vgl. vor allem 1-5, 21 f., 44f., 46-52, 100, 102, 104f., (109f.), 117f. 317 An.quant. 17,30: '[...] animaduertere licet a corpore ad animum multa uerba transferri, sicut ab animo ad corpus; nam si «montem improbum» (Aen. 12,687 Hagendahl t933) et «iustissimam tellurem» (georg. 2,460, Hagendahl t955) dixit Virgilius, quae uerba cernis ab animo

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eine Wendung aus einem epischen Vergleich auf, der den rasenden Turnus charakterisiert, so daß improbus auch eine moralische Wertung tragen kann.318 Das Georgica-Zitat entstammt der Einleitung des Buchfinales von georg. 2 (V.460), dem Lob des Landmannes; dabei legt sich die Deutung als Metapher im angeführten Sinn nicht unbedingt nahe. Man könnte z.B. an die Personifizierung einer Muttergottheit Tellus denken.319 Beide Junkturen spielen bei Augustin oder anderen Vätern sonst keine Rolle. 3

HÖR. epist. 1,2,40

Augustin fragt nach der Definition von sensus und bietet eine solche versuchsweise an. Euodius billigt sie, verweigert aber, als Augustin ihm ihre Verteidigung übertragen will, eine eigenständige Rolle gegen Augustins Position. Diese übergroße Vorsicht tadelt Augustin: 'noli nimis ex auctoritate pendere, praesertim mea, quae nulla est; et quod ait Horatius: «sapere aude» (ep. 1,2,40), ne non te ratio subiuget priusquam metus.' (an.quant. 23,41) Augustin zitiert die explizit auf Horaz zurückgeführte kurze, aber prägnante Formel 320 aus der an Lollius Maximus gerichteten Epistel, die diesen zum Studium der echten Lebensweisheit auffordert, was bei allen Unterschieden in den Details der Aufforderungen (bei Horaz ist sapere wohl auch grundsätzlicher gefärbt) auf einer weniger durchsichtigen zweiten Ebene bei Augustin mit evoziert sein könnte. Vor allem aber entwickelt er die Zielrichtung des Wortes zum eigenständigen Gebrauch der ratio weiter, wie der anschließende Wunsch verdeutlicht, was für die Wirkungsgeschichte dieses Wortes von einigem Interesse ist.321 4

Ecl. 9,32

Euodius kommentiert diese Aufforderung nicht ausdrücklich (was als Zustimmung zu werten ist), verläßt sich aber weiterhin auf Augustins Hilfe, um dann mit einer nur schwach markierten vergilischen Formel (ecl. 9,32) zur

3,8

319 320

321

ad corpore esse translata, quid mirum, si mutua uice longanimitatem dieimus, cum longa nisi corpora esse non possint?' Diese Dimension nicht bei SERV. ad 1. (indirekter Vergleich durch die Felsgröße, „Emphase" bezieht sich auf mons). Schelkle (173) und Courcelle (693f.) fuhren DlOM. gramm. 1,457,11 an. Anders als dieser zitiert Augustin nur die Junktur und verzichtet auf die grammatische Terminologie. Ein eigentliches - mythologisches - Verständnis bei SERV. ad 1.: '... terra utique iustissima res est, quae maiore fenore semina aeeepta restituit'. Hagendahl t415 Bei anderen Vätern diese Maxime nicht zitiert. Der erste Teil des horazischen Verses hat zumindest als Gedanke häufiger gewirkt (Otto, 'dimidium', 117, nennt SEN. ep. 34,3, AUSON. epigr. 81,1.12; außerdem ist der Vers zitiert HIER, in Zach. 2 prol. 1.122). Schiller ("Über die ästhetische Erziehung...", 1795, 39) hat wohl Horaz vor Augen ("Erkühne dich, weise zu sein."). Der Akzent bei Kant („Beantwortung der Frage, Was ist Aufklärung", 1784, zit. nach Werke, hg. v. W.Weischedel, XI, Frankfurt 1964, 53) 'Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen') liegt hingegen auf der Linie der augustinischen Mahnung zur Selbständigkeit.

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Fortsetzung des Dialogs zu mahnen.322 Die Wendung incipe si findet sich bei Augustin nur noch einmal, bei anderen Vätern gar nicht, si quid habes ist allerdings eine häufiger begegnende Redewendung. In der durch das Horazzitat entstandenen Offenheit für poetische Zitate ist die Verbindung signifikant. Auch hier erweist sich die Schülerrolle des Jüngeren: er zitiert erst nach Augustin und kann bei diesem größere Hellhörigkeit erwarten, weshalb er auf eine Markierung verzichtet. Auch der Autor benötigt hier kein Signal, das ein Zitat erkennen läßt oder gar die Transparenz auf die Herkunftsstelle für einen breiteren Leserkreis herstellt, da die rein schmückende und den Dialograhmen betreffende Wendung gefahrlos überlesen werden kann. 5

HÖR. sat. 2,7,2f. in 28,55 und retr. 1,8,3

Augustin mahnt, statt eines Selbstverlustes an die Sinne in der Metaphorik von Eph. 4,22 (bzw. Col. 3,9f.) ein neuer Mensch zu werden (28,55). Bei der Beschreibung dieser Verinnerlichung greift Augustin auf eine explizit aus Horaz entlehnte Wendung (sat. 2,7,2f.) zurück.323 Auf diese Stelle, die sonst nicht in dieser Weise oder überhaupt zitiert wird, ist er vielleicht im Kontext der Suche bzw. der Verifikation des Zitates von 16,27 gestoßen. Der Kontext bei Horaz ist die Einleitung der moralisierenden Scheltrede durch die Angabe der Situation und der Personen. Die Selbstvorstellung des nichtsnutzigen Davus ist wenig geeignet, der Behauptung Glaubwürdigkeit zu verleihen. Augustin transferiert die Wendung in einen ernsthaften Kontext, allerdings unter expliziter Anlehnung an Horaz. Sie bildet zwischen zwei theologisch gewichtigen Gedanken324 ein nichtbiblisches, ja paganes Zwischenstück, das durch Originalität überrascht und einen Ion der Innigkeit in den Text hineinträgt. In den Retractationes ist das Zitat ohne Markierung erwähnt. Augustin begründet vorher 'quam redderer mihi, cui me maxime debeo' als nicht in Konkurrenz zu Gott gesagt, sondern Voraussetzung für den weiteren Weg zu Gott. Das (Horaz-)Zitat rechtfertigt diese Interpretation, weil es die innere Zuordnung auf Gott nachweist. Augustin kann daher, ohne den Zusammenhang zu explizieren, eventuelle Verständnisprobleme ausräumen.325

An.quant. 23,41: 'ego prorsus nihil metuo, quoquo res modo processerit; non enim errare me sines. sed iam «incipe si quid habes» (ecl. 9,32), ne differendo potius quam aduersando defatiger.' Nicht bei Hagendahl, Schelkle. Die kurze Aufforderung des Lycidas an Menalcas, Gedichte vorzutragen, ist leicht aus dem Kontext herauszulösen. An.quant. 28,55: 'uelletn hinc plura dicere ac meipsum constringere, dum quasi tibi praecipio, ut nihil aliud agerem quam redderer mihi, cui me maxime debeo, atque ita deo fieri, quod ait Horatius: «amicum / mancipium domino»'; HÖR. sat. 2,7,2f., Hagendahl t411. Denen des neuen Menschen und der reformatio zur Gottebenbildlichkeit im direkten Anschluß. Retr. 1,8,3: 'denique mox addidi: «atque ita fieri ». quod ergo dixi «cui me maxime debeo», ad homines rettuli; magis enim mihi me debeo quam hominibus ceteris, quamuis deo magis quam mihi'. ( b p « * i \ I gtontobHJnthek j

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A.6

De magistro

In seinem letzten philosophischen Dialog zitiert Augustin zu den Themen Sprache, Wort- und Satzlehre326 Beispiele aus Vergil, Terenz, Paulus, Ciceros Verrinen und Persius, die seine grammatische Argumentation stützen. Z.T. zitiert er diese Stellen gegen ihre ursprüngliche Bedeutung (vor allem Terenz und die Verrinenstelle), wobei die Einleitungen deutlich machen, daß er sich des Ursprungskontextes und des eigenen Vorgehens bewußt ist. Ich möchte hier von spielerisch eingesetzten, (instrumentell) polemischen Umkontextualisierungen sprechen. Sie sind eine bisher nicht gesehene Äußerung des spielerischen Zuges der Diskussion, von dem Augustin in 8,21 spricht.327 Er rechtfertigt die unernste Form und finalisiert das Spielerische propädeutisch.328 Adeodat und ein Teil der Rezipienten erinnern aufgrund der Einführungen die groben Zusammenhänge der Zitate, nicht aber die Details, und akzeptieren deshalb die Beispiele. Dieses eristische Verfahren ist dem Sohn gegenüber nicht unfair, da nicht die einsichtigen Thesen, sondern nur redundante Begründungen so aufgefunden werden. Dieser Befund ist als literarisches Mittel Augustins im Blick auf verschiedene Bildungsniveaus in dem erwarteten Leserkreis zu deuten; 'Adeodat' jedenfalls ist sehr wohl in der Lage, den Kontext der Persiusstelle zu erinnern und genau zu paraphrasieren. Neben zahlreichen Bezugnahmen auf die grammatische Tradition einerseits und die Bibel andererseits fallen vor allem Beispiele auf, die Rückschlüsse auf das gemeinsame Leben dieser Zeit erlauben (wie es Augustin darstellt), so zu den ambrosianischen Hymnen (s.S. 104358) oder die Diskussion über ein punischcs Wort (s.S. 104358).329 Zwei von Weigcl vorgeschlagene Lucrezstellen (5,103 und 2,147f.) sind als Vorlagen für einzelne Bilder abzulehnen.330 326

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S. Voss, 271-277, bes. 273f. zum Verhältnis der beiden Gesprächspartner und zur Planung Augustins, sowie Mojsich 143-154. Bereits im Eingangskapitel wird das Sprechen allein auf docere / discere hin finalisiert, das Ziel des delectare z.B. im Singen vom Sprechen abgetrennt. Damit schließt Augustin ästhetische Fragestellungen der Rede- oder Dichtungstheorie für diese Schrift aus, wie er sie - in z.T. komplexer Form - in dial. 7 oder doctr.chr. 4 bearbeitet. S. Mayer, delectatio, bes. 273f. Mag. 8,21: 'enim fortasse aut ludere nos et a seriis rebus auocare animum quasi quibusdam puerilibus quaestiunculis arbitraris... dabis igitur ueniam, si praeludo tecum non ludendi gratia, sed exercendi uires et mentis aciem, quibus regionis illius, ubi beata uita est, calorem ac lucem non modo sustinere, uerum et amare possimus.' Der einzige Anhalt in der Rekapitulation durch Adeodat ist 'ioco evitans'. S. Voss 274f. mit Verweisen auf Acad. 2,22 und ep. 101,3. Zu der 'Metaphysik oder Theologie des Lichtes' Beierwaltes, Metaphysik, 187. Deutlich als scherzhaft gekennzeichnet ist der traditionelle konkretistische Trugschluß von dem aus dem Mund hervorspringenden Löwen, mag. 8,23. Es folgen detaillierte Ausführung und die Zurückweisung als scurrae durch Adeodat. Borsche 136 mit A64. In dieser Perspektive könnten die "schiefen" Belege der Thesen als Elemente literarischen Spiels gesehen werden. Das konkrete Beispiel für Lernen durch Nachahmung ist ein Vogelfänger - eine schon aus der Philocaliafabel Acad. 2,3,7 bekannte Gestalt (mag. 10,32; zur Funktion des Beispiels Mojsich 150.). Auffallig ist hier die liebevolle Detailschilderung der Ausrüstung und des Vorgehens. Weigel assoziiert (414A6) zu 'ubi putas sacrificium iustitiae sacrificari nisi in templo mentis et in cubilibus cordis?' (mag. 1,2, zum biblischen Kontext s.S. I02350) die Wendung 'humanuni in pectus templaque mentis', LUCR. 5,103 (ablehnend Schädel 100f.). Bei Lucrez ist die Wendung ganz auf die Einsichtsfähigkeit bezogen; lemplum steht dabei für 'Gebiet', s. Bailey ad 1,120. Bei Augustin hingegen geht es um die Verlagerung der äußerlichen Reli•





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Vergil (Aen. 2,659)

Nach der Bestimmung von Wörtern als Zeichen und dem daraus abgeleiteten Postulat, daß sie etwas bezeichnen, soll Adeodat den Gehalt der Wörter eines Vergilverses untersuchen331: "quot uerba sunt in hoc uersu: «si nihil ex tanta superis placet urbe relinqui»? (Aen. 2,659) octo. - octo ergo signa sunt. - ita est. - credo te nunc uersum intellegere. - satis arbitror. - die mihi, quid singula uerba significent.' (mag. 2,3) Adeodat kann den gegebenen Vers 332 in den Kontext einordnen und verstehen, wie aus dem Fortgang ersichtlich wird. Gewählt hat ihn Augustin offenbar wegen des nihil; zu einer Analyse des theologisch nicht unproblematischen Fortgangs kommt es gar nicht mehr.333 In 2,4 wird immerhin noch ex untersucht, als Synonym von de334 und mit der bezeichneten res der secretio, wie Adeodat unter Reproduktion des Aeneiskontextes ausführt.335 Die Herkunftsangabe differenziert Adeodat nach dem Status des Ursprungs: dieser kann zerstört sein wie im Falle Trojas oder intakt wie in dem ad hoc gebildeten Beispiel von Händlern aus Rom in Africa. Über den Wortsinn des Aeneisverses336 hinaus hört Adeodat die Flucht der Trojaner aus der Stadt heraus mit, wie seine Paraphrase erkennen läßt. D.h. er hat Autor, Werk

giosität ins Innere des Menschen. Die Bilder orientieren sich dabei an dem vorher zitierten lCor. 3,16f, wobei die mens als eine versachlichende Paraphrase zu cor bzw. cubilia cordis (zusammengefaßt aus dem zitierten und weiter ausgewerteten Ps. 4,5f.) naheliegt. Der Verweis zu 10.32 ('solem certe istum lucemque haec omnia perfundentem atque vestientem'; Weigel 420A68) auf LUCR. 2,147f. ('quam subito soleat sol ortus tempore tali / convestire sua perfundens omnia luce') ist trotz der verführerischen Nähe von vier Wörtern wohl nicht haltbar, sondern als zufällige, durch die sachliche Nähe und die stilistische Ambition der Prosastelle bedingte Parallele zu werten (vgl. en.Ps. 35,9; OROS. hist. 3,8,5), s. die Einordnung bei Schädel 182 ("der Dichtersprache entlehnt"); zuzugeben ist immerhin, daß in der Poesie wie in der Patristik bis auf die Orosiusstelle vestire und fimdere einschließlich ihrer Ableitungen nicht kombiniert werden. 331 Collart 282f. für die Verwendung Vergils zu ähnlichen Analysen im Grammatikunterricht (Behandlung der Eingangsverse in Priscians Partitiones XII, vorgeführt an Aen. 2,1, gramm. 3,469ff.). 332 Hagendahl t842a (zur Rekapitulation s. unten S. 100339), Courcelle 205, Schelkle 97. 333 Das si wird kurz und vorläufig (und wenig präzise) als 'dubitatio in animo' bestimmt. Augustin bestreitet, daß eine Sache, die es nicht gebe (Adeodats Erklärung für nihil) bezeichnet werden könne. Adeodat kontert mit der Behauptung, alles, was Augustin sage, seien Zeichen. Augustin bietet einen Lösungsansatz, in nihil eine Art 'Leerstelle' des Geistes zu sehen, und bricht die Frage mit einem sophistischen Scherz ab: es sei absurd, 'si nihil nos teneat et moras patiamur'. Mojsich 126A16. 334 Augustin verwahrt sich gegen eine Erklärung durch Synonyme mit dem Rückverweis auf Vergil: 'certe si poeta iste non 'ex tanta urbe', sed 'de tanta' dixisset, quaereremque abs te, quid de significaret, diceres ex ...' (mag. 2,4). 335 Mag. 2,4: 'mihi uidetur secretionem quandam significare ab ea re, in qua fuerat aliquid, quod ex illa esse dicitur, siue illa non maneat, ut in hoc uersu non manente urbe poterant aliqui ex illa esse Troiani, siue maneat, sicut ex urbe Roma dieimus esse negotiatores in Africa.' 336 Aeneas will sich nach der Weigerung des Anchises zu fliehen in den aussichtslosen Kampf stürzen, 2,657-661. Der Präpositionalausdruck bezeichnet also nicht den Ausgangspunkt der Flucht.

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und Buch erkannt, erinnert sich aber nicht genau an den Kontext dieses Verses.337 Später greift Adeodat, um verbum und nomen zu differenzieren, auf den Vergilvers und sein erstes Wort (si) und das ex zurück, die je ein Wort, aber kein Substantiv seien.338 Im 19. Kapitel rekapituliert Adeodat den bisherigen Gesprächsgang und geht dabei auch auf den Vergilvers und die Erklärungsversuche ein. 339 2

Terenz (Andr. 204)

Zur Stützung der Aussage, verbum begreife auch nomen ein, zitiert ,Augustin' explizit und namentlich Terenz: 'ergo et nomen uerbum est, quando quidem id uidemus cum aliquo significatu articulata uoce proferri, et cum dicimus disertum hominem bonis uerbis uti etiam nominibus utique utitur, et cum seni domino apud Terentium seruus retulit «bona uerba, quaeso» (Andr. 204), multa ille etiam nomina dixerat.' (mag. 4,9) Das Zitatsegment verdoppelt das durch die alltägliche Redewendung bereits Festgestellte. Die Anspielung auf den Kontext und die folgende Rede impliziert ein hohes Maß an Bewußtheit der Herkunft auch dieser belanglos klingenden Floskel und - nicht zuletzt durch diese Einführung - eine hohe Transparenz auf die gemeinte Stelle (trotz der komödientypischen Personenkonstellation).340 Über das Mißverhältnis von Einführung und Apparat zum Ertrag hinaus erscheint die Wahl des Beispiels überraschend, da Davus offensichtlich nicht die Worte der vorausgeheden Drohrede meint, sondern in einer (ironischen) apotropäischen Formel sich der Gunst Simos versichern will, worauf dieser die Drohung nur erneut einschärft.341 Augustin spielt mit den verschiedenen Ebenen: Adeodat kann das Zitat grob einordnen und stimmt der von Augustin behaupteten Plau-

Augustin billigt die Bedeutungsangabe für den Einzelfall, kritisiert aber die Erklärung von Worten durch Worte statt durch Sachen, mag. 2,4. Zu entlegen und überinterpretiert ist der Versuch (Schädel 121f.), in Troiani eine versteckte ironische Anspielung auf LUCR. 1.449182 (bes. 465 Troiugenas gentis und 476 Troianis) und die Auseinandersetzung zwischen Stoa und Epikureismus über Geschichte zu sehen. Ebensowenig überzeugt die Ausdeutung des Aeneiskontextes, MacCormack 58: "It was perhaps no aeeident that Augustine chose a quotation about the destruetion of Troy to begin a discussion that concluded by setting aside the definition of parts of speech and linguistic procedures that in the opinion of grammarians explained how and why language communicated"; s. Stock 151. Das Besondere an diesem Vers ist die Folge von für Augustins Fragestellung auszubeutenden Wörtern. Eine Anspielung auf die Zerstörung setzte erstens eine Selbstsicht als Zerstörer und zweitens eine positive Sicht der Zerstörung Trojas voraus, wofür es keine Indizien gibt. Mag. 4.8: 'nam et illud «si». quod in capite habet abs te propositus uersus. et «hoc» ex. de quo iam diu agentes in haec duce ratione peruenimus, uerba sunt nee tarnen nomina et talia multa inueniuntur.' Mag. 7,19: '... proposuisti uersum, cuius uerba singula quid significarent conarer ostendere; is autem erat: «si nihil ex tanta superis placet urbe relinqui»...' Hagendahl t627: die Andria ist aber die von Augustin häufigst zitierte Komödie. Dieser Versteil wird sonst von Kirchenschriftstellern nicht zitiert. TER. Andr. 196-205, bes. 204f.: 'Da. bona verba, quaeso! - Si.: inrides? nil me falli'. sed dico tibi: / [205] ne temere facias; neque tu haud dicas tibi non praedictum: cave!' Vgl. DON. Ter.Andr. 204: 'hie eigcoveict est. Eixpr|utopöava)ö{av prouoces et oculos mihi reddas'. Ep.l 12/75,18: '[...] et mihi cum Stesichoro oculos abstulisti'. Hieronymus verweist wiederum aufsein Alter, weswegen Augustin sich andere Gegner suchen solle.

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Briefe

Anspielungen zitiert er ausgiebig die Bibel, um die Sachargumentation abzustützen, aber auch zur Stützung seiner Position in ihrer beider persönlichem Streit. In der kurzen epist.l 15(81) greift Hieronymus noch einmal die Kampfmetaphorik auf, um den Ton seiner Briefe ins rechte Licht zu rücken als bloße Verteidigung auf Augustins Angriff.206 Augustin präzisiert in dem Schreiben, das die erste Briefserie zwischen Hieronymus und ihm abschließt (ep 82), daß er mit der Palinodie-Forderung nur den Widerruf des Geschriebenen meinte und nicht auf eine Blindheit des Hieronymus anspielen wollte. In typischer Weise wird der Dichter zunächst anonymisiert, um das Gewicht herunterzupielen. Der direkt folgende Name macht deutlich, daß die Floskel nescio qui nicht i.S. einer Gedächtnis(fehl)leistung wörtlich genommen werden darf, sondern eine 'Desakzentuierung' leistet. Augustin räumt ein, daß diese Anspielung vielleicht unangebracht sei und nicht den höchsten literarischen Ansprüchen genüge, da Hieronymus sie so habe mißverstehen können.207 Auch Augustin zitiert in diesem Brief sehr ausgiebig die Bibel, an paganen Zitaten lassen sich noch eine Bestimmung der fides nach Ciceros De officiis,208 sowie ein als Sprichwort eingeführtes Terenzzitat209 finden. Bei letzterem ist anzunehmen, daß die Einführung als 'vulgare proverbium' den Gegensatz zu dem folgenden Zitat aus den Sprichwörten Salomos bezeichnet, Augustin sich der Herkunft dieses Wortes aber bewußt war.210 206

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Ep. 115/81: 'sin autem amicus, qui me primus gladio petiit, stilo repulsus est, sit humanitatis tuae atque iustitiae accusantem reprehendere, non respondentem. in scripturarum, si placet, campo sine nostro invicem dolore ludamus'; Augustin nimmt später (ep. 82,2) die Vokabel ludere auf (ohne Bezugnahme auf Gladiatorenkampf) und stellt sie wegen der mit ihr verbundenen Assoziationen der Leichtigkeit und Heiterkeit in Frage, um noch einmal sowohl den Vorwurf des Angriffs aus jugendlichem Ehrgeiz (s.S. 334) wie auch den der Tücke (s.S. 340199) zurückzuweisen. Ep. 82,33: 'ncc illud, quod de nescio cuius poetae fato ineptius fortasse quam litteratius a me commemoratum est, amplius, quam dixi, ad te trahas, cum continuo subiecerim non hoc ideo me dixisse, ut oculos cordis reciperes, quos absit, inquam, ut amiseris, sed ut aduerteres, quos sanos ac uigiles haberes. propter solam ergo jraXivcpotav, si aliquid scripserimus, quod scripto posteriore destruere debeamus, imitandam, non propter Stesichori caecitatem, quam cordi tuo nee tribui nee timui, adtingendum illud existimaui'. Ep. 82,22: '[...] cum ipsa fides in Latino sermone ab eo dicatur appellata, quia fit, quod dicitur.' Mit dicatur erfolgt eine wenn auch sehr blasse explizite Markierung als Zitat. Dieselbe Definition zitiert Augustin auch s. 49 und mend. 20,41. Dahinter steht ClC. off. 1,23, Hagendahl t230b. Die stoische Herkunft und den generellen etymologischen Ansatz blendet Augustin hier aus. Ep. 82,31: 'nescio enim, utrum Christianae amicitiae putandae sunt, in quibus magis valet vulgare proverbium: «Obsequium amicos, veritas odium park» (TER. Andr. 68; Hagendahl t623a), quam ecclesiasticum: «Fideliora sunt vulnera amici quam voluntaria oscula inimici»' (Prv. 27,6). Das geflügelte Wort (Otto, 368, veritas 3) zitiert Augustin in der Vollform nur hier. Den zweiten Teil (zitiert conf. 10,23, s.S. 202) nimmt er in §32 noch einmal auf. Kumulative Evidenz der auf Terenz hin transparenten Zitierungen dieses Wortes, s.S. 342209 Insbesondere läßt sich in zwei, hier vorangestellten Fällen direkte Kenntnisnahme im Vorfeld dieses Briefes wahrscheinlich machen: für den Galaterkommentar des Hieronymus, mit dem Problem des mendacium officiosum ja Ausgangspunkt des Streites: 'similis est huic illa sententia nobilis apud Romanos poetae: 'obsequium amicos, ueritas odium park', sed uide quanto hie melius quam ille; apostolus enim his quos stultos dixerat, quos paruulos appellarat, hanc sententiam temperauit, et specialem fecit: dum proprie ad personas Galatasque direxit. ille uero et generalem, et ita se apud omnes habere denuntians, uehementer errauit', HIER, in Gal. 2, col. 409,8; sowie für Cic. Lael. 89 (dort unter Angabe der Herkunft aus der Andria; in ep. 73,4 zitiert Augustin eine Maxime aus dem Laelius, s.S.

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Nachspiel: Der Brief des Secundinus und Augustins Antwort

Das einzige weitere Vorkommen von Dares und Entellus in der (spät-)antiken Literatur211 ist eine Reaktion auf den veröffentlichten Briefwechsel zwischen Hieronymus und Augustin.212 Der Manichäer Secundinus beschwört in seiner Epistula Augustin in einer "Mischung von Demut und Dreistigkeit"213, sich von den Irrtümern des Alten Testaments abzuwenden. Paganes Kultur- und Bildungsgut verwendet Secundin eher zurückhaltend. Wohl durchgängig stammt es aus zweiter Hand, d.h. im Gefolge Augustins aus dem Hortensius Ciceros oder aus dem Briefwechsel zwischen Hieronymus und Augustin. Zumindest stammen die entscheidenden Anregungen wenn nicht für die Lektüre überhaupt so doch für deren Einsatz und polemische Funktionalisierung aus Augustins Zeugnissen.214 Im Falle von Ciceros Hortensius akzentuiert er eigenständig von Augustinus nicht hervorgehobene Aspekte. Deshalb muß von unmittelbarer Textbegegnung, wohl in der Vorbereitung zu der Polemik gegen Augustin ausgegangen werden. Bei der Dares-Anspielung kann nur von einer Umakzentuierung von implizit bereits in dem Briefwechsel vorhandenen Themen gesprochen werden, für die eine ungenaue Erinnerung z.B. an Schullektüre durchaus genügen würde.

338190). Die anderen vorangehenden oder zeitlich nahen Belege sind noch LACT. inst. 5,9,6 (als Dichterzitat markiert), MAR.VlCTORIN. rhet. 1,18 und SULP.SEV. dial. 1,9,3 ('uersu comici illius'), später wird Hieronymus es in adv.Pel. 1,27 zitieren ('et comicus[...]'). Überdies ist die Andria das bei Augustin meistzitierte Terenzstück, s. die Aufstellung Hagendahl 378 und die «622-632 S. 3422(w. 21 1 S. Courcelle 400. Dares genannt noch in TER.MAUR. 759 und HOMER. 403. 212 Die Datierung der Epistula (CSEL 25) erfolgt uneinheitlich. Frede (S. 749) datiert sie wegen seines Ansatzes von c. See. auf 398, Brown (S. 486) auf 399. Dabei wird allerdings die Reihenfolge der antimanichäischen Schriften aus retr. 2,7-10 (c.Faust., c.Fel., nat.b., c.Sec.) nicht beachtet (nach Fredes Angaben wären c.Faust. 397/400 und c.Fel. 404 oder 409 entstanden, damit zumindest letztere deutlich später). Bei Schanz-Kriiger (SH 4,2,425f.) demgegenüber das vermutliche Datum 405 für c.Sec., nach c.Fel. und nat.b. (ähnlich J.Stroux, Augustin und Ciceros Hortensius 106 und der index des TLL, 200). Bei der Frühdatierung ergäbe sich das Problem, daß entweder innerhalb kurzer Zeit und gegenüber demselben Adressaten gleich zwei Autoren unabhängig voneinander Dares und Entellus 'entdeckt' und 'reaktiviert' hätten, eine Szene Vergils, die bis dahin und auch weiterhin (abgesehen von Petrarca) ohne eine solche faßbare Wirkung blieb, oder Hieronymus in Abhängigkeit von Secundinus auf diese Szene anspiele. Beides ist sehr unwahrscheinlich. Für die Priorität der Anspielung bei Hieronymus spricht die Verknappung bei Secundinus. Sie wäre für einen 'Neufund' überraschend, läßt sich hingegen als 'nachklappender' Kommentar zu einer vorausgehenden Diskussion mühelos verstehen. Secundinus impliziert eine Zuordnung der Szene an Augustin aus der Kenntnis der Briefe Augustins mit Hieronymus und der dortigen Aufnahme. Analog ist der Bezug des Secundinus auf Hortensius, womit er ebenfalls Augustins Lektürezeugnisse aufgreift. 213 Stroux, Augustin und Ciceros Hortensius, 106. 214 S. ebd. 117f: "Mag Secundinus [...] offenen Zugang zu dieser Schrift gehabt haben [...], so ist doch die Einbeziehung in die epistula ad Augustinum nicht unabhängig, nicht als eigene Lesefrucht erfolgt. Das den Zeitgenossen durch Augustinus selbst bezeugte Verhältnis zum Hortensius hat Secundinus dazu veranlaßt". Das Zeugnis ist kein Indiz für eine allgemeine Hochschätzung des Hortensius.

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Secundinus lobt Augustins Rhetorik in den höchsten Tönen.215 Da in Ciceros Dialog die villa des gastgebenden Lucullus ausdrücklich gelobt wird, kann sie Gegenstand eines ähnlichen Vergleichs gewesen sein, den der Manichäer dann nur aktualisiert habe. 216 Mit einem Vergleich nimmt er explizit auf Ciceros protreptischen Dialog Hortensius Bezug. Die vorausgesetzte Situation ist die eröffnende Rede der namengebenden Dialogfigur gegen die Philosophie.217 In einer polemischen Umkehrung wird dem für den Dialog begeisterten und durch ihn zur Philosophie 'bekehrten' Augustin gerade die Gegenposition zugewiesen.218 Auch die Bezugnahme auf Hannibal und Mithridates ('visus mihi es ... sub Manichaei nomine persequi te Hannibalem et Mithridatem' 895,17-20) vermutet Stroux als aus dem Hortensius genommen und dort mit Bezug auf den anwesenden Lucullus gesprochen.219 Wegen Augustins theologischer Positionen kommt Secundinus zu dem Schluß, dieser habe den Manichäismus gar nicht richtig kennengelernt. Erträglicher wäre für Secundinus ein Abfall von den Manichäern zur der (skeptischen) Philosophie oder zur Tätigkeit des Grammatiklehrers (der Dichter-, bzw. Epikererklärung, vor allem wohl Vergils) gewesen statt der Zuwendung zur Catholica. Bei ersteren hätte er immerhin Großes und Erhabenes gefunden, statt sich mit seinen religiös-asketischen Dispositionen dem sittlich barbarischen Judentum zuzuwenden.220 In dem topischen Katalog sittlicher 'Entgleisungen' des Alten Testamentes figurieren Hoseas Dirne und die von Abraham als Schwester vorgestellte Sara. Schon Daniel wird in eine Parallele zu den römischen Kampfspielen gerückt und deshalb als anrüchig verworfen: 'an tibi leones in lacu placuerunt, quia caveae non erant?' 221 In ähnlicher Weise wird Jacobs Kampf mit dem 215 216

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220 221

Z.B. SKCIJNDIN. epist. p.895,20-22: 'ego namque fateor non tali diligentia nee tanta industria Anicianae domus micare marmora, quanta tua scripta perlucent eloquentia'. Stroux, ebd. 112. Wohl wegen der Reihenfolge erschließt Stroux ebd. einen ähnlichen Vergleich auf der Gesprächsebene; die erhaltenen Fragmente scheinen aber eher in den Rahmen zu gehören. Eine schwächere Version dieser These könnte in dem Vergleich eine Leistung des Secundinus sehen und ihn auf die Rahmenelemente zurückgreifen lassen. Für die villa Tusculana des Lucullus vgl. ClC. Hort.fr. 23SZ. Die Anicier waren eine alte und reiche Familie (Seeck, Anicius 22ff, RE 1,2198, der aus dieser Stelle einen sprichwörtlich gewordenen Reichtum herausliest; H.Leppin, 'Anicius IL, DNP 3, 1997, 703f). Auch dies demnach eine Anspielung aus zweiter Hand. SECUNDIN. epist. p.895,8-10: 'Legit enim aliquanta exile meum et qualecumque Romani hominis ingenium reverendae tuae dignationis scripta, in quibus sie irasceris veritati ut philosophiae Hortensius'. Zur Rekonstruktion der Hortensius-Rede Straume-Zimmermann. Gigon, 344-351. Stroux, ebd. 107f Ein Ansatzpunkt für Secundinus liege darin, daß Augustin nach der Begeisterung durch den Hortensius die veritas der Manichäer entdeckt habe und von dieser nun abgefallen sei (ebd. 109); es ist nicht notwendig, mit Stroux (ebd. 118) anzunehmen. Augustin habe sich als Manichäer in besonderer Weise auf den Hortensius gestützt. Die Informationen des Secundinus stammen aus Augustin- und von dorther geleiteter Cicerolektüre, nicht aus Manichäerzirkeln. Stroux, ebd. 109, gedeutet als die auf die erste Bezugnahme anschließende Szene, den Eindruck der Rede des Hortensius auf die Zuhörer, ausgesprochen durch einen Deuteragonisten. Diese Zuweisung ist nicht unplausibel, auch wenn der Anschluß nicht so unmittelbar gewesen sein muß. SECUNDIN. epist. p.896,12-16. 'Romanorum bella' ist nicht praktisch gemeint (interpretari). SECUNDIN. epist. p.896,21-22. Die polemische Frage zielt darauf, daß Augustin für 'Spiele' in Arenen, bei denen Menschen Löwen vorgeworfen werden, Abscheu hege, die angeblich parallele Situation Daniels in der Löwengrube aber positiv sehe.

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Engel (Gn. 32,25ff.) trivialisiert durch die sachliche Nähe zu Dares und Entellus und die Klassifizierung als 'Allkampf, pammachia: 'sed forte post Daretis et Entelli certamen Iacob et ipsius pammachiam exspectare volueras?' (896,23897,1). Der Stolz über die Zahl der besiegten Amoriterkönige (los. 10) oder die bunte Tierschau (pancarpus) von Noahs Arche liegen nach Secundinus ebenfalls außerhalb Augustins geistiger Orientierung.222 Secundinus kann bei Augustins Ablehnung des Weltlich-Fleischlichen an der Extremform, den brutalisierten Zirkusspielen ansetzen, nach deren Muster er die biblischen Erzählungen stilisiert, durch technische Begriffe (cavea, pammachia, evtl. pancarpus) bzw. durch die vergilische Anspielung auf Dares und Entellus. Dabei kann er deren Aufnahme sarkastisch auswerten: Wenn Augustin sich für so etwas auf einmal interessiere, werde auch sein Engagement für das Alte Testament vorstellbar. Augustin geht in seinem Liber contra Secundinum nicht in die Falle der ihn persönlich betreffenden Mutmaßungen.223 Die biblischen Erzählungen erklärt224 oder deutet225 er, meist ohne auf die technischen Assoziationen einzugehen,226 und wendet die jeweiligen Vorwürfe gegen den manichäischen Mythos. Während Augustin Hieronymus gegenüber also die Bezüge auf die pagane Umwelt aufgreift und einbaut, ja neue Stellen ins Spiel bringt, ist er dem inferioren und von ihm durch eine wirkliche religiöse Differenz getrennten Secundinus gegenüber in dieser Hinsicht abweisend und beläßt es bei einer sich auf biblische Argumentation stützenden Rhetorik.227 Das Spiel mit paganen Anspielungen gehört damit auch in einen urban-höflichen Kontext, den Augustin nicht jedem Kontroversgegner zugesteht. Daß er z.B. Julian auf der Anspielungsebene antwortet, liegt womöglich an dem anderen und für Augustin weitaus gefährlicheren geistigen Format. Secundinus schöpft ja letztlich nur aus den Lesefrüchten Augustins.

222

SECUNDIN. epist. p.897,1-5. Eine terminologische Bedeutung von pancarpus über allgemein "Buntheit' oder 'bunter Strauß' hinausgehend, ist mir nicht bekannt (s.a. TGL 6, 1847,8), läßt sich aber aus dem Kontext wie aus Augustins Reaktion (s.u.) als 'Tierschau im Zirkus'erschließen. 223 SECUNDIN. epist. p.905,12-15. S. Stroux, ebd. 107. 224 Z.B. Abrahams Verhalten sei klug und situativ angemessen (SECIJNDIN. epist. p.941,16-19). 225 Z.B. der typologische Bezug Jacobs auf Christus (zu SECUNDIN. epist. p.941,1 lf.). 226 Einzig pancarpus nimmt er auf und weist zunächst die Vorstellung einer Tierschau zur Ergötzung zurück, greift aber die Vokabel xäyxaQnoc, auf, um sie zu spiritualisieren und Noah als Typus der Kirche erscheinen zu lassen. Dann greift er die negative Bedeutung auf, die er in einem Wortspiel (Ersetzung durch das hapax legomenon camparcus, s. Hey, TLL 3,208 - evtl. eine Spontanbildung mit gesuchtem Anklang an KCIUJITQ) - krümmen? Kein Hinweis auf ein solches Wort in TGL 4, 1841; intendiert könnte eine griechische Entsprechung zu discerptw sein) gegen den in der Unterwelt leidenden manichäischen Urmenschen wendet (SECUNDIN. epist. p.940,26-941,10). 227 Allerdings spielt er auf einige griechische Helden an: Wenn Secundinus die Seele für unwandelbar und nur in der Vermischung mit dem Fleisch für sündhaft halte, sei das ebenso unzulässig wie die These, Hector und Aiax oder ein anderes Lebewesen sei unverwundbar, wenn nur entsprechende Schläge ausblieben; unverwundbar werde hingegen nur der Körper Achills genannt, ,siue poetico figmento siue aliqua occultiore ui rerum' (c.Sec. 9). Die Information entstammt offenkundig einem durch mythologische Dichtung vermittelten allgemeinen Wissens-Pool.

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8

Pagane Zitate und Anspielungen in späteren Briefen:

8.1

HIER,

epist. 126 (165): Hieronymus an Marcellinus (Cicero, Vergil)

Der im Corpus Augustins als Nr. 165 geführte Brief ist das Antwortschreiben des Hieronymus auf die Frage des Marcellinus nach dem Ursprung der Seele. Kurz geht er auf die Ereignisse des Jahres 410 ein, die er mit biblischen Anklängen, einem Sprichwort (Reaktion der Erschütterung),228 einem Vergil- und einem Cicerozitat kommentiert. Das Vergilzitat (Aen. 4,42f.) steht neben einem Bibelwort (Gn. 16,12), um die einfallenden Völker zu bezeichnen.229 Beide Zitate sind explizit markiert und beziehen sich in den Prätexten auf Nomadenvölker Nordafrikas bzw. Arabiens. Das tuns der Einleitung weist auf besonderes Nahverhältnis hin. Mit dem explizit einem berühmten Redner entlehnten Wort (ClC. Mil. 4,10) kehrt er wieder zum Ausgangspunkt, seiner schriftstellerischen Arbeit, zurück.230 8.2

Epp. 166, 167 Augustin an Hieronymus (Sallust, Cicero)

Die Frage nach der Seele greift Augustin in der ep. 166 an Hieronymus wieder auf (Bezug auf die Diskussion mit Marcellinus in §3,7). In seiner theologischen Argumentation verwendet er eine allenfalls implizit markierte sallustische Wendung (lug. 2,3). 231 In ep. 167 befragt Augustin Hieronymus über Iac. 2,10. Nach einer die praktisch-ethische Seite in den Vordergrund stellenden kleinen Beispielerzählung in §2 zitiert er den Satz im Zusammenhang (§3) und hebt ihn als biblische Sentenz gegenüber allen philosophischen Meinungen heraus (§4).232 In §5 entwirft er einen inneren Zusammenhang der vier Kardinaltugenden. Das Tugend-LasterSchema differenziert er, indem er neben das jeweilige Gegenteil die Übertrci228

229

230

231

232

HIER, epist. 126/165,2: '[...] ut iuxta uulgare prouerbium proprium quoque ignorarem uocabulum, diuque tacui sciens «tempus esse lacrimarum»' (Eccle. 3,4). Otto244f. ('nomen' 1). Zum Brief Moreau, Le dossier, 81 -90. HIER, epist. 126/165,2: 'hoc autem anno [...] subitus impetus barbarorum, de quibus tuus dicit Vergilius: «lateque uagantes / Barcaei» (Aen. 4,42) et sancta scriptura de lsmahel: «contra faciem omnium fratrum suorum habitabit» (Gn. 16,12), sie Aegypti limitem. Palaestinae. Phoenices, Syriae percueurrit ad instar torrentis euneta secum trahens, ut uix manus eorum misericordia Christi potuerimus euadere'. Unter Kirchenschriftstellern nur von HIER, (epist. 129,4 und in Is. 5,23,13,19) zitiert. Courcelle 293, zur Ersetzung von furentes durch vaganles (davon abhängig ISID. orig. 9,2,107). HIER, epist. 126/165,2: 'quodsi iuxta inclitum oratorem «silent inter arma leges» (ClC. Mil. 10), quanto magis studia scripturarum, quae et librorum multitudine et silentio ac librariorum sedulitate, quodque uel proprium est, securitate et otio dietantium indigent'. Otto, lex 3, 192. Ep. 166,14: "id etiam, quod aiunt omne, quod in tempore coepit esse, inmortale esse non posse, quia «omnia orta oeeidunt et aueta seneseunt» (SAI.I.. lug. 2,3), ut eo modo credi cogant animum humanum ideo esse inmortalem, quod ante omnia tempora sit creatus, non mouet fidem nostram'. Hagendahl t574c; anders als in ep. 143,6 schließt das längst theologisch ausgewertete Zitat omnia ein; die Kenntnis des etwa zeitgleichen Zitats in HIER, in Ezech. 3praef. 1.4 ist nicht nachzuweisen, s.S. 365 325 . Dabei auch zur stoischen Lehre der Gleichheit der Sünden und Hieronymus' Widerlegung des Iovinian, der darin den Stoikern, sonst aber Epikur gefolgt sei (HIER, adv.lovin. 2,2134), ep. 167,4.

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bung stellt, zunächst die astutia. Für diese muß er einen häufigen positiven Gebrauch in der Bibel und einen seltenen in paganen Schriften einräumen, mit Mt. 10,16, Prv. 1,4 und SALL. Cat. 26,2 als vorangestellten Beispielen.233 Au-

gustin greift hier einen Cicero charakterisierenden Satz heraus (sieht daher mit der positiven Interpretation Richtiges); die explizit markierende Einleitung hebt in der Periphrase des Autors stilkritisch seine Beredsamkeit hervor (der Wirkungskraft seiner Ausführung funktional zugeordnet). Exemplarisch widerlegt Augustin dann die in §5 behauptete notwendige Zuordnung aller Laster bzw. aller Tugenden aufeinander an Catilina, indem er an dessen Charakterisierung durch Cicero und Sallust fortitudo erhebt, die nicht von den anderen Tugenden begleitet sei. Er leitet Cic. Catil. 3,16 und SALL. Cat.

5,3 als Zeugnisse von Zeitzeugen ein; auch ohne Namensnennung ist die Transparenz damit gegeben.234 Im folgenden greift er für die Laster das Catilina-Beispiel mit dem zweiten Teil des Sallustzitats noch einmal auf.235 Die Ableitung der virtus von vir in §10 ist markiert traditionell und weist damit auf ihre Herkunft aus Ciceros Tusculanen.236 8.3

HIER,

epist. 134 (ap.Aug. ep. 172); Augustin ep. 202A (Sallustzitat)

In seinem Antwortschreiben auf ep. 166 gebraucht Hieronymus nur implizit markiert ein (Sallust-)Zitat, die einem Appius zugeschriebene Wendung 'canina facundia'.237 Dieses Zitat übernimmt Augustin fünf Jahre später in dem Schreiben an Optatus (ep. 202A,1).238 E.3

Der Briefwechsel mit Marcellinus und Volusianus

Die Briefe 132-139 verdienen als Gruppe eine ausführliche Betrachtung, weil Augustin hier in einem freundschaftlichen Rahmen apologetisch wirkt.239 In mo233

Ep. 167,6: 'nunc enim eam dico astutiam, quae usitatius in malitiosis intellegi et uocari solet, non sicut loqui nostra scriptura consueuit, quae saepe astutiam in bono ponit, unde est: «astuti ut serpentes» (Mt. 10,16) et illud: «ut det innocentibus astutiam» (Prv. 1,4). quamquam et apud illos Romanae linguae disertissimus dixerit: «neque illi tarnen ad cauendum dolus aut astutia deerant» (SALL. Cat. 26,2), astutiam ponens in bono; sed apud illos rarissimum. apud nostros autem frequentissimum est'. Hagendahl t563 mit A2 (deerant mit den Handschriften gegen Goldbacher). Dies ist die einzige patristische Aufnahme dieser Stelle und das einzige Zitat Augustins aus De Coniuratione Catilinae zwischen §16 (Trainingseffekt des Bösen) und §51 (aus dem Rededuell). 234 Ep. 167,7. Hagendahl t92b;539a. Augustin hatte das Cicerozitat bereits in mor. 2,13,28 verwendet, die Kombination der beide Stellen später noch pat. 5,4 und c.Iul. 4,3,19. 235 Ep. 167,8, Hagendahl t539d. 236 Ep. 167,10, Hagendahl t304b, s.S. 329 140 zu ep. 127,9. 237 HlKR. epist. 134/172,1: 'sed ineidit tempus difficillimum, quando mihi tacere melius fuit quam loqui, ita ut nostra studia cessarent et iuxta Appium canina exerceretur facundia'. Die Wendung unmarkiert HIER, epist. 119,1 (406/407); 125,16 (411); virg.Mar. 22, c.Lucif I; PAUL.NOL. epist. 5,6, PRUD. harn. 401; erklärt ISID. sent. 3,728,9. SALL. hist.fr. 4,54 Maurenbrecher (auf Cicero als Sprecher bezogen mit Bezug auf Verres; nicht aufgenommen in der Sammlung von McGushin, Oxford 1994); 2,37 Dietsch (welcher Appius gemeint ist, sei unklar). 238 Ep. 202AJ: '[...] ita ut nostra studia cessarent et iuxta Appium canina exerceretur facundia'. 239 Augustin ermuntert einen gemischt heidnisch-christlichen Freundeskreis, dem Träger hoher politischer Ämter zugehören, zu theologischen Fragen, auf die er ausführlich eingeht. Ge-

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dernen Begriffen könnte man von ,Glaubensinformation' oder Jntellektuellenseelsorge' sprechen. Die Briefe geben einen Einblick in die urban literarische Sphäre eines Freundeskreises: Man liest Augustins Schreiben dem ganzen Kreis vor, goutiert und lobt sie als literarisch-rhetorische Dokumente, bevor man auf z.T. beachtlichem Niveau inhaltliche Fragen diskutiert. Einen hohen Anteil der argumentativ bedeutsamen Zitate verwendet Augustin nicht noch einmal.240 Sowohl die beiden Vergilzitate der ep. 137 wie auch die zahlreichen Zitate aus anderen Autoren (Sallust, Cicero, Terenz, Juvenal) sollen exemplarisch in ihrem Kontext dargestellt werden. Augustin korrespondiert mit zwei Freunden, Marcellinus und Volusianus. Ersterer wirkte in dieser Zeit als tribunus und notarius in Karthago, präsidierte dem Konzil von Karthago und stellte in der Folge die Kirchenordnung Nordafrikas wieder her.241 Rufius Antonius Agrypnius Volusianus fungiert zur Zeit dieser Korrespondenz als Prokonsul in Afrika.242 Die Briefe zeugen von der Freundschaft mit Marcellinus ebenso wie von einem echten Interesse an theologischen Problemen, die seinen Zugang zum Christentum verstellen. Volusianus ist mit Rutilius Namatianus eng befreundet, der ihm als Menschen und Politiker in De reditu suo ein literarisches Denkmal setzt (1,167-178), nicht ohne auf die Familientradition hinzuweisen, die auf den Volusus der Aeneis Bezug nimmt.243 1

Ep. 132: Augustin an Volusianus

Diesen Volusian ermutigt Augustin in einem ersten, kurzen Brief (132) zu Bibelstudium und theologischen Fragen. An der Bibel hebt er Einfachheit und Geradheit ihres Stils hervor, er empfiehlt die Lektüre der Apostel und Propheten und bietet sich an, bei der Lösung auftretender Probleme zu helfen.244 Die Äußerungen zum Bibelstil erinnern auffällig an eine ebenfalls literarkritische

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genüber der gleichzeitig begonnenen Schrift De civitate dei ergeben sich inhaltliche Überschneidungen, wobei Augustinus in den Briefen irenischer und freundlicher erscheint. Zu dieser Gruppe (einschließlich der anderen an Marcellinus gerichteten, mit aktuellen Fragen befaßten Briefe) M.Moreau, Le dossier Marcellinus; zur Datierung auf 411/412. bes. 51, eine Skizze zum geistigen Horizont der Gruppe um Volusian 123-129; zur Rhetorik 156f; zu den Bezügen auf pagane Autoren nur sehr knapp 157f. Z.B. luv. 6,287-295, TER. Ad. 821-825; ClC. Lig. 15, Tusc. 1,38 (der Eingangssatz; die Erzählung von Pythagoras und Pherecydes auch ac 3,37), SALI.. Cat. 3,2, 11,6, lug. 35,10; VERG. ecl. 4,61; eine Ausnahme bildet SALI.. Cat. 9,5, das Augustin auch in ciu. 1,6 verwendet. In diesen Fragen führte Augustinus eine offizielle Korrespondenz mit ihm und konnte auf seine prokatholische Parteinahme bauen. Die theologisch fruchtbare und kirchenpolitisch für Augustin sehr nützliche Beziehung endete mit der Hinrichtung 413. S. OROS. 7,42,16. Eine Reihe von erhaltenen Schriftstücken außer dem Breviculus collationis cum Donatistis weist auf sein theologisches Interesse. U.a. ist er Widmungsempfänger von Augustins drei Büchern pecc.mer., der ersten beiden Bücher ciu. sowie von spir.et litt. Martindale, Pros. 711 f., vgl. Mandouze, Pros., 671-688. Repräsentant einer Gruppe von Adelsfamilien, deren weibliche Angehörige sich intensi\ dem Christentum zugewandt haben, deren Männer aber als Heiden Ämter übernehmen Nach glänzender Karriere läßt er sich 436 auf dem Sterbebett taufen (Martindale, PLRE 1184f.; Mandouze, PAC 1228). Aen. 11,463; eingeführt mit teste Marone, RUT.NAM. 170. Moreau 52-54. Obwohl beide in Karthago leben, schlägt Augustin eine schriftliche Form vor, um ein sachorientiertes und unpolemisches Gespräch zu ermöglichen, ep. 132.

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Stelle aus der 5. Satire des Persius (24f.).245 Das poetische Bild ist vereinfacht und entzerrt. Die Änderungen lassen eine Zitierung aus dem Gedächtnis möglich erscheinen.246 Die poetischen Anklänge der Formulierung sind bewußt, sie sollen den einfachen Charakter der Bibel in gewählter und geschliffener Form einfassen. Die Anwendung dieser Stelle auf die Bibel ist als Glücksfund anzusehen, weil von paganer dichterischer Seite der Bibelstil scheinbar legitimiert wird (bei näherem Hinsehen erweist sich der Stil des Persius als grundverschieden von diesem isoliert genommenen Ideal). 2

Ep. 135 Volusianus an Augustin (Vergilzitat und -anspielung)

In Brief 135 werden theologische Fragen stilistisch und formal anspruchsvoll aufgeworfen. Volusianus kommt auf das Angebot Augustins zurück (§1). Seinen Fragen schickt er eine Schilderung der in dieser Form fiktiven247 Gesprächssituation voraus. Ein Zirkel philosophisch und literarisch interessierter Freunde, die je nach Anlage und Bildung ihre Meinungen beisteuern, trifft sich zu einem Gespräch (confabulatio) mit dem anfänglichen Gegenstand der Gliederung in der Rhetorik.248 Dann wendet sich das Gespräch der Dichtung als Teil der eloquentia zu: einige Gesprächsteilnehmer heben deren spezifische Ausdrucksmittel249 hervor. Volusianus kann dies mit einem Kompliment für Augustinus verbinden, indem er ihm den Dichterefeu aus Vergils achter Ecloge (VI3) zuspricht.250 Der Siegerlorbeer paßt nicht für den Bischof, dieser inhaltliche Überschuß vervollständigt und markiert das Zitat. Volusianus spielt hier wohl auf Augustins Auseinandersetzung mit Dichtung und Metrik in De musica an. Der nächste Themenkomplex ist die Philosophie, zunächst die Augustin vertraute sokratisch-platonische Form. Weiter nennt er in konventioneller Weise verschlüsselt Aristoteles, die Akademiker, die Stoiker, die Naturphilosophen, die 245

Ep. 132: 'sincera enim et solida res est nee fucatis eloquiis ambit ad animum nee ullo linguae tectorio inane aliquid ac pendulum crepitat'. S. PERS. 5,24f.: 'dinoscere cautus / quid solidum crepet et pietae tectoria linguae', Hagendahl t500; aus der inkonzinn gebauten Alternative werden drei parataktische Glieder, das enallaktisch gestellte pietae entfallt zugunsten des deutlicheren^wca/w; crepet wird verstärkt, solidum erhält parallele Gegenbegriffe. 246 Für die Benutzung einer Zwischenquelle fehlt jedes Indiz. Am ehesten wäre ein selbstgefertigtes Exzerpt vorstellbar; vgl. die in ciu. 2,6 feststellbaren Spuren einer frischen Persiuslektüre, s.S. 249138. 247 Die Anonymität macht die Maskierung eigener Fragen möglich, vgl. ep 136,2. Insgesamt ist von einer Zusammenfassung und Überhöhung realer Gespräche auszugehen. Aus der Darstellung des Marcellinus (Aug. ep. 136,2) ergibt sich ein Gespräch unter Freunden über Glaubenszweifel. Die Einbettung in rhetorisch-poetische und philosophische Themen kann literarisches Rahmenelement wie auch Umriß des allgemeinen geistigen Horizonts sein. 248 Volusian kann Augustins Vertrautheit mit dem Gegenstand voraussetzen, indem er auf seine Unterrichtstätigkeit hinweist, ep. 135,1. Zu den Themen Moreau 54f. 249 VOLUS. Aug.ep. 135,1: 'dicebatur ergo, quantus oeconomiae esset ornatus, quae metaphorarum uenustas, quanta in comparatione sublimitas; iam leues enodesque versus atque, ut ita dixerim, caesurarum modulata variatio'. Begrifflichkeit und Konzeption scheinen konventionell und eher an Vergil als an späteren Dichtern orientiert. Wie die bezüglich der Rhetorik hat diese Aufzählung nach der Themenstellung fünf Glieder, von denen das letzte durch seine Länge besonders herausgehoben ist. 250 VOLUS. Aug.ep. 135,1: 'alii rursum poeticam elevabant faventes; ne hanc quidem eloquentiae partem tacitam aut inhonoram relinquis, ut convenienter poeta dixerit: «inter victrices hederam tibi serpere lauras»' (ecl. 8,13). Die Aufnahme der Widmung an Asinius Pollio ist Ausdruck des Respekts.

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Epikureer.251 Gegen die erklärte Absicht der Philosophie gerate die Wahrheit in der unendlichen Diskussion in Unkenntnis. Nach der breiten Herleitung, die gleichermaßen literarische und philosophische Interessen dokumentieren soll, ist Volusianus also bei der Wahrheitsfrage angelangt. An dieser Stelle tauchen nun auch die existentiell ernsten Anfragen an das Christentum auf, dramatisch dargestellt als Einwurf eines Einzelnen in dieses Gespräch, das völlig zum Erliegen kommt.252 Für den Kontrast gegenüber Augustinus ist es hochinteressant zu sehen, wie mitten aus der paganen literarischen und philosophischen Kultur, für die insbesondere Vergilzitate zum selbstverständlichen gepflegten literarischen Ton gehören, interessierte, unpolemische Fragen formuliert werden. Die dabei gezeigte Haltung vorläufiger Skepsis aus intellektueller Unsicherheit auf der Suche nach einer Autorität253 erinnert an den jungen Augustin. Das erste Problem ist die Jungfrauengeburt Christi mit deutlicher Anspielung auf ecl. 4,61. 254 Der Sprecher löst die Hyperbata auf, macht in seiner Umformulierung die Mutter zum Subjekt und greift zu einem stammverwandten Verb. Angelehnt ist der Bezug wohl an das Stichwort virgo (ecl. 4,6). Es ist anzunehmen, daß der Sprecher eine Interpretatio christiana der 4. Ekloge kennt und selbständig den Vers 61 herausgreift, um die Schwangerschaft als Kontrast zu der Jungfräulichkeit zu betonen. Damit evoziert er die 4. Ekloge als ganze und verleiht seiner Frage durch die poetische Wendung Gewähltheit und Ernst. Darauf schließt er eine Frage nach dem Verhältnis von Gott und Mensch in Christus an. Er malt das Paradoxe der Vorstellung aus und tut die Wunder Jesu (Dämonenaustreibungen, Heilungen, Totenerweckungen) als weniger bemerkenswert ab, da auch andere Menschen diese vollbracht hätten. Einzelnes trägt wiederum vergilische Färbung, ohne sich als bewußte Imitation zuweisen zu lassen, z.B. regnator. Das Gespräch sei abgebrochen worden, um nicht aus Unwissenheit und unwillentlich Heiliges zu verletzen.255 Dieser Brief zeigt - bei aller formalen Höflichkeit Augustin als in seiner theologischen Kompetenz geschätzten Gesprächspartner interessierter Heiden. Außerdem zeichnet er ein Bild davon, wie vornehme Römer dieser Zeit in aus Christen und NichtChristen gemischten Kreisen über Kultur und Religion diskutierten. Jenseits aller Polemik äußert Volusianus intellektuelle Probleme des Glaubens. Der existentielle Ernst dieser Fragen läßt das „bildungsbürgerliche" VOLUS. Aug.ep. 135,1: 'tunc ad familiärem tuam philosophiam sermo deflectit, quam ipse Aristotelico more tamquam soeraticam fovere consueveras [...]'. Der Text mit der Kölner Handschrift, gegen Goldbacher (Aristoteleo und esotericam; auffällig wäre hierbei das Fehlen der - nichtskeptischen - Platoniker, wo doch diese philosophische Schule am ehesten mit Augustin verbunden werden kann). VOLUS. Aug.ep. 135,2: 'stupemus tacentes'. Die anderen Gesprächszüge sind weder in wörtlicher Rede dargestellt noch persönlich eingeführt (Passiv, 'sermo deflectit'. der vage Plural alii). Gefragt wird nach einem im Christentum Fortgeschrittenen, der Zweifelsfälle aufschließen und die unsichere Zustimmung durch einen als wahr oder doch plausibel erwiesenen Glauben festigen könne. Vot US. Aug.ep. 135,2: 'Miror, utrum mundi dominus et rector intemeratae feminae corpus impleverit, pertulerit decem mensium longa illa fastidia mater et tarnen uirgo enixa sit sollemnitate pariendi et post haec uirginitas putatur intaeta.' S. ecl. 4,61: 'matri longa decem tulerunt fastidia menses'. Voius. Aug.ep. 135,2. Hierin weicht er idealisierend von der Wirklichkeit ab. MARCELL. Aug.ep. 136,2 zeigt, daß Volusian weitere Fragen geäußert hat, vorerst aber nur jene beantwortet haben wollte.

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Gespräch über rhetorische, poetologische und philosophische Fragen verstummen. Mag der geschilderte Verlauf literarischem Gestaltungswillen entsprungen sein, so ist das Ganze doch ohne lebenswirklichen Hintergrund kaum vorstellbar, zumal aus dem anschließenden Brief das Verlesen der ep. 132 mit anschließender Diskussion bezeugt ist. Volusianus schreibt aus einer Haltung der „vertrauten Distanz" heraus. Lehren und „Mythologie" des Christentums sind ihm - nicht zuletzt aus Familie und Feundeskreis - bekannt, aber nicht einsichtig. Er selbst bedient sich der Terminologie eines unter dem Einfluß der Philosophie geläuterten Henotheismus. Vor diesem Hintergrund ist es kein Zufall, daß die beiden einzigen faßbaren Zitate aus diesem Brief Vergil entlehnt sind und eines von diesen ihm sicher vermittels einer Diskussion oder einer Schrift auch in einer christlichen Interpretation bekannt war. Dem Christentum begegnet er mit Respekt; er bezeichnet dessen Kultdiener sicher absichtsvoll durch Analoga aus dem paganen Bereich. 3

Ep. 136 Mareellinus an Augustin

Daß Volusianus nicht alle Fragen wiedergab, zeigt ein Brief des Marcellinus. Er nimmt Bezug auf ep. 132, den Volusianus ihm und anderen vorgelesen habe. 256 Er zeigt sich von dem Brief - auch stilistisch - tief beeindruckt. Offenbar verstand er die Andeutung rhetorischer Meisterschaft unter Verzicht auf Effekte zugunsten des Angebots der Hilfestellung (§1). Marcellinus vertraut darauf, daß Augustins Antwort die oft erhobene raffinierte Kritik an der Inkarnation ausräumen kann. Besonders legt er ihm die Frage nach der Relativität von Jesu Wundern gegenüber denen von Magiern ans Herz, namentlich Apollonius und Apulcius.257 Er deutet die Gesprächssituation an und fügt weitere Probleme an, die Volusian ausgelassen hatte, um den Brief kurz zu halten, nämlich die Veränderung der Gesetze vom Alten zum Neuen Testament und die fehlende Praktikabilität der Bergpredigt für die Politik.258 Zum Nutzen der Kirche 259 fordert er die Einlösung des Volusian gegebenen Versprechens. Das Schreiben ist in schlichtem Stil gehalten; Marcellinus verzichtet auf gelehrtes Beiwerk, die einzig feststellbaren Zitate oder Reminiszenzen sind die Maximen der Bergpredigt, in denen Marcellinus wohl Volusianus' Zitate wiedergibt. Schmuck erscheint nur, um Augustins schriftstellerische Leistung hervorzuheben resp. ihn zu dieser zu ermutigen. 256

Anders die Einordnung durch Moreau 57 (ep. 136 als Reaktion auf ep. 137). MARCELL. Aug.ep. 136,1, Apollonius von Tyana, dem Wunder bis zur Totenerweckung nachgesagt wurden und der Gegenstand paganer Verehrung war; darin wurde er auch gegen Christus ausgespielt (Hierokles), s. K.Gross, RAC 1, 1950, 529-533; Apollonius gehört konventionell in die Liste hellenistischer Wundertäter (CJ. Classen,Wundertäter, LAW 3286), als Gegenfigur aus dem lateinischen Raum und mit lokaler Berühmtheit ist ihm hier Apuleius beigesellt (dazu K.H.Chelius, Apuleius, AL 1, 423-425). Die Zusammenstellung beider bereits bei Lactanz (inst. 5,3,7.21). 258 Die Forderungen der Bergpredigt (Mt. 5,39-41, zusammengefaßt in Rm. 12,17) seien den rei publicae mores entgegengesetzt. Gegen einen Staatsfeind oder einen räuberischen Einfall in eine römische Provinz gelte das Kriegsrecht. Solche Übel seien in einer Zeit christlicher, auch engagiert christlicher Kaiser aufgetreten (MARCELL. Aug.ep. 136,2). Damit ist ein Grundthema von ciu. angeschlagen. 259 Viele würden erreicht und einem ortsansässigen Magnaten die Grundlage von Sticheleien entzogen.

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Ep. 137 Augustin an Volusian Verteidigung der Inkarnation vor einem gebildeten Paganen mit Hilfe der 4. Ecloge

4.1

Rahmen (Aufnahme der Vergilanspielung)

Augustin beginnt seinen Antwortbrief mit einem Lob für die geraffte Darstellung des langen Dialogs. Dann gibt er ep. 135 in den entscheidenden Passagen wörtlich und fast nur mit syntaktischen Einpassungen wieder. Er beschneidet Anreden und Huldigungen sowie die szenische Einbettung in den Gesprächsgang. Die sehr ausführliche und genaue Wiedergabe der Frage sollte wohl eine getrennte Verbreitung ermöglichen, gleichzeitig das Ernstnehmen der Fragen signalisieren. Übernommen hat Augustin auch die Formulierung der Schwangerschaft der Jungfrau mit ecl. 4,61 in der Wendung auf die Mutter und mit dem Kompositum: 'pertulerit decem mensium longa illa fastidia mater' (ep. 137,2). Er gibt nicht zu erkennen, den Eklogenvers als solchen erkannt zu haben.260 Im nächsten Abschnitt (ep. 137,3) wendet sich er dann den ihn selbst betreffenden Schlußpassagen des Briefes zu.261 4.2

Zur Inkarnation (Cicerozitat und philosophische Argumentation)

Ausführlich geht Augustin nun (ep. 137,4) an die Beantwortung der theologischen Fragen, zuerst der nach der Inkarnation. Dieses Mysterium fasse der menschliche Verstand kaum. Aber bereits die Einsicht in das eigene Wesen sei für die mens humana schwierig, was er mit einem Zitat aus Ciceros Tusculanen belegt, eingeführt lediglich als Äußerung eines quidam.262 Den zustimmend zitierten Satz aus dem Abschnitt der Seelenlehre Ciceros gebraucht er auch in §12. Cicero spricht von der gedanklichen Schwierigkeit, sich eine immaterielle Weiterexistenz der Seele vorzustellen, weshalb viele Schilderungen körperliche Züge trügen. Augustin kommt der ciceronischen Aussage recht nahe. Schon das Nachdenken über die dem Tod unterworfene Wahrnehmung führe in die Aporie (absurditas).263 Die Seele urteile hingegen in der mens über das Wahrgenommene (also in einer räumlich noch weniger klaren Instanz). Vom Menschen läßt sich dann die Analogie zu Gott und seinem Wort (Anspielung auf den Prolog des Johannesevangeliums) ziehen, dessen paradox

S.S. 350254. Auch sonst wird er im gesamten Werk Augustins nirgends zitiert. Ein ganzes Menschenleben beharrlichen Studiums brauche es, um die verhüllten Geheimnisse der Schrift zu verstehen, die Augustin betont von den heilsnotwendigen Dingen absetzt. Mit dieser hohen Latte kann Augustin überzogene Ansprüche an ihn abwehren, ohne Autorität abzugeben, ep. 137,2. Ep. 137,5: '«magni» quippe «ingenii est», ut ait quidam, «seuocare mentem a sensibus et cogitationem a consuetudine abducere»' (Tusc. 1,16,38, Hagendahl t290). Bei ihrer Selbstuntersuchung durchmustere die Seele die Wahrnehmung, die fünf Sinne, durch die sie mit der Außenwelt in Kontakt treten, z.B. die Himmelskörper sehen oder einen Ton hören, also außerhalb des Körpers wahrnehmen könne (ep. 137,5). Gesichtssinn und Gehör implizierten also entweder ein Auseinandertreten von Wahrnehmung und Leben oder von Leben und Existenz.

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klingende Inkarnation dann keine unüberwindliche gedankliche Schwierigkeit mehr bereiten müsse (§6). Die Beantwortung des zweiten Fragenkomplexes beginnt Augustin mit Vergleichen (§7). Volusians Argument von dem Kontrast der Größe Gottes und der Kleinheit eines Kindes begegnet er einerseits mit einer Zurückweisung eines materialistischen Gottesbildes, andererseits mit Beispielen aus der Tier- und Pflanzenwelt, sowie menschlicher Organe.264 Augustin fuhrt eine philosophische Diskussion auf hohem rhetorischen Niveau. Er greift einzelne Begriffe aus dem Brief 135 auf {corpusculum infantiae), um die Zweifel mit aufwendigen naturwissenschaftlichen' Parallelen zu zerstreuen. Dabei arbeitet er mit Klauseln265, Bildern, Klangfiguren, antithetischen Parallelen. Seine Beweisführung verzichtet weitgehend auf die Bibel. Seine Gedankenführung zeigt das intensive Bemühen, einem Gebildeten und Interessierten einen Zugang zur christlichen Theologie zu eröffnen. Die menschlichen Begrenzungen Christi wie Schlaf- und Nahrungsbedürfnis sowie Affekte seien Beweis seines wirklichen Menschseins. Von (doketistischen) Häretikern werde aus verkehrter Bewunderung gerade die Menschheit Christi bestritten, damit aber die Möglichkeit der Erlösung266 in der Mittlerschaft zwischen Gott und Mensch verbaut (§9). Gerade die Inkarnation lenke den Blick auf die alltäglich gewordenen Schöpfungswunder (§10). Die Mischung von Gott und Mensch zu einer Person entspreche der zwischen Seele und Körper.267 Die Seele nehme bei der Zeugung einen Körper an, was als Mischung von Unkörperlichem und Körperlichem sogar schwieriger zu denken sei, uns nur durch die tägliche Erfahrung vertrauter sei als die „Mischung" von zwei unkörperlichen Wesenheiten. Das Wort Gottes sei hingegen unkörperlich und deshalb leichter mit der Seele gemischt zu denken (§11). 4.3

Argumentation mit Autoritäten: Bibel, Philosophie, Vergil (ecl. 4)

Im Gegensatz zu den vorhergehenden Abschnitten bringt §12 eine Fülle von Zitaten, sowohl aus der Bibel als auch aus der Philosophiegeschichte und Vergil. Augustin beschreibt in einer ausladenden Periode zunächst Wesen und schöpferisches Wirken des Wortes Gottes; mit lCor. 1,24 und Sap. 8,1 greift er biblische Bestimmungen auf, bevor er sich in philosophischen Termini über Unkörperlichkeit und Allgegenwart und dann über die Inkarnation äußert: mit lfm. 2,5 beschreibt er die Mittlerfunktion. Das Ziel der Helferfunktion Christi ist der Sieg über die Leidenschaften, der Inhalt der Lehrfunktion (magisterium) ist die Nähe Gottes zum Menschen in der Inkarnation, in Umrissen und für Spezialisten erkennbar in der Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele. Dabei hat Augustin ein gestuftes System vor Augen: die Propheten sprachen die gesamte Wahrheit Pupille, Hirn, Herz. Die Größe der virtus Gottes stehe nicht zur Enge des Schoßes in Widerspruch. Sie könne den Körper des Kindes aus dem Mutterleib unter Wahrung der Jungfräulichkeit herausführen, wie sie den Körper des Erwachsenen bei verschlossenen Türen in einen Raum fuhren könne (Anspielung auf Joh. 20,29.26, ep. 137,8). 'Potentia facientis': Päon und Trochäus (l 2 nach Zielinsky): präferierter, schlußstarker Klauseltyp. Philosophisch faßbar formuliert als 'aeterna contemplatio veritatis incommutabilis'. Ein Verhältnis des Gebrauchs - im Gegensatz zu der Mischung zweier Flüssigkeiten, die ihre Integrität verlieren; im körperlichen Bereich analog sei die Mischung von Licht und Luft.

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aus, in immer noch nutzbringender Weise mischten Philosophen, Dichter und ähnliche Schriftsteller viel Wahres mit Falschem.268 Zum Schluß dieses Abschnitts trägt er unter Auslassung der Propheten Belege für seine Behauptung nach, daß die Autorität des Inkarnierten sich nur auf bereits ausgesprochene Wahrheit stützen dürfe. Dazu zieht er sich die angeblich auch völligen Laien selbstverständlichen allgemeinen philosophischen Lehren von der Unsterblichkeit der Seele und einem postmortalen Leben heran sowie die vierte Ecloge Vergils (V.25.13f.).269 Die bereits oben zitierte Cicerostelle ist wohl auch hier die doxographische Quelle,270 aber durch Informationen zur Herkunft, Athletenvergangenheit und Bekehrung des Pythagoras ergänzt. Während sich die Ankündigung nur auf magisterium bezogen hatte, stützen die Zitate der 4. Ecloge daneben auch die adiutorium-Funküon Christi. Ohne Angabe des Herkunfttextes werden sie einerseits Vergil zugewiesen, der mit dem vertraut klingenden, bei Augustin eher seltenen Beinamen genannt wird, und andererseits durch die allgemeine Evidenz in ihrer Richtigkeit bestätigt (was bei Dichtern wegen des Mischungsverhältnisses im Einzelfall nötig ist). Zunächst betont er Allgemeinheit wie Kostbarkeit der Lehre von der Unsterblichkeit der Seele, indem er 'Assyrium vulgo nascetur amomum' (ecl. 4,25) unter Auflösung des Hyperbatons in das Präsens transferiert, als erfüllt auffaßt und auf eben diese philosophische Auffassung bezieht. Bei Vergil schließt dieses Kolon die Schilderung des Naturfriedens ab und weitet ihn durch die räumliche Entgrenzung ins Universale aus. Die Assoziation knüpft einzig an den Vergleichspunkt der Allgemeinheit an; allgemein ist aber bei Augustin nicht die Reaktion auf den erschienenen Erlöser, sondern der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele. Das kann er übergehen, da er beides vorher in ein enges Bezugsverhältnis gebracht hat. Die Helferfunktion Christi hatte er oben als Hilfe beim Sieg gegen die Begierden und subsidiär als Erlösung von Schuld bestimmt. Nur den zweiten Aspekt untermauert er mit ecl. 4,13f. Er zitiert beide Verse in voller Länge, nimmt nur eine metrisch nicht störende syntaktische Einpassung vor, indem er die Anrede durch das Relativpronomen ersetzt. Aus der Gruppe der sieben Verse, die eine politische Tätigkeit mit kosmischer Wirkung und anschließender Apotheose ankündigen (ecl. 4,11-17), sind nur diese beiden in ein christliches Verständnis transferierbar.271 Im Gegensatz zu den beiden anderen Zitaten aus der 4. Ecloge in ep. 137 verwendet Augustin V.13f. öfter zur Beschreibung der 268

269

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Ep. 137,12: 'magisterium quidem, ut ea, quae hie ante dieta sunt utiliter uera non solum a prophetis sanetis, qui omnia uera dixerunt, uerum etiam a philosophis atque ipsis poetis et euiusee modi auetoribus litterarum, quos multa uera falsis miseuisse quis ambigat'. Im Fleisch erschienen sei die auetoritas Christi, um die zu stärken, die das Wahre nicht an sich erkennen könnten. Auch für die, die von sich aus seiner teilhaftig werden konnten, wirke seine Lehre heilsam, weil sie einen falschen, überheblichen Kult ausschließe. Ep. 137,12: 'quod ergo ad magisterium eius adtinet, quis nunc extremus idiota uel quae abieeta muliercula non credit animae inmortalitatem uitamque post mortem futuram? quod apud Graecos olim primus Pherecydes Syrius cum disputauisset, Pythagoram Samium disputationis illius nouitate permotum ex athleta in philosophum uertit. nunc ergo, quod Maro ait et omnes uidemus, amomum Assyrium uulgo nascitur (ecl. 4,25). quod autem ad adiutorium gratiae pertinet, quae in Christo est, ipse est omnino, «quo duce, si qua manent sceleris uestigia nostri, inrita perpetua soluent formidine terras»', ecl. 4,13f., Hagendahl t942b; s SERV. ad. I. und die Auslegung zu amomum in der ORAT.Const. 20,4. CIC. Tusc. 1,38, s.S. 352262, s.S. 63 143 , Hagendahl t291b. Amtsbezeichnung, Name und die Vorstellung der Aufnahme unter Götter und Heroen machten sofort die Unvereinbarkeit mit christlichen Vorstellungen augenfällig. Übertragbar wäre noch V. 17.

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Erlösung durch Christus.272 Dazu kann er die Offenheit der Formulierung Vergils auswerten, indem er ein politisch-zeitgeschichtliches Verständnis273 zugunsten eines allgemein menschlichen unterdrückt. Daß Augustin die paganen „Beweise" nachträgt, stärkt die argumentative Kraft. Der Leser sieht die Ausführungen über das Wesen Christi philosophisch untermauert und durch den Glanz des Eclogenzitats überhöht. Die Ankündigung dieser Belege (s.S. 354268) steht vor der abschließenden christologischen Begründung und soll wohl deren Aufnahme erleichtern. Aber erst unter dem Eindruck der ausgearbeiteten Inkarnations- und Erlösungslehre gewinnen die Bezüge auf Philosophie und Vergil den intendierten Sachgehalt. 4.5

Zu Wundern und der Glaubwürdigkeit der Heilsgeschichte (Sallusrwendung)

Augustin wendet sich nun den Einwänden von ep. 135 zu. Sowohl Propheten wie Magier hätten durchaus Wunder gewirkt. Das größte, die Auferweckung von Toten, hätten Elia und Elischa vollbracht, es werde bei den Magiern nur an Apuleius gelobt, wogegen sich dieser aber verteidige.274 Mose habe die Magier Ägyptens durch einfache Anrufung Gottes besiegt. Wie also die Propheten die Magier überträfen, so ordneten sie sich Christus unter. Seine Wunderhandlungen habe der auch getan, um nicht zurückzustehen. Eigentümlich hingegen seien Jungfrauengeburt, Auferstehung und Himmelfahrt.275 Die drei für Christus spezifischen Wunder seien nicht deshalb zu bestreiten, weil sie außerhalb menschlicher Praxis lägen, was Augustinus mit einer abgewandelten Sallustsentenz (Cat. 3,2) belegt,276 bevor er sich beschwörend direkt an Volusianus wendet. In dem Prooemium zu seiner Catilina-Monographie verteidigt Sallust die Arbeit des Historikers. Unter den spezifischen Gefahren nennt er an herausgehobenem Platz malevolentia und invidia, die virtus und gloria bonorum immer nur am eigenen (Mittel-)Maß messen, unbeeindruckt hinnehmen, was sie sich zutrauen zu tun, das darüber Hinausgehende aber völlig ablehnen und als Erfindung abtun. Diesen Satz kann man sich losgelöst als Sentenz tradiert denken. Augustin korrigiert nicht stillschweigend, sondern weist ausdrücklich auf die Variation hin. Er erwartet von Volusianus offenbar, zumindest das Sprichwort, vielleicht aber auch die sallustische Herkunft mit diesem Hinweis zu erkennen und zu assoziieren.

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S. ciu. 10,27 (S. 277 283 ); ep. 104,11 (S. 30933); 258,5 (S. 31881). SERV. ad I.: 'vestigia autem scelerum dicit bella civilia, quae gessit Augustus contra Antonium apud Mutinam [...] et non dicit «iam irrita solvent terras formidine», sed «fient irrita et solvent terras timore»'. Augustin bezieht sich auf die generelle Verteidigung gegen den Magievorwurf. Die Tradition von Totenerweckungen für Apollonius von Tyana (PHILOSTR. 4,45) scheint er nicht zu kennen. Ep. 137,13. Die Wunder Christi könnten keinesfalls als zu geringfügig für einen Gott gelten. Sie seien Neues in der Welt (an pagane wie auch jüdische Entrückungen denkt Augustin hier nicht). Vom Menschgewordenen (Io. 1,1.3) dürften nur menschengemäße Wunder gefordert werden, nicht etwa die Erschaffung einer neuen Welt, wie Augustin polemisch vorschlägt (ep. 137,14). Ep. 137,14: 'ac per hoc, «quae sibi quisque facilia» non «factu» sed captu «putat, aequo animo aeeipit, supra ea ueluti fieta pro falsis ducit»'; SALL. Cat. 3,2; Hagendahl t538.

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Nach Ausführungen zu Abraham als Glaubensexempel bzw. der weiteren Glaubensgeschichte äußert sich Augustin zur Kirche als dem heilsgeschichtlichen Faktum der Gegenwart. Er stellt sie in vier Gedankenschritten dar. Zunächst beschreibt er in bibelnahen Wendungen die kirchliche „Urgeschichte".277 Dann kontrastiert er bescheidene Anfänge und den großen Erfolg. Er hebt besonders das Hinzukommen der geistigen Elite hervor, die sich bekehren und in Dienst nehmen lasse. Einen direkten Zeitbezug hat der dritte Schritt, die gefaßte Haltung der Kirche angesichts des nahen Weltendes. Schließlich deutet Augustin die Zerstreuung der Juden, die Abschaffung der heidnischen Kulte mit Zerstörung der Kultstätten und das Auftreten von Häresien als Erfüllung von Prophezeiungen. Der erste Teil dieses Gedankens nimmt die Antwort auf die nur indirekt, über Marcellinus gestellte Frage nach der Ablösung der Ordnung des Alten Testamentes durch die des Neuen partiell voraus.278 4.6

Schluß

Die Ausführungen beschließt Augustin mit Bemerkungen zum modus dicendi der Heiligen Schrift, die unprätentiös und offen gleichermaßen zu Gebildeten und Ungebildeten spreche, andererseits die Wahrheit aber auch verhülle, was Augustin wirkungsästhetisch-pädagogisch begründet: die Verhüllung erzeuge Sehnsucht, diese Entdeckung, diese verinnerlichte Kenntnis. Die Bibel erfülle für die unterschiedlichen Rezipienten Korrektur-, Nahrungs- oder Erbauungs- (beinahe Unterhaltungs-)funktion. Feindschaft gegen diese Lehre bedeute entweder Unkenntnis oder die Abneigung des Kranken gegen die Medizin.279 Augustin entschuldigt die Länge des Briefes und ermuntert zu ebenso langen Rückfragen, da auch die Briefe der veteres bei schwierigen Fragen umfangreich gewesen seien. Schon die Sitte der christlichen Autoren (nostrorum erklärt der anschließende Verweis auf die apostolischen Briefe ) allein rechtfertigte dies. Augustin gebraucht eine allgemein rhetorische Wolken- und Lichtmetaphorik.280 Er beendet den Brief mit einer Segensformel und Grüßen.281

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Mit der Sendung des Geistes beginne das von Gebet, Predigt und Wundern geprägte Wirken der Gläubigen, ep. 137,16. Von der strukturierten Kirche spricht Augustin wohl bewußt nicht. Zur Beglaubigungsfunktion der Zerstreuung M.Simon,Veras Israel, 92f. S. cons.eu. 1,14,22. S. 227 l5 . Daraufhin hebt Augustin die inhaltlichen Qualitäten der christlichen Lehre heraus (Zitat von Mt. 22,37-39, einschließlich der Einordnung von Mt. 22,40, ep. 137,17). Ep. 137,18. Ein Topos antiker Medizin, s. LUCR. 1,936-941 (PLAT. legg. 2,659e; HÖR. sat 1,1,25). Ep. 137,19. Im Schlußabschnitt bezieht sich Augustin noch einmal auf einen Hinweis des Marcellinus. Die (vorläufige) Straflosigkeit der Sünden bedeute nicht, daß die Gnade die Glaubenden verlasse: diese erwarteten vielmehr den ewigen Lohn (ep. 137,20). Die Segensformel schwankt zwischen allgemein-philosophischer Gotteskonzeption und einer christlichen Füllung (misericordia); spätestens bzgl. der Fürbitte der Mutter ist Deus zu schreiben.

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Ep. 138 Augustin an Marcellinus Rechtfertigung einer Glaubensentwicklung und der Ethik der Bergpredigt

Seine Antwort an Marcellinus beginnt Augustin mit dem Bericht über ep. 137. Nun müsse er die von Marcellinus übermittelten Fragen behandeln, damit Marcellinus diesen Antwortbrief dann seinen Freunden vorlesen könne. 282 Er unterscheidet den Briefstil von der Schreibweise seiner Bücher ('epistulare conloquium' - Mibrorum negotium'). 5.1

Zur Frage der Veränderung im Übergang von AT zum NT

Augustin zitiert wörtlich die erste Frage aus ep. 136283 und antwortet ausführlich in sieben Abschnitten: Analoga aus der Natur (§2), Apophthegma aus der Gegenwart (§3), Literaturzitat/Sentenz (Terenz, §4), philosophische Grundlegung (§5), theologische Grundlegung im Blick auf das Verhältnis Gott-Mensch (§6) sowie im Blick auf die Geschichte der Offenbarung (§7) und im Blick auf das Verhältnis Gottes zur Zeit (§8). Zunächst wartet er mit einer ausgewählten Exemplareihe für zeitlichen Wechsel in der Natur und der menschlichen Arbeit auf. Nur das Prinzip des Wechsels bleibe in beidem unveränderlich.284 In dem nächsten Abschnitt untermauert Augustin seine These von der notwendigen Veränderung in Form eines Apophthegmas des als berühmter zeitgenössischer Arzt eingeführten Vindician.285 Er hebt daran die Bedeutung des der zeitlichen Veränderung Unterworfenen hervor, wohingegen ratio und artes unverändert geblieben seien.286 Solche Bezüge auf zeitgenössische Autoritäten sind eher selten. Die Stellung nach den banalen Alltagserfahrungen, aber noch vor dem Dichterzitat weist diesem Argument keine hohe Geltung zu. Es dient offenbar als urbaner Scherz und Captatio benevolentiae. Augustin bestreitet den der Frage des Volusianus zugrunde liegenden Satz, einmal richtig Getanes dürfe nicht mehr geändert werden, indem er den Faktor Zeit einführt. Die Wahrheit selbst erfordere auf die jeweilige Zeit bezogene Aus dem täglichen Umgang erwachse Marcellinus die Kompetenz zu beurteilen, ob Augustin die nicht durch fidei pietas Vorgebildeten richtig anspreche. Anderenfalls sollten sie zusammen eine überzeugendere Strategie überlegen, ep. 138,1. Zum Brief insgesamt Moreau 67-76. Sein Zitat markiert er als Übernahme, weist lediglich die Fragen einer anonymen Gruppe zu, um bei einem Verlesen im Freundeskreis Marcellin nicht als indiskret bloßzustellen, ep. 138,2. U.a. die doctrina (Unterrichtsmethode) im Verhältnis zu Stoff und Arbeitsauftrag, ep. 138,2. Ep. 138,3. Ein von ihm erfolgreich kurierter Patient habe einige Jahre später dasselbe Mittel eigenmächtig wieder angewandt. Er zeigt dem Arzt die daraufhin eingetretene Verschlechterung an und wird zurechtgewiesen. Dem Publikum erklärt der Arzt, er würde dieses Mittel nicht mehr bei dem nun erreichten Alter anwenden. Zu Vindicianus s. conf. 4,3,5 und 7,6,8. Interessant ist ein gegenüber der Argumentation Augustins überschüssiger Aspekt: die Abgrenzung wissenschaftlicher Medizin, die sich an den jeweiligen Umständen orientiert, von immer anwendbaren magischen Praktiken. Dies deutet auf eine Prägung der Anekdote vor Augustin hin.

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Veränderungen (ep. 138,4). Als Analogie zu dem quando facit verweist er auf die Bezogenheit auf verschiedene Personen (qui facit), wie Terenz, Ad. 824f., sie ausdrückt.287 Augustin greift auf ein Sprichwort zurück, das Eingang in Terenzens Adelphen gefunden hat, mit dem Micio vor Demeas seine Nachsicht gegenüber dem Lebenswandel der beiden Söhne begründet. Er nimmt in der ersten Hälfte von Vers 824 Änderungen vor (Konjunktiv wegen der syntaktischen Einbindung, Voranstellung des betonten huic, Verallgemeinerung des hoc zu aliquid), Vers 825 übernimmt er beinahe unverändert. Das Sprichwort wird, da es nicht markiert ist, als bekannt vorausgesetzt. Unklar ist dabei zunächst, inwieweit Augustin selbst an die Herkunft aus Terenz denkt, des weiteren, inwieweit Hörer oder Leser an diese denken können oder sollen. Verschärft wird diese Frage dadurch, daß die gedankliche Einpassung gerade dieses Satzes in seinen Kontext bereits der Antike nicht klar war.288 Die Isolierung zur Sentenz macht als direkte Quelle bei der Niederschrift des Briefes ein - selbst angefertigtes Exzerpt oder das Gedächtnis wahrscheinlich, die Beibehaltung der jambischen Struktur unter Einpassung in seinen Satz legt aber die wenigstens indirekte Herkunft aus Terenzens Adelphen nahe. Die Tragweite der Frage ergebe sich im philosophischen Blick auf die universal gültige Differenz von pulchrum (absolut) und aptum (relativ, z.B. als angemessene Kultvorschrift, ep. 138,5).289 Damit dringt Augustin zur theologischen Argumentation vor, zunächst grundsätzlich in Bezug auf das Verhältnis von Gott und Mensch, das nicht als Willkür verstanden werden dürfe; Gott bedürfe des Kultes nicht, vielmehr diene der als Zeichen der Erlangung von Tugend oder ewigem Heil. 290 Der zweite Schritt der theologischen Argumentation ist der Aufweis der Unveränderlichkeit Gottes in der Geschichte der Kultgebote.291 Bewiesen werde der zusammenhängende Plan durch prophetische Ankündigungen des NT im AT. In einer intelligiblen ratio könnte also eine dispositio, die einen Wechsel vorsieht, enthalten sein.292

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Ep. 138,4: 'quod enim in diuersitate personarum uno tempore aeeidere potest, ut «huic liceat» aliquid «impune facere, Uli non liceat, non quod dissimilis res sit, sed quod is, qui facit» (TFR. Ad. 824), ita ab una eademque persona diuersis temporibus tunc oportet aliquid fieri, tunc non oportet, «non quod sui dissimilis sit, qui facit» (cf. TER. Ad. 825; dort quo). sed quando facit'. Hagendahl t620. DON. ad L: "obscurissimus sensus et re et verbis'; vgl. Martin ad 1. Augustin zitiert dieses Wort nur an dieser Stelle, greift aber in seinen Briefen öfter auf Terenz, gerade auf die Adelphen zurück. Augustin führt pulchrum und aptum in einer eschatologischen Aussage wieder zusammen: die Ewigkeit sei das Heraustreten der Schönheit der gesamten Weltzeit, deren Fragmente die apta sind. .Ethische' und ,anagogische' Funktion, ep. 138,6. Augustin argumentiert hier wie im folgenden explizit mit Zitaten aus dem AT, das eben die überholten Kultvorschriften enthalte. Als sacramenta, significationes seiner heilbringenden Religionslehre, ep. 138,7. Wiederum aus Ps. 15(2-4) zitiert und erkärt er ein Wort über das Aufhören von Opferversammlungen, aus Ps. 49,9 die Nichtannahme der Opfer und aus 1er. 58,31 f. (LXX) die Verheißung des novum testamentum. Durch Christi Ankunft sei ein Umschwung eingetreten, ep. 138,8.

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5.2

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Zur Praktikabilität der Bergpredigt / des Christentums

5.2.1 Saliust und Cicero als Sprecher der römischen politischen Ethik Im zweiten Teil seines Briefes (2,9-15) wendet sich Augustin der politischen Praktikabilität des Christentums zu. Wieder zitiert er aus ep. 136,2 weitgehend wörtlich die Fragestellung.293 Antworten auf diese Form der Kritik oder in Frageform verkleideter Kritik seien schwierig, nicht aber im Fall von so gebildeten Partnern in der Debatte. Man müsse nur die Paganen (die obtrectantes) genau befragen, wie sie den Staat lenken und bis zu einem Großreich mehren konnten. Schon dieser Teil der Fragestellung evoziert Sallusts Catilina (52,19). Augustin läßt die Beantwortung dieser Frage offen und charakterisiert die Römer mit einer sallustischen Maxime (Cat. 9,5), die als Parallelfassung der Bergpredigt erscheint, so daß deren Ethik nicht mehr als Gegensatz des Staatswohles gelten kann.294 Zitiert ist eine Ausfaltung der aequitas, eine der beiden politischen Grundtugenden (SALL. Cat. 9,3-5). Die komplementäre Tugend, die Tapferkeit im Krieg, ist ebenso ausgelassen wie die Eingrenzung auf die Friedenszeit. Der Kontext legt überdies den Bezug auf Unterworfene nahe. Nur in dieser Engführung und Beschränkung auf den reinen Wortlaut des Kolons kann Augustin dieses Motto als Parallele der Bergpredigt anführen. Er durfte andererseits damit rechnen, daß diesem pointierten Satz am Ende eines Abschnittes besondere Bekanntheit zukam.295 Als zweiten Beweis führt er eine Stelle aus Ciceros Rede Pro Eigario an. Die Rede nennt er nicht namentlich, grenzt aber die Situation präzise ein. Cicero habe vor Caesar - dem faktischen Staatslenker - dessen Charakter gelobt, indem er das Vergessen von Unrecht hervorhebt. Dabei kommt Augustin dem Vorwurf der Schmeichelei zuvor: wenn es ehrlich gemeint sei, spiegele es die Wirklichkeit, wenn nicht, das Ideal. Abschließend setzt er dann die Maxime der Bergpredigt mit der Enthaltung von Rachelust gleich (die Formulierung wertet, auch wenn ulcisci neutral ist, sowohl durch abhorrere wie auch durch libido), diese wiederum mit den von Saliust und Cicero geäußerten Tugenden.296 Cicero beruft sich an der betreffenden Stelle auf den Bruder des Angeklagten, T. Ligarius und seine Verdienste um Caesar als Praetor urbanus. Dabei hofft er, Caesar werde solche Verdienste nicht vergessen und spielt dabei auf die dementia als Wesenszug Caesars an. Auch hier bleibt außer acht, daß diese Milde Ausdruck eines Herr293 294

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Ep. 138,9, einem Kollektiv zugewiesen. Ep. 138,9: 'unde quid opus est, ut diutius laboremus ac non ipsos potius percontemur, quo modo poterant gubernare atque augere «rem publicam», quam «ex parua et inopi magnam» opulentamque «fecerunt» (SALL. Cat. 52,19, Hagendahl t566b), qui «aeeepta iniuria ignoscere quam persequi malebant»?', SALL. Cat. 9,5, Hagendahl t551b, auch in ciu. 1,6, s.S. 271. Eine Verselbständigung zur Sentenz ist wegen der syntaktischen Unvollständigkeit kaum denkbar. Die intakte Wortfolge spricht für eine direkte Sallustbenutzung (evtl. vermittelt über Exzerption). Ep. 138,9: 'quo modo Caesari, utique administratori rei publicae, mores eius extollens Cicero dicebat, quod «nihil obliuisci soleret nisi iniurias» (ClC. Lig. 15, Hagendahl t98)? dicebat enim hoc tarn magnus laudator aut tarn magnus adulator; sed si laudator, talem Caesarem nouerat, si autem adulator, talem esse debere ostendebat prineipem ciuitatis, qualem illum fallaciter praedicabat. quid est autem non reddere malum pro malo nisi abhorrere ab ulciscendi libidine, quod est aeeepta iniuria ignoscere malle quam persequi (SALL. Cat. 9,5, Hagendahl t551c) et nihil nisi iniurias obliuisci?'

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Schaftsverhältnisses ist und zeitgenössisch genau deshalb Empörung hervorrief.297 Augustin benennt die moralisch verpflichtende Wirkung der Panegyrik, die ein Ideal entwirft und in der Zuschreibung den Herrscher an dieses bindet. Augustin beklagt dann, daß dieselbe Maxime bei der Beschreibung römischer Charakterzüge für eine civitas, die über so viele Völker herrsche, gelobt, aber als staatsfeindlich angeklagt werde, sobald die universale Kirche sie lehre.298 Offensiv behauptet er, die allgemeine Befolgung der christlichen Nächstenliebe begründe und mehre den Staat in weit besserer Weise, als Romulus, Numa, Brutus und die anderen herausragenden Männer des römischen Volkes dies getan hätten.299 Die namentlich genannten sind die unumstrittenen Figuren der auch von Sallust noch glorifizierten Frühzeit, die Augustin auch in De civitate dei zu demontieren versucht. Begründend führt er ohne Quellenhinweis die ciceronische Staatsdefinition an. 300 Inhaltlich bestimmt er die concordia als das einigende Band der Menschenmenge, und zitiert - als pagan markiert - aus der Zusammenfassung der römischen Geschichte in Sallusts Catilina.301 Die Nachahmung der Götter durch innere Konflikte habe dann zum Zerbrechen der Eintracht und zum Niedergang des Staates führen müssen, wie er in den Bürgerkriegen begonnen habe. Die Wertung der verdorbenen Sitten als decolorati nimmt eine (so weit erkennbar) erstmals von Vergil (Aen. 8,326) vorgenommene Übertragung von decolor ins Moralische auf; decolor sowie von dem Partizip decoloratus abgeleitete Formen sind in dieser übertragenen Bedeutung regelrechte „Lieblingsvokabeln" Augustins.302 Augustin nimmt eine grundsätzlich religiöse zeitgenössische Interpretation der Bürgerkriegszeit auf und überformt sie christlich. Dabei führt er den Gedanken der imitatio Dei ein, wie sonst auch in moralischen Fragen (vgl. ciu. 2,7 mit TER. Eun. 583-591). 5.2.2 Die christliche politische Ethik Augustin interpretiert die Forderungen der Bergpredigt als Hilfe, den Menschen vom Bösen in seinem Inneren zu befreien, das viel gefährlicher sei als äußere Feinde.303 Wer das Böse in sich besiegt habe, ertrage den Verlust äußerer Dinge geduldig und wohlwollend, lehre den dann reuigen Übeltäter, daß die erstrebten Vorteile nicht bestehen könnten, und führe ihn zur concordia zurück, womit dem höchsten Nutzen für den Staat entsprochen werde (ep. 138,11). Das Gebot, die linke Wange auch noch hinzuhalten, sei außerdem nicht wörtlich zu nehmen, da man (als Rechtshänder) natürlicherweise die linke Wange schlage. Allegorisch bezeichne die rechte Wange das Bessere (Ewige) im Gegensatz zum Zeitlichen. Wenn jemand das Bessere feindlich verfolge, solle ihm auch das Geringere geboten werden, um die eigene Wertordnung anzuzeigen (ep. 297

Für Cato ist Augustin sich dessen (ansatzweise) bewußt, vgl. die Kritik ciu. 1,23. Ep. 138,10, SALL. Cat. 9,5, Hagendahl t551d. 299 Ep. 138,10. Das Tetrakoion verleiht dem Anspruch Fülle. 300 Ep. 138,10, vgl. CIC. rep. 1,39, Hagendahl t238a, s. ciu. 2,21 u.ö., s.S. 252 157 . 301 Ep. 138,10: 'apud eos enim legitur: «ita breui multitudo diuersa atque uaga concordia ciuitas facta erat»', SALL. Cat. 6,2, Hagendahl t543 mit A2. 302 Decolor. ep. 104,6; uera rel. 26,48; Gn.litt. 4,26; decoloratus: ciu. 11,7; ep. 120,20; duab.an. 2. Hagendahl t903. S. Gudeman, -decolor, decolorare, decoloratus', TLL 5, 198-201, 199, 1.28ff. 303 Ep. 138,11. Vgl. Rom 12,21. 298

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138,12). Die Bergpredigt ziele damit insgesamt mehr auf die praeparatio cordis als auf äußeres Tun, auf innere patientia und benevolentia, die zu angemessenem Handeln führten. Christus selbst wie auch Paulus erfüllten das Gebot, die andere Wange hinzuhalten, nicht in wörtlichem Sinn.304 Das Evangelium ziele also auf die benevolentia. Bei zu strafenden inviti müsse allerdings häufig mit benigna asperitas verfahren werden, die eher ihren Nutzen verfolgen als ihnen willfahren, was die paganen Schriften für einen Staatslenker rühmten.305 Auch ein Vater tue gerade aus Liebe, was der zu heilende Sohn nicht wolle. Würde der irdische Staat diese Vorschriften befolgen, würden selbst Kriege nicht ohne benevolentia geführt und so den Besiegten zu einer befriedeten, auf pietas und institia gegründeten Gesellschaft verholfen. Gerade für die Besiegten, denen die Möglichkeit zur Ungerechtigkeit genommen wird, sei dies heilsam, da Straflosigkeit nur den inneren bösen Willen stärke.306 Äußerer Glanz und Verschwendung dürften gerade nicht für Glück gehalten werden, wenn innere Schwäche und Verachtung von Barmherzigkeit den wahren Zustand zeigten. Beide Kontrastaussagen werden jeweils von einem Bild aus der Sphäre des Theaters ergänzt.307 Das Heil des Staates werde verwirklicht, wenn alle Stände, einschließlich des Heeres, der christlichen Lehre entsprächen (ep. 138,15). 5.3

Historische Argumentation: Vorchristliche mala (Sallust, Iuvenal)

Dann geht Augustin in einem dritten großen Abschnitt auf die von Marcellinus berichtete Behauptung Volusians ein, durch christliche Kaiser seien dem Imperium Romanum Übel widerfahren.308 Er verweist auf Ütterae ipsorum', also wiederum pagane, zunächst ohne Namensnennung zitierte Schriften, um den Zeitpunkt zu bestimmen, von dem an der Niedergang Roms begonnen habe. Einen Ausruf aus Sallusts Bellum Iugurthinum (35,10) 309 führt er erstaunlichcr304

Die Rückfrage Jesu lo. 18,23, das Gebet Lc. 23,24, Paulus' sarkastische Bemerkung, er habe nicht gewußt, daß Hananias Hohepriester sei Act. 23,5; ep. 138,13. 305 Ep. 138,14: '[...] quod in principe ciuitatis luculentissime illorum litterae laudauerunt'. ClC. rep. 5,8, Hagendahl t265b (auch in ep. 104,7, s.S. 308 32 ; s.a. Süll. 25). 306 Ep. 138,14. Augustin verzichtet hier auf eine Evokation der Maxime Aen. 6,852 (s. ciu. 5,12). 307 Die Baumassen der Theater kontrastiert Augustin mit dem Ausgraben der Fundamente der Tugenden, die Spitzengagen der Schauspieler mit der Notdurft der Armen; der wahre Gott werde gelästert von den populi impii, während man zur Ehre der Götter diese Schändungen von Körper und Geist feiere. Wenn Gott dies vorerst straflos blühen lasse, sei dies ein Zeichen seines Zornes; wenn er es hingegen unterbinde, sei dies ein feindlicher Akt in barmherziger Absicht und Wirkung. Ebenso kann Augustin Kriege rechtfertigen, die von „den Guten" geführt werden, um zügellose Begierden einzugrenzen und durch gerechte Herrschaft Laster auszurotten oder zu unterdrücken, ep. 138,14. 308 Augustin schwächt die Fragestellung ab, es sind nur „einige" Kaiser, die Hervorhebung ihrer echten Religiosität unterdrückt er. Die Klageerhebung sei intrigant, da er gegen nichtchristliche Kaiser Ähnliches oder Schlimmeres ins Feld führen könne. Es seien Fehler oder Laster der Kaiser als Menschen, unabhängig von einer religiösen Lehre, ep. 138,16, s. ep. 136,2. 309 Ep. 138,16: ionge ante, quam Christi nomen eluxisset in terris, dictum est: «o urbem uenalem et mature perituram, si emptorem inuenerit»', SALL. lug. 35,10, Hagendahl t576. Bei den Kirchenvätern nur wenige Jahre nach dem Brief (und vermutlich abhängig) OROS. hist. 5,15,5.

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weise ohne Einbettung an.310 Marcellinus und sein Freundeskreis sollten entweder den konkreten historischen Hintergrund aus diesem isolierten Bruchstück selbständig evozieren, oder Sallust sollte als Quelle erkannt und als Autorität hingenommen werden, der konkrete historische Hintergrund aber im Dunkeln bleiben. Mit der Einführung des zweiten Zitats wird Sallust als Autor des Bellum Catilinae umschrieben und als vornehmster paganer Historiker gewürdigt; idem weist ihm nachträglich auch das erste Zitat zu. 3 " Augustin hält die Korrumpierung des Heeres für signifikant (sie widerspricht der Soldatenethik Lc. 3,14, s. §15) und greift zum Beleg auf die Schilderung des sullanischen Feldzugs in Asien (lug. 11,4-6) zurück. Auch dieser wird nicht datiert, außerdem werden der Kontext, der die Schuld dafür Sulla zuschreibt, sowie die moralische Verallgemeinerung ausgelassen. Der Aufhänger für die Zitierung dürfte die doppelt ingressive Betonung dieses römischen Niedergangsphänomens gewesen sein, den er in dem erklärenden Nachsatz hervorhebt. Auswertbar ist auch die religiös frevlerische Dimension der gezeigten Habgier. Eine Aufzählung der Folgegeschichte dieser schlimmsten Laster übergeht Augustin und zitiert den paganen Satiriker (satiricum suum) Juvenal. Dieser sage im Scherz Wahres. Sowohl der terminus technicus für diese Literaturform wie auch die bestätigende literarkritische Einordnung haben keine Parallele im Corpus Augustins. Augustin zitiert aus der Frauensatire einen Passus, der allgemein, nicht spezifisch misogyn, die negativen Folgen der Verweichlichung in der Friedenszeit thematisiert.312 Juvenal kontrastiert die moralisch intakte Vorzeit mit dem Sittenverfall der Gegenwart infolge von Wohlstand und Weltherrschaft, wobei die Keuschheit im Mittelpunkt steht, garantiert durch einfache Lebensweise und äußere Bedrohung. Geradezu paradox zugespitzt sind die Formulierungen. Der sentenzenhafte Schluß des Zitats kann als Ausgangspunkt für die Zitation dieser Stelle gelten. Der Abbruch erfolgt vor den Ortsnamen als Metonymien für den Luxus und vor der Invektivc gegen die Wollust, die in ihrer sexuellen Zuspitzung die Aussageabsicht Augustins gesprengt hätte. Für den Fortgang der Geschichte Roms behauptet Augustinus, die üblen Folgen des Erfolges nicht einzeln aufhäufen zu müssen (§16). Die auetoritas Christi habe gerade in diese Sintflut der sittlichen Depravation hinein kommen müssen, um die (alten) Werte (wieder) zu errichten, nicht nur für dieses Leben und zur größten Eintracht in der Gemeinschaft dieses Staates, sondern auch zur Erlangung des ewigen Heiles und der civitas Dei. Hier müßten die Christen mit denen auskommen, wenn sie sie nicht verbessern könnten, die wollten, daß der Staat in der Weise bestehe, wie die frühen Römer ihn durch virtutes gründeten 0

Er hätte den Sprecher (Jugurtha) datieren, ihn als gefährlichen Gegner Roms herausstellen oder das Versagen der römischen politischen Führungsgruppe konkret benennen können. 1 Ep. 138,16: 'in libro etiam belli Catilinae ante aduentum utique Christi idem nobilissimus historicus eorum non tacet, quando «primum insueuerit exercitus populi Romani amare, potare, signa, tabulas pietas, uasa caelata mirari, ea priuatim et publice rapere, delubra spoliare, sacra profanaque omnia polluere»', (SALI.. Cat. 11,6: Hagendahl t559: diesen Satz zitiert Augustin in derciu. nicht). 2 Ep. 138,16: 'audiant satiricum suum garriendo uera dicentem: «seruabat (luv.: praestabat) castas humilis fortuna Latinas / quondam nee uitiis contingi parua sinebat / teeta labor somnique breues et uellere Tusco / uexatae duraeque manus et proximus urbi / Mannibal et stantes Collina turre mariti. / nunc patimur longae pacis mala, saeuior armis / luxuria incubuit uictumque ulciscitur orbem. / nulluni crimen abest facinusque libidinis, ex quo / paupertas Romana perit»' (luv. 6,287-295, Hagendahl t427).

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und mehrten.313 Das in Macht und Rang positiv gewertete Imperium Romanum ist hier Exempel für die Kraft der „natürlichen" Bürgertugenden der Menschen ohne wahre Religion, damit von dort her auf die andere civitas geschlossen werden könne. Zu derselben Zeit, in der er die Arbeit an De civitate dei beginnt, kann Augustin also ein positives Analogieverhältnis sehen, Leistungen und Tugenden des alten Rom anerkennen, dessen Verfall als Stufe der Heilsgeschichte (Auslöser für das Kommen Christi) deuten. Das Miteinander der beiden civitates oder von Christen und Nichtchristen ist hier der Zwei-Reiche-Lehre Luthers wie auch naturrechtlichen Ideen näher als einer antagonistischen Auffassung. Es bliebe zu überprüfen, ob die romkritischeren Aussagen von De civitate dei auf eine Eintrübung der Sicht bei längerer Beschäftigung mit der Materie oder auf den Charakter einer weit stärker in die Öffentlichkeit wirkenden Schrift zurückzuführen sind. 5.4

Der Vergleich Christi mit Apollonius und Apuleius

Vom Vergleich des Apollonius, Apuleius oder anderer Magier mit Christus leitet Augustin sofort über zu dem (wegen ihrer Amoral schlimmeren) Vergleich der Götter mit Christus, namentlich des vielfachen Sexualstraftäters Juppiter; auch wenn dies bloßer Mythos sei, würde es doch in den Theatern aufgeführt (§18). Spreche man in philosophisch gereinigter Götterkonzeption die Frevel des Mythos den Göttern ab, seien sie Werke der Dämonen. Dann aber dürfe das Christentum nicht als staatsfeindlich gelten, das gegen Dämonen und Magie kämpfe. Das irdische Glück des ersten monotheistischen Volkes habe schon zu der Zeit des Alten Testamentes gezeigt, daß die Macht nicht bei den Dämonen liege, sondern bei Gott.314 Apuleius als Afrikaner Augustin und den Adressaten bekannter - habe durch seine magischen Künste weder Herrschaft noch Richtergewalt erlangt, obwohl er durch Herkunft, Erziehung und Beredsamkeit dazu bestimmt gewesen wäre. Gegen den Einwand, Apuleius habe vielleicht aus philosophischer Haltung keine solche Karriere machen wollen, spricht der Ehrgeiz, als Priester öffentliche Funktionen zu übernehmen, sowie die Affäre von Oea, wo er eine Ehrenstatue für sich habe durchsetzen wollen und über diesen Rechtsstreit der Nachwelt eine Rede hinterlassen habe.315 Er habe also magische Kräfte zur Erlangung irdischer felicitas eingesetzt. Zu größerem Erfolg habe nicht der Wille, sondern die Macht gefehlt. Dennoch habe er sich gegen den Vorwurf, magische Künste auszuüben, energisch verteidigt. Bewunderer seiner miracula zeugten daher gegen seine eigene Verteidigung. Als Gegenbild stellt Augustin König David vor Augen, den

3 4 5

Diese hatten zwar die wahre Frömmigkeit gegen Gott nicht, bewahrten aber ihrer Art gemäß eine gewisse, für die Erhaltung einer civitas lerrena notwendige Redlichkeit, ep. 138,17. Mit lac. 2.19 als der, vor dem die Dämonen zittern, pointiert an den Schluß gestellt, ep. 138,18 Ep. 138,19: '[...] an forte ista ut philosophus uoluntate contempsit, qui sacerdos prouinciae pro magno fuit ut munera ederet uenatoresque uestiret et pro statua sibi apud Oeenses locanda, ex qua ciuitate habebat uxorem, aduersus contradictionem quorundam ciuium litigaret? quod posteros ne lateret, eiusdem litis orationem scriptam memoriae commendauit', Hagendahl t5. Diese Nachricht ist singulär. Über eine Statue der Karthager APL'L. Flor. 16 p20Kr.; über andere Statuen ebd. p24Kr. Oea ist Wohnort seiner Frau Pudentilla und daher häufig genannt (bes. 72f). Schanz-Hosius §553 (3.1,105).

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seine Laufbahn ohne Magie vom Hirten zur Königswürde geführt habe und dessen Sünden die Schrift gerade nicht verschweige. 3 ' 6 Bezüglich der Wunder sei es, so faßt er seine Argumentation zusammen, ein Irrtum, die Magier mit den Propheten zu vergleichen, deren Wunder den höheren Rang einnähmen, erst recht mit Christus, dessen einmalige Wunder die Propheten vorausgesagt hätten (§20). 5.5

Auswertung

Der Brief an Marcellinus trägt eine eigentümlich doppelgesichtige Signatur: Augustin schreibt einem Christen, aber mit Rücksicht auf die beabsichtigte Wirkung auf dessen pagane Freunde. Er läßt biblische Zitate einfließen, achtet aber darauf, diese nicht zu tragenden Säulen seiner Argumentation zu machen. Bezüglich der paganen Schriftsteller rechnet er für Marcellinus mit Kenntnis, aber auch mit Distanz.317 Andererseits beeindrucken die Fülle und z.T. auch die Länge dieser Zitate. Augustin scheint sich hier an dem Freundeskreis zu orientieren, vielleicht will er aber auch dem Weltmann und Literaturkenner Marcellinus entgegenkommen. Mit ep. 139 an Marcellinus wendet sich Augustin wieder aktuellen kirchenpolitischen Fragen zu. In signifikanter Weise ändert sich der Stil: pagane wie biblische Zitate fehlen völlig. 6

Ep. 143 Augustin an Marcellinus (Lucan, Cicero, Horaz)

In ep. 143 schlägt Augustin die Bitte des Marcellinus ab, Sätze aus seinem Werk De libero arbitrio zu erklären (die Marcellinus gegen Angriffe verteidigen will). Augustin begründet das mit einem Wahrheitsethos, das eine Korrektur eigener Irrtümer einbegreift.318 Fehlerhaftigkeit erklärt Augustin zu einer Persönlichkeitseigenschaft und setzt sich von einem Ideal ab, das Cicero an einem Ungenannten (dem älteren Cato) hervorhebt.319 Er führt Cicero mit einer von ihm in der Folgezeit öfter gebrauchte Formel aus den Pharsalia ein. 320 Auffällig ist die Beibehaltung der Sperrung, die das Zitat damit implizit, aber deutlich als 316 3,7 318

3,9

320

In der Intention, so die Möglichkeit der Versöhnung mit Gott deutlich zu machen, ep. 138,19. Vgl. die Standardeinführung eorum für pagane Götter (ep. 138,10) oder Schriftsteller (anctores, ep. 138,10; historicus, ep. 138,16), sowie satiricum suum, ep. 138,16. Ep. 143,2f. (411/412, Moreau, Le dossier, 77-91); dies gilt nicht für inspirierte Schriften (s. die Argumentation in §§7-10, wo Augustin die prinzipielle Korrekturbedürftigkeit seiner Schriften aufrecht erhält, dann aber mit Eccles. 12,7, Gn. 2,7 und Rm. 1,24 seine Position untermauert). Vorläufigkeit und Revisionsbedürftigkeit seiner Schriften faßt Augustin in die sympathische Formel: 'ego proinde fateor me ex eorum numero esse conari, qui proficiendo scribunt et scribendo proficiunt', ep. 143,2. Ep. 143,3: 'ac per hoc, si iam saltem illud meum nosti, cum aliquid humiliter de me ipso dico, non me fallaciter dicere, ego non sum talis, qualem conlaudat «Romani maximus auctor / Tullius eloquii» (LUCAN. 7,62f): «nulluni umquam uerbum», inquit, «quod reuocare uellet, emisit»' (ClC. fr.inc.libr. 1 IM). Gegenüber der Ausgabe Goldbachers ('conlaudant.') ist nach meinem Dafürhalten die Interpunktion zu ändern und der Singular zu konjizieren: nur so haben der 'qualem'-Satz ein inhaltliches Prädikat und beide Zitate eine syntaktische Einbettung; der Fortgang ('quem sie Cicero laudat', s.S. 365 322 ) bestätigt diese Deutung. Hagendahl t478a; s. ep. 258,1; trin. 14,9,12; ciu. 14,18; doctr.chr. 4,3,4; 4,17,34.

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poetisch markiert, ohne daß sich ein geschlossener Hexameter ergäbe. Vermutlich ist Augustin auf dieses leicht ablösbare Element bei einer De civitate dei vorbereitenden Lektüre gestoßen. Er setzt es ein, um die pagane Autorität Ciceros klangvoll und aus paganem Mund prinzipiell zu bestätigen.321 Dann bestreitet er die ciceronische Beschreibung als Ideal für einen Weisen (und weist es Hofnarren zu); bei einer positiven Interpretation gelte es nur für inspirierte Autoren.322 Eine echte Autorität müsse nichts zurückrufen (explizite Korrektur des „wolle"). 323 In §4 weist er dann das ciceronische Lob für sich explizit zurück und konfrontiert es mit der Unmöglichkeit eines Rückrufs, formuliert mit einem Zitat aus der Ars poetica (390). 324 Augustin zitiert hier eine leicht ablösbare Sentenz, die bereits Hieronymus gebraucht hatte. Den horazischen Kontext (die Warnung vor voreiliger Publikation), evoziert er im folgenden, wenn er begründet, warum er die Publikation der Bücher über die Genesis und die Trinität gegen das Drängen der Freunde verzögert, um wenigstens die Zahl der Fehler zu reduzieren. Mit dem genauen Wortlaut geht er dann aber auf das Verständnis von lib.arb. 3,11,34 ein. Dabei zitiert er unmarkiert eine sallustische Wendung (lug. 2,3). mit der er den postlapsarischen Zustand des Menschen und der Welt ausmalt.325 Ein kurzer Hinweis im Schlußparagraphen betrifft die Diskussion des Marcellinus mit einem paganen Freund über die Jungfräulichkeit Mariens. Dem prinzipiellen Einwand gegen die Glaubwürdigkeit einmaliger Geschehen solle Marcellinus mit dem Hinweis auf solche Vorkommnisse in paganen Schriften Ausblendung der im Kontext eingeschriebenen Zweischneidigkeit des Lobs (LUCAN. 7,6067). Ep. 143,3: 'sed si in bonam partem accipiatur, ut quempiam talem fuisse credamus, qui cum sapienter omnia loqueretur, «nullum umquam uerbum, quod reuocare uellet, emisit» (ClC. fr.inc. 1,11 M), hoc potius de hominibus dei, qui spiritu sancto acti locuti sunt, quam de illo, quem sie Cicero laudat, saluberrima pietate credendum est.' Das gesamte Fragment Hagendahl t364. Ep. 143,3: 'illius quippe scripta summa sunt auetoritate dignissima, qui «nullum uerbum», non «quod reuocare uellet», sed quod reuocare deberet, «emisit»', ClC. fr.inc. 1,1 IM. Er läßt aber neben dieser „Hauptrolle" der Weisheit auch die „Nebenrolle" der Bescheidenheit zu. Ep. 143,4: 'cum ergo non, sicut quidam carissimi mei putant, nulla uel pauca sed potius plura fortasse, quam etiam maledici opinantur, uerba dixerim, quae mallem reuocare, si possem, non mihi Tulliana illa blanditur, qua dictum est: «nullum umquam uerbum, quod reuocare uellet, emisit» (ClC. fr.inc. 11M), sed angit me plane Horatiana sententia: «nescit uox missa reuerti»', HÖR. ars 390, Hagendahl t420; sonst zitiert Augustin die ars nur in den Versen 9f. in einer Übernahme von Iulian (c.Iul. 5,2,6). Wahrscheinlich ist Augustin bereits hier durch eine weitere Quelle, Hieronymus, zumindest angeregt; allerdings mußte er ggf. dessen Markierung eigenständig auf Horaz hin verifizieren. Immerhin wird dieses Zitat die Aufmerksamkeit auf diese Sentenz gelenkt haben, besonders da Hieronymus (urbanbescheiden bzw. als Schutzbehauptung) Pammachius fiir die voreilige Publikation seiner Bücher gegen Iovinian tadelt, HIER, epist. 48,2 (394): 'in hac quoque prouincia iam libri fuerant diuulgati et, ut ipse legisti, «nescit uox missa reuerti», non sum tantae felicitatis, quantae plerique huius temporis traetatores, ut nugas meas, quando uoluerim, emendare possim' (s. Rebenich 200f). Ep. 143,6: 'nunc uero non omni modo sed sicut leges uniuersitatis sinunt, per quas constitutum est, ut corpora «orta oeeidant et aueta senescant»', SALL. lug. 2,3. Hagendahl t574b. Neben einem freieren Anklang in conf. 4,10,15 zitiert Augustin dieses Wort auch ep. 166,14 (s.S. 346231). Etwa zeitgleich der Gebrauch in HIER, in Ezech. 4praef.4; voran geht CYPR. Demetr. 3, s.a. CHALC. comm. 2,55 (p. 189,16), QUODV. prom. 3,40,18. Im Hintergrund steht PLAT. rep. 546, aber die genannten Stellen beziehen sich offenbar auf die Formulierung durch Sallust.

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begegnen, die der andere zugestehen müsse. Dabei kontrastiert Augustin historische Zuverlässigkeit und leeren Mythos.326

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Ep. 143,12:'... non fabulosa uanitate sed, sicut existimant, historica fide'.

F

Sermones und exegetische Schriften

F.l

Sermones

In den Predigten zitiert Augustin verhältnismäßig wenig aus paganen Autoren.1 Die Bezüge tragen dann aber, bis auf wenige beiläufige Wendungen, jeweils die Argumente.

1

Vergil als Sprecher der platonischen Wiedereinkörperungslehre (s. 241)

In sermo 241 2 verdeutlicht Augustin die christliche Auferstehung gegenüber philosophischen Vorstellungen - zum einen der Metempsychose (§4f), zum anderen der Aussage des Porphyrios, jeder Körper sei zu fliehen (§7f.). In Fortsetzung eines Abschnitts aus der Predigt vom Vortag3 polemisiert er gegen die 'sapientes gentium, quos philosophos dicunt' (241,1), die zwar das Unveränderliche suchten, aber zu kurz griffen und bei dem Veränderlichen stehenblieben. Auch der Frage nach dem postmortalen Schicksal des Menschen hätten sie sich gestellt, aber die richtige Antwort nicht finden können, weil sie nur im Menschlichen suchten, die göttliche Autorität ignorierten. Augustin referiert in freier Paraphrase4 ohne Hinweis auf Autor und Werk Vorstellungen aus dem Somnium Scipionis: die unreinen Seelen unterlägen der Wiedereinkörperung, die animae sapientium flögen hingegen zum Himmel.5 Diese Lehre wird in der Spätantike mit Interesse rezipiert, wie vor allem Macrobius' Kommentar belegt.6 Augustin Entsprechend dem Stil der Predigten insgesamt, s. Uthemann 161 f. Datierung von s. 240 und 241 nach Frede Ostermontag und -dienstag 405-410; evtl. nicht vor 409. S. 240, bes. §4. Darin erkennt Augustin an, daß gegenüber anderen „Philosophen dieser Welt" die - nicht namentlich gekennzeichneten - Platoniker der Wahrheit näher gekommen seien, weil sie ein postmortales Weiterleben der Seele annehmen. Er beschreibt ihre Konzeption als in zwei Möglichkeiten differenziert: Die male viventes hätten sich sofort einer erneuten Einkörperung zu unterziehen (aitiologisch werden die Übel dieser Welt als Strafe für peccala vergangener Leben erklärt), wohingegen die 'animae, quae bene vixerunt, ad superna caelorum' aufstiegen zu stellaren Ruheorten, um nach dem Vergessen dem Wunsch nach erneuter Wiedereinkörperung anheimzufallen. Diesen „armseligen Funden der irdischen Weisheit'" setzt Augustin im abschließenden §5 die Weisheit Gottes entgegen, Christus. Kraft seiner göttlichen Natur bleibt er nicht im Tod (nobiscum iaceret). Als Mittler zieht er die an ihn Glaubenden mit, die nach dem Tod dauernde requies und ein transzendenter Körper erwarten, der eine irdische Wiedereinkörperung überflüssig macht. Vergilische Anklänge finden sich mit der Wendung 'rursus [...] revolvi ad alia corpora', vgl. Aen. 6,726. Der Ausdruck nur z.T. eng an Cicero angelehnt, z.B. in der Vorstellung des Fliegens (ClC. rep. 6.14; 6,15) oder im Wechsel der Umschreibungen locus und sedes. Der Eingangssatz über die animae malae läßt an das Ende des Somnium Scipionis denken (6,28). Der Aufstieg der Seelen nach vorbildlichem Leben zum Himmel faßt einen mehrfach ausgesprochenen Gedanken zusammen (s. rep. 6,13.15.28). Die Wendung ad caelum wie auch die Bezeichnung sapientes finden sich bei Cicero hier aber nicht. S. 241,4. Zum Wiedereinkörperungswillen auch der animae iustorum, s. 240,4, s.S. 3673. Auch Macrobius verbindet die Auslegung mit einer Reinkarnationslehre: die Seelen der Menschen, die schlecht gelebt haben, suchten sich direkt nach dem Tod einen neuen, (Tier-) Körper (MACR. somn. 1,9,4-5 mit Zitaten von Aen. 12,952; 6,736). Den Fortgang dieses Kapitels 1,9 bildet eine Versöhnung mit der vergilischen Unterweltsszenerie, indem Macro-

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Predigten und exegetische Schriften

hat den Bezug der ciceronischen Passage auf Politiker und die Gemeinschaft dieser Seelen getilgt. Konzeptionelle wie wörtliche Berührungen sieht Courcelle auch zu einer Georgica-Stelle (georg. 4,225-227).7 Immerhin findet sich hier der Terminus volare und die Konzeption des Aufstiegs zu den Gestirnen, andererseits ist eine All-Bewegung gemeint und nicht auf eine Wiedereinkörperung abgezielt. Die Konzeption aus De re publica kontaminiert Augustin im folgenden mit der Seelenwanderungslehre aus der Lehrrede des Anchises (Aen. 6,739-751). Diese wird wie der ciceronische Mythos eingeführt als allgemein-pagane Lehre (inquiunt) und in den wesentlichen Aussagen raffend zusammenmontiert.8 Im folgenden beschreibt er den Wiedereinkörperungswillen als nicht widerspruchsfrei mit dem Vergessen vereinbar; nur die memoria könne die Seelen dazu bringen, wieder (rursusl) in Körpern (Aufgreifen von in corpora, nun aber als Ortsangabe) zu wohnen.9 Die Vergilverse kürzt Augustin in seiner Wiedergabe entscheidend. Insbesondere entfällt der Läuterungsgedanke. Dieser würde als positive, pädagogische Zielsetzung des Wiedereinkörperungsvorganges die Komplexität des vergilischen Gedankens beweisen, den er nur in einer entstellend verflachten Form widerlegt. Die Kupierung seiner Zitate macht Augustinus damit zu einem wichtigen Instrument seiner Argumentation. Erst mit Vers 751 wird die Zitierung breiter und wörtlich, hier paßt der Wortlaut in die Konzeption. Die stillschweigend vorgenommene Kontamination von Ciceros und Vergils Vorstellungswelt bereitet das folgende Kapitel vor. Augustinus unterschlägt dabei die Differenzierung des postmortalen Geschickes nach dauerhaft Seligen und den anderen, die (ausschließlich) zur Wiedereinkörperung nach Läuterungsstrafe und Vergessen bestimmt sind.10

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bius auf den eigenen Himmel des Elysiums hinweist. Für die Staatsmännerseelen nimmt auch er keine Rückkehr an. Courcelle 481. COMMEN1. Lucan 9,9 (291,3), in den Lucan-Scholien direkt mit der vergilischen postmortalen Reinigung verbunden. Schlußverse der Passage, in der von dem göttlichen Ursprung der Bienen ausgehend diesen, dann in pantheistischer Erweiterung auch anderen Tieren sowie dem Menschen Unsterblichkeit zugesprochen wird, in indirekter Rede; Subjekt ist quidam (219): 'Scilicet huc reddi deinde ac resoluta referri / omnia nee morti esse locum, sed viva volare / sideris in numerum atque alto succedere caelo' (georg. 4,225-227); zu den philosophischen Quellen vgl. Mynors ad I. (285). Auf diese Stelle bezieht sich Augustinus sonst nicht erkennbar. S. 241,4: 'sed, inquiunt, post longa tempora, facta penitus obliuione ueterum miseriarum. ineipiunt uelle reuerti in corpora'. Die Zeitangabe paraphrasiert ,donec longa dies perfecto temporis orbe' (Aen. 6,745) in prosaischer Form und unter Aussparung der Konzeption des Weltenjahres. ,Facta penitus obliuione' ist aus V.749f. herzuleiten: ,Lethaeum ad fluuium deus euocat agmine magno // scilicet immemores'. Wieder sind religiöse und mythologische Bezüge gekappt. Evoziert werden kann auch .longa oblivia' von V.715. Der Inhalt des Vergessenen, .veterum miseriarum', greift miseris von V.721 auf; ,ineipiunt uelle reuerti in corpora' ist zitiert aus 6,751 - wobei Augustin die Reihenfolge umstellt und so die metrische Struktur zerstört, außerdem den Modus wechselt; der Versanfang rursus ist im folgenden Satz aufgegriffen; velle verstärkt er erklärend zu delectabit (wobei sicher auch ,dira cupido' vor Augen stand, auf die er erst im folgenden Paragraphen deutlich anspielt). Polemisch setzt er dann dieser Freude die Beschwernisse des (paganen) Lebens entgegen. S. 241,4: '[...] si omnia mala obliuiseuntur, obliuiscantur et delectationem carnis. hoc solum malo suo meminerunt, unde ruerunt. ueniunt: quare? quia delectat eas rursus in corporibus habitare. unde delectat, nisi per memoriam, quia ibi aliquando habitauerunt? dele totam memoriam, et forte residuam facies sapientiam: nihil remaneat quod reuocet.' Zur vergilischen Konzeption Norden, Komm. Aen. 6, bes. 19f., s.S. 282306.

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Im folgenden (§5) spielt Augustinus Aeneas als den Fragenden gegen die Lehrrede des Anchises aus. Er behauptet, Vergil selbst sei erschrocken über die Konsequenzen der Lehre, die er Anchises seinem Sohn verkünden lasse - sei es aus zweiter Hand, dargeboten von einer ungenannten, evtl. als Historiker zu denkenden Autorität (demonstrabatur), sei es aus Vergils eigener Imagination (inducebai). Der Name des Dichters fällt nicht, der Prediger umschreibt ihn distanziert (als paganen philosophischen Gegner) und ohne die sonst häufige positive literarkritische Heraushebung. Da er eindeutig auf die Situation des Unterweltsbuches anspielt (apud inferos, die Nennung der Familienbeziehungen), im Fortgang auch den Namen des Helden nennt und allgemeine Kenntnis explizit voraussetzt, ist die Unterdrückung des Namens eine Desakzentuierung, keine Entlastung der Hörer von überflüssiger Information. Der Prediger kann es nicht unterlassen, einen Seufzer über den allgemein verbreiteten Kontakt mit der Aeneis anzuschließen, also in ungewöhnlich direkter Form den Aeneisstoff (und nicht bloß anstößige Mytheninhalte) als für Christen unpassend zu verurteilen: 'exhorruit quidam auctor ipsorum, cui demonstrabatur, uel qui inducebat apud inferos demonstrantem patrem filio suo. nostis enim hoc prope omnes; atque utinam pauci nossetis. sed pauci nostis in libris, multi in theatris, quia Aeneas descendit ad inferos, et ostendit illi pater suus animas Romanorum magnorum uenturas in corpora' (s. 241,5) An die Bemerkung über den Bekanntheitsgrad schließt er einen Hinweis auf die Rezeption und die Vermittlungswege des Aeneisstoffes an. Interessanterweise rechnet er nur bei einer Minderheit seiner Hörer mit direktem Kontakt mit der schriftlichen Fassung der Aeneis. Die meisten kennten sie aus Theatern. Will man annehmen, daß Augustin hier wirklich an die Vermittlung des Inhalts der Lehrrede denkt, meint er hier kaum eine Pantomime, sondern eine Rezitation, allenfalls eine szenische Aufführung. Augustin führt zutreffend in die Situation vor der ,Römerschau' ein. Auffällig ist. daß er für den Unterweltsgang die unvergilische, aber dem (späteren) christlichen Sprachgebrauch" ähnliche Formel 'descendit ad inferos' wählt. Offenbar konnte er sich damit eine weiter ausholende, Mythologisches notwendig berührende F,inleitung ersparen. Außer durch die Vertauschung der Erzählreihenfolge akzentuiert die Frage des Aeneas um, indem er die Reaktion als Erschrecken aus Furcht charakterisiert. Bei Vergil hingegen ist sie Ausdruck des Erstaunens (nach dem Erschrecken beim Anblick der Seelen, V.710). Augustin zitiert drei Verse, um die Position des Aeneas aufzubauen und seinen Hörern Empathie und die Identifikation mit seiner Haltung und der distanzierten Frage zu ermöglichen. Unvermerkt nimmt er dabei aber eine christliche Umdeutung, eine verfälschende Transposition vor, die er durch eine eingeschobene erklärende Paraphrase festlegt: 'expauit ipse Aeneas, et ait: «o pater, arme aliquas ad caelum hinc ire putandum est sublimes animas, iterumque ad tarda reuerti corpora?» (Aen. 6,719-721) credendumne est, inquit, quod eant ad caelum, et herum redeant? «quae lucis miseris tarn dira cupido?»' (Aen. 6,721, s. 241,5)

,Descendit ad inferna' war für Augustin noch nicht Teil des Taufsymbols, Wlosok, Descensus 299.

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Die Einschränkung aliquas ignoriert Augustin. Für ihn kehren alle Seelen zurück zu Körpern; die Distanzierung des Anchises, der von der Läuterungserzählung (1.P.P1., V.743-747) zur 3. Person wechselt (emphatisch begonnen mit has omnis, V.748) unterschlägt er. Außerdem faßt Augustin die beiden Hälften der Frage von V.719-721 als zweistufigen Vorgang und nicht als synonyme Beschreibung desselben Geschehens, verbunden durch ein explikatives -que. Ad caelum versteht er in einem ciceronischen oder christlichen Sinn, nicht aber der Unterweltssituation angemessen i.S. von „an das Tageslicht".12 Eben diese Umdeutung untermauert er in dem eingeschobenen Satz, der die bedeutungstragenden Worte wiederholt, aber mit eant und redeant eindeutig in Augustins Sinn verbindet. Dadurch ergibt sich die leicht ad absurdum zu führende These, Seelen stiegen zur Seligkeit auf und müßten wieder von dort zurück. Von hier her erklärt sich auch die beschriebene Unterdrückung des Personenwechsels in der Erzählung des Anchises.13 Formal korrekt beschreibt er Aeneas' Reaktion auf das bloße Zeigen der Seelen (ostendit), ohne die bereits im vorigen Kapitel besprochene Lehrrede zu erwähnen. Von daher entsteht beim Leser der Eindruck, die MetempsychoseLehre sei nicht (befriedigende) Antwort auf Aeneas' Frage, vielmehr ihr Auslöser. Der Ausgangspunkt der Darlegung wird so zur Konstatierung der Aporie. Indem Augustinus sich auf die vermeintliche Seite einer der beteiligten Figuren, des Aeneas, stellen kann, gibt er vor - scheinbar ohne auf einen christlichen Standpunkt rekurrieren zu müssen - , die Unhaltbarkeit des paganen Standpunktes aus dessen inneren Widersprüchen dargetan zu haben.14 Augustin greift dazu Begriffe und Junkturen sowohl der Aeneasfrage wie auch der Lehrrede z.T. in leicht variierter Form auf.15 Im Fall ihrer Realität wäre das Wissen um eine Wiedereinkörperung abträglich, weil es die für die beatitudo vorausgesetzte securitas zerstörte. Sollten die Seelen von ihrem künftigen Schicksal aber nichts wissen, seien sie betrogen. Augustin schließt diesen Abschnitt mit einer Beschwörung der christlich verstandenen Wahrheit als Voraussetzung der Freiheil und fegt damit die von ihm aufgebauten Paradoxien der Wiedereinkörperung hinweg. Augustin steht mit der Konfrontation von Auferstehungstheologie und philosophischen Jenseitsvorstellungen und der Ablehnung der Metempsychose in 12

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Die Äquivozität von ad caelum sorgte auch bei Servius (ad 1.) für Verwirrung. Er hält die Bedeutung innerhalb der szenischen Konstruktion und eine „philosophische" Deutung auseinander. Auch Servius scheint (anders als ad 6,404) ein wirklich endgültiges Ausscheiden selbst für die besten Seelen nicht anzunehmen, anders als etwa Pl.AT. Tim 42B nahelegt (vgl. Norden 19): "quod non potest fieri: merentur enim temporis multi, non perpetuitatis, et quae male vixerunt statim redeunt, quae melius, tardius, quae optime, diutissimo tempore sunt cum numinibus'. MacCormack (112.116) geht auf den Unterschied zwischen der vergilischen Konzeption und Augustins Wiedergabe hierin ebensowenig ein wie auf die erzählerischen Folgen der Umstellung von Frage und Lxhrrede S. 241,5: 'melius filius intelligebat, quam pater exponebat. reprehendit cupiditatem animarum rursus in corpora redire uolentium. dixit diram cupiditatem, dixit eas miseras; nee erubuit eas. ad hoc, philosophi, perduxistis, ut purgentur animae, perueniant ad summam munditiam, et per ipsam munditiam obliuiscantur omnia, et per obliuiones miseriarum redeant ad miserias corporum.' Zu 'rursus f...] volentium' s. "rursus, et ineipiant in corpora uelle reuerti', Aen. 6,751; dira cupido und miserae sind aus V.721 zitiert; oblivisci und obliviones lassen die longa oblivia (V.714) nachhallen, munditia faßt die Reinigung zusammen. Auch Servius sieht in dem Nacheinander von Vergessen und fortdauerndem Rückkehrwunsch einen logischen Widerspruch, SERV. ad. 6,404. Vgl. Courcelle 490.

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einer Tradition: Bereits Lactanz diskutiert mit Vergilzitaten Gedanken eines doppelten postmortalen Geschicks.16 Für ein zentrales Thema seiner Predigt - die Ablehnung der Metempsychose - wählt sich Augustin Vergil als Gegenüber. Er schöpft aus ihm nicht nur platonische Vorstellungen, sondern bezieht sein Publikum in diese literarische Polemik ein, indem er die vergilische Konzeption demontiert und ihre vorgebliche innere Inkonsistenz aufzeigt. Der folgende Abschnitt (§6) leistet zusammenfassend und widerlegend die Anwendung auf die Philosophie.17 Vergilische Terminologie begegnet nicht mehr, aber die Annahme eines Rückkehrwillens nach der Reinigung ist auch hier der Stein des Anstoßes. Dann (§7) geht Augustin auf den Christenfeind Porphyr und seinen Grundsatz ein, jeder Körper sei als Fessel der Seele zu fliehen.18 Sein abschließendes Argument (§8) bezieht Augustinus aus Piatons Vorstellung der von Gott geschaffenen sichtbaren, also körperhaften Himmelsgötter.19 2

Vergil über die Ewigkeit Roms (s. 105,10)

In s. 10520 wendet sich Augustin aktuellen Problemen nach der Eroberung Roms durch die Westgoten zu.21 In §10 attackiert er scharf die Behauptung der Ewigkeit des römischen Reiches, resp. irdischer Reiche überhaupt: Eine solche Behauptung sei eine schmeichlerische Lüge. Als Beleg der allgemein formulierten 16

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Rückkehr zum Urprungsort, bzw. campi fortunati einerseits und andererseits Schattenexistenz unter Strafen, LACT. inst. 7,20,7-11; vgl. Courcelle S. 483 A221; J.Doignon, Le 'Placitum'. Polemisch wird ein beliebiger Philosoph - Pythagoras, Plato oder Porphyrius - zur Rechenschaft gefordert. Die Erwartung einer Metempsychose entwerte eine vita beata. Augustin verweist auf den Kosmos, als ewig gedachten Körper, mit Jupiter oder Hecatc als Seele. Als Geschaffene seien sie nicht unauflöslich. Nur Gottes Wille gebe ihnen die Unsterblichkeit. Augustin beruft sich auf den Timaios (Ciceros) 'de constitutione mundi', Hagendahl t270, p. 539). Datierung 410/411; zuerst erklärt Augustin Gleichnisse aus dem Lukasevangelium (11,513). Analyse bei Wlosok, Eroberung 128f. Nach Abwehr des Vorwurfs 'ecce pereunt omnia christianis temporibus' (§8) unterscheidet Augustin - in einer Vorstufe zu Konzepten von De civitate dei: die civitates umfassen hier dieselben Menschen in unterschiedlicher Hinsicht, in ciu.stehen sie sich diametral gegenüber - zwei civitates: 'quae nos camaliter genuit" und 'quae nos spiritualiter genuit'; die zweite überdauere den Untergang der ersten. Der Verheißung Lc. 1,33, 'Et regni eius non erit finis' (§9) setzt er den als konkurrierend empfundenen „'locus classicus' der Ewigkeitsverheißung für das pagane und irdische Rom" (Wlosok ebd.) entgegen (§10), um die Ewigkeit Roms dann zu verwerfen. In allen Zusammenbrüchen irdischer Reiche in der Gegenwart gelte die auf Gott und sein Reich gegründete Hoffnung weiter (§11): 'Non ergo deficiamus, fratres: finis erit terrenis omnnibus regnis. Nunc si finis est, Deus videt'. In den verbleibenden Kapiteln wendet er sich noch speziellen Fragen zu, ob die Abschaffung der Götter (§12) bzw. der Opfer (§13) zum Untergang Roms geführt habe. Augustin weist auf den zeitlichen Abstand des Götterkultverbots zur Gegenwart hin; wenn die Götter nicht einmal sich selbst hätten schützen können, sei von ihnen auch kein Schutz für das Reich zu erwarten. Bezüglich der Opfer ,rettet' er sich durch die Überlegung, daß nicht die heidnischen, Opfer vollziehenden Goten unter Rhadagaysus, sondern die christlichen, nicht opfernden Goten im Sturm auf Rom erfolgreich waren. Deshalb verbiete es sich, einen Konnex von zeitlichem Heil und Opferpraxis anzunehmen. S. auch Zwierlein 58-65, bes. 77A92 zur literarischen Würdigung.

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Aussage zitiert er die Grundmaxime römischer Herrschaft, Aen. l,278f.22 In der Einführung bereitet er die Distanzierung vor, indem er auf die Vermittlung durch den Sprecher Jupiter hinweist; dennoch markiert er das Gesagte als Äußerung Vergils (ait). Die Periphrase ist angesichts der späteren umstandslosen Namensnennung der Intention nach desakzentuierend und in der Wirkung transparent: 'qui hoc terrenis regnis promiserunt, non ueritate ducti sunt, sed adulatione mentiti sunt, poeta illorum quidam induxit Iouem loquentem, et ait de Romanis, «his ego nee metas rerum, nee tempora pono: imperium sine fine dedi».' (Aen. l,278f., s. 105,10) Augustin begründet im folgenden, warum diese Prophezeiung nicht stimmen könne. Polemisch wendet er sich an Jupiter. Er transformiert 'sine fine dedi' in die zweite Person, christianisiert das Objekt zu regnum, und spricht Jupiter jedes Geben rundheraus ab. Er nötigt ihn durch eine Alternativfrage zu dem Eingeständnis, es handle sich hierbei um ein irdisches Reich. Selbst ein himmlisches aber müßte vergehen, was Augustinus durch Mt. 24,31 und einen unausgesprochenen Schluß ad minus auf die irdischen Reiche belegt. Explizierend und hochrhetorisch werden in Parallelbau Gottes Schöpfung und Romulus' Gründung gegeneinandergestellt.23 Nun greift Augustin zu einer dialogischen Sermocinatio, die die Predigt in höchstem Maße belebt. Vergil wird in einer irrealen Vorstellung wenig respektvoll zur Rechenschaftslegung zitiert und reagiert defensivschuldbewußt.24 Darauf führt Augustin vor, wie ,Vergil' sich bei ihm und den Mitchristen verteidigt: 'et ego scio; sed quid facerem qui Romanis uerba uendebam, nisi hac adulatione aliquid promitterem quod falsum erat? et tarnen et in hoc cautus fui, quando dixi, «imperium sine fine dedi» (Aen. 1,279), louem ipsorum induxi, qui hoc diceret. non ex persona mea dixi rem falsam, sed Ioui imposui falsitatis personam: sicut deus falsus erat, ita mendax uates erat, nam uultis nosse quia ista noueram? alio loco, quando non Iouem lapidem induxi loquentem, sed ex persona mea locutus sum, dixi: «non res Romanae perituraque regna». (georg. 2,498) uidete quia dixi peritura regna. dixi peritura regna, non taeui.' (s. 105,10) Augustin präsentiert hier im Mund Vergils eine Vorform der Two-voices-theory. Vergil erscheint innerlich losgelöst von der paganen Rom-Ideologie, als deren käuflicher Sprecher er auftritt.25 Mit 'Iovem ipsorum' distanziert er sich vom Heidentum. In der Absetzung der eigenen auktorialen Sprecherfunktion ('ex per22

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Hagendahl t821a. Courcelle führt (75-80) SIL. Pun. 7,478 und SERV. ad I., sowie PS.ACRO in Hör. c.saec. 25 als Belege für eine grundsätzliche Interpretation der Stelle an, christlich TERT. Apol. 25,16, MlN.FEL. 15,1 (Freund 54.176), DRAC. Romul. 8,198 sowie AUG. ciu. 2,29. PROBA (Cento 142) wendet diese Stelle auf die Menschheit an (s. AVIT.VIEN. c. 1,176); PRUD. (c.Symm 1,538), SEDUL. (carm. pasch. 2,64) und DRAC. (laud.dei 2,23) übertragen sie auf Christus und sein Reich. S. 105,10: "non plane ita respondet ueritas. regnum hoc, quod sine fine dedisti, o qui nihil dedisti, in terra est, an in caelo? utique in terra, et si esset in caelo, «caelum et terra transient» (Mt. 24,35). transient quae fecit ipse deus; quanto citius quod condidit Romulus?' Er nimmt die ihn scheltenden Christen beiseite und gibt ihnen recht: 'forte si uellemus hinc exagitare Virgilium, et insultare, quare hoc dixerit; in parte tolleret nos, et diceret nobis: [...]'. Die Einschränkung in parte sichert Augustin ab, weil er Vergil doch nicht ganz auf die Seite der Christen ziehen kann oder will, es zu keiner echten revocatio kommt. In ähnlicher Weise begründet Augustin das Unterbleiben einer Kritik Varros am Staatskult mit Vorsicht, s. ciu. 6,8 S. 272256.

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sona mea") von der Rolle Jupiters greift er sogar einen Topos biblischen und christlichen Götterspottes auf, indem er die Statuenvorstellung hineinnimmt und den Gott zu einem sprechenden Stein macht.26 Nicht unumstritten ist der Umfang der Sermocinatio: dixi, noveram und wiederum dixi gehören eindeutig ,Vergil' zu. Deshalb muß mendax vates auf Jupiter bezogen werden, will man nicht einen eingeschobenen Kommentar durch den Prediger annehmen.27 Erst der Schlußsatz gehört nicht mehr zur Vergilrede, mit dem einerseits eben deren Ende und andererseits seine Billigung des Inhaltes signalisiert wird: 'peritura, ueritate non tacuit: semper mansura, adulatione promisit.' (s. 105,10) Den „Beweisvers" findet Augustinus im Schlußteil des 2. Georgicabuches, dem Lob des Landmannes. Seine ländliche Frömmigkeit macht ihn weise und unerschütterlich durch die Zeitläufte.28 Der eigentliche Skopos Vergils ist die Unerschütterlichkeit, bes. in Fragen von Armut und Besitz.29 Aber Augustin ist an einer Einordnung und Erklärung uninteressiert. Ihm genügt das Bruchstück, das vom Ende Roms spricht und durch das Wort regna die Assoziation zum biblischen Sprachgebrauch herstellt. Damit sei es bewiesen, daß Vergil mit dem Untergang rechne und die Ewigkeitsverheißung als Schmeichelei entlarvt sei. 30 Augustin sieht also die Möglichkeit, daß der Autor Vergil nicht seine innere Überzeugung in Verse kleidet. Er geht davon aus, daß Vergil mit einer offiziellen und einer privaten Stimme spricht - letzteres um seinen Lebensunterhalt besorgt

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Is. 46,7, vgl. Sap. 14,8-31.3. Courcelle denkt an den Kultnamen luppiter Lapis, vgl. ClC. fam. 7,12,2 und APUL. Socr. 5. Auch dort aber klingt Spott mit, der aus der Kontrastation von philosophischer Gotteskonzeption und materiellem Götterbild herrührt. Vgl. z.B. s. 180,13. Mit erheblichen Konsequenzen falsch übersetzt bei Springer, Augustine on Virgil, 340: "As the god was false, so was his prophet a liar". Springer beläßt den Satz aber innerhalb der Vergilrede, ebenso Fuchs, Widerstand 89. Das poetologische va/es-Verständnis unreflektiert auch MacCormack 189f. Gegen eine Selbstprädikation ,Vergils' als mendax vates spricht a) die 3. Person und die Parallelität zu deus falsus, b) die Stärke der Vokabel mendax, c) der Kontext: 'Vergils' Verteidigungsstrategie besteht ja gerade darin zu betonen, er habe die Wahrheit gesagt und die schmeichlerische Aeneisäußerung durch die Sprecherfigur als unwahr markiert. Der poetologische Gebrauch von vates liegt Augustin durchgängig fern; er gebraucht das Wort für pagane (in der Übertragung dann auch für biblische) Propheten. Aufschlußreich ist ciu. 19,23, 'uates mendax Apollinis' für die Fälschung eines Apollonorakels. Schnelle Sprecher- und Perspektivenwechsel sind in hochartifiziellen Literaturformen üblich, ein solcher unmarkierter Einschub innerhalb einer Sermocinatio würde aber die Hörer einer Predigt überfordern. Die hier vertretene Aufteilung auch Zwierlein 77A91. Charakterisiert durch Republik und Monarchie, Bürgerkrieg, Barbareneinfälle (konkret aus dem Donauraum), georg. 2,493-499; Augustin zitiert den zusammenfassenden Vers, Hagendahl t959; Schelkle (67-69) weist auf eine Parallele in der Auffassung dieses Verses als verhüllte Aussage (IUI.RUF. 59,17ff.), verkennt aber den ironisch-polemischen Zug bei Augustin. Servius dissoziiert ad 1. beide Glieder (ergänzt zu 'barbarorum regna peritura') und referiert die Meinung, Vergil habe mit einer allgemeinen Gefährdung des Weltreiches gerechnet. Wie Augustin schlägt er keine explizite Brücke zu den zeitgeschichtlichen Ereignissen des Bürgerkrieges. Gegen MacCormack 190 geht es um eine panegyrische Lüge (5. Kategorie in mend., s.S. 14533), nicht um eine Reduktion figurativer Dichtungsinterpretation auf den Gegensatz wahr - fiktional.

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nur vertraulich im Kreis von Christen.31 Dies darf jedoch nicht mit der Prädikation als mendax vates vermengt werden.32 Springer meint, die Technik der modernen Interpretation nach der Twovoices-Theorie bei Augustin wiederzufinden. Das aus der modernen Debatte hereingetragene Begriffspaar explizit-implizit hat keinen Anhalt in Augustins Vergilinterpretation: Zwar zeichnet dieser Vergil schlau und vorsichtig, denkt sich die Wahrheit aber gerade nicht versteckt, sondern an anderer Stelle offen ausgesprochen. Springer sieht die Vergilbeurteilung durch die Kirchenväter extrem gespalten zwischen Ablehnung und Hochschätzung als Prophet.33 Augustin habe diese Ströme zusammenführen und die Spannung zwischen Prophet und Lügner aufheben können. Das von Springer gezeichnete Bild "Augustine's feelings towards Virgil do seem to run either hot or cold"34 hält der Überprüfung nicht stand. Der Umgang mit Vergil ist nüchtern und differenziert, die Bewunderung für den Literaten kann mit ganz unterschiedlichen Urteilen über den Inhalt einhergehen.35 Aus den falsch gestellten, simplifizierenden Alternativen Prophet oder Lügner kommt Springer zu einer unzutreffenden Lösung.36 Nachdem er Augustins Vorgehen mit der modernen Interpretation fehlgedeutet hat, kann er die Parallelität beider Sichten feststellen und als Beweis für die Klassizität von Augustins hermeneutischem Zugang.37 Springer verfehlt die rhetorische Dimension, um des kurzfristigen Effektes willen an sich unhaltbare Thesen zu vertreten und eben nicht mit voller Überzeugung und Ernsthaftigkeit zu sprechen. Das rhetorische Kunststück dieser Predigt darf nicht als ernsthafte Aeneisinterpretation gewertet werden. Dafür müßten die weitreichenden Folgerungen in die Überlegung einbezogen werden, u.a. die Dissoziation von Vergil und heidnischer Religiosität.

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In ähnlich polemischer Absicht unterstellt Augustin Varro ciu. 6,9 mit der Kritik an der theologia mythica eigentlich die theologia civilis zu meinen, dies aber aus Vorsicht nur indirekt wenn auch für Kenner transparent ausgedrückt zu haben (s. Cardauns, Di gentium 376). Gegen Springer 340: "He is, as Augustine calls him in this sermon, a mendax vates, a lying prophet. In other words, he knows the truth, but for the sake of expediency refuses to express it explicitely". Diese einseitige Zeichnung der Kontraste hält einer näheren Überprüfung nicht stand, wie für die Autoren vor Lactanz die Arbeit von Freund belegt, s. bes. 361 f. (auch 21 lf., 252254, 344-347). Der Verzicht auf wörtliche Zitate und die polemische Formulierung pagantheologischer Sachverhalte mit Vergil dürfen nicht als Zeichen der Feindschaft gegen den Dichter interpretiert werden, der von den Kirchenschriftstellern etwa in den Schilderungen religiöser oder natürlicher Phänomene bleibend geschätzt wird. Springer, 339. Für das Vergillob führt er lediglich Acad. 3,4,9 an, ohne daraufhinzuweisen, daß es sich hierbei um eine nur für die Haltung in den Frühschriften bezeichnende Äußerung handelt. Wie Springer (340) anmerkt, entlastet auch diese Predigtstelle Vergil nicht völlig: sein Bild bleibt moralisch zweifelhaft; das Urteil "an unscrupulous, self-serving flatterer" (ebd.) ist aber zu hart. Springer, 342: "a lying prophet, mendax vates, in whose veiled and profound words it is possible for the discerning reader to discover Virgil's true feelings". Springer 342, "one of the most exquisite ironies of literary history". Er spricht durchgehend von der Aeneis, obwohl die entscheidende Stelle aus den Georgica stammt.

Predigten und exegetische Schriften

3

375

SaIIiist- und Vergilzitate in s. 81

Auch in s. 81 reagiert Augustin auf den Fall Roms. 38 Die Frage nach der christlichem Religion (und dem Versagen eines entsprechenden Schutzes) kontert Augustin mit dem Hinweis auf Troja und die Wanderung der später von den Römern als Schutzgötter verehrten Götter, getragen von Aeneas. Er rafft den Geschehensablauf und verzichtet zunächst auf Details bis auf den Namen Aeneas.39 Einer Abbruchformel folgen zwei prägnante Zeugnisse, um den Zusammenhang zwischen Troja und Rom (Sallust) einerseits und die Diskreditierung der Götter durch eine erlittene Niederlage andererseits (Vergil) zu belegen; abschließend faßt er das Argument in einer rhetorischen Frage mit griffigem Wortspiel zusammen: 'breuiter tarnen quod ipsorum litterae habent commemorem. auctor ipsorum omnibus notus sie loquitur: «urbem Romam, sicut ego aeeepi, condidere atque habuere initio Troiani, qui, Aenea duce profugi, sedibus incertis uagabantur» (SALL. Cat. 6,1). habebant ergo deos secum, condiderunt Romam in Latio, posuerunt ibi colendos deos, qui colebantur in Troia. inducitur a poeta ipsorum Iuno irascens Aeneae et Troianis fugientibus, et dicit, «gens inimica mihi Tyrrhenum nauigat aequor, llium in Italiam portans uictosque penates» (Aen. l,67f.): id est, deos uictos portans secum in Italiam. iam quando dii in Italiam uicti portabantur, numen erat, an omen?' (s. 81,9) Das Sallustzitat (eines von nur zwei in den Predigten) führt Augustin mit einer Umschreibung ein, die auf die allgemeine Bekanntheit des Autors abhebt. Wegen der Prominenz dürfte für jeden Gebildeten die Herkunft eindeutig sein.40 Die Einleitung des Aeneiszitats verzichtet auf eine explizite Verbindung.41 Sie gibt relativ ausführlich die epische Situation an, so daß der Zusammenhang hinsichtlich der Beweisabsicht auch dem Nicht-Vergilleser deutlich wird. Andererseits stellt die Nennung des Namens Aeneas (und der Trojaner) den sachlichen Zusammenhang zu der Translatio der Götter (Paraphrase) bzw. zur Gründung Roms (Sallustzitat) her. Augustin zitiert die beiden allgemein-begründenden Verse aus

Ende 410, s. Wlosok, Eroberung 126-128. Ab §7 geht Augustin auf das Zeitgeschehen ein. Er bestreitet den Satz 'Roma perit' (§9); deutet die Eroberung als „heilspädagogische Maßnahme Gottes" (Wlosok, a.a.O. 127), weist auf die Schonung der civitas (als Bürgerschaft) und auf die prinzipielle Endlichkeit der Schöpfung. Er schließt mit dem Aufruf zu tätiger Hilfe. MacCormack 160-168. S. 81,9: "sed quare inter sacrificia christianorum perit Roma? quare inter sacrificia paganorum arsit mater eius Troia? dii, in quibus spem suam Romani posuerunt, omnino Romani dii, in quibus spem pagani Romani posuerunt, ad Romam condendam de Troia incensa migrauerunt. dii Romani ipsi fuerunt primo dii Troiani. arsit Troia, tulit Aeneas deos fugitiuos: imo tulit deos fugiens stolidos. portari enim a fugiente potuerunt: fugere ipsi non potuerunt. et cum ipsis diis ueniens in Italiam, cum diis falsis condidit Romam. longum est cetera persequi'. Die geschichtlich-mythologischen Ausführungen sind elementar und auch für Hörer geringen Bildungsgrades verständlich. Einleitungssatz des Exkurses über die Geschichte Roms in der Catilina-Monographie, Hagendahl t542b (im selben Ausschnitt auch ciu. 3,3, s.S. 257 181 ). Eine stilistische Härte ist quod als Objekt für zwei Zeugnisse.

376

Predigten und exegetische Schriften

der Rede der luno an Aeolus.42 Irascens greift den Affekt der luno nach ihrem Eingangsmonolog auf.43 4

Die Zitierung von Vergil in expliziter Parallele zu Paulus (s.Dolb. 26,34)

In Nr. 26 der in dem Mainzer Codex neu entdeckten sermones wendet sich Augustin besonders gegen eine physiologische Götterinterpretation.44 Er führt die Auseinandersetzung parallel zu der in doctr.chr. verfolgten Linie, aber auf einfacherem Niveau.45 Bei der Argumentation gegen die Götterverehrung habe Paulus sogar auf ein paganes Zeugnis (Arat) zurückgegriffen, was an der generellen Verkehrtheit paganer Schriften allerdings nichts ändere.46 Unter den Bilderverehrern ragten die Ägypter durch eine besonders abergläubische Idolatrie heraus.47 Die Übernahme der Götter besiegter Völker durch die Römer exemplifiziert Augustin dann an den tiergestaltigen ägyptischen Göttern, die die Römer noch in historisch später Zeit zur Verehrung genötigt hätten. Er führt ein paganes Zeugnis für den Konflikt an. Den besonderen Rang dieses unwillig gegebenen götterkritischen (d.h. prochristlichen) Zeugnisses parallelisiert er explizit mit Paulus' Verwendung des Dichterzitats in Tit. 1,12. Vergil wird so als Prophet und Sprecher der Heiden aufgerufen. Gegenstand des Zitats ist der Kampf der ägyptischen und römischen Götter in der Schildbeschreibung (Aen. 8,698-700).48 Augustin wertet die Darstellungsweise als Parteinahme Ver42

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45 46

47 48

Er schneidet damit die mythologischen Züge des Windgottes wie auch die konkreten Bitten aus. Hagendahl t817a; derselbe Ausschnitt ciu. 1,3, s.S. 246 126 . Courcelle 39f. nennt als weitere Aufnahme dieser Verse nur die Paraphrase PS.C'YPR. idol. 4. Vgl. Aen. 1,50: 'flammato corde', zum Grundaffekt des Monologes conf. 1,17,27, S. I9330O 404. Die Argumentation bezüglich der Interpretation der Götter-(Bilder-)verehrung beginnt in §17; in den folgenden Paragraphen hebt er Neptun (18), Tellus(19), luno (20-22), Vulcan (23) und Mercur (24) als die Elementar-Götter heraus. Diese Zusammenstellung findet sich sonst bei Augustin nicht. Grundsätzlich kommt er in den §§25.35.47.63 auf diese Interpretation zurück. In §20 nennt er einen fiktiven Vertreter dieser kosmologischen Deutungen 'mysticus interpres'. Vgl. das Wortspiel mit colere in 21. Wie in der ciu. (und doctr.chr.) steht Varro im Hintergrund. S.Dolb. 26 (= s.Mogunt. 62),29: 'apud Athenienses cum loqueretur apostolus tamquam paganis hominibus, quia ipsi se fastigio doctrinae super gentes ceteras iactitabant, et apud illos erat quasi summa philosophia - ibi quippe exstiterunt docti et sapientes huius mundi -, cum ibi ergo loqueretur apostolus, non eis protulit testimonia de prophetis, sed de suis protulit nee taeuit ipsorum esse, non nostrorum [Die Handschrift bietet eindeutig noslros, so auch Dolbeau; nach meiner Auffassung geht der Bezug aber auf testimonia, nicht auf propheti; demnach hätte sich ein Abschreiber in der Deutung eines Kürzels vertan], quia, etsi inuenitur ibi aliquid boni, multa ibi inueniuntur mala, non sicut prophetae nostri quidquid habent in scripturis suis bonum est. apud Athenienses itaque apostolus cum de deo diceret: «in illo», inquit, «uiuimus, mouemur et sumus, sicut et quidam seeundum uos dixerunt.' Act. 17,28; zu dem falschen Bezug der Markierung s. 437 60 . Augustin benutzt in dieser Predigt auch noch das andere Dichterzitat des Paulus, Tit. 1,12. S.Dolb. 26,33, gefolgert aus Rom. 1,23. S.Dolb. 26,34: 'nam etiam aduersos fuisse deos Aegyptiorum diis Romanis non multum ante tempus incarnationis domini legitur apud auetores eorum. nam sicut dicit apostolus de Cretensibus: «dixit quidam proprius eorum propheta: » (Tit. 1,12 mit EPIMEN.), sie et nos possumus dicere: «dixit quidam proprius eorum propheta»: «omnigenumque deum monstra et latrator Anubis / contra Nep-

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377

gils i.S. einer Abwertung der ägyptischen Götter aus. Die sofortige Einigung der eben noch verfeindeten Götter erfolgt zum Zweck der effektiveren Knechtung gleich beider Völker.49

5

Vergil als Beispiel einer ex eventu-Prophetit

(s.l)olb. 23,15)

In s.Dolbeau 23 (s.Mogunt. 59) geht Augustin auf die Abgrenzung der Magier des NT von paganen (verbotenen) zeitgenössischen Praktiken ein.50 Gegen die lügnerischen Dämonenprophetien (§§13.16) stellt er die alttestamentlichen Weissagungen auf Christus, die gerade in den heiligen Schriften der Juden bewahrt würden und durch deren Zerstreuung überall als Beweis zur Verfügung stünden.51 Augustin betont, dies sei keine Fälschung ex eventu. Als Beispiel für eine solche paraphrasiert er die Heldenschau aus Aen. 6.52 Der Paraphrase schickt er eine Bemerkung voraus, die wiederum eine Staffelung der Hörer zeigt, nun nach Vergillesem und anderen. Angegeben wird nur die Herkunft aus einem Dichter allgemein.53

6

Ein Vergilvers als Motivbeleg in s.Lambot 8

Das paradoxe Weiß-Waschen der Gewänder im Blut des Lammes (Apc. 7,14) kontrastiert Augustin in s.Lambot 8 mit einer Parallele. Dazu zitiert er explizit markiert, aber ohne Hinweise auf Ursprung und Kontext zwei Halbverse aus dem Stiervergleich für die beiden Kombattanten in Aen. 12,721 f.54 Diese belegen das Motiv des .Waschens in Blut', ohne daß an eine Reinigung zu denken sei, weshalb die Apokalypse diesen wunderbaren Zug eigens hervorhebe. Aus dem Zitat-

49 50 51

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tunum et Venerem contraque Mineruam / tela tenent» (Aen. 8,698-700). indignum enim uidebatur huic poetae, quia capita canina Aegyptiorum pugnabant aduersus humana simulacra Romanorum. pugnabant autem aduersum seipsa daemonia, Aegyptiorum pro Aegyptiis, et Romanorum pro Romanis.' Derselbe Ausschnitt schon in conf. 8,2,3 (Hagendahl t911), dort allerdings nicht im Kontext besprochen, s.S. 201 350 . Augustin schneidet die Szene aus, die zwischen der menschlichen Ebene des Kampfes und dem Walten der Kriegsgötter steht. S.Dolb. 26,34, Argumentation mit ICor. 10,19f. und Rom. 1,23-25. Datierung 406 oder 412. Die Fragen berühren sich eng mit den in cons.eu. 1 behandelten. Impliziert ist das für Augustin wohl selbstverständliche hohe Alter der Weissagungen: es ist aus dem von Augustin betonten Konservatismus und der Christenfeindschaft der Juden zu folgern. S.Dolb. 23,15 (406/412): 'hoc poeta eorum quidam fecit: recognoseunt ista qui legerunt. narrauit quendam ad inferos descendisse atque inde in beatorum regionem uenisse, demonstratosque Uli Romanorum prineipes nascituros, quos iam ipse qui haec scribebat nouerat natos. praeterita enim narrauit, sed quasi futura essent praedieta conscripsit.' regio auch Aen. 6,670.886. Courcelle 495. Augustin wendet damit den von fiktiven paganen Gegnern erhobenen Vorwurf zurück. Vergil gilt hier nur technisch als der Autor einer ex even/M-Prophetie, eine Täuschungsabsicht ist nicht unterstellt. S.Lambot 8: 'nam illud non est mirum quod stolas suas in sanguine lauerunt. potest enim aliquid in sanguine lauari, unde quidam ait: «sanguine largo / colla armosque lauant» (Aen. 12,721 f.). lauant, numquid candidant? ideo uigilauit sermo diuinus, et cum dixisset: «lauerunt stolas suas», addidit quod mireris: «et Candidas eas fecerunt in sanguine agni»' (Apc. 7,14). Courcelle 695 nennt zu Aen. 12,721 f. nur DAMAS. Epigr. 21,8, bezogen auf einen Märtyrer: 'lavat omnia sanguis / vulnera', in der Dichtung sind insgesamt einige Verbindungen von „Waschen mit Blut" belegt.

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ausschnitt geht nicht einmal klar hervor, daß von Stieren die Rede ist, auch wenn literarisch versierte Hörer die Herkunft und die Situation erkennen dürften. 7

Das Bild der Blutmitgift (s. 96; 183; 267)

Eine vergilische Prägung gebraucht Augustin in den sermones 96,9, 183,1 und 267,3. Er überträgt die Vorstellung einer Blut-Mitgift aus Aen. 7,318 ('sanguine Troiano et Rutulo dotabere virgo') auf die Kirche als Braut Christi.55 Versteht man die Verwendung dieser Formel als in Hinsicht auf ihre Herkunft bewußt, liegt hier der Fall einer Rückwirkung der vergilischen Sprache und Bilderwelt auf christliche Konzeptionen vor. 8

Eubemerismus (Vergil im Hintergrund; s. 273)

Bezüge auf pagane Götter und euhemeristische Konzeptionen finden sich in s. 273, in §3 die Absetzung der Heiligenverehrung von der paganen Verehrung verstorbener Menschen als Götter (ausgehend von PASS.FRUCTUOS. 2,8). Die mythologische Dichtung wird dabei als implizite Entlarvung der Menschlichkeit der dargestellten Götter betrachtet, dergegenüber die euhemeristische Geschichtsdarstellung (ohne den Terminus aufgerufen) sowohl expliziter wie glaubwürdiger sei.56 In §6 kontrastiert Augustin die Märtyrer noch einmal mit Göttern, ein beliebiges „Weiblein" mit Iuno, einen Greis mit Hercules; in einem dritten Schritt führt er dessen Siege über Cacus, den Löwen und Cerberus auf; Fructuosus habe die Welt, die 13-jährige Agnes den Teufel besiegt, der als der Urheber von Hercules' Ruhm erscheint.57 Mit Iuno und Hercules greift Augustin zwei

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In s. 96,9 betont Augustin die Geltung des Selbstverleugnungsgebotes von Mc. 8,34 für alle Christen: 'tota sequatur ipsa unica, sequatur columba, sequatur sponsa, sequatur redempta et dotata sanguine sponsi'. In s. 183,11 (das Verhältnis von Christus als Bräutigam und der Kirche als Braut wird direkt thematisiert): 'die, sanete sponse, instrue nos de corpore tuo, de sponsa tua, de dileeta tua, de columba tua, quam dotasti sanguine tuo [...]'. In s. 267,3 wohl der früheste Beleg, die Anrede an die (pfingstliche) Kirche: 'non te fefellit deus tuus, non te fefellit sponsus tuus, non te fefellit qui suo sanguine te dotauit: non te fefellit qui de foeda pulchram, de immunda uirginem fecit'. Sicher benutzt hat Augustin die Passage und auch diese Junktur in ciu. 3,13 (nicht christianisiert, s.S. 260 196 , Hagendahl t893), also etwa zeitgleich mit den auf 412 (s. 267) bzw. 416/417 (s. 96; s. 183) datierten Predigten. Zum bildlichen Gebrauch von dolore Bannier, doto, TLL 5.1,2056f, l.66ff; die Blutmitgift noch IUST. 1,7,19; OROS. hist. 2,4,2, DRAC. Romul. 9,62; mehrere poetische Belege für von Vergil abhängige Variationen hinsichtlich der Mitgift. Der hier vorliegende christologische bzw. ekklesiologische Gebrauch ist höchst ungewöhnlich und durch die Aufnahme in ciu. 3,13 vorbereitet. S. 273,3 (21.1.396): 'auditis Iouem, auditis Herculem, auditis Neptunum, auditis Plutonem, Mercurium, Liberum et ceteros: homines fuerunt. non ista solum in fabulis poetarum, sed etiam in historia gentium declarantur, qui legerunt, nouerunt: qui non legerunt, credant eis qui legerunt.' Augustin rechnet auch hier mit unterschiedlichen Leseerfahrungen seines Publikums. S. 273,6: 'contra unam aniculam fidelem christianam quid ualet Iuno? contra unum infirmum et trementem omnibus membris senem christianum quid ualet Hercules? uicit Cacum. uicit Hercules leonem, uicit Hercules canem Cerberum: uicit Fructuosus totum mundum. compara uirum uiro. Agnes, puella tredeeim annorum, uicit diabolum. eum puella ista uicit, qui de Hercule multos deeepit.'

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zentrale Figuren der Aeneis auf, mythologische Gestalten, die seiner Zuhörerschaft noch am ehesten bekannt gewesen sein dürften.58 9

Ein Zitat aus Seneca (s.Frangip. 8)

Eines der beiden Zitate aus Senecas Tragödien (Troad. 291) gebraucht Augustin in einer Predigt am Geburtsfest des hl. Johannes, an dem er Überbleibsel paganer Feste (nun nicht mehr 'in daemonum honorem', aber noch 'secundum daemonum morem') kritisiert, insbesondere die Johannesfeuer am Vorabend, die offenbar Schäden in der Stadt angerichtet haben. Die Erwachsenen hätten gegen diese Kinderstreiche einschreiten müssen, was er mit einer explizit als Zitat eingeführten (und sprachlich seinem Predigtstil entsprechend vereinfachten) pädagogischen Maxime begründet.59 10

Ein Sallustzitat (s.Denis 14)

In s.Denis 14 wendet Augustin sich gegen die Laster, insbesondere gegen die curiositas (§3) und gegen die superbia, die er mit Iac. 4,6 geißelt. Einem fiktiven Interlocutor, der die Politik aus diesem Verdikt ausnehmen will, begegnet er mit einem paganen Zitat, das implizit die Berufung auf Sachzwänge zu einem bloßen Vorwand erklärt.60 Augustin zitiert den Satz aus dem Proömium des Bellum Iugurthinum nur hier, andere Kirchenväter verwenden ihn nicht. 11

Ein zweimal verwendetes Cicerozitat (s.Denis 23,2; s.Guelf. 31,2)

In s.Denis 23,2 und s.Guelf. 31,2 verwendet Augustin ein Cicerozitat (Marceil. 27) als Ausgangspunkt für eine christliche Überbietung. Ausgehend von Ps. 145,2 («psallam deo meo, quamdiu uiuo») spitzt er das Verständnis auf „ewiges Leben" zu, da nur dieses lang genannt werden könne. Ein solches Verständnis müsse Christen einleuchten, wo es doch schon bei Paganen zu finden sei. Im einen Fall ist die Einleitung des Zitates eine recht transparente Periphrase,61 im anderen Fall ist sie bewußt anonymisiert (Desakzcntuierung).62

Geschickt ist die Schlußwendung, in der der Teufel sowohl direkt wie auch indirekt in seinem Machwerk, der Mythologie, als besiegt erscheint. Über den Ausgangspunkt der Passio des Fructuosus hinaus dürfte noch die in §8 besprochene Fehlinterpretation von Barnabas und Paulus als luppiter und Merkur die mehrfachen Vergleiche zwischen paganen Göttern und den Märtyrern bestimmt haben. S.Frangip. 8,5: ,ait enim quidam: «qui non uetat peccare, cum potest, iubet»' SFN. Troad. 291, dort possit, Hagendahl t586, nicht bei Otto. S.Denis. 14,4: 'nescio quis auetor ipsorum ait: «suam quisque eulpam auetores ad negotia transferunt»', SAI.L. lug. 1,4, Hagendahl t572. S.Denis. 23,2 (410): 'quidam sapientum mundi, eloquentissimus homo dixit: «quid enim hoc ipsum diu, in quo est aliquid extremum?»' (ClC. Marcell. 27, Hagendahl tlOOa). Eine zusammenfassende Wiederaufnahme in §3, ein inhaltlicher Nachhall in ciu. 12,13. Unmarkiert der Nachhall en.Ps. 30,2,8 (Hagendahl tlOOc; tlOOd demgegenüber eine bloße gedankliche Similie). S.Guelf. 31,2 (410/412): 'quod intellexit nescio quis auetor paganorum, qui dixit [...]' (ClC. Marcell. 27, Hagendahl tlOOb).

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380

12

Weitere pagane Bezüge

Beiläufig wendet Augustin eine polemische Bemerkung gegen die Dichter in s. 43,4. 63 Ein allgemeiner Hinweis auf pagane Literatur findet sich in s. 177,!. 64 Ein Sprichwort aus dem Gladiatorenkontext zitiert und erklärt Augustin in s.Dolb. 14,6.65

F.2

Epistulae ad Romanos inchohata expositio

In den drei beinahe gleichzeitigen Schriften zu Paulus 66 findet sich nur ein greifbares paganes (und überhaupt nichtbiblisches) Zitat. In der Epistulae ad Romanos inchohata expositio kommt Augustin an zweiter Stelle seiner Einzelauslegung zur Ankündigung des Evangeliums 'per prophetas suos [sc. Dei]' in Rm. 1,2. Er erklärt diese Wendung zunächst67 mit der Existenz paganer Prophet(inn)en, bei denen auch Weissagungen über Christus gefunden werden könnten. Konkret nennt er die Sibylle, deren Weissagung er hier durch die vorchristliche Niederschrift durch Vergil beglaubigt sieht. Augustin zitiert dafür ecl. 4,4, 68 den leicht ablösbaren Mottovers, der sonst in den christlichen Aufnahmen der 4. Ecloge keine Rolle spielt.69 Grund für diesen spezifischen Zugriff ist das Bedürfnis nach einer Brücke zwischen der Christus weissagenden Sibylle (von Cumae) und Vergil als unanfechtbarer zeitlicher Einordnung. Augustins Themenbestimmung, die die Gemeinsamkeit von Ecloge und Christusprophetie herstellt, ist die bei

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69

Einen fiktiven Interlocutor, der über Einsicht zum Glauben gelangen will, konfrontiert Augustin mit 'crede ut intellegas'; einen Schiedsrichter könnten sie am ehesten in einem von Gott inspirierten Menschen finden; mit der Gegenüberstellung von poeta (Repräsentant der hier abgelehnten paganen Literatur) und propheta leitet Augustin zu IPt. 1,19 in 43,5 Opropheticum sermonem") über, s. 43,4: 'non eamus ergo in hac re et in hac controuersia ad litteras saeculares, non inter nos iudicet poeta, sed propheta. Abzulehnen sind als vergilische Wendungen s.Dolb. 18,8.10 ' parat i ergo semper esse debemus ad utrumque). ebenso s. 133,6 'ego ad utrumque te audire paratus sum', s.S. 209 395 . Zu Beginn einer Predigt über lTm. 6,9f. konstatiert Augustin den Widerspruch zwischen der (nahezu) einhelligen theoretischen Verdammung der Habgier und ihrer Macht in der Praxis, die den Wert theoretischer Kritik an ihr erheblich relativiere. Augustin nennt (pagane) Dichter, Geschichtsschreiber, Redner und Philosophen und zusammenfassend eine allgemeine Formel, s. 177,1: 'et poetae et historici et oratores et philosophi, et omne litterarum et professionum genus'. S.May. 14,6: 'sie sunt desperati gladiatores, unde etiam prouerbium natum est: retro a saucio'. Exp.prop.Rm., exp.Gal., ep.Rm.inch., datiert auf 394-395. Dann deutet er 'in scriptum sanetis' als Einschränkung gegen pseudochristliche falsche Propheten. Ep.Rm.inch. 3: 'fuerunt enim et prophetae non ipsius, in quibus etiam aliqua inueniuntur, quae de Christo audita cecinerunt, sicut etiam de Sibylla dicitur, quod non facile crederem, nisi quod poetarum quid,im in Romana lingua nobilissimus, antequam diceret ea de innouatione saeculi, quae in domini nostri Iesu Christi regnum satis concinere et conuenire uideantur, praeposuit uersum dicens: «ultima Cumaei iam uenit carminis aetas». (ecl. 4,4) Cumaeum autem Carmen Sibyllinum esse nemo dubitauerit.' Hagendahl t940a (auch ciu. 10,27). Die in ciu. für ihn primären Sibyllensprüche hatte Augustin hier offenbar noch nicht entdeckt. Die Frage der Inspiration bleibt offen ('audita'). Courcelle, Les exegeses chretiennes de la quatrieme Eglogue und Benko, Virgil's fourth Eclogue (beide ohne die hier besprochene Stelle); Wlosok, Zwei Beispiele 444-455.

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381

ihm einmalige Junktur 'innovatio saeculi'. 70 Den Namen nennt er nicht, aber die Paraphrase ist trotz ihrer Allgemeinheit transparent (vor allem die literarkritische Heraushebung), zumal der Vers hochsignifikant ist. Die Erklärung leistet dann explizit die für das Argument benötigte Identifikation.71 Im Anschluß beruft sich Augustin dann auf Paulus' Areopagrede für das Auffinden von 'testimonia veritatis' bei Paganen.72 F.3

De Genesi ad littcram libri duodecim

Unter den drei Genesis-Kommentaren73 Augustins finden sich lediglich in dem letzten und umfangreichsten, De Genesi ad litteram, deutliche pagane Bezüge: Augustin zitiert Lucan und Horaz, an drei Stellen ist Vergil der mutmaßliche Bezugspunkt von Sachaussagen. Unter den vielen Similien zu paganen Prosaikern, vor allem zu kosmologischen und philosophischen Themen,74 ragt eine Auseinandersetzung mit Apuleius heraus.75 1

Lucan als Sachautorität (n Z,4VU ^W SECUNDIN. epist. p.895,8-10 344 p.895,17-20 344 p.895,20-22 344 p.896,12-16 344 p.896,21-22 344 p.896,23-897,1 345 p.897,1-5 345 p.905,12-15 345 p.941,llf. 345 p.941,16-19 345 SEN

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'

^

2,390 740 2,761247 3,237 354 3,376 27/ 3 5 8 7 ' ^ 3,628f. 272 4,320 267 4,419 278 4,493 278 4,638 763 5,755 114 6,9 78 6 ,278 322 6 ,404 370 6,638 385 6,713 282 6,719 370 6,744 282 6,748 282 6 818 266 > 7,266 267 7,586 86 8,184 403 8,190 297 8,302 305 8,479.485 479 8,498 85 9 >282 85 10,392 223 11,309 224 11,644 386 12,687 96 ed 1,69 387 2,1.6.73 727 2,65 393 3 ! 52 > 3 59 > « 3,60 268

502

3,104 52 4,13 309,355 4,13f. 354 4,35 276 7,21 154 8,41 221 georg. 2,460 96 2,498 575 3,130 404 in art.Don. 444,16 759 praef. ecl. 1.85 387 SlDON.

carm. 5,515 128 ep. 5,14 335 SIL.

Pun. 6,568 182 SOL.

1,72 301 7,2 295 8,5f. 381 19,12 742 32,35 295 37,16.21 295 45,18 295 52,49 295 SORAN

Testimonium 4/5 STAT. Theb.

3,408f. 383 STAT. eccl.ant.

p. 167,1.12 426 STESICH.

fr. 15P 333 SULP.SEV.

chron. 1,1,4 37 dial. 1,9,3 343 Mart. 22,1 325 SUPPL. Lucan.

3378 409 SVF 3,658 89

Indices TAC. hist. 1,26 245 3,80,2 177 TER.

Ad. 57f. 527 75 527 96f. 326 769 326 821-825 348 824 358 825 555 864 777 867 209 867f. 296 Andr. 61 68,392 68 202,342 189 577 196-205, bes. 204f. 700 204 32, 100 305f. öS, 277, 300 306 257 307f. 257 309 408 407f. 559 565 776 Eun. 57f. 557 59f. 296 222f. 575 331 61 490f. 249 584 192,307 584f. 792,249 585-591 507 589-591 792 590 797 590f. 792 591 209 626 60 688 776 761 67 1024 f. 72 1027f. 579 Heaut. 75-77 577 77 405

242 65 519 65,760 719 420 Hec. 17 575 Phorm. 318 577 419 55 780 557 s. ClC. Verr. 2,3,62 76,527 TER.MAUR.

Testimonium 726 89-93 709 1796 709 1809f. 709 1913 107,430 1999-2004 770 2358-2370 709 2798-2803 705 2846 705 2857 770 2862f. 770 2964f. 709 Metr.2846 277 TERT.

adv.Marc. 3 235 adv.nat. 2,13 297 adv.Val. 182,5 255 apol. 14,19 256 25,8 265 Apol. 25,16 372 pall. 4 579 4,40 270 PS.TERT.

execr. 2 230 TlBERIAN.

frg. 8B1. 7/0 TRF 397 92 VAL.MAX.

9,1,1 69 VAL.SORAN.

carm.frg. 2B1. 165,273

Indices

503

3B1. 163 VARRO

Testimonien 138, 290 ling. 5.43 292 5,57ff. 164 5,83 269 7,6 163 Men. 579a 111 r.d. frg. (Cd.) 7 272 14,15 267

14-16 229 19 270 20 257 39 228 56 164 131 764 212 755, 154 220a 272 235 272 243.247 233 256 764 l,VCd. 269 r.d. fr. (Ag.) 10a Ag. 755

58bAg. 232 rvst. 2,5,4 290 3,3,10 69 gramm. 4,253,19 424

VLT.SYLL.

VOLUS. Aug. ep. 135.1 349,350 135.2 350,445 ZENO

2,12 79

VI.5 Liste der Vergilzitate Augustins (nach den Augustinstellen geordnet) Acad. 1,1,4 Acad. 1,6,18 Acad. 2,1,1 49 Acad. 2,7,18 Acad. 2,7,19 Acad. 2,9,22 Acad. 3,4,9 Acad. 3,5,11 452 54 Acad. 3,6,13 452 54 Acad. 3,14,30 59 an.et or. 3,2 an.quant. 17,30 an.quant. 23,41 ciu. lprooem ciu. 1,2 245 ciu. 1,3 246 ciu. 1,4 247 ciu. 1,19

Aen. 9,312f. 45 Testimonien 56 Aen. 8,535/12,739 Aen. 11,424 50 Aen. 4.181-183 57 Aen. 8,439.441 53 ecl. 3,104-107 57 georg. 4,338/387-

Aen. 6,434-436 299 ciu. 2,22 254 ciu. 2,25 ciu. 2,29 ciu. 3,2

georg. 4,338/387Aen. 2,152(2,106) georg. 3,468f. 416 georg. 3,469 328 Aen. 12,687 95 georg. 2,460 95 ecl. 9,32 97 Aen. 6,853 244 Aen. 2,166-168 Aen. 2,169f. 245 Aen. 2,501 245 Aen. l,67f. 246 Aen. 2,293 247 Aen. 2,319-321

ciu. ciu. ciu. ciu. ciu. ciu.

3,3 3,7 3,7 3,10 3,13 3,14

ciu. 3,15 ciu. 3,16

ciu. 4,3 Aen. 2,761-767 Aen. 6,434 299

ciu. 4,9 ciu. 4,10

Aen.6,438f. 299 Aen. 2,351 f. 253, Aen. 2,351 f. 254 Aen. l,278f. 255 Aen. 4,234 255 Aen. ll,24f. 255 Aen. 4,542 256 Aen. 5,810 256 Aen. 5,811 256 georg. 1,502 256 Aen. 2,351 f. 257 Aen. 2,351 f. 258 Aen. 9,247 257 Aen. 8,326f. 258 Aen. 1,281 f. 25P Aen. 2,351 f. 267 Aen. 8,613-615 267 Aen. 2,351 f. 267 Aen. 2,351 f. 262 Aen. 6,820-823 262 Aen.6,820f. 262 Aen. 6,823 262 Aen. 6,730-732 280 Aen.6,733f. 280 ecl. 3,60 267 Aen. 1,47 268

504

Indices

ciu. 4,11 ciu. 5,12

ciu. 5,18 ciu. 5,19 ciu. 7,3 ciu. ciu. ciu. ciu.

7,9 7,27 8,18 8,19

ciu. ciu. ciu. ciu. ciu. ciu.

9,4 9,16 10,1 10,10 10,11 10,21

ciu. 10,27 ciu. ciu. ciu. ciu.

10,30 11,5 13,19 14,5

ciu. ciu. ciu. ciu. ciu. ciu.

14,7 14,9 15,9 16,6 18,13 18,15

ciu. 18,19

ecl. 3,60 268 georg. 2,325 268 georg. 4,221 f. 269 Aen. 1,279-285 264 Aen. 6,847-853 264 Aen. 8,646-648 264 Aen. 8,703 263 Aen. 6,820-823 266 Aen. 7,266 266 Aen. l,46f. 274 Aen. 5,302 273 georg. 2,490 272 Aen. 8,319f. 273 Aen. 7,338 275 Aen. 4,492f. 278 ecl. 8,98 278 Aen. 4,449 279 georg. l,5f. 275 Aen. 1,12 300 georg. 4,411 276 Aen. 10,642 276 Aen. 3,438f. 276 Aen. 3,439 277 Aen. 7,310 276 ecl.4,13f. 277 ecl. 4,4 277 Aen. 6,750f. 282 Aen. 5,320f. 242 Aen. 6,750f. 282 Aen. 6,721 283 Aen. 6,731 f. 283 Aen. 6,732f. 283 Aen. 6,736f. 283 Aen. 6,738 283 Aen. 6,746f. 283 Aen. 6,751 283 Aen. 6,819-821 283 Aen. 6,733 280 Aen. 6,733 281 Aen. 12,899f. 293 Aen. 4,592 289 Aen. 6,27 290 Aen. 6,321-325 296» Aen. 7,30ff. 291

Aen. 7,45 291 Aen. 6,767 292 Aen. 8,195f. 297 Aen. 8,198f. 297 ciu. 19,23 Aen. 7,337f. 276 ciu. 20,24 Aen. 2,694 300 Aen. 2,696 300 ciu. 21,13 Aen. 6,731-742 285 Aen. 6,741 285 Aen. 6,742 285 ciu. 21,27 Aen. 6,664 286 ciu. 21,3 Aen. 6,731 f. 284 ciu. 21,3 Aen. 6,733 284 Aen. 4,489 285 ciu. 21,8 Aen. 6,721 287 ciu. 22,26 Aen. 6,751 287 Testimonium 183 conf. l,13,20f Aen. 6,457 188 conf. 1,13,21 Aen. 2,772 189 conf. 1,13,22 Testimonium 185 Aen. 9,942 206 conf. 6,1,1 Aen. 6,698-700 conf. 8,2,3 201 Aen. 7,53 201 conf. 9,9,19 cons.eu. 1,23.31 ecl. 3,60 229 georg. 2,325f. 230 cons.eu. 1,23,32 ecl. 9,47 232 cons.eu. 1,23,35 Aen. 8,320-323 233 ecl. 3,60 233 cons.eu. 1,23,35 georg. 3,468f 417 corrept. 46 georg. 3,513f. 423 Cresc. 3,75,87 Aen. 3,498f. 424 Cresc. 4,55,65 georg. 3,513 f. 424 Aen. 6,327f. 214 cura mort. 2,3 cura mort. 13,16 Aen. 9,492 217 Aen. 1,1 113 dial. 5 Aen. 5,755 114 dial. 6 georg. 3,223 114 georg. 4,487 114 dial. 10 diuin.daem. 7,11 Aen. 10,630-632 239 Aen. 1,2 159 doctr.chr. 2,56,136 doctr.chr. 4,42,119 Aen. 7,507 177 Aen. 11,361 392 en.Ps. 18,2,15 Aen. 9,19f. 391 en.Ps. 118,29,3 Aen. 4,419 218 ench. 2,8 Aen. 10,100 219 ench. 3,11 Aen. 10,392 222 ench. 7,20 ciu. 18,21 ciu. 19,12

505

Indices ench. 13,44 ench. 16,60 ep. 14,2 ep. 15,2 ep. 17,2 ep. 17,3 ep.73,1 ep.91,2 ep. 104,6 ep. 104,11 ep. 137,2 ep. 137,12 ep. 180,3 ep. 190,19 ep. 2*,6 ep.Rm.inch. 3 c.Faust. 22,25

Io.eu.tr. 26,4 Io.eu.tr. 43,6 Io.eu.tr. 47,9 c.Iul. 3,32 c.Iul. 4,67 c.Iul. 6,1 c.Iul. 6,21 c.Iul.imp. 2,104 loc. 1,94 loc. 4,47 loc. 4,47 loc. 5,28 loc. 6,10 mag. 2,3 mus. 2,2,2 mus. 4,15,26 mus. 5,3,3

mus. 5,4,8 mus. 5,5,9

Aen. 2,20 223 Aen. 11,309 224 Aen. 10,391 320 Aen. 5,848f. 320 Aen. 8,302 304 Aen. 8,319f. 305 ecl. 2,65 305 Testimonium 337 Aen. 7,643 f. 306 Aen. 8,326 308 ecl.4,13f. 309 ecl. 4,61 352 ecl. 4,25 354 georg. 1,75 328 Aen. 1,279 323 Aen. 9,13 324 ecl. 4,4 380 Aen. 1,212 131, 135 Aen. 2,715 135 ecl. 2,65 393 georg. 1,75 394 Aen. 9,59f. 394 Aen. 12,948f. 400 Aen. 1,216 402 Aen. 8,184 402 Aen. 6,428f. 406 georg. 2,57f. 405 Aen. 11,361 401 Aen. 3,237 384 Aen. l,200f. 385 Aen. 1,365 385 Aen. 1,284 385 Aen. 8,661 f. 384 Aen. 2,659 99 Aen. 1,1 106 Aen. 9,503 10? Aen. 1,1-4 106 Aen. 1,2-7 106 Aen. 3,549 106 Aen. 3,549 107 Aen. 1,1-4 106

1,1 107 1,1 107 1,1 707 3,88f. 74 10,875 73, 75,76 Aen. 10,876 74 Aen. ll,787f. 76 georg. 4,354 84 ord. 1,9,26 Aen. l,745f.= ord. 2,11,34 georg. 2,481 f. 87 ecl. 9,32 87 Aen. 7,586 86 ord. 2,20,54 ecl. 1,69 387 qu. 1,95 Aen. 6,853 388 qu. 6,14 Aen. 2,390 140 qu.53,1 Aen. l,67f. 375 s. 81,9 Aen. l,278f. 372 s. 105,10 Aen. 1,279 372 georg. 2,498 372 Aen. 6,715 368 s. 241,4 Aen. 6,739-751 368 Aen. 6,745 368 Aen. 6,749f. 368 Aen. 6,751 368 Aen. 6,719-721 s. 241,5 369 Aen. 6,721 369 Aen. 6,726 367 Testimonium 377 s.Dolb. 23,15 Aen. 8,698-700 s.Dolb. 26,34 376 Testimonium 377 s.Lambot 8 Aen.3,628f. 212 trin. 14,9,12 georg. 3,513f. 272 trin. 14,14,18 Aen. 10,159f. 275 trin. 15,16,25 uerarel. 26,48,131 Aen. 8,326 777 Aen. 6,611 128 util.cred. 2,4 Aen. 6,566-569 util.cred. 4,10 725

mus. 5,6,11 mus. 5,10,21 mus. 5,11,23 ord. 1,4,10

Aen. Aen. Aen. Aen. Aen.

VI.6 Liste der Vergilzitate Augustins (nach den Vergilstellen geordnet) Aen. 1,1

dial. 5 775 mus. 2,2,2 706 mus. 5,6,11 707 mus. 5,10,21 707

Aen. 1,1-4

mus. 5,11,23 707 mus. 5,3,3 706 mus. 5,5,9 706

Indices;

506 Aen. 1,2 159 Aen. 1,2-7 Aen. 1,12 Aen. l,46f. Aen. 1,47 Aen. l,67f. Aen. l,200f. Aen. 1,212 135 Aen. 1,216 Aen. l,278f.

doctr.chr. 2,56,136 mus. 5,3,3 106 ciu. 10,1 300 ciu. 7,3 274 ciu. 4,10 268 ciu. 1,3 246 s. 81,9 375 loc. 4,47 385 c.Faust. 22,25 131,

c.Iul. 4,67 402 ciu. 2,29 255 s. 105,10 372 ep. 190,19 323 Aen. 1,279 s. 105,10 372 Aen. 1,279-285 ciu. 5,12 264 ciu. 3,13 259 Aen. 1,281 f. loc. 5,28 385 Aen. 1,284 loc. 4,47 385 Aen. 1,365 Aen. 1,745 f. = georg. 2,481 f. ord. 2,11,34 87 ench. 13,44 223 Aen. 2,20 Aen. 2,152 Acad. 3,14,30 59 (2,106) Aen. 2,166-168 ciu. 1,2 245 ciu. 1,2 245 Aen.2,169f. ciu. 1,3 247 Aen. 2,293 Aen. 2,319-321 ciu. 1,3 246 ciu. 2,22 253,254 Aen. 2,3 51 f. ciu. 2,25 254 ciu. 3,3 257 ciu. 3,7 258 ciu. 3,14 261 ciu. 3,15 261 ciu. 3,16 262 qu. 53,1 140 Aen. 2,390 ciu. 1,2 245 Aen. 2,501 mag. 2,3 99 Aen. 2,659 ciu. 20,24 300 Aen. 2,694 ciu. 20,24 300 Aen. 2,696 c.Faust. 22,25 135 Aen. 2,715 Aen. 2,761-767 ciu. 1,4 247 conf. 1,13,22 189 Aen. 2,772 ord. 1,4,10 74 Aen. 3,88f. loc. 1,94 384 Aen. 3,237 ciu. 10,21 276 Aen. 3,438f. ciu. 10,21 277 Aen. 3,439 Cresc. 4,55,65 424 Aen. 3,498f. mus. 5,3,3 106 Aen. 3,549

mus. 5,4,8 107 trin. 14,9,12 212 Acad. 2,7,19 57 ciu. 2,29 255 ench. 2,8 218 ciu. 9,4 279 ciu. 21,8 285 ciu. 8,19 278 ciu. 3,2 256 ciu. 16,6 289 ciu. 7,3 273 ciu. 11,5 242 dial. 6 114 ciu. 3,2 256 ciu. 3,2 256 ep. 15,2 320 ciu. 18,13 290 ciu. 18,15 290 cura mort. 2,3 214 c.Iul. 6,1 406 ciu. 1,19 299 ciu. 1,19 299 ciu. 1,19 299 conf. 1,13,21 188 util.cred. 4,10 123 util.cred. 2,4 128 ciu. 21,27 286 conf. 8,2,3 201 s. 241,4 368 s. 241,5 369 ciu. 14,5 283 ciu. 22,26 287 s. 241,5 369 s. 241,5 367 Aen. 6,726 Aen. 6,730-732 ciu. 4,3 280 Aen. 6,731-742 ciu. 21,13 285 ciu. 14,5 283 Aen. 6,731 f. ciu. 21,3 284 ciu. 14,5 283 Aen. 6,732f. ciu. 14,7 280 Aen. 6,733 ciu. 14,9 281 ciu. 21,3 284 ciu. 4,3 280 Aen. 6,733f. ciu. 14,5 283 Aen. 6,736f. ciu. 14,5 283 Aen. 6,738 s. 241,4 368 Aen. 6,739-751 ciu. 21,13 285 Aen. 6,741 ciu. 21,13 285 Aen. 6,742 s. 241,4 368 Aen. 6,745 ciu. 14,5 283 Aen. 6,746f. Aen. 3,628f. Aen. 4,181-183 Aen. 4,234 Aen. 4,419 Aen. 4,449 Aen. 4,489 Aen. 4,492f. Aen. 4,542 Aen. 4,592 Aen. 5,302 Aen. 5,320f. Aen. 5,755 Aen. 5,810 Aen. 5,811 Aen. 5,848f. Aen. 6,27 Aen. 6,321-325 Aen. 6,327f. Aen. 6,428f. Aen. 6,434 Aen. 6,434-436 Aen. 6,438f. Aen. 6,457 Aen. 6,566-569 Aen. 6,611 Aen. 6,664 Aen. 6,698-700 Aen. 6,715 Aen. 6,719-721 Aen. 6,721

507

Indices s. 241,4 368 ciu. 10,30 282 ciu. 13,19 282 ciu. 14,5 283 Aen. 6,751 ciu. 22,26 287 s. 241,4 368 ciu. 18,21 292 Aen. 6,767 Aen. 6,819-821 ciu. 14,5 283 Aen. 6,820-823 ciu. 3,16 262 Aen. 6,820-823 ciu. 5,18 266 ciu. 3,16 262 Aen. 6,820f. ciu. 3,16 262 Aen. 6,823 Aen. 6,847-853 ciu. 5,12 264 ciu. lprooem 244 Aen. 6,853 qu. 6,14 388 ciu. 18,19 291 Aen. 7,30ff. ciu. 18,19 291 Aen. 7,45 conf. 9,9,19 201 Aen. 7,53 ciu. 5,19 266 Aen. 7,266 ciu. 10,21 276 Aen. 7,310 ciu. 19,23 276 Aen. 7,337f. ciu. 8,18 275 Aen. 7,338 doctr.chr. 4,42,119 Aen. 7,507 177 ord. 2,20,54 86 Aen. 7,586 ep. 91,2 306 Aen. 7,643f. c.Iul.4,67 402 Aen. 8,184 ciu. 19,12 297 Aen. 8,195f. Aen. 8,198f. ciu. 19,12 297 Aen. 8,302 ep. 17,2 304 Aen. 8,319f. ciu. 7,27 273 ep. 17,3 305 Aen. 8,320-323 cons.eu. 1,23,35 233 ep. 104,6 308 Aen. 8,326 uerarel. 26,48,131 117 ciu. 3,10 258 Aen. 8,326f. Aen. 8,439.441 Acad. 2,9,22 53 Aen. 8,535/ Acad. 2,1,1 49 12,739 Aen. 8,613-615 ciu. 3,14 261 Aen. 8,646-648 ciu. 5,12 264 loc. 6,10 384 Aen. 8,661 f. Aen. 8,698-700 s.Dolb. 26,34 376 ciu. 5,12 263 Aen. 8,703 ep. 2*,6 324 Aen. 9,13 en.Ps. 118,29,3 391 Aen. 9,19f. Io.eu.tr. 47,9 394 Aen. 9,59f. ciu. 3,7 257 Aen. 9,247 Acad. 1,1,4 45 Aen. 9,312f.

Aen. 6,749f. Aen. 6,750f.

Aen. 9,492 Aen. 9,503 Aen. 9,942 Aen. 10,100 Aen. 10,159f. Aen. 10,391 Aen. 10,392 Aen. 10,630632 Aen. 10,642 Aen. 10,875 Aen. 10,876 Aen. ll,24f. Aen. 11,309 Aen. 11,361

curamort. 13,16 217 mus. 4,15,26 707 conf. 6,1,1 206 ench.3,11 219 trin. 15,16,25 213 ep. 14,2 320 ench. 7,20 222

diuin.daem. 7,11 239 ciu. 10,11 276 ord. 1,4,10 73, 75, 76 ord. 1,4,10 74 ciu. 2,29 255 ench. 16,60 224 c.Iul.imp. 2,104 401 en.Ps. 18,2,15 392 Acad. 2,7,18 50 Aen. 11,424 Aen. ll,787f. ord. 1,4,10 76 an.quant. 17,30 95 Aen. 12,687 Aen. 12,899f. ciu. 15,9 293 Aen. 12,948f. c.Iul.3,32 400 qu. 1,95 387 ecl. 1,69 ep. 17,3 305 ecl. 2,65 Io.eu.tr. 26,4 393 ciu. 4,9 267 ecl. 3,60 ciu. 4,10 268 cons.eu. 1,23,31 229 cons.eu. 1,23,35 233 ecl. 3,104-107 Acad. 3,4,9 51 ciu. 10,27 277 ecl. 4,4 ep.Rm.inch. 3 380 ciu. 10,27 277 ecl.4,13f. ep. 104,11 309 ep. 137,12 354 ecl. 4,25 ep. 137,2 352 ecl. 4,61 ciu. 8,19 278 ecl. 8,98 an.quant. 23,41 97 ecl. 9,32 ord. 2,11,34 87 cons.eu. 1,23,32 232 ecl. 9,47 ciu. 9,16 275 georg. l,5f. ep. 180,3 328 georg. 1,75 Io.eu.tr. 43,6 394 ciu. 3,2 256 georg. 1,502 ciu. 4,10 268 2,325 georg. cons.eu. 1,23,31 230 georg. 2,325f. an.quant. 17,30 95 georg. 2,460 ciu. 7,9 272 georg. 2,490 s. 105,10 372 georg. 2,498 c.Iul. 6,21 405 georg. 2,57f. dial.6 114 georg. 3,223

508 georg. 3,468f georg. 3,468f. georg. 3,469 georg. 3,513f. georg. 4,221 f. georg. 4,338/ 387-452

Indices corrept. 46 417 an. et or. 3,2 416 an.et or. 3,2 328 Cresc. 3,75,87 423 Cresc. 4,55,65 424 trin. 14,14,18 212 ciu. 4,11 269 Acad. 3,5,11 54 Acad. 3,6,13 54

Baywtete

Stent ofcKJothek München

georg. 4,354 georg. 4,411 georg. 4,487 Testimonium

ord. 1,9,26 84 ciu. 10,10 276 dial. 10 114 Acad. 1,6,18 56 ep. 73,1 337 s.Dolb. 23,15 377 s.Lambot 8 377 conf. l,13,20f 183 conf. 1,13,22 185