Fontane und Hölderlin: Romantik-Auffassung und Hölderlin-Bild in »Vor dem Sturm« [Reprint 2015 ed.] 9783110938913, 9783484320918

The study begins by advancing an interpretation of "Vor dem Sturm" that emphasizes the construction of the wor

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German Pages 134 [136] Year 1997

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Fontane und Hölderlin: Romantik-Auffassung und Hölderlin-Bild in »Vor dem Sturm« [Reprint 2015 ed.]
 9783110938913, 9783484320918

Table of contents :
I. Hölderlin und Fontane, Fontane und Tolstoi
II. »Vor dem Sturm«: Ein Blick auf das Ganze
III. Realismus und Romantik
IV. Neuromantik - Dr. Faulstich und Novalis
V. Altromantik - Hansen-Grell und Hölderlin. Hölderlins Rang. Ein Hölderlin-Gedicht als Leitmotiv des Romans
VI. Fontanes ästhetisches Altersprogramm einer Synthese von Romantik und Realismus
VII. Fontanes Hölderlin-Verständnis in der Rezeptionsgeschichte des 19. Jahrhunderts
Literaturverzeichnis

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Rolf Zuberbühler

Fontane und Hölderlin Romantik-Auffassung und Hölderlin-Bild in »Vor dem Sturm«

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1997

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Jubiläumsstiftung der Kantonsschule Winterthur 1963

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Zuberbühler,

Rolf:

Fontane und Hölderlin : Romantik-Auffassung und Hölderlin-Bild in "Vor dem Sturm" / Rolf Zuberbühler. - Tübingen : Niemeyer, 1997 (Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte ; Bd. 91) NE: GT ISBN 3-484-32091 -5

ISSN 0083-4564

© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1997 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gill insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Satz: Johanna Boy, Regensburg Druck: Weihert-Druck, Darmstadt Einband: Hugo Nädele, Nehren

Inhalt

I.

Hölderlin und Fontane, Fontane und Tolstoi

II.

»Vor dem Sturm«: Ein Blick auf das Ganze

1 11

III. Realismus und Romantik

48

IV. Neuromantik - Dr. Faulstich und Novalis

57

V.

Altromantik - Hansen-Grell und Hölderlin. Hölderlins Rang. Ein Hölderlin-Gedicht als Leitmotiv des Romans

63

VI. Fontanes ästhetisches Altersprogramm einer Synthese von Romantik und Realismus

79

VII. Fontanes Hölderlin-Verständnis in der Rezeptionsgeschichte des 19. Jahrhunderts

89

Literaturverzeichnis

115

V

Es kam die französische Revolution, und der Gottesodem der Freiheit wehte über die Welt. Er berührte auch Prcussen; Stein wurde Minister, und in den Jahren der Erniedrigung wurde uns ein wahrhaft königliches Geschenk - die Städteordnung. [...] Das Jahr 13 kam; das Volk, und nochmals und nur das Volk befreite sich und seinen König mit. Friedrich Wilhelm III. bekundete damals seine ganze Schwäche und Unbedeutendheit. (Fontane an Bernhard von Lepel, 12. Okt. 1848) Dieses schöne, bevorzugte, verfallende Land, wenn es wieder empor will aus diesem Verfall, bedarf es [...] der selbstsuchtlosen Hingabe an eine grosse Idee. An die Stelle eitler Erregung muss wieder ein echter Enthusiasmus treten, eine Begeisterung, die hebt und heiligt, statt lächerlich macht, die gibt, statt bloss zu nehmen, und die mit dem Satze bricht, dass das Sparkassenbuch das Buch aller Bücher ist. Einmal begonnen damit, werden der Neid und die Phrase hinfallen, und mit der Phrase zugleich jene Lügen-Trinität, die die Freiheit in der Zerstörung des Überkommenen, die Gleichheit in der Herabsetzung alles Höheren und die Brüderlichkeit in die Verachtung der Sitte setzt. (Theodor Fontane: Aus den Tagen der Okkupation. Eine Osterreise durch Nordfrankreich und Elsass-Lothringen 1871)

VII

I. Hölderlin und Fontane, Fontane und Tolstoi

Hölderlin und Fontane - die Gegensätze, scheint es, könnten kaum grösser sein. Fontane ist Für die Nachwelt »der alte Fontane«, der weise alte Mann par excellence; mit fast sechzig Jahren hat er seinen ersten Roman herausgegeben und seine Meisterschaft erst im hohen Alter erreicht. Mit Fontane verglichen ist Hölderlin ein geradezu jugendlicher Dichter (»jugendlich«, »Jugend«, »Jüngling« sind bei ihm denn auch, bis in die späten Hymnen hinein, Leit- und Lieblingsworte); auch Hölderlins Spätwerk ist das Werk eines gut Dreissigjährigen. Und dieser jugendliche Dichter ist ein Zeitgenosse der Französischen Revolution mit ihren hochfliegenden Hoffnungen; Fontanes Leben ist geprägt durch das Scheitern der bürgerlichen Revolution von 1848, die sich daraus ergebenden Gesinnungs- und Gewissenskonflikte und den eigenen Übergang ins konservative Lager. Von Hölderlins Zeitgenossenschaft her gewinnt seine Dichtung ihre welthistorische und utopische Dimension; zwischen Vergangenheit und Zukunft gespannt, dichtet Hölderlin in seinen Oden, Elegien und Hymnen das Leben der Völker, die grosse geschichtliche Wende, die künftige Erfüllung der Zeit. Die Epoche, in der er schreibt und die sich in der Auseinandersetzung mit Aufklärung und christlichem Erbe, Antike und Zeitgeschichte bildet, ist zugleich die Epoche der grossen deutschen Poesie und Philosophie, an deren Ausbildung sich Hölderlin mitbeteiligt, deren gegenläufige philosophische Tendenzen er in seiner Dichtung zum Austrag und zum Ausgleich bringt; sein poetisches Werk ist durch und durch philosophisch und theologisch begründet, ist dichterisches Denken; Fontane dagegen, der kritische und skeptische Beobachter der preussisch-deutschen Gesellschaft, hat erklärt, er sei »kolossal empirisch und ganz unphilosophisch«. 1 Wenn Hölderlin seine Realitätsscheue beklagt, wenn er bekennt, er »scheue das Gemeine und Gewöhnliche im

Hölderlin wird zitiert nach der »Grossen Stuttgarter Ausgabe«, hrsg. von Friedrich Beissner (Bd. I - V ) und Adolf Beck (Bd. V I - V U , Bd. VIII gemeinsam mit Ute Oelmann), Stuttgart 1 9 4 3 - 1 9 8 5 (StA), Fontane nach der »Hanser-Ausgabe«, hrsg. von Walter Keitel und Helmuth Nürnberger, München 1962ff. (HF). Orthographie und Interpunktion sind behutsam modernisiert. In einem bisher ungedruckten Brief aus dem Jahre 1890, zit. bei Hans-Heinrich Reuter: Fontane, 2 Bd., München 1968, Bd. 2, S. 642; vgl. auch An Friedrich Paulsen, 1. Juni 1898, HF IV, 4, 722. 1

wirklichen Leben zu sehr«, 2 so wendet Fontane eben diesem Bereich des Gewöhnlichen und Alltäglichen seine Aufmerksamkeit zu; der Stoff von Fontanes Gesellschaftsromanen ist das »wirkliche Leben« der Menschen im Alltag, die Gegenwart, das »Kleine«, in dem der Dichter das »eigentlich Menschliche« aufsucht. Die Lebenserfahrung, nicht die Philosophie, ist sein Lehrmeister; »das Leben hat mich gelehrt«, lautet eine seiner Lieblingswendungen im Alter. Geht es bei Fontane um das Menschliche, so ist Hölderlins ganzes Streben auf das Göttliche gerichtet; den göttlichen Mächten in der Welt zugewandt, gelangt er zu einer »mythischen« Sprache, zu einer Sprache der Liebe, zu einer schöpferischen Natursprache zugleich, die dem dichterischen W o n seine Ursprünglichkeit und seine Leuchtkraft wiedergibt. Fontane plaudert; seine Romane scheinen sich mehr und mehr in heitere »Causerie« aufzulösen; letzte Gewißheiten sind nicht auszumachen, es sei denn schlichte Güte und Menschlichkeit oder, wie es im »Stechlin« heisst: »was immer gilt und immer gelten wird: ein Herz« 3 . Entscheidet demnach fur Fontane die Haltung und Gesinnung des Einzelnen, so ist Hölderlins höchste Instanz die Natur, die spinozistische Allnatur, von welcher Menschen und Geschichte und Götter ein Teil sind; das »Herz« ist bei ihm das Organ dieses grossen göttlichen Lebenszusammenhangs, der »ewigen Liebe«. 4 Der Dichter Friedrich Hölderlin versteht sich demgemäss als Medium eben dieses Ewigen, Göttlichen, Absoluten, das in Zeit, Welt und Geschichte herausgetreten ist und dem er Sprache und Bewusstsein verleiht. Kraft dieser theologischen Grundlagen erreichen seine späten »vaterländischen Gesänge« eine dichterische Mächtigkeit, die ihresgleichen sucht; sie sind erfüllt von leidenschaftlichem Pathos, von »himmlischem Feuer«; in der verstörenden »Nacht der Zeit« dennoch das allesversöhnende Ende der Geschichte in dichterischer Schau vorwegnehmend, bewegen sie sich, weil sie den notwendigen »Streit« der Welt austragen, in extremen Gegensätzen und Umschlägen, wobei jedoch der Gang des Gedichts, wiederum aus metaphysischen Gründen, gesetzmässig geregelt ist und sich in grossartigen Architekturen verwirklicht. Die Krankheit, an der Hölderlin schliesslich, trotz verzweifelter Gegenwehr, zerbricht - im 19. Jahrhunden pauschal als »Wahnsinn« bezeichnet - , wirft aber ihren Schatten schon lange voraus; im unauflöslichen Ineinander von Schönheit, Grossartigkeit und Tragik ergreifen und erschüttern die Hölderlinschen Dichtungen - diese sprachlichen Wunder, diese Sinnstiftung in einer bedrohten Welt, dieser Griff nach dem Höchsten - mit unwiderstehlicher Gewalt. Fontane hat sich über seinen

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An Neuffer, 12. Nov. 1798, StA VI, 1, 289. Der Stechlin, H F I, 5, 377. Hyperion, StA III, 148. Vgl. An den Bruder, wohl in der zweiten Hälfte des März 1801, StA VI, 1 , 4 1 8 .

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Dichterberuf meist nur in selbstironischem Ton geäussert; 5 beim späten Fontane entzücken Understatement und subtile Andeutung, holen Humor und Ironie alles Pathos in eine ruhige Mittellage zurück, bezaubert den Leser eine herbstlich-heitere Stimmung, die man seit Thomas Manns schönem Essay mit dem Wort »Fontane-Ton« zu bezeichnen pflegt. 6 Der Dichter des »deutschen Idealismus« also und der Dichter des »bürgerlichen« oder »poetischen Realismus«, eine pantheistisch-kosmische und eine anthropozentrische Weltsicht. Dennoch hat sich auch Fontane einmal, und nur dieses einzige Mal, mit Hölderlin auseinandergesetzt, und zwar in seinem epischen Erstling »Vor dem Sturm« (1878). Hölderlin wird darin nicht nur, »aller Klassizität seiner Form unerachtet«, wie es heisst, als »Romantiker von Grund aus« charakterisiert (485) und seiner Dichtung ein höchster Rang zuerkannt, einer Hölderlinschen Ode wird auch im Sinnund Handlungsgefiige des Romans ein entscheidender Ort zugewiesen. 7 Nun handelt es sich bei »Vor dem Sturm« freilich, wie bekannt, nicht um einen Berliner Zeit- und Gesellschaftsroman, wie man ihn gewöhnlich mit dem Namen Fontane verbindet, sondern um einen historischen und »vaterländischen«, d.h. patriotischen Roman, 8 der einen entscheidenden Abschnitt der preussischen Geschichte vergegenwärtigt. Jene Epoche, die der

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Vgl. zum Beispiel An Paul Schienther, 11. Nov. 1895, H F IV, 4, 502. T h o m a s M a n n : Der alte Fontane. In: Die Zukunft 73, 1910, S. 12. Es handelt sich bei T h o m a s Manns Prägung allerdings um eine Beobachtung Felix Poppenbergs, die T h o m a s Mann nur aufgriff; vgl. Felix Poppenberg: Die posthume Fontane-Tochter. In: Die neue Rundschau 19, 1908, 3, S. 1368. (Hinweis von Helmuth Nürnberger: Der frühe Fontane. Politik, Poesie, Geschichte 1 8 4 0 - 1 8 6 0 , in den Anmerkungen durchgesehene, neu eingerichtete Ausgabe Frankfun am Main/Berlin/Wien 1975, S. 24). Nichts könnte besser illustrieren, wie sehr die Interpretation von »Vor d e m Sturm« noch zu wünschen übrig lässt, als der Umstand, dass das T h e m a Hölderlin, soweit ich sehe, bisher meist kaum der Erwähnung wert gehalten worden ist — ebenso wie der Neufundländer Hektor. Ausnahmen bilden die Arbeit von Fritz Watter: T h e o d o r Fontanes »Vor dem Sturm« und seine Stellung zur Romantik, Diss. Münster 1924, die freilich ihrem Gegenstand nicht gerecht wird; die gehaltvolle kleine Studie von Werner Kraft in: Wort und Gedanke. Kritische Betrachtungen zur Poesie, Bern und M ü n chen 1959, S. 90—95, und Heide Buscher: Die Funktion der Nebenfiguren in Fontanes Romanen unter besonderer Berücksichtigung von »Vor d e m Sturm« und »Der Stechlin«, Diss. Bonn 1969; die bisher differenziertesten Analysen der Literaturdiskussion in »Vor dem Sturm« finden sich bei Hans Otto Horch: »Das Schlechte . . . mit demselben Vergnügen wie das Gute«. Über T h e o d o r Fontanes Beziehungen zu Heinrich Heine. In: Heine-Jb 18, 1979, S. 1 3 9 - 1 7 6 , und Bettina Plett: Die Kunst der Allusion. Formen literarischer Anspielungen in den Romanen T h e o d o r Fontanes, Köln/ Wien 1986, S. 2 1 0 - 2 3 8 . Z u m Begriff des »Vaterländischen« bei Fontane vgl. Christian Grawe: Preussen 1803 bis 1813 im »vaterländischen Roman«: Willibald Alexis, George Hesekiel, T h e o d o r Fontane. In: Literatur und Geschichte 1 7 8 8 - 1 9 8 8 . Hrsg. von Gerhard Schulz und T i m Mehigan in Verbindung mit Marion Adams, Bern (u.a.) 1990, S. 146ff.

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junge Hölderlin in seinen Tübinger Hymnen noch enthusiastisch begrüsst und von der er den Anbruch einer neuen Goldenen Zeit erwartet hatte, jene revolutionäre Zeitenwende, die seine späteren Dichtungen im gewaltigen Bild des geschichdichen »Gewitters« beschwören - sie schildert Fontane in ihrem Ausklang. Napoleon ist fiir die preussischen Akteure des Romans nicht mehr der alle Massstäbe sprengende »Jüngling«, 9 nicht, wie noch Hegel 1806 den »Kaiser« bei seinem Einzug in Jena gesehen hatte, eine Art Inkarnation der »Weltseele«, 10 sondern, wenn ihm auch respektvoll Grösse zugestanden wird (30), der »grosse Feind der Menschheit« (468), ein hybrider Welteroberer, ein »versinkender Dämon« (309), über den das Gottesgericht hereinbricht; der Gedanke des Gottesgerichts zieht sich im Symbol des Abendrots und der im Abendrot glühenden Scheiben leitmotivisch durch den ganzen Roman. Dessen Titel - »Vor dem Sturm. Roman aus dem W i n ter 1812 auf 13« - markiert die historische Situation: Die vom russischen Winter erschöpften Reste der »Grande Armée« strömen zurück, und in der preussischen Bevölkerung erhebt sich die Frage, ob man, trotz der zaudernden und abwartenden Haltung des Königs, die de iure verbündeten französischen Verbände angreifen, »der ganzen Provinz ein Zeichen, ein Beispiel« geben (605; vgl. 631) und dadurch die Befreiung Preussens von der erzwungenen Unterwerfung unter Frankreich einleiten müsse. Zu den treibenden Kräften dieser Bewegung gehört der Junker Berndt von'Vitzewitz, Gutsherr auf Hohen-Vietz im Oderbruch. Fontanes patriotischer Roman schildert, wie der Titel besagt, die Vorgeschichte des preussischen, des europäischen Befreiungskampfs, des eigentlichen »Sturms«. Damit gestaltet Fontane aus preussischer Perspektive jenes Zeitalter, das unmittelbar zuvor Tolstoi in seinem weitgespannten Epos »Krieg und Frieden« ( 1 8 6 3 - 6 9 ) aus russischer Sicht dargestellt hatte. Die Anfänge von »Vor dem Sturm« reichen ebenfalls bis in die sechziger Jahre zurück; Fontane hat jedoch anscheinend das Werk des Russen nicht gekannt. Für die beiden Autoren waren also die Napoleonischen Kriege und die Niederringung Napoleons aus der Distanz von fünfzig, sechzig Jahren etwa von gleicher historischer Aktualität wie für uns Heutige die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs noch erregend nah und doch Vergangenheit. Beide Romane sind historische Romane; in beiden Werken geht es jedoch nicht um »Historie«, sondern um das Leben überhaupt, wie es sich in einer bestimmten historischen Epoche

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H ö l d e r l i n : B u o n a p a r t e , StA 1, 1, 2 3 9 . Hegel an I m m a n u e l N i e t h a m m e r , M o n t a g s , den 13. O k t . 1806, a m T a g e , da J e n a von d e n Franzosen besetzt w u r d e , u n d der Kaiser Napoleon in seinen M a u e r n e i n t r a f . Briefe von u n d an Hegel. Hrsg. von J o h a n n e s Hoffmeister, Bd. 1, 1 7 8 5 - 1 8 1 2 , H a m b u r g 2 1 9 6 1 , S . 120.

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zeigt." Beiden Romanen gemeinsam ist auch, dass das »Volk« der eigentliche Träger der Handlung ist und nicht die grossen historischen Persönlichkeiten und dass dieses »Volk« in einem schier unerschöpflichen Panorama von Figuren und Charakteren vorgeführt wird; bei Fontane sind es über achtzig, bei Tolstoi ein Vielfaches davon; den Realisten geht es, wie ein zeitgenössischer Literaturtheoretiker und Romanschriftsteller erklärt, nicht so sehr um den einzelnen Menschen als »vielmehr um die Menschheit, um den weitesten Überblick über die menschlichen Verhältnisse, um den tiefsten Einblick in die Gesetze, welche das Menschenleben regieren, welche das Menschentreiben zu einem Kosmos machen«.12 So ist auch Tolstois Roman ein Roman ohne den traditionellen einzelnen Helden, ein »Roman des Nebeneinanders«,13 ein Roman mit verschiedenen »Lebenskreisen«, die das Moment der Polyperspektive in die Erzählung bringen.14 In beiden Werken gibt es beispielsweise eine Hauptfigur, die das vorrevolutionäre 18. Jahrhundert repräsentiert und die im Verlauf des Romans stirbt. Das den Vordergrund bildende Personenensemble zwar ist bei Tolstoi wie bei Fontane aus der Verbindung dreier Adelsfamilien gewonnen; gleichwohl ist es die Absicht beider Dichter, Menschen, laut Tolstois Äusserung, »wie wir alle« darzustellen, Gestalten vorzufuhren, die »als Menschen lebten und litten«;15 der russische und der märkische Dichter kommen so miteinander im Letzten und Höchsten überein, im Bekenntnis zu einer Menschenwürde, die allen Menschen ohne Unterschied zukommt, einer Menschlichkeit, die die Standesunterschiede wenn nicht aufhebt, so doch relativiert; beide Romane bekennen sich zum Einfach Menschlichen und zu einer elementaren, im Christlichen wurzelnden »Liebe« zu allen Menschen, ja zu Liebe und Mitleid mit aller Kreatur. So wirken die grossen Ideen von Hölderlins Zeitalter auch im »realistischen« 19. Jahrhundert weiter: die Idee des »Natürlichen« und des »natürlichen Lebens«, im Gegensatt zum korrumpierenden »Gesellschaftlichen« und zum »Hofleben«, bleibt für Fontane wie für Tolstoi fundamental. Einer der höchsten natürlichen Werte ist die Opferbereitschaft

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Vgl. Käte Hamburger: Leo Tolstoi. Gestalt und Problem, Bern 1 9 5 0 , S . 3 5 ; Richard B r i n k m a n n : T h e o d o r Fontane. Ü b e r die Verbindlichkeit des Unverbindlichen, T ü bingen 2 1 9 7 7 , S. 4 8 f f .

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Friedrich Spielhagen: Beiträge zur T h e o r i e und T e c h n i k des R o m a n s , Leipzig 1 8 8 3 / Faksimiledruck Göttingen 1 9 6 7 , S. 6 7 . - Z u r »Lebenstotalität«, die der zeitgenössische R o m a n darstellen soll, vgl. auch H a r t m u t Steinecke: R o m a n t h e o r i e und R o m a n kritik in Deutschland. Die Entwicklung des Gattungsverständnisses von der S c o t t Rezeption bis zum programmatischen Realismus, Band 1, Stuttgart 1 9 7 5 , S. 7 2 .

13

Karl G u t z k o w : Die Ritter vom Geiste. R o m a n in neun Büchern. Vorwort zur ersten Auflage, 3 1 8 5 4 , S . I X . - Vgl. Hartmut Steinecke, a . a . O . , S. 2 2 0 f f .

14

Vgl. Käte Hamburger, a . a . O . , S. 2 5 f . Z i t . bei Maximilian Braun: Tolstoj. Eine literarische Biographie, G ö t t i n g e n S. 1 2 6 .

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für die Angehörigen und die Heimat: auch Tolstoi schildert einen »Volkskrieg«, 16 und die »Helden« beider Romane legen einen Weg zurück, der von Verblendung und Verfallenheit an die »Welt« zu einem schlichten Leben im Einfachen, Natürlichen und Alltäglichen fuhrt; beide Romane münden am Schluss in die naturgegebene Lebensform »Ehe«, in ein naturverbundenes Leben auf der »Scholle« im »Glück« der Familie, ein »Glück«, das von Fontane verklärend, von Tolstoi realistisch-spannungsvoll geschildert wird. Und zwar wird dieses Ziel beidemal in einem Nachtrag, einem »Epilog«, erreicht, der bei Tolstoi ins Jahr 1820, in das absolutistisch-reaktionäre Vorfeld des Dekabristenaufstands, fuhrt, bei Fontane jedoch, wie den Entwürfen zu entnehmen ist, ursprünglich ins Jahr 1830, das Jahr der Julirevolution in Frankreich und der (misslingenden) Revolution in Polen, hätte fuhren sollen, 1 7 in der Schlussfassung aber in die zeitlose Gleichförmigkeit natürlichen Lebens zurückkehrt, die der vaterländische »Sturm« unterbrochen hat; die Zeitereignisse werden durch das Exil des Ehepaars Bninski in Paris nur noch kurz angedeutet (710). In der dichterischen Gestaltung allerdings, in Anlage, Ton, Erzählhaltung, springen gross te Unterschiede in die Augen. Gerade wenn man »Vor dem Sturm« mit Tolstois pulsierenden Familien- und Gesellschaftsszenen vergleicht, mit seinen hinreissenden Tanz-, Ball- und Jagdsequenzen, seinen grossangelegten, dramatischen Kriegsschilderungen und ihren geradezu filmischen Szenenabläufen und harten Schnitten, dann wird die verhaltene, verinnerlichte Schönheit von Fontanes Erstling offenbar, der Massenszenen möglichst vermeidet und, auch wenn es um »Soiree und Ball« geht (353ff.), das Gespräch im kleinen Kreis bevorzugt - zwischen zwei, drei, vier, höchstens fünf Personen - , 1 8 der überhaupt so fein gearbeitet ist, dass er sich erst wiederholtem Lesen erschliesst. Wenn Tolstoi zum Beispiel einen Tanz, eine polnische Mazurka, den damaligen Modetanz, so mitreissend schildert, dass wir dabeizusein glauben, 1 9 so gibt Fontane in einer entsprechenden Tanzszene (es wird ebenfalls die damals in der preussischen Hauptstadt aufkommende Mazurka getanzt) die melancholischen Gedanken eines davon ausgeschlossenen Zuschauers wieder (362). Auch das geschichtliche Leben strömt in Tolstois gewaltiges Romanwerk, das die »Gesetze der Geschichte« ergrün-

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Leo N . Tolstoi: Krieg und Frieden. Aus dem Russischen übertragen von Werner Bergengruen. Mit einem Nachwort von Heinrich Boll, München 2 1 9 9 3 , B d . 2, S. 1365 und passim. Hermann Fricke: Theodor Fontanes Wanderungen durch die Mark Brandenburg als Vorstufe seiner epischen Dichtung. In: Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte 13, 1962, S. 132. Vgl. An Wilhelm Gentz, 10. Mai 1889, H F IV, 3, 687f. Leo N . T o l s t o i : Krieg und Frieden, a.a.O., Bd. I, S. 441.

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den will, 2 0 in seiner ganzen Breite ein; Fontane konzentriert sich auf die Darstellung des sittlichen Lebens. So nimmt der Leser bei Tolstoi unmittelbar am grossen Weltgeschehen teil, bei Fontane nur durch indirekte Ausblicke; in »Krieg und Frieden« treten die grossen oder sogenannten grossen historischen Figuren - Napoleon, Alexander I., Franz II., Kutusow - handelnd auf; bei Fontane bleiben sie, wie bei seinem Vorbild Walter Scott, Hintergrundfiguren; 21 nicht einmal der preussische König, Friedrich Wilhelm III., erscheint in Fontanes historischem Roman in Person. Ebenso wechseln bei Tolstoi die Schauplätze beständig, und zwar in europäischem Massstab; bei Fontane bleibt die Handlung an ein festumrissenes heimisches Ortsdreieck gebunden, dessen »Lebenskreise« die Grundlage für die Einteilung des Romans in vier Bände abgeben. Und während Tolstoi angesichts der Unvernunft, Unfassbarkeit und Ungeheuerlichkeit des Phänomens Krieg die Geschichte letztlich als einen gigantischen Naturprozess auffasst, der, ohne dass der Einzelne von seiner sittlichen Verantwortung freigesprochen würde, zu einem »Fatalismus« fuhrt, 2 2 ist bei Fontane alles auf die sittliche Entscheidung des Einzelnen hin angelegt. Bezeichnend, dass die erzählte Zeit bei Fontane, wenn man vom Schlusskapitel absieht, nur elf Wochen umfasst, während sie bei Tolstoi, wiederum abgesehen vom »Epilog«, einen Zeitraum von acht Jahren umspannt. Ja der ganze erste Band von »Vor dem Sturm« schildert nur dreieinhalb Tage, vom Heiligen Abend bis zum dritten Weihnachtsfeiertag 1812; der zweite Band erstreckt sich über fünf Tage, vom selben dritten Weihnachtsfeiertag an bis zum Silvester 1812: die gesamte erste Hälfte von Fontanes umfangreichem Roman umfasst also nur acht Tage, die letzten acht Tage des Jahres 1812; der dritte Band setzt dann prononciert mit dem Neujahrstag von 1813 ein, der vierte mit dem 1. Februar. Auf die exakte Herausarbeitung dieses Zeitablaufs verwendet Fontane die allergrösste Sorgfalt; das Zeitgerüst wird der Gliederung und Pointierung der Aussage dienstbar gemacht, bis es sich, erst ganz zuletzt, in immer grösseren Zeitschritten auflöst. Sogleich muss jedoch beigefügt werden, dass auch Tolstois dichterische Kamera mit den gleichen Nahaufnahmen arbeitet: die ersten drei Sequenzen von »Krieg und Frieden« beispielsweise, die den ersten »Teil« des Romans ausmachen und drei verschiedene Schauplätze exponieren, schildern bloss vier verschiedene Tage: zuerst, auf rund vierzig Seiten, die Begebenheiten eines einzigen Abends und einer Nacht (die Soiree bei Anna Pawlowna Sche-

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Ebda., Bd. 2, S. 1090fF. Z u m Scott-Einfluss vgl. jetzt vor allem Stefan Neuhaus: Freiheit, Ungleichheit, Selbstsucht? Fontane und Grossbritannien, Frankfurt am Main (u.a.) 1996, S. 1 7 3 252. Leo N . Tolstoi, a.a.O., Bd. 2, S. 806.

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rer in Petersburg und das sich daran anschliessende Gelage bei Anatol Kuragin); darauf, auf etwa siebzig Seiten, den Ablauf der Namenstagsfeier bei den Rostows in Moskau und die sich bis tief in die Nacht hineinziehenden gleichzeitigen Ereignisse - den verbissenen Kampf um die riesige Erbschaft - beim Tod des Grafen Besuchow; schliesslich, auf fast dreissig Seiten, den zweitägigen Abschiedsbesuch Fürst Andrej Bolkonskijs auf dem väterlichen Gut Lysyja Gory. Bei Fontane gibt es jedoch, ganz im Gegensatz zu seiner Balladentechnik, keine Sprünge; ein nahezu kompakter Zeitabschnitt wird herausgearbeitet; alles ist auf die wenigen Wochen vor und nach der Jahreswende von 1812 auf 13 konzentriert. Trotz der sorgfaltigen und ausgeklügelten Komposition indessen, die hier sichtbar wird, und trotz des bedeutenden geschichtlichen Rahmens verästelt sich Fontanes »Zeit- und Sittenbild aus dem Winter 12 und 13«, wie der ursprüngliche Untertitel lautete, 23 in eine unabsehbare Reihe von Genrebildern, die sich in ihrem liebevollen Verweilen entschieden abheben vom unerbittlich voranschreitenden Gang der Weltgeschichte und der Lebensschicksale bei Tolstoi, von seinen unbarmherzig die Dinge beim Namen nennenden Seelengemälden, von seiner leidenschaftlichen, immer wieder gegen die gängige europäische Geschichtsschreibung eifernden und polemisierenden Wahrheitssuche. Fontanes liebevoll-kritische Zuwendung zum »Kleinleben in Dorf und Stadt«24 hat aber nichts mit Weitschweifigkeit zu tun. Es ist vielmehr eine neue Nähe zu Menschen und Dingen, die sich in dieser gemächlich-eingehenden Erzählweise bekundet, und damit das eigentlich Fontanesche, die eigentümliche Fontanesche Humanität. Bei Tolstoi herrscht ein radikales Pathos der Wahrheit und der illusionslosen Wahrheitssuche; bei Fontane wird das Streben nach Wahrheit ergänzt durch ein Ethos der »Verklärung«, das ihn zur Darstellung der Menschen »von zwei Seiten her« nötigt. So fehlen bei Tolstoi auch die »romantischen« Elemente völlig; es fehlt der ganze geheimnisvollromantische Apparat, der für Fontanes Roman charakteristisch ist. Und Fontane erzählt in einem Ton freundschaftlicher Vertrautheit mit seinen Figuren, der sich wiederum abhebt von Tolstois nüchtern-energischem Zugriff, von seiner oft drastischen und sarkastischen Sprache, von seiner entlarvenden, satirisch-kritischen Beleuchtung der Verhältnisse - in einem familiären Ton sozusagen, in den er auch seine Leser einbezieht: »unser Held« (14; 156); »unser Freund«;25 »unsere alten Freunde« (532); »in der Halle schwelen noch einige Brände; schütten wir Tannäpfel auf und plaudern wir,

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A n L u d w i g Pietsch, 2 4 . April 1 8 8 0 , H F IV, 3, 7 9 . An Friedrich W i l h e l m Holtze, 6. Dez. 1 8 6 5 , H F I, 3, 7 4 0 . 89; 356; 358; 472.

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ein paar Sessel an den Kamin rückend, von Hohen-Vietz« ( 1 4 ) . 2 6 Menschendarstellung, und zwar Menschendarstellung von innen, ist das A und O von Fontanes Poesie; es geht um »menschliche Teilnahme«; gerade bei Fontane gewinnt der Begriff »das Menschliche« seinen

eigentümlichen

Klang. Gleichwohl eignet Fontanes historischem R o m a n , wie schon angemerkt, auch eine klare »Tendenz« und eine klare Komposition. Z u meinen, Fontane habe in seinem Erstling, unbekümmert um den äusseren oder inneren Z u s a m m e n h a n g , mehr oder weniger sorglos Episode um Episode, Kapitel um Kapitel aneinandergereiht, heisst den Künstler Fontane gewaltig unterschätzen, dem es schon damals ebenso wie auf »lebensvolle Darstellung und Fülle der Details« auf »Ubersicht und Klarheit« a n k a m . 2 7 Bei allem Sich-Einlassen

und Eingehen auf Menschen und D i n g e ist »Vor d e m

Sturm« ein auf das sorgfältigste und gewissenhafteste durchkomponiertes Werk, ein Werk, das auch eine innere Form aufweist und sich einer einheitlichen »Idee« unterstellt; von »lockerer F ü g u n g « , wie man das, Julius Rodenbergs Urteil in der »Deutschen Rundschau« ( 1 8 7 9 ) vergröbernd, immer wieder behauptet hat, 2 8 kann keine Rede sein. Rodenberg hatte dem Roman, bei aller grundsätzlichen Anerkennung, in seiner Rezension vorgeworfen, er sei gattungspoetisch verfehlt, orientiere sich mehr an den Gesetzen der Balladendichtung als an denen der E p i k . 2 9 Tolstois O p u s nun hätte Rodenbergs Vorstellungen von einem R o m a n vollkommen entsprochen; diesem Werk eignet »der epische Z u g [ . . . ] , der breit und mächtig« durch alles hindurchgeht 3 0 - abgesehen freilich von den hasserfüllten Tiraden gegen Napoleon, den scheinbaren Vertreter weltlicher »Grösse«, und der Polemik

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Auf die Verwandtschaft dieser Erzählhaltung mit der Erzahltechnik Walter Scotts weist schon Gottfried Kricker hin: Theodor Fontane. Von seiner Art und epischen Technik, Berlin 1912/Reprografischer Nachdruck Hildesheim 1973, S. 74f. An O t t o Baumann, 3. Sept. 1872, H F IV, 2, 4 1 3 . Vgl. zum Beispiel Walter Wagner: Die Technik der Vorausdeutung in Fontanes »Vor dem Sturm« und ihre Bedeutung im Zusammenhang des Werkes, Marburg 1966: »extrem additive Fügung und [ . . . ] ungewöhnlich lockere Form des Werkes« (S. 26); »ganz ungewöhnlich lockerefr] Bau des Romans. Dieser besitzt keine allgemeine Haupthandlung und lässt sich in vier Bücher aufgliedern, die relativ unverbunden nebeneinander stehen und ihrerseits wieder in zahlreiche selbständige Einzelgeschehen und Episoden zerfallen. Dadurch entsteht der Eindruck einer ungeordneten Fülle, wie in der Literatur immer wieder betont wurde« (S. 132). Usw. (Julius Rodenberg:) Theodor Fontanes »Vor dem Sturm«. In: Deutsche Rundschau, Bd. XVIII, Frühjahr 1879. S. 3 1 7 - 3 1 9 : »eine Folge von Balladen« ( . . . ] »Was uns der Roman Fontanes gibt, ist - wenngleich als ein Ganzes gedacht und ausgeführt - doch mehr balladenhaft (um im Bilde zu bleiben), als dass es der epische Z u g wäre, der breit und mächtig durch ihn dahinginge. D i e Handlung geht oft unter der Episode verloren« [ . . . ] . »Wir vermissen nicht den äusseren Zusammenhang, wohl aber fehlt zuweilen der organische, der künstlerische« (S. 318). Ebda.

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gegen die zeitgenössische Geschichtsschreibung, die diesem vermeintlichen »Genie« huldigt. Aber im Vergleich zu Tolstois frei dahinströmendem Epos wirkt der Grundriss von Fontanes vaterländischem Roman geradezu konstruiert. In dem besinnlichen, versöhnlichen, menschenfreundlichen Grundton also, der, an Scott anknüpfend und den »Wanderungs«-Ton weiterführend, die Fontanesche »Verklärung« des Menschen trägt, in diesem Mitgefühl mit allem Menschlichen, das zur Menschendarstellung von innen und zur Darstellungsform des »Genre« drängt und deshalb - gerade weil sich der Erzähler und kritische Beobachter selber, anders als Tolstoi, zurückhält - eine Welt an Menschlichem aufzunehmen fähig ist, wobei jedoch diese erzählte Welt bei aller Vielfalt und Breite immer gegliedert ist durch eine klare und übersichtliche, bei allen gelegendichen Abschweifungen auf eine zentrale »Idee« bezogene Ordnung, was folgerichtig zu Leitmotivtechnik und (vorwiegend romantischer) Symbolik fuhrt: in dieser Verbindung also von »Kleinmalerei« und »Idee«, von Wohlwollen und Kritik, von klarer Komposition und liebevoller individueller Menschengestaltung, die später zur virtuos geübten Vorführung der Menschen sozusagen im »Originalton« wird, bekunden sich entscheidende Merkmale, die Fontanes »poetischen Realismus« vom sonstigen europäischen »Realismus« unterscheiden.

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II. »Vor dem Sturm«: Ein Blick auf das Ganze

Meine Untersuchung von Fontanes Romantik-Auffassung und HölderlinVerständnis weist drei Schwerpunkte auf. Da die Fontane-Forschung, wie bereits angedeutet, in der Beurteilung von »Vor dem Sturm« alles andere als einig ist und eine eingehende Interpretation dieses grossangelegten Werks bis jetzt noch aussteht,1 so erscheint es - erstens - geboten, der Studie ein Kapitel voranzustellen, das die Konzeption und Komposition des Romans herausarbeitet und dem Leser damit einen Überblick über dessen komplizierte Textstruktur verschafft (II); auch das Lob, das »Vor dem Sturm« neuerdings zuteil wird,2 besagt noch nicht viel, wenn es nicht auf genauer Einsicht in die Struktur des Romans beruht. In den folgenden Kapiteln sodann, dem zweiten Hauptteil, soll, nachdem der erste die Grundlagen der Interpretation bereitgestellt hat, Fontanes Auseinandersetzung mit der Romantik im allgemeinen und mit Hölderlin im besonderen dargestellt werden (IIIVI). Das Schlusskapitel (VII) schliesslich wird - dies ist der dritte Schwerpunkt der Studie - Fontanes Hölderlin-Auffassung in die Rezeptionsgeschichte des 19. Jahrhunderts einzuordnen versuchen. Dabei werden sich nicht nur überraschende neue Einsichten in diese Wirkungsgeschichte ergeben, sondern auch ideelle Gemeinsamkeiten zwischen dem idealistischen und dem realistischen Dichter herausstellen, die es ermöglichen, Fontanes Stellung zwischen Romantik und Realismus schärfer zu fassen. Was im Einleitungskapitel (I) also bloss behauptet wurde, die Wirksamkeit einer leitenden »Idee« und die Strukturierung des Romanstoffs durch

Die Aporicn, in die die Fontane-Forschung »Vor dem Sturm« gegenüber geraten ist, weil man die Einheit des Ganzen nicht zu sehen vermochte, bringt H u g o Austs »Nachwort« zur Insel-Ausgabe des Romans zum Ausdruck, Frankfurt am M a i n 1982, S. 7 4 9 - 7 7 9 , bes. S. 758ff. Vgl. Sebastian HafTner: Preussen ohne Legende, H a m b u r g 4 1 9 8 0 , S. 3 4 3 : »es gibt keinen schöneren, lesens- und liebenswerteren historischen Roman in deutscher Sprache als (...) »Vor dem SturmLoyalität< hinaus und Verherrlichung christlichen Sinnes und Lebens auf Kosten christlicher Bekenntnisformeln«.28 Die Chiffre fur solch vorbildliches Menschentum, das sowohl dem Postulat des Christlichen als auch dem des Natürlichen genügt, ist in Fontanes Roman, wie schon gesagt, der Adel. Dass die »Profile« und die »Gesinnung« das Wesen des Adels ausmachen, nicht der »Stammbaum«, erkennt am Schluss auch der alte Vitzewitz (703). Die Standesschranken und die Bildungsunterschiede werden zwar nicht zum Verschwinden gebracht, aber sie verblassen, sie werden zweitrangig und unwesentlich. Obwohl »Vor dem Sturm« ein historischer Roman ist, rückt das Allgemein-Menschliche darin in den Vordergrund; das Historisch-Bedingte tritt zurück. Deshalb ist bei Berndt von Vitzewitz »alles Junkermässige, all das, worin Marwitz' historische Bedingtheit lag«, getilgt; 29 der Titel »Junker«, der Berndt allzusehr historisch-soziologisch fixiert hätte, wird in »Vor dem Sturm« bezeichnenderweise gemieden. Zu den »feinen Sachen«30 nun, die bei Fontane authentisches Menschentum ausmachen, gehören allem voran »Liebe« und »Treue«, ebenso »Mitleid«, gehören Wahrhaftigkeit und innerliche Freiheit, d.h. das Vermögen, sittlich zu handeln, gehört der in Fontanes Roman spezifisch preussisch gefärbte Begriff »Mut«, der aber nicht in »Übermut« ausarten darf, sondern gepaart sein muss mit christlicher »Demut«, gehören Gemeinsinn, Selbst-

26 27 28 2y

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O f f e n b a r u n g des J o h . 2, 10; vgl. Vor d e m S t u r m , 4 4 9 . Vgl. R ö m e r b r i e f 8, 2 8 . An W i l h e l m Hertz, 5. Nov. 1 8 7 8 , H F IV, 2, 6 2 9 . An W i l h e l m Hertz, 8. J a n . 1 8 7 9 , H F I, 3, 7 6 9 . H a n s Friedrich Rosenfeld: Z u r Entstehung Fontanescher R o m a n e , G r o n i n g e n , D e n H a a g 1 9 2 6 , S. 8. An M e t e Fontane, 19. J u n i 1 8 9 6 , H F IV, 4, 5 6 8 .

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losigkeit und Opferbereitschaft, überhaupt das Leben für eine »Idee«, nicht für blossen Erwerb oder Genuss, und »Glauben«. In beiden Handlungssträngen ist die alles tragende Grundkraft die Liebe, In der politischen Haupthandlung ist es, wie wir gesehen haben, die »Liebe zu Land und Heimat« (216); in Lewins persönlicher Entwicklungsgeschichte wird gezeigt, wie sich seine Liebe zu Marie immer stärker, schubweise, aus dem Unbewussten ins Bewusstsein emporarbeitet; es ist die Liebe, die entscheidet, welche Frau zu ihm gehört. Weil sie Lewin heimlich liebt, bricht die stille Marie zusammen, wie sie von seiner Gefangennahme erfährt (649). Bei Berndt ist, was ihn trägt, neben der Liebe zum Land die Liebe zu seinen Kindern, auf die er die Gefühle zu seiner verstorbenen Frau übertragen hat (31). Sein Franzosenhass oder genauer sein Hass gegen Napoleon ist nur die Kehrseite dieser Liebe (31). Berndt spricht jedoch nicht gern von seinen Gefühlen (545); er hat, wie es heisst, »das Schamgefühl der Liebe« (31). Liebe schafft Bindungen, wie zu einzelnen Menschen auch zu einem Land - zu dessen Bewohnern, dessen Landschaft, dessen Geschichte und Kultur. Auch »Gedächtnis ist Liebe«, wie Tubal einmal formuliert. »Was man gern hat, behält man« (50). 31 Treue heisst, auf diese elementaren, durch Liebe vermittelten Bindungen hören zu können und dann, im Konfliktfall, zu ihnen zu stehen. Treue ist das Gegenteil von allem Emanzipationsstreben: Treue ist bewährte Liebe; Fontane findet dafür das schöne Wort »Liebestreue«. Zum Hören-Können gehört wesentlich »Stille«; kein Wunder, dass Lewins wahrsagende Träume in stillen Sternennächten kommen und dass an Hohen-Vietz seine »Stille« gerühmt wird; auch Tubal sehnt sich »nach Hohen-Vietz und seiner Stille« In der Tat finden sich gerade aus der Zeit, da »Vor dem Sturm« erschien, klare Bekenntnisse Fontanes zur Liebe als der Grundlage alles Menschlich-Guten. An Rodenberg z u m Beispiel schreibt er zu dessen Macaulay-Aufsatz, wie sehr es d e m Verfasser gelungen sei, »den Leser menschlich zu interessieren. Kein Wunder; Ihre Liebe ging voraus, u n d aus d e m M i t t e l p u n k t einer Lebensbeschreibung ist der Held einer Erzählung geworden. U n d das berührt immer wohltuend« (An Julius Rodenberg, 10. Aug. 1878, H F IV, 2, 609). U n d noch zehn Jahre später heisst es in einem Brief an Rodenberg: »Storm sagte mal vor grauen Jahren: »Gedächtnis ist LiebeJenaer Literaturzeitung« einen mit dem vollen Namen Dr. Faulstichs unterzeichneten Aufsatz >Arten und Unarten der Romantik« gelesen und sofort den Entschluss gefasst hatte, bei seiner nächsten Anwesenheit in Hohen-Vietz den Doktor aufzusuchen« (187). Uber die geistige Heimat des Literaten lässt die »kleine Porträtgalerie« in seinem Zimmer keinen Zweifel, »die sich in zwei Reihen über der Sofalehne hinzog«; es ist der »Parnass unsrer romantischen Dichter«; man kann die Silhouetten und Medaillons der beiden Schlegel, Tiecks und Wackenroders erkennen (200). Schon in »Vor dem Sturm« ist aber auch Fontanes Kunst voll ausgebildet, die Personen indirekt durch ihre Umgebung zu beschreiben. Dass des Doktors künstlerische Überzeugungen zu wenig stark sind, um auch das Leben zu gestalten, lässt sich schon dem Aussehen seines Zimmers entnehmen. Alles ist mit Büchern, Schulheften und belletristischen Blättern übersät; eine »durchweg vorherrschende Unordnung« bestimmt den ersten Eindruck (200); der Wandkasten scheint »ein Chaos zu enthalten« (201). Schreiend in der Wohnstube eines Ästheten das mit hässlichem blaugelbem WollenstofF überzogene Schlafsofa (200). Das sprechendste Bild für Doktor Faulstichs Situation aber ist der Teelöffel, der, verräterisches Zeichen der prosaischen Lebenswirklichkeit, als Buchzeichen im elegant gebundenen, auf einer Zuckerdose liegenden Werk des Novalis steckt. Wie alle anderen Figuren wird auch Dr. Faulstichs Literaten-Existenz unter den Aspekten Sitte, Volk, Vaterland, Glauben analysiert. Bezeichnend für Faulstich ist zunächst, dass er nicht in der Ordnung der Ehe lebt, sondern im Konkubinat, das heisst sich ausserhalb dessen stellt, was damals als »Sitte« galt. »Er lebt mit einer kinderlosen Witwe, einer Frau von beinahe Vierzig [...]. Sie beherrscht ihn natürlich, und seine gelegentlichen Bestrebungen, ihr den bescheidenen Platz anzuweisen, der ihr zukommt, scheitern jedesmal« (194). Die Witwe besitzt ein »Eckhaus« - bei Fontane immer ein Zeichen behäbigen Reichtums - ; persönliche Sicherheitsbedürfnisse scheinen also in Faulstichs Liaison mitgespielt zu haben. Aber mit dieser Frau bricht die unbewältigte Lebenswirklichkeit erbarmungslos in seine künstlerische Welt ein. Denn die reiche Seilerswitwe versteht nicht nur nichts von Faulstichs innerer Welt, sondern verachtet sie geradezu (199). Ein beklemmender Anblick: auf der einen Seite die »gewöhnliche Frau« - kurzangebunden, herrisch, mit einem »überheblichen Gesichtsausdruck« (201), dem Besuch gegenüber kokett - , auf der anderen Seite der »ängstlich dasitzende Doktor« (199). 58

Begründet wird Faulstichs Ästhetentum zunächst mit Schwäche. »Er ist eine schwache Natur. Und in dieser schwachen Natur steckt auch das, was mehr Anstoss gibt als alles andere: sein Mangel an Gesinnung« (194). Letztlich wird Faulstichs Haltung auf den Egoismus, die Fontanesche Ursünde, das Gegenteil der selbstlosen Unterordnung unter eine »Idee«, zurückgeführt. Lewin weiss darüber Bescheid: »Er bekennt sich offen zu seinem Sybaritismus, zu einer allerweichlichsten Bequemlichkeit, die von nichts so weit ab ist wie von Pflichterfüllung und dem kategorischen Imperativ. Er kennt nur sich selbst. Alle Grosstat interessiert ihn nur als dichterischer Stoff, am liebsten in dichterischem Kleide. Eine Arnold von WinkelriedBallade kann ihn zu Tränen rühren, aber eine Bajonettattacke mitzumachen, würde seiner Natur ebenso unbequem wie lächerlich erscheinen.« ( 1 9 4 ) So entzieht sich Faulstich dem Leben des Volkes, der Verantwortung fiir die Gemeinschaft, dem Anruf der »grossen Idee«. Das bekannte 2 9 . Bulletin Napoleons vom 3. Dezember 1812, das die Vernichtung der »Grossen Armee« verklausuliert zugab, berührt ihn nicht weiter. So jedenfalls sieht ihn Lewin: »Ich weiss es nicht, aber ich gehe jede Wette ein, dass das, was in diesen Weihnachtstagen alle preussischen Herzen bewegt hat, von unserem Kirch-Göritzer D o k t o r entweder einfach als eine Störung empfunden oder gar nicht beachtet worden ist. M e i n e Shakespeareausgabe gegen ein Uhlenhorstsches Traktätchen, dass er v o m 2 9 . Bulletin auch nicht eine Zeile gelesen hat. Eine Einladung nach G use oder Ziebingen erscheint ihm wichtiger als eine Monarchenzusammenkunft oder ein Friedensschluss. Er ist in nichts zuhause als in seinen B ü c h e r n ; Volk, Vaterland, Sitte, G l a u b e n - er umfasst sie mit seinem Verstände, aber sie sind ihm Begriffs-, nicht Herzenssache. Heute als Kustos in die Pariser Bibliothek berufen, würde er morgen bereit sein, den Kaiser zu apotheosieren. Und das empfinden die kleinen Leute, unter denen er lebt. Es wird jetzt ein Landsturm geplant; Uber kurz oder lang werden auch die K i r c h Göritzer ausrücken. Dr. Faulstich aber? Er wird ihnen nachsehen, lachen und zu Hause bleiben.« ( 1 9 5 )

Das gewaltige geschichtliche Drama, das sich in jenen Tagen abspielt, ein Ringen, in dem sich das Schicksal Preussens entscheidet und das jedem Einzelnen persönliche Entscheidungen abnötigt, lässt Doktor Faulstich kalt. Er bleibt ein Ästhet, ein unpolitischer Zuschauer, dem - wie der Gräfin Amelie, wie Ladalinski, wie der Hofgesellschaft Uberhaupt - die Verbundenheit mit dem Volk fehlt, dem das »Einstehen für das Ganze« fremd bleibt, ja er gehört zu denjenigen, die nur ihre eigene Karriere im Auge haben und sich »verkaufen«. 3

3

Vgl. An Bernhard von Lepel, ( 3 0 . O k t . 1 8 5 1 ) , H F IV, 1, 1 9 4 , und H a n s - H e i n r i c h Reuter, a . a . O . , Bd. 2 , S. 5 6 3 .

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In der Tat macht sich Faulstich später in einem ironischen G e d i c h t bloss lustig über einen Uberfall, den die Kirch-Göritzer unter der F ü h r u n g des Handschuhmachers Pfeifer auf eine G r u p p e französischer Soldaten unternehmen. D a s ist das neuromantisch-ironische Verhältnis zur Wirklichkeit. Das Urteil Lewins: » G a n z Faulstich; immer ein Auge fur das Lächerliche und weiter nichts. Kein Einsetzen seiner selbst. D a bin ich d o c h schliesslich mehr noch für Handschuhmacher Pfeifer.« (541) W i e steht es denn mit Doktor Faulstichs ästhetischen und religiösen Ansichten? Nach ihm ist Novalis das Kunstideal der »romantischen Schule«. Tieck so erklärt der D o k t o r - erkenne »in Novalis die Spitze, die Vollendung der Schule«. »Ich zweifle, dass er überhaupt überschätzt werden kann«. Es existiere eine »kleine Novalisgemeinde« (202). Der »eigentliche Novalis« stecke in den »Hymnen an die N a c h t « ( 2 0 2 ) . Dr. Faulstich liest daraus die »Verherrlichung des Griechentums« und die Stelle von der G e b u r t der christlichen Welt vor, bei der ihn »jede Zeile [ . . . ] wie Musik« berühre ( 2 0 3 ) . Die »Suprematie« dieses Vertreters der eigentlichen, der »christlichen Romantik«, so wird, leisen Einwänden der Besucher begegnend, behauptet, liege nicht sowohl in seinem dichterischen Talent als in seiner Glaubenskraft. » D e n n es ist nicht das M a s s seines Talents, s o n d e r n d a s M a s s seines G l a u b e n s , was ihn über die M i t s t r e b e n d e n erhebt. Es gibt auch eine R o m a n t i k d e s K l a s s i s c h e n , aber die wirkliche W i e g e u n d Wurzel alles R o m a n t i s c h e n ist eben d i e K r i p p e u n d d a s Kreuz. In a l l e m S c h ö n s t e n , was die S c h u l e g e s c h a f f e n hat, klingt laut o d e r leise dieser T o n , u n d die S e h n s u c h t nach d e m Kreuz ist ihr K r i t e r i u m . In k e i n e m ist diese S e h n sucht lebendiger als in N o v a l i s ; er hat sich in ihr verzehrt.« ( 2 0 4 )

Dass Faulstich an Novalis gerade »das Mass seines Glaubens« erkennt und preist, lässt den eigenen Gesinnungskonflikt nur umso schärfer hervortreten. 4 Als Probe von Novalis' christlicher Lyrik liest er zwei Strophen aus der Reihe der »Geistlichen Lieder« vor: W e n n alle untreu werden, S o bleib' ich dir d o c h treu. D a s s D a n k b a r k e i t a u f Erden N i c h t a u s g e s t o r b e n sei. Für m i c h u m f i n g dich L e i d e n , Vergingst für m i c h in S c h m e r z , D r u m geb' ich dir mit Freuden A u f ewig dieses Herz.

V g l . Bettina Plett, a . a . O . , S . 2 2 4 , A n m . 2 2 .

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O f t m u s s ich bitter w e i n e n , D a s s du g e s t o r b e n bist U n d m a n c h e r von d e n D e i n e n Dich lebenslang vergisst. Von Liebe nur d u r c h d r u n g e n . Hast du so viel g e t a n , U n d d o c h bist d u v e r k l u n g e n , U n d keiner d e n k t d a r a n . ( 2 0 4 )

Das Motiv der Treue, aber ins Metaphysische und Mystische gewendet; das Motiv des Opfertods, aber des Opfertodes Christi. »Seit dem Paul Gerhardtschen >0 Haupt voll Blut und Wunden««, kommentiert der Doktor, »ist nichts Ahnliches in deutscher Sprache gedichtet worden. Und das in diesen Zeiten des Abfalls!« (204f.) Die Reaktionen der Zuhörer: »Tubal war bewegter als Lewin; er stand, wie alle sinnlichen Naturen, unter dem Einfluss schwärmerischen, sich anschmiegenden Wohllauts.« (205) Diese Charakterisierung von Novalis' Poesie lässt erkennen, dass es sich hier nicht um »höchstes und frischestes Leben« handelt, sondern um »hektisches Rot«, »freilich auch« um »den Zauber davon«. Lewins Zurückhaltung ist bezeichnend. Diese Dichtung, obwohl in der genuin christlich-romantischen Tradition stehend, gleitet zu sehr ins Musikalisch-Schwärmerische ab. Novalis' Poesie ist nicht »heitere Frömmigkeit«, die das Leben verklärt, sondern »dunkeläugige Mystik«. Das ändert nichts an ihrem dichterischen Rang — obwohl auch dieser nicht unangefochten bleibt - ; wohl aber kommt in dieser Beurteilung die Skepsis Fontanes gegenüber einem Christentum zum Ausdruck, das sich in der »Sehnsucht nach dem Kreuz«, nach der Teilhabe am Mysterium des Opfertodes Christi »verzehrt«, während es in seinem vaterländischen Roman um Lebensbewährung und um den allerrealsten Tod fiirs Vaterland geht. Ein nüchtern-praktisches Christentum im Dienste der Lebensbewältigung verkörpert im Roman die unscheinbare Tante Schorlemmer, die Herrnhuterin, die zwar ihre christlichen Sprüche wie die Mittel einer Hausapotheke gebraucht (47), bei deren Rückgriff auf das »Wort« jedoch alles Subjektive und Schwärmerische ausgeschlossen bleibt. Auch die Schorlemmer wird freilich von zwei Seiten her dargestellt; es heisst von ihr, dass sie, »so gut sie war, in ihrem Eifer oft aller Liebe vergass« (631). Aber sie beeinflusst mit ihrem praktischen Christentum Renate, Lewins Schwester, die damit ihr persönliches Schicksal ertragen lernt. »Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen«, ist das letzte Wort der Zinzendorf-Anhängerin im Roman (709), 5 ein Wort, das durch seine Schlussstellung leitmotivischen Charakter gewinnt.

V g l . R ö m e r b r i e f 8, 2 8 . - Vgl. a u c h Vor d e m S t u r m , 4 0 5 ; 4 5 4 ; 5 0 2 .

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Tubal lässt sich von der scheinbaren Kirch-Göritzer Idylle täuschen. »Lewin schwieg. Er kannte zuviel von der Wirklichkeit der Dinge, um zuzustimmen« (205). Faulstich selber zieht das Fazit seiner eigenen fragwürdigen und unglücklichen Existenz: » D i e Bücher sind nicht das Leben, und Dichtung und Musse, wieviel glückliche Stunden sie schaffer mögen, sie schaffen nicht das Glück. Das Glück ist der Frieden, und der Frieden ist nur da, wo Gleichklang ist. In dieser meiner Einsamkeit aber, deren friedlicher Schein Sie bestrickt, ist alles Widerspruch und Gegensatz. Was Ihnen Freiheit dünkt, ist Abhängigkeit; wohin ich blicke, Disharmonie: gesucht und nur geduldet, ein Klippschullehrer und ein Champion der Romantik, Frau Griepe und N o valis.« Er war aufgesprungen und durchschritt das Zimmer. «Beneiden Sie mich nicht«, fuhr er fort, »und vor allem hüten Sie sich vor jener Lüge des Daseins, die überall da, wo unser Leben mit unserem Glauben in Widerspruch steht, s t u m m und laut zum Himmel schreit. Denn auch unsere Überzeugungen, was sind sie anders als unser Glauben! D i e Wahrheit ist das Höchste, und am wahrsten ist es: >Selig sind, die reinen Herzens sindJe n u n . H i e Feind in Front u n d Rücken, Seydlitz, was würd' Er tun?« Der, über die B r ü c k e n w a n d u n g Setzt weg, halb links nach vorn, Der Strom schäumt auf wie B r a n d u n g Ja, O l e a r , das ist Sporn. U n d andre Zeiten wieder; O kurzes H e l d e n t u m ! Er liegt todkrank darnieder U n d lächelt: »Was ist R u h m ? Ich höre nun allerwegen Eines besseren Reiters H o r n , Aber auch ihm

entgegen,

D e n n Calcar, das ist Sporn.< (383f.) 2

Hansen-Greils »General Seydlitz«, diese »romantische« Ballade eines »romantischen« Dichters, gehört zwar zum Typus der Heldenballade; sie ist aber kein patriotisches Kriegergedicht; das Genus ist vielmehr ins Psychologische und Menschliche gewendet, ist »Charakterballade«, wie man sie genannt hat, 3 und Preislied. Nicht Kriegs- und Heldentaten werden hier gefeiert; gefeiert wird vielmehr eine menschliche Haltung. Und diese Strophen nun haben jenen Schwung, jene begeisternde »Frische«, die Fontane an den altenglischen und schottischen Balladen so bewunderte, jenen ungekünstelten, unpathetisch-phrasenlosen Ton, der dem Volkslied eigen ist. Ein ganzes Leben wird hier auf einige wenige anekdotisch-prägnante Momente konzentriert; den Lebensnerv des Gedichts bildet ein Einfall, der im Refrain, leitmotivisch, nur leicht variiert, wiederkehrt; die Ballade bringt ein Lebensgefühl zum Ausdruck, ein »altromantisches« Lebensgefiihl, dem ein einziger kecker, kühner, ja verwegener Ritt zu entsprechen scheint, ein Lebensgefuhl jedoch, das sich - und dies enthebt es der blossen Forschheit - auch ange-

2 3

Vgl. H F I, 6, 213f. u n d A n m . S. 1037; H F I, 3, 840f., A n m . zu S. 383. Ernst Kohler, a.a.O., S. 2 0 9 .

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sichts des Todes bewährt. Die Sprache selber keck, zupackend, vorwärtsdrängend; zu den Kennzeichen dieser Ballade gehört folgerichtig das »sprungweise Vorgehen« (386). Ritt und Reiter also als Lebenshaltung, als kühnes, draufgängerisches Symbol; die eigentlichen militärischen Heldentaten des preussischen Reitergenerals bleiben ausgeklammert. Die Schwäche der Ballade dürfte, wie auch in der Diskussion angemerkt wird, eben die allzu forcierte, jugendliche »Keckheit« sein, die auch durch die Moll-Tonart der Schlussstrophe nicht völlig aufgehoben wird. Aber es ist doch ein typisch Fontanescher Schluss: der Mensch, auch der tapferste Mensch, im Licht der Vergänglichkeit stehend und vom Tod herausgefordert; ein Leben, ein jedes Leben, erst mit dem Tode abgeschlossen und zu überblicken; die Fragwürdigkeit des Ruhms. Wiederum kommt es zu einem Besuch. Diesmal ist es Lewin allein, der Hansen-Grell aufsucht, zu dem er sich »um seiner Schlichtheit und kaum minder um seines romantischen, ebendieser Schlichtheit fast widersprechenden Zuges willen von Anfang an in hohem Masse hingezogen gefühlt hatte« (481). Und wiederum verweisen Wohnung und Wohnungseinrichtung sinnenfällig auf den Charakter des Bewohners. Hansen-Grell wohnt nicht in einem behäbigen »Eckhaus«, sondern an der Kreuzgasse, die aus zwar »alten und stattlichen, aber freilich auch heruntergekommenen Häusern« besteht (481). Der erste Eindruck von Hansen-Greils Zimmer ist der des »Kahlen und Öden« (482). Das Ärmliche, Mönchische, Asketische der Grellschen Behausung steht im Kontrast zu seinem romantischen Enthusiasmus; der Geist triumphiert über das Äussere. Anlässlich seines Besuches bei Hansen-Grell lernt Lewin zwei Gedichte Hölderlins kennen: »Ehmals und jetzt« und »An die Parzen«. Ersteres schlägt Lewin zufällig in dem Hölderlin-Bändchen auf, das auf einem billigen Binsenstuhl liegt. 4 In j ü n g e r e n T a g e n war ich des M o r g e n s froh, D e s A b e n d s weint' ich; jetzt, d a ich älter bin, Beginn' ich zweifelnd m e i n e n Tag, d o c h H e i l i g u n d heiter ist m i r sein E n d e .

Die schlichte, einstrophige, in einen einzigen Satz komprimierte, auf einfachen Antithesen aufgebaute und ihr Ziel erst im letzten Wort erreichende Es m u s s sich - anachronistisch - u m die von G u s t a v S c h w a b und L u d w i g U h l a n d h e r a u s g e g e b e n e n » G e d i c h t e von Friedrich H ö l d e r l i n « ( 1 8 2 6 ) h a n d e l n . D a s b e s t ä t i g t a u c h die fehlerhafte Lesart »In j ü n g e r e n T a g e n « statt »In j ü n g e r n T a g e n « , w e l c h e allerd i n g s in der E r s t a u s g a b e von H ö l d e r l i n s G e d i c h t e n im D r u c k f e h l e r v e r z e i c h n i s (S. 2 2 7 ) korrigiert ist.

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e p i g r a m m a t i s c h e O d e s c h l ä g t d e n B e s u c h e r in ihren B a n n . » L e w i n « , h e i s s t es, » e m p f i n g einen b e d e u t e n d e n E i n d r u c k v o n d i e s e n Z e i l e n « ( 4 8 3 ) .

Der

I n h a l t der K u r z o d e , d i e d e n W a n d e l e i n e r L e b e n s h a l t u n g b e s c h r e i b t , v o n einer j u g e n d l i c h h o c h g e s p a n n t e n , s p o n t a n e n H i n g a b e a n d e n A u g e n b l i c k z u e i n e r s o w o h l s k e p t i s c h e n als a u c h d e m ü t i g e n H a l t u n g , w e l c h e r a b e r d a s , w a s sie e r s t r e b t , g e r a d e d a n k dieser B e s c h e i d u n g a m » E n d e « g e s c h e n k t w i r d , m u s s an v e r w a n d t e E r f a h r u n g e n u n d H o f f n u n g e n bei L e w i n bzw. F o n t a n e a n g e k l u n g e n haben. Ein paar T a g e zuvor hatte Lewin, der ein dilettierender L y r i k e r ist u n d d i e G a b e b e s i t z t , » s i c h alles, w a s i h n q u ä l t e , v o m

Herzen

h e r u n t e r s i n g e n zu k ö n n e n « ( 3 7 0 ) , a u s u n m i t t e l b a r e r E i n g e b u n g ein Verse niedergeschrieben

( 3 6 8 f . ) , a n d e n e n er s i c h s p ä t e r , w ä h r e n d

paar seiner

K r i e g s g e f a n g e n s c h a f t , »in a l l e r t r ü b s t e r S t i m m u n g « w i e d e r a u f r i c h t e n w i r d ( 6 6 8 ) . D i e letzte S t r o p h e d i e s e r V e r s e l a u t e t : Harre, hoffe, nicht vergebens Zahlest du der Stunden Schlag; Wechsel ist das Los des Lebens Und - es kommt ein andrer Tag! H i e r wird zwar a u f d e n natürlichen »Wechsel« der Z e i t e n g e h o f f t ; b e i d e n G e d i c h t e n aber, d e m j e n i g e n H ö l d e r l i n s w i e d e m j e n i g e n L e w i n s , ist g e m e i n s a m , d a s s s i e s i c h v o n e i n e m halt- u n d d i s t a n z l o s e n A u f g e h e n i m A u g e n blick, einem Sich-Ausliefern an eine m o m e n t a n e S t i m m u n g befreien, dass sie d e n G e i s t a u f b i e t e n u n d u m d e s G a n z e n w i l l e n s i c h ü b e r d a s E i n z e l n e erheben. L e w i n s G e d i c h t , schreibt F o n t a n e i m h o h e n Alter, g e b e seine eigene » S t i m m u n g von d a m a l s wieder«,5 das heisst seine S t i m m u n g n a c h der abrupten A u f g a b e seiner gesicherten B e a m t e n s t e l l u n g an der K ö n i g l i c h e n A k a d e m i e der K ü n s t e i m J a h r 1 8 7 6 , d i e e i n e s c h w e r e E h e - u n d L e b e n s k r i s e a u s l ö s t e ; 6 es m u s s in d i e s e m Z u s a m m e n h a n g a n F o n t a n e s S p r u c h - u n d G e d a n k e n l y r i k e r i n n e r t w e r d e n , d i e in e i n e r a n d e r e n L e b e n s k r i s e , d e r j e n i g e n n a c h d e m S c h e i t e r n der R e v o l u t i o n v o n 1 8 4 8 , e i n s e t z t e u n d in d e r er i m m e r w i e der K l ä r u n g gesucht u n d sich Trost u n d M u t zugesprochen hat. Im G e s p r ä c h , das sich zwischen L e w i n u n d H a n s e n - G r e l l

entwickelt,

w i r d n u n z u e r s t d e r » W i d e r s p r u c h « e r ö r t e r t , d e r z w i s c h e n H a n s e n - G r e i l s eigener »romantischer« Balladendichtung u n d seiner Faszination durch H ö l d e r l i n s » k l a s s i s c h e « , d a s heisst in d e r g r i e c h i s c h - r ö m i s c h e n s t e h e n d e D i c h t u n g b e s t e h t . In e i n e m e i n p r ä g s a m e n Hansen-Grell

die Überlegenheit

Bild

Formtradition veranschaulicht

dieser »Welt des Klassischen«

über

das

»Volksliedhafte« u n d die »naive D i c h t u n g « .

5

''

An Ernst Gründler, 11. Febr. 1896, H F IV, 4, 531. Vgl. die hervorragende Darstellung und Analyse dieser Lebenskrise bei Gerhard Friedrich, a.a.O., S. 224ff.

67

»Ich werde nie klassisch e m p f i n d e n , nie auch nur den Versuch machen, einen Hexam e t e r oder gar eine alkäische Strophe aufzubauen, u n d doch, wo immer ich mit dieser Welt des Klassischen in B e r ü h r u n g k o m m e , fühl' ich mich in ihrem Banne u n d sehe, solange dieser Z a u b e r anhält, auf alles Volksliedhafte wie auf blosse Bänkelsängereien herab. Ich habe d a n n plötzlich aller naiven D i c h t u n g gegenüber ein G e f ü h l , als o b ich hübsche D o r f m ä d c h e n auf einem Hofball erscheinen sähe; sie bleiben h ü b s c h , aber die Buntheit u n d die Willkürlichkeit ihres Aufputzes lässt selbst ihren wirklichen Reiz als untergeordnet erscheinen.« (484)

Naturwuchs also und »Buntheit« und »Willkürlichkeit« der Präsentation auf der einen Seite, Herrschaft eines erhabene Einheit stiftenden künstlerischen Formgesetzes auf der anderen. Was den vorher berührten »Widerspruch« angeht, dass Grell einerseits volksliedhaft »romantisch« dichtet und empfindet, andererseits voll Bewunderung fiir Hölderlins »klassische« Odendichtung ist, so wird dieser »Widerspruch« zuerst mit dem Unterschied zwischen der schöpferischen Produktivität, die notwendigerweise in den tiefsten Schichten der eigenen »Natur« wurzeln muss, und dem literarischen »Geschmack« zu erklären versucht, der auch ein Produkt der »Bildung« ist. Aber das ist noch nicht alles. Und nun spricht Hansen-Grell die Worte, die für sein wie für Fontanes HölderlinBild entscheidend sind und den Widerspruch »auf eine vielleicht viel einfachere Weise« auflösen: »Hölderlin, aller Klassizität seiner Form unerachtet, ist Romantiker von Grund aus.« (485) U m dies darzulegen, trägt Hansen-Grell seine »Lieblingsstrophen« vor, die Ode »An die Parzen«, die er nicht abzulesen braucht, weil er sie »so gut wie auswendig« kann: N u r einen S o m m e r g ö n n t , ihr Gewaltigen, U n d einen Herbst zu reifem Gesänge mir. Dass williger mein Herz, vom süssen Spiele gesättiget, d a n n mir sterbe! Der Seele, der im Leben ihr göttlich Recht Nicht ward, sie r u h t auch d r u n t e n im O r k u s nicht; Doch ist mir einst das Hcil'gc, das am Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen: W i l l k o m m e n d a n n , o Stille der Schattenwelt! Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel Mich nicht hinabgeleitet; einmal Lebt' ich wie Götter, und mehr bedarf's nicht. (485) 7

Mit Abweichungen bzw. Fehlern in v. 1 und v. 1 1 f. ü b e r n i m m t Fontane wieder den Text der Gedichtausgabe von 1826. In der originalen Hölderlinschen Version heissi es: „ N u r Einen S o m m e r g ö n n t , ihr Gewaltigen! / U n d einen Herbst zu reifem Gesänge mir«; auch das »Einmal« in v. 11 ist gross geschrieben, also auch orthographisch

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Wie wirkt die Ode auf Lewin und Hansen-Grell, auf die junge romantische Generation? Im Anschluss an seine Rezitation bekräftigt Hansen-Grell nochmals seine These, Hölderlin sei »Romantiker von Grund aus«. Er legte das B u c h aus der H a n d und fuhr o h n e Pause fort: »Das sind alkäische Strophen, klassisch in Bau und F o r m , und d o c h klingt es in ihnen r o m a n t i s c h trotz O r kus und aller Schatten- und Götterwelt der Klassizität.« N u n erst sah er a u f Lewin. Dieser schwieg noch immer. Aber sein Schweigen sagte mehr als es die enthusiastischsten W o r t e gekonnt hätten. Endlich sprach er vor sich hin: » W i e schön,

und

wie ist die S t i m m u n g getroffen!« »Ja, das ist's«, n a h m Grell noch einmal das W o r t . »Die S t i m m u n g ist getroffen;

und

darauf k o m m t es an, das entscheidet. Es ist jetzt M o d e , von S t i m m u n g zu sprechen und von

In-Stimmung-Kommen.

Aber das In-Stimmung-ATomm^n bedeutet

noch

nicht viel. Erst der, der die ihm g e k o m m e n e S t i m m u n g : das rätselvoll U n b e s t i m m t e , das wie W o l k e n Ziehende schart und genau festzuhalten und diesem Festgehaltenen doch zugleich auch wieder seinen zauberischen, im Helldunkel sich

bewegenden

Schwankezustand zu lassen weiss, erst der ist der Meister.« Lewin nickte, aber zerstreut. Er hatte offenbar nur mit halbem O h r e h i n g e h ö r t und wiederholte statt aller andern A n t w o r t nur die Schlussworte des Liedes: » E i n m a l lebt' ich wie Götter, und mehr bedarf's nicht.« ( 4 8 5 f . )

In Hölderlins alkäischer Ode »klingt es [...] romantisch«: in ihr ist jene Sehnsucht nach einem volleren, höheren, »grossen« Leben, das fur Fontane zum Inbegriff des »Romantischen« gehört, Klang, Bild und Rhythmus geworden. Der von Lewin wiederholte Schlussvers ist der Nukleus des Gedichts: »einmal« wenigstens soll der unbezähmbare Wunsch in der Brust nach Vollendung gestillt werden können, nicht mystisch-romantisch im Unendlichen, sondern im Endlichen, in einem Werk, einem »Gedicht«. In Hölderlins Ode setzt sich, im Gegensatz zu »Ehmals und jetzt«, wieder der andere Pol seines Wesens durch: neben dem »Sparen« das Sich-Verschwenden, neben der »Nüchternheit« das »Feuer«. Und eben dieses »Feuer«, das »heilige Feuer« (129), welches, wenn auch nicht mit gleicher Flamme, ebenso Hansen-Greils Balladendichtung belebt, ist das gemeinsame Element, das seine »romantische« Dichtung mit Hölderlins »klassischer« Odendichtung verbindet und das sich das eine Mal in der strengen, kunst- und spannungsvollen Architektur einer alkäischen Ode fixiert, das andere Mal in der mitreissenden Strophenfolge einer Ballade zum Ausdruck bringt. Hölderlins Ode erfüllt den Anspruch, den Fontane in seiner Auseinandersetzung mit Zola an die Kunst überhaupt stellt: Der Dichter muss den Leser spüren lassen, dass die menschliche Seele »kraft ihrer selbst, aller Schwächlichkeit und aller Verführung unerachtet, Grosses, Schönes, Tu-

b e t o n t ; und statt des Ausrufezeichens in v. 4 steht ein Punkt, statt des D o p p e l p u n k t s in v. 8 ein K o m m a ; ebenso steht ein K o m m a vor »wie G ö t t e r « (StA I, 1, 2 4 1 ) .

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gendhaftes, Heldenmässiges kann« 8 und nicht völlig durch äussere U m s t ä n de determiniert wird; die Sehnsucht darnach jedenfalls ist in Hölderlins O d e Ubermächtig. Lewin ist von dem Gedicht so ergriffen, dass er zunächst keine Worte findet und nicht mehr genau auf das hört, was sein Gesprächspartner sagt. Dieser Dichter verfügt offensichtlich über den »romantischen T o n « , der, wie die Reaktion beider zeigt, »den innersten Menschen gefangennimmt«, über einen »Klang, eine allen Gesetzen der Logik entrückte höhere Sprache, die bezaubert, ohne dass man sich Rechenschaft davon zu geben vermag, weshalb u n d woher«. 9 Grell und Lewin spüren die Echtheit, die magisch ergreifende Gewalt dieses Tons, die mythische, nicht mehr rokokohaft-mythologische Dimension des Gedichts, in d e m sich, neben der Unbedingtheit des Wollens und dem Streben nach d e m Höchsten, auch ein elementares Sensorium fur die schicksalhaften Mächte des Daseins bekundet, das in den durchgängigen A n r u f u n g e n an die »Parzen« z u m Ausdruck k o m m t . Schliesslich die Bewunderung von Hölderlins Kunst. » S t i m m u n g « , das ist seit der Bewegung des »Sturm und Drang« das Moderne, ja bereits zur M o d e Gewordene an der D i c h t u n g dieser Zeit, das, wie Fontane einmal formuliert, »deutsch-romantische Element«, 1 0 welches sie von der E p o c h e der Aufklärung unterscheidet. Mit dem Urteil, dass die S t i m m u n g

»getroffen«

ist, wird Hölderlin das höchste Prädikat zugesprochen, wird nicht nur anerkannt, dass er »eine dichterische Natur durch und d u r c h « " ist, sondern auch, dass er über die höchste künstlerische Meisterschaft verfugt; »wie schön«

ist Fontanes zurückhaltende

Formel

für wirkliche,

verklärende

Schönheit; die Wendung wird ganz am Schluss des Romans, angesichts der im Kloster Lindow bei Sonnenuntergang sichtbar werdenden »Verklärung« des vergänglichen Lebens, nochmals gebraucht ( 7 1 2 ) . 1 2 D e m heutigen Leser freilich, der vom Gipfel des Spätwerks aus auf H ö l derlins Gesamtwerk blickt, will es scheinen, Hansen-Greils Charakterisierung von Hölderlins Kunst (»das rätselvoll Unbestimmte, das wie Wolken Ziehende scharf und genau festzuhalten und diesem Festgehaltenen d o c h zugleich auch wieder seinen zauberischen, im Helldunkel sich bewegenden Schwankezustand zu lassen«) sei trotz aller Bewunderung i m m e r noch zu allgemein und werde dem besonderen Ton der Hölderlinschen Poesie d o c h

8

9 10

" 12

Z u Z o l a , H F III, 1, 5 3 8 . V g l . W o l f g a n g J u n g : D a s » M e n s c h l i c h e « im » A l l t ä g l i c h e n « . T h e o d o r F o n t a n e s L i t e r a t u r t h e o r i e in ihrer B e z i e h u n g zur klassischen Ä s t h e t i k u n d seine R e z e p t i o n der D i c h t u n g e n G o e t h e s u n d Schillers, F r a n k f u r t a m M a i n / B e r n / N e w York 1 9 8 5 , S . 145. Walter S c o t t , H F III, 1, 3 9 2 f . A u s M a n c h e s t e r , H F III, 3/1, 4 9 4 . E b d a . , S. 4 9 9 . V g l . a u c h Vor d e m S t u r m , 2 6 .

70

nicht ganz gerecht, 13 die in neue Gefühlsräume vorstösst, gleichsam in Orgeltönen erklingt, ungeheure Spannungen zum Ausdruck bringt, wie sie sich in der Ode »An die Parzen« in der Behandlung des Versmasses mit seinen Stauungen und kühnen Enjambements, ja in einem Strophensprung bekunden. Aber sowohl Lewin wie Hansen-Grell sind von Hölderlins Gedicht wie von einem an sie persönlich gerichteten Appell getroffen. Das wird deutlich an der Reaktion Lewins, der, noch ganz im Bann der Hölderlinschen Strophen, die letzten Worte vor sich hinsagt; das wird deudich an der Reaktion Hansen-Greils: Hansen-Grell war aufgestanden, und sein unschönes Gesicht mit dem kurzen Strohhaar und den geröteten Lidern verklärte sich von innen heraus zu wirklicher Schönheit. »Ob Lied oder Liebe, ob Freiheit oder Vaterland, einmal leben wie Götter und dann - sterben. Sterben bald, ehe das grosse Gefühl der Erinnerung verblasst.« Sie sprachen noch eine Weile, beide sich in dieselben Vorstellungen vertiefend; dann sagte Lewin: »Lassen Sie uns gehen, Grell, draussen hängt noch das Abendrot; es plaudert sich besser im Freien.« (486)

Hansen-Grell, nun seinerseits den Kerngedanken der Ode festhaltend, bringt in seinen Worten nochmals seine innerste Zustimmung zu diesem idealistisch-romantischen Lebensgefühl zum Ausdruck, seine eigene Sehnsucht nach höchster Konzentration aller Lebensenergie auf den einen »grossen« Augenblick, jene Erhebung im Dienste einer »grossen Idee«, die das Leben »von innen heraus zu wirklicher Schönheit« verklärt. In bekannter Technik, durch Komprimierung in eine Sentenz und Wiederholung, gewinnt Hölderlins Ode somit den Rang eines Leitmotivs. Dieses Leitmotiv wird mit den grossen Themen und Handlungssträngen des Romans verbunden: Poesie, Liebe, Patriotismus. Hölderlins Gedicht liefert Fontanes vaterländischem Roman also nichts Geringeres als den Grundgedanken, dass es nicht auf ein langes, sondern auf ein erfülltes Leben im Dienst einer »Idee« ankommt und dass es, wie dann Konrektor Othegraven sagt, bevor er füsiliert wird (654), und wie es später auch in »Effi Briest« heissen wird, nichts

Das geht vollends daraus hervor, dass Fontane seine Formulierungen aus »Vor dem Sturm« in einer Rezension von 1877 wörtlich auch auf Theodor Storms Lyrik anwenden kann, den er ebenfalls zu den »echten Romantikern« zählt (HF III, I, 273): »Denn um es zu wiederholen, das >In-Stimmung-Kammern bedeutet nicht eben viel. Erst derjenige, der die ihm gekommene Stimmung zu treffen, das rätselvoll Unbestimmte, das wie Wolken Ziehende festzuhalten weiss, ohne doch das Festgehaltene seines zauberischen, im Halbdunkel sich bewegenden Schwankezustandes zu entkleiden, nur der ist der Meister« (Rezension von »Theodor Storm: Gesammelte Schriften, Bd. 7-10«, 1877, HF III, 1, 272f.).

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ausmacht, »wenn man von der Tafel etwas früher abgerufen wird«. 14 Die befreiende Wahrheit dieser Lebenshaltung erfährt nun auch Lewin, er, der zwar Gutherzige, aber, darin Scotts Waverley ähnlich, Träumerische, Schwankende, Zuschauende - »unpolitisch und seiner ganzen Natur nach abhängig vom Moment« (439). Worauf es ankommt, ist damit geklärt; was im vierten Band von »Vor dem Sturm« noch folgt, ist die Bewährung des Erkannten. Gleichzeitig kündet sich auch die entscheidende Krisis in Lewins Leben an. Das wird durch den letzten Satz des Kapitels angedeutet: H i n t e r der S o p h i e n k i r c h e g i n g eben die M o n d s i c h e l auf. ( 4 8 6 )

Die aufgehende Mondsichel ist in Fontanes poetischer Sprache das Zeichen dafür, dass eine wichtige Entscheidung fällt, eine neue Phase eingeleitet wird. 1 5 Der Hinweis auf das »Abendrot« rückte Hölderlins O d e wieder in den patriotischen Kontext; gerade gegen das Ende des dritten Bandes häufen sich die Hinweise auf die »Glut des Abends« (460). 1 6 Aber auch die Entscheidung von Lewins privatem Leben steht unmittelbar bevor. So unterbricht um die Wende vom dritten zum vierten Band, die die Peripetie bringt, das Mondsichel-Motiv das Leitmotiv des Abendrots. 17 Das Gespräch über Hölderlin ist das letzte literarische Gespräch im Buch und zugleich der abschliessende Höhepunkt dieser Gespräche, die am ersten Weihnachtsfeiertag mit Renates und Lewins Privatfehde über »schlechte Erzähler« ihren Auftakt genommen (49), am zweiten Weihnachtsfeiertag mit der Kritik an Schmidt von Werneuchens plumpem Naturalismus erst richtig eingesetzt hatten (108ff.). Hölderlins Dichtung ist, wie wir gesehen haben, keineswegs bloss ein literarisches Nebenmotiv, welches das zeitgenössische Kolorit verstärken soll, sondern sie wird an entscheidender Stelle mit den verschiedenen Handlungssträngen und der zentralen »Idee« des Romans verknüpft und insbesondere in die politische Haupthandlung integriert. Den Grundgedanken der »Treue« ergänzend, zu dem auch die Opferbereitschaft gehört, liefert Hölderlins Ode in der Rezeption

14

17

H F 1,4, 293. Vgl. M a x T a u : D e r assoziative Faktor in der L a n d s c h a f t s - u n d O r t s d a r s t e l l u n g T h e o d o r F o n t a n e s , D i s s . Kiel 1 9 2 8 , S . 2 8 f . V g l . 4 6 3 ; 4 8 6 . D a g e g e n heisst es bezeichnenderweise im S c h l u s s k a p i t e l d e s d r i t t e n B a n d e s , das d e n H a n d l u n g s s t r a n g » L i e b e « weiterführt: » E s fehlte heute d a s A b e n d r o t , d a s sonst wohl u m diese S t u n d e d r ü b e n über d e n D ä c h e r n hing, u n d s o k a m es, d a s s in L e w i n s Z i m m e r bereits ein völliges D u n k e l herrschte.« ( 4 8 7 ) » D i e fahle M o n d e s s i c h e l , e b e n a u s d e m G e w ö l k heraus, sah ihm ins G e s i c h t « ( 4 8 8 ) ; » A m H i m m e l kein S t e r n ; über d i e M o n d e s s i c h c l hin z o g e n die W o l k e n , i m m e r d i c h ter, i m m e r rascher« ( 4 9 0 ) . D a s M o t i v zieht sich bis ins Kapitel IV, 3 h i n e i n : » S i e w a ren s t e h e n g e b l i e b e n u n d sahen jetzt über e i n e m d u n k e l n Waldstreifen d e n M o n d a u f g e h e n , blass u n d silbern.« ( 5 1 0 )

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des Romans die versöhnende Rechtfertigung des frühen Todes. Aber auch für Renates Lebenslauf gilt das Hölderlinsche Leitmotiv: einmal in ihrem Leben hat sie erfahren, was Liebe ist (572) - »und mehr bedarfs nicht«: Renate bleibt ihrem verstorbenen Geliebten treu (571). Ehe wir uns wieder der patriotischen Handlung zuwenden, sei noch eine im Roman selbst nicht zur Sprache kommende, gleichsam unterirdische Verbindung zwischen dem Dichter der alkäischen Ode und dem Autor des vaterländischen Romans betrachtet. Es geht dabei um das dritte Thema, das Thema »Lied« »Gedicht«, Dichtung. Dass Fontane nicht Hölderlins pathetische und missverständliche Ode »Der Tod ftirs Vaterland« in seinen Roman aufnahm, die so nahtlos in den Zusammenhang gepasst hätte, sondern die Ode »An die Parzen« mit ihrem allgemeineren und menschlicheren Gehalt, spricht fur sein feines künstlerisches Empfinden. »An die Parzen« bringt Hölderlins Sehnsucht nach dem Durchbruch zur grossen Dichtung zur Sprache. Das »Heil'ge, das am / Herzen mir liegt, das Gedicht«, um dessen Vollendung die Ode bittet, war für Hölderlin keineswegs irgendein vager Traum, nicht irgendeine ferne Hoffnung, sondern meinte ganz konkret das angefangene Trauerspiel »Der Tod des Empedokles«, mit dem der junge Dichter seine »nach Vollendung dürstende Seele zu sättigen« hoffte18 - mit einem Drama also, einem Werk, das ein ganzes Volk ansprechen sollte.19 Was fur Hölderlin das »Empedokles«Projekt, das bekanntlich ein Torso blieb und durch die grossen Hymnen abgelöst wurde, das war für Fontane sein patriotischer Roman, dessen Entstehung sich über mehr als anderthalb Jahrzehnte hinzog. Dieser Roman war ihm »Herzenssache«; ihn sah er »als ein eigentlichstes Stück Leben« von sich an. »Der Roman [...] darf nicht ungeschrieben bleiben. Die Welt würde es freilich verschmerzen können, aber ich nicht«.10 So glaubt der Kreuzzeitungs-Journalist Fontane den ehrenvollen Auftrag, die Berichterstattung über den »Deutschen Krieg« von 1866 zu übernehmen, der seinem RomanVorhaben in die Quere kam, akzeptieren zu dürfen - und nicht nur aus pe18

20

An den Bruder, 12. Febr./14. Marx 1 7 9 8 , StA V I , 1, 2 6 3 . Als F o n t a n e Hölderlins Dichtung kennenlernte, hatte diese O d e bereits eine Rezeptionsgeschichte. August W i l h e l m Schlegel erwähnte sie, Hölderlins Beiträge würdigend, in seiner Kritik von NeufTers »Taschenbuch a u f 1 7 9 9 « sehr anerkennend und druckte sie ab (in: Jenaische Allgemeine Literaturzeitung, 1 7 9 9 , StA V I I , 4 , 11). G u stav Schwab beschloss damit seine einfühlende Rezension der ersten Gedichtausgabe von 1 8 2 6 (in: Blätter für literarische Unterhaltung, 1 8 2 7 , StA V I I , 4 , 4 5 f . ) ; und mit dem »Gebet >An die Parzen·« eröffnete er dann das Kapitel seiner Schiller-Biographie ( 1 8 4 0 ) , das von der schweren Erkrankung Schillers im Jahre 1 7 9 1 handelt, und fügte hinzu: »Dies Lied, das den Parzen ein Dichter zusingt, der als Schillers Schüler begann und als Meister längst abgeschlossen hat, ist ohne Zweifel auch für die S t i m mung unsrts Dichters auf seinem Krankenlager der rechte Ausdruck« (Schillers Leben, Stuttgart 1 8 4 0 , S. 4 3 6 f . ; StA V I I , 4 , 5 0 ) . An W i l h e l m Hertz, 11. Aug. 1 8 6 6 , H F IV, 2, 168f.

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kuniären Gründen - , 2 1 »weil der Roman, wenn Gott mich leben lässt, doch unter allen Umständen geschrieben« wird. 2 2 Als Fontane zehn Jahre später die sichere, aber öde und geistlose Sekretärsstelle an der Akademie der Künste kündigt und sich endgültig fiir den Beruf des freien Schriftstellers entscheidet, handelt es sich konkret um die Entscheidung fur »Vor dem Sturm«. 2 3 »Ja, der Roman!« schreibt Fontane im Krisenjahr 1876. »Er ist in dieser fur mich trostlosen Zeit mein einziges Glück, meine einzige Erholung. In der Beschäftigung mit ihm vergesse ich, was mich drückt. Aber wenn er überhaupt noch zur Welt kommt, so werde ich, im Rückblick auf die Zeit, in der er entstand, sagen dürfen: ein Schmerzenskind. Er trägt aber keine Züge davon; er ist an vielen Stellen heiter und nirgends von der Misere angekränkelt. Dies letztre kann ich mit voller Bestimmtheit behaupten. [...] Ich empfinde im Arbeiten daran, dass ich nur Schriftsteller bin und nur in diesem schönen Beruf - mag der aufgeblasene Bildungs- Pöbel darüber lachen - mein Glück finden konnte«. 2 4 Als »Arbeit und Inhalt meines Lebens« stellt Fontane das endlich vollendete Werk einem befreundeten Schriftsteller vor; 2 5 der bald Sechzigjährige hielt seinen Roman also fiir sein Lebenswerk. Hölderlins »An die Parzen« gerichtete Strophen müssen dem um seine, wie er damals glaubte, »Lebensarbeit« 2 6 ringenden Autor aus der Seele gesprochen gewesen sein; es waren, wenn nicht alles täuscht, auch seine eigenen »Lieblingsstrophen«, die er geradezu als Motto über seinen Roman hätte setzen können. 2 7 In »Vor dem Sturm« zieht Lewin selber das Fazit seines Besuches bei Hansen-Grell: Die schöne Macht des Idealen, durch einfache Verhältnisse mehr unterstützt als beeinträchtigt, war ihm nie reiner entgegengetreten. Er hatte während seines Besuches mehr als einmal an Faulstich denken müssen; und doch, bei manchem Verwandten, welcher Unterschied! In der Beschäftigung mit den Künsten, auch in der Freude daran, waren sich beide gleich; aber während der eine das Schöne nur feinsinnig kostete, strebte ihm der andere mit ganzer Seele nach. Was den einen verweichlichte, stärkte den andern, und so war Grell ein Vorbild, während Faulstich eine Warnung war. (487)

Nicht in blinder Todessehnsucht, sondern in vollem Bewusstsein nimmt Hansen-Grell den Tod fiir die Gemeinschaft auf sich; er ist voller »Vor21 22 23 24 25 26 27

Vgl. Gerhard Friedrich, a.a.O., S. 114f. An Wilhelm Hertz, 11. Aug. 1866, H F IV, 2, 169. Vgl. Z u r Entstehung, H F 1 , 3 , 7 3 5 . An Mathilde von Rohr, 1. Nov. 1876, H F IV, 2, 5 4 7 . An Paul Lindau, 23. Okt. 1878, H F IV, 2, 6 2 6 . An Ludovica Hesekiel, 19. Febr. 1878, H F IV, 2, 565. In diesem Sinne hat sich, wie ich nachträglich sehe, schon Joachim Biener geäussert: T h e o d o r Fontane als Literaturkritiker, Diss. Leipzig 1954, S. 139.

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ahnungen« (616); und er wie Lewin beschäftigen sich vor dem Kampf gegen die französische Garnison in Frankfurt an der Oder mit der Betrachtung von Grabmälern und Denkmälern, die dort zu sehen sind (607f.; 6 1 7 ) . Beide schwiegen und hingen ernsten Gedanken nach. Dann sagte Lewin, der dem Gespräch eine andere Wendung zu geben trachtete: »Haben Sie Kleists Grabmal besucht? Es wirkt etwas zopfig mit seinem Schmetterling und seiner Inschrift in drei Sprachen, und doch hab' ich immer einen tiefen Eindruck davon empfangen.« .»Ja«, bestätigte Grell. »Aber der Eindruck, den ich vorher von dem Herzog-Leopold-Denkmal empfing, war tiefer.« »Und weshalb?« »Weil es mir noch deutlicher und entschiedener meinen Lieblingssatz predigt, dass es erst der Tod ist, der uns unser eigentliches Leben gibt. Auch hienieden schon. Wer würde von dem armen Herzoge noch wissen, wenn er sein Leben einfach ausgelebt hätte bis auf den letzten Tag. Er unterbrach aber den Gang seiner Stunden und opferte sich; und nun lebt er fort, weil er zu sterben verstand.« »Es ist unser Tun, nicht unser Tod, was uns ein schöneres Leben sichert.« »Aber doppelt gesichert ist es uns, wenn es ein Tun im Tode ist.« ( 6 1 7 )

Major Ewald Christian von Kleist, der bekannte, damals berühmte Dichter und Offizier, war 1 7 5 9 in Frankfurt an seinen schweren Verletzungen gestorben, die er sich in der Schlacht von Kunersdorf zugezogen hatte; der liebenswürdige, philanthropische junge Herzog Leopold von Braunschweig, preussischer Generalmajor, ertrank 1 7 8 5 beim Versuch, vom Hochwasser bedrohte Bewohner der Stadt Frankfurt an der Oder zu retten. Des jungen Herzogs Tod wirkt auf Hansen-Grell »tiefer«: sein Tod fiir andere ist ein eindringliches Beispiel für das Höchste, was dem Menschen zu vollbringen möglich ist. Das, worauf Hölderlins Ode »An die Parzen« zielt, grosses, erfülltes, vollendetes Leben, hat sich hier verschoben zum »Tun im Tode«, zum Opfer, mit dem der Mensch das, was ihm heilig ist, wenn nötig durch seinen Tod beglaubigt. Erst die Bewährung im Tod bringt an den Tag, wer wir »eigentlich« sind, und »sichert« das Fortleben. Der innere Bezug zu Hölderlins Gedicht wird in einer Skizze zu diesem Kapitelschluss, die sich erhalten hat, explizit ausgesprochen; und dieses »Brouillon« hebt nochmals den leitmotivischen Charakter des Hölderlin-Zitats ins hellste Licht: Grell sieht sich die beiden Denkmäler an; die Geschütze stehen verteilt bei beiden. Das Leopoldsche liest er an Ort und Stelle; das Kleistsche notiert er bloss und liest es am Abend Lewin vor. Mit diesem hat er nun, anknüpfend an die Hölderlin-Strophe, oder richtiger anknüpfend an Kleist, ein Gespräch über einmal brav und tüchtig sein. Dabei dann Erinnerung an die Hölderlin-Strophe. Damit schliesst das Kapitel. 2 8

28

Zit. bei Heide Buscher, a.a.O., S. 60f.; das Original der Handschrift befindet sich im Schiller-Nationalmuseum in Marbach.

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»Anknüpfend an Kleist«: auch dem Dichter Ewald von Kleist, auf dessen M o n u m e n t in der lateinischen Version die Inschrift steht: FORTI, PIO, MUSARUM PATRONO, PRO PATRIA M O R T U O , 2 9 ist es gelungen, Mut und Glauben, Dichtung und Vaterlandsliebe, mit einem Wort: Kunst und Leben zu versöhnen, die Ganzheit seines Lebens zu verwirklichen. Nachdem Hansen-Grell bei dem missglückten Frankfurter Überfall gefallen, Othegraven wenig später standrechtlich erschossen worden ist, lautet ein Kommentar: »Mitunter ist es mir, als wären wir in einem Narrenhause grossgezogen. Es ist nichts mit den zweierlei Menschen. Eines wenigstens glaubten wir gepachtet zu haben: den Mut, und nun k o m m t dieser Kakerlaken-Grell und stirbt wie ein Held mit dem Säbel in der H a n d . Von dem Konrektor Sprech' ich gar nicht erst; ein solcher Tod kann einen alten Soldaten beschämen. U n d woher das alles? Sie wissen es. Von drüben; Westwind.« (706) Der hier spricht, Generalmajor Bamme, ist, wie wir gesehen haben, ein märkisches »Original«, aber nicht, wie Dubslav, »von der milderen Observanz«, 30 vielmehr in allem - in seiner Missgestalt, in seinen bescheidenen Fähigkeiten, in seinem mangelnden Mut, seinem Zynismus, ja seinen pathologischen Zügen - die lebendige Verkörperung der Sackgasse, in die das dünkelhafte »Zweimenschensystem« (122) und die daraus entspringende Inzucht den preussischen Adel geführt haben, obgleich auch diese Figur, wie gezeigt, »von zwei Seiten her« dargestellt ist. Der Respekt, den der alte preussische Husarengeneral dem Soldatentod des jungen Dichters und der heldenhaften Haltung des jungen Geistlichen zollt, gehört zu einer nun doch »revolutionären« Tendenz von »Vor dem Sturm«, die hier ganz direkt mit der Französischen Revolution in Verbindung gebracht wird. »Mensch ist Mensch«, lautet die Formel dafür am Schluss des Romans lapidar (706). Und in einem Brief kommentiert Fontane: »Die Natur adelt; alles andre ist Unsinn«. 31 Hansen-Grell ist nur einer unter Tausenden von Männern, die die Einheit von Denken und Tun be-

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»Dem Tapferen, F r o m m e n , d e m Schutzherrn der Musen, der für das Vaterland starb.« - Vgl. J.C.A. Mayer: Beschreibung des Kleistischen M o n u m e n t e s , von der hiesigen Freimaurer-Loge zum aufrichtigen Herzen errichtet, nebst einigen dasselbe betreffenden Merkwürdigkeiten u n d G e d i c h t e n u n d einer Betrachtung über das Leben dieses grossen deutschen Helden u n d Dichters, Frankfurt an der O d e r 1781.

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Der Stechlin, H F I, 5, 9. An Ludwig Pietsch, 22. Nov. 1878, H F IV, 2, 6 3 4 . - Vgl. auch An Emilie Fontane, 12. Juli 1863: »Ich verwahre mich übrigens feierlich dagegen, dass das, was ich >adlig< nenne, bloss an der Menschenklasse haftet, die m a n >Adel< nennt; es k o m m t in allen Ständen vor, es ist der Sinn für das Allgemeine, für das Ideale u n d die A b n e i g u n g gegen den Krimskrams des engsten Zirkels, dessen Abgeschlossenheit von selbst d a f ü r sorgt, dass aus jedem P. ein Donnerschlag wird.« ( T h e o d o r Fontanes Briefe an seine Familie, Berlin 1905, Erster Band, S. 130)

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währen und Treue bis in den Tod zu üben gewillt sind. Er selber stammt, wie gesagt, aus einer ehemaligen Hörigenfamilie; ein anderer, der das Frankfurter Unternehmen mit dem Tode bezahlt, ist ein Bauernsohn (639; 648); Konrektor Othegraven gehört dem gebildeten Bürgertum an. Das alles beglaubigt eine Welt ohne »Geburts- und Standesunterschied« (82). Auch Hansen-Greils Tod ist ein Gleichnis für das Höchste, dessen der Mensch fähig ist. Noch der alte Stechlin sinniert darüber in einem seiner letzten Selbstgespräche. »Eigentlich kommt's doch immer bloss darauf an, dass einer sagt, »dafür sterb' ich«. Und es dann aber auch tut. Für was, is beinah gleich. Dass man überhaupt so was kann, wie sich opfern, das ist das Grosse. Kirchlich mag es ja falsch sein, was ich da so sage; aber was sie jetzt >sittlich< nennen (und manche sagen auch >schönheitlichKlinke< e b e n s o w e n i g n e h m e n lassen w i e s e i n e n >Frobenklassischen< Romantiker« charakterisiert Hölderlin auch, unter ausdrücklicher Berufung auf Rosenkranz, eine Studie von 1866, 43 und noch Rudolf Hayms berühmte Romantik-Darstellung von 1870, die in Hölderlin einen »Seitentrieb der romantischen Poesie« sieht, steht in dieser Tradition, die bis zu Hermann August Korff reicht.44 Auch die Zusammenschau von Hölderlin und Novalis wird zum literaturgeschichtlichen Topos.45 Fontane

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Karl Rosenkranz: G.W.F. Hegels Leben, Berlin 1844/Reprografischer Nachdruck Darmstadt 1969, S. 82 Leben Hölderlins. In: Friedrich Hölderlins sämtliche Werke, herausgegeben von Christoph Theodor Schwab, Zweiter Band, Nachlass und Biographie, Stuttgart und Tübingen 1846, S. 296. Karl Gustav Helbig, in: Beilage zur Allgemeinen Zeitung, 1847, StA VII, 4, 111. Wilhelm Sigmund Teuffei, in: Monatsblätter zur Ergänzung der Allgemeinen Zeitung, 1847, StA VII, 4, 130. - Vgl. Johannes Minclcwitz, in: Literarische Zeitung, 1847, StA VII, 4, 147. Wilhelm Sigmund TeufFel an Gustav Schwab, 9. Juli 1846, StA VII, 3, 456. - Vgl. Ulrich Hötzer: Hölderlins Dichtung als Gegenstand einer zeitgenössischen Vorlesung von W.S. TeufFel. Eine Mitteilung. In: H J b 1952, S. 1 1 1 - 1 2 5 . David Müller: Friedrich Hölderlin. Eine Studie. In: Preussische Jahrbücher, Bd. 17, 1866, S. 5 4 8 - 5 6 8 , hier S. 551. RudolF Haym, a.a.O., S. 289; Hermann August KorfF: Geist der Goethezeit. Versuch einer ideellen Entwicklung der klassisch-romantischen Literaturgeschichte, 3. Bd., Leipzig 1940, S. 373: »Romantische Klassik«. Vgl. Johann Wilhelm SchaeFer, a.a.O., StA VII, 4, 246: Alexander Jung, a.a.O., S. 1 0 - 1 2 und passim, unter ausdrücklichem Hinweis auf Karl Rosenkranz' »vortrefflichen AuFsatz« (S. 10). Das Hölderlin-Bändchen der »Modernen Klassiker« Fasst Alexander Jungs Konzeption folgendermassen zusammen: »In gewisser Hinsicht hat Hol-

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hat auch sie übernommen, jedoch die Akzente anders gesetzt und die jungdeutsche Romantik-Kritik auch auf den früher gefeierten Novalis ausgedehnt.'16 Wann lernte Fontane überhaupt Hölderlins Dichtung kennen - und wann wurde er von ihr ergriffen? Es ist nicht ausgeschlossen, ja vielmehr sogar höchst wahrscheinlich, dass Fontane mit Hölderlins Lyrik schon als Berliner Gewerbeschüler bekannt wurde (wenn er nicht gerade, aus hundert Gründen sich unglücklich fühlend, 47 den Unterricht schwänzte). 48 Denn zu den »Berlinern«, die Hölderlin über alles verehrten, gehörte auch Philipp Wackernagel, Fontanes Deutschlehrer an der städtischen Gewerbeschule, die Fontane vom Oktober 1833 bis zum März 1836 besuchte - derselbe, der Fontanes Schulaufsatz »Auf dem Schlachtfelde von Gross-Beeren«, einen Hausaufsatz des Vierzehnjährigen »nach selbstgewähltem Thema«, statt mit dem üblichen »vidi W.« mit dem Prädikat »Recht gut. W.« auszeichnete."'9 Wackernagel hatte 1832, ein Jahr vor Fontanes Eintritt in die Schule, eine Anthologie deutscher Gedichte herausgegeben, die, ausdrücklich fur den Gebrauch an Schulen bestimmt, auch 17 Gedichte Hölderlins enthielt. 50 Es war die erste grös-

derlin ein ähnliches Verhältnis zur klassischen Periode, wie Novalis zur romantischen Schule, und Novalis ist der Dichter, der am meisten mit ihm in Vergleichung gestellt werden kann. Sie finden beide ihre Ähnlichkeit in der Weltanschauung, dass das, was man im allgemeinen einen schöncn Traum nennt, die wahre Wirklichkeit sei und dagegen das, was so viele als unbestreitbare Wirklichkeit nehmen, nur ein vorüberfliegender Traum. (...) Doch haben beide auch entgegengesetzte Seiten. [...] Novalis wurzelt ganz im Christentum, Hölderlin in der antiken Welt, jener ist Mystiker, dieser Pantheist« (Moderne Klassiker. Deutsche Literaturgeschichte der neuern Zeit in Biographien, Kritiken und Proben. Mit Porträts. Zweiundzwanzigster Band: Friedrich Hölderlin, Kassel 1853, S. 34f.) - Noch Rudolf Haym beschliesst seine HölderlinDarstellung mit dem Vergleich von Hölderlin und Novalis, dem er eine »innere Wahlverwandtschaft« mit Hölderlin bescheinigt (a.a.O., S. 324). 46

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Nach Hans Otto Horch ist Fontanes Romantikkritik im Gespräch über Novalis massgeblich von Heines Novalis-Kritik in der »Romantischen Schule« bestimmt (vgl. Hans Otto Horch, a.a.O., S. 154ff.). - Ulrich Helmke kommt zum Schluss, dass die Urteile über Novalis und Tieck »die persönliche und zeitgemässe Befangenheit Fontanes der deutschen Romantik gegenüber aufdecken [...] er erhebt sich eben doch nicht Uber den durchschnittlichen Zeitgeschmack in seinem Urteil« (Ulrich Helmke: Theodor Fontane und E.T.A Hoffmann. In: Mitteilungen der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft 18, 1972, S. 33-36, hier S. 36). Vgl. An Theodor Storm, 14. Febr. 1854, H F IV, 1, 375. Von Zwanzig bis Dreissig, HF III, 4, 283fT. Vgl. Mein Erstling: »Das Schlachtfeld von Gross-Beeren« (1894), H F III, 4, 10291031. - Die Schlacht hatte am 23. August 1813 stattgefunden. Karl Eduard Philipp Wackernagel (Hrsg.): Auswahl deutscher Gedichte, für höhere Schulen, Berlin 1832. - Wie Alfred Kelletat vermutet, liegt Wackernagels HölderlinVerehrung eine persönliche Beziehung zu dem 1831 verstorbenen Achim von Arnim zugrunde, dem Wackernagel in seiner »Vorrede« einen Nachruf widmet; auch eine persönliche Bekanntschaft Wackernagels mit dem Schweizer Komponisten Theodor Fröhlich (1803—1836), einem Freund seines Bruders, darf angenommen werden.

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sere Auswahl Hölderlinscher Gedichte, die veröffentlicht wurde; und in seiner Vorrede hatte der Herausgeber, Hölderlins Dichtung abhebend von Platens virtuoser Formkunst, wunderbar einsichtige Worte für Hölderlins Poesie gefunden: Von Hölderlin besitzen wir Gedichte, die an innerer Vollendung alles übertreffen, was unsre Sprache Ähnliches aufstellen kann; man lese das Fragment, Uberschrieben »Der Rhein«, welches ich einstweilen von meiner Sammlung ausgeschlossen, und erstaune, wie ein Dichter von dieser einfachen Grösse so verborgen bleiben durfte. Die geläutertsten Gedanken eines ergebenen Tiefsinns 51 in den anspruchslosen Ausdrükken heiliger Einfalt, das ist ein Hölderlinsches Gedicht. Kein Grieche ist je so Grieche gewesen, als Hölderlin; so aus tiefster Seele sind noch keinem Dichcer solche Masse erwachsen. Wie ein Grieche in der Fremde atmet er Sehnsucht nach Hellas; die heilige Naturandacht des tiefsinnigsten Heidentums, wie sie in seinen Gedichten sich verklärt, ist von allen unsern Dichtern nur ihm eigen; von der unwürdigen Spielerei mit missverstandenen Brocken antiker Mythologie, wie viele sie üben, bleibt er fern. Seine Empfindungen sind überall eigene, nie nachgeahmte oder aus zweiter Hand; ein Zeugnis, das ausser ihm wenigen unserer Dichter zukommt, da viele nur jenen Widerschein der Wahrheit suchen, der aus einiger Ferne in jede Seele fallt. In Hölderlins Gedichten findet sich keine Phrase. So rein sind seine Metra, dass ein Streit, der zwischen ihnen und den Platenschen geschlichtet würde, hinreichend sein müsste, fur immer die allgemeine Frage um die mögliche Nachahmung klassischer Formen zu entscheiden. Platens Gedichte sind Architektur, Hölderlins Kristallisation. 52

Hier ist der »klassische«, d.h. der in klassisch-antikem Geiste, ja griechischer als die Griechen dichtende Hölderlin entdeckt. Manche Formulierungen Wackernagels - »einfache Grösse«, »die geläutertsten Gedanken eines ergebenen Tiefsinns in den anspruchslosen Ausdrücken heiliger Einfalt« — variieren Winckelmanns berühmte klassizistische Formel von der »edlen Einfalt und stillen Grösse« der griechischen Kunst. So hat Wackernagel auch fast ausnahmslos Hölderlin-Gedichte in altgriechischen Metren in seine Gedichtsammlung aufgenommen; die einzige Ausnahme bildet die Reimhymne »Das Schicksal«. Hölderlin ist für Wackernagel das naturhaft aus sich schaffende Genie; Hölderlins Gedichtformen - seine Elegien, seine Oden, seine Pindarischen

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Fröhlich studierte von 1826-1830 bei Zelter in Berlin Musik und komponierte 1830 die Oden »Rückkehr in die Heimat« und »Hyperions Schicksalslied«. Vgl. StA VII, 3, 47f. und Alfred Kelletat: Die frühe Rezeption Hölderlins in Schule und Lesebuch (1830-1850). In: Abhandlungen aus der Pädagogischen Hochschule Berlin 3, 1976, S. 87-115, hierS. 102f. Vielleicht Druckfehler (statt »erhabenen Tiefsinns«), in späteren, »verbesserten« Auflagen aber nie korrigiert; die Lesung der Stuttgarter Ausgabe (StA VII, 4, 175) ist ausnahmsweise falsch. Vorrede, a.a.O., S. VI; vgl. StA VII, 4, 175f. - Nach Adolf Beck gehört diese »knappe Charakteristik oder Laudatio [...] zum Feinsten und in der Rühmung Freudigsten, was über Hölderlins Lyrik nach Form und Gehalt bis zu seinem Tod, und noch darüber hinaus, gesagt worden ist, gesagt in einer Sprache, die vollkommen schlicht Tiefes, Wesentliches trifft und dabei meisterhaft bündig ist« (StA VII, 4, 176).

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Hymnen - »erwachsen« einem ursprünglichen griechischen Denken und Empfinden; Platens griechische Metrik, technisch perfekt, entspringt höchstem Kunstverstand und dient der Bewältigung beliebiger Stoffe. So gelangt Wackernagel zu folgendem Urteil: D i c h t c r , wie Hölderlin, erzeugen aus griechischem Geiste von selbst in ihrer Sprache die wahren Analoga griechischer Metra; ihre G e d i c h t e muss man studieren, wie Sprac h e überhaupt, um die Gesetze zu lernen und sich ihrer zu freuen; Platens Gedichte dagegen, um seine Regeln zu entdecken und zu erfahren, wie weit Kunstfertigkeit immer zugleich Naturnotwendigkeit ist. 5 1

Wackernagels Konzeption ist mit derjenigen Bettina von Arnims verwandt (und geht deshalb mittelbar wohl ebenfalls auf Sinclair zurück), in deren Briefroman »Die Günderode« (1840) der kranke Hölderlin in strömender Rede seine seherischen Einblicke in das Wesen von Sprache und Poesie kundgibt: »Die Gesetze des Geistes [ . . . ] seien metrisch, das fühle sich in der Sprache, sie werfe das Netz über den Geist, in dem gefangen, er das Göttliche aussprechen müsse, und so lange der Dichter noch den Versakzent suche und nicht vom Rhythmus fortgerissen werde, so lange habe seine Poesie noch keine Wahrheit, denn Poesie sei nicht das alberne sinnlose Reimen, an dem kein tieferer Geist Gefallen haben könne, sondern das sei Poesie: dass eben der Geist sich nur rhythmisch ausdrücken könne, dass nur im Rhythmus seine Sprache liege, während das Poesielose auch geistlos, mithin unrhythmisch sei«. 54 Für halbwüchsige Gewerbeschüler freilich waren das schwierige Einsichten, und man wundert sich nicht, dass der Deutschlehrer, wie Fontane noch in seinem letzten Lebensjahr berichtet, »immer ärgerlich und gereizt über die ihm auferlegte Langeweile« war, »die er übrigens mit gleicher Münze zurückbezahlte«. 55 Aber Wackernagels umfassende »Auswahl deutscher Gedichte«, dieses »Handbuch für Schulen«, 5 6 entwickelte sich zu einem grossen Verkaufserfolg und lag nach vier Jahrzehnten bereits in 6 . Auflage vor. 5 7 Und gerade Hölderlin wird darin, neben Uhland und Rückert, eine wichtige Funktion im Deutschunterricht zugewiesen: Hölderlin, Uhland und Rückert, jeder auf seine Weise, können die Schulen ihrer Zeit, den schönsten Unterricht, der am hässlichsten entartet ist, erfrischen und beleben. 5 8

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Vorrede, a . a . O . , S. V I I I . B e t t i n a von A r n i m , a . a . O . , Teil 1, S. 4 1 6 ; vgl. StA V I I , 4 , 195. An Julius U n g e , 3 1 . Januar 1 8 9 8 , H F IV, 4, 6 9 2 . Vorrede, a . a . O . , S. IV.

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Philipp Wackernagel (Hrsg.): Auswahl deutscher Gedichte nach den nationalen metrischen F o r m e n derselben, für höhere Schulen und weitere gebildete Kreise, Altenburg 61872.

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Auswahl deutscher Gedichte ( 1 8 3 2 ) , Vorrede, S. X .

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Aach über seine Vorstellung von schulischem Umgang mit Gedichten gibt Wackernagel in seiner Vorrede Auskunft: auf eine eigentliche Interpretation und Analyse möchte er, in realistischer Einschätzung der gegebenen Grenzen, verzichten, vielmehr höchstens den Wortlaut der Gedichte klären und sie im übrigen memorieren lassen: Wie m a n sich a u c h der G e d i c h t e in einer S c h u l a n s t a l t g e b r a u c h e , m a n s o r g e d a f ü r , dass die K n a b e n sich der s c h ö n s t e n erfreuen, aber versuche es a u f keine Weise, i h n e n die S c h ö n h e i t zu erklären. D e s Z e r g l i e d e r n s tut m a n leicht zuviel. Besser, m a n lässt in d e m G e d ä c h t n i s der Schüler etwas U n v e r s t a n d e n e s z u r ü c k , mit w e l c h e m sie, bis sie es verstehen, sich tragen k ö n n e n , als dass m a n sie mit E r k l ä r u n g e n langweilt o d e r ä n g stiget, die den G e g e n s t a n d im G a n z e n d o c h nicht näher b r i n g e n . D e n S i n n

für

S c h ö n h e i t k a n n nur die S c h ö n h e i t bilden; w o diese nicht m ä c h t i g g e n u g ist, w i r d sich a u c h jedes R e d e n über sie als u n w i r k s a m e r w e i s e n . 5 9

Noch der greise Fontane erinnert sich »an unter Philipp Wackernagel auswendig gelernte Gedichte« - im speziellen Fall geht es um Makamen Rückerts (!) - ; 6 0 zu seinem ersten Gedicht, einem Gedicht in Terzinen über die Schlacht von Hochkirch, wurde der Fünfzehnjährige durch Chamissos Dichtung »Salas y Gomez« angeregt, die sich ebenfalls in Wackernagels Anthologie findet und wohl sicher im Deutschunterricht gelesen wurde; 6 1 von einer persönlichen Berührung des Gewerbeschülers durch ein Gedicht Hölderlins indessen, wie das bei Brentanos Romanze »Die Gottesmauer« der Fall gewesen zu sein scheint, 62 verlautet nichts. Sie ist auch kaum anzunehmen; denn erstens bildete sich der an die Berliner Gewerbeschule abgeschobene Jugendliche damals noch ein, wie Fontane in seinen Lebenserinnerungen berichtet, »Botaniker« werden zu wollen, und rechtfertigte sich so seine regelmässigen Streifzüge durch den Grunewald und die Jungfernheide, die er unternahm, statt die Schule zu besuchen, 63 und zweitens galt sein damaliges literarisches Interesse, wie der alte Fontane ironisch formuliert, der

" f'°

E b d a . , S. X l l l f . A n M o r i t z u n d Sarah L a z a r u s , 18. J u n i 1 8 9 0 , H F IV, 4 , 5 0 .

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Vgl. A n T h e o d o r S t o r m , 14. Febr. 1 8 5 4 , H F IV, 1, 3 7 5 . A n Karl Zöllner, 9 . J a n u a r 1 8 9 1 , H F IV, 4 . 8 9 ; B r e n t a n o s G e d i c h t » D i e G o t t e s m a u er« findet sich in Wackernagels »Auswahl d e u t s c h e r G e d i c h t e « a u f S . 4 4 6 f . — W e n n die siebzehnjährige E f f i erklärt, sie h a b e dieses G e d i c h t »bei u n s e r m H o h e n - C r e m m ner Pastor vor vielen, vielen J a h r e n , als ich n o c h g a n z klein war, a u f w e n d i g g e l e r n t « ( H F I, 4, 1 5 1 ) , so scheint d a s sehr a u s der Perspektive des sparen F o n t a n e h e r a u s g e s p r o c h e n zu sein. - In der erklärten Absicht, n a c h der f e h l g e s c h l a g e n e n u n d W a c k e r nagels A n s i c h t nach a u c h fehlgeleiteten R e v o l u t i o n v o n 1 8 4 8 d a s d e u t s c h e V o l k w i e der zu den geistigen u n d christlichen Q u e l l e n seiner G e s c h i c h t e z u r ü c k z u f ü h r e n , g a b Wackernagel noch eine zweite A n t h o l o g i e in D u o d e z u n d v o n g e r i n g e r e m U m f a n g heraus: T r ö s t e i n s a m k e i t in L i e d e r n . G e s a m m e l t v o n P h i l i p p W a c k e r n a g e l , F r a n k f u r t a m M a i n u n d E r l a n g e n 1 8 4 9 , worin » D i e G o t t e s m a u e r « als N r . 6 4 figuriert.

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Von Z w a n z i g bis Dreissig, H F III, 4 , 2 8 3 f .

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»klassisch-zeitgenössischen Literatur«, nämlich den Berliner Tages- und Wochenzeitungen, die er in einer abgelegenen Konditorei studierte - dem »Beobachter an der Spree«, dem »Freimütigen«, dem »Gesellschafter« und dem »Figaro«, und darin, nebst Theaterkritiken und Novellen, »vor allem« den Gedichten »jener sechs oder sieben jungen Herren, die damals [ . . . ] eine Berliner Dichterschule bildeten« - Eduard Ferrand, Franz von Gaudy, Julius Minding, August Kopisch und andere - ; er entwickelte sich so zu einem Kenner der modernen »norddeutschen Lyrik jener dreissiger Jahre«. 64 Schon als Dreizehn- oder Vierzehnjähriger las er Scott, 65 und gegen das Ende seiner Schulzeit beschäftigte er sich nicht mit Horaz, Sophokles oder Vergil, sondern mit Coopers 1821 erschienenem Roman »Der Spion«. 6 6 Was Hölderlin angeht, so dürfte beim 17jährigen Fontane, der ja auf eine »klassische« Bildung, ja auf eine abgeschlossene Schulbildung überhaupt verzichten musste, nur ein Teil-Lehrziel des Wackernagelschen »Handbuchs« erreicht worden sein, das historische, literaturgeschichdiche, welches der Herausgeber des »Deutschen Lesebuchs« ein paar Jahre später im Blick auf die »jungen Leser« so formuliert: »Es werden ihnen bei längerer Beschäftigung mit demselben zugleich die Namen unserer Dichter geläufig, sie [ . . . ] lernen auch einige derselben schon näher kennen, und sei es nun, dass die Knaben in späteren Schulklassen weiter geführt werden, sei es, dass sie die Schule früher verlassen, immer werden sie an den Erinnerungen, die sie von dem Buche mitbringen, sich besser zurechtfinden und erweiternd und berichtigend an dieselben anknüpfen können«. 6 7 Nicht der Deutschlehrer scheint es also gewesen zu sein, der dem jungen Fontane den eigentlichen Zugang zu Hölderlins Dichtung eröffnete - wir wüssten sonst davon - , sondern weit eher, »erweiternd und berichtigend«, jemand aus der Schar der zeitgenössischen Vormärz-Literaten und -Poeten, Georg Herwegh etwa, in dessen Nachfolge der junge Dichter mit politischer Lyrik hervortrat, 68 Georg Herwegh, dessen »Gedichte eines Lebendigen« (1841) - in denen sich auch ein Sonett an Hölderlin findet69 - Furore machten und der, wie andere Publizisten des Vormärz, 70 die politischen Implikationen von Hölderlins Dichtung erkannte und diesem schon 1839 ei64 65 66 67

f,e

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E b d a . , S. 2 8 4 f . V g l . A n H e r m a n n P a m e n i u s , 14. A u g . 1 8 9 3 , H F IV, 4, 2 7 4 . Von Z w a n z i g bis Dreissig, H F III, 4, S. 2 8 6 . Karl Eduard P h i l i p p W a c k e r n a g c l : Der U n t e r r i c h t in der M u t t e r s p r a c h e . (Deutsches L e s e b u c h , Viertel Teil, für Lehrer.) Stuttgart 1 8 4 3 , S. 19. Von Z w a n z i g bis Dreissig, H F III, 4, 257fT.; vgl. H e l m u t h N ü r n b e r g e r , a . a . O . , S. 93fT.; C h r i s t a Schultze: Fontanes » H e r w e g h - K l u b « u n d die studentische Prog r e s s b e w e g u n g 1841/42 in Leipzig. In: Fontane-Blätter, 1 9 7 1 , S. 3 2 7 - 3 3 9 . V g l . S t A VII, 3, 5 0 6 . V g l . T h e o d o r O p i t z : Friederich H ö l d e r l i n . In: W i g a n d s Vierteljahrsschrift, Bd. 2, 1 8 4 4 ; StA VII, 4, 2 3 3 - 2 3 9 .

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nen enthusiastischen Aufsatz - einen Ruf nach einer Gesamtausgabe - widmete: Hölderlin! von ihm wollte ich schreiben, und das Herz pocht mir schon, wenn ich an ihn denke! Hölderlin, der eigentlichste Dichter der Jugend, dem Deutschland eine grosse Schuld abzutragen hat, weil er an Deutschland zu Grunde gegangen ist. Aus unsern jämmerlichen Zustanden, ehe noch unsere Schmach voll wurde, hat er sich in die heilige Nacht des Wahnsinns gerettet, er, der berufen war, uns voranzuschreiten, und uns ein Schlachtlied zu singen. Ach! er hat sich umsonst gewünscht zu fallen am Opferhügel, zu bluten des Herzens Blut furs Vaterland! Obgleich bald vier Dezennien vorübergerauscht sind, seit der Verfasser des Hyperion sein letztes Lied gedichtet, zünden die grossen Worte desselben noch so mächtig in den jugendlichen Gemütern, als ob sie erst gestern gesprochen worden wären.

[...] Er hat auch wohl für die mit dem Altertum sich beschäftigende Jugend mehr Wert, als der grösste Philolog. Er wollte uns das Schönste aus jenen klassischen Zeiten erobern, den freien, grossen Sinn.71

Unverkennbar spricht aus Herweghs Aufsatz die gleiche Begeisterung fiir den schwäbischen Dichter, wie sie in »Vor dem Sturm« Hansen-Grell äussert; und wie Hölderlin fiir Herwegh »der eigentlichste Dichter der Jugend« ist, 72 so sind es in Fontanes Roman die Jungen, die von Hölderlin ergriffen sind, während sich die ältere Generation an Schiller hält; schliesslich wird von Herwegh der politische Appell von Hölderlins Dichtung hervorgehoben, dem im Roman der junge Hölderlin-Verehrer Folge leistet und in Wirklichkeit den Tod fürs Vaterland auf sich nimmt, den sich sein Vorbild »umsonst gewünscht« hat. Es scheint kein Zweifel möglich: es ist der jungdeutsche, der vormärzliche Hölderlin-Enthusiasmus, der in Fontanes vaterländischem Roman weiterwirkt. Hölderlins Ode »Der Tod furs Vaterland«, aus welcher der Revolutionär Herwegh zitiert, ist auch in Wackernagels Gedichtanthologie von 1832 enthalten; sie wird ebenso aufgenommen in eine weitere Textsammlung Wakkern agels, in das bereits erwähnte »Deutsche Lesebuch«, das 1843, in Hölderlins Todesjahr, in Stuttgart erschien. 73 Auch dieses von konservativem 71

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Georg Herwegh: Ein Verschollener. In: Die Deutsche Volkshalle, 1839, S. 159f.; darnach in: Gedichte und kritische Aufsätze aus den Jahren 1839 und 1840, BelleVuebei Konstanz 1845, S. 109-115; StA VII, 3, 198-200, hier S. 198f. Vgl. Adolf Becks Hinweis auf den Leitmotivcharakter dieses Gedankens in Herweghs Aufsatz, StA VII, 3, 200. Aufgenommen allerdings, wie in der Uhland-Schwabschen Gedichtausgabc von 1826 und in Wackernagels Anthologie von 1832, unter Weglassung der provokanten Schlussstrophc: Karl Eduard Philipp Wackernagcl (Hrsg.): Deutsches Lesebuch, Vier Teile, Stuttgart 1843, Dritter Teil, S. 145.

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Geist geprägte »Deutsche Lesebuch«, dessen Tendenz der Herausgeber selber mit den Worten angibt, es habe »eine entschieden christliche und eine ebenso entschieden nationale Richtung«, 74 ist äusserst aufschlussreich für die Stimmung des vorrevolutionären Jahrzehnts. So folgen im Lesebuch auf den »Tod fürs Vaterland«: der Prosatext »Die Schlacht bei Sempach 1386« von Johannes von Müller und »Des Arnold von Winkelried Opfertod«, ein Gedicht in Nibelungenstrophen von A.L. Folien. Und eröffnet wird dieser dritte Teil von Wackernagels »Lesebuch«, der für Leser von zwölf bis vierzehn Jahren gedacht war, mit dem Schlussteil von Hölderlins Elegie »Der Wanderer« - unter dem Titel »Rückkehr in die Heimat« - , und dieser dritte und letzte Teil des Lesebuchs mündet schliesslich in eine Sammlung von Texten, die den patriotischen Geist der Befreiungskriege und deren Ablauf dokumentieren. Es handelt sich vor allem um Gedichte Körners, Ernst Moritz Arndts und Max von Schenkendorfs, Friedrich Schlegels und Rückerts, um Feldherrenbriefe und Auszüge aus Geschichtswerken; auch der »Aufruf des Königs von Preussen«, der Aufruf »An mein Volk« vom 17. März 1813, ist aufgenommen; den Ausklang und Schlussappell bildet Rückerts vaterländisches Gedicht »Des Rheinstroms Gruss«, das die Vereinigung Deutschlands, und zwar die grossdeutsche Lösung, fordert: D e u t s c h e Flüss, in der G e w ä s s e r n o c h s o stolzer Fläche! Einzeln seid ihr d o c h nicht besser als die W i e s e n b ä c h e ; Aber w e n n ihr, d e u t s c h e Flüsse, s t r ö m e t eure Wassergüsse in Ein Bett, in Eines, das ist gross, ich m e i n es.

Im dritten Teil des Lesebuchs ist es dem Herausgeber, so erläutert Wackernagel selbst den Aufbau, »Herzensangelegenheit, die Jugend in eine lebendige Geschichte der Freiheitskriege einzuführen. [...] Ich glaube, auf diesem Wege vor allem erwecken und erhalten wir in ihnen die Liebe für ihr Vaterland. Im Anschauen seiner Erniedrigung und seiner Erhebung soll ihr Herz für grössere Leiden und Freuden schlagen lernen, als die Familie ihnen bietet, und nicht für erdichtete, sondern für erlebte. Das ist nationale Erziehung, wenn der Jugend Liebe fur ihr Volk und ihre Sprache eingepflanzt wird.« 75 Überraschenderweise enthält auch Karl Eduard Philipp Wackernagels Dialog »Der Unterricht in der Muttersprache« - ein Gespräch zwischen Karl E d u a r d Philipp Wackernagel: D e r Unterricht in der M u t t e r s p r a c h e , S . 10. 75

E b d a . , S. 17.

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a.a.O.,

Karl und Philipp - , aus dem dieses Bekenntnis entnommen ist, nicht weniger als drei Hölderlin-Zitate, die dessen Dichtung aktualisieren und damit leider auch trivialisieren. So wird »das schöne Gedicht Hölderlins, in welchem er den Zeitgeist anredet« und ein Mass für das Verhältnis zur Zeitgeschichte aufrichtet, mit der Schlussstrophe zitiert; 7 6 aus der Elegie »Der Archipelagus« werden »die ergreifenden Verse Hölderlins« wiedergegeben, »in welchen er das tantalische Treiben des Geschlechtes schildert«, Verse, welche den einen Gesprächspartner an die »Leiden unserer Jugend« erinnern, über die der Staat seine staatlich approbierten Prüfungen »verhängt« hat; 7 7 aber darauf muss eine Halbstrophe aus der Reimhymne »Das Schicksal« zur Bekräftigung des Gedankens herhalten, dass, obschon das Lesebuch dank der Beschäftigung mit dem Schönen »in die Schule das Moment der Freiheit u n d Liebe einführt«, 7 8 doch aus der »Not«, d.h. aus Schulpflicht und Prüfungszwang, »allein die Humanität entspringe, dass sie das Prinzip der Humanitätsstudien sei«. 7 9 Hölderlin also als dreifach angerufene Autorität; nur Goethe wird in Wackernagels Schrift mit einer viermaligen, wenn auch nicht unkritischen Zitierung noch eine solche Auszeichnung zuteil. O b Herwegh oder Wackernagel, ob revolutionär oder christlich-national gesinnt - einig ist man sich im Vormärz in der überragenden Bedeutung Hölderlins. Die gängige Vorstellung, Hölderlin sei im 19. Jahrhundert nur wenigen bekannt gewesen, muss revidiert werden. 8 0 Mindestens fiinf Anthologien machen u m die M i t t e des 19. Jahrhunderts Deutschlands »höhere Schulen« mit Hölderlins Lyrik bekannt, 8 1 von den billigen Taschenbuchausgaben der 7(1 77 78 79 80

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Ebda., S . U . Ebda., S. 18. Ebda. Ebda., S. 19. Das lehrt schon ein Blick in die von Adolf Beck (und Ute Oelmann) hervorragend kommentierte Dokumentation der Grossen Stuttgarter Ausgabe. - Vgl. auch Werner Volke: »Wie viele oder wie wenige kennen ihn?« Die Hölderlin-Ausgaben im 19. Jahrhundert als Anreger und Spiegel des Leserinteresses. In: Hölderlin entdecken. Lesarten 1826-1993, hrsg. von der Hölderlin-Gesellschaft Tübingen in Verbindung mit der Deutschen Schillergesellschaft Marbach a.N. und dem Hölderlin-Archiv der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, Tübingen 1993, S. 7-56. Neben Philipp Wackernagels Anthologie von 1832 waren dies: Gustav Schwab (Hrsg.): Fünf Bücher deutscher Lieder und Gedichte. Von A. von Haller bis auf die neueste Zeit. Eine Mustersammlung mit Rücksicht auf den Gebrauch in Schulen, Leipzig 1835, die zwölf Gedichte Hölderlins bringt (vgl. StA VII, 4, 317); Wilhelm Wackernagels »Deutsches Lesebuch«, Basel 1836, dessen zweiter Teil gar zwanzig HölderlinGedichte enthält (vgl. StA VII, 4, 318) - Wilhelm Wackernagel, der bekannte Basler Germanist, war der jüngere Bruder Philipp Wackernagels. Dessen Hölderlin-Enthusiasmus strahlte auch auf Theodor Echtermeyers »Auswahl deutscher Gedichte für gelehrte Schulen« aus (Halle 1836), die in den ersten Auflagen nur ein einziges Gedicht von Hölderlin enthielt, nämlich die Elegie »Der Wanderer«, von der 4. Auflage (1845) an aber, unter ausdrücklichem Hinweis auf Philipp Wackernagel, zusätzlich zu zwei Gedichten im Hauptteil noch 15 Hölderlin-Gedichte in den exklusiven Anhang

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»Deutschen Classiker« oder der »Modernen Klassiker«, die seit den 50er Jahren auf den Markt geworfen wurden, zu schweigen.82 Dass diese Taschenbücher gelesen wurden, beweist der Schulaufsatz des 17jährigen Kollegienschülers Friedrich Nietzsche vom 19. Oktober 1861, sein fiktiver »Brief an meinen Freund, in dem ich ihm meinen Lieblingsdichter zum Lesen empfehle« 83 und in dem er seine »Begeisterung« fur Hölderlin bekundet ein »Brief«, der sich bei genauerem Zusehen als völlig abhängig erweist von der (anonymen) Hölderlin-Darstellung in der Taschenbuchreihe »Moderne Klassiker«,84 die ihrerseits auf den gewichtigsten Leistungen der HölderlinPhilologie der vierziger Jahre fusst - nämlich auf der Biographie und WerkEdition Christoph Theodor Schwabs von 1846 und dem Hölderlin-Buch von Alexander Jung (1848) 85 - , die sie exzerpiert und kompiliert, zusammenfasst und vereinfacht und dadurch den wissenschaftlich-differenzierten oder langfadig-weitschweifigen Originaltexten eine eigentümliche Bündigkeit und Eingängigkeit verschafft; Nietzsches Urteile über Hölderlins Poesie sind in dieser Schularbeit, die seine Sicht von Hölderlin fortan bestimmt, fast ausnahmslos - und zumeist wortwörtlich - aus seiner Vorlage übernommen. 8 6 Sogar der eindrückliche Schluss des »Briefes«, in dem der jugendli-

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(Goethe, Schiller, Hölderlin) aufnahm (vgl. StA VIII, 73ff.). Schliesslich Karl Goedeke (Hrsg.): Elf Bücher deutscher Dichtung. Von Sebastian Brandt (1500) bis auf die Gegenwart. Aus den Quellen. Mit biographisch-literarischen Einleitungen und mit Abweichungen der ersten Drucke, 2 Bd., Hannover 1849. Der zweite Band dieser Sammlung enthielt einen biographischen Abriss und achtzehn Gedichte Hölderlins. - Vgl. Alfred Kelletat: Die frühe Rezeption Hölderlins in Schule und Lesebuch (1830-1850), a.a.O., S. 87-115. Vgl. auch Friedrich Strack: Hölderlin fürs Volk. Ein unbekanntes Hölderlin-Gedicht in Meyers Groschen-Bibliothek? In: HJb 26, 1988/89, S. 360-382. Friedrich Nietzsche: Brief an meinen Freund, in dem ich ihm meinen Lieblingsdichter zum Lesen empfehle. In: Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden, hrsg. von Karl Schlechte, Darmstadt 1966, Bd. 3, S. 9 5 - 9 8 . Moderne Klassiker. Deutsche Literaturgeschichte der neuern Zeit in Biographien, Kritiken und Proben. Mit Portraits. 6o Bände oder 200 Hefte, Kassel 1852-54. Zweiundzwanzigster Band: Friedrich Hölderlin, Kassel 1853, fünfte, neu bearbeitete Auflage Leipzig 1859. - Die angeblich »neu bearbeitete« 5. Auflage, die in Nietzsches Besitz war, ist in Wirklichkeit ein unveränderter Nachdruck der vorangehenden Auflagen; die Angabe »neu bearbeitet« bezieht sich vermutlich auf die Reihe der »Modernen Klassiker« als Ganzes, deren 60 Bände oder 200 Hefte 1859/60 in einer neuen Anordnung erschienen und teilweise neu bearbeitet wurden. Vgl. Henning Bothe, a.a.O., S. 5 0 - 5 4 . Dazu nur einige wenige Beispiele. Alexander Jung. »Freilich kann es indessen nicht ausbleiben, dass in dem deshalb nicht unterbrochenen Kultus, dem Äther und Lichte dargebracht, auch die eigensten verborgensten Schmerzen wie ein Gebet laut werden. So in der >AbendphantasieAbendphantasie< ist ein Seitcnstück zu dem Gedicht >an Diotima·; es drückt sich darin die tiefste Melancholie und Sehnsucht nach Ruhe aus.« (a.a.O., S. 42f.) - Nietzsche, »und führe dir selbst die letzten Strophen aus der >Abendphantasie< an, in dem sich die tiefste Melancholie und Sehnsucht nach Ruhe ausspricht.« (a.a.O., S. 97) - Alexander Jung. »Hölderlin konnte keinen herrlicheren, grossartigeren Stoff fur ein Trauerspiel im höchsten Stil wählen, wenn man auch bedauern muss, dass es ihm nicht beschieden worden, ihn zu Ende zu führen. [...) Glücklich aber war die Wahl besonders deshalb, weil sie den Dichter in den Stand setzte, sich selbst und sein Wollen, den ganzen geheimnisvoll tiefsinnigen Hintetgrund seiner Natur einmal an das volle Licht und in Szene zu setzen« (a.a.O., S. 49f.). - Moderne Klassiker: »In dem nicht vollendeten Trauerspiel Empedokles entfaltet Hölderlin seine eigentliche Natur.« (a.a.O., S. 63). - Nietzsche. »In dem nicht vollendeten Trauerspiel >Empedokles< entfaltet uns der Dichter seine eigne Natur.« (a.a.O., S. 97). - Alexander Jung, »kurz, der Tod aus Götterstolz, aus Erdensattheit, aus Menschenverachtung, aus Liebe zu seinem Schüler, aus Naturheimweh, aus Alldurst, der Opfertod aus Pantheismus [...] ist der Tod des Empedokles.« (a.a.O., S. 52). — Moderne Klassiker: »Sein Tod ist ein Tod aus Götterstolz, aus Erdensattheit, aus Menschenverachtung, aus Naturheimweh, aus Pantheismus.« (a.a.O., S. 64). — Nietzsche. »Empedokles' Tod ist ein Tod aus Götterstolz, aus Menschenverachtung, aus Erdensattheit und Pantheismus.« (S. 97f.). - Vgl. auch Henning Bothe, a.a.O., S. 51 f. und Anm. 227. 87 88

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Friedrich Nietzsche, a.a.O., S. 98. Moderne Klassiker, a.a.O., S. 200: »Wir schliesscn hier unsere Darstellung, welche wir von Hölderlins Erscheinen auf dem Gebiete deutscher Poesie versuchten. Wir hoffen, dieselbe solle nicht unwesentlich beitragen zur weiteren Kenntnisnahme und Würdigung eines Dichters, welchen die Mehrzahl unseres Volkes beinahe nicht einmal dem Namen nach kennt.« Nur in der Feststellung, dass Hölderlins Verse »in ihrer Natürlichkeit und Ursprünglichkeit die Kunst und Formgewandtheit Platens« verdunkelten (a.a.O., S. 96), scheint noch ein Wackernagelscher Topos nachzuklingen. 107

Vorlage auf, was der junge Nietzsche mit seiner damals noch »allzu geringen Kenntnis der Philosophie« entschuldigt. 90 Dadurch nun, dass auch Fontane, wie es scheint, in »Vor dem Sturm« an die Hölderlin-Begeisterung des Vormärz anknüpft, kommt er dem Enthusiasmus und den patriotischen Vorstellungen besonders des jungen Hölderlin erstaunlich nahe. Das liegt zum Teil auch an der dargestellten Epoche, der Zeit der Freiheitskriege, in welcher sich angesichts der allgemeinen Bedrängnis des Vaterlands - und zuerst im »Volk«, dessen »Empfindung [ . . . ] den Entschlüssen der Machthaber weit vorausgeeilt« war (402) - Hochsinn und Gemeinsinn bildete. »Das ganze Fühlen ist ein höheres; wo noch Niedrigkeit der Gesinnung ist, da wagt sie sich nicht hervor«, so fasst Lewin schon am Anfang des Romans seinen Eindruck von der Stimmung im Volk zusammen (33). Im »Stechlin« wird diese Zeit als eine der »drei grossen Epochen« der preussischen Geschichte gefeiert: »Nicht gross und doch auch wieder ganz gross. Da war das arme, elende, halb dem Untergange verfallene Land nicht von Genie, wohl aber von Begeisterung durchleuchtet, von dem Glauben an die höhere Macht des Geistigen, des Wissens und der Freiheit.« 9 1 »Vor dem Sturm« ist das am meisten idealistische, d.h. auf »das Ideale«, auf eine »grosse Idee« ausgerichtete Werk Fontanes. 92 Was seinen vaterländischen Roman mit Hölderlins hymnischer Dichtung verbindet, von den Tübinger Hymnen an, die an eine revolutionäre Umgestaltung der Verhältnisse glauben, bis zu den Deutschland-Oden und späten »vaterländischen Gesängen«, die die Utopie einer evolutionären Entwicklung entwerfen, das ist die Bedeutung, die dem »Volk«, dem »Vaterland« und dem herausfordernden Ereignis der Französischen Revolution zukommt, und demnach das »Einstehen für das Ganze«, die Verherrlichung der Vaterlandsliebe, die, vor dem nationalistischen und nationalsozialistischen Sündenfall, naturrechtlich begründet wird. Hölderlins vaterländische Dichtung steht durchaus im historischen Kontext der Vaterlandsidee, wie sie sich im Vorfeld der Befreiungskriege herausbildete; 93 nur ein gutes Jahrzehnt trennt seine »vaterländischen Gesänge« vom vaterländischen Befreiungskampf. Diese Vaterlandsidee aber hat bei beiden Dichtern einen gemeinsamen Quell. Er

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y2

93

A . a . O . , S. 9 8 . Der S t e c h l i n , H F I, 5, 2 7 2 . - Z u Fontanes W a n d l u n g in der Einschätzung der Freiheitskriege vgl. G e r h a r d Friedrich, a . a . O . , S. 104fif. V g l . A u s d e n Tagen der O k k u p a t i o n . Eine Osterreise d u r c h N o r d f r a n k r e i c h u n d Els a s s - L o t h r i n g e n 1 8 7 1 , H F III, 4, 8 0 7 f . Vg| C h r i s t o p h Prignitz: Der G e d a n k e des Vaterlands im W e r k H ö l d e r l i n s . In: J a h r b u c h des Freien Deutschen Hochstifts, 1 9 7 6 , S. 8 8 - 1 1 3 , hier S. 112. - V g l . a u c h Joc h e n S c h m i d t s » U b e r b l i c k s k o m m e n t a r « zur O d e »Gesang des D e u t s c h e n « in: Friedrich H ö l d e r l i n : S ä m t l i c h e W e r k e u n d Briefe, B a n d 1, G e d i c h t e , Frankfurt a m M a i n 1 9 9 2 , S. 6 3 3 - 6 4 0 , sowie J ü r g e n Scharfschwerdt: Friedrich H ö l d e r l i n . Der D i c h t e r des » d e u t s c h e n S o n d e r w e g e s « , S t u t t g a r t (u.a.) 1 9 9 4 . 108

tritt zutage, wenn man briefliche Äusserungen Hölderlins heranzieht, die sich, die Innigkeit des Tons einmal abgerechnet, ebensogut Fontane zuschreiben Hessen und in denen es heisst: »Dem Egoismus, dem Despotismus, der Menschenfeindschaft bin ich feind, sonst werden mir die Menschen immer lieber«;94 in denen der dreissigjährige Dichter angesichts des sich ankündigenden Friedensschlusses von Lunéville (1801) dessen gewiss ist, »dass der Egoismus in allen seinen Gestalten sich beugen wird unter die heilige Herrschaft der Liebe und Güte, dass Gemeingeist über alles in allem gehen, und dass das deutsche Herz in solchem Klima, unter dem Segen dieses neuen Friedens erst recht aufgehn und geräuschlos, wie die wachsende Natur, seine geheimen weitreichenden Kräfte entfalten wird«;95 in denen er glaubt, »mit Krieg und Revolution hört auch jener moralische Boreas, der Geist des Neides auf, und eine schönere Geselligkeit als nur die ehernbürgerliche mag reifen!«96 Beide Dichter sind im Laufe ihrer Entwicklung an einer gewaltsamen Revolution irre geworden; beide adaptieren das revolutionäre Gedankengut mit vorrevolutionären, eigendich christlichen bzw. pietistischen Kategorien, 97 die sich mit Rousseauschen Ideen verbinden und in schroffem Gegensatz zu allem ökonomisch-emanzipatorischen Denken stehen; beide Dichter kennzeichnet so eine Verinnerlichung und Vergeistigung der Vaterlandsidee; beide entwickeln einen sittlichen bzw. religiösen und geistig-kulturellen Vaterlands begriff Darum gehört - wie gezeigt wurde der literarische Handlungsstrang von »Vor dem Sturm«, gehören Fontanes Auseinandersetzung mit der Romantik ebenso wie die Universitätsszenen, die den »Glauben an die höhere Macht des Geistigen, des Wissens« dokumentieren, wesentlich zu seinem vaterländischen Roman. Sowohl Hölderlin

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An den Bruder, 4. Juni 1799, StA VI, 1, 327. An den Bruder, Ende Dezember 1800, StA VI, 1, 407. An Christian Landauer, Februar 1801, StA VI, 1, 417. »Hölderlin steht auf der Schwelle patriotischer deutscher Dichtung des 19. Jahrhunderts und konnte deshalb auch von Nationalisten vereinnahmt werden. Aber S a t e r land« meinte bei ihm >Reich Gottesväterlicher Fürsten« vorstellen konnte« (Ulrich Gaier: Hölderlin. Eine Einführung, Tübingen und Basel 1993, S. 2). - Z u m Pietismus-Einfluss in Hölderlins Deutschland-Gedichten vgl. Jochen Schmidt: Deutschland und Frankreich als Gegenmodelle in Hölderlins Geschichtsdenken: Evolution statt Revolution. In: Dichter und ihre Nation. Hrsg. von Helmut Scheuer, Frankfurt am Main 1993, S. 176-199. Grundsätzlich zum Problem des patriotischen Pietismus: Gerhard Kaiser: Pietismus und Patriotismus im literarischen Deutschland. Ein Beitrag zum Problem der Säkularisation, zweite ergänzte Auflage, Frankfurt am Main 1973. Vgl. auch Jürgen Scharfschwerdt, a.a.O., S. 66—99, und ders.: Die pietistisch-kleinbürgerliche Interpretation der Französischen Revolution in Hölderlins Briefen. Erster Versuch zu einer literatursoziologischen Fragestellung. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 15, 1971, S. 174-230.

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wie Fontane verstehen jedoch die vaterländische Erneuerung nicht so sehr als »Umwälzung«, sondern als »Zurückwälzung«, das heisst - »in diesen Zeiten des Abfalls« (205) 98 - als »Wiederherstellung« eines chrisdich-natürlichen Idealzustands, 99 eines Naturzustands auf höherer Stufe, der sich am Modell häuslichen und familiären Lebens orientiert und in dem die »Gesinnung« das Entscheidende ist; 100 die politischen, auf Macht beruhenden Ordnungsstrukturen möchte Hölderlin so weit wie möglich zurücktreten lassen.101 Es ist diese Verinnerlichung des Vaterländischen und Religiösen und die Säkularisierung und Gleichsetzung des Religiösen mit dem »Natürlichen«, diese Amalgamierung von familiären Tugenden mit christlichen Werten, die das Gemeinsame von Hölderlins und Fontanes Position ausmacht. Sie bildet die gemeinschaftliche Basis, die sich beim einen Dichter in feingewobenen realistisch-romantischen Erzählungen, beim anderen in der rhythmisierten Prosa des »Hyperion« und in ekstatischen Oden, Elegien und Pindarischen Hymnen ausformt; sie ist der gemeinsame Boden, aus dem die Fontanesche Gesinnungsethik und Verklärung des Menschlichen einerseits, Hölderlins allesversöhnende spekulative Geschichtsphilosophie andererseits erwachsen. Unter den sittlichen und religiösen Weiten, die beide Dichter leiten, stehen nicht politisch-republikanische »Freiheit«, sondern »Liebe« und »Treue«, »Wahrheit« und »Demut«, »Gemeingeist« und schliesslich »Frieden«102 obenan, vom einen freilich als kosmische Mächte, vom anderen individualethisch aufgefasst. Auch die Gegenmächte sind dieselben: Egoismus, Neid, Phrase, Übermut, Stolz, Despotie, d.h. ein unauthentisches Leben ohne Liebe und

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Vgl. Hölderlin: Hymne an die Freiheit (1791): »Einer, Einer nur ist abgefallen« (StA 1, 1, 159, v. 61). " Vgl. Fontanes Überlegungen zu einer Werbestrategie für »Vor dem Sturm«: »Der grosse Zug der Zeit ist Abfall: aber man hat es nachgerade satt; die Welt sehnt sich aus dem Haeckelismus wieder heraus, sie dürstet nach Wiederherstellung des Idealen. Jeder kann es jeden Tag hören. Und es ist ernst gemeint. Da kommt nun dieses Buch, das dem in tausend Herzen lebendigen Gefühl Ausdruck leiht.« (An Wilhelm Hertz, 5. Nov. 1878, H F IV, 2, 628) 100 V g | Hölderlin an die Schwester, 23. Febr. 1801: »alles dünkt mir seltne Tage, die Tage der schönen Menschlichkeit, die Tage sicherer, furchtloser Güte, und Gesinnungen herbeizuführen, die ebenso heiter als heilig und ebenso erhaben als einfach sind« (StA VI, 1, 413f.). - Vgl. Jürgen Scharfschwerdt: Friedrich Hölderlin, a.a.O., S. 1 lOff. 101 Vgl. An Christian Landauer, Februar 1801, StA VI, 1, 4l6f. 102

Vgl. das Leitwort »Frieden« in »Vor dem Sturm«: »Das Glück ist der Frieden, und der Frieden ist nur da, wo Gleichklang ist« (205); »Und so leben wir bunte Tage, aber nicht glückliche, wir zerstreuen uns, wir haben halbe Freuden, aber nicht ganze, und sicherlich keinen Frieden« (236); »Das Beste hienieden, / Du hast es erreicht: / Du hast den Frieden* (525); »Und wie das Glück des Krieges auch wechseln möge, eines gib uns als seine letzte Segnung, gib uns Freiheit und Frieden« (595); »Und mehr als das: ein stilles Gemüt, das den Frieden geben konnte, den es selber hatte. Und nach diesem Frieden sehnte sich sein Herz« (687); mit dem Wort »Frieden« klingt auch der ganze Roman aus: »Wie schön! Es war ein Blick in Licht und Frieden.« (712)

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Treue in der Hybris angemassten Herrschaftsanspruchs und vermeindicher Autonomie, die sich von ihrem natürlichen Lebensgrund gelöst hat. Das Wortfeld »Liebe« und »Treue« ist in Hölderlins Dichtung, von Anfang bis Ende, allbeherrschend; »Freiheit« bedeutet für ihn »die heilige Herrschaft der Liebe und Güte«. »Treu der Liebe seligen Gesetzen / Lebt die Welt ihr heilig Leben frei«, heisst es schon in einer Tübinger Hymne; 103 »Kehret nun zu Lieb' und Treue wieder« in einer andern; 104 »Liebt und sterbt fiir Freund und Vaterland!« in einer dritten. 105 »Liebe« und »Treue« aber - und damit schliefst sich der Kreis - sind laut Hegels Ästhetik »romantische« (altromantische!) Grundhaltungen schlechthin - übrigens neben »Ehre«: 106 auch die zentrale Idee von Fontanes vaterländischem Roman erweist sich als eine »romantische« Idee. Und eben die genannte Tendenz zur Verinnerlichung aller Inhalte, die »absolute Innerlichkeit«, die »innere Subjektivität«, macht nach Hegel das Wesen des »Romantischen« aus. 107 Und was für Fontane der »Adel« ist, jene im Menschlichen fuhrende Schicht, das sind fur Hölderlin die wenigen »Edlen«, »Seltnen«, »Guten«, die ihm schon jetzt die Gegenwart des wahren Lebens verbürgen und an die er seine Gedichte richtet; Hölderlins utopische Dichtung nimmt deshalb mit innerer Notwendigkeit die Form der Widmungsdichtung an. 1 0 8 Ein wahres Volk ist fiir Fontane die Wirklichkeit des Sitdichen, Humanen, fur Hölderlin ideale, allesumfassende, schöpferisch gelebte Gemeinschaft, gelebte Harmonie im Einklang mit der Natur. 109 Solche Ideale legitimieren, ja fordern den Kampf und den Tod furs Vaterland, der uns, wie der Opfergedanke überhaupt, durch die Erfahrungen und Entwicklungen des 20. Jahrhunderts suspekt geworden ist, der sich aber in verschiedenen Nationalhymnen, nicht nur in der Marseillaise, bis in unsere Gegenwart gehalten hat, in der martialischen schweizerischen Nationalhymne beispielsweise (»Rufst du, mein Vaterland«) noch bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Aber auch der Widerstand gegen Hider trat in diesem Zeichen an; wie dieses Ethos gerade auch im preußischen Adel noch weiterlebte, zeigen die Abschiedsworte Generalmajor Henning von Tresckows, eines Mannes von, wie bezeugt wird, wahrhaft vornehmer Gesinnung, der zu den fuhrenden Köpfen der deutschen Widerstandsbewegung zählte und der sich am 21. Juli 1944, nach dem Scheitern des AttenHymne an die Freiheit (1791), StA I, 1, 159, v. 59f. Hymne an die Freiheit ( 1 7 9 0 / 9 1 ) , StA I, 1, 140, v. 57. 1 0 5 Hymne an die Muse ( 1 7 9 0 / 9 1 ) , StA I, 1, 138, v. 120. 1 0 6 Vgl. G.W.F. Hegel: Vorlesungen über die Ästhetik II, Werke, Bd. 14, Frankfurt am Main 1970, S. 127ff. 1 0 7 Ebda., S. 128Γ. 108 Vgl R 0 |f Zuberbühler: Die Sprache des Herzens. Hölderlins Widmungsdichtung, Göttingen 1982. 1 0 9 Vgl. Jochen Schmidt: Griechenland als Ideal und Utopie bei Winckelmann, Goethe und Hölderlin. In: HJb 28, 1992/93, S. 9 4 - 1 1 0 .

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tats, das Leben nahm, damit man aus ihm keine Namen von Mitverschworenen herauspressen konnte: »Niemand von uns kann über seinen Tod Klage fuhren. Wer in unseren Kreis getreten ist, hat damit das Nessushemd angezogen. Der sittliche Wert eines Menschen beginnt erst dort, wo er bereit ist, für seine Überzeugung sein Leben hinzugeben.« 1 1 0 Was nun aber doch wieder die spezifisch Fontanesche Tonart ausmacht und die Grenze zwischen ihm und dem idealistischen Dichter Hölderlin bezeichnet, das ist, dass die Glorifizierung von Heldentum und Opferbereitschaft in »Vor dem Sturm« auch in eine kritische Beleuchtung gerückt wird (152), dass auch gegenüber dem französischen Ideal von »liberté, égalité, fraternité« skeptische Worte laut werden, wenigstens gegen »liberté« und »fraternité« (706; vgl. 587), ja dass sogar hinter Berndt von Vitzewitz' selbsdosen Patriotismus ein Fragezeichen gesetzt wird. Nach dem bitteren Scheitern des Frankfurter Überfalls, während dessen sein Sohn, Lewin, in französische Kriegsgefangenschaft geraten ist, unterzieht sich der Major einer bohrenden Gewissensanalyse: »Berndt, täusche dich nicht, beliige dich nicht selbst. Was war es? War es Vaterland und heilige Rache, oder war es Ehrgeiz und Eitelkeit? Lag bei dir die Entscheidung? Oder wolltest du glänzen? Wolltest du der erste sein? Stehe mir Rede, ich will es wissen; ich will die Wahrheit wissen.« (648)

Und er gibt sich selbst die Antwort: »Ich weiss es nicht. Bah, es wird gewesen sein, wie es immer war und immer ist, ein bisschen gut, ein bisschen böse. Arme kleine Menschennatur! U n d ich dachte mich doch grösser und besser. Ja, sich besser dünken, da liegt es; H o c h m u t k o m m t vor dem Fall! Aber ich bin gestraft, und diese Stunde bereitet mir meinen Lohn.« (649)

Das ist jedoch kein Widerruf von Berndts patriotischer Gesinnung; seine Worte machen nur die Gemischtheit aller menschlichen Gefühle sichtbar, jene »Menschlichkeiten«, die sich in alles menschliche Tun einschleichen, 10

Offiziere gegen Hitler. Nach einem Erlebnisbericht von Fabian von Schlabrendorff. Bearbeitet und herausgegeben von Gero von S. Gaevernitz, Zürich 1946, S. 153; vgl. auch S. 39f. - An den Freiheitskrieg von 1813 knüpfte das letzte Flugblatt der Widerstandsgruppe »Die Weisse Rose« an, das vom Münchner Philosophen Kurt Huber verfasst wurde: »Studentinnen! Studenten! Auf uns sieht das deutsche Volk! Von uns erwartet es, wie 1813 die Brechung des Napoleonischen, so 1943 die Brechung des nationalsozialistischen Terrors aus der Macht des Geistes. Beresina und Stalingrad flammen im Osten auf, die Toten von Stalingrad beschwören uns! »Frisch auf, mein Volk, die Flammenzeichen rauchen!< (Inge Scholl: Die Weisse Rose. Erweiterte Neuausgabe, Frankfurt am Main 1994, S. 95); und auf Kant und Fichte berief sich Kurt Huber, der am 26. Juni 1943 hingerichtet wurde, in seinem »Schlusswort des Angeklagten«: »Ich habe gehandelt, wie ich aus einer inneren Stimme heraus handeln musste. Ich nehme die Folgen auf mich nach dem schönen Wort Johann Gottlieb Fichtes: Und handeln sollst du so, als hinge / Von dir und deinem Tun allein / D a s Schicksal ab der deutschen Dinge, / Und die Verantwortung wär' dein.« (Ebda., S. 66ÍF.)

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und zeigen so die Realität des Menschen. Die menschlichen Schwächen, die Hölderlins hochgestimmter Daseinsentwurf für immer zu überwinden trachtet, können nach Fontane nicht zum Verschwinden gebracht, sondern müssen akzeptiert werden und lassen sich höchstens durch gütigen Humor mildern. Gerade diese Szene offenbart, was Fontanes »poetischen Realismus«, zu dem auch ein gehöriger Schuss Skepsis gehört, von Hölderlins visionärem und unbedingtem Idealismus trennt. Was hat Fontane an Hölderlin nicht gesehen? Nicht erkannt ist einmal, wie nicht anders zu erwarten, der Dichter der grossen Hymnen und Elegien, der Dichter des hymnischen Spätwerks, und damit auch nicht die theologischen und philosophischen Implikationen der Dichtung Hölderlins, dieses frühromantisch-idealistischen D i c h t e n , 1 " dem Erkenntnisgewinn so viel bedeutete, dass er »jauchzen« konnte »über eine neue Wahrheit«, eine neue philosophische Einsicht in das Wesen der Welt. 1 1 2 Nicht in den Blick kommt im Roman aber auch der kranke, der geisteskranke Hölderlin; kein Wunder bei einem Autor, der den Anspruch der Gesellschaft ernstnimmt, der das »Gesunde« betont und zu dessen obersten ästhetischen Kategorien neben »Intensität« auch »Klarheit, Übersichtlichkeit und Abrundung« 1 1 3 gehören. Den Dichter des hymnischen Spätwerks konnte Fontane nicht erkennen; Hölderlins tragischen Lebenslauf wollte er nicht in seinen patriotischen Roman aufnehmen - das hätte sich nicht mit dem idealisierenden Charakter von »Vor dem Sturm« vertragen - : Fontanes Interesse gilt, in der vorgegebenen Beschränkung der Optik, Hölderlins Dichtung und deren Wirkung. In Fontanes späterem Werk freilich findet Hölderlin, soweit ich sehe, keine Erwähnung mehr. Ein solches Schweigen hat bei einem Dichter, der nicht nur in seinem erzählerischen Werk, sondern auch in seinen Briefen, Kritiken und Aufsätzen mit unzähligen Anspielungen und Zitaten arbeitet, einiges Gewicht. Auf Kleist beispielsweise wird immer wieder angespielt; Schiller- und Goethezitate finden sich en masse; von Lenau, Uhland, Waiblinger übernimmt Fontane sogar ganze Gedichtstrophen als zentrale Leitmotive seiner Romane; über Herweghs Dichtung wird noch in »Frau Jenny Treibel« diskutiert; Heinesche Romanzen liefern entscheidende Motive fur »Effi Briest« - Hölderlin-Reminiszenzen indessen bleiben aus, wenn man nicht Gordons Behauptung in »Cécile«: »Wo die Gefahr liegt, liegt auch die

" ' Zum geistesgeschichtlichen Hintergrund vgl. H A KorfF, a.a.O., S. 2 4 7 f f „ besonders S. 282f. Vgl. auch Stefanie Roth: Friedrich Hölderlin und die deutsche Frühromantik, Stuttgart 1991. 1 1 2 An Casimir Ulrich Böhlendorff, 4. D c i . 1801, StA VI, t, 427. ' 1 3 Rezension von Paul Lindau: Der Z u g nach dem Westen (Fassung aus dem Nachlass), 1886, H F III, 1, 569. 113

Rettung« 1 1 4 als verstecktes Hölderlin-Zitat gelten lassen will. Wir finden Hölderlin auch nicht auf jener 71 Namen oder Titel umfassenden Liste, mit welcher der alte Fontane für einen Weihnachtsalmanach von 1894 die Frage »Was soll ich lesen?« beantwortete - obschon da »Romantiker« und »romantische« Sammlungen wie Percys »Reliques of ancient English Poetry«, Scotts »Minstrelsy of the Scottish Border«, »Des Knaben Wunderhorn«, Bürger, Strachwitz einerseits, Lenau, Rückert, Uhland, Heine, Eichendorff, Mörike andererseits nicht f e h l e n " 5 und bezüglich Herweghs gar die Antwort auf die Frage »Was soll ich lesen?« kurz und bündig lautet: »beinahe alles«. 116

Einen untrüglichen Beleg jedoch gibt es zumindest, der bezeugt, dass das Hölderlinsche Leitmotiv aus »Vor dem Sturm« in Fontanes dichterische Welt übergegangen ist und dort weiterlebt: Auch für den Berliner Roman »Irrungen, Wirrungen« ist es konstitutiv, und der hochgemute Hölderlinsche Leitsatz wird dort - zum Ausdruck der Demut geworden, aus der eine junge Frau die Kraft zu ihrem stillen Heldentum schöpft - immer noch in Worten formuliert, die an Hölderlins O d e »An die Parzen« anklingen: »War es nicht schon ein Vorzug, einen solchen Tag durchleben zu können? U n d wenn auch nur einmal, ein einzig Mal.« 1 1 7 Fontane hat an Hölderlin manches nicht gesehen, konnte es als Zeitgenosse des 19. Jahrhunderts nicht sehen. Hölderlins künstlerische Meisterschaft aber, seine Vaterlandsliebe und seine unbedingte Treue zum Dichterberuf hat er erkannt und in »Vor dem Sturm«, diesem bedeutenden, vielschichtigen, bis heute noch nicht genug gewürdigten Werk, verherrlicht.

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H F 1 , 2 , 166; vgl. Patmos, StA II, 1, 165, v. 3f. H F III, 1, 5 7 0 - 5 7 2 . Ebda., S. 570. H F I, 2, 3 8 7 Γ ; noch in den wiederholten Hinweisen auf den glücklichen » S o m m e r « m a g eine Reminiszenz an die Hölderlin-Ode vorliegen (ebda., S. 3 9 9 und 443).

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Dank

Ich danke Erwin Kobel für die kritische Durchsicht des Manuskripts. Dem Winterthurer Fontane-Lektürekreis - Brigitte Boller, Luisella Collovà, Hansjörg Diener, Hanspeter Ebnöther, Felix Poggiolini, Nikiaus Vertesi - danke ich fur die anregende Lektüre von »Vor dem Sturm«. Dank gebührt weiter der »Jubiläumsstiftung der Kantonsschule Winterthur 1963«, die mir für meine Publikation einen Druckkostenzuschuss gewährte. Herrn Gossweiler und seiner Mannschaft von der Kantonsbibliothek Frauenfeld sei gedankt fur die unermüdliche Beschaffung der Literatur. Vor allem aber danke ich meiner Frau, ohne deren tätige Mithilfe dieses Buch nicht hätte geschrieben werden können.

127