Finanzierungsstrukturen in der deutschen Automobilindustrie: Bayerische Motoren Werke, Daimer-Benz und Volkswagenwerk 1948–1965 [1 ed.] 9783428555772, 9783428155774

Die Rekonstruktionsthese von Werner Abelshauser, mit der seit fast 20 Jahren das deutsche »Wirtschaftswunder« erklärt wi

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Finanzierungsstrukturen in der deutschen Automobilindustrie: Bayerische Motoren Werke, Daimer-Benz und Volkswagenwerk 1948–1965 [1 ed.]
 9783428555772, 9783428155774

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Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Band 88

Finanzierungsstrukturen in der deutschen Automobilindustrie Bayerische Motoren Werke, Daimler-Benz und Volkswagenwerk 1948–1965 Von Patrick Kresse

Duncker & Humblot · Berlin

PATRICK KRESSE

Finanzierungsstrukturen in der deutschen Automobilindustrie

Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte

Herausgegeben von Margrit Grabas, Werner Plumpe, Reinhold Reith, Dieter Ziegler

Band 88

Finanzierungsstrukturen in der deutschen Automobilindustrie Bayerische Motoren Werke, Daimler-Benz und Volkswagenwerk 1948–1965

Von Patrick Kresse

Duncker & Humblot · Berlin

Die Fakultät für Geschichtswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum hat diese Arbeit im Jahr 2018 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI bucbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0588 ISBN 978-3-428-15577-4 (Print) ISBN 978-3-428-55577-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-85577-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Grete Kietzke

Vorwort Die vorliegende Monographie ist im Februar 2018 von der Fakultät für Geschichtswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation angenommen worden. Sie entstand aus dem Projekt „Automobilindustrie im westdeutschen Wirtschaftswunder (1945 – 1979)“ am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte der Ruhr-Universität Bochum. Es ist mir ein besonderes Anliegen, an dieser Stelle all denjenigen zu danken, die zur Entstehung der Arbeit beigetragen haben. Mein herzlicher Dank gilt an erster Stelle meinem Doktorvater, Professor Dr. Dieter Ziegler, für seinen stets klugen Rat und für das Vertrauen, das er in mich setzte, das Projekt nebenberuflich fertigzustellen. Für die Übernahme des Zweitgutachtens danke ich Herrn Professor Dr. Stephan Paul. Ohne die Unterstützung aktueller und ehemaliger Kollegen am Lehrstuhl wäre diese Arbeit womöglich gar nicht entstanden. Ich bedanke mich daher bei Herrn Dr. Lutz Budraß, Frau Juniorprofessorin Dr. Juliane Czierpka sowie Frau Juniorprofessorin Dr. Eva-Maria Roelevink, die mir den entscheidenden letzten Motivationsschub gaben, die Fertigstellung dieser Arbeit anzugehen. Des Weiteren wären viele Thesen und Erkenntnisse der Arbeit ohne den wissenschaftlichen Austausch mit Lutz, Juliane und Eva höchstwahrscheinlich weniger klar herausgearbeitet worden. Frau Dr. Stefanie Tilly gebührt der Dank dafür, dass sie als Leiterin des Forschungsprojekts „Automobilindustrie im westdeutschen Wirtschaftswunder (1945 – 1979)“ mich immer wieder mit ihrer Begeisterung für das Fach Wirtschaftsgeschichte dazu motivierte, mich in das Projekt mit ganzer Kraft einzubringen. Viele Lehrstuhlfremde haben ebenfalls tatkräftig mitgewirkt. An dieser Stelle möchte ich allen Bibliothekaren, Archivaren und Lektoren danken, die aus Platzgründen hier nicht namentlich aufgeführt werden können. Der größte Dank gilt schließlich all den lieben Menschen in meinem privaten Umfeld, die mich auf dem Weg zur Promotion unterstützt haben. Meinen Eltern Bärbel und Karl-Heinz, meiner Großmutter, meinem Bruder sowie meiner ganzen Familie danke ich für den uneingeschränkten Rückhalt, den sie mir auf diesem Weg haben zuteil werden lassen. Ein besonderer Dank geht an die Person, die einen besonderen Platz in meinem Herzen hat und die vielleicht am meisten unter der Erstellung der Arbeit gelitten hat, weil ich einen Großteil meiner Freizeit für die wissenschaftliche Arbeit verwendet habe – sie weiß wer gemeint ist. Essen, im Herbst 2018

Patrick Kresse

Inhaltsverzeichnis I.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Bedeutung des Themas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2. Fragestellung und These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3. Untersuchungsgegenstand und -zeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 4. Theoretisierung, Operationalisierung und Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 5. Stand der Forschung und Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Kriegsschäden- und Kriegsfolgenbeseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 a) Reparationen und Demontagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 b) European Recovery Plan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 c) Währungsreform und Preisgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 d) Lastenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 e) Investitionshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Entwicklung der westdeutschen Steuerpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 a) Vermögensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 c) Körperschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 d) Notopfer Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 e) Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 f) Besteuerung von Kraftfahrzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 g) Steuererleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3. Entwicklung des westdeutschen Finanzmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 a) Besonderheiten des bankorientierten deutschen Finanzsystems . . . . . . . . . . . . . 51 b) Kreditmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 c) Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 4. Entwicklung des westdeutschen Automobilmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 a) Entwicklung der Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 b) Entwicklung des Absatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

10

Inhaltsverzeichnis 5. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

III. Bayerische Motoren Werke AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Entwicklung des Unternehmens bis zur Währungsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 a) Entstehung der Bayerische Motoren Werke AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 b) Kriegsschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 c) Beschlagnahmung und Vermögenskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 d) Demontagen und Reparationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Bilanzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) DM-Eröffnungsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 b) Mittelherkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 c) Mittelverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 a) Umsatz- und Ertragslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Werkstattgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 cc) Motorräder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 dd) Personenkraftwagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 ee) Rüstungsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) Desinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 aa) Teilverkauf Werk Allach 1955 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 bb) Veräußerung der BMW Triebwerkbau GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 c) Aufnahme von Fremdkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 aa) Kredite der Hausbanken 1949 – 1951 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 bb) Staatliche Unterstützung 1949 – 1956 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 cc) Wandelanleihe 1958 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 dd) Cramer-Plan 1958 – 1959 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 ee) Schuldscheindarlehen 1964 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 d) Eigenkapitalmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 aa) Gescheiterte Kapitalerhöhungen bis 1959 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 bb) Kapitalerhöhung BMW Triebwerkbau GmbH 1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 cc) Kapitalerhöhungen BMW AG 1960 und 1961 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 IV. Daimler-Benz AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1. Entwicklung des Unternehmens bis zur Währungsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Entstehung der Daimler-Benz AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Inhaltsverzeichnis

11

b) Kriegsschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 c) Beschlagnahmung und Vermögenskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 d) Demontagen und Reparationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2. Bilanzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) DM-Eröffnungsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Mittelherkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 c) Mittelverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 a) Umsatz- und Ertragslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 bb) Werkstattgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 cc) Personenkraftwagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 dd) Lastkraftwagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 ee) Motoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 ff) Rüstungsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 b) Desinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 aa) Auto-Union 1965 – 1966 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 c) Aufnahme von Fremdkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 aa) Anleihe 1948/49 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 bb) Kredit der Hausbanken 1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 cc) Anleihe 1950 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 dd) KfW-Darlehen 1950 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 ee) Wandelschuldverschreibung 1952 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 ff) Teilschuldverschreibung 1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 d) Eigenkapitalmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 aa) Kapitalerhöhung 1959 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 bb) Kapitalerhöhung 1961 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 cc) Kapitalerhöhung 1963 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 dd) Kapitalerhöhung 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 V. Volkswagenwerk AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Entwicklung des Unternehmens bis zur Währungsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Entstehung der Volkswagenwerk GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Kriegsschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 c) Beschlagnahmung und Vermögenskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 d) Demontage und Reparationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

12

Inhaltsverzeichnis 2. Bilanzanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a) DM-Eröffnungsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) Mittelherkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 c) Mittelverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 a) Umsatz- und Ertragslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 bb) Personenkraftwagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 cc) Lastkraftwagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 dd) Motoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 b) Aufnahme von Fremdkapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 aa) Betriebsmittelkredite der VW-Händler und der Verwaltung für Wirtschaft 1948 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 bb) Dividenden-Darlehen 1950 – 1966 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 cc) Kurz- und mittelfristige Bankkredite 1960 – 1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 dd) Langfristiges Investitionsdarlehen 1961 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 ee) Darlehen der Stiftung Volkswagenwerk 1962 – 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 ff) Darlehen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung 1964 . . . . . . . . . . . . . . 223 c) Eigenkapitalmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 aa) Kapitalerhöhungen 1959 und 1960 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 1. BMW Unternehmensarchiv (BMW UA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 2. Bundesarchiv (BArch) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 3. Mercedes-Benz Classic Archive (MB CA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 4. Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv (WWA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 5. Wirtschaftsarchiv der Universität zu Köln (WA UK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 6. Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 7. Zeitgenössische Zeitschriftenartikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 8. Sonstige Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260

Inhaltsverzeichnis

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

Abbildungsverzeichnis Abbildungen Abb. 1: Kraftwagenproduktion Bundesrepublik Deutschland (Mio. Stück) .. .. . .. . .. . .. .. . .. 19 Abb. 2: Eigenkapitalquote BMW AG, Daimler-Benz AG und Volkswagenwerk AG .. .. . .. 22 Abb. 3: PKW-Produktion Bundesrepublik Deutschland (Mio. Stück) .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. 63 Abb. 4: LKW-Produktion Bundesrepublik Deutschland (Tsd. Stück) .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. 64 Abb. 5: Net Cashflow BMW AG (Mio. DM) . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. 78 Abb. 6: Bilanzielle Bruttoanlageinvestitonen BMW AG (Mio. DM) . .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. 82 Abb. 7: Umsatz BMW AG (Mio. DM) .. .. . .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. 85 Abb. 8: Jahresüberschuss (Mio. DM) und Umsatzrendite BMW AG . .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. 85 Abb. 9: Net Cashflow Daimler-Benz AG (Mio. DM) . . .. . .. .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . 137 Abb. 10: Bilanzielle Bruttoanlageinvestitionen Daimler-Benz AG (Mio. DM) . .. . .. . .. .. . 140 Abb. 11: Umsatz Daimler-Benz AG (Mrd. DM) .. .. . .. . .. . .. .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . 143 Abb. 12: Jahresüberschuss (Mio. DM) und Umsatzrendite Daimler-Benz AG . .. . .. . .. .. . 143 Abb. 13: PKW-Umsatz Daimler Benz AG (Mrd. DM) . .. . .. .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . 145 Abb. 14: PKW-Produktion Daimler-Benz AG (Tsd. Stück) .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . 146 Abb. 15: LKW-Umsatz Daimler-Benz AG (Mrd. DM) .. . .. .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . 152 Abb. 16: LKW-Produktion Daimler-Benz AG (Tsd. Stück) .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . 153 Abb. 17: Net Cashflow Volkswagenwerk AG (Mio DM) . .. .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . 197 Abb. 18: Bilanzielle Bruttoanlageinvestitionen Volkswagenwerk AG (Mio. DM) .. . .. .. . 198 Abb. 19: Arbeitstägliche Fahrzeugproduktion Volkswagenwerk AG (Stück) .. . .. . .. . .. .. . 199 Abb. 20: Umsatz Volkswagenwerk AG (Mrd. DM) . .. . .. . .. .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . 209 Abb. 21: Produktion Volkswagenwerk Konzern (Tsd. Stück) . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . 209 Abb. 22: Jahresüberschuss (Mio. DM) und Umsatzrendite Volkswagenwerk AG . .. . .. .. . 210 Abb. 23: PKW-Produktion Volkswagenwerk Konzern (Tsd. Stück) . . .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . 211 Abb. 24: Transporter-Produktion Volkswagenwerk Konzern (Tsd. Stück) . .. .. . .. . .. . .. .. . 217

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Abbildungsverzeichnis Tabellen

Tabelle 1: Lineare versus degressive Abschreibungen . . .. . .. .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . .. 47 Tabelle 2: Abschlags- und Einmalzahlungen Volkswagensparer . . .. .. . .. . .. . .. .. . .. . .. . .. .. . 189

I. Einleitung 1. Bedeutung des Themas Die erfolgreiche Aufholjagd der deutschen Automobilindustrie gegenüber der internationalen Konkurrenz legte in den beiden Jahrzehnten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges den Grundstein für die bis in die Gegenwart anhaltend hohe Bedeutung der Automobilindustrie für die gesamte deutsche Wirtschaft. Das gegenwärtige Gewicht der Branche spiegelt sich in ihrem Beitrag zum deutschen Außenhandel ebenso wie in ihrer Bedeutung für den deutschen Arbeitsmarkt wider. Im Jahr 2015 trug der Export von Kraftwagen und Kraftwagenteilen mit knapp einem Fünftel des Wertes der gesamten deutschen Ausfuhren wie keine andere Branche zum deutschen Außenhandel bei.1 Zu Beginn desselben Jahres waren in Deutschland 7,5 Millionen Erwerbstätige in Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes beschäftigt. Die Kraftfahrzeugindustrie war in diesem Wirtschaftssektor mit 800.000 Beschäftigten der zweitgrößte Arbeitgeber nach dem Maschinenbau.2 Im internationalen Vergleich war Deutschland im Jahr 2015 der viertgrößte Standort für die Fertigung von Kraftfahrzeugen. Einen höheren Anteil an der weltweiten Produktion haben nur China, die Vereinigten Staaten von Amerika sowie Japan.3 Dass die deutsche Automobilindustrie in der Gegenwart eine derart herausgehobene Stellung einnimmt, war aus der Perspektive der Gründungsjahre der Bundesrepublik Deutschland nicht unbedingt zu erwarten: Die westdeutsche Automobilindustrie produzierte 1948 gerade einmal 31 Tsd. Personenkraftwagen und 31 Tsd. Lastkraftwagen.4 Im Vergleich dazu fertigten die Vereinigten Staaten von Amerika als weltweit größter Hersteller im selben Jahr rund 4 Millionen Personenkraftwagen 1

Statistisches Bundesamt (Hg.): Statistisches Jahrbuch 2016, Wiesbaden 2016, S. 420. Statistisches Bundesamt (Hg.): Statistisches Jahrbuch 2016, Wiesbaden 2016, S. 351; Statistisches Bundesamt: Beschäftigte und Umsatz der Betriebe im Verarbeitenden Gewerbe: Deutschland, Monate, Wirtschaftszweige, https://www-genesis.destatis.de/genesis/online;jses sionid=46CBCA2F103AC07B16F30DDD08F80EC8.tomcat_GO_2_2?operation=previou s&levelindex=2&levelid=1479121879930&step=2, 2016 – 11 – 04. 3 Organisation Internationale des Constructeurs d’Automobiles: World motor vehicle production by country and type, http://www.oica.net/wp-content/uploads//Total-2016.pdf, 2017 – 06 – 21. 4 Lipp, Hans: Deutschland – LKW 1945 – 1968, http://automobilia8545.de/deutschland-194 5 – 1968-produktion-von-lkw/, 2017 – 08 – 26; Lipp, Hans: Deutschland – PKW 1945 – 1968, http://automobilia8545.de/deutschland-1945 – 1968-pkw-produktion/, 2017.08 – 26; dagegen: Verband der Automobilindustrie e.V.: Die Auto-Biografie. Eine Momentaufnahme, Frankfurt am Main 1976, S. 78. 2

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I. Einleitung

und 1,4 Millionen Lastkraftwagen. Das zweitgrößte Herstellerland Großbritannien produzierte rund 329 Tsd. Personenkraftwagen und rund 170 Tsd. Lastkraftwagen.5 Die Gründe für den vergleichsweise geringen Ausstoß der deutschen Automobilindustrie waren neben den Kriegsschäden, Demontagen und Reparationen, der allgemeinen Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung und der alliierten Wirtschaftspolitik vor allem der geringe Motorisierungsgrad der deutschen Bevölkerung vor dem Krieg. Des Weiteren fühlten sich die deutschen Hersteller in ihrer eigenen Wahrnehmung technologisch nach der langen Abwesenheit von den Weltmärkten während der nationalsozialistischen Herrschaft gegenüber dem internationalen Wettbewerb unterlegen.6 Um den Rückstand gegenüber der internationalen Konkurrenz aufzuholen, investierte die westdeutsche Automobilindustrie von 1948 bis 1965 schätzungsweise 15 Milliarden DM in den Wiederaufbau, die Erweiterung sowie die Modernisierung und Rationalisierung ihrer Produktionsanlagen.7 Im Vergleich dazu investierte die gesamte westdeutsche Investitionsgüterindustrie im selben Zeitraum rund 65 Milliarden DM.8 Unter dem Begriff Investitionen werden die handelsrechtlichen Zugänge zum langfristigen Vermögen eines Unternehmens verstanden. Dabei handelt es sich in der Regel um Immobilien, Grundstücke, Maschinen und Anlagen sowie langfristige Finanzanlagen (z. B. Anteile an anderen Unternehmen oder langfristige Ausleihungen). Diese Investitionen trugen maßgeblich zu einem erheblichen Wachstum der Kraftwagenproduktion bei. Ab dem Jahr 1949 wuchs die Produktion von Kraftwagen durchschnittlich jedes Jahr um rund ein Fünftel im Vergleich zum Vorjahr, sodass im Jahr 1965 knapp 3 Millionen Kraftwagen in Deutschland produziert wurden.9 Dieses starke Wachstum hatte zur Folge, dass die Bundesrepublik Deutschland bereits im Jahr 1956 Großbritannien als das bis dahin weltweit zweitgrößte Erzeugerland ablöste. Neben der guten konjunkturellen Entwicklung und der erfolgreichen Produktpolitik war eine der entscheidenden Voraussetzungen für das rasante Wachstum die 5

Der Stand der Kraftwagenproduktion der Welt, in: Wirtschaftsdienst 29 (1949, 7), S. 53 f. Hiller, Heinrich: Die Automobilindustrie des Auslands, in: Der Volkswirt 5 (1951, 16), S. 23 f.; Jahns, L.: Deutsche Kraftfahrzeuge im Export, in: Der Volkswirt (1951, 16), S. 17 f. 7 Einschließlich der im Bundesgebiet produzierenden Hersteller in ausländischem Besitz; Busch, Klaus W.: Strukturwandlungen in der westdeutschen Automobilindustrie. Ein Beitrag zur Erfassung und Deutung einer industriellen Entwicklungsphase im Übergang vom produktionsorientierten zum marktorientierten Wachstum, Berlin 1966 (Volkswirtschaftliche Schriften 101), S. 92 f.; WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsberichte; WWA G7 – 321/2: Geschäftsberichte Daimler-Benz AG; WWA S7 – 322: Geschäftsberichte Volkswagenwerk GmbH bzw. Volkswagenwerk AG. 8 Kirner, Wolfgang: Zeitreihen für das Anlagevermögen der Wirtschaftsbereiche in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1968 (DIW-Beiträge zur Strukturforschung 5), S. 91. 9 Verband der Automobilindustrie e.V.: Zahlen und Daten, http://www.vda.de/de/zahlen/jah reszahlen/automobilproduktion/, 2013 – 12 – 16. Unter dem Begriff Kraftwagenproduktion wird die kumulierte Produktion von Personenkraftwagen, Lastkraftwagen, Kraftomnibussen und Straßenzugmaschinen verstanden. 6

1. Bedeutung des Themas

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Abbildung 1: Kraftwagenproduktion Bundesrepublik Deutschland (Mio. Stück) Quelle: Verband der Automobilindustrie (Hg.): Die Auto-Biografie. Eine Momentaufnahme, Frankfurt am Main 1976, S. 78.

Mobilisierung von langfristigem Kapital zur Finanzierung der dazu erforderlichen Investitionen.10 Die Zeitgenossen betonten jedoch immer wieder die Hindernisse, die sich dem entgegenstellten: Während in den fünfziger Jahren von der „Kreditnot“ die Rede war,11 galt den späteren Jahrzehnten die im internationalen Vergleich niedrige Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen als bedenklicher Engpass.12 Tatsächlich hatte die Währungsreform von 1948 dem Wirtschaftskreislauf etwa 93 Prozent der Geldmenge entzogen, die Zinsen für Kredite an privatwirtschaftliche Unternehmen blieben relativ hoch, die Großbanken fielen zunächst als Finanziers der Industrie aus und der westdeutsche Kapitalmarkt war wenig leistungsfähig. Den weitaus überwiegenden Anteil der Investitionen finanzierte die Automobilindustrie daher mit eigenen Mitteln. Der Selbstfinanzierungsgrad stieg im Branchendurchschnitt von 64 Prozent im Jahr 1948/49 auf 93 Prozent im Jahr 1957 und war danach auf hohem

10 Thomes, Paul: Industriekredit und Kapitalmarktfinanzierung in den Westzonen und der Bundesrepublik Deutschland von 1945 bis 1990, in: Der wissenschaftliche Beirat des Instituts für bankhistorische Forschung e. V. (Hg.): Bankkredit oder Kapitalmarkt: Alternativen der Industriefinanzierung in Deutschland, 24. Symposium am 7. Juni 2001 im Hause der IKB Deutsche Industriebank AG, Düsseldorf/Stuttgart 2002 (Bankhistorisches Archiv. Zeitschrift für Bankengeschichte. Beiheft 40), S. 39. 11 Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung (Hg.): Fünf Jahre DM. Der Wiederaufbau der westdeutschen Wirtschaft seit der Währungsreform, Berlin/München 1953, S. 21 ff.; Könecke, Fritz: Expansion oder Rationalisierung, in: Der Volkswirt 10. Beilage „Deutsche Wirtschaft im Querschnitt 36. Kraftfahrzeugindustrie“ (1956, 18), S. 6; van Well, L. P.: Warum haben wir kein Geld?, in: Die Automobilwirtschaft (1949, 16), S. 379 f.; Wolf, Herbert: Von der Währungsreform bis zum Großbankengesetz (1948 – 1952), in: Pohl, Hans (Hg.): Geschichte der deutschen Kreditwirtschaft seit 1945, Frankfurt am Main 1998, S. 61. 12 Hertz-Eichenrode, Albrecht: Das süße Gift des billigen Geldes. Die Bundesrepublik Deutschland (1945 – 1990), in: ders. (Hg.): Süßes Kreditgift. Die Geschichte der Unternehmensfinanzierung in Deutschland, Frankfurt am Main 2004, S. 136 – 138.

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I. Einleitung

Niveau rückläufig, bis er 1961 den Wert von 67 Prozent erreichte.13 Der Begriff Selbstfinanzierungsgrad ist definiert als der prozentuale Anteil der freien Rücklagen am Eigenkapital. Der Selbstfinanzierungsgrad ist somit ein Indikator für die Fähigkeit eines Unternehmens, Investitionen aus den Gewinnen der operativen Geschäftstätigkeit zu finanzieren. Die ausschließliche Betrachtung des durchschnittlichen Selbstfinanzierungsgrads der Branche vermittelt indes einen falschen Eindruck von der tatsächlichen Finanzierungsstruktur einzelner Unternehmen in der Automobilindustrie. Unter dem Begriff Finanzierungsstruktur wird im Folgenden der prozentuale Anteil des handelsrechtlich bilanzierten Eigenkapitals an der Bilanzsumme eines Unternehmens verstanden. Dieser prozentuale Anteil wird als Eigenkapitalquote bezeichnet. Zum Eigenkapital bei Kapitalgesellschaften zählen das Grund- bzw. das Stammkapital14, die gesetzliche Rücklage und sogenannte freie Rücklagen. Das Grund- bzw. Stammkapital entsteht durch eine in der Regel zahlungswirksame Einlage der Eigentümer des Unternehmens und kann in der Regel nur durch den mehrheitlichen Beschluss der Eigentümer herauf- oder herabgesetzt werden. Nur das Eigentum am Grund- bzw. Stammkapital berechtigt zur Teilnahme an Abstimmungen im Kreise der Eigentümer.15 Dabei entspricht der Stimmrechtsanteil eines Eigentümers grundsätzlich dem Anteil des jeweiligen Eigentümers am Nominalbetrag des Grundbzw. Stammkapitals, es sei denn, die Satzung des Unternehmens bestimmt im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben etwas anderes. Jedes Unternehmen ist des Weiteren dazu verpflichtet, einen Teil des jährlichen Gewinns der gesetzlichen Rücklage zuzuführen, bis diese einem gesetzlich festgelegten Anteil am Grund- bzw. Stammkapital entspricht. Aus der gesetzlichen Rücklage werden unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen Verluste aus der Geschäftstätigkeit ausgeglichen oder Kapitalerhöhungen aus eigenen Mitteln finanziert. In die freien Rücklagen werden alle Gewinne eines Geschäftsjahres eingestellt, die nicht an die Eigentümer ausgeschüttet werden. Die freien Rücklagen können durch den mehrheitlichen Beschluss der Eigentümer in späteren Geschäftsjahren als Dividende ausgezahlt werden, in Grund- bzw. Stammkapital umgewandelt werden oder zum Ausgleich von Verlusten verwendet werden. Insgesamt bildet die Summe aus Grund- bzw. Stammkapital, gesetzlicher und freier Rücklage das für Verluste und gegenüber Gläubigern haftende Kapital. Neben dem Eigenkapital zählen auf der Passivseite der handelsrechtlichen Bilanz zur Bilanzsumme eines Unternehmens im Wesentlichen die Rückstellungen und Verbindlichkeiten eines Unternehmens. Für in der Zukunft liegende Ereignisse, die eine Eintrittswahrscheinlichkeit von mehr als fünfzig Prozent haben, werden aus dem Gewinn eines Geschäftsjahres gewinnmindernde Zuführungen zu den Rück13

Busch, S. 105 f. Bei Aktiengesellschaften „Grundkapital“ und bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung „Stammkapital“. 15 Mit Ausnahme satzungsbedingter stimmrechtloser Anteile. 14

2. Fragestellung und These

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stellungen bilanziert. Aufgelöst werden die Rückstellungen bei Eintritt des Ereignisses oder wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit des Ereignisses, für welches die Rückstellung gebildet wurde, weniger als 50 Prozent beträgt. Bei den Verbindlichkeiten handelt es sich im Wesentlichen um zinsfreie Verbindlichkeiten für Lieferungen und Leistungen von Lieferanten sowie zinstragende kurz- und langfristige Verbindlichkeiten gegenüber Fremdkapitalgebern. Die Eigenkapitalquote ist somit ein Indikator für die finanzwirtschaftliche Solidität und damit für die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens.

2. Fragestellung und These Vergleicht man nun die Finanzierungsstruktur einzelner Automobilhersteller miteinander, so fällt auf, dass deren Eigenkapitalquote nach der Währungsreform zwar tendenziell bis zum Ende der fünfziger Jahre abnahm und bis zur Mitte der sechziger Jahre wieder anstieg. Von Jahr zu Jahr war die Entwicklung der Finanzierungsstruktur jedoch sehr unterschiedlich – trotz eines im Branchendurchschnitt hohen Selbstfinanzierungsgrades und obwohl die Unternehmen unter augenscheinlich gleichen volkswirtschaftlichen Bedingungen handelten. Die Eigenkapitalquoten der Bayerische Motoren Werke AG (im Folgenden: BMW), der DaimlerBenz AG (im Folgenden: Daimler-Benz) und der Volkswagenwerk GmbH (im Folgenden: Volkswagenwerk) waren zum Zeitpunkt der DM-Eröffnungsbilanz am 21. Juni 1948 beispielsweise mit 78 Prozent bis 93 Prozent vergleichsweise hoch. Während jedoch die Eigenkapitalquote von Daimler-Benz bis 1958 kontinuierlich auf 23 Prozent abnahm und erst danach wieder sukzessiv bis 1965 auf 41 Prozent anstieg, stürzte die Eigenkapitalquote von BMW zum Ende der fünfziger Jahre auf einen krisenhaft niedrigen Wert von 19 Prozent. Demgegenüber entwickelte sich die Eigenkapitalquote des Volkswagenwerks bis zum Ende der fünfziger Jahre bei rückläufiger Tendenz sehr volatil und stieg 1959 sprunghaft um 28 Prozentpunkte an und entwickelte sich danach vergleichsweise konstant in einem Korridor von 48 Prozent bis 52 Prozent. Diese Beobachtung führt zu der zentralen Fragestellung der vorliegenden Arbeit: Was erklärt die Entwicklung der Finanzierungsstruktur einzelner Unternehmen der deutschen Automobilindustrie zwischen 1948 und 1965? Es wird die These vertreten, dass die Finanzierungsstruktur einzelner Unternehmen der westdeutschen Automobilindustrie zwischen der Währungsreform 1948 und der großen Aktienrechtsreform 1965 abhängig war erstens von der betriebswirtschaftlichen Entwicklung der Unternehmen bis zur Währungsreform, der Betroffenheit von Kriegsschäden, Demontage, Reparationen sowie von der Beschlagnahmung und Verwaltung durch die alliierten Militärregierungen und zweitens von den volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen seit der Währungsreform. Die Finanzierungsstruktur war drittens abhängig von den spezifischen Interessen des

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I. Einleitung

Abbildung 2: Eigenkapitalquote BMW AG, Daimler-Benz AG und Volkswagenwerk AG Quelle: Geschäftsberichte der BMW AG, Daimler-Benz AG und Volkswagenwerk AG (vormals Volkswagenwerk GmbH) 1948 – 1965; jeweils zum 31.12., Ausnahme ist die DM-Eröffnungsbilanz zum 21. 06. 1948.

Managements, der Fremdkapitalgeber, der Eigentümer und sonstigen Akteure hinsichtlich der Geschäftspolitik der Unternehmen. Des Weiteren wird die These vertreten, dass zwei übergeordnete politische Kontexte in der frühen Bundesrepublik die Finanzierungsstruktur von BMW, Daimler-Benz und dem Volkswagenwerk in jeweils unterschiedlich starkem Ausmaß beeinflussten. Dabei handelte es sich um die Auseinandersetzung zwischen Arbeitnehmervertretern und den Vertretern der Kapitaleigentümer hinsichtlich der gerechten Verteilung des gemeinsam erwirtschafteten Wohlstands und um den Aufbau deutscher Luftrüstungskapazitäten im Rahmen der westdeutschen Wiederbewaffnung.

3. Untersuchungsgegenstand und -zeitraum Der wichtigste Interessenverband der Branche – der Verband der Automobilindustrie (VDA) – zählt zur Automobilindustrie alle Hersteller von Personen- und Lastkraftwagen, Zugmaschinen, deren Motoren, Zubehörteilen, Anhängern und Aufbauten.16 Die vorliegende Arbeit folgt einem engeren Verständnis des Begriffs „Automobilindustrie“ und zählt zur Automobilindustrie lediglich diejenigen Unternehmen, die mit der Herstellung von Kraftfahrzeugen und deren Motoren befasst waren. Zu dieser Herstellergruppe zählte der VDA zur Mitte des Jahres 1966 insgesamt 22 Mitgliedsunternehmen.17 Aus dieser Grundgesamtheit werden drei Un16 Verband der Automobilindustrie: Tatsachen und Zahlen aus der Kraftverkehrswirtschaft 1963/1964, Frankfurt am Main 1964, S. 3. 17 Verband der Automobilindustrie: Jahresbericht 1965/66, Frankfurt am Main 1966, S. 48.

3. Untersuchungsgegenstand und -zeitraum

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ternehmen analysiert, um die im vorherigen Abschnitt aufgestellten Thesen zu überprüfen. Die Auswahl dieser drei Unternehmen folgt systematischen und objektivierbaren Kriterien, um eine möglichst repräsentative Auswahl und valide Ergebnisse sicherzustellen. Das erste Kriterium bei der Auswahl ist eine möglichst unterschiedliche Entwicklung der Finanzierungsstruktur der Unternehmen, das zweite Kriterium ist die größtmögliche Verschiedenheit bei Unternehmensmerkmalen, die Erklärungsansätze für die unterschiedliche Entwicklung der Finanzierungsstruktur liefern können. Diese betreffen insbesondere die Produktpolitik und Marktanteile, den Unternehmenserfolg sowie die unmittelbare Betroffenheit von Kriegsschäden, Demontagen, Reparationen, der alliierten Wirtschaftspolitik und der volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen seit der Währungsreform 1948. Drittens werden ausschließlich Unternehmen betrachtet, die sich überwiegend in westdeutschem Besitz befanden, um ein Bias durch grenzüberschreitende Konzernfinanzierungen auszuschließen. Viertens sollen die Unternehmen einen hinreichend großen Anteil an den Investitionen der deutschen Automobilindustrie aufweisen, um eine hohe Relevanz der Analyse zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund wurden BMW, Daimler-Benz und das Volkswagenwerk ausgewählt. Wie bereits im vorherigen Unterkapitel gezeigt, entwickelte sich die Finanzierungsstruktur dieser Unternehmen bei gleicher Tendenz in einzelnen Jahren sehr unterschiedlich. Alle drei Unternehmen starteten mit einer sehr unterschiedlichen betrieblichen Substanz in die Nachkriegszeit und waren von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nach dem Krieg sehr unterschiedlich betroffen. Während das Volkswagenwerk eine beherrschende Stellung im Marktsegment für mittlere Personenkraftwagen einnahm, konkurrierten BMW und Daimler-Benz mit anderen Herstellern im Marktsegment für Oberklassewagen. BMW fertigte zudem Kleinstund Mittelklassewagen und Motorräder. Daimler-Benz war des Weiteren sehr erfolgreich im Nutzfahrzeuggeschäft. Das Geschäft aller drei Unternehmen umfasste so gut wie ausschließlich die inländische Kraftfahrzeugproduktion, während die ausländische Produktion in Tochtergesellschaften organisiert war. Soweit die Jahresabschlüsse der inländischen Gesellschaften andere Erträge als aus dem Automobilgeschäft enthalten, soll die Bedeutung dieser Erträge für die Finanzierungsstruktur soweit wie möglich in den folgenden Kapiteln herausgestellt werden. Schließlich tätigten BMW, Daimler-Benz und Volkswagenwerk während des Untersuchungszeitraums zusammengenommen rund 8 Milliarden DM nominelle Bruttoanlageinvestitionen.18 Dies entsprach 53 Prozent aller Investitionen der westdeutschen Automobilindustrie. Davon entfielen rund 33 Prozent auf das Volkswagenwerk, 18 Prozent auf Daimler-Benz und 2 Prozent auf BMW. Weitere schätzungsweise 34 Prozent entfielen auf Opel und Ford und weitere 13 Prozent auf sonstige Hersteller.19 Als Unternehmen in ausländischem Besitz wurden Opel und Ford von der Untersuchung ausgenommen. 18 Geschäftsberichte der BMW AG, Daimler-Benz AG und Volkswagenwerk GmbH bzw. Volkswagenwerk AG von 1948 bis 1965. 19 Vgl. Busch, S. 93.

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I. Einleitung

Der Untersuchungszeitraum umfasst die Zeit vom 20. Juni 1948 bis zum 31. Dezember 1965. Der Beginn des Untersuchungszeitraums ergibt sich aus der zum 20. Juni 1948 wirksam werdenden Währungsreform, seit der erstmals Bilanzen in DM aufgestellt wurden und welche erst die ordnungspolitischen Voraussetzungen für marktwirtschaftlich orientierte Entscheidungen hinsichtlich der Finanzierungsstruktur ermöglichte. Das Ende des Untersuchungszeitraums ist erstens bestimmt durch das Inkrafttreten der großen Aktienrechtsreform am 01. Januar 1966 und der dadurch verursachten eingeschränkten Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse seit 1966 und von 1948 bis 1965.20 Zweitens markiert die 1966 beginnende Wirtschaftskrise das vorläufige Ende des ununterbrochenen Wachstums der deutschen Automobilindustrie seit 1948, nach welcher sich die Automobilindustrie verstärkt von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt entwickelte.21

4. Theoretisierung, Operationalisierung und Struktur In theoretischer Hinsicht greift die vorliegende Arbeit die Forderung von Werner Plumpe auf, dass „das Wechselverhältnis von internen Kommunikations- und Interaktionsstrukturen zu einer zunehmend größer werdenden, dabei ständig schwankenden Umweltkomplexität […] in Zukunft im Mittelpunkt unternehmenshistorischer Forschung stehen“ solle.22 Die Untersuchungsdimensionen „Umweltkomplexität“ und „Interaktionsstrukturen“ werden mit Hilfe der Annahmen des akteurzentrierten Institutionalismus präzisiert. Die Umweltkomplexität, der sich Unternehmen gegenübergestellt sehen, wird verstanden als der institutionelle Kontext, in dem sie handeln. Der institutionelle Kontext wiederum ist die Gesamtheit der Institutionen, die in Form von rechtlichen und sozialen Regeln die Handlungs-

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Henning, Friedrich-Wilhelm: Die Unternehmensfinanzierung in der Bundesrepublik Deutschland von 1952 bis 1965, unter besonderer Berücksichtigung einiger Industrie-Aktiengesellschaften, in: Petzina, Dietmar (Hg.): Zur Geschichte der Unternehmensfinanzierung, Berlin 1990 (Schriften des Vereins für Socialpolitik. Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Neue Folge 196) S. 101. 21 Vgl. Tilly, Stephanie/Triebel, Florian (Hg.): Automobilindustrie 1945 – 2000. Eine Schlüsselindustrie zwischen Boom und Krise, München 2013 (Perspektiven. Schriftenreihe der BMW Group – Konzernarchiv Bd. 5), S. 11 f. 22 Plumpe, Werner: Statt einer Einleitung: Stichworte zur Unternehmensgeschichtsschreibung, in: ders./Kleinschmidt, Christian (Hg.): Unternehmen zwischen Markt und Macht. Aspekte deutscher Unternehmens- und Industriegeschichte im 20. Jahrhundert, Essen 1992 (Bochumer Schriften zur Unternehmens- und Industriegeschichte 1), S. 12; Für bestriebswirtschaftliche Konzepte zur Beschreibung von Transformationsprozessen in Unternehmen siehe Drerup, Bianca: Controlling-Transformation. Management des Wandels in ControllingOrganisationen, Hamburg 2017, S. 41 – 66.

4. Theoretisierung, Operationalisierung und Struktur

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möglichkeiten von Akteuren auf eine mögliche Teilmenge beschränken.23 Aus den Interaktionsstrukturen ergibt sich die Anzahl der Akteure, die an Entscheidungen hinsichtlich der Finanzierungsstrukturen beteiligt waren. Diese Akteure haben bestimmte Fähigkeiten, bestimmte Wahrnehmungen und bestimmte Präferenzen.24 Da diese zwischen den betrieblichen Akteuren variieren, ergibt sich für jedes Unternehmen eine spezifische Akteurskonstellation. Diese Konstellation beschreibt die beteiligten Akteure und ihre Strategien sowie die aus den verschiedenen Strategien der Akteure resultierenden Ergebnisse. Der institutionelle Kontext, in dem ein Unternehmen agiert, und die Konstellation der Akteure innerhalb des Unternehmens beeinflussen sich gegenseitig, weil die Akteure unterschiedlich auf die externen Reize des institutionellen Kontexts reagieren. Die sich aus der Konstellation der Akteure ergebende Strategie der Unternehmen kann den institutionellen Kontext verändern, der seinerseits wiederum erneut auf die Entscheidungsfindung im Unternehmen zurückwirken kann. Die Struktur der vorliegenden Arbeit trägt diesen theoretischen Überlegungen Rechnung, indem das zweite Kapitel mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die „Umweltkomplexität“ analysiert, die sich den Automobilherstellern bei Entscheidungen über die Finanzierungsstruktur gegenüberstellte. Im Fokus des Interesses steht das sich wechselseitig beeinflussende Geflecht aus gesetzgeberischen Maßnahmen zum Ausgleich von Kriegsschäden, die Entwicklung des westdeutschen Kredit- und Kapitalmarktes, die Entwicklung des Angebots und der Nachfrage nach Kraftfahrzeugen sowie die Besteuerung von Unternehmen. Die wichtigsten gesetzgeberischen Maßnahmen zum Ausgleich und zur Beseitigung von Kriegsschäden betrafen die von Deutschland zu leistenden Reparationen und Demontagen, den European Recovery Plan, die Währungsreform, die Preisgesetzgebung, das Kriegsfolgenschlussgesetz, den Lastenausgleich sowie das Investitionshilfegesetz. Die anfangs geringe Leistungsfähigkeit des westdeutschen Kredit- und Kapitalmarkts und die bundesdeutsche Kapitalmarktpolitik erschwerten zwar die Aufnahme von Fremdkapital und die Ausgabe neuer Aktien durch privatwirtschaftliche Unternehmen. Doch der Staat ermöglichte es den Unternehmen durch großzügige Abschreibungsmöglichkeiten, die benötigten Investitionen durch eigene Mittel zu finanzieren. Die Bundesregierung befreite die Umwandlung der dadurch entstehenden stillen Reserven in zusätzliches Grundkapital des Weiteren von der Doppelbesteuerung und schuf somit einen Anreiz für viele Unternehmen, ihre Finanzierungsstruktur zu verbessern. Die Kapitel drei bis fünf analysieren die Entwicklung der Finanzierungsstruktur bei BMW, Daimler-Benz und dem Volkswagenwerk. Es wird gezeigt, wie die jeweiligen Unternehmen auf die im vorherigen Kapitel beschriebenen Rahmenbe23

Vgl. North, Douglass C.: Institutions, Institutional Change and Economic Performance, Cambridge 1990 (The Political Economy of Institutions and Decisions), S. 3 – 10. 24 Vgl. Scharpf, Fritz W.: Interaktionsformen. Akteurzentrierter Institutionalismus in der Politikforschung, Opladen 2000, S. 86 f.

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I. Einleitung

dingungen reagierten. Alle drei Kapitel folgen demselben Aufbau, um einen systematischen Vergleich zwischen den Unternehmen zu erleichtern. Im ersten Abschnitt wird auf die materiellen Voraussetzungen zu Beginn des Untersuchungszeitraums eingegangen. Hier stehen die betriebswirtschaftliche Entwicklung bis zur Währungsreform, Art und Umfang der Kriegsschäden, Demontagen, Reparationen sowie Einschränkungen durch Beschlagnahmungen und Vermögenskontrollen im Vordergrund. Im zweiten Abschnitt folgt eine quantitative Bilanzanalyse auf Basis der Geschäftsberichte der drei miteinander verglichenen Unternehmen von 1948 bis 1965. Der Vermögensbewertung und Schuldenumstellung bei der Erstellung der DM-Eröffnungsbilanz zum 20. Juni 1948 wird dabei besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Denn die Finanzierungsstruktur, mit denen die Unternehmen in die DMZeit starteten, war nicht das Ergebnis einer für alle Unternehmen gleichermaßen anzuwendenden starren arithmetischen Formel, sondern vielmehr das Ergebnis einer interessengeleiteten unternehmensinternen Bewertung des Vermögens sowie der Fähigkeit der Unternehmen, Reichsmark-Altschulden im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zum eigenen Vorteil in DM-Verbindlichkeiten umzuwandeln. Das Ziel der Bilanzanalyse für die Jahre nach der Eröffnungsbilanz besteht darin, einen Überblick über die zahlungswirksamen Kapitalströme zu schaffen. Dabei wird unterschieden zwischen Jahresüberschüssen vor nicht-zahlungswirksamen Aufwendungen wie Abschreibungen und Rückstellungen, dem Zu- und Abfluss durch die Verringerung bzw. den Aufbau von Nettoumlaufvermögen, Einzahlungen aus Desinvestitionen, Fremdkapitalaufnahme bzw. -tilgung und Kapitalerhöhungen bzw. -herabsetzungen und sonstigen Kapitalzuflüssen und -abflüssen.25 Der Saldo aus Jahresüberschuss vor nicht-zahlungswirksamen Aufwendungen für Abschreibungen und Rückstellungen und dem Zu- und Abfluss durch die Verringerung bzw. den Aufbau von Nettoumlaufvermögen wird als operativer Cashflow bezeichnet. Im zweiten Schritt soll die Mittelverwendung dargestellt werden. Im Fokus stehen hier die Brutto- und Nettoinvestitionen. Der Begriff Bruttoinvestition wird dabei verstanden als bilanzieller Zugang zum Anlagevermögen und der Begriff der Nettoinvestition wird verstanden als der Zugang zum Anlagevermögen abzüglich der Abschreibungen und Abgänge. Diese Analyse soll es ermöglichen, die Entwicklung der jährlichen Net Cashflows zu ermitteln. Der Net Cashflow ist definiert als die Differenz zwischen dem operativen Cashflow und dem Saldo aller Ein- und Auszahlungen für Investitionen und Desinvestitionen. Der Net Cashflow ist somit ein viel besserer Indikator für die Fähigkeit der Unternehmen, ihre Investitionen aus eigenen Mitteln finanzieren zu können, als der Selbstfinanzierungsgrad, weil er die tatsächlichen Zahlungsmittelströme stärker berücksichtigt. Der dritte Abschnitt dient schließlich dem Zweck, die durch die Bilanzanalyse quantitativ beschriebene Mittelherkunft mit der für das jeweilige Unternehmen spezifischen Akteurskonstellation zu erklären. Für eine bessere Vergleichbarkeit der Unternehmen wurde auf eine strikt chronologisch erzählende Analyse verzichtet. 25 Brealey, Richard M./Myers, Stewart C.: Principles of Corporate Finance, 7. Auflage, New York u. a. 2003, S. 5 f.

5. Stand der Forschung und Quellenlage

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Stattdessen werden die wichtigsten einzelnen Herkunftsarten in systematischen Unterabschnitten zu Umsatz- und Ertragslage, Desinvestitionen, Aufnahme von Fremdkapital und Eigenkapital fallstudienartig untersucht. Dabei stehen die Interessen des Managements, der Aufsichtsräte, der Banken, der Eigentümer und sonstiger Akteure – sofern diese zu eruieren waren – bei der Entscheidung für und wider eine bestimmte Finanzierungsstruktur im Mittelpunkt. Es sollen die Interessenkonflikte zwischen den Akteuren gezeigt werden sowie deren Versuche, ihre Interessen durchzusetzen, und schließlich soll der Erfolg der Interessendurchsetzung bewertet werden. Jedes Kapitel schließt mit einem kurzen Zwischenfazit, bevor die Ergebnisse der Arbeit im letzten Kapitel zusammengefasst werden und ein Ausblick gegeben wird auf mögliche an diese Arbeit anschließende wissenschaftliche Fragestellungen.

5. Stand der Forschung und Quellenlage Die Wirtschaftsgeschichte hat sich seit Rudolf Hilferdings „Finanzkapital“ aus dem Jahr 1915 hinsichtlich der Finanzierungsstruktur von Unternehmen vor allem mit der Funktion und mit der Macht der Banken beschäftigt.26 In das Blickfeld der Historiker geriet aber auch die Bedeutung des Kapitalmarktes für die Industriefinanzierung27 sowie die Finanzierung einzelner Unternehmen und Branchen.28 Die sich mit der Zeit nach 1945 befassende Wirtschaftsgeschichte hat sich – und dies war auch ein Konfliktfeld im Historikerstreit29 – mit der Frage auseinandergesetzt, ob es über die politische Zäsur der Jahre 1945/49 zu einem strukturellen Neuanfang in der wirtschaftlichen Verfassung der Bundesrepublik Deutschland kam oder ob korpo26 Vgl. Tilly, Richard: Trust and Mistrust. Banks, Giant Debtors, And Enterprise Crisis in Germany, 1960 – 2002, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte (2005, 1), S. 107 – 136; Wellhöner, Volker: Großbanken und Großindustrie im Kaiserreich, Göttingen 1989 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft 85), S. 11 – 25; Wixforth, Harald: Banken und Schwerindustrie in der Weimarer Republik, Köln u. a. 1995 (Wirtschafts- und Sozialhistorische Studien 1), S. 1 – 9; Ziegler, Dieter: Die Aufsichtsräte der deutschen Aktiengesellschaften in den zwanziger Jahren. Eine empirische Untersuchung zum Problem der „Bankenmacht“, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 43 (1998, 2), S. 194 – 215. 27 Vgl. Lehmann, Karin: Wandlungen der Industriefinanzierung mit Anleihen in Deutschland (1923/34 – 1938/39), Stuttgart 1996 (Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 71), S. 11 – 15; Wixforth, Harald: Industriekredit und Kapitalmarktfinanzierung zwischen Reichsgründung und Weltwirtschaftskrise, in: Bankkredit oder Kapitalmarkt. Alternativen der Industriefinanzierung in Deutschland, 24. Symposium am 7. Juni 2001 im Hause der IKB Deutsche Industriebank AG, Düsseldorf, Stuttgart 2002 (Bankhistorisches Archiv. Zeitschrift für Bankengeschichte. Beiheft 40), S. 15 – 38. 28 Vgl. Henning, S. 101 f.; Feldenkirchen, Wilfried: Die Finanzierung des Wiederaufbaus im Hause Siemens nach 1945, in: Wessel, Horst A. (Hg.): Demontage, Enteignung, Wiederaufbau, Berlin/Offenbach 1997, S. 105 – 134. 29 Bavaj, Riccardo: Die Ambivalenz der Moderne im Nationalsozialismus. Eine Bilanz der Forschung, München 2003, S. 31 f.

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I. Einleitung

ratistische Kontinuitäten in der politischen Ökonomie dominierten.30 Mittlerweile liegen eine Reihe empirischer Arbeiten vor, die sich mit der Amerikanisierung der deutschen Wirtschaft nach 1945 beschäftigen. Der Begriff „Amerikanisierung“ bezieht sich dabei auf die Übernahme US-amerikanischer Technologien, Geschäftspraktiken und Strategien durch deutsche Unternehmen.31 Der Tenor der bisherigen Forschung ist, dass deutsche Unternehmen nach 1945 amerikanische Management- und Produktionsmethoden übernahmen oder adaptierten, sodass der Wettbewerbsvorteil der US-amerikanischen Unternehmen weitgehend gegen Ende der sechziger Jahre eingeholt war.32 Hinsichtlich der Automobilindustrie hat die zeitgenössische Forschung stets den Übergang von einem Verkäufermarkt während der fünfziger Jahre zu einem Käufermarkt während der sechziger Jahre betont.33 Auch jüngere Arbeiten wie beispielsweise die Monographie von Nils Beckmann folgen diesem Paradigma.34 Stephanie Tilly und Dieter Ziegler hingegen kritisierten jüngst die Fokussierung auf den Übergang vom Verkäufer- zum Käufermarkt als eher „beschreibend-resümierend“. Sie bestritten zwar nicht, dass es in der Automobilindustrie zu einem grundlegenden Strukturwandel gekommen sei, interpretierten diesen aber eher als einen Bedeutungszuwachs der Marktorientierung der Automobilhersteller.35 Mit Bezug auf die westdeutsche Automobilindustrie analysierten Christopher Kopper und Ingo Köhler in diesem Sinne die Ursachen der Massenmotorisierung sowie der Produktpolitik deutscher und amerikanischer Hersteller in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Ihre Fallstudien wiesen dabei über den reinen Verweis auf den Übergang von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt hinaus. Christopher Kopper machte hierbei auch auf die Bedeutung des Gebrauchtwagenmarktes für die Massenmoto-

30 Vgl. Abelshauser, Werner: Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, Bonn 2004 (Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung 460), S. 11 – 21; Olson, Mancur: The Rise and Decline of Nations, New Haven 1982, S. 9 f.; Reich, Simon: The Fruits of Fascism: Post-war Prosperity in Historical Perspective, Ithaca/London 1990, S. 54; S. 61. 31 Vgl. Hartmann, Heinz: Amerikanische Firmen in Deutschland. Beobachtungen über Kontakte und Kontraste zwischen Industriegesellschaften, Köln/Opladen 1963, S. 83 – 89. 32 Vgl. Kleinschmidt, Christian: Der produktive Blick. Wahrnehmung amerikanischer und japanischer Management- und Produktionsmethoden durch deutsche Unternehmer 1950 – 1985, Berlin 2002 (Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte Beiheft 1), S. 308 – 312; Wellhöner, Volker: „Wirtschaftswunder“ – Weltmarkt – westdeutscher Fordismus. Der Fall Volkswagen, Münster 1996 (Theorie und Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft 12), S. 307. 33 Busch, S. 197; Jürgensen, H./Berg, H.: Die amerikanische Herausforderung – ein Papiertiger?; in: Wirtschaftsdienst 48 (1968, 5), S. 255 – 261. 34 Beckmann, Nils: Käfer, Goggos, Heckflossen. Eine retrospektive Studie über die westdeutschen Automobilmärkte in den Jahren der beginnenden Massenmotorisierung, Vaihingen 2006, S. 19 f. 35 Tilly, Stephanie/Ziegler, Dieter: Einleitung, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte. Automobilwirtschaft nach 1945: Vom Verkäufer- zum Käufermarkt? (2010, 1), S. 12 f.

5. Stand der Forschung und Quellenlage

29

risierung aufmerksam.36 Ingo Köhler identifizierte die umweltpolitischen Vorgaben seit Beginn der sechziger Jahre als wichtige Anreize für die Produktpolitik deutscher Hersteller.37 Stephanie Tilly und Florian Triebel veröffentlichten zuletzt einen Sammelband zur Geschichte der Automobilindustrie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Darin ordneten sie die in diesem Band enthaltenen Fallstudien zu Wachstum und Konjunktur der deutschen und internationalen Automobilindustrie sowie zu den industriellen Beziehungen innerhalb der Branche und zur Kulturgeschichte des Autos ein in einen langfristigen Transformationsprozess der gesamten Automobilindustrie hin zu einer stärkeren Automation und Konzentration der Produktion.38 Zur Geschichte von BMW, Daimler-Benz und dem Volkswagenwerk liegen Veröffentlichungen mit unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten vor. Jürgen Seidl fragte nach dem Einfluss des Staates auf die Geschäftspolitik von BMW und lieferte dabei eine detailreiche Darstellung der Unternehmensfinanzierung.39 Seidls Kritikern ist allerdings darin zuzustimmen, dass er die Entwicklung des Unternehmens hauptsächlich aus der Sicht der Geschäftsleitung schildert und zentrale Konflikte entweder gar nicht oder nur am Rande erwähnt. Seine Arbeit ließ zudem eine durchgängige Theoretisierung des Untersuchungsgegenstandes vermissen.40 Florian Triebel analysierte die Unternehmenskrise bei BMW in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre und führte die Ursachen für die Krise auf eine mangelnde Marktorientierung des Unternehmens zurück.41 Über Daimler-Benz liegt eine Reihe von durch das Unternehmen selbst in Auftrag gegebenen Unternehmensgeschichten vor, die aber bei der Analyse interner Auseinandersetzungen den Unzulänglichkeiten einer offiziellen Unternehmensgeschichte verhaftet bleiben. So werden heikle innerbetriebliche Konflikte entweder ganz oder teilweise ausgeblendet und die Frage nach der Bedeutung des Rüs-

36 Kopper, Christopher: Der Durchbruch des PKW zum Massenkonsumgut 1950 – 1964, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte. Automobilwirtschaft nach 1945: Vom Verkäufer- zum Käufermarkt? (2010, 1), S. 35 f. 37 Köhler, Ingo: „Small Car Blues“. Die Produktpolitik US-amerikanischer und deutscher Automobilhersteller unter dem Einfluss umweltpolitischer Vorgaben, 1960 – 1980, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte. Automobilwirtschaft nach 1945: Vom Verkäufer- zum Käufermarkt? (2010, 1), S. 135. 38 Tilly, Stephanie, Automobilindustrie, 2013. 39 Seidl, Jürgen: Die Bayerischen Motorenwerke (BMW) 1945 – 1969. Staatlicher Rahmen und unternehmerisches Handeln, München 2002 (Schriftenreihe zur Bayerischen Landesgeschichte 130), S. 4. 40 Für eine ausführliche Rezension siehe: Del Fabbro, René: J. Seidl: Die Bayerischen Motorenwerke, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/id=2176&count=8&recno= 6&type=rezbuecher&sort=datum&order=down&search=seidl, 2006 – 08 – 17. 41 Triebel, Florian: Vom „Marketingloch“ zur Wiederentdeckung der sportlichen Mittelklasse – vom Produktionsregime zur Marktorientierung bei BMW, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte (2010, 1), S. 60 – 62.

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I. Einleitung

tungsgeschäfts für die Automobilherstellung gar nicht erst gestellt.42 Die Dissertation von Michael Ehrmann setzte sich vor allem mit der technikhistorischen Entwicklung der Produktion im Werk Sindelfingen auseinander, wobei der Schwerpunkt der Arbeit auf der Zeit vor 1945 liegt, sodass Ehrmann die Finanzierungsstruktur des Unternehmens während der fünfziger Jahre eher beiläufig behandelte.43 Elfriede Grunow-Osswald ging der Frage nach, inwieweit die Wirtschaftskrisen der Jahre 1966/67 sowie 1973/74 Zäsuren in der Unternehmensgeschichte von Daimler-Benz darstellen. Sie kam zu dem Schluss, dass nicht die Krisen eine Veränderung der Unternehmensstrategie bewirkten, sondern vielmehr die zu Beginn der sechziger Jahre einsetzende Liberalisierung des internationalen Handels eine Strategie hervorbrachte, die das Unternehmen auch in den Krisenphasen weiterverfolgte.44 Das Volkswagenwerk hat eine größere Beachtung der geschichtswissenschaftlichen Forschung gefunden. Bereits 1960 erschien ein Aufsatz von Paul Kluke über Hitler und das Volkswagenprojekt. Darin vertrat Kluke die These, das Volkswagenprojekt sei ein Modellfall nationalsozialistischer Verführungskünste.45 Auf einer wesentlich besseren empirischen Basis legten Hans Mommsen und Manfred Grieger 1996 für die Zeit bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs eine umfassende Analyse über die Arbeitsbedingungen im Volkswagenwerk und den Einsatz von Zwangsarbeitern vor.46 Die ersten geschichtswissenschaftlichen Arbeiten, die auf der Analyse von Quellen aus der Nachkriegszeit beruhen, erschienen Anfang der 1990er Jahre. Simon Reich beschäftigte sich 1990 am Beispiel des Volkswagenwerks mit der von Mancur Olson aufgestellten These, dass der wirtschaftliche Wiederaufstieg Westdeutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg auf den radikalen Bruch mit der politischen Ökonomie des Deutschen Reiches zurückzuführen sei. Dabei zog Reich den Schluss, dass die Geschichte des Volkswagenwerks die These von Olsen nicht stützt, sondern dass die wirtschaftliche Prosperität Westdeutschlands in der Nachkriegszeit teilweise mit den Überresten einer staatlichen Ideologie und institutionellen Strukturen erklärt werden kann, die zuerst von den Nationalsozialisten umgesetzt wurden.47 Auch Steven Tolliday beschäftigte sich 1995 mit der von Mancur Olson 42 Feldenkirchen, Wilfried: Herz des Automobils – 100 Jahre DaimlerChrysler Werk Untertürkheim 1904 – 2004, Stuttgart 2004; Feldenkirchen, Wilfried: „Vom Guten das Beste“. Von Daimler und Benz zur DaimlerChrysler AG, München 2003; Kruk, Max/Lingnau, Gerold: 100 Jahre Daimler-Benz. Das Unternehmen, Mainz 1986. 43 Ehrmann, Michael: Die Geschichte des Werkes Sindelfingen der Daimler-MotorenGesellschaft und der Daimler-Benz AG, Diss., Stuttgart 1998, S. 5 – 11. 44 Osswald-Grunow, Elfriede: Wirtschaftskrisen – Wendepunkte für den Konzern? Daimler-Benz 1965 – 1980, in: Tilly, Stephanie/Triebel, Florian (Hg.): Automobilindustrie 1945 – 2000. Eine Schlüsselindustrie zwischen Boom und Krise, München 2013 (Perspektiven. Schriftenreihe der BMW Group – Konzernarchiv Bd. 5), S. 110. 45 Kluke, Paul: Hitler und das Volkswagenprojekt, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 8 (1960, 4), S. 341 – 383. 46 Grieger, Manfred/Mommsen, Hans: Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich, Düsseldorf 1996. 47 Reich, 1990.

5. Stand der Forschung und Quellenlage

31

aufgestellten These. Tolliday räumte zwar ein, dass die nationalsozialistische Politik entscheidend war für die hohe industrielle Substanz, mit der das Volkswagenwerk in die Nachkriegszeit startete. Er argumentierte jedoch, dass sich die Thesen von Reich und auch Abelshauser, eine neo-korporatistische Wirtschaftspolitik sei der Schlüssel zum wirtschaftlichen Wiederaufstieg nach dem Krieg gewesen, für das Volkswagenwerk nicht nachweisen lassen.48 Volker Wellhöner zeigte am Beispiel des Volkswagenwerks, wie sich die „fordistische Transformation des westdeutschen Automobilsektors“ vollzog.49 In den Jahren 2002 und 2003 erschienen mit Heidrun Edelmanns Biographie des langjährigen Generaldirektors des Volkswagenwerkes Heinz Nordhoff und der Habilitationsschrift von Rainer Nicolaysen zur Geschichte der Volkswagenstiftung weitere quellenbasierte Monographien zur Geschichte des Volkswagenwerks in der Nachkriegszeit.50 Nicolaysen lieferte eine sehr detaillierte Analyse der Interessenkonflikte der beteiligten Akteure aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft um das Eigentum am Volkswagenwerk, die schließlich zu der Privatisierung des Unternehmens und zu der Gründung der Volkswagenstiftung führten. Doch sowohl Edelmann als auch Nicolaysen lassen wesentliche und für die Finanzierungstruktur relevante Ereignisse unberücksichtigt, wie z. B. die Kapitalerhöhung des Jahres 1959. In jüngster Zeit hat sich Bernhard Rieger mit dem juristischen Prozess um die Volkswagensparer in der Nachkriegszeit beschäftigt und dabei nicht nur wertvolle Details über den Ablauf der juristischen Auseinandersetzung aufgezeigt, sondern auch darauf hingewiesen, wie sehr die juristische Aufarbeitung eingebettet war in die übergreifende gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit.51 In einer zwei Jahre später erschienenen Monographie erklärte Rieger den globalen Markterfolg des VW-Käfers mit der chamäleonartigen Anpassungsfähigkeit des Produktes an die kulturellen Besonderheiten der internationalen Märkte.52

48 Tolliday, Stephen: Enterprise and State in the West German Wirtschaftswunder: Volkswagen and the Automobile Industry, 1939 – 1969, in: Business History Review 69 (1995), S. 347. 49 Wellhöner, „Wirtschaftswunder“. 50 Edelmann, Heidrun: Heinz Nordhoff und Volkswagen. Ein deutscher Unternehmer im amerikanischen Jahrhundert, Göttingen 2003; Nicolaysen, Rainer: Der lange Weg zur VolkswagenStiftung. Eine Gründungsgeschichte im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, Göttingen 2002. 51 Rieger, Bernhard: Schulden der Vergangenheit? Der Mammutprozess der Volkswagensparer 1949 – 1961, in: ders./Kießling, Friedrich (Hg.): Mit dem Wandel leben: Neuorientierung und Tradition in der Bundesrepublik der 1950er und 1960er Jahre, Böhlau, Köln 2011, S. 185 – 208. 52 Rieger, Bernhard: The people’s car. A global history of the Volkswagen Beetle, Cambridge/London 2013.

32

I. Einleitung

Die genannten Arbeiten haben die Gemeinsamkeit, dass sie die Finanzierungsstruktur der jeweiligen Unternehmen ausschließlich vor dem Hintergrund ihrer jeweils originären Fragestellungen behandelten und wichtige Aspekte, die im Rahmen einer finanzwirtschaftlichen Analyse im Mittelpunkt des Interesses stehen müssten, entweder nur oberflächlich streiften oder gar ausließen. Eine systematisch vergleichende geschichtswissenschaftliche Analyse der Finanzierungsstruktur in der westdeutschen Automobilindustrie in der Nachkriegszeit ist bisher nicht erschienen. Dieses Desiderat der Forschung will die vorliegende Arbeit adressieren. Dazu werden neben der bisher erschienenen wissenschaftlichen Literatur und der zeitgenössischen medialen Berichterstattung die Wirtschaftsgesetze des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes und der Bundesrepublik Deutschland, Plenarsitzungsprotokolle des Deutschen Bundestages, die Jahresabschlüsse der BMW AG, der Daimler-Benz AG und der Volkswagenwerk AG (bis 1959 Volkswagenwerk GmbH) sowie ausgewählte Quellen aus den Unternehmensarchiven von BMW und Daimler-Benz und aus dem Bundesarchiv herangezogen. Die Auswertung der zeitgenössischen Berichterstattung umfasst die Jahrgänge 1948 bis 1965 der Zeitschriften Automobilwirtschaft, Das Wertpapier, Der Volkswirt, Der Spiegel, Die Zeit, Die Weltwirtschaft und Wirtschaftsdienst. Die Aussagekraft dieser Zeitschriften ist insofern begrenzt, als den Verfassern der ausgewerteten Texte in der Regel nicht mehr als die durch die Unternehmen veröffentlichten Informationen zur Verfügung standen. Allerdings fällt bei einem Abgleich der Berichterstattung des Spiegels mit den verwendeten Quellen aus den Unternehmensarchiven auf, dass Der Spiegel in der Regel sehr gut unterrichtet war und über nicht veröffentliche Informationen verfügt haben muss. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass die Berichte des Magazins Der Spiegel wahrscheinlich der historischen Wirklichkeit am nächsten sind und am ehesten dazu geeignet sind, Fragestellungen zu beantworten, auf welche die verwendeten Quellen keine eindeutigen Antworten geben. Die für den Untersuchungsgegenstand zentralen gesetzgeberischen Maßnahmen umfassen die Preisgesetzgebung, die Gesetze zu Währungsreform, Lastenausgleich, Investitionshilfe, Kriegsfolgen, zur Regulierung des Kapital- und Kraftfahrzeugmarktes und der Unternehmensbesteuerung sowie die Gesetze zur Privatisierung der Volkswagenwerk GmbH. Um die Wirkung übergreifender politischer Herausforderungen in der Bundesrepublik Deutschland auf die Finanzierungsstruktur in der deutschen Automobilindustrie deutlich zu machen, wurden zusätzlich die Plenarsitzungsprotokolle des Deutschen Bundestages zur kleinen Aktienrechtsreform des Jahres 1959 ausgewertet. Bei der Auswertung der Jahresabschlüsse der Unternehmen gilt es zu beachten, dass die stichtagsbezogene Betrachtung zum 31. Dezember und die großen handelsrechtlichen Spielräume bei der Bewertung des Vermögens, der Rückstellungen und der Abschreibungen nicht immer die tatsächliche finanzielle Situation des

5. Stand der Forschung und Quellenlage

33

Unternehmens anzeigen.53 Bei der Erstellung der Handelsbilanz stand in der Regel die Frage nach der Höhe der Dividende im Vordergrund und es liegt nahe, dass die Geschäftsleitung den ausgewiesenen Gewinn im Rahmen des handelsrechtlichen Spielraums so manipulierte, „daß (sic!) er möglichst nahe an den Betrag herankommt, den man ausschütten möchte“.54 Bei BMW und Daimler-Benz kommt erschwerend hinzu, dass die Bilanzen nicht allein das geschäftliche Ergebnis der Kraftfahrzeugproduktion ausweisen, sondern auch das anderer Geschäftsfelder. Dem wird insofern Rechnung getragen, als die durch diese Geschäftsfelder verursachten Kapitalflüsse gesondert bewertet werden, sofern sie anhand der Literatur, der Geschäftsberichte oder der Quellen aus den Unternehmensarchiven bestimmt werden können. Die Aussagekraft der handelsrechtlichen Bilanzen wird indes wesentlich erhöht, indem aus ihnen die Cashflows zwischen 18 aufeinander folgenden Bilanzstichtagen miteinander verglichen werden und so langfristige Trends identifiziert und teilweise auch die Auflösung der in Vorjahren gebildeten stillen Reserven aufgezeigt werden können. Für BMW konnten die Protokolle der Aufsichtsratssitzungen von 1952 bis 1964, die Protokolle der Vorstandssitzungen der Jahre 1957, 1960, 1964 und 1965 eingesehen werden sowie diverse Handakten einzelner Vorstandsmitglieder. Aus dem Unternehmensarchiv der Daimler AG konnten die Protokolle der Aufsichtsratssitzungen von 1947 bis 1964 und die Protokolle der Präsidiumssitzungen mit Ausnahme der Jahre 1949, 1951, 1952, 1956 und 1965 eingesehen werden. Für das Volkswagenwerk wurde die Online Edition der Kabinettsprotokolle der Bundesregierung des Bundesarchives ausgewertet. Diesen Quellen ist gemeinsam, dass darin in der Regel die konkurrierenden Interessen der Akteure nicht explizit formuliert sind. Die Sitzungsprotokolle dienten neben der verbindlichen Dokumentation von Gremienentscheidungen auch der rechtlichen bzw. politischen Risikoabsicherung der Sitzungsteilnehmer und bedürfen daher der Interpretation unter Berücksichtigung des aus den übrigen Quellen recherchierten historischen Kontexts. Trotz der spezifischen Lücken und Unzulänglichkeiten der jeweils einzelnen Quellen ist das ausgewertete Material durch einen systematischen Vergleich der Quellen miteinander und mit der bereits erschienenen Forschungsliteratur sowie durch die Anwendung quantitativer betriebswirtschaftlicher Analysemethoden hinreichend dazu geeignet, die zentralen Thesen der vorliegenden Arbeit empirisch zu überprüfen.

53

Vgl. Spoerer, Mark: „Wahre Bilanzen!“ Die Steuerbilanz als unternehmenshistorische Quelle, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 40 (1995, 2), S. 159 – 162. 54 Goetze, P.: Zum Problem der Bilanzwahrheit, in: Deutsche Volkswirtschaft 7 (1938), S. 963.

II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen 1. Kriegsschäden- und Kriegsfolgenbeseitigung a) Reparationen und Demontagen Die Regierungen Großbritanniens, der Sowjetunion sowie der Vereinigten Staaten von Amerika vereinbarten im Februar 1945 während der Konferenz von Jalta, dass Deutschland nach der zu erwartenden militärischen Niederlage als Wiedergutmachung für entstandene Schäden Reparationen in Form von Sachleistungen an die Siegermächte zu leisten habe.1 Das Potsdamer Abkommen vom Sommer desselben Jahres präzisierte die Bedingungen, unter denen Deutschland Reparationen leisten sollte. Die Sowjetunion sollte ihren Reparationsanspruch aus der sowjetischen Besatzungszone befriedigen und zusätzlich 25 Prozent der industriellen Ausrüstung aus den Westzonen erhalten, die für die Friedenswirtschaft nicht benötigt wurde. Davon sollten 60 Prozent von der Sowjetunion durch Lieferung von Nahrungsmitteln und anderen Waren bezahlt werden, während 40 Prozent dem sowjetischen Reparationskonto unentgeltlich gutgeschrieben werden sollten. Die Reparationsansprüche der westlichen Siegermächte sollten aus den westlichen Besatzungszonen befriedigt werden. Dafür wurde vereinbart, dass der Umfang dieser Reparationen innerhalb von 6 Monaten feststehen müsse. Die Entscheidung über Umfang und Art der für die Friedenswirtschaft unnötigen und damit den Reparationen unterliegenden Anlagen sollte durch den Alliierten Kontrollrat getroffen werden. Die endgültige Entscheidung sollte jedoch dem jeweiligen alliierten Oberbefehlshaber der jeweiligen Zone überlassen bleiben.2 Die Verhandlungen im Kontrollrat resultierten schließlich im Ersten Industrieplan vom März 1946, der Höchstgrenzen für Fertigungskapazitäten einzelner Branchen sowie eine Liste zu demontierender und für Reparationen in Frage kommender Betriebe enthielt. Bereits Ende 1945 hatten sich die Länder mit Reparationsansprüchen an Deutschland auf Quoten geeinigt, nach denen das gesamte Reparationsaufkommen verteilt werden sollte, sowie auf ein formelles Verfahren, das von der Interallied Reparations Agency (IARA) in Brüssel geleitet werden sollte.3 Bis zum Anlauf der von der IARA überwachten Demontagen kam es zu sogenannten Vorentnahmen, die unilateral und größtenteils unsystematisch vor1

Abelshauser, S. 75. Mitteilung über die Drei-Mächte-Konferenz von Berlin („Potsdamer Abkommen“), in: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Ergänzungsblatt Nr. 1, S. 13 – 20. 3 Final Act of the Paris Conference on Reparation with annex (Paris 21st December 1945). London: His Majesty’s Stationery Office, 1946. 18 p. (Miscellaneous N81 (1946)). 2

1. Kriegsschäden- und Kriegsfolgenbeseitigung

35

genommen wurden.4 Vor dem Hintergrund der amerikanischen Stabilisierungspolitik für Europa wurde der Demontageumfang sukzessive gesenkt. Während der erste Industrieplan von 1946 noch 1.800 zu demontierende Industrieanlagen für alle Besatzungszonen aufzählte, senkten die Amerikaner und Briten diese Zahl für ihre Besatzungszonen im revidierten Industrieplan von 1947 auf nur noch 858. Das Petersberger Abkommen von 1949 leitete schließlich das Ende der Demontagen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Demontagen lässt sich nur schwer einschätzen, da eine annähernd verlässliche Bestimmung der Marktwerte aller demontierten Anlagen bislang nicht vorliegt. In den folgenden Kapiteln zu einzelnen Automobilherstellern soll daher versucht werden, den Umfang und die qualitative Bedeutung von Demontagen auf der Ebene der behandelten Betriebe zu rekonstruieren.

b) European Recovery Plan Im März 1948 verabschiedete der Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika den European Cooperation Act. Darin legten die Vereinigten Staaten die Ziele und die Funktionsweise des European Recovery Plan (ERP) fest. Der ERP sollte durch Wirtschaftshilfen an alle europäischen Staaten zu wirtschaftlicher Stabilität in Europa beitragen und eine liberale Weltwirtschaftsordnung fördern. Der Plan sah vor, dass eine dem Präsidenten der Vereinigten Staaten unterstellte Behörde – die Economic Cooperation Administration (ECA) – in den Vereinigten Staaten Wirtschaftsgüter ankaufen und in Europa verkaufen sollte. Die Besonderheit des Plans bestand darin, dass die europäischen Käufer den Kaufpreis nicht in US-Dollar an den Verkäufer, sondern in der jeweils nationalen Währung in sogenannte Gegenwertfonds einzahlten, über welche die Regierungen des importierenden Landes verfügen konnten. Der Wert der jeweiligen Einfuhr wurde dann dem ERP-Konto des Staates belastet. Für Westdeutschland war vereinbart worden, dass die Mittel aus den Gegenwertfonds zur Finanzierung von Investitionen in Engpassbereichen des Wiederaufbaus einzusetzen seien und Deutschland die auf diesem Konto aufgelaufenen Verpflichtungen nach dem Ende des ERP an die Vereinigten Staaten zurückzahlen solle. Jedes Finanzierungsprojekt stand unter dem Genehmigungsvorbehalt der Vereinigten Staaten. Die ersten Auszahlungen für Investitionen begannen 1949 und erreichten bis zum Auslaufen des ERP 1952 insgesamt durchschnittlich 5,5 Prozent der deutschen Bruttoanlageinvestitionen in demselben Zeitraum. Die Gelder flossen schwerpunktmäßig in den Bergbau, die Bundesbahn sowie in den Energiesektor und nach der Koreakrise vor allem in die Stahl- und Eisenindustrie.

4

Abelshauser, S. 80.

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II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

c) Währungsreform und Preisgesetz So erheblich wie das Ausmaß der durch den Zweiten Weltkrieg verursachten Schäden war, so unterschiedlich waren auch die Art und die Verteilung der Schäden, von denen Deutschland betroffen war. Fast 8 Millionen Deutsche hatten durch den Krieg ihr Leben verloren. Durch unmittelbare Kriegshandlungen oder durch Flucht, Vertreibung, Demontagen und Reparationen der Siegermächte hatten viele deutsche Bürger ihr Vermögen und damit teilweise sogar ihre Existenzgrundlage verloren, während andere Vermögen hingegen den Krieg nahezu unbeschadet überstanden hatten. Dazu kam ein massiver Vertrauensverlust in die Reichsmark, der den Wiederaufbau der Wirtschaft erheblich erschwerte. Vor diesem Hintergrund sprach vieles dafür, die Währungsreform mit einem Lastenausgleich zu verbinden, um die volkswirtschaftlichen und sozialen Kosten des Krieges gleichmäßig zu verteilen. Dazu kam es allerdings nicht, denn die Militärregierung für Deutschland wollte den Erfolg der Währungsreform nicht durch langwierige Diskussionen über einen gerechten Lastenausgleich gefährden.5 Die Währungsreform erfolgte daher im Sommer 1948 vor der gesetzlich verbindlichen Regelung zum Lastenausgleich 1952. In der Zwischenzeit sollte das Soforthilfegesetz von 1949 die größten sozialen Nöte abmildern. Die Finanzierungsstrukturen in der Automobilindustrie waren insoweit von Währungsreform und Lastenausgleich betroffen, als die Währungsreform eine Neubewertung des betrieblichen Vermögens erforderte und der Lastenausgleich zu einer Quasi-Besteuerung des betrieblichen Einkommens führte. Das Deutsche Reich hatte die Kriegführung im Wesentlichen mit einer Ausweitung der Geldmenge finanziert und die Inflation während des Krieges durch Preiskontrollen und Rationierungen auf einem niedrigen Niveau gehalten. Diese „geräuschlose“ Art der Kriegsfinanzierung führte zu einem Inflationsstau, der sich nach dem Ende des Krieges in Form eines unüberwindlichen Misstrauens gegenüber der Reichsmark entlud. Die Folgen waren geringe industrielle Produktivität, das Horten von Lagerbeständen, ein blühender Schwarzmarkt sowie weitverbreitete Kompensationsgeschäfte.6 Die grundlegenden Voraussetzungen für die Rückkehr zu einer funktionierenden Marktwirtschaft schuf die Militärregierung für Deutschland im Sommer 1948, als sie am 21. Juni die Reichsmark als allein gültiges Zahlungsmittel durch die Deutsche Mark ablöste.7

5 Abelshauser, S. 332; Erstes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Währungsgesetz) vom 20. 06. 1948, in: Beilage Nr. 5 zum Gesetzes- und Verordnungsblatt der Verwaltung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (1948), S. 1. 6 Vgl. Buchheim, Christoph: Die Währungsreform 1948 in Westdeutschland, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 36 (1988, 2), S. 191 – 198. 7 Erstes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Währungsgesetz) vom 20. 06. 1948, in: Beilage Nr. 5 zum Gesetzes- und Verordnungsblatt der Verwaltung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (1948), S. 1.

1. Kriegsschäden- und Kriegsfolgenbeseitigung

37

Das Währungsgesetz verpflichtete alle Unternehmen dazu, ihre Altgeldbestände innerhalb einer Woche bei den gesetzlichen Umtauschstellen auf einem ReichsmarkAbwicklungskonto anzumelden, um ihre Ansprüche aus den alten Reichsmarkbeständen zu wahren.8 Die Unternehmen konnten in Anrechnung auf ihre späteren Ansprüche bei den Banken als Übergangshilfe einen sogenannten Geschäftsbetrag in Deutscher Mark beantragen. Dieser betrug 60 DM pro Arbeitnehmer und war begrenzt auf einen Umtauschkurs von 1:1 des Reichsmarkguthabens. Die auf dem Abwicklungskonto gutgeschriebenen Reichsmarkbestände wurden im Falle privatwirtschaftlicher Unternehmen im Verhältnis von 10:1 in DM umgetauscht. Die eine Hälfte des DM-Guthabens war sofort frei verfügbar, während die andere Hälfte auf einem Festkonto gesperrt war.9 Im Oktober 1948 wurden 7 Zehntel der gesperrten Guthaben von der Militärregierung für gestrichen erklärt, 2 Zehntel waren frei verfügbar und 1 Zehntel wurde bis 1954 einem Anlagekonto gutgeschrieben.10 Die privatwirtschaftlichen Reichsmarkguthaben wurden dadurch in einem Verhältnis von 100:6,5 in DM umgestellt. Reichsmarkschulden wurden in einem Verhältnis von 10 Reichsmark zu 1 DM umgetauscht. Davon ausgenommen waren die Schulden des Reiches und öffentlicher Unternehmen wie der Post oder der Bahn. Diese wurden erst 1957 durch das Kriegsfolgengesetz allgemein für erloschen erklärt.11 Löhne und Gehälter, Mieten, Pachtzinsen, Renten, Pensionen und andere wiederkehrende Leistungen wurden hingegen in einem Verhältnis von 1:1 umgestellt.12 Das Gesetz zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich vom September 1948 regelte die Umstellung von Grundschulden von Reichsmark in Deutsche Mark. Grundschulden wurden im Verhältnis 10:1 umgestellt. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem ursprünglichen Reichsmarkbetrag der Grundschuld und dem umgestellten Betrag in Deutscher Mark wurde durch das Gesetz zu einer 8 Erstes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Währungsgesetz) vom 20. 06. 1948, in: Beilage Nr. 5 zum Gesetzes- und Verordnungsblatt der Verwaltung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (1948), S. 3 f. 9 Drittes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Umstellungsgesetz) vom 20. 06. 1948, in: Beilage Nr. 5 zum Gesetzes- und Verordnungsblatt der Verwaltung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (1948), S. 13 f. 10 Viertes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Ergänzung zum Umstellungsgesetz) vom 04. 10. 1948, in: Beilage Nr. 1 zum Gesetzes- und Verordnungsblatt der Verwaltung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (1949), S. 15. 11 Gesetz zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden (Allgemeines Kriegsfolgengesetz). Vom 5. November 1957, in: BGBl. 1957, S. 1749. 12 Drittes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Umstellungsgesetz) vom 20. 06. 1948, in: Beilage Nr. 5 zum Gesetzes- und Verordnungsblatt der Verwaltung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (1948), S. 16; Die Währungsreform reduzierte den Reichsmarkbestand um knapp 94 Prozent: Abelshauser, S. 125; Häuser, Karl: Gründung der Bank deutscher Länder und Währungsreform, in: Pohl, Hans (Hg.): Geschichte der deutschen Kreditwirtschaft seit 1945, Frankfurt am Main 1998, S. 47; Thomes, S. 43 f.

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II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Verbindlichkeit des Schuldners gegenüber dem Staat erklärt, der die auf diese Weise vereinnahmten Gelder treuhänderisch zu verwalten habe. Das Dritte Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens sah vor, dass diese Schuldnergewinne zur Finanzierung des Lastenausgleichs herangezogen werden sollten.13 Das Bundesverfassungsgericht wies 1952 eine Klage gegen die Unrechtmäßigkeit dieser Währungsumstellungsgrundschulden ab. Das zeitgleich mit dem Währungsgesetz erlassene Umstellungsgesetz sah ein Leistungsverweigerungsrecht für Schuldner vor. Demzufolge konnten Schuldner die Leistung an Vorlieferanten verweigern, wenn sie selbst unbefriedigte Forderungen gegenüber dem Deutschen Reich hatten.14 Eine weitere sehr wesentliche gesetzgeberische Maßnahme, die mit der Währungsreform einherging, war die Aufhebung der gesetzlich festgelegten Preise für die meisten Waren und Dienstleistungen. Mit Erlass des Preisgesetzes von 1948 nahm der Verwaltungsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes die Automobilindustrie von der Bindung an gesetzlich festgelegte Preise aus. Die Unternehmen der Automobilindustrie konnten daher mit Beginn der Währungsreform die Preise für ihre Produkte selbstständig festlegen.15 Nach der Währungsreform verging noch ein Jahr, bis der Wirtschaftsrat der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes im August 1949 das D-Markbilanzgesetz verabschiedete. Dieses Gesetz regelte die Aufstellung der Eröffnungsbilanzen deutscher Kaufleute in Deutscher Mark sowie die Neufestsetzung des Eigenkapitals. Grundsätzlich war vorgesehen, dass die Höhe des Eigenkapitals dem Unterschiedsbetrag aus Vermögenswerten und Verbindlichkeiten zum Stichtag 21. Juni 1948 zu entsprechen habe.16 Insbesondere bei der Bewertung des beweglichen Anlagevermögens erlaubte der Gesetzgeber den Unternehmen eine große Bewertungsfreiheit, indem er lediglich gesetzliche Höchstwerte festlegte. Der Höchstwert war der niedrigere Neuwert aus den Stichtagen 31. August 1948 und 31. August 1949. Bereits der Begriff „Neuwert“ ermöglichte einigen Interpretationsspielraum. Zusätzlichen Freiraum ermöglichte die Vorschrift, dass der Wertansatz die bisherige Nutzungsdauer berücksichtigen solle. Bei Vermögensgegenständen, bei denen die tatsächliche Nutzungsdauer der betriebsgewöhnlichen Nut13 Gesetz zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich, in: Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets vom 2. September 1948, S. 87. 14 Drittes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Umstellungsgesetz) vom 20. 06. 1948, in: Beilage Nr. 5 zum Gesetzes- und Verordnungsblatt der Verwaltung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (1948), S. 17 f. 15 Gesetz über Leitsätze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform vom 24. Juni 1948, in: Gesetzesblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1948, S. 68 f.; Anordnung über Preisbildung und Preisüberwachung nach der Währungsreform. Vom 25. Januar 1948, in: Gesetzesblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1948, S. 69 f. 16 D-Markbilanzgesetz vom 21. 08. 1949, in: Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, S. 283 f.

1. Kriegsschäden- und Kriegsfolgenbeseitigung

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zungsdauer entsprach, konnte höchstens ein Drittel des Neuwerts angesetzt werden. War die tatsächliche Nutzungsdauer geringer als die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer, musste der Vermögenswert mit mindestens einem Drittel des Neuwerts angesetzt werden. Wahlweise konnte dieser Wertansatz für jedes Jahr der verbliebenen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer um einen Betrag erhöht werden, der zwei Dritteln des Neuwerts geteilt durch die Anzahl der verbliebenen Jahre der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer entsprach. Hatte die tatsächliche Nutzungsdauer eines Vermögenswertes die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer bereits überschritten, war der Vermögenswert mit einem Drittel des Neuwertes abzüglich eines „angemessenen“ Abschlages anzusetzen. Grundstücke waren mit den zuletzt festgestellten steuerlichen Einheitswerten, vermindert um Kriegsschäden, anzusetzen. Für die Umstellung der Verbindlichkeiten galten grundsätzlich die Regelungen des Umstellungsgesetzes.17 Bei der Ausübung dieser Bewertungsfreiheiten hatten die Unternehmen verschiedene und teils gegensätzliche finanzwirtschaftliche Überlegungen miteinander in Einklang zu bringen. Ein möglichst hoher Wertansatz beim Anlagevermögen ermöglichte durch die gewinnmindernde Wirkung hoher Abschreibungen in Folgejahren eine Senkung der Steuern auf das Einkommen. Andererseits hätte eine sehr hohe Bewertung des Anlagevermögens zu einem höheren Nettovermögen und damit zu einer höheren Bemessungsgrundlage für Steuern auf das Vermögen sowie zu höheren Abgaben für die Soforthilfe geführt.18 Die Tatsache, dass die Frist für die Feststellung der Eröffnungsbilanz für Kapitalgesellschaften vor der finalen Verabschiedung des Lastenausgleichgesetzes lag, erschwerte den Unternehmen diese Abwägung zusätzlich. Denn zum Zeitpunkt der Vermögensbewertung war noch nicht klar, wie die zu erwartenden Abgaben im Rahmen des Lastenausgleichs schließlich ausgestaltet sein würden. Ein weiteres wichtiges Kriterium für die Bewertung war die Herstellung einer angemessenen Eigenkapitalquote, um gegenüber dem Kapitalmarkt sowie Geschäftspartnern als finanziell solide gelten zu dürfen. Die Währungsreform und das D-Markbilanzgesetz bestimmten somit die Bedingungen, unter denen alle westdeutschen Unternehmen ihr Vermögen in die DMÄra überführen mussten. Die gesetzliche vorgeschriebene starke Abwertung von Reichsmarkbeständen im Verhältnis von 100:6,5 und die großen Bewertungsspielräume bei der Bewertung des Sachanlagevermögens führten zu einer Ungleichbehandlung der Unternehmen. Während Unternehmen mit verhältnismäßig hohen Reichsmarkbeständen machtlos mitansehen mussten, wie ihr Geldvermögen weitgehend entwertet wurde, konnten Unternehmen mit verhältnismäßig hohen Sachwerten das Vermögen unter Ausnutzung von großen Bewertungsspielräumen in einem höheren Verhältnis von RM in DM umstellen und anschließend mit diesen 17

D-Markbilanzgesetz vom 21. 08. 1949, in: Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, S. 281 – 283. 18 Vgl. Bornemeyer, Manfred: Die Finanzierung der westdeutschen Industrie über den Kapitalmarkt von 1948 bis 1957, Diss., Bonn 1962, S. 130 – 139.

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II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Sachwerten Cashflows in DM verdienen. Es gilt also festzuhalten, dass die Währungsreform diejenigen Unternehmen bevorzugte, die vor der Währungsreform ihre Reichsmarkbestände und -forderungen weitgehend abgebaut und in Sachwerte investiert hatten.

d) Lastenausgleich Die parlamentarische Beratung über das Lastenausgleichsgesetz dauerte bis in den Sommer 1952. Um bis dahin dennoch besonders gravierende Fälle von kriegsbedingter sozialer Härte abzumildern, erließ der Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebiets bereits 1949 das Soforthilfegesetz, welches Hilfen zum Lebensunterhalt und zum Wohnungsbau für Flüchtlinge, Sach- und Währungsgeschädigte sowie für politisch Verfolgte vorsah. Finanziert wurden die Leistungen durch eine jährliche Abgabe in Höhe von 2 bis 3 Prozent auf land- und forstwirtschaftliche Vermögen, Grundstücke und Betriebsvermögen sowie eine einmalige Sonderabgabe in Höhe von 4 bis 5 Prozent auf das Vorratsvermögen zum Stichtag 21. Juni 1948. Bei der Bewertung der langfristigen Vermögenswerte waren die steuerlichen Einheitswerte und bei dem kurzfristigen Vermögen der Buchwert aus der DM-Eröffnungsbilanz anzusetzen. Dies war insofern ein Entgegenkommen des Staates an die Unternehmen, als die letzte Hauptfeststellung der Einheitswerte (zu damaligen Marktwerten) bereits 14 Jahre zurücklag und die Vermögensansätze daher deutlich unter ihrem Marktwert gelegen haben dürften. Allerdings waren Schulden nicht abzugsfähig.19 Das Lastenausgleichgesetz von 1952 erweiterte schließlich die Ausgleichsleistungen. Finanziert wurden die Leistungen mit einer einmaligen Vermögensabgabe, einer Sonderabgabe auf Hypothekengewinne und einer Abgabe auf Kreditgewinne.20 Die Abgabe auf das Vermögen betrug 50 Prozent des Wertes des steuerrechtlichen Vermögens zu den relativ geringen Einheitswerten vermindert um Freibeträge, selbst erlittene Kriegsschäden sowie bereits gezahlte Soforthilfeabgaben. Zu zahlen war die Vermögensabgabe in vierteljährlichen gleichbleibenden Raten bis 1979. Die Höhe der Rate und der darin enthaltenen Zinskomponente berechnete sich nach Prozentsätzen der Abgabeschuld für einzelne Vermögenswerte.21 Die Vermögensabgabe wirkte daher eher wie eine Vermögenssteuer. Trotz der Verzinsung der Abgabe nahm die reale Abgabenlast angesichts steigender Vermögenserträge bis 1979 stetig ab. Insgesamt kann daher festgehalten werden, dass der Staat bei der 19 Gesetz zur Milderung dringender sozialer Notstände (Soforthilfegesetz), in: Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets, S. 206 – 208. 20 Gesetz über den Lastenausgleich (Lastenausgleichgesetz – LAG), in: BGBl. Teil 1, S. 447. 21 Gesetz über den Lastenausgleich (Lastenausgleichgesetz – LAG), in: BGBl. Teil 1, S. 455 f.

2. Entwicklung der westdeutschen Steuerpolitik

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Gestaltung der Vermögensabgabe für den Lastenausgleich weitgehend Rücksicht auf eine solide Finanzierungsstruktur der Unternehmen nahm.

e) Investitionshilfe Der Deutsche Bundestag verabschiedete im Januar 1952 das Gesetz über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft. Das Gesetz zwang alle deutschen Gewerbebetriebe – von einigen Ausnahmen abgesehen – zum Erwerb von Wertpapieren von Unternehmen des Kohlenbergbaus, der eisenschaffenden Industrie, der Energiewirtschaft sowie der Wasserwirtschaft und des Güterwagenbaus.22 Diese Industriezweige hatten es durch verschiedene Gründe sehr schwer, ihren gewaltigen Investitionsstau am Markt zu finanzieren. Vor dem Hintergrund der verstärkten Rüstungsanstrengungen der westlichen Welt im Zuge des Korea-Krieges hatte sich der Druck der Vereinigten Staaten auf die Bundesrepublik Deutschland erhöht, die Leistungsfähigkeit der für die Rüstung strategisch wichtigen Industrien durch politische Maßnahmen zu erhöhen. Die Investitionshilfe schichtete schließlich 1 Milliarde DM innerhalb der gewerblichen Wirtschaft zugunsten der genannten Industriezweige um.

2. Entwicklung der westdeutschen Steuerpolitik Die Steuergesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland war insofern relevant für die Finanzierungsstrukturen, als jede Steuerabgabe unmittelbar die Selbstfinanzierungskraft der Unternehmen schwächte. Die Unternehmen versuchten daher entweder ihre steuerliche Abgabenlast im Rahmen des gesetzlich Möglichen zu minimieren oder durch Verhandlungen mit dem Staat besondere Steuerbefreiungen außerhalb der normalen gesetzlichen Regeln zu erwirken. Die während des Untersuchungszeitraums erhobenen Bundessteuern waren die Vermögenssteuer, die Umsatzsteuer, die Körperschaftsteuer und das Notopfer Berlin. Von den Bundesländern wurde die Kraftfahrzeugsteuer erhoben. Diese hatte zwar keine unmittelbare Wirkung auf die Finanzierungsstruktur der Automobilhersteller, weil die Steuerpflichtigen die Kraftfahrzeughalter waren. Aber die Höhe und die Struktur der Kraftfahrzeugsteuer trugen durch die Begünstigung bzw. Benachteiligung bestimmter Fahrzeugklassen zur Kaufentscheidung der Konsumenten bei und hatten somit durchaus Einfluss auf die Ertragslage der Hersteller. Die Gemeinden schließlich erhoben die Gewerbesteuer auf den Gewerbeertrag und das Gewerbekapital der Unternehmen. 22 Vgl. Adamsen, Investitionshilfe für die Ruhr. Wiederaufbau, Verbände, Soziale Marktwirtschaft 1948 – 1952, Wuppertal 1981, S. 5 – 10.

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II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

a) Vermögensteuer Die Vermögenssteuer betrug bei Kapitalgesellschaften zunächst jährlich 0,75 Prozent des Nettovermögens des Unternehmens. Das Nettovermögen entsprach dem bilanziell aktivierten Vermögen abzüglich der Schulden. Mit dem Erlass des Lastenausgleichgesetzes wurde zeitgleich die Vermögensteuer auf 1 Prozent des Nettovermögens angehoben und blieb bis zum Ende des Untersuchungszeitraums auf diesem Niveau.23

b) Umsatzsteuer Die Umsatzsteuer wurde während des Untersuchungszeitraums mittels des Allphasenbruttomodells erhoben, das heißt, der Verkaufspreis wurde in jeder Phase des unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsprozesses besteuert. Da sich die Umsatzsteuer mit jedem Zwischenverkauf eines Wirtschaftsgutes kumulierte, wurden Unternehmen mit einer hohen Wertschöpfungstiefe systematisch geringer besteuert als Unternehmen mit einer geringen Wertschöpfungstiefe und wenigen Vorlieferanten. Der Übergang zum Allphasennettomodell, bei dem Unternehmen die von ihnen an die Lieferanten gezahlten Umsatzsteuern von der durch sie zu zahlenden Umsatzsteuer abziehen können, wurde erst 1967 eingeführt.24 Der Umsatzsteuersatz wurde 1951 von 3 auf 4 Prozent erhöht und blieb bis zur Umsatzsteuerreform 1967 auf diesem Niveau.25

c) Körperschaftsteuer Die Körperschaftssteuer war nach der Währungsreform noch verhältnismäßig hoch und auf den ersten Blick einer Förderung der Selbstfinanzierung eher abträglich. Die Alliierte Militärregierung erhob für Kapitalgesellschaften einen Körperschaftssteuersatz in Höhe von 50 Prozent des jährlichen Einkommens.26 Der Deut23 Gesetz der Militärregierung Deutschland Nr. 64 zur vorläufigen Neuordnung von Steuergesetzen vom 22. 06. 1948, in: Beilage Nr. 4 zum Gesetzes- und Verordnungsblatt der Verwaltung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (1948), S. 7; Vermögenssteuergesetz in der Fassung vom 16. 01. 1952, in: BGBl. Teil 1, S. 30; Vermögenssteuergesetz in der Fassung vom 10. 06. 1954, in: BGBl. Teil 1, S. 139; Reichsbewertungsgesetz in der Fassung vom 24. 10. 1934, in: RGBl Nr. 119, S. 1048 f.; Bewertungsgesetz in der Fassung vom 10. Dezember 1965, in: BGBl. Teil 1, S. 1886 f. 24 Vgl. Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer) in der Fassung vom 29. 05. 1967, in: BGBl. Teil 1. 25 Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungssteuergesetzes vom 28. Juni 1951, in: BGBl. Teil 1, S. 402. 26 Gesetz der Militärregierung Deutschland Nr. 64 zur vorläufigen Neuordnung von Steuergesetzen vom 22. 06. 1948 zur vorläufigen Neuordnung von Steuergesetzen vom 22. 06.

2. Entwicklung der westdeutschen Steuerpolitik

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sche Bundestag beschloss 1951 mit der Verabschiedung des Änderungsgesetzes zur Einkommen- und Körperschaftsteuer sogar eine Tariferhöhung auf 60 Prozent.27 Im Jahr 1953 führte der Gesetzgeber neben dem Regelsteuersatz von 60 Prozent zwar einen ermäßigten Steuersatz in Höhe von 30 Prozent ein. Dieser ermäßigte Steuersatz galt jedoch nur anteilig für die ausgeschütteten Gewinne von Kapitalgesellschaften.28 Doch auch in den Folgejahren blieben die Steuersätze vergleichsweise hoch.29 Der Regelsteuersatz wurde zwar 1954 auf 45 Prozent gesenkt, doch im Jahr 1958 erfolgte bereits wieder eine Erhöhung auf 51 Prozent. Auf diesem Niveau blieb der Regelsteuersatz bis über das Ende des Untersuchungszeitraums hinaus. Der ermäßigte Steuersatz wurde im betrachteten Zeitraum nur einmal, nämlich im Jahr 1958, von 30 Prozent auf 15 Prozent geändert.30

d) Notopfer Berlin Die Körperschaftssteuer war nicht die einzige Steuer auf das Einkommen der Unternehmen. Zusätzlich zur Körperschaftssteuer mussten Unternehmen seit 1948 ein sogenanntes „Notopfer Berlin“ an den Bund entrichten. Mit den Einnahmen aus dem Notopfer wollte der Bund den Fehlbetrag im Berliner Landeshaushalt finanzieren und somit ein sichtbares Zeichen der Verbundenheit mit der Stadt Berlin setzen. Die Höhe des Notopfers betrug zunächst 0,4 Prozent des Einkommens. Ergänzt wurde diese Steuer durch eine Besteuerung von Postsendungen in Höhe von 2 Pfennigen pro Postsendung. Ursprünglich sollte das Notopfer Berlin begrenzt sein auf 3 Monate – schließlich wurde es aber bis über das Ende des Untersuchungszeitraums erhoben und schrittweise erhöht.31 Bereits 1949 wurde das Notopfer auf 1,2 Prozent des Einkommens, 1952 auf 3,75 Prozent und 1955 auf 4,09 Prozent 1948, in: Beilage Nr. 4 zum Gesetzes- und Verordnungsblatt der Verwaltung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (1948), S. 7. 27 Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und Körperschaftssteuergesetzes (EStG- und KStG-Änderungsgesetz 1951), in: BGBl. Teil 1, S. 411. 28 Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung vom 24. Juni 1953, in: BGBl. Teil 1, S. 413. 29 Zum Vergleich: Seit 2008 beträgt der Regelsatz der Körperschaftssteuer für Kapitalgesellschaften in der Bundesrepublik Deutschland 15 Prozent. 30 Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. 12. 1954, in: BGBl. Teil 1, S. 373; Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts vom 18. 07. 1958, in: BGBl. Teil 1, S. 473; Körperschaftsteuergesetz in der Fassung vom 13. 10. 1969, in: BGBl. Teil 1, S. 1869. 31 Gesetz zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin“ vom 08. 11. 1948, in: Gesetzes- und Verordnungsblatt der Verwaltung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (1948, 24), S. 118 f. Das Notopfer Berlin wurde bis über das Ende des Untersuchungszeitraums 1966 hinaus durch den Bund erhoben. Änderungsgesetze nach dem Zweiten Änderungsgesetz von 1956 konnten nicht gefunden werden. Steuerliche Einnahmen aus dem Notopfer werden aber noch bis 1969 im Statistischen Jahrbuch aufgeführt. Siehe Statisches Bundesamt (Hg.): Statisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1970, Wiesbaden 1971, S. 382.

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II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

erhöht. Die Abgaben für das Notopfer Berlin wurden bei der Ermittlung des für die Körperschaftsteuer relevanten Einkommens nicht in Abzug gebracht, d. h., das Notopfer wurde tatsächlich in voller Höhe des Steuertarifs zusätzlich zur Körperschaftsteuer an den Bund gezahlt.32

e) Gewerbesteuer Die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer war durch Bundesgesetz festgelegt als eine Steuer auf den Gewerbeertrag, das Gewerbekapital und auf die Lohnsumme der Unternehmen. Die Hebesätze wurden durch die jeweilige Gemeinde festgelegt, in der sich der Gewerbebetrieb befand, und konnten dadurch bundesweit durchaus unterschiedlich ausfallen.33

f) Besteuerung von Kraftfahrzeugen Der Staat besteuerte das Halten von Kraftfahrzeugen, indem bei Motorrädern und PKW der Hubraum und bei LKW das zulässige Gesamtgewicht besteuert wurden. Des Weiteren galten Steuern auf Benzin- und Dieselkraftstoff. Die Steuergesetzgebung des Bundes war derart ausgestaltet, dass sie das Halten kleiner Fahrzeuge mit einer geringen jährlichen Fahrleistung begünstigte. Zu Beginn des Untersuchungszeitraums betrug die Besteuerung pro angefangene 100 ccm Motorhubraum bei Motorrädern und PKW 18 DM.34 Der Bund senkte diesen Tarif 1955 auf rund 14 DM. Gegenfinanziert wurde diese Tarifsenkung durch eine Erhöhung der Mineralölsteuer.35 Bei LKWs wurden bis 1954 alle angefangenen 200 Kilogramm Eigengewicht eines Lastkraftwagens bis zu einem Eigengewicht von 2,4 Tonnen mit 45 DM besteuert. Lastkraftwagen mit einem höheren Eigengewicht 32

Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin“ vom 11. 04. 1949, in: Gesetzes- und Verordnungsblatt der Verwaltung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (1949, 11), S. 57; Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin“ vom 10. 03. 1952, in; BGBl. Teil 1, S. 130; Erstes Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 21. Dezember 1954 (BGBl. Teil 1, S. 441), des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung vom 21. Dezember 1954 (BGBl. Teil 1, S. 467) und des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin“ vom 04. 07. 1955, in: BGBl. Teil 1, S. 386. 33 Gewerbesteuergesetz in der Fassung vom 30. 04. 1952, in: BGBl. Teil 1, S. 271 – 276; Gewerbesteuergesetz in der Fassung vom 25. 05. 1965, in: BGBl. Teil 1, S. 461 – 466. 34 Zur Kritik an der Kfz-Steuer siehe: Behrens, Walter G.: Zur Reform der Kraftfahrzeugsteuer, in: Der Volkswirt 5 (1952, 1), S. 12. 35 Vgl. Stötzle, Johannes: Staat und Automobilindustrie in Deutschland, Diss., Freiburg im Breisgau 1959, S. 98 – 126; Edelmann, Heidrun: Vom Luxusgegenstand zum Gebrauchsgegenstand. Die Geschichte der Verbreitung von Personenkraftwagen in Deutschland, Frankfurt am Main 1989 (Schriftenreihe des Verbands der Automobilindustrie 60), S. 227.

2. Entwicklung der westdeutschen Steuerpolitik

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zahlten darüber hinaus 15 DM pro angefangene 200 Kilogramm. Das Verkehrsfinanzgesetz von 1955 führte eine progressive Besteuerung ein, die nun das Gesamtgewicht besteuerte. Für Lastkraftwagen bis zu einem Gesamtgewicht von 2 Tonnen mussten für alle 200 angefangenen Kilogramm 21 DM gezahlt werden. Mit jeder weiteren Tonne Gesamtgewicht erhöhte sich dieser Betrag um jeweils 1 DM. Während also ein Lastkraftwagen mit einem Gesamtgewicht von 2 Tonnen mit 200 DM besteuert wurde, waren es für einen Zwanzigtonner schon 3.800 DM. Diese Tarife wurden 1960 leicht erhöht.36 Die Kraftfahrzeugsteuer konnte allerdings von dem Einkommen abgesetzt werden, das für die Veranlagung zur Körperschaftssteuer herangezogen wurde. Die bereits beschriebenen hohen Körperschaftssteuersätze förderten daher die Anschaffung von Kraftfahrzeugen in Unternehmen. Diese Regelung galt bis zur Mitte der fünfziger Jahre allerdings nicht für Arbeitnehmer. Erst die Steuerreform des Jahres 1955 führte die Pendlerpauschale ein, mit der Arbeitnehmer Kosten für ihren Personenkraftwagen als Werbungskosten von der Einkommensteuer absetzen konnten.37 Im Zuge der Steuerreform wurden auch die Einkommensteuertarife gesenkt, sodass mehr Kaufkraft bei den Konsumenten für den Erwerb und das Halten eines Kraftfahrzeugs zur Verfügung stand. Die Steuerreform des Jahres 1955 ist vor diesem Hintergrund zu bewerten als eine zentrale Erfolgsvoraussetzung für die erfolgreiche Fortsetzung der Massenmotorisierung der folgenden Jahre.38

g) Steuererleichterungen Die für heutige Verhältnisse hohe steuerliche Belastung des Einkommens hatte zur Folge, dass die Unternehmen, insbesondere diejenigen, die einen hohen Finanzierungsbedarf hatten und diesen weder über den Kapital- noch über den Kreditmarkt decken konnten, ein hohes Interesse daran haben mussten, den Ausweis steuerpflichtigen Einkommens und Vermögens in ihren Bilanzen nach Möglichkeit zu minimieren oder ganz zu vermeiden. Der deutsche Gesetzgeber kam den Unternehmen bei der Gewinnminimierung durch die Gewährung von degressiven Abschreibungen, Sonderabschreibungen und von Sonderbetriebsausgaben entgegen.39 Diese wirkten sich vorteilhaft auf die operativen Cashflows der Unternehmen aus, weil die Abschreibungen und Sonderbetriebsausgaben in der Gewinn- und Verlustrechnung als Aufwand von den 36 Kontrollratsgesetz Nr. 14 Änderung der Kraftfahrzeugsteuergesetze vom 11. 02. 1946, in: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland (1946, 4), S. 74; Verkehrsfinanzgesetz 1955 vom 06. 04. 1955, in: BGBl. Teil 1, S. 166 f.; Kraftfahrzeugsteuergesetz in der Fassung vom 02. 01. 1962, in: BGBl. Teil 1, S. 1; S. 5. 37 Vgl. Stötzle, S. 128 – 131. 38 Edelmann, Vom Luxusgegenstand zum Gebrauchsgegenstand, S. 227. 39 Hiller, Heinrich: BMW im Wandel der Marktstruktur, in: Der Volkswirt 11 (1957, 3), S. 130.

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II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Erträgen in Abzug gebracht werden konnten und damit das besteuerungspflichtige Einkommen reduzierten. Bei einem Körperschaftssteuersatz in Höhe von 60 Prozent verhinderte ein Aufwand in Höhe von 100 DM damit einen steuerbedingten Zahlungsmittelabfluss in Höhe von 60 DM (§ 2 EStG).40 Steuerlich wirksame Abschreibungen wurden in der Automobilindustrie zu einer Hauptquelle der Finanzierung.41 Vor diesem Hintergrund wies die Automobilindustrie in der öffentlichen Diskussion den Vorwurf zurück, den Wiederaufbau ihrer Anlagen über erhöhte Preise zu finanzieren.42 Grundsätzlich war jedes Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet, alle erworbenen Wirtschaftsgüter, die der Erzielung von Einkünften dienten und die länger als ein Jahr genutzt wurden, im Anlagevermögen der Bilanz zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen (§ 6 EStG).43 Die Kosten für die Abnutzung des betreffenden Wirtschaftsgutes konnten dabei von den Anschaffungs- und Herstellungskosten als Abschreibungen vom Unternehmensgewinn in Abzug gebracht werden. Die jährliche Höhe dieser absetzungsfähigen Kosten wurde grundsätzlich nach der linearen Abschreibungsmethode berechnet, d. h., dass für jedes erworbene Wirtschaftsgut eine gewöhnliche Nutzungsdauer festgelegt wurde. Die gesamten Anschaffungs- und Herstellungskosten wurden dabei gleichmäßig auf die Nutzungsdauer verteilt. Betrug die gewöhnliche Nutzungsdauer beispielsweise 10 Jahre, so ergab sich eine jährliche Abschreibung von 10 Prozent der Anschaffungs- und Herstellungskosten. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, Sonderabschreibungen für eine außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung vorzunehmen (§ 7 Satz 1 EStG).44 Das Einkommensteuergesetz erlaubte den Unternehmen bis 1957 nur die Anwendung der linearen Abschreibungsmethode und ab 1958 alternativ dazu das Absetzen degressiver Abschreibungen. Allerdings war die degressive Methode ab 1952 vom Fiskus praktisch anerkannt und wurde 1955 durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs gebilligt.45 Bei der degressiven Abschreibungsmethode wurden die absetzungsfähigen Kosten für das jeweilige Geschäftsjahr als ein unveränderlicher Prozentsatz vom Restwert des Vermögenswertes berechnet, sodass die Abschrei40 Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 10. 08. 1949, in: Gesetzesblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Nr. 31 vom 27. August 1949, S. 266. 41 Kr.: Die deutsche Kraftfahrzeugindustrie. Die Bilanzen seit der Währungsreform. Unterschiedliche Dividendenauffassungen, in: Das Wertpapier 1 (1953), S. 53; rt: Kapitalausstattung und Ertragslage der deutschen Automobilindustrie, Opel – Daimler – Ford – Volkswagenwerk – BMW, in: Das Wertpapier 5 (1957), S. 460. 42 Hiller, Heinrich: Älteste Automobilfabrik der Welt. Der einzigartige Wiederaufstieg der Daimler-Benz-Werke, in: Der Volkswirt 6 (1952, 9), S. 26; Stegert, Helmut: Die Kapitalausstattung und Ertragslage der deutschen Automobilindustrie, in: Das Wertpapier 8 (1959), S. 625. 43 Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 10. 08. 1949, in: Gesetzesblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Nr. 31 vom 27. August 1949, S. 266 f. 44 Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 10. 08. 1949, in: Gesetzesblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Nr. 31 vom 27. August 1949, S. 267. 45 Bornemeyer, S.125.

2. Entwicklung der westdeutschen Steuerpolitik

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bungen in den ersten Jahren in der Regel höher waren als nach der linearen Abschreibungsmethode und sich von Jahr zu Jahr verminderten. Die degressive Abschreibung war an bestimmte Voraussetzungen gebunden. So durfte der Prozentsatz für die Berechnung der jährlichen Abschreibungen höchstens das Zweieinhalbfache des Prozentsatzes bei der linearen Abschreibung betragen. Die jährliche Abschreibung war begrenzt auf höchstens 25 Prozent des Restwertes. Während ein Wechsel von der degressiven zur linearen Abschreibungsmethode erlaubt war, konnte nicht von der linearen auf die degressive Abschreibungsmethode gewechselt werden (§ 7 Satz 2 f EStG).46 Angenommen ein Unternehmen erwarb eine Maschine für 100 DM und schöpfte die Möglichkeiten der degressiven Abschreibungsmethode voll aus, so ergaben sich im Vergleich zur linearen Abschreibungsmethode folgende gewinnmindernden Abschreibungen über eine Nutzungsdauer von 10 Jahren:

Linear Degressiv

Tabelle 1 Lineare versus degressive Abschreibungen Investition Jahr 1 2 3 4 5 6 7 8

9

10

Restwert

100 100

10 3

10 2

0 5

10 25

10 19

10 14

10 11

10 8

10 6

10 4

10 3

Die degressive Abschreibung wirkte daher wie eine Steuerstundung und führte in der Bilanz in den ersten Nutzungsjahren des Anlagegutes zu einer vorübergehenden Verringerung der Eigenkapitalquote. Viele Unternehmen entschieden sich angesichts der hohen Körperschaftssteuersätze während des Untersuchungszeitraums für die degressive Abschreibungsmethode. Darin drückte sich die Hoffnung der Unternehmen auf eine Steuersenkung zu einem späteren Zeitpunkt aus. Die Abschreibungen auf Gebäude wurden 1964 insofern besonders geregelt, als die Abschreibungen auf Gebäude – gestaffelt nach dem Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes und der Nutzungsdauer – zwischen 1 und 3,5 Prozent der Anschaffungsund Herstellungskosten pro Jahr betragen mussten.47 Neben den gewöhnlichen Abschreibungen nach § 7 EStG räumte der Gesetzgeber den Unternehmen die Möglichkeit ein, Sonderabschreibungen zu tätigen. Diese betrafen Ersatzbeschaffungen, Fabrik- und Wohngebäude sowie den Schiffbau. Bei der Ersatzbeschaffung beweglicher Wirtschaftsgüter bestand die Möglichkeit, in dem Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in dem darauf folgenden Jahr bis zu jeweils 50 Prozent der Anschaffungs- und Herstellungskosten abzuschreiben (§ 7a EStG). Als Ersatzbeschaffung galten alle Wirtschaftsgüter, die als gleichwertiger Ersatz für Wirtschaftsgüter beschafft wurden, die nach dem 1. Januar 1939 aus dem 46

Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts vom 18. 07. 1958, in: BGBl. Teil 1, S. 476. 47 Gesetz zur Neuregelung der Absetzungen für Abnutzung bei Gebäuden vom 20. 06. 1964, in: BGBl. Teil 1, S. 353.

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II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Betriebsvermögen ausgeschieden waren und vor dem 21. Juni 1948 beschafft oder hergestellt wurden.48 Die Gesamtsumme der nach dieser Methode vorgenommenen Abschreibungen durfte allerdings den Betrag von 100.000 DM nicht überschreiten. Diese Höchstgrenze entfiel, wenn im ersten Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in dem darauf folgenden Jahr maximal 15 Prozent abgeschrieben wurden und ab dem dritten Jahr eine lineare Abschreibung auf den Restwert erfolgte. Diese Form der Steuerbegünstigung galt nur für Wirtschaftsgüter, die in der Zeit vom 1. Januar 1949 und dem 31. Dezember 1952 angeschafft oder hergestellt worden waren.49 Bereits 1951 begrenzte der Gesetzgeber allerdings den Kreis der Steuerpflichtigen, die von dieser Regelung Gebrauch machen durfte, auf Personen, die aufgrund von Verfolgung durch die Nationalsozialisten oder durch Flucht oder Vertreibung ihre Erwerbsgrundlage verloren hatten.50 Angesichts dieser Restriktionen dürften die Sonderabschreibungen nach § 7a EStG bei der Finanzierung der Automobilindustrie lediglich für die Geschäftsjahre 1949 bis 1951 und nur für diejenigen Unternehmen, die hohe Kriegsschäden erlitten hatten, eine leichte und kurzfristige Verbesserung der Finanzkraft zur Folge gehabt haben. Für ab 1949 neu errichtete sowie wiederaufgebaute Fabrik- und Wohngebäude bestand die Möglichkeit, in den ersten beiden Jahren bereits jeweils 10 Prozent der Anschaffungs- und Herstellungskosten abzuschreiben. Bei Wohngebäuden konnten in den darauf folgenden 10 Jahren jeweils 3 Prozent der Anschaffungs- und Herstellungskosten abgeschrieben werden. Die Abschreibungssätze wurden bis zum Ende des Untersuchungszeitraums stufenweise zurückgeführt. Das Steueränderungsgesetz des Jahres 1960 reduzierte die Sonderabschreibungen bei den Wohngebäuden auf 7,5 Prozent in den ersten 2 Jahren und erhöhte sie auf bis zu 4 Prozent in den folgenden 8 Jahren.51 Das Gesetz zur Neuregelung der Absetzungen für Abnutzung bei Gebäuden reduzierte die Sonderabschreibungen schließlich in den ersten 8 Jahren nach Fertigstellung auf höchstens 5 Prozent und danach auf 2,5 Prozent. Die begünstigten Wohngebäude wurden durch dasselbe Gesetz auf Einund Zweifamilienhäuser sowie auf Eigentumswohnungen begrenzt. Anders als bei Wohngebäuden konnten bei Fabrikgebäuden die Sonderabschreibungen der ersten beiden Jahre zusätzlich zu den normalen Abschreibungen nach § 7 EStG des Einkommensteuergesetzes vorgenommen werden. In den Folgejahren richteten sich bei beiden Gebäudearten die Abschreibungen dann nach dem Restwert und der Rest48 Vgl. Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 29. 04. 1950, in: BGBl. Teil 1, S. 96. 49 Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 10. 08. 1949, in: Gesetzesblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Nr. 31 vom 27. August 1949, S. 267. 50 Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (EStG- und KStG-Änderungsgesetz 1951) vom 27. 06. 1951, in: BGBl. Teil 1, S. 411. 51 Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes und des Wohnungsbau-Prämiengesetzes (Steueränderungsgesetz 1960) vom 30. 07. 1960, in: BGBl. Teil 1, S. 617.

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nutzungsdauer (§ 7b und § 7e EStG).52 Die Sonderabschreibungen für Fabrikgebäude wurden 1951 ersatzlos gestrichen.53 Die Wiedereinführung von Sonderabschreibungen auf Fabrikgebäude 1953 galt ausschließlich für Vertriebene und von den Nationalsozialisten verfolgte Personen.54 Zusätzlich zu den Abschreibungen verminderten Sonderbetriebsausgaben das besteuerungspflichtige Einkommen. Derartige Sonderbetriebsausgaben konnten im Jahre der Hingabe geltend gemacht werden für Zuschüsse oder zinsfreie Darlehen an gemeinnützige Wohnungsunternehmen, Organe der staatlichen Wohnungspolitik, gemeinnützige Siedlungsunternehmen, zur Ausgabe von Heimstätten zugelassene Unternehmen sowie an sonstige Wohnungs- und Siedlungsunternehmen und private Bauherrn (§ 7c EStG).55 Die Höhe der abzugsfähigen Zuschüsse und Darlehen wurde in mehreren Schritten reduziert. Bereits 1951 wurde der höchstens abzugsfähige Betrag auf 7.000 DM bis 10.000 DM pro Wohnung begrenzt.56 Seit 1953 konnten Zuschüsse und Darlehen zur Förderung des Wohnungsbaus nur noch bis zu einer Höchstgrenze von 50 Prozent des Gewinns abgezogen werden. Diese Regelung galt jedoch nicht für diejenigen Ausgaben, mit denen Unternehmen den Bau von Wohnungen für ihre Arbeitnehmer finanzierten, und förderte somit den Werkswohnungsbau.57 Das Gesetz zur Neuordnung von Steuern des Jahres 1954 begrenzte den abzugsfähigen Teil schließlich auf 25 Prozent des Darlehensbetrags. Das Darlehen musste zinsfrei sein und durfte höchstens 10.000 DM pro Wohnung betragen. Insgesamt durften nicht mehr als 30 Prozent des Gewinns als Sonderbetriebsausgabe abgesetzt werden.58 Diese gesetzliche Regelung blieb bis zum Ende des Untersuchungszeitraums gültig.59 Ein weiteres Zugeständnis des Bundes an eine solide Finanzierungsstruktur der Unternehmen war die steuerliche Begünstigung von nicht entnommenem Gewinn: Auf Antrag konnten im Jahr 1950 50 Prozent des nicht entnommenen Gewinns als Sonderausgabe vom Einkommen abgesetzt werden. Allerdings war diese Sonder-

52 Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 10. 08. 1949, in: Gesetzesblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Nr. 31 vom 27. August 1949, S. 167 f. 53 Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (ESt- und KSt-Änderungsgesetz 1951) vom 27. 06. 1951, in: BGBl. Teil 1, S. 412. 54 Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 15. 09. 1953, in: BGBl. Teil 1, S. 1361. 55 Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 10. 08. 1949, in: Gesetzesblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Nr. 31 vom 27. August 1949, S. 167. 56 Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes (ESt- und KSt-Änderungsgesetz 1951) vom 27. 06. 1951, in: BGBl. Teil 1, S. 412. 57 Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung vom 24. Juni 1953, in: BGBl. Teil 1, S. 414. 58 Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. 12. 1954, in: BGBl. Teil 1, S. 375 f. 59 Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 10. 12. 1965, in: BGBl. Teil 1, S. 1914 f.

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II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

ausgabe gedeckelt auf 15 Prozent des Gesamtgewinns und wurde 1951 kurzzeitig abgeschafft und 1953 auf 20.000 DM begrenzt.60 Schließlich gewährte der Bund Steuervergünstigungen bei Exportgeschäften. Mit dem Gesetz über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr von 1951 setzte der Bund steuerliche Anreize für Exportgeschäfte. Das Gesetz erlaubte unter bestimmten Voraussetzungen, eine steuerfreie Rücklage in Höhe von bis zu 3 Prozent des Exportumsatzes pro Geschäftsjahr zu bilden und die Rücklage ratierlich über 10 Jahre steuerpflichtig aufzulösen. Während dies einer Steuerstundung gleichkam, bestand zusätzlich noch die Möglichkeit, bis zu 3 Prozent des Exportumsatzes steuerwirksam vom steuerpflichtigen Gewinn abzusetzen. Diese Regelung war also eine echte Steuerersparnis. Indes galt das Gesetz nicht für die Festsetzung der Gewerbesteuer. Allein 1954 ermöglichte das Gesetz Steuerersparnisse der deutschen Industrie in Höhe von 450 Millionen DM.61 Die hohen Abschreibungsmöglichkeiten waren keineswegs unumstritten. Der Düsseldorfer Volkswirt und Unternehmer Manfred Bornemeyer fasste die Kritik an ihnen in seiner 1962 vorgelegten Dissertation zusammen, indem er die wirtschaftlichen und sozialpolitischen Risiken aufzeigte. In wirtschaftlicher Hinsicht beobachtete Bornemeyer die Tendenz, dass Investitionen nur noch getätigt würden, um den steuerlichen Abschreibungsspielraum zu nutzen. Dies berge die grundsätzliche Gefahr der Enstehung von Überkapazitäten sowie eine relative Erstarrung der Produtkions- und Unternehmensstrukturen. Die gesamtwirtschaftliche Produktivität hätte bereits viel deutlicher abgenommen, wenn der anhaltende Wirtschaftsaufschwung dies in vielen Bereichen nicht überdeckt hätte.62 In sozialpolitischer Hinsicht kritisierte Bornemeyer, dass eine zu hohe Selbstfinanzierung eine sozialpolitisch unerwünschte Akkumulation von Gewinnen und Kapital begünstigt habe. Die umfangreichen Abschreibungsmöglichkeiten, insbesondere die degressive Abschreibungsmethode, führe des Weiteren dazu, dass die Bilanzen vieler Unternehmen zur Mitte der 1950er Jahre stille Reserven enthielten, weil die vorgenommenen Abschreibungen nicht mehr der tatsächlichen wirtschaftlichen Abnutzung entsprächen. Die mangelnde Transparenz der Bilanzen stehe dem Heranführen breiter Bevölkerungsschichten an die Vermögensanlage in Unternehnsanteile im Wege.63

60 Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 28. 12. 1950, in: BGBl. Teil 1, S. 7 f.; Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 17. 01. 1952, in: BGBl. Teil 1, S. 39; Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 15. 09. 1953, in: BGBl. Teil 1, S. 1364. 61 Zoltán, Jáklin: Vom Marshallplan zum Kohlepfennig. Grundrisse der Subventionspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1990 (Schriften des Zentralinstituts für Sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin 58), S. 80. 62 Bornemeyer, S. 125 f. 63 Bornemeyer, S. 127 f.

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3. Entwicklung des westdeutschen Finanzmarkts a) Besonderheiten des bankorientierten deutschen Finanzsystems Der deutsche Finanzmarkt wird häufig als ein bankorientiertes Finanzsystem bezeichnet, dessen Funktions- und Wirkungsweise sich vom angloamerikanisch geprägten marktorientierten Finanzsystem unterscheidet. Die wesentlichen Unterschiede des deutschen bankorientierten Finanzsystems bestünden im Vergleich zu einem marktorientierten Finanzsystem im Haus- und Universalbankprinzip sowie darin, dass langfristige Bankkredite für die Finanzierung von Investitionen eine höhere Bedeutung hätten als der Kapitalmarkt.64 Während in Deutschland Universalbanken ihren Kunden die Dienstleistungen einer Geschäftsbank (z. B. Zahlungsabwicklung und kurzfristige Handelskredite) und die einer Investmentbank (z. B. Emission von Eigenkapital und Anleihen und Strukturierung von Firmenkäufen) aus einer Hand böten, würden diese Bankdienstleistungen in marktorientierten Finanzsystemen von voneinander unabhängigen Geschäfts- und Investmentbanken angeboten. Des Weiteren sicherten sich deutsche Banken im Gegenzug für langfristige Kredite oftmals Sitze im Aufsichtsrat der Kreditnehmer. Deutsche Banken seien darüber hinaus teilweise selbst Aktionär ihrer Firmenkunden und würden auf der Hauptversammlung zusätzlich zu dem Stimmrecht der Aktien das Depotstimmrecht für die Aktien ihrer Privatkunden ausüben. Beim Depotstimmrecht fällt das Recht auf Abgabe der Stimme, zu welcher der Besitz der Aktie auf der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft berechtigt, an diejenige Bank, in deren Depot sich die Aktie befindet. Dies gilt jedoch nur für den Fall, dass der Besitzer der Aktie nicht aktiv von seinem Stimmrecht Gebrauch macht. In Unternehmen mit einem hohen Anteil an Kleinaktionären war es während des Untersuchungszeitraums allerdings eher die Regel, dass Kleinaktionäre ihre Stimmen an die Banken übertrugen. Die Besonderheiten des deutschen bankorientierten Finanzsystems würden dazu führen, dass deutsche Banken eher die Möglichkeit hätten, einen höheren Einfluss auf die Geschäftspolitik ihrer Kunden auszuüben. Für die Finanzierungsstruktur der Unternehmen bedeutet ein bankorientiertes Finanzsystem, dass Unternehmen eine niedrigere Eigenkapitalquote haben als in marktorientierten Finanzsystemen.65 Die Überlegenheit des einen über das andere Finanzsystem für die volkswirtschaftliche Entwicklung eines Landes lässt sich nicht verlässlich ermitteln, da es bislang kein theoretisches Modell gibt, welches alle Einflussfaktoren auf den Erfolg 64

Edwards, James/Fischer, Klaus: Banks, Finance and Investment in Germany, Cambridge 1994, S. 49; Ziegler, Dieter: Das deutsche Modell bankorientierter Finanzsysteme (1848 – 1957), in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 45: Finanzmarktkapitalismus. Analysen, Wiesbaden 2006, S. 276 f. 65 Carrington, John C./Edwards, George T.: Financing Industrial Investment, London 1979, S. 191.

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einer Volkswirtschaft messen könnte. Die Vor- und Nachteile der hohen Bankenorientierung des deutschen Finanzsystems sind indes nicht unumstritten. Grundsätzlich vertrat Hallett im Jahr 1990 die Ansicht, dass die Banken einen entscheidenden Anteil daran hatten, Westdeutschland nach dem Krieg wiederaufzubauen. Sie taten dies, indem sie Kredite bereitstellten, die Geschäftspolitik der Unternehmen durch ihre Vertreter in den Aufsichtsräten überwachten, dabei halfen, langfristige Unternehmensziele zu verfolgen, und das Management reorganisierten, wenn Unternehmen in Krisen geraten waren.66 Dem hielten Edwards und Fischer 1994 entgegen, dass es keinen empirischen Beweis dafür gebe, dass das deutsche Finanzsystem deutschen Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg mehr langfristige Mittel zu geringeren Kosten zu Verfügung gestellt habe als das britische marktorientierte Finanzsystem den britischen Unternehmen. Sie stützten ihre Aussage allerdings auf einen Vergleich des Anteils der Bankdarlehen an der Investitionsfinanzierung in Deutschland und Großbritannien, bei dem valide Daten für Großbritannien nur für die Zeit von 1970 bis 1989 vorlagen.67 Welche Rolle die deutschen Banken in einzelnen Unternehmen der Automobilindustrie zwischen 1948 und 1965 spielten, lässt sich anhand der bislang veröffentlichen Forschungsliteratur nicht zweifelsfrei beantworten. Ein großes Desiderat besteht vor allem in einer bisher fehlenden wirtschaftshistorischen Erforschung der Wirkungsweise des sogenannten Bank- bzw. Zinskartells während der fünfziger und sechziger Jahre. Der Begriff Bank- bzw. Zinskartell68 bezieht sich auf die gesetzlich regulierte Kompetenz des Zentralen Kreditausschusses, die Habenzinsen in Deutschland festzulegen. Der zentrale Kreditausschuss wurde 1936 als gemeinsames Gremium der Spitzenverbände des Deutschen Bankgewerbes gegründet.69 Während des Untersuchungszeitraums gehörten dem Ausschuss unter anderem der Bundesverband des privaten Bankgewerbes, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband sowie die Gemeinwirtschaftsbanken an. Das Kreditwesengesetz von 1934 regelte, dass der von der nationalsozialistischen Reichsregierung eingesetzte Reichskommissar für das Kreditwesen Mehrheitsbeschlüsse der Spitzenverbände der Kreditinstitute über die Zins- und Provisionssätze für Spareinlagen für allgemein verbindlich erklären konnte. Diese Kompetenz ging in der Bundesrepublik Deutschland bis 1967 faktisch unverändert auf die Bankaufsichtsbehörde über.70 Nach jeder Änderung des Diskontzinssatzes durch die Bundesbank trat der Zentrale Kredit66

Hallett, Graham: West Germany, in: Graham, Andrew/Seldmon, Anthony (Hg.): Government and Economies in the Post-War World, London 1990, S. 83. 67 Edwards, S. 65. 68 Der Begriff Bankkartell wurde während der fünfziger und sechziger Jahre von der Zeitschrift „Der Spiegel“ synonym gebraucht. Im Folgenden wird der Begriff „Zinskartell“ verwendet. 69 Ohne Verfasser: Art. Zentraler Kreditausschuss, in: Gabler Wirtschaftslexikon 10 (1997), S. 4513. 70 Banken. Zinsen. Ende des Kartells, in: Der Spiegel 14 (1967), S. 35 f.; Reichsgesetz über das Kreditwesen vom 5. Dezember 1934, in: RGBl. I. S. 1211.

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ausschuss zusammen und beriet über die Anpassung der Habenzinsen, die im Anschluss von der Bankaufsichtsbehörde, die dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellt war, in der Regel genehmigt wurde. Durch die Bestätigung der Bankaufsichtsbehörde wurden die Habenzinsen in Deutschland für alle Einlagen verbindlich festgeschrieben. Allerdings scheinen viele Banken diese gesetzlich verbindlichen Habenzinssätze durch rechtlich schwer angreifbare Gegenschäfte mit ihren Kunden unterlaufen zu haben, sodass die tatsächliche Verbindlichkeit der Habenzinssätze, die das Kreditwesengesetz vorsah – und damit auch die Macht des Zinskartells –, in Frage gestellt werden darf. So berichtete Der Spiegel 1967 anlässlich des Endes des Zinskartells, dass die Banken die für allgemein verbindlich erklärten Habenzinsen durch ein komplexes Geflecht von Einzeltransaktionen mit vermögenden Kunden systematisch unterliefen.71 Das Niveau und die Verbindlichkeit der Habenzinsen haben zwar grundsätzlich einen hohen Einfluss auf die Bedingungen, zu denen sich die Industrie finanzieren kann. Da allerdings auf Basis der herangezogenen Quellen nicht erkennbar ist, dass die Höhe der Habenzinsen Gegenstand der Finanzierungsverhandlungen zwischen den Banken und dem Management von BMW, Daimler-Benz und dem Volkswagenwerk waren, wird auf eine weitergehende Erforschung der Bedeutung des Zinskartells für die drei untersuchten Unternehmen im Folgenden verzichtet. Die historische Entwicklung des deutschen Finanzmarkts bis 1948 ist hingegen in ihren Grundzügen gut dokumentiert. So folgte die deutsche Industrie seit dem 19. Jahrhundert einer bestimmten „pecking order“ der Finanzierungsinstrumente.72 Zuallererst bevorzugte sie die Finanzierung durch eigene Mittel, weil dies die Kapitalkosten senkte und die Kontrolle über die Geschäftspolitik sicherte. Ihren Fremdkapitalbedarf finanzierte sie zuerst durch die Aufnahme kurzfristiger Bankkredite, die dann häufig prolongiert oder durch langfristige Kredite oder Anleihen konsolidiert wurden. Die Emission neuer Aktien war eher die Ausnahme, da die Geschäftsleitung einen Einfluss auf die Geschäftspolitik durch die neuen Aktionäre und durch höhere Gewinnausschüttungen eine Beeinträchtigung der Selbstfinanzierung befürchtete. Entgegen früherer Annahmen scheinen Bankkredite jedoch nicht grundsätzlich zu einem starken Einfluss der Banken auf die Geschäftspolitik ihrer Kunden geführt zu haben.73 Der deutsche Kapitalmarkt belebte sich nach der Gründerkrise erst wieder zur Mitte der 1890er Jahre. Seine Funktion bestand allerdings eher in der Platzierung öffentlicher Rentenpapiere als in der Eigenkapitalbeschaffung für die Industrie. Bei 71

Banken. Zinsen. Ende des Kartells, in: Der Spiegel 14 (1967), S. 35 f. Zu den Annahmen der pecking order hypothesis vgl. Donaldson, Gordon: Managing Corporate Wealth: The Operation of a Financial Goals Systems, New York 1984, S. 42 – 48; Donaldson, Gordon/Lorsch, Jay W.: Decision Making at the Top. The Shaping of Strategic Direction, New York 1983, S. 49 – 59; Myers, Stuart C.: Presidential Address. The Capital Structure Puzzle, Journal of Finance 39 (1984), S. 575 – 592. 73 Wellhöner, Großbanken und Großindustrie, S. 236; Wixforth, Banken und Schwerindustrie, S. 16 – 25; S. 499. 72

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der Industriefinanzierung übertraf das Volumen der Anleihen das der Aktien.74 Während des Ersten Weltkrieges stieg die Selbstfinanzierungsquote der rüstungswichtigen Unternehmen, sodass sowohl der Kredit- als auch der Kapitalmarkt für die Industriefinanzierung an Bedeutung verloren. Am Kapitalmarkt wurden vor allem Reichsanleihen untergebracht.75 Erst während der Nachkriegsinflation erhöhten viele deutsche Großunternehmen ihr Eigenkapital durch die Emission neuer Aktien.76 Des Weiteren nutzten die Unternehmen die Inflation, um sich bei ihren Gläubigerbanken zu entschulden. Zwischen 1926 und 1929 wurde in der Industrie etwa die Hälfte aller langfristigen Finanzierungsmittel auf dem Weg der Selbstfinanzierung aufgebracht.77 Die angespannte Lage auf dem deutschen Finanzmarkt führte dazu, dass die deutsche Großindustrie in der Zwischenkriegszeit zunehmend Anleihen auf dem amerikanischen Kapitalmarkt aufnahm.78 Zwischen 1924 und 1928 standen langfristigen Auslandsanleihen in Höhe von 2,5 Milliarden Reichsmark Inlandsanleihen in Höhe von 849 Millionen Reichsmark gegenüber.79 Die staatliche Finanzierungspraxis während der Rüstungskonjunktur der 1930er Jahre verbesserte die Selbstfinanzierungsquote der Industrie, sodass die Bedeutung des Kredit- und des Kapitalmarkts für die Industriefinanzierung ähnlich wie während des Ersten Weltkriegs zurückging.80 Auch die Veränderungen in der Rüstungsfinanzierung durch Albert Speer änderten daran nichts.81

b) Kreditmarkt Aufgrund der traditionell hohen Bedeutung der Banken für die langfristige Finanzierung wog es umso schwerer, dass viele Banken in den fünfziger Jahren nicht in der Lage waren, in ausreichenden Umfang Kredite an die deutsche Industrie zu vergeben. Die lang- und mittelfristigen Kredite nahmen erst nach 1951 wieder in stärkerem Maße zu als die kurzfristigen Kredite. Ein besonders deutliches Wachstum 74

Wixforth, Industriekredit, S. 20 – 22. Wixforth, Industriekredit S. 29. 76 Wixforth, Industriekredit, S. 31. 77 Bornemeyer, S. 120. 78 Wellhöner, Volker/Wixforth, Harald: Unternehmensfinanzierung durch Banken – Ein Hebel zur Etablierung der Macht der Bankenherrschaft? Ein Beitrag zum Verhältnis von Banken und Schwerindustrie in Deutschland während des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, in: Petzina, Dietmar (Hg.): Zur Geschichte der Unternehmensfinanzierung, Berlin 1990 (Schriften des Vereins für Socialpolitik 196), S. 24; Wixforth, Industriekredit, S. 32. 79 Born, Karl-Erich: Die deutsche Bankenkrise 1931, München 1967, S. 15 – 19; Wixforth, Industriekredit, S. 32. 80 Zum Verhältnis zwischen Banken und Industrie in der Rüstungskonjunktur vgl. Kopper, Christopher: Zwischen Marktwirtschaft und Dirigismus. Bankenpolitik im „Dritten Reich“ 1933 – 1939, Bonn 1995, S. 181 – 198. 81 Vgl. Bähr, Johannes: Die Dresdner Bank in der Wirtschaft des Dritten Reichs, München 2006, S. 190 – 198. 75

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konnte allerdings erst nach 1958 verzeichnet werden.82 Bis dahin lag das Wachstum des Geschäftsvolumens aller Banken unterhalb des durchschnittlichen Wachstums der Gesamtwirtschaft. Die Industrie reagierte angesichts des unzureichenden Angebots an langfristigen Krediten zu Beginn der fünfziger Jahre mit einer verstärkten Beanspruchung von kurzfristigen Krediten, die sie erst im Laufe der fünfziger Jahre schrittweise durch langfristige Kredite ablösen konnte.83 Der Grund für die schwache Verfassung des Bankensektors ist nicht in personellen Diskontinuitäten bei der Besetzung von Führungspositionen innerhalb einzelner Bankhäuser zu suchen. Der geplante Kriegsverbrecherprozess gegen führende deutsche Bankiers kam nicht zustande, sodass entscheidende persönliche Netzwerke über das Ende des Krieges hinaus bestehen blieben.84 Vielmehr waren es die Währungsreform und die Entflechtung, die den Banken das Leben schwer machten. Die Währungsreform reduzierte die Geldmenge um schätzungsweise 93 Prozent – trotz Inflation der Reichsmark ein deutlicher Schnitt. Noch weitaus problematischer für die Banken war, dass die Umtauschquote von Reichsmark in Deutsche Mark nicht für Banken galt. Sämtliche Reichsmarkguthaben wurden für erloschen erklärt und die Banken erhielten von den Landeszentralbanken eine Erstausstattung mit liquiden Mitteln in Deutscher Mark in Höhe von 15 DM für kurzfristige Einlagen und 7,5 DM für langfristige Spareinlagen für jeweils 100 RM der Einlagen. Dieses Vorgehen führte dazu, dass das Bilanzvolumen aller westdeutschen Kreditinstitute in Höhe von 218 Milliarden RM auf 11 Milliarden DM absackte.85 In denjenigen Fällen, in denen die Erstausstattung mit liquiden Mitteln nicht ausreichte, konnten Banken verzinste Ausgleichsforderungen gegenüber dem jeweiligen Bundesland, in dem das Bankhaus seinen Sitz hatte, geltend machen. Nur so konnte eine Eigenkapitaldeckung dargestellt werden, die gerade ausreichte, um den Konkurs mancher Banken zu verhindern.86 Die Ausgleichsforderungen gingen 1959 von den Bundesländern auf den Bund über.87 Die geschrumpfte Kapitalbasis durch neue Einlagen wieder aufzubauen, war im Nachkriegsdeutschland alles andere als leicht. Schließlich hatten auch viele Sparer 82 Ambrosius, Gerold: Intensives Wachstum (1958 – 1965), in: Pohl, Hans: Geschichte der deutschen Kreditwirtschaft seit 1945, Frankfurt am Main 1998, S. 190 – 192; Wolf, Von der Währungsreform, S. 107. 83 Thomes, S. 44. 84 Horstmann, Theo: Die Alliierten und die deutschen Großbanken. Bankenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland, Bonn 1991, S. 178; Vgl.: Joly, Hervé: Kontinuität und Diskontinuität der Eliten nach 1945, in: Ziegler, Dieter (Hg.): Großbürger und Unternehmer, Göttingen 2000, S. 54 – 72; Scholtyseck, Joachim: Die USA vs. „The Big Six“. Der gescheiterte Bankenprozess nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Bankhistorisches Archiv 26 (2000), S. 37 f.; S. 47; S. 51. 85 Wolf, Von der Währungsreform, S. 78. 86 Drittes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Umstellungsgesetz) vom 20. 06. 1948, in: Beilage Nr. 5 zum Gesetzes- und Verordnungsblatt der Verwaltung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (1948), S. 15 f. 87 Vgl. Häuser, S. 49 – 51.

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ihr Vermögen verloren und außerdem hatte sich während und nach dem Krieg ein erheblicher Konsumstau angesammelt, der sich in den fünfziger Jahren entlud, sodass die private Spartätigkeit erst nach 1953 wieder den Stand von vor dem Krieg erreichte.88 Die Profiteure der langsam zunehmenden Spartätigkeit waren aber nicht die klassischerweise in der Industriefinanzierung engagierten Filialgroßbanken, sondern die Sparkassen und Genossenschaftsinstitute. Die Sparkassen bauten ihr Universalbankgeschäft zwar weiter aus, beschränkten sich aber im Wesentlichen auf die Mittelstandsfinanzierung. Die Genossenschaftsbanken waren in der Industriefinanzierung ebenfalls kaum engagiert.89 Des Weiteren minderten die alliierten Besatzungsmächte die Leistungsfähigkeit des deutschen Bankensektors bereits vor der Währungsreform durch das Aufspalten der Deutschen Bank, der Dresdner Bank und der Commerzbank in elf Landesinstitute. Insbesondere das Finanzministerium der Vereinigten Staaten sah in dem hoch konzentrierten deutschen Bankwesen eine schädliche Konzentrierung wirtschaftlicher Macht, welche die Kriegsfinanzierung erst ermöglicht habe.90 Vor diesem Hintergrund beschränkte sich die Geschäftstätigkeit der Filialgroßbanken unmittelbar nach der Währungsreform auf die kurzfristige Finanzierung über Wechsel- und Akzeptkredite. Nachdem immer deutlicher wurde, wie sehr diese Dezentralisierung die Wettbewerbsfähigkeit der Nachfolgeinstitute minderte, unterbreiteten Hermann Josef Abs, Carl Goetz und Paul Marx 1950 der Alliierten Hohen Kommission einen Vorschlag zur Neugestaltung des deutschen Bankwesens.91 Aus diesem Vorschlag ging schließlich das Gesetz über den Niederlassungsbereich von Kreditinstituten vom 29. März 1952 hervor. Auf der Grundlage des Gesetzes wurden die Nachfolgeinstitute der drei Großbanken zu je drei Regionalbanken zusammengefasst. Das Gesetz zur Aufhebung der Beschränkung des Niederlassungsbereichs vom 24. Dezember 1956 ermöglichte dann schließlich den Wiederzusammenschluss der Regionalinstitute zur Deutschen Bank, zur Dresdner Bank und zur Commerzbank.92 Erst danach gelang es den Filialgroßbanken, den gegenüber der restlichen Kreditwirtschaft verlorenen Boden schrittweise wieder gutzumachen, sodass bald nach dem Zusammenschluss der Regionalinstitute die Diskussion um die Macht der Banken über die Industrie wieder auflebte. Insofern wird in den folgenden Kapiteln gezeigt werden, welchen Einfluss die Banken auf die Geschäftspolitik der drei betrachteten Unternehmen hatten. Neben den Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Filialgroßbanken gab es noch eine Reihe weiterer Banken in der Bundesrepublik Deutschland. Deren Beitrag 88

Wolf, Von der Währungsreform, S. 62. Wolf, Herbert: Vom Großbankengesetz bis zur „Normalisierung“ (1953 – 1958), in: Pohl, Hans (Hg.): Geschichte der deutschen Kreditwirtschaft seit 1945, Frankfurt am Main 1998, S. 133; Wolf, Von der Währungsreform, S. 94 – 97. 90 Horstmann, S. 57 f.; Scholtyseck, S. 31; Thomes, S. 42. 91 Wolf, Von der Währungsreform, S. 85 f. 92 Wolf, Vom Großbankengesetz, S. 118. 89

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für die Versorgung der Industrie mit langfristigen Krediten war allerdings sehr unterschiedlich. So hatten die Privatbanken den Krieg zwar besser überstanden als die Filialgroßbanken, doch ihre Ausleihungen an die Industrie waren vergleichsweise gering. Ebenso wenig waren die Girozentralen und Landesbanken in der Industriefinanzierung tätig. Sie fungierten in der Regel als Hausbank des jeweiligen Bundeslandes. Damit kamen für eine langfristige Finanzierung der Industrie nur einige wenige Banken in Frage. Eine besonders starke Wettbewerbsstellung hatten die als Regionalbank aufgestellte Bayerische Hypotheken- und Wechselbank, die Bayerische Staatsbank und die Bayerische Vereinsbank. Ein weiteres Kreditinstitut, das zu langfristigen Ausleihungen an die Industrie in der Lage war, war die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Die deutschen Länder und die Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets gründeten die KfW 1948 mit dem gesetzlichen Auftrag, den Wiederaufbau in allen Branchen der Wirtschaft mit mittel- und langfristigen Krediten zu unterstützen, „insoweit […], als andere Kreditinstitute nicht in der Lage sind, diese Mittel aufzubringen“.93 Die Ausleihungen durften nur mit Inhaberschuldscheinen der KfW, Darlehen bei der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets und im Ausland und in besonderen Fällen mit kurzfristigen Darlehen der Bank deutscher Länder finanziert werden. Zusätzlich standen der Bank die Gegenwertmittel aus dem European Recovery Plan in Form eines Sondervermögens zur Verfügung. Die KfW vergab Darlehen nicht direkt an die Unternehmen, sondern in der Regel nur über andere Kreditinstitute. Darlehen mussten grundsätzlich durch dingliche Sicherheiten besichert sein. Doch wie bereits erwähnt, lag der Schwerpunkt der Finanzierung aus den Gegenwertfonds auf der Finanzierung der Grundstoffindustrien. Nicht unterschätzt werden sollte allerdings die Bedeutung von Versicherungen für den deutschen Kreditmarkt. Bereits in der Aufsichtsratssitzung der Daimler-Benz AG vom Mai 1949 wurde auf einen Bericht der Bank deutscher Länder verwiesen, demzufolge die Versicherungsgesellschaften bis zum 2. Quartal des Jahres 1949 insgesamt 56 Millionen Deutsche Mark in Industrieanleihen angelegt hätten. Aus dem Bericht gehe des Weiteren hervor, dass das Gesamtaufkommen der Versicherungsgesellschaften, welches für Anleihekäufe verwendet werden kann, sehr beachtlich sei.94

c) Kapitalmarkt Da die Banken als Finanziers der westdeutschen Industrie weitgehend ausfielen, könnte vermutet werden, es habe die historische Chance eines Wechsels von einem 93

Gesetz über die Kreditanstalt für Wiederaufbau vom 5. 11. 1948, in: Gesetzesblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, S. 123. 94 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 27. Mai 1949, S. 6.

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bankorientierten zu einem kapitalmarktorientierten Finanzsystem bestanden. Doch dem Kapitalmarkt kam während des Untersuchungszeitraums keine annähernd so große Bedeutung zu wie der Selbstfinanzierung. Friedrich-Wilhelm Henning konnte in einer repräsentativen Analyse am Beispiel von 45 branchenübergreifenden Aktiengesellschaften (darunter auch BMW und Daimler-Benz) zeigen, dass im Durchschnitt aller Unternehmen die (im Wesentlichen durch Umwandlung versteuerter und nicht ausgeschütteter Gewinne erhöhten) Rücklagen zwischen 1952 und 1965 um 169 Millionen DM, das Grundkapital um 57 Millionen DM und das langfristige Fremdkapital um 52 Millionen DM zunahm. Die Erhöhung des Grundkapitals war teilweise zurückzuführen auf Umwandlung von Rücklagen in Grundkapital.95 Diese Entwicklung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass in Westdeutschland unmittelbar nach der Währungsreform der Staat und die Privatwirtschaft intensiv um langfristige Finanzierungsmittel konkurrierten.96 Während die Privatwirtschaft auf Mittel zum Aufbau ihrer Produktionsanlagen angewiesen war, fragte der Staat vor allem Mittel zur Finanzierung des Wohnungsbaus und für sonstige soziale Zwecke nach. Diesen Wettbewerb entschied der Staat durch die Regulierung des Finanzmarktes schließlich für sich, indem er mit dem Kapitalverkehrsgesetz vom 2. September 1949 die Entscheidung über die Genehmigung für die erstmalige Ausgabe von Anleihen, Aktien und ähnlichen Wertpapieren ab einem Wert von 1 Million DM in die Hand eines staatlich gelenkten Ausschusses für Kapitalverkehr legte. Genehmigt werden durften Emissionen nur, wenn sie übergeordneten politischen Zielen nicht zuwiderliefen.97 Außerdem ließ die Bundesregierung das Anleihestockgesetz von 1934, welches die Dividende für Aktien auf 6 Prozent begrenzte, bis 1952 in Kraft.98 Des Weiteren stellte die Bundesregierung mit dem Ersten Gesetz zur Förderung des Kapitalmarktes Pfandbriefe und Kommunalschuldverschreibungen zum Zwecke des sozialen Wohnungsbaus sowie Einnahmen aus festverzinslichen Anleihen und langfristigen Schatzanweisungen des Bundes und der Länder steuerfrei. Angesichts der hohen Einkommensteuern99 und da der Ausschuss für Kapitalverkehr Emissionen nur bei einem Ausgabekurs von 98 Prozent und einem Nominalzins von 5 Prozent für Pfandbriefe und Kommunalobligationen und 6,5 Prozent für Industrieobligationen genehmigte, wurde die private Nachfrage vom Finanzmarkt ge95 Henning, S. 115; dagegen: Caesar, Rolf: Öffentliche Verschuldung in Deutschland seit der Weltwirtschaftskrise: Wandlungen in Politik und Theorie, in: Petzina, Dietmar (Hg.): Probleme der Finanzgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Berlin 1989, S. 22. 96 Thomes, S. 44. 97 Gesetz über den Kapitalverkehr vom 2. September 1949, in: Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1949, 34, S. 305 f. 98 James, Harold: Die Deutsche Bank im Dritten Reich, München 2003, S. 32; Wolf, Vom Großbankengesetz, S. 146. 99 Die „Kapitalertragssteuer“ in Höhe von 25 Prozent war während des Untersuchungszeitraums lediglich ein Steuerabzug vom Kapitalertrag. Das Einkommen aus Kapitalertrag unterlag in voller Höhe dem jeweiligen Einkommenssteuer- bzw. Körperschaftssteuersatz.

3. Entwicklung des westdeutschen Finanzmarkts

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drängt.100 Das Ziel der Kapitalmarktpolitik der Bundesregierung bestand also darin, die Kapitalströme in staatliche Haushalte zu lenken, um Kommunen, Länder und den Bund mit Finanzierungsmitteln für die Kriegsfolgenbeseitigung auszustatten. Die Finanzierung der Industrie war dabei in der Kapitalmarktpolitik von untergeordneter Bedeutung. Die Bundesregierung war sich der unerwünschten Konsequenzen dieser dirigistischen Kapitalmarktpolitik offensichtlich bewusst. Die unerwünschte Konsequenz bestand darin, dass die private Nachfrage nach langfristigem Kapital für das Ingangbringen der industriellen Produktion und Beschäftigung vom Markt gedrängt wurde. Die Bundesregierung ermöglichte es daher den Unternehmen mit großzügigen steuerwirksamen Abschreibungsmöglichkeiten, ihre Steuerzahlungen senken zu können und damit – zum Ausgleich für die Bevorteilung der staatlichen Nachfrage auf dem Finanzmarkt – die Finanzierung aus eigenen Gewinnen zu stärken. Das komplexe System aus Steuern und Steuererleichterungen wird in Kapitel II. 2. beschrieben. Diese dirigistische staatliche Kapitalmarktpolitik begann sich erst 1957 allmählich zu ändern, als die Bundesregierung die Genehmigung von Emissionen einer privatwirtschaftlichen Lenkungsinstanz – dem Zentralen Kreditausschuss – übertrug, in dem die bedeutendsten Emissionsinstitute vertreten waren. Einen weiteren Schritt zur Belebung der privatwirtschaftlichen Nachfrage auf dem Kapitalmarkt stellte die kleine Aktienrechtsreform 1959 dar. Anlässlich der ersten Lesung der für die Reform eingebrachten Gesetzesentwürfe bezog Bundesfinanzminister Franz Etzel wie folgt Stellung: „Es ist das Ziel der Wirtschafts- und Steuerpolitik, die Gesellschaften [d. h. die Unternehmen, Anm. d. Verf.] mit ihren Kapitalwünschen auf den Kapitalmarkt zu verweisen und sie von der Selbstfinanzierung abzuhalten.“101

Etzel versprach sich von der Reform eine Erhöhung des haftenden Kapitals bei den Aktiengesellschaften, eine Stärkung der Kleinaktionäre, die Eindämmung wirtschaftlicher Konzentration und eine transparentere Darstellung der Ertrags- und Finanzlage. Des Weiteren sollte die Reform es den sogenannten Kleinsparern ermöglichen, Aktien zu erwerben. Damit war die Reform ein wichtiger Teil des übergeordneten wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Programms des „Volkskapitalismus“, mit dem die CDU im Bundestagswahlkampf 1957 geworben hatte (siehe Kapitel V. 3. c)). Die Erhöhung des haftenden Kapitals war notwendig geworden, weil sich der Anteil des Grundkapitals am Gesamtkapital vieler Unternehmen deutlich verringert hatte. Das lag daran, dass zum Zeitpunkt der Aufstellung der DM-Bilanz die Bemessungsgrundlage für den Lastenausgleich durch den Gesetzgeber noch nicht abschließend geregelt war, sodass die Unternehmen die Höhe ihres Grundkapitals eher vorsichtig ansetzten, um das Risiko einer hohen Belastung nach dem Inkraft100 101

Bornemeyer, S. 38 – 42; Wolf, Von der Währungsreform, S. 64. Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages 03/44 vom 15. 10. 1958, S. 2479.

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II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

treten eines Gesetzes zum Lastenausgleich zu vermindern. Des Weiteren bildeten die meisten Unternehmen aus den konjunkturell bedingt hohen Gewinnen im Laufe der fünfziger Jahre zunächst steuerrechtlich begünstigte stille Reserven und führten den kompletten oder zumindest einen Teil des Gewinns, der steuer- und handelsrechtlich nicht der stillen Reserve zugeführt werden konnte, den Rücklagen zu, statt ihn an die Gesellschafter auszuschütten. Die Ausweitung des Geschäftsumfangs und der sich zusehends verbessernde Zugang zu langfristigem Fremdkapital machte jedoch gegen Ende der fünfziger Jahre eine Erhöhung des haftenden Grundkapitals notwendig. Eine Erhöhung des Grundkapitals aus der Umwandlung von stillen Reserven bzw. freien Rücklagen in Grundkapital war jedoch aus steuerlichen Gründen unattraktiv. Denn in diesem Fall galt das Prinzip der Doppelbesteuerung, d. h., der für eine Kapitalerhöhung benötigte Gewinn musste erst an die Gesellschafter ausgeschüttet und dann von den Gesellschaftern in neue Aktien eingezahlt werden. Dabei wurde der Gewinn das erste Mal bei der Gewinnermittlung um die Einkommenssteuern und das zweite Mal bei der Ausschüttung an die Gesellschafter um die Kapitalertragssteuer vermindert.102 Die Kapitalertragssteuer wurde wiederum voll mit der in der Regel weit höheren Einkommenssteuer verrechnet.103 Die Doppelbesteuerung wurde durch die Aktienrechtsreform 1959 abgeschafft, sodass Unternehmen ihren Gesellschaftern Aktien im Verhältnis ihrer Unternehmensanteile zukommen lassen durften und der Erwerb dieser Aktien bei den Gesellschaftern keinen Ertrag darstellte und daher weder mit Einkommenssteuern noch Kapitalverkehrssteuer besteuert wurde.104 Hinsichtlich der Stellung des Kleinaktionärs argumentierte Etzel, der Kleinaktionär werde gestärkt, wenn er durch die Ausgabe zusätzlicher Aktien über die zugunsten der Gesellschaft gebildete „Zwangsersparnis“ (d. h. die stillen Reserven) verfügen könne.105 Des Weiteren hätten die Aktiengesellschaften durch die hohen Rücklagen einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber der mittelständischen Wirtschaft, denn sie hätten mit Mitteln wirtschaften können, die sie nicht zu verzinsen bräuchten. Daraus ergebe sich die Gefahr einer aus Sicht von Etzel unerwünschten 102

Die geschilderte Entwicklung wurde von den Zeitgenossen mit der Kennzahl „Bilanzkurs“ gemessen. Der Bilanzkurs ist der Quotient aus dem gesamten Eigenkapital, d. h. dem Grundkapital inklusive aller Rücklagen (im zeitgenössischen Sprachgebrauch auch „Substanzwert“ genannt) und dem Grundkapital. Bei einem Eigenkapital von 100 Millionen DM, bestehend aus 30 Millionen DM Rücklagen und 70 Millionen DM Grundkapital beträgt der Bilanzkurs dementsprechend 143 Prozent. Vgl. Karres, Samuel: Die bisherigen Auswirkungen der kleinen Aktienrechtsreform, in: Sozialer Fortschritt 11 (1962), S. 21 – 23; Zur Doppelmaßnahme siehe Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24. 06. 1957, Az.: I 143/56 U; GratisAktienGesetz. Das Wunder honorieren, in: Der Spiegel (1959, 36), S. 22. 103 Henning, S. 104. 104 Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung. Vom 23. Dezember 1959, in: BGBl. 1959, S. 789 ff.; Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer. Vom 30. Dezember 1959, in: BGBl. 1959, S. 834 f. 105 Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages 03/44 vom 15. 10. 1958, S. 2478.

3. Entwicklung des westdeutschen Finanzmarkts

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Konzentration wirtschaftlicher Macht, da diese Mittel zum Erwerb von Unternehmen in vor- und nachgelagerten Branchen eingesetzt werden könnten. Zu hohe Reserven bei einem geringen Nominalkapital würden außerdem einem zu hohen Aktienkurs Vorschub leisten und bei einer Verzinsung des Nominalkapitals auf marktüblichem Niveau zu einer unzureichenden Realverzinsung führen. Damit würde die Aktie für Kleinsparer unattraktiv.106 Die kleine Aktienrechtsreform war im Bundestag politisch heftig umstritten. Die SPD warf der Regierung vor, es gehe ihr um nicht anders als „die angestauten Gewinne der letzten sieben fetten Jahre aus der Vermögensmasse der Gesellschaften in die privaten Vermögensscheunen der Besitzer“ zu bringen.107 Und auch innerhalb der CDU regte sich Widerstand aus dem Arbeitnehmerlager der Partei. Der CDUBundestagsabgeordnete und christliche Gewerkschafter Hans Katzer forderte, dass die Belegschaftsmitglieder an der Ausgabe von Zusatzaktien beteiligt werden sollten.108 Katzer konnte zwar nicht durchsetzen, dass im verabschiedeten Gesetz die Ausgabe von Zusatzaktien an die Eigentümer automatisch auch die Ausgabe steuerfreier Aktien an die Arbeitnehmer nach sich zog. Allerdings stellte das Gesetz den Erwerb von eigenen Aktien durch Belegschaftsmitglieder teilweise steuerfrei.109 Damit überließ es die Politik den Unternehmen, den gesellschaftspolitischen Konflikt über die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Ausgabe von Zusatzaktien auszutragen. Eine weitere grundsätzliche Gesetzesinitiative zur Ausrichtung des Kapitalmarktes stellte erst wieder das Aktiengesetz von 1965 dar. Da dessen Bestimmungen aber erst nach dem Ende des Untersuchungszeitraums der vorliegenden Arbeit in Kraft traten, bleiben die Veränderungen, welche das Gesetz für den deutschen Kapitalmarkt bewirkte, an dieser Stelle außer Betracht.

106

Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages 03/44 vom 15. 10. 1958, S. 2478 f.; Wendt, Kurt: Auch Daimler-Benz läßt noch nicht alle Schleier fallen. Der Rückzug aus Ingolstadt kommt dem Nutzfahrzeugbau zu Gute, in: Die Zeit (16. 07. 1965). 107 Plenarprotokoll des Deutschen Bundestages 03/44 vom 15. 10. 1958, S. 2478 f.; Wendt, Auch Daimler-Benz läßt noch nicht alle Schleier fallen. 108 Gratisaktiengesetz. Das Wunder honorieren, in: Der Spiegel (1959, 39), S. 22 – 24. 109 Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer. Vom 30. Dezember 1959, in: BGBl. 1959, S. 835.

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II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

4. Entwicklung des westdeutschen Automobilmarktes a) Entwicklung der Produktion Im Jahr 1948 wurden in Westdeutschland rund 62 Tsd. Automobile hergestellt. Davon entfiel jeweils die Hälfte auf PKW und LKW. Für viele Privatpersonen war ein Kraftrad aufgrund der vergleichsweise geringeren Anschaffungs- und Betriebskosten zu Beginn des Untersuchungszeitraums eine echte Alternative zum PKW, sodass bis 1953 mehr Krafträder als PKW produziert wurden. Das steigende Wohlstandsniveau führte dazu, dass das Kraftrad bis zum Ende der fünfziger Jahre seine Bedeutung als Substitutionsprodukt gegenüber dem PKW sukzessive verlor. Die Produktion ging vom Höhepunkt des Jahres 1953 mit 441 Tsd. produzierten Krafträdern bis 1959 kontinuierlich auf 110 Tsd. Stück zurück. Die Produktion von PKW nahm von 1948 bis 1965 hingegen pro Jahr um durchschnittlich 30 Prozent und die der LKW um 15 Prozent zu, sodass 1965 insgesamt 2,8 Millionen Personenkraftwagen und 345 Tsd. Lastkraftwagen produziert wurden.110 Innerhalb der Teilmärkte für PKW und LKW werden zum Zwecke einer besseren Analyse mehrere Marktsegmente voneinander abgegrenzt, die sich darin unterscheiden, dass die im jeweiligen Segment produzierten Güter sich hinsichtlich ihres Verwendungszwecks und/oder des jeweiligen Kundensegments voneinander abheben. Es gilt die Annahme, dass nur Fahrzeuge im selben Marktsegment in einem direkten Wettbewerb zueinander standen.111 In der Fahrzeugklasse der PKW werden nach Hubraum die 4 Segmente der Kleinstwagen (< 499 ccm), der Kleinwagen (500 ccm bis 1.299 ccm), der Mittelklassewagen (1.300 ccm bis 1.999 ccm) und der Oberklassewagen (> 2000 ccm) voneinander unterschieden. Während des gesamten Untersuchungszeitraums bestand die westdeutsche PKWProduktion zum überwältigenden Teil aus der Fertigung von Klein- und Mittelklassewagen. Die Produktion von Kleinstwagen- und Oberklassewagen stellte im Vergleich dazu ein Nischensegment dar. Das Kleinstwagensegment war im Unterschied zum Oberklassesegment ein vorübergehendes Phänomen. Die Produktion von Kleinstwagen erreichte 1957 mit rund 104 Tsd. produzierten Fahrzeugen ihren Höhepunkt und ging danach kontinuierlich zurück. Im Jahr 1965 hatte das Kleinstwagensegment mit rund 11 Tsd. produzierten Fahrzeugen und einem Marktanteil von 0,4 Prozent keine nennenswerte Bedeutung mehr für den west110

2017. 111

Lipp, Deutschland – PKW 1945 – 1968, 2017; Lipp, Deutschland – LKW 1945 – 1968,

Zur Definition von Teilmärkten siehe: Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit im Jahre 1961 sowie über Lage und Entwicklung auf seinem Aufgabengebiet (§ 50 GWB), Berlin 1962 (Deutscher Bundestag – 4. Wahlperiode, Drucksache IV/378), S. 23; siehe auch Abbot, Lawrence: Qualität und Wettbewerb. Ein Beitrag zur Wirtschaftstheorie, Minden 1958, S. 96 ff.

4. Entwicklung des westdeutschen Automobilmarktes

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Abbildung 3: PKW-Produktion Bundesrepublik Deutschland (Mio. Stück) Quelle: Lipp, Deutschland – PKW 1945 – 1968, 2017.

deutschen Automobilmarkt. Das Oberklassesegment hingegen konnte sich als Nischenmarkt behaupten. Im Vergleich zu den Kleinwagen- und Mittelklassesegmenten war das Wachstum in diesem Segment allerdings deutlich weniger stetig: In 6 von 18 betrachteten Jahren war die Produktion im Vergleich zum Vorjahr geringer.112 Im Kleinwagen- und Mittelklassesegment hingegen nahm die Produktion mit Ausnahme der Jahre 1952 (Mittelklassewagen) und 1961 (Kleinwagen) von Jahr zu Jahr deutlich zu. In der Fahrzeugklasse der LKW werden nach Nutzlast die 3 Segmente der Transporter (, 1 t), der mittleren Lastkraftwagen (> 1 t bis ,7 t) und der schweren Lastkraftwagen (> 7 t) voneinander unterschieden. Zusätzlich werden die Fahrzeugtypen Omnibusse, Sattelzugmaschinen und Zugmaschinen voneinander unterschieden. Aufgrund der geringen Stückzahlen wird zugunsten einer besseren Übersichtlichkeit darauf verzichtet, die Produktionsstückzahlen der Sattelzug- und Zugmaschinen im unten stehenden Säulendiagramm darzustellen. Die westdeutsche LKW-Produktion bestand während des gesamten Untersuchungszeitraums im Wesentlichen aus Transportern und mittleren LKW. Der Transporter setzte sich 1954 endgültig als das stückzahlenmäßig größte Marktsegment durch. Hier war auch das dynamischste Marktwachstum zu verzeichnen, denn das jährliche Wachstum der Produktion lag nur 1965 unter dem Vorjahresniveau. In den anderen Segmenten war die Produktion des Öfteren rückläufig bzw. stagnierend. Schwere LKWs eroberten erst in den sechziger Jahren einen größeren Martkanteil. Die größte Schwierigkeit, der sich die Automobilhersteller nach dem Krieg gegenübergestellt sahen, bestand neben dem Wiederaufbau der zerstörten Fabrikanlagen in Engpässen bei der Versorgung mit wichtigen Produktionsmaterialien und mit Energie. Die Zeitschrift „Die Weltwirtschaft“ berichtete 1954, dass Dienstverpflichtungen in andere kriegswichtige Industrien dazu geführt hatten, dass sich der 112

Dies betrifft die Jahre 1953, 1957, 1959, 1962, 1963 und 1965.

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II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Abbildung 4: LKW-Produktion Bundesrepublik Deutschland (Tsd. Stück) Quelle: Lipp, Deutschland – LKW 1945 – 1968, 2017.

Facharbeiterstamm in vielen Betrieben der Automobilindustrie während des Krieges „ganz oder teilweise aufgelöst“ hatte und erst wieder neu angelernt werden musste.113 Das Ziel der Hersteller bestand bis zum Beginn der fünfziger Jahre in der Maximierung der Produktion und des Umsatzes, um so die notwendigen Investitionsmittel zu beschaffen. Die meisten Hersteller produzierten zunächst nur Vorkriegsmodelle, und anstatt die Betriebe zu rationalisieren, wurde mit dem vorhandenen Maschinenpark versucht, die günstige Absatzlage bestmöglich auszunutzen. Der strategische Fokus der meisten Hersteller verschob sich Mitte der fünfziger Jahre dann auf Investitionen in die Rationalisierung der Fertigung und Preissenkungen bei den Fahrzeugen. Das Ziel dieser Strategie bestand darin, weitere Nachfrage zu mobilisieren sowie darin Marktanteile zu sichern und hinzuzugewinnen.114

b) Entwicklung des Absatzes Der Produktion von Automobilen stand ein enormes Nachfragepotenzial gegenüber, weil steigende Löhne und Gehälter, hohe Wachstumsraten und ein sich an die führenden Automobilnationen angleichendes Konsumverhalten eine nachholende Massenmotorisierung begünstigten.115 Der Bestand an Automobilen in der 113

Automobilindustrie, in: Die Weltwirtschaft (1954, 1), S. 151. Vgl. Borgward, Peter: Der Wettbewerb auf dem westdeutschen Automobilmarkt. Verhaltensweise der Anbieter und Nachfrager auf den westdeutschen Märkten für fabrikneue Personen- und Kombinationskraftwagen, Diss., Kiel 1967, S. 37 – 39; hs: Kapitalausstattung und Ertragslage der Autoindustrie. Opel – Daimler-Benz – Ford, in: Das Wertpapier 3 (1955), S. 298. 115 Destatis: Durchschnittliche Bruttomonatsverdienste der Angestellten im Produzierenden Gewerbe, Handel, Versicherungs- und Kreditgewerbe, http://www.destatis.de/indicators/d/ lrver05ad.htm, 2006 – 07 – 24; Destatis: Durchschnittliche Bruttomonatsverdienste der Arbeiter/-innen im Produzierenden Gewerbe, http://www.destatis.de/indicators/d/lrver03ad.htm, 114

4. Entwicklung des westdeutschen Automobilmarktes

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Bundesrepublik Deutschland stieg von 516 Tsd. PKW und 364 Tsd. LKW im Jahr 1950 auf 9,3 Mio. PKW und 1,2 Mio. LKW im Jahre 1965.116 Die während der fünfziger Jahre vertretene These, dass die Nachfrage nach PKW nur durch die militärische Aufrüstung der Bundesrepublik Deutschland aufrechterhalten werden konnte, ist empirisch nicht belegbar.117 Der Anteil der Behörden, Wirtschafts- und Zweckverbände an der gesamten Nachfrage sank im Gegenteil von 18 Prozent im Jahr 1948 auf 0,9 Prozent 1960. Demgegenüber setzten sich die privaten Haushalte mit 46 Prozent der Nachfrage 1960 als größte Nachfragegruppe gegenüber Gewerbe und öffentlichen Einrichtungen durch.118 Der Nachfrage nahm allerdings nicht gleichmäßig zu. Bis 1950 nahm die Anzahl der PKW-Neuzulassungen mit einem jährlichen Wachstum von über 100 Prozent rasant zu. Zu erklären ist dies mit der hohen Ersatznachfrage, da während des Krieges der Bestand an Fahrzeugen, die zur zivilen Nutzung zur Verfügung standen, erheblich geschrumpft war.119 Diese Ersatznachfrage wurde bis 1951 befriedigt, sodass das jährliche Wachstum der Neuzulassungen 1951 und 1952 auf unter 20 Prozent sank.120 Die Entscheidung vieler Konsumenten, in Folge des Koreakrieges die Anschaffung eines Automobils vorzuziehen, dürfte für den Rückgang des Wachstums ebenso mitverantwortlich gewesen sein. Seitdem hing das Wachstum der Nachfrage jedenfalls von der Entwicklung der Nettoneunachfrage ab. Das Jahr 1952 markiert den Beginn einer Entwicklung, in dessen Verlauf der Kraftfahrzeugmarkt sich von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt entwickelte, wobei das exakte zeitliche Ende dieser Entwicklung zwischen den einzelnen Marktsegmenten unterschiedlich war.121 2006 – 07 – 24; Destatis: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, http://www.destatis.de/the men/d/thm_volksw.php, 2006 – 07 – 24; Biss, Annika: Die Internationalisierung der Bayerischen Motorwerke AG. Vom reinen Exportgeschäft zur Gründung eigener Tochtergesellschaften im Ausland 1945 – 1981, Oldenburg 2017, S. 62; Ohmae, Kenichi (Hg.): The Evolving Global Economy. Making Sense of the New World Order, Boston 1995, S. 4; Verband der Automobilindustrie: Tatsachen und Zahlen aus der Kraftverkehrswirtschaft 1954/55, Frankfurt am Main 1955, S. 270. 116 Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e. V., http://www. bgl-ev.de/images/daten/bestand/alle_tabelle.pdf, 2017 – 08 – 27. 117 Nowack, Anneliese: Zur Lage in der westdeutschen Automobilindustrie, in: Wirtschaftswissenschaft 8 (1960), S. 749. 118 Borgward, S. 118. 119 Eichenhofer, Harald: Die Automobilindustrie in der Bundesrepublik, in: Wirtschaftsdienst 34 (1954, 5), S. 285; -mr-: Der Stand der Kraftwagenproduktion in der Welt, in: Wirtschaftsdienst 29 (1949, 7), S. 53. 120 Eichenhofer, S. 287; Hiller, Heinrich: Abflauende Automobil-Konjunktur, in: Der Volkswirt (1951, 36), S. 19; Automobilindustrie, in: Die Weltwirtschaft (1954, 1), S. 154; Marktverengung durch Kraftfahrzeuge, in: Der Volkswirt 6 (1952, 25), S. 17. 121 Borgward, S. 136; S. 323; E. Sch.: Der Export von Kraftfahrzeugen, in: Der Volkswirt 4 (1951, 37), S. 20 f.; hh: Atempause für die Automobilindustrie, in: Der Volkswirt 7 (1953, 14), S. 22; Hiller, Abflauende Automobilkonjunktur, S. 19; Kr., Die deutsche Kraftfahrzeugindustrie, S. 55; Vgl. Nowack, S. 747 – 750; Marktverengung für Kraftfahrzeuge?, in: Der

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II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Der Übergang von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt dürfte bis 1958/59 abgeschlossen gewesen sein.122 Die Produktionshöhe hing nun nicht mehr ausschließlich von der Kapazität der Anlagen und der Materialversorgung ab, sondern hauptsächlich vom Marktanteil. Daher gewannen die Rationalisierung der Produktion, eine schlagkräftige Verkaufsorganisation sowie eine erfolgreiche Werbung zunehmend an Bedeutung.123 Die allmähliche Sättigung des Heimatmarktes, der zunehmende Wettbewerbsdruck und allmählich wegfallende Auslandshandelshemmnisse führten dazu, dass der Exportanteil der westdeutschen Automobilindustrie kontinuierlich zunahm. Die Wiedererlangung der deutschen Außenhandelssouveränität, die multilateralen Außenhandelsvereinbarungen im Rahmen der Organisation for European Economic Cooperation, die Gründung der Europäischen Zahlungsunion, der Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum General Agreement on Tariffs and Trade sowie die Abwertung der Deutschen Mark gegenüber dem US-Dollar im Oktober 1949 waren dabei wichtige Meilensteine zur Förderung des deutschen Exports.124 Die meisten Hersteller nahmen zu Beginn der fünfziger Jahre die im Vergleich zum Binnenmarkt niedrigeren Exportpreise in Kauf, um sich auf den Exportmärkten langfristig Marktanteile zu sichern. Diese Strategie ging insofern auf, als 1950 erst rund ein Drittel aller in Westdeutschland produzierten Automobile exportiert wurde und 1959 die Ausfuhr mit 50,4 Prozent erstmals den Absatz im Binnenmarkt überstieg.125 Die Hauptbestimmungsländer des deutschen Exports waren zunächst Belgien, Schweden, die Niederlande und die Schweiz. Frankreich, Großbritannien und Italien schirmten ihre Märkte mit hohen Zöllen gegen die deutsche Automobilindustrie ab. Die USA gewannen als Absatzmarkt erst seit 1955 an Bedeutung und waren seit 1957 das wichtigste Bestimmungsland für den Export.126 Die Bundesregierung verschaffte der westdeutschen Automobilindustrie indes genügend Zeit, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen, indem sie den Import von Kraftfahrzeugen durch bilaterale Handelsabkommen bis 1951 beschränkte.127 Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft schuf auch 1958 noch keinen freien Gemeinsamen Europäischen Markt für Kraftfahrzeuge. Die Bundesrepublik Deutschland setzte zwar keine Einfuhrkontingente fest und hielt die EinVolkswirt 6 (1952, 25), S. 17; Thoenissen, Max: Die Grenze der Expansion noch nicht erreicht, in: Der Volkswirt 12. Beilage (1953), S. 3. 122 Borgward, S. 136. 123 Automobilindustrie, in: Die Weltwirtschaft (1954, 1), S. 154. 124 Automobilindustrie, in: Die Weltwirtschaft (1954, 1), S. 151; Vgl. Stötzle, S. 162 – 165. 125 Verband der Automobilindustrie: Tatsachen und Zahlen aus der Kraftverkehrswirtschaft 1959/60, Frankfurt am Main 1960, S. 13. 126 Borgward, S. 123. 127 Dr. Schl: Entwicklung des westdeutschen Außenhandels mit Kraftfahrzeugen, in: Wirtschaftsdienst 38 (1958, 12), S. 713; Jahns, S. 17 – 19; Ausländische Kraftfahrzeuge nach Deutschland?, in: Die Automobilwirtschaft. Zeitschrift für den Kraftfahrzeugbetrieb 2 (1949, 21), S. 503 f.

5. Zwischenfazit

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fuhrzölle relativ niedrig. Der französische und der italienische Markt hingegen blieben durch geringe Einfuhrkontingente und hohe Importzölle für Kraftfahrzeuge für die deutschen Hersteller weitgehend unzugänglich. Diese Handelsschranken wurden bis 1966 nur langsam abgebaut.128

5. Zwischenfazit Der Umfang der Demontagen und Reparationen war infolge der US-amerikanischen Stabilisierungspolitik ab 1948 zumindest auf dem Gebiet der späteren Bundesrepublik Deutschland geringer als von den alliierten Besatzungsmächten ursprünglich geplant. Die volkswirtschaftliche Bedeutung lässt sich nur schwer bestimmen, da es trotz der Bemühungen der Besatzungsmächte um ein planvolles Vorgehen zu Ad-hoc-Demontagen und Reparationen kam, die großenteils nicht dokumentiert wurden. Eine weitere Folge der US-amerikanischen Stabilisierungspolitik war die Bildung von Finanzierungsmitteln durch das ERP-Programm, die jedoch im Wesentlichen in den Bergbau, die Bundesbahn, den Energiesektor und in die Stahl- und Eisenindustrie flossen. Die Preise für Automobile wurden seit der Währungsreform marktwirtschaftlich durch die einzelnen Hersteller festgesetzt. Die Währungsreform benachteiligte Unternehmen, die über hohe Reichsmarkbestände und hohe Forderungen gegenüber dem Deutschen Reich verfügten. Des Weiteren stellte sie die Unternehmen vor die Herausforderung, ihr Vermögen neu bewerten zu müssen, ohne zu diesem Zeitpunkt wissen zu können, wie die verbindliche gesetzliche Regelung zum Lastenausgleich aussehen würde. Der Lastenausgleich war indes in der schließlich verabschiedeten Form derart gestaltet, dass er die Finanzkraft der Unternehmen in der Nachkriegszeit nicht wesentlich beeinträchtigte. Die Besteuerung unternehmerischen Vermögens und Einkommens war während des Untersuchungszeitraums – gemessen an heutigen Maßstäben – sehr hoch. Allerdings eröffnete der Gesetzgeber den Unternehmen Möglichkeiten, mit deren Hilfe sie das zu versteuernde Einkommen senken und damit ihre Selbstfinanzierungskraft stärken konnten. Die Nutzung dieser Möglichkeiten förderte die Bildung stiller Reserven und eine Verringerung der bilanziellen Eigenkapitalquote. Die volle Ausschöpfung dieser Möglichkeiten setzte allerdings eine grundsätzlich hohe Generierung von Mittelzuflüssen aus dem operativen Geschäft voraus, um überhaupt erst steuermindernde Ausgaben und Investitionen tätigen zu können. Angesichts der geringen Leistungsfähigkeit des deutschen Finanzmarktes und der hohen Zinsen entstand damit ein Umfeld, das ertragsstarke Unternehmen bevorteilte und ertragsschwache Unternehmen systematisch vor große Herausforderungen stellte. Die Bundesregierung versuchte dieser Entwicklung mit der kleinen Aktienrechtsreform 128 Stegert, Die Kapitalausstattung und Ertragslage der deutschen Automobilindustrie, S. 626 f.

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II. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

1959 entgegenzuwirken. Im Zuge der sich daraus ergebenden gesellschaftspolitischen Diskussion um die gerechte Verteilung des von Arbeit und Kapital gemeinsam erwirtschafteten Wohlstands verlagerte die Politik allerdings eine Entscheidung über die Ausgabe von Zusatzaktien an die Belegschaft aus dem Bereich der Politik auf die Ebene der einzelnen Unternehmen. Der westdeutsche Automobilmarkt war insgesamt durch eine stark wachsende Produktion gekennzeichnet. Die wesentlichen Wachstumstreiber waren die Segmente der kleinen und mittleren PKW sowie der Transporter und mittleren LKW. Der Staat förderte die Binnennachfrage nach PKW durch die Steuerpolitik. Bei zunehmendem Wettbewerbsdruck auf dem Binnenmarkt gelang es der westdeutschen Automobilindustrie ab 1959, die Mehrzahl aller produzierten Fahrzeuge zu exportieren. Die Fähigkeit, ein international konkurrenzfähiges Produkt anbieten zu können, wurde damit zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor für die deutschen Automobilhersteller.

III. Bayerische Motoren Werke AG 1. Entwicklung des Unternehmens bis zur Währungsreform a) Entstehung der Bayerische Motoren Werke AG Der deutsche Ingenieur Karl Rapp gründete 1913 die Rapp-Motorenwerke GmbH. Der Geschäftszweck der Gesellschaft bestand im Bau von Flugmotoren. Die Rapp-Motorenwerke GmbH wurde 1917 umbenannt in Bayerische Motorenwerke GmbH, welche ein Jahr später in die Bayerische Motorenwerke AG umgewandelt wurde und seit 1920 unter dem Namen Süddeutsche Bremsen-AG firmierte. Im Jahr 1985 ging diese Gesellschaft in der neugegründeten Knorr-Bremse AG auf. Die Süddeutsche Bremsen-AG veräußerte 1922 ihre Motorenbauabteilung sowie den Markennamen „Bayerische Motoren Werke“ an einen Motorenhersteller namens Bayerische Flugzeugwerke AG, die seitdem unter dem Namen Bayerische Motoren Werke AG (im Folgenden: BMW) firmiert. Zusätzlich zum bestehenden Flugmotorenbau begann BMW 1923 damit, Motorräder und ab 1928 Personenkraftwagen herzustellen. Im Jahr 1934 überführte das Unternehmen seine Flugmotorensparte in die dazu eigens neu gegründete hundertprozentige Tochtergesellschaft BMW Flugmotorenbau GmbH. BMW und die BMW Flugmotorenbau GmbH gründeten 1936 die Flugmotorenwerke Eisenach GmbH.1 Im Jahr 1939 übernahm die BMW Flugmotorenbau GmbH die Brandenburgischen Motorenwerke GmbH (Bramo) mit einem Werk in Berlin-Spandau und benannte die Gesellschaft um in BMW Flugmotorenwerke Brandenburg GmbH. Dazu kamen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs mehrere Unternehmensbeteiligungen, an denen BMW jedoch keine Mehrheit hielt und die damit nicht zum Konzernkonsolidierungskreis gehörten. Während die Fertigung von Kraftfahrzeugen bei BMW lag, verantworteten ihre Tochtergesellschaften den Flugmotorenbau. Die Fertigung von Motorrädern fand im Werk in München-Milbertshofen statt, Personenkraftwagen wurden ausschließlich im Werk in Eisenach hergestellt und der Flugmotorenbau war verteilt auf die Werke Allach, Eisenach und Berlin.2 Während des Zweiten Weltkriegs fertigte der BMWKonzern in all seinen Werken fast ausschließlich Flugmotoren für den militärischen Bedarf.

1 2

1939 umbenannt in BMW Flugmotorenwerke Eisenach GmbH. Seidl, S. 9 – 11.

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III. Bayerische Motoren Werke AG

Nach dem alliierten Produktionsverbot für Flugmotoren firmierte die BMW Flugmotoren Bau GmbH im Juni 1948 um in die BMW Verwaltungsgesellschaft mbH, die als Eigentümerin des Werkes in Allach und des nördlichen Werksgeländes in Milbertshofen nunmehr zu einer reinen Liegenschaftsgesellschaft wurde.3 Zum selben Zeitpunkt firmierte die BMW Flugmotorenwerke Brandenburg GmbH um in die BMW Maschinenfabrik Spandau GmbH.4 BMW blieb weiterhin Eigentümerin des Werks in Milbertshofen. Zum Beginn des Untersuchungszeitraums bestand der BMW-Konzern aus drei Kapitalgesellschaften. Die BMW AG hielt 100 Prozent der Anteile an der BMW Verwaltungsgesellschaft mbH, die ihrerseits 100 Prozent der Anteile an der BMW Maschinenfabrik Spandau GmbH hielt.

b) Kriegsschäden BMW bezifferte das Ausmaß der Zerstörung an den Gebäuden im Werk Milbertshofen auf 18 Prozent und in Allach auf 1,5 Prozent. Seidl geht davon, dass das Werk in Berlin-Spandau zu 60 Prozent zerstört war.5 Über das Ausmaß der kriegsbedingten Zerstörungen in Eisenach gibt es bislang keine veröffentlichten Zahlen. Damit dürften die tatsächlichen Vermögensverluste, die BMW durch direkte kriegerische Einwirkung erlitten hatte, deutlich geringer gewesen sein als von der zeitgenössischen Öffentlichkeit wahrgenommen. Die Zeitschrift „Volkswirt“ berichtete noch 1952, das Stammwerk in Milbertshofen sei zu schätzungsweise 40 Prozent, das Werk in Allach zu 20 Prozent und das Werk in Berlin-Spandau noch stärker zerstört worden.6

c) Beschlagnahmung und Vermögenskontrolle Die Werke in Allach und in Milbertshofen wurden am 30. April 1945 durch amerikanische Truppen besetzt. Während die amerikanische Militärregierung im Werk Milbertshofen zunächst eine beschränkte zivile Geschäftstätigkeit erlaubte, darunter die Herstellung von Motorrädern, Ersatzteilen für Personenkraftwagen sowie die Reparatur von Kraftfahrzeugen, wurde das Werk in Allach beschlagnahmt und BMW damit beauftragt, in Allach eine Reparaturwerkstatt für Kraftfahrzeuge der US-Armee einzurichten.7 Das Werk Milbertshofen musste die Produktion Ende 1945 einstellen, nachdem die amerikanische Militärregierung das gesamte Vermö3

BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG. Vom 7. Mai 1951. 4 Seidl, S. 49 f. 5 Seidl, S. 13 f. 6 Bayerische Motorenwerke. Gesunde Finanzstruktur, in: Der Volkswirt (1952, 23), S. 26. 7 Bayerische Motorenwerke. Gesunde Finanzstruktur, in: Der Volkswirt (1952, 23), S. 26; Seidl, S. 16 f.

1. Entwicklung des Unternehmens bis zur Währungsreform

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gen von BMW am 1. Oktober 1945 auf Grundlage des interalliierten Kontrollratsgesetzes Nr. 52 beschlagnahmt und einen Vermögensverwalter eingesetzt hatte. Erst im Frühjahr 1946 erhielt Milbertshofen eine erneute Fertigungserlaubnis für zivile Produkte. Diese schloss aber die Herstellung von Personenkraftwagen und diesmal auch von Motorrädern aus. Die Vermögenskontrolle endete am 8. November 1949. Die volle Verfügungsgewalt über das Werk Allach erhielt BMW jedoch erst nach Abzug der US-Armee im Jahr 1955 zurück.8 Nach der Einnahme Berlins durch die Rote Armee setzte der Berliner Magistrat zwei kommissarische Leiter für das Werk in Spandau ein, die zunächst eine behelfsmäßige Notproduktion wichtiger ziviler Güter organisierten. Die britische Besatzungsmacht beschlagnahmte das Werk in Berlin-Spandau am 29. Januar 1946 auf Grundlage des Kontrollrats-Gesetzes Nr. 52 und setzte am 8. September 1947 einen Treuhänder ein. Die volle Verfügungsgewalt über das Werk erlangte BMW mit dem Ende der Vermögenskontrolle am 31. Mai 1948. Die Eingliederung in den Konzern erwies sich jedoch als äußerst schwierig. Für die Produktion von Kraftfahrzeugen wurde das Werk nur insofern wichtig, als hier einige Ersatzteile hergestellt wurden.9 Das Werk in Eisenach wurde enteignet und in die Sowjetische Aktiengesellschaft Awtowelo umgewandelt und diente später der Herstellung des Modells „Wartburg“. Dies wog besonders schwer, da vor dem Krieg die gesamte Produktion von Personenkraftwagen in Eisenach zusammengefasst war. Bei der Beschlagnahmung durch die Rote Armee gingen BMW wertvolle Konstruktionszeichnungen für Motorräder und Personenkraftwagen verloren.

d) Demontagen und Reparationen Neben den Enteignungen und unkontrollierten Demontagen führte die Alliierte Militärregierung bis 1949 bei BMW umfangreiche Demontagen durch. BMW berief sich hinsichtlich des Wertes der demontierten Anlagen in ihrem Geschäftsbericht für die Jahre 1948 und 1949 auf einen amtlich festgestellten Wert in Höhe von 59 Millionen DM und setzte den Zeitwert (also den tatsächlichen Wiederbeschaffungswert) in nachfolgenden Geschäftsberichten mit 100 Millionen DM an.10 Demontiert wurden fast 9.000 Maschinen, sodass dem Unternehmen zum Aufbau einer Nachkriegsproduktion nicht viel mehr übrig blieb als die Gebäude in den Werken Milbertshofen, Allach und Spandau sowie ein Prototyp des Vorkriegsmodell BMW 8

Seidl, S. 16 f. Seidl, S. 27; dagegen ging die zeitgenössische Wirtschaftspresse von einem Zeitwert von über 100 Mio. DM aus, siehe Hiller, Heinrich: Hohe Eigenfinanzierung bei BMW. 1952 noch kleiner Verlust, in: Der Volkswirt 7 (1954, 3), S. 26. 10 WA UK C8/2: BMWAG Geschäftsbericht 1948/1949 und 1950, S. 5; dagegen bspw.: WA UK C8/2: Geschäftsbericht 1955. 9

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III. Bayerische Motoren Werke AG

332 und einige hundert Vorkriegsmotoren.11 Dem Unternehmen gingen zusätzlich nach den Bestimmungen des Gesetz Nr. 53 der Militärregierung sämtliche ausländischen Vermögenswerte verloren.

2. Bilanzanalyse a) DM-Eröffnungsbilanz Das D-Markbilanzgesetz des Jahres 1949 verpflichtete alle Aktiengesellschaft dazu, innerhalb von 7 Monaten beginnend ab dem 01. Juli 1949 eine Eröffnungsbilanz in Deutscher Mark zum Bilanzstichtag 21. Juni 1948 zu veröffentlichen.12 Da es einer Vielzahl von Unternehmen schwerfiel, diese Frist einzuhalten, verlängerte der Gesetzgeber die Frist auf den 29. Mai 1951, bis zu dem allerspätestens die Feststellung der Bilanz zu erfolgen hatte. BMW nutzte diese Frist bis zum letzten Tag aus, sodass die Hauptversammlung des Unternehmens erst am 29. Mai 1951 die vom Vorstand vorgelegte Eröffnungsbilanz feststellen konnte. Der Grund dafür bestand vor allem darin, dass die Umstellung wesentlicher Reichsmarkverbindlichkeiten mit den Gläubigern nicht vor Ablauf der Veröffentlichungsfrist geregelt werden konnte. Dies betraf die Forderungen von Lieferanten sowie Kreditverbindlichkeiten gegenüber der Deutschen Bank für Luftfahrt und der Deutschen Industriebank. Die Forderungen von BWM gegenüber dem Deutschen Reich aus der Zeit vor dem 8. Mai 1945 betrugen schätzungsweise 160 Millionen Reichsmark, denen rund 95 Millionen Reichsmark an Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten gegenüberstanden. Während die Forderungen gegenüber dem Reich durch die Währungsumstellungsgesetze (siehe Kapitel II. 1. c)) vollständig abgewertet wurden, verblieb eine DM-Schuld in Höhe von 9,5 Millionen DM an die Lieferanten. Die Beschlagnahmung des Vermögens auf der Grundlage des Gesetzes Nr. 52 der Militärregierung bot BMW zunächst einen gewissen Schuldnerschutz, weil sowohl die Militärregierung als auch der bayerische Staat unter Verweis auf die Vermögenskontrolle Gläubigeransprüche größtenteils abwehrten. Mit dem Ende der Vermögenskontrolle im Herbst 1949 änderte sich dies jedoch. Nun machten die Lieferanten ihre Ansprüche geltend. BMW nahm zunächst Abstand von der Möglichkeit, diese Forderungen durch Inanspruchnahme der Vertragshilfe bzw. des Leistungsverweigerungsrechts im Sinne des Umstellungsgesetzes in Anspruch zu nehmen, um die eigene Kreditwürdigkeit in der öffentlichen Wahrnehmung nicht zu gefährden. Erst nachdem einige Gläubiger versuchten, ihre Forderungen gerichtlich einzutreiben, stellte BMW einen Antrag auf Gewährung von Vertragshilfe. Das Amtsgericht 11 Gesch, Hans-Dieter: Die bayerische Wirtschaft in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, Diss., München 1969, S. 169; Hiller, BMW im Wandel der Marktstruktur, S. 128; Seidel, S. 31. 12 D-Markbilanzgesetz vom 21. 08. 1949, in: Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, S. 280.

2. Bilanzanalyse

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München kam dem Antrag nach und verhängte im August 1950 eine einjährige Stundung eines Teils der Forderungen.13 Nach der Feststellung der DM-Eröffnungsbilanz durch die Hauptversammlung wurde die Stundung um ein Jahr verlängert. In einer internen Kalkulation zum Ende des Jahres 1951 ging BMW davon aus, dass es aufgrund der weitgehend zerstörten Buchungsbelege unmöglich sein würde, vor Gericht den eigenen Anspruch auf das Leistungsverweigerungsrecht nachweisen zu können. Stattdessen stellte sich das Unternehmen nach einer Fühlungnahme mit dem Münchner Amtsgericht darauf ein, einen Betrag in Höhe von etwa 0,5 Millionen DM aufbringen zu müssen, um alle Altgläubiger zu befriedigen.14 Schließlich setzte der Vertragshilferichter im Juli 1952 die Herabsetzung der Altverbindlichkeiten auf 10 Prozent des Umstellungsbetrags fest.15 Bereits zuvor hatte der Aufsichtsrat im April 1952 intern einen Rahmenbetrag von 750.000 DM genehmigt, um die Altgläubiger abzufinden.16 Schließlich wurden von diesem Betrag nicht mehr als 250.000 DM in Anspruch genommen, um alle Altgläubiger abzufinden.17 Ein weiteres Problem ergab sich aus der Umstellung des sogenannten Investitionskredits III. Die Bank der Deutschen Luftfahrt als Konsortialführer, die Deutsche Bank sowie die Dresdner Bank hatten zu je einem Drittel einen Kreditbetrag in Höhe von 50 Millionen Reichsmark während des Krieges an BMW vergeben. Dieser Konsortialkredit wurde vor der Eröffnung der DM-Bilanz zu je einem Drittel in einzelne Direktkredite der Konsorten umgewandelt. Mit den Nachfolgeinstituten der Deutschen Bank und der Dresdner Bank wurde vereinbart, dass die Banken ihre Forderungen gegenüber der BMW Verwaltungsgesellschaft abschreiben und im Gegenzug Ausgleichsforderungen vom bayerischen Staat erhalten. Der bayerische Staat wiederum erklärte sich durch die Übertragung eines Aktienpaketes der BMW AG mit einem Nominalwert von 1 Million Reichsmark als abgefunden. Der Marktwert dieses Aktienpaketes betrug zu diesem Zeitpunkt etwa 0,3 Millionen DM. Eine vergleichbare Regelung konnte mit der Bank der Deutschen Luftfahrt nicht erreicht werden. Der Grund dafür war, dass die Bank aus gesetzlichen Gründen keine Ausgleichsforderungen gegenüber einem westdeutschen Bundesland erheben konnte. Stattdessen bot BMW eine Vergleichssumme in Höhe von maximal 0,2 Millionen DM an und machte vom Leistungsverweigerungsrecht (§ 21 Abs. 4 Umstellungsgesetz) Gebrauch. Die Bank lehnte die Vergleichssumme als zu niedrig ab und bestritt die Anwendbarkeit des Leistungsverweigerungsrechts auf den In13 BMW UA 1265: Abwicklung der Altverbindlichkeiten der Bayerische Motorenwerke AG und ihrer Tochtergesellschaften aus der Zeit vor dem 8. 5. 1945, S. 6 – 11. 14 BMW UA 1265: Abwicklung der Altverbindlichkeiten der Bayerische Motorenwerke AG und ihrer Tochtergesellschaften aus der Zeit vor dem 8. 5. 1945, S. 12 – 20. 15 BMW UA 143 – 1: Brief des Vorsitzenden des Aufsichtsrats, 14.8.52. 16 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motorenwerke AG vom 25. April 1952, S. 17. 17 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft am 3. Juni 1953.

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III. Bayerische Motoren Werke AG

vestitionskredit III. Der Streit zwischen BMW und der Deutschen Bank für Luftfahrt wurde erst 1961 durch ein Gerichtsurteil entschieden, welches die Zahlung einer Vergleichssumme durch BMW vorsah.18 Bei einer weiteren Kreditverbindlichkeit in Höhe von 25 Millionen Reichsmark (nach Umstellung 2,5 Millionen DM) gegenüber der Deutschen Industriebank machte BMW ebenfalls das Leistungsverweigerungsrecht geltend. Auch hier bestritt die Bank die Anwendbarkeit des Leistungsverweigerungsrechts. Der Aufsichtsrat von BMW folgte letztlich dem Vorschlag des Vorstandes, die endgültige Rechtsprechung zum Leistungsverweigerungsrecht abzuwarten und die Verbindlichkeit sowohl gegenüber der Deutschen Bank für Luftfahrt als auch gegenüber der Deutschen Industriebank notfalls zu Lasten der freien Rücklage zu finanzieren.19 Eine Aktennotiz des für den kaufmännischen Bereich zuständigen Vorstandsmitglieds Hanns Grewening fasst den Stand der Verhandlungen im Mai 1953 zusammen. Demzufolge herrschte zwischen BMW und der Industriekreditbank Düsseldorf, die mittlerweile die Verhandlungen im Namen der Deutschen Industriebank führte, Einigkeit darüber, dass die Höhe der Verbindlichkeit 2,5 Millionen DM betrage, alle ausstehenden Zinsen bis einschließlich 1952 gestrichen werden sollten und die Rückzahlung 1956 in 10 Jahresraten beginnen solle. Meinungsverschiedenheiten herrschten lediglich in Bezug auf den Zinssatz. Während BMW einen anfänglichen Zinssatz in Höhe von 3 Prozent vorschlug, der jährlich um einen Prozentpunkt steigen und ab 1956 dann fünf Prozent auf den zu diesem Zeitpunkt noch nicht getilgten Kreditbetrag erreichen sollte, verlangte die Bank einen Zinssatz von durchgehend 7,5 Prozent. Aus Sicht von BMW war es unverständlich, von der Bank keinen Kapitalnachlass gewährt zu bekommen, denn mit dem Kredit waren ursprünglich die Anlagen in Spandau erweitert worden, die nach dem Krieg nahezu vollständig verloren gegangen waren, sodass der Zins- und Tilgungslast keine wertschöpfenden Vermögenswerte mehr gegenüberstanden.20 Anhand des vorhandenen Quellenmaterials und der Literatur konnte nicht festgestellt werden, wie der Streit zwischen BMW und der Bank letztlich ausging. Die Umstellung zweier Obligationsanleihen der BMW AG hingegen lief vergleichsweise unproblematisch ab. BMW hatte im Jahr 1942 eine mit 4 Prozent verzinste und durch Grundschulden besicherte Teilschuldverschreibung in Höhe von 35 Millionen Reichsmark ausgegeben, der im folgenden Jahr eine weitere zu ebenfalls 4 Prozent und hypothekarisch besicherte Teilschuldverschreibung in Höhe von 20 Millionen Reichsmark folgte. Die Rückzahlungsbeträge wurden entsprechend den gesetzlichen Vorschriften im Verhältnis 10:1 auf insgesamt 5,5 Millionen DM umgestellt. Die Zinszahlungen wurden im Zuge eines Vertragshilfeverfahrens zunächst zwischen 1946 bis 1951 gestundet, nach Ablauf der Stundung von BMW 18

Seidl, S. 51. Die Höhe der Vergleichssumme konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG. Vom 7. Mai 1951. 20 BMW UA 1256: Aktennotiz. 19

2. Bilanzanalyse

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jedoch nicht bestritten und vollumfänglich gezahlt.21 Die ersten Tilgungen hätten laut Anleihebedingungen eigentlich im Jahr 1950 zur Verlosung kommen sollen, wurden aber zunächst aufgrund der Zinsstundungen nicht getätigt. Nach Ablauf der Zinsstundung 1951 verweigerte BMW weiterhin Tilgungszahlungen mit dem Verweis auf § 43 des Wertpapierbereinigungsgesetzes. Das Gesetz bestimmte, dass Teilkündigungen und Auslosungen bis zu einer anderweitigen gesetzlichen Regelung unzulässig sind. BMW erkannte jedoch bereits Ende 1951 die Verpflichtung gegenüber den Anleihegläubigern schließlich an, gemäß den Anleihebedingungen jährlich 300.000 DM zu tilgen, sobald diese gesetzliche Regelung erfolgt sei. Die ersten Tilgungsraten wurden 1955 fällig und beide Teilschuldverschreibungen wurden bis 1964 vollständig zurückgezahlt.22 Für BMW vorteilhaft entwickelten sich die Verhandlungen der Gesellschaft mit dem Staat bezüglich der Umstellungsgrundschulden. Der Investitionskredit III sowie die Teilschuldverschreibungen waren mit insgesamt 105 Millionen DM Grundschulden auf die Werke in Milbertshofen, Allach und Eisenach besichert. Nach Abzug des auf das enteignete Werk in Eisenach entfallenden Teils verblieben noch Grundschulden in Höhe von 80 Millionen Reichsmark. Nach der Umstellung auf DM im Verhältnis 10:1 verblieben 72 Millionen DM, die eigentlich als Währungsumstellungsgrundschulden an den Staat hätten abgeführt werden müssen. Das Bundesministerium der Finanzen und das Bayerische Staatsministerium der Finanzen verzichteten jedoch auf 55 Millionen DM, sodass die verbliebene Grundschuld lediglich 17 Millionen DM betrug. Der Verzicht des Staates galt grundsätzlich auch für die spätere Lastenausgleichsregelung.23 Das Sachanlagevermögen wurde nach Auffassung von Vorstand und Aufsichtsrat mit 52 Millionen DM vorsichtig bewertet. Darin enthalten war das Werk in Milbertshofen mit einem Buchwert von knapp 10 Millionen DM und die Beteiligung an der BMW Verwaltungsgesellschaft GmbH mit einem Buchwert von 42 Millionen DM. Der BMW Verwaltungsgesellschaft GmbH gehörte das Werk in Allach, das mit einem Buchwert von 40 Millionen DM bewertet wurde, sowie das Nordgelände des Werkes in Milbertshofen mit einem Buchwert in Höhe von rund 5 Millionen DM und die Beteiligung an der Maschinenfabrik Spandau GmbH. Der Buchwert der Beteiligung der BMW AG an der BMW Verwaltungsgesellschaft wurde durch Vorstand und Aufsichtsrat bewusst vorsichtig mit dem Nominalwert angesetzt, da das Werk bis dahin noch der Verfügungsgewalt der US-Armee unterstand und die Zukunft des Werkes als ungewiss galt. Die Führung der BMW AG wollte verhindern, dass durch

21

BMW UA 1265: Abwicklung der Altverbindlichkeiten der Bayerische Motorenwerke AG und ihrer Tochtergesellschaften aus der Zeit vor dem 8. 5. 1945, S. 22. 22 WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1963, S. 22. 23 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG. Vom 7. Mai 1951.

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III. Bayerische Motoren Werke AG

eine zu hohe Bewertung das Risiko einer ergebniswirksamen Abschreibung für die Folgejahre entstehen könnte.24 Die liquiden Mittel betrugen in der Reichmarkabschlussbilanz mit 69 Mio. RM lediglich 18 Prozent der Bilanzsumme. Allerdings enthielt die Bilanz noch 219 Mio. RM aktiviertes Vermögen, über das BMW aufgrund von Kriegsfolgen (Enteignungen, Reparationen, Wehrmachtsforderungen) nicht verfügen konnte, sodass der Anteil der liquiden Mittel am verfügbaren Vermögen mit 42 Prozent deutlich höher war.25 Es konnte nicht rekonstruiert werden, ob es BMW gelungen war, signifikante Reichsmarkbestände vor der Währungsreform in Sachanlagen zu investieren. Die Beantwortung dieser Frage zur Beurteilung der industriellen Substanz zum Zeitpunkt der Währungsreform ist allerdings auch nicht sonderlich erkenntnisfördernd. Denn selbst wenn es BMW gelungen wäre, liquide Mittel in Sachanlagen zu investieren, sind für die Bewertung der industriellen Substanz die bis 1949 stattfindenden Demontagen und Reparationen maßgeblich. Diese waren so umfangreich, dass BMW im Vergleich zu Daimler-Benz und dem Volkswagenwerk mit einem deutlich geringeren Sachanlagevermögen in die DM-Zeit startete.26 Die vorsichtige Bewertung des Anlagevermögens führte zu einer vergleichsweise geringen Eigenkapitalquote von rund 77 Prozent. Hinsichtlich der Verteilung des Eigenkapitals auf das Grundkapital und die Rücklagen folgte der Aufsichtsrat dem Vorschlag des Vorstands, einen größtmöglichen Betrag in die freie Rücklage einzustellen, um einen finanziellen Spielraum für die Dauer des Wiederaufbaus der Produktion zu gewinnen. Dieser Entschluss fußte vor allem auf der Erkenntnis, dass die Motorradproduktion allein noch nicht alle vorhandenen Kapazitäten auslastete und die Ertragslage des Werkes Allach unsicher war. Auch aus steuerlicher Sicht sprach laut einem Gutachten der Treuhandgesellschaft nichts gegen die vom Aufsichtsrat beschlossene Kapitalumstellung.27 Demzufolge betrug das Grundkapital schließlich 30 Millionen DM, die freie Rücklage 16 Millionen DM und die Gesetzliche Rücklage 3 Millionen DM.28 Damit startete die BMW AG aus der zeitgenössischen Sicht des Wirtschaftsmagazins „Der Volkswirt“ mit einer gesunden Bilanzstruktur in die DM-Zeit.29 Was die Zeitgenossen jedoch übersahen, war die Tatsache, dass dem Eigenkapital der BMW AG in Wirklichkeit nicht Anlagen mit einem Buchwert von 52 Millionen DM für die PKW-Produktion gegenüberstanden, 24

BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG. Vom 7. Mai 1951. 25 WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1948/49 und 1950. 26 Während BMW die für die Kraftfahrzeugproduktion verfügbaren Anlagen mit knapp 10 Millionen DM bewertete, betrugen die vergleichbaren Werte bei Daimler-Benz 58 Millionen DM und bei Volkswagen 85 Millionen DM. 27 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG. Vom 7. Mai 1951. 28 WA UK C8/2: Bericht der Bayerische Motorenwerke Aktiengesellschaft über den RMAbschluss zum 20. Juni 1948 und die DM-Eröffnungsbilanz zum 21. Juni 1948. 29 Bayerische Motorenwerke. Gesunde Finanzstruktur, in: Der Volkswirt (1952, 23), S. 26.

2. Bilanzanalyse

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sondern de facto lediglich Anlagen mit einem Buchwert von knapp 10 Millionen DM.

b) Mittelherkunft BMW erwirtschaftete zwischen 1948 und 1965 Jahresüberschüsse vor nichtzahlungswirksamen Abschreibungen auf das langfristige Vermögen (173 Millionen DM) und vor Zuführung zu den Rückstellungen (25 Millionen DM) von insgesamt 242 Millionen DM. Davon verblieben dem Unternehmen abzüglich der Finanzierung des Nettoumlaufvermögens (-77 Millionen DM), sonstiger nicht-zahlungswirksamer Aufwendungen und Erträge (-2 Millionen DM) sowie Dividenden (-11 Millionen DM) 152 Millionen DM für die Finanzierung langfristiger Investitionen (-315 Millionen DM). Die restlichen Investitionsmittel (163 Millionen DM) flossen dem Unternehmen zu durch die Nettoaufnahme finanzieller Verbindlichkeiten (68 Millionen DM), Kapitalerhöhungen (66 Millionen DM) sowie durch Desinvestitionen (36 Millionen DM). Der überschüssige Betrag, der nicht für Investitionen benötigt wurde, erhöhte die liquiden Mittel um 7 Millionen DM auf 11 Millionen DM.30 Bis zum Geschäftsjahr 1959 geht aus den veröffentlichten Geschäftsberichten hervor, dass BMW das Sachanlagevermögen grundsätzlich nach der linearen Methode abschrieb und dabei teilweise unter den steuerlichen Möglichkeiten blieb.31 Auch den gesetzlich möglichen Rahmen für zusätzliche Sonderabschreibungen nutzte BMW während der fünfziger Jahre bei Weitem nicht aus. So wurden die Maschinen im Geschäftsjahr 1953 aufgrund der Mehrbeschäftigung zwar doppelt so intensiv genutzt wie bei der Berechnung der linearen Abschreibungen geplant. Die zusätzlichen Sonderabschreibungen betrugen allerdings nur die Hälfte des Normalabschreibungssatzes. Des Weiteren erlaubte es eine Entschließung des bayerischen Finanzministeriums vom 7. Dezember 1951, jeweils bis zu einem Drittel des Anschaffungswertes einzelner Positionen des Sachanlagevermögens über 3 Jahre abzuschreiben. Im Jahr 1954 hätte BMW die Möglichkeit gehabt, auf diesem Wege bis zu 10 Millionen DM abzuschreiben. Diesen gesetzlich möglichen Rahmen schöpfte das Unternehmen jedoch nur zu rund 3 Millionen DM aus.32 Sonderbetriebsmittel

30 Siehe Geschäftsberichte der BMW AG 1948 – 1965; in den Kapitalerhöhungen sind die 15 Millionen DM Wandelanleihe enthalten. 31 WA UK C8/2: BMWAG Geschäftsbericht 1958, S. 17; BMWAG Geschäftsbericht 1958, S. 15. 32 BMW UA 1307: Deutsche Treuhandgesellschaft: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft, München Jahresabschluss zum 31. Dezember 1950, S. 33; Deutsche Treuhandgesellschaft: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft, München Jahresabschluss zum 31. Dezember 1950, S. 39 ff.

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III. Bayerische Motoren Werke AG

wurden erstmals 1959 für den BMW 700 aktiviert und über 3 Jahre abgeschrieben.33 BMW bilanzierte zwar 1955 erstmals Hypotheken in Höhe von rund 0,5 Million DM im Zusammenhang mit der Ausgabe eines Darlehens an eine Münchner Wohnungsbaugesellschaft zum Bau von Wohnungen für Mitarbeiter.34 Diese entsprach aber nicht den Anforderungen des § 7c EStG und wirkten daher nicht als steuermindernde Sonderbetriebsausgabe.35 Erst 1966 findet sich ein Hinweis im Geschäftsbereich darauf, dass die steuerlichen Möglichkeiten bei den Abschreibungen voll ausgenutzt wurden. Es kann also davon ausgegangen werden, dass BMW in den fünfziger Jahren tendenziell statt stiller Reserven eher stille Lasten bildete.

Abbildung 5: Net Cashflow BMW AG (Mio. DM) Quelle: WA UK C8/2: Geschäftsberichte BMW AG 1948 – 1965.

Der Net Cashflow des Unternehmens war während des Untersuchungszeitraums in der überwiegenden Anzahl der Geschäftsjahre negativ. Lediglich zu Beginn der fünfziger Jahre konnte BMW den Wiederaufbau der Motorradproduktion aus eigenen Mitteln finanzieren.36 Die Erträge aus dem Motorradgeschäft reichten für den Wiederaufbau der Produktion von Personenkraftwagen ab 1951 allerdings nicht mehr aus, sodass BMW den verbleibenden Betrag durch Kredite finanzieren musste.37 Dennoch kam der überwiegende Teil der Investitionen bis 1952 noch aus eigenen Mittel.38 Die Aufnahme mittelfristiger Kredite erfolgte in größerem Umfang

33

S. 15. 34 35 36 37 38

WA UK C8/2: BMWAG Geschäftsbericht 1958, S. 25; BMWAG Geschäftsbericht 1959, WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1955, S. 21. WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1958, S. 18. WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1948/1949 und 1950, ohne Seitenangabe. WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1951, S. 12. Siehe auch WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1953, S. 21.

2. Bilanzanalyse

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erst ab 1953.39 Der positive Net Cashflow des Jahres 1954 resultierte aus der Bezahlung aufgelaufener offener Rechnungen durch die US Armee für die Nutzung des Werkes in Allach und trug zu einer vorübergehenden Verbesserung der Finanzlage bei, sodass das Unternehmen kurzfristige Bankverbindlichkeiten tilgen und mit 8 Millionen DM vergleichsweise hohe liquide Mittel ausweisen konnte.40 Im folgenden Jahr schloss BMW mit der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg A. G. (MAN) einen Grundstückstauschvertrag ab und verkaufte einen Teil des Werkes in Allach an MAN. Doch dies reichte erneut nicht aus, um in den folgenden Jahren die Investitionen aus dem operativen Cashflow finanzieren zu können, sodass der Vorstand sich – allerdings vergeblich – bei den zuständigen Bundes- und Landesministerien um einen Remontagekredit in Höhe von 7 Millionen DM bemühte. Stattdessen wurden für die Investitionen Akzeptverbindlichkeiten (8,9 Millionen DM), kurzfristige Bankkredite (3,6 Millionen DM), Exporttrattenkredite (2,4 Millionen DM) sowie ein Vorschuss auf die eigentlich erst ein Jahr später fällige Restkaufpreisforderung über 4 Millionen DM gegenüber MAN für das Werk Allach herangezogen.41 Der Vorstand wies darüber hinaus darauf hin, dass es dem Unternehmen wie schon in früheren Jahren angesichts der schwierigen Lage auf dem Finanzmarkt nicht möglich sei, in dem Maße finanzielle Mittel zu beschaffen, wie es der Wiederaufbau nach der vollständigen Demontage des Werkes Milbertshofen erfordere. Dadurch sei es ab 1956 und 1957 zu einer Verschiebung dringender Investitionen gekommen.42 Diese sollten 1958 im Wesentlichen durch eine Wandelanleihe und ein Schuldscheindarlehen beschafft werden. Die Begebung der Wandelanleihe spülte tatsächlich 15 Millionen DM in die Kasse. Verhandlungen mit dem bayerischen Staat hinsichtlich einer Staatsbürgschaft für ein Schuldscheindarlehen in derselben Höhe waren indes nicht erfolgreich. Stattdessen kam es zu einem deutlichen Anstieg der kurzfristigen Bankkredite. Zur Deckung der operativen Verluste mussten die freie und die gesetzliche Rücklage aufgelöst werden.43 Nachdem die operativen Verluste weiter anhielten, wies der Vorstand im folgenden Jahr auf ein drohendes Insolvenzrisiko hin, sodass es unausweichlich sei, den Aktionären einen Sanierungsplan zur Abstimmung vorzulegen. Dieser Plan sah eine Herabsetzung des Grundkapitals von 30 auf 15 Millionen DM zur Deckung laufender Verluste vor bei anschließender Erhöhung des Grundkapitals um 70 Millionen DM durch Ausgabe neuer Aktien zum Kurs von 100 Prozent bei Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre an ein Konsortium aus Deutscher Bank, 39

WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1948/1949 und 1952, S. 10 f.; BMW AG Geschäftsbericht 1953, S. 21 f. 40 WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1954 S. 13. 41 WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1956, S. 20. 42 WA UK C8/2: BMWAG Geschäftsbericht 1956, S. 11; BMWAG Geschäftsbericht 1957, S. 12. 43 WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1958, S. 19 f.

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III. Bayerische Motoren Werke AG

Bayerischer Staatsbank, Bayerischer Landesanstalt für Wiederaufbau sowie der Daimler-Benz AG. In diesem Falle würde das Bankenkonsortium den zur Verfügung gestellten Betriebsmittelkredit über 24 Millionen DM dem Unternehmen bis auf Weiteres belassen. Diese Mittel solle das Unternehmen für den Aufbau einer wirtschaftlichen Produktion nutzen. Zusätzlich würden BMW durch Daimler-Benz Fertigungsaufträge mit einem jährlichen Wert von mindestens 100 Millionen DM zugewiesen.44 Die Aktionäre nahmen den vom Vorstand unterbreiteten Sanierungsplan auf der Hauptversammlung des Unternehmens am 9. Dezember 1959 jedoch nicht an. Stattdessen beschloss BMW im Februar 1960 eine Erhöhung des Stammkapitals ihrer Tochtergesellschaft von 10 auf 20 Millionen DM. Dieses wurde treuhänderisch vom Bayerischen Staat eingezahlt nebst einem Aufgeld von 2,67 Millionen DM an BMW. Die neuen Geschäftsanteile wurden noch im selben Jahr vom Land Bayern an MAN weiterveräußert, wofür BMW von MAN ein Aufgeld von 4 Millionen DM erhielt. Im Gegenzug gewährte MAN ein Darlehen über 20 Millionen DM mit einer Laufzeit von 10 Jahren. Das Darlehen war bis zum 30. Juni 1962 zins- und tilgungsfrei. Der Zinssatz lag bei etwas über 5 Prozent. Besichert war das Darlehen mit einer Verpfändung der Geschäftsanteile an der BMW Triebwerkbau GmbH.45 BMW verpflichtete sich im Gegenzug, 65 Prozent der Vermögensabgabepflichten der BMW Triebwerkbau GmbH im Rahmen des Lastenausgleichs abzulösen.46 Schließlich wurde das Eigenkapital von BMW zur Deckung der Verlustvorträge von 30 auf 22,5 Millionen DM herabgesetzt und zur Finanzierung der weiterhin erforderlichen Investitionen eine anschließende Kapitalerhöhung auf 60 Millionen DM beschlossen. Dabei wurden neue Aktien im Nennwert von 22,5 Millionen DM unter Wahrung des gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre und Aktien im Nennwert von 15 Millionen DM unter Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre ausgegeben. Diese Aktien sollten vorrangig den Inhabern der Wandelanleihe von 1958 und den Aktionären aus der bedingten Kapitalerhöhung angedient werden. Alle neuen Aktien waren ab dem Geschäftsjahr dividendenberechtigt. Da fast alle Aktien zum festgesetzten Kurs von 140 Prozent platziert werden konnten, flossen der BMW AG aus dieser Maßnahme im Geschäftsjahr 1961 rund 53 Millionen DM zu.47 Zur Finanzierung konnte 1960 erstmals auch wieder der Unternehmensgewinn mit einem Jahresüberschuss in Höhe von knapp 15 Millionen DM beitragen.48

44 45 46 47 48

Vgl. WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1958, S. 23 – 27. WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1960, S. 24. WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1959, S. 14. WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1960, S. 11. WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1960, S. 35.

2. Bilanzanalyse

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Dennoch blieb BMW stark angewiesen auf Fremdkapital zur Finanzierung der Investitionen. 1963 erhielt BMW von der Bayerischen Landesanstalt für Aufbaufinanzierung ein langfristiges Darlehen über 10 Millionen DM.49 Das Investitionsprogramm ab dem Jahr 1965 wurde im Wesentlichen mit eigenen Mitteln sowie mit einem Schuldscheindarlehn über 65 Millionen DM finanziert. Der bayerische Staat hatte für dieses Darlehen eine Bürgschaft übernommen. Dabei ist allerdings anzumerken, dass mit der ersten Tranche des Darlehens 1964 in Höhe von 50 Millionen DM vorrangig mittelfristige Verbindlichkeiten abgelöst wurden. Die Investitionen des Jahres 1965 wurden faktisch aus dem operativen Cashflow, der Veräußerung der verbliebenen Geschäftsanteile an der BMW Triebwerkbau GmbH an MAN im selben Jahr und der zweiten Tranche des Schuldscheindarlehens über 15 Millionen DM finanziert.50 Der Kaufpreis der Geschäftsanteile der BMW Triebwerkbau von rund 54 Millionen DM setzte sich zusammen aus einer Barzahlung in Höhe von 30 Millionen DM, einer Verrechnung mit der Restschuld aus dem Darlehen von 1960 (17,3 Millionen DM), drei Grundstücken in München (1,4 Millionen DM) sowie dem Stammkapital der BMW Maschinenfabrik Spandau GmbH (5,4 Millionen DM).51 Bei der Versteuerung des Buchgewinns von etwas mehr als 40 Millionen DM profitierte die BMW AG von der Regelung des § 6 b des Einkommensteuergesetzes. Dieser sah vor, dass Unternehmen für Buchgewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage bilden durften. Diese war spätestens 4 Jahre nach der Veräußerung gewinnerhöhend aufzulösen.52 Die Regelung des § 6 b ermöglichte damit keinen Steuererlass, wohl aber eine Steuerstundung mit entsprechenden positiven Zinseffekten für den Steuerschuldner, die in diesem Falle schätzungsweise 4 Millionen DM betragen haben dürften.53

c) Mittelverwendung Die BMW AG tätigte zwischen 1948 und 1965 insgesamt 315 Millionen DM bilanzielle Bruttoanlageinvestitionen. Der weitaus überwiegende Teil entfiel auf das Sachanlagevermögen (99 Prozent) und ein nur kleiner Teil auf den Erwerb von 49

WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1963, S. 22. WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1964, ohne Seitenangabe. 51 WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1964, ohne Seitenangabe. BMW UA 732 – 2: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft München. Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats vom 18. Mai 1965, S. 11. 52 Bekanntmachung der Neufassung des Einkommensteuergesetzes vom 10. Dezember 1965, in: BGBl. Teil 1, S. 1911 f. 53 Dieser Wert wurde wie folgt vom Verfasser kalkuliert: 41 Mio. DM Buchgewinn * 0,5 % Körperschaftssteuersatz = 20 Mio. Steuerschuld, gestundet auf 4 Jahre bei einem Marktzins von 5 % ergeben 4 Mio. DM. 50

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III. Bayerische Motoren Werke AG

Firmenanteilen (1 Prozent). Die Investitionspolitik war tendenziell expansiv: Während des gesamten Untersuchungszeitraums von 18 Jahren lagen die Zugänge zum langfristigen Anlagevermögen regelmäßig über den Abschreibungen. Zu einem deutlichen Anstieg der Investitionen kam es allerdings erst 1962. Vor dem Aufbau einer Produktionsanlage für Personenkraftwagen investierte das Unternehmen nach der Währungsreform bis 1950 ausschließlich in den Aufbau einer im Vergleich zur Herstellung von Personenkraftwagen vergleichsweise weniger kapitalintensiven Fertigung von Motorrädern, sodass im Werk Milbertshofen bereits im Jahr 1949 serienmäßig Motorräder hergestellt werden konnten.

Abbildung 6: Bilanzielle Bruttoanlageinvestitonen BMW AG (Mio. DM) Quelle: WA UK C8/2: Geschäftsberichte BMW AG 1948 – 1965.

BMW begann erst 1951, in den Aufbau einer Produktionsanlage für Personenkraftwagen zu investieren, sodass die Serienfertigung des ersten Nachkriegswagens 1953 begann. Der Wiederaufbau der Produktionsanlage für Personenkraftwagen war deutlich kapitalintensiver als die Motorradfertigung, sodass seit 1951 der größte Teil der jährlichen Anlagezugänge auf die Fertigung von Personenkraftwagen entfiel. Der Wiederaufbau fand 1954 seinen Abschluss.54 Um Umsatzverlusten aus der Sättigung der Nachfrage nach Motorrädern entgegenzuwirken, erwarb BMW 1954 die Lizenz für den Bau des Motor-Coupés Isetta und in den darauf folgenden zwei Jahren lag der Schwerpunkt der Investitionen auf dem Aufbau der Isetta-Produktion.55 Die in den Sparten Motorrad und Personenkraftwagen getätigten Investitionen dienten in diesem Zeitraum weniger der Er54 WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1948/1949 und 1950; BMW AG Geschäftsbericht 1951, S. 23; BMWAG Geschäftsbericht 1952, S. 25; BMWAG Geschäftsbericht 1953, S. 9; BMW AG Geschäftsbericht 1953, S. 20; BMW AG Geschäftsbericht 1954, S. 10; S. 13. 55 WA UK C8/2: BMWAG Geschäftsbericht 1954, S. 13; BMWAG Geschäftsbericht 1955, S. 9; BMW AG Geschäftsbericht, S. 19.

2. Bilanzanalyse

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weiterung der Produktionskapazitäten oder der Produktvielfalt als vielmehr der Rationalisierung der bestehenden Produktion.56 Nachdem BMW 1957 weniger als die Abschreibungen investiert hatte, nahm das Unternehmen 1958 seine tendenziell expansive Investitionspolitik wieder auf. In diesem und dem darauf folgenden Jahr investierte das Unternehmen 19 Millionen DM in den Aufbau der Klein- und Mittelklassewagenfertigung. Aufgrund unzureichender finanzieller Mittel unterblieben weitere Investitionen in Rationalisierungsmaßnahmen.57 Im Jahr 1959 konnte BMW das erste Mal seit der Währungsreform von der Möglichkeit Gebrauch machen, geringwertige, aber typengebundene Spezialwerkzeuge (6 Millionen DM) als Investition im Sachanlagevermögen zu aktivieren.58 In den Jahren 1960 und 1961 investierte das Unternehmen in die Erweiterung seiner Produktpalette mit dem Ziel, den Kleinwagen BMW 700 in mehreren Varianten anbieten zu können, sowie in die weitere Rationalisierung der Fertigung.59 Eine deutliche Ausweitung der Investitionstätigkeit nahm BMW seit der Währungsreform erstmals 1962 vor. Bis dahin hatten die Nettoanlageinvestitionen nur knapp 40 Millionen DM betragen. Im Jahr 1962 tätigte BMW Bruttoanlageinvestitionen in Höhe von 72 Millionen DM bei gleichzeitigen Abschreibungen auf das langfristige Vermögen in Höhe von 13 Millionen DM. Bis zum Ende des Untersuchungszeitraums im Jahr 1965 folgten weitere Nettoanlageinvestitionen in Höhe von insgesamt 44 Millionen DM. Mit dem umfangreichen Investitionsprogramm des Jahres 1962 erweiterte BMW das bestehende Kleinwagengeschäft um eine Produktionslinie für einen neuen Mittelklassewagen, den BMW 1500.60 Für die Jahre 1963 und 1964 zeigt sich eine Investitionstätigkeit auf dem Niveau normaler Ersatzinvestitionen, die vor allem der Rationalisierung der Anlagen zugutekam. Das Jahr 1965 war schließlich der Beginn eines umfangreichen und auf mehrere Jahre angelegten Investitionsprogramms mit dem Ziel der Modernisierung und Rationalisierung der Fertigung sowie der Erweiterung der Produktionskapazitäten. Dabei lagen die Schwerpunkte der Erweiterung der Produktpalette auf der Einführung eines neuen Mittelklassewagens, des BMW 1600, sowie eines neuen Oberklassewagens, des BMW 2000.61

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WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1955, S. 11; S. 21. WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1958, S. 11. 58 WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1959, S. 15; S. 22. 59 WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1960, S. 13; Bericht der Bayerischen Motorenwerke Aktiengesellschaft für das Geschäftsjahr 1961, S. 14. 60 WA UK C8/2: Bericht der Bayerischen Motoren Werke Aktiengesellschaft über das Geschäftsjahr 1961, S. 16. 61 WA UK C8/2: Bericht der Bayerischen Motoren Werke Aktiengesellschaft über das Geschäftsjahr 1965, ohne Seitenangabe. 57

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III. Bayerische Motoren Werke AG

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten a) Umsatz- und Ertragslage aa) Überblick BMW erwirtschaftete zwischen 1948 und 1965 einen Gesamtumsatz in Höhe von 3,5 Milliarden DM. Davon entfielen 2,4 Milliarden DM auf die Herstellung und den Verkauf von Personenkraftwagen (69 Prozent), 0,5 Milliarden DM auf die Herstellung und den Verkauf von Motorrädern (14 Prozent) sowie 0,6 Milliarden DM auf Sonstiges (17 Prozent). Der Umsatz aus Sonstigem bestand im Wesentlichen aus dem Geschäft mit Ersatzteilen, Dienstleitungen für die US-Armee im Werk Allach sowie Zulieferungen an die BMW Triebwerkbau GmbH, in welcher das Rüstungsgeschäft zusammengefasst war. Der Anteil der Rüstungsfertigung am Gesamtumsatz konnte auf Basis der Quellen nicht eindeutig ermittelt werden. Klar ist jedoch, dass die GmbH erst 1960 eine nennenswerte Rüstungsfertigung begann. Der gesamte Umsatz aus sonstigem Geschäft betrug zwischen 1960 und 1966 etwas über 550 Millionen DM. Für die Jahre 1962 und 1963 weisen die Geschäftsberichte der BMW AG für diesen Zeitraum insgesamt 18 Millionen DM Auszahlungen der GmbH an die AG aus. Bei einer konservativen Hochrechnung kann der Anteil der wertmäßigen Rüstungsproduktion am Gesamtumsatz zwischen 1948 und 1965 daher 10 Prozent des zwischen 1948 und 1965 erwirtschafteten Umsatzes wahrscheinlich nicht überstiegen haben.62 Das Motorrad wurde 1955 als dominierender Umsatzträger durch den Personenkraftwagen abgelöst und fiel in der Bedeutung 1957 auch hinter die sonstigen Umsätze zurück. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des Umsatzes betrug 22 Prozent, während die Menge der produzierten Personenkraftfahrzeuge jährlich im Durchschnitt um 74 Prozent zunahm. Eine verlässliche Wachstumsrate für die Absatzpreise konnte aus den Quellen nicht abgeleitet werden, allerdings legt der Vergleich zwischen Umsatz- und Mengenwachstum den Schluss nahe, dass es im betrachteten Zeitraum zu einer erheblichen Preisdegression gekommen sein muss. Es lassen sich grob zwei Wachstumsphasen voneinander abgrenzen. Die hohe Wachstumsrate des Umsatzes zwischen 1948 und 1959 war vor allem bedingt durch den niedrigen Ausgangswert des Jahres 1948/49. Die vergleichsweise niedrige Wachstumsrate der Folgejahre täuscht darüber hinweg, dass während dieses Zeitraums die höchsten absoluten Umsatzzuwächse erzielt wurden. Die Ertragskraft von BMW wird mit dem handelsrechtlich bilanzierten Jahresüberschuss gemessen. Die Profitabilität des Umsatzes wird gemessen anhand der Umsatzrendite (Jahresüberschuss/Umsatz). 62 Diese Vermutung basiert auf der Annahme gleichmäßiger Lieferungen der AG an die GmbH zwischen 1962 und 1965 und einem Zahlungsziel von 30 Tagen (9 Mio. DM x 12 Monate x 4 Jahre = 432 Mio. DM Umsatz).

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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Abbildung 7: Umsatz BMW AG (Mio. DM) Quelle: WA UK C8/2: Geschäftsberichte BMW AG 1948 – 1965.

Abbildung 8: Jahresüberschuss (Mio. DM) und Umsatzrendite BMW AG Quelle: WA UK C8/2: Geschäftsberichte BMW AG 1948 – 1965.

Ähnlich wie bei der Umsatzentwicklung lassen sich für die Ertragskraft und die Profitabilität drei Phasen voneinander abgrenzen. Während der Jahresüberschuss bis 1957 auf geringem Niveau verharrte, erwirtschaftete BMW 1958 und 1959 deutliche Verluste. Erst ab 1960 kam es zu einer Verbesserung der Ertragslage, die vorwiegend aus der besseren Umsatzrendite und nur zu einem geringeren Teil aus der Umsatzausweitung resultierte. Die quantitativen Ergebnisbeiträge sowie die Profitabilität einzelner Produkte und Produktgruppen können aus den zur Verfügung stehenden Quellen weder ver-

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III. Bayerische Motoren Werke AG

lässlich noch durchgehend ermittelt werden. Stattdessen sollen im Folgenden die kaufmännischen Entscheidungen, die der Umsatz- und Ergebnisplanung zu Grunde lagen, beleuchtet werden. Das Ziel soll es sein, die wesentlichen Ursachen für die Entwicklung der Umsatz- und Ertragslage zu bestimmen. Betrachtet werden die Reparaturaufträge für die US-Armee in Allach, das Motorradgeschäft, das Geschäft mit Personenkraftwagen sowie Rüstungsaufträge. bb) Werkstattgeschäft Die Reparaturen und Wartungen, die BMW in Allach für die US-Armee durchführte, brachten dem Unternehmen dringend benötigte Umsätze. Die US-Armee weigerte sich zwar, die von unabhängigen deutschen Behörden als angemessen eingestufte Miete zu zahlen, doch BMW hätte das Werksgelände während dieser Zeit keiner anderweitigen Wertschöpfung zuführen können. Dies lag einerseits daran, dass das Werk in Milbertshofen mit der Motorrad- und Wagenproduktion noch immer Kapazitätsreserven aufwies und ein angestrebter Verkauf an die Auto-Union scheiterte. Die nachträglichen Mietzahlungen, auf die man sich 1953 in einem Vergleich einigte, lagen mit knapp 11 Millionen DM unter den Maximal-Forderungen von BMW in Höhe von 36 Millionen DM. Der Aufsichtsratsvorsitzende hatte vor der Einigung mit der US-Armee eine mögliche Rückzahlung in Höhe von 12 bis 20 Millionen DM intern als gutes Ergebnis bewertet.63 Das Unternehmen nahm das unter den eigenen Erwartungen liegende Vergleichsangebot schließlich dennoch an, weil Vorstand und Aufsichtsrat der Auffassung waren, dass es sich das Unternehmen nicht leisten könne, durch das Beharren auf ein für BMW günstigeres Verhandlungsergebnis das Zustandekommen der Vergleichszahlung entweder ganz zu verhindern oder zu verzögern.64 Die Aktionäre kritisierten während der Hauptversammlung 1955 die schlechte Rentabilität des Unternehmens und forderten die Verwendung dieser Mittel zur „Dividendenpflege“. Der Aufsichtsratsvorsitzende Mangoldt-Reiboldt verhinderte dies jedoch, indem er argumentierte, dass erst die Substanz des Unternehmens wiederhergestellt werden müsse und dringend Mittel für Investitionen gebraucht würden.65 Als aber in den folgenden Jahren der Erfolg dieser Geschäftspolitik in Form einer Dividende ausblieb, nahm die Unzufriedenheit der Aktionäre weiter zu.66

63 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motorenwerke Aktiengesellschaft vom 3. Juni 1953, S. 10. 64 Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerischen Motorenwerke Aktiengesellschaft im Sitzungssaal der Süddeutschen Bank, Lenbachplatz, am 12. 12. 1953, S. 9 f. 65 Richebächer, Kurt: Bayerische Motoren Werke AG tilgt Verlust, in: Der Volkswirt 9 (1955, 45), S. 36; Hiller, Heinrich: Vorläufig keine Dividende bei BMW. Mittelstarker Wagen soll das Produktionsprogramm abrunden, in: Der Volkswirt 12 (1958, 5), S. 201. 66 Hiller, Vorläufig keine Dividende bei BMW, S. 201 f.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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cc) Motorräder Das Vorstandsmitglied Kurth Donath erkannte bereits 1946 die große Nachfrage nach Motorrädern mit einem Hubraum von 250 ccm. Dies war bis April 1949 die Höchstgrenze für den Hubraum, bis zu der die Alliierten deutschen Betrieben die Herstellung von Motorrädern im ersten Industrieplan erlaubt hatten. Folgerichtig begann BMW Ende 1948 mit der Serienfertigung des Motorrads R 24 mit einem Hubraum von 250 ccm.67 Nach dem Ende der Hubraumbeschränkung durch die Alliierten im April 1949 stieg BMW 1950 in die Hubraumklasse über 500 ccm und im Folgejahr in die Hubraumklasse über 600 ccm ein. Trotz der sich bereits Anfang der fünfziger Jahre verdichtenden Anzeichen für einen Rückgang der Nachfrage nach Motorrädern steigerte BMW den Motorradumsatz kontinuierlich bis 1955. In diesem Jahr erfasste das Ende des Motorradbooms auch BMW. Der Umsatz mit Motorrädern ging um 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück und der Gewinn verminderte sich von 12 Millionen DM auf etwa die Hälfte.68 Der Grund dafür war, dass einerseits die Preise für Motorräder angesichts der aufgestauten Überkapazitäten rückläufig waren, aber auch, weil der mengenmäßige Absatz von Motorrädern zurückging. Der Preis für ein Motorrad lag inzwischen dicht am Preis des Volkswagens, sodass viele Käufer den Erwerb eines Volkswagens dem eines Motorrads vorzogen.69 Die Unternehmensführung stellte spätestens zu diesem Zeitpunkt fest, dass das Motorrad für die Zukunft nicht mehr als wesentlicher Gewinnträger in Betracht kommen würde. Dennoch herrschte im Vorstand und im Aufsichtsrat Einigkeit darüber, dass BMWauch angesichts weiter sinkender Absatzzahlen weiterhin Motorräder herstellen solle. Begründet wurde diese Sichtweise damit, dass der „Name BMW“ wesentlich auch vom Motorrad abhänge.70 Diese Strategie verfolgte BMW bis zum Ende des Untersuchungszeitraums. dd) Personenkraftwagen Der Aufbau einer profitablen Produktion von Personenkraftwagen gestaltete sich im Vergleich zur Motorradfertigung sehr viel schwieriger. BMW verfügte nach dem Krieg nur noch über einen Prototyp des BMW 332, der eigentlich 1940 hätte präsentiert werden sollen, sowie einige hundert 6 V-Vorkriegsmotoren. Der Vorstand lehnte es bis 1948 ab, auf Grundlage des BMW 332 in die Produktion von Personenkraftwagen einzusteigen, weil dem Unternehmen zu diesem Zeitpunkt noch die Möglichkeiten fehlten, eine Automobilproduktion aufzubauen.71 Der Leiter der Konstruktionsabteilung Alfred Böning schlug Anfang 1947 vor, einen Wagen der 67

Seidel, S. 56 f. BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG. in den Räumen der Gesellschaft am 13. 8. 1955. 69 Seidl, S. 64 – 67. 70 BMW UA 143, Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 22. Juni 1956, S. 4; S. 12. 71 Kieselbach, Ralf: BMW 501/502. Barockengel, Stuttgart 1996, S. 9 – 16. 68

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III. Bayerische Motoren Werke AG

oberen Kleinwagenklasse auf Basis des 6 V-Motors zu entwickeln.72 Der Vorstand lehnte Bönings Vorschlag ab, denn das Gremium befürchtete, dass ein Kleinwagen dem Ruf, den die Marke BMW vor dem Krieg genossen hatte, schaden würde.73 Stattdessen entschied sich der Vorstand für die Produktion eines Wagens der unteren Oberklasse. Die Strategie bestand darin, mit der schrittweisen Weiterentwicklung eines Vorkriegsmodells der unteren Oberklasse und anschließender Kleinserienproduktion genügend Gewinne zu erwirtschaften, mit denen dann zu einem späteren Zeitpunkt die Produktpalette erweitert werden konnte.74 Der Aufsichtsrat schloss sich der Auffassung des Vorstandes zwar grundsätzlich an und ermächtigte den Vorstand dazu, am 17. November 1948 den Auftrag für die Entwicklung des BMW 501 zu erteilen. In der Folge äußerten jedoch die Vertreter der Hausbanken, insbesondere Gustav Wilhelm von Mallinckrodt von der Rhein-Main Bank (Nachfolgeinstitut der Dresdner Bank) wiederholt Zweifel an dem zu erwartenden Erfolg des geplanten Modells. Von Mallinckrodt wies darauf hin, dass BMW dem direkten Konkurrenzprodukt, dem Mercedes-Benz 220, schon etwas technisch sehr Außergewöhnliches entgegenhalten müsse, um sich in dem angestrebten Marksegment behaupten zu können. Der BMW 501 wurde mit den vorhandenen 1,9-Liter-Motoren von vor dem Krieg ausgerüstet, die für den geplanten BMW 501 eigentlich zu schwach waren und eine Untermotorisierung zur Folge hatten.75 Die Bedenken der Banken wurden jedoch seitens des Vorstands mit der Versicherung ausgeräumt, dass der Absatz des BMW 501 durch „BMW-Liebhaber“ so gut wie gesichert sei und dass, sobald die Nachfrage dieses Käuferkreises zurückgehe, der neu zu entwickelnde 2,5-Liter-Motor verbaut werde und der BMW 501 die Erwartungen einer breiten Käuferschicht auch im Vergleich zum Mercedes-Benz 220 erfüllen könne. Die zu frühe Forcierung technologischer Neuerungen berge hingegen unvertretbar hohe Risiken. Der Vorstand stellte die Kritiker im Aufsichtsrat vor die Entscheidung, entweder die schrittweise Entwicklung eines Personenkraftwagens zu genehmigen oder sämtliche Arbeiten am Wiederaufbau der Automobilproduktion gleich ganz einzustellen. Da auch bei den Kritikern die Einsicht bestand, dass BMW nur mit einer Motorradproduktion nicht rentabel würde wirtschaften können, genehmigte der Aufsichtsrat schließlich bis 1952 schrittweise Tranchen für Investitionen in den Automobilbau.76

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Kieselbach, S. 18. Kieselbach, S. 18 f. 74 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG am 8. 12. 1952, S. 6.; Hiller, BMW im Wandel der Marktstruktur, S. 129; Seidl, S. 71. 75 Bayerns Gloria, in: Der Spiegel (1960, 3), S. 23. 76 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG am 8. 12. 1952, S. 7 f. 73

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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Der Genehmigung der Investitionen lag allerdings eine Umsatzerwartung zu Grunde, die sich in der Folge als zu hoch herausstellte. Die Produktionszahlen sollten von 2.500 Stück im Jahr 1952 auf 6.600 Stück im Jahr 1953, auf 19.000 Stück im Jahr 1954 und auf 24.000 Stück im Jahr 1955 steigen.77 Bei einem kalkulierten Absatzpreis von rund 14.000 DM pro Wagen entsprach dies einer Umsatzerwartung von insgesamt rund 730 Millionen DM, von denen BMW gerade einmal 132 Millionen DM tatsächlich erreichte.78 Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass der BMWVorstand die Aufnahmefähigkeit des Marktes und die Konkurrenzfähigkeit des BMW 501 völlig falsch einschätzte. Die Neuzulassungen von Personenkraftwagen der unteren Oberklasse betrugen zwischen 1952 und 1954 allerdings gerade einmal 41.000 Stück. Zudem wurde der Markt für diese Fahrzeugklasse von Opel und Daimler-Benz dominiert.79 Bereits vor dem Beginn der Serienfertigung Ende 1952 korrigierte der BMW-Vorstand seine Erwartungen nach unten und ging nun davon aus, 1952 knapp 1.000 Fahrzeuge, 1953 ca. 2.200 und ab 1954 2.400 Stück zu produzieren.80 Hinsichtlich der Ertragslage erwartete der BMW-Vorstand aus dem Anlauf der Automobilproduktion bis 1954 Verluste in Höhe von fast 10 Millionen DM. Erst ab dem Jahr 1955 erwartete der Vorstand einen Gewinn in Höhe von rund 2 Millionen DM.81 Doch auch diese reduzierte Erwartung wurde nicht erreicht. Im Jahr 1952 wurden gerade einmal 49 Fahrzeuge hergestellt,82 weil der Zulieferbetrieb Baur die Karosserien nicht termingerechte liefern konnte und es Schwierigkeiten bei der Schulung von Facharbeitern gab.83 Auch im folgenden Jahr blieb die Produktion aufgrund des Facharbeitermangels unterhalb der Erwartungen und BMW stellte nur rund 1.500 Wagen her.84 Als die Produktion dann seit Mitte des Jahres 1953 reibungslos lief, ging die inländische Nachfrage nach Personenkraftwagen der Oberklasse um über vierzig Prozent zurück, sodass insgesamt knapp eintausend Fahrzeuge unverkauft blieben. Trotzdem stellte BMW 1954 noch knapp 3.500 und 1955 noch 4.391 BMW 501 her, bevor das Modell bis Ende der fünfziger Jahre schrittweise auslief.85

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Seidl, S. 71. BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG am 8. 12. 1952, S. 4. 79 Borgward, S. 46; S. 101. 80 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motorenwerk AG vom 25. April 1952. 81 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG am 27. Oktober 1952. 82 k: Bayerische Motorenwerke AG. Vor Abschluss der Aufbau und Anlaufperiode, in: Der Volkswirt 6 (1952, 46), S. 31. 83 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG am 27. Oktober 1952. 84 Verband der Automobilindustrie, 1964, S. 54 f. 85 Verband der Automobilindustrie, 1964, S. 54 f. 78

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III. Bayerische Motoren Werke AG

Neben der schwachen Absatzentwicklung belasteten die hohen Fertigungskosten die Rentabilität der Fahrzeuge. Dies lag zum einen an der hohen Lohnkostenintensität der Produktion. Das Unternehmen selbst kalkulierte, dass die Herstellung eines Fahrzeugs 250 Stunden nicht überschreiten dürfe. Die tatsächliche Stundenzahl betrug allerdings mit 660 Stunden mehr als das Zweieinhalbfache.86 Zum anderen war der Gemeinkostenanteil pro Wagen aufgrund der niedrigen Stückzahlen zu hoch.87 Eine Verbesserung der Rentabilität hätte also eine weitere Rationalisierung der Produktion und eine Erhöhung der Stückzahlen erfordert. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Ertragslage der Jahre 1952 bis 1954 belastet war von einer schwachen Absatzlage und einer unrentablen Produktion, sodass der Wiedereinstieg in das Geschäft mit Personenkraftwagen bis 1954 wenig erfolgreich blieb.88 Bereits innerhalb eines Jahres nach dem Beginn der Serienfertigung des 501 gelangte der Aufsichtsrat zu der Überzeugung, dass der BMW 501 ein kommerzieller Misserfolg war und beauftragte den Vorstand damit, die Planungen für die Produktion eines Mittelklassewagens voranzubringen.89 Im Aufsichtsrat wurde im Dezember 1954 über die Planung eines Mittelklassewagens in der Hubraumklasse zwischen 800 – 1800 ccm diskutiert. Der Einstieg in dieses Marktsegment erschien dem Vorstand aufgrund der dort erzielten hohen Absatzzahlen als sehr aussichtsreich.90 Gleichzeitig zu der Entwicklung des Mittelklassewagens sollten die Kosten für den BMW 501 reduziert werden und das Modell zu einem leistungsstärkeren BMW 502 weiterentwickelt werden.91 Der BMW 502 wurde im Frühjahr 1954 präsentiert und basierte auf dem Fahrgestell und der Karosserie des 501, verfügte aber über einen neuen 8-Zylindermotor mit wahlweise 2.600 ccm oder 3.200 ccm Hubraum. Zusätzlich präsentierte BMW ein Coupé und zwei Cabriolets. Der neu angebotene BMW 501 B konnte durch den Verzicht auf serienmäßige Ausstattungsgegenstände im Preis konkurrenzfähiger gemacht werden und Rationalisierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen erlaubten ab März 1954 eine weitere Preissenkung.92 Trotzdem stieg der Bestand fertiger Fahrzeuge weiter an. Mit dem BMW 502 war BMW nun auch im Markt der gehobenen Oberklasse vertreten, in dem die Nachfrage noch viel geringer war. Im Herbst 1955 präsentierte BMW drei weitere 86

BMW UA 143 – 1: Notizen zur Vorbereitung einer Besprechung hinsichtlich der Einführung eines Produktivitätsbüros, undatiert. 87 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerischen Motoren Werke AG am 1. 3. 1954 um 10h in den Räumlichkeiten der Gesellschaft. 88 Hiller, Heinrich: Bayerische Motorenwerke AG. Ausbau der Automobilfabrik beendet – 1953 kleiner Gewinn, in: Der Volkswirt 8 (1954, 46), S. 26; Richebächer, S. 35. 89 BMW UA 143 – 1: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerischen Motoren Werke AG, 12. 12. 1953, S. 8 f. 90 Seidl, S. 94. 91 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG am 1. 9. 1954. 92 Verband der Automobilindustrie, 1964, S. 54 f.; Seidl, S. 95.

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Fahrzeuge der gehobenen Oberklasse. Der BMW 505, der BMW 503 und der BMW 507 wurden in Handarbeit in kleinen Stückzahlen gefertigt und konnten aufgrund der hohen Preise, die teilweise über 25.000 DM lagen, selbst in den USA kaum abgesetzt werden.93 Um das nachlassende Motorradgeschäft bis zur Erreichung einer rentablen Wagenproduktion zu überbrücken, erwarb BMW 1954 von der Firma Isomoto die Generallizenz für die Produktion und den Vertrieb des Kleinstwagens Isetta 200 für Deutschland, Österreich, Schweiz, Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland.94 Die serienmäßige Produktion begann im April 1955. Der Anlaufverlust betrug bis 1956 7,8 Millionen DM, obwohl von 13.000 hergestellten Isettas alle verkauft wurden.95 Die hohe Nachfrage nach der Isetta und eine Verbesserung des Absatzes bei den großen Fahrzeugtypen überzeugte den Aufsichtsrat im Sommer 1955 von dem Vorschlag des Vorstandes, Investitionen über 15 Millionen DM zu genehmigen, um die Jahreskapazität bei den schweren Wagen auf 6.000 Einheiten und bei der Isetta auf 32.000 zu steigern.96 Während bei der Isetta 1956 von 31.708 produzierten Einheiten 28.897 verkauft werden konnten, blieb die Produktion der Pkws mit 3.775 Einheiten, von denen 3.268 abgesetzt wurden, erneut hinter den Erwartungen zurück. Die Verluste aus dem Automobilgeschäft betrugen bis 1956 59 Millionen DM und zehrten die Gewinne aus dem Motorradgeschäft damit vollständig auf, sodass der Vorstand bereits im Sommer 1955 im Aufsichtsrat seiner großen Sorge über die negative Ertragslage Ausdruck verlieh.97 Das Vorstandsmitglied Fritz Fiedler schlug daraufhin im Juni 1956 die Entwicklung einer neuen Karosserie für den 8-Zylindermotor, die Entwicklung eines Mittelklassenwagens sowie die Vergrößerung der Isetta vor.98 Diesem Vorschlag folgte der Aufsichtsrat allerdings erst ein Jahr später, nachdem ihn der neue Vorstandsvorsitzende Heinrich Richter-Brohm mit dem schonungslosen Ergebnis seiner Analyse der Unternehmenssituation konfrontierte.99 Der Absatz der Motorräder werde marktbedingt weiter zurückgehen, bei der Wagenproduktion erlaube die Wechselwirkung aus kleinen Stückzahlen und hohem Preis keine gewinnbringende

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Verband der Automobilindustrie, 1964, S. 54 f. BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerischen Motoren Werke AG am 10. Oktober 1954. 95 Hiller, BMW im Wandel der Marktstruktur, S. 129; Seidel, S. 31; S. 104; S. 124. 96 Seidl, S. 106. 97 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG. in den Räumen der Gesellschaft am 13. 8. 1955 um 10:00 Uhr. 98 Seidl, S. 129. 99 BMW UA 424 – 2: Protokoll der Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motorenwerke AG im Sitzungssaal der Gesellschaft am 1. August 1957. 94

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Fertigung und die Isetta sei nicht mehr als eine kurzfristige Übergangslösung.100 Die einzige Möglichkeit, BMW vor der Liquidation zu bewahren, bestünde darin, in großen Stückzahlen einen günstigen Mittelklassewagen zu produzieren. Der Vorstand kalkulierte bei einer jährlichen Stückzahl von 24.000 Mittelklassewagen über 5 Jahre einen durchschnittlichen Gewinn in Höhe von 300 DM pro Wagen. In den ersten Jahren der Serienfertigung wurde aufgrund von Anlaufkosten allerdings ein Verlust erwartet.101 Bis zum geplanten Beginn der Serienproduktion des Mittelklassewagens Ende 1958 sollte daher als Übergangslösung ein auf der Isetta basierender viersitziger Kleinwagen, der BMW 600, produziert werden.102 Dieser als „Zukunftsprogramm“ bezeichnete Plan geriet jedoch bereits nach einem Jahr ins Stocken. Während von den geplanten 30.000 BMW 600 bis zum Sommer 1958 nur 21.000 Stück verkauft werden konnten, musste auch der Beginn der Serienfertigung des Mittelklassewagens aufgrund finanzieller Engpässe verschoben und die Produktion der Typen BMW 501 und BMW 502 zur Überbrückung bis ins Jahr 1959 verlängert werden. Dies hatte eine weitere Verschlechterung der Ertragslage zur Folge.103 Glücklicherweise hatte der Vorstand bereits am 15. Januar 1958 den österreichischen BMW-Importeur Wolfgang Denzel mit der Entwicklung eines viersitzigen Sport-Coupés auf der Grundlage des BMW 600 beauftragt. Als die ersten Verkaufsschwierigkeiten beim BMW 600 auftraten, beschloss der Vorstand, den Produktionsbeginn dieses Fahrzeugs auf Juli 1959 vorzuziehen und für den nun BMW 700 genannten Wagen auf der Basis des 600-ccm-Motors einen neuen 2-Zylindermotor mit einem Hubraum von 700 ccm zu entwickeln.104 Die Arbeiten an dem neuen Modell wurden durch die Zuspitzung der finanziellen Lage empfindlich gestört, da der Vorstand im April 1959 einen Auftragsstopp verhängte. Erst gegen Ende des Jahres war eine Monatsproduktion von 1.500 Stück möglich. Der BMW 700 entwickelte sich im Laufe des Jahres 1960 zu einem kommerziellen Erfolg und blieb bis in das Jahr 1962 hinein der wichtigste Umsatzträger.105 Der Erfolg des BMW 700 ermöglichte es dem Unternehmen in der Zwischenzeit, den neuen Mittelklassewagen BMW 1500 zu entwickeln. Dieser Wagen sprach mit großem Erfolg ein Marktsegment von Kunden an, die ein sportlicheres und exklusiveres Fahrzeug bevorzugten, als von den Wettbewerbern Opel, Ford und dem 100

BMW UA 424 – 2: Protokoll über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motorenwerke AG im Sitzungssaal der Gesellschaft am 26. Juni 1957, S. 2. 101 BMW UA 424 – 2: Protokoll über die Vorstandssitzung am 14. 5. 1957, S. 3. 102 BMW UA 424 – 2: Protokoll der Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motorenwerke AG im Sitzungssaal der Gesellschaft am 1. August 1957; Seidl, S. 138; Hiller, Heinrich: BMW vor der Sanierung. Kein anderer Weg möglich, in: Der Volkswirt 13 (1959, 48), S. 2562. 103 Seidl, S. 141 – 144. 104 Seidl, S. 155. 105 WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1960, S. 31; Hf.: Risikoreicher Alleingang der BMW. Die finanzielle Sanierung ist nur ein erster Schritt, in: Der Volkswirt 14 (1960, 48), S. 2596; Seidl, S. 282.

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Volkswagenwerk angeboten wurde, die aber nicht bereit waren, für das Mehr an Exklusivität die hohen Preise für einen Mercedes-Benz zu zahlen. Diesen Wagentyp vermarktete BMW als „Neue Klasse“ und legte im Laufe der sechziger Jahre gleich mehrere weitere Modelle in dieser Fahrzeugkategorie nach, die mindestens ebenso erfolgreich waren wie der BMW 1500. War mit dem BMW 700 der erste kommerziell erfolgreiche PKW am Markt platziert, so leitete die „Neue Klasse“ ab 1962 eine lang anhaltende Phase profitablen Wachstums ein. ee) Rüstungsgüter Der Alliierte Kontrollrat verfügte in seiner Proklamation Nr. 2 vom 20. September 1945, dass es Deutschen in Deutschland verboten sei, Flugzeuge herzustellen. Die Interessenvertretung der deutschen Luftfahrtindustrie, der Verband zur Förderung der Luftfahrt, ging noch im Herbst 1953 davon aus, dass es bis zum Ende der fünfziger Jahre dauern würde, bis das Verbot des Kontrollrates aufgehoben werden würde. Aus den Aufsichtsratssitzungsprotokollen der BMW AG geht hervor, dass BMW bereits zu diesem Zeitpunkt erste Anfragen für Rüstungsaufträge und -kooperationen von ausländischen Firmen erhielt. Der Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur NATO im Jahr 1954 hob das alliierte Produktionsverbot jedoch früher auf als von der deutschen Luftfahrtindustrie erwartet. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sich das Interesse der Bundesregierung, BMW als Produktionsstandort für eine deutsche Luftrüstung zu gewinnen und zu sichern, nach der Unterzeichnung des Protokolls III des Pariser Vertrags am 23. Oktober 1954 schlagartig erhöhte.106 Trotzdem dauerte es noch einige Jahre, bis BMW wieder in das Luftrüstungsgeschäft einstieg. Den Beginn eines nennenswerten Rüstungsgeschäfts markierten vier Verträge, welche die BMW Triebwerkbau GmbH mit dem Bundesverteidigungsministerium erst Ende der fünfziger Jahre abschloss. Dabei handelte es sich um je einen Betreuungs- und Reparaturauftrag für Kolbenflugmotoren der Firma Lycoming, für Triebwerke der Firma Orenda und für Panzermotoren US-amerikanischer Herkunft sowie um einen Liefervertrag von knapp 300 Lycoming-Flugmotoren mit einem Auftragsvolumen von insgesamt 54 Millionen DM bis 1961.107 Es folgten weitere Verträge, darunter vor allem die Lizenzfertigung für das Triebwerk J 79 der Firma General Electric, welches im Starfighter zum Einsatz kam, und Teilfertigungen für das Triebwerk Tyne Mk 21 der Firma Hispano Suiza. Dies hatte eine deutliche Umsatzausweitung der BMW Triebwerkbau GmbH zur Folge. Während der Umsatz 1960 noch 31 Millionen DM betrug, stieg er bis 1964 auf 336 Millionen DM.108 106

Siehe Budraß, Lutz: Buschflugzeug und Senkrechtstarter: VFW 614 und VAK 191B, in: Kuckuk, Peter u. a. (Hg.): Ein Jahrhundert Luft- und Raumfahrt in Bremen. Von den frühsten Flugversuchen zum Airbus und zur Ariane, Bremen 2016, S. 265. 107 BMW UA 104: Bericht über Werk Allach vom 23. Juni 1958. 108 Seidl, S. 300.

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BMW profitierte von dem Rüstungsgeschäft der Tochtergesellschaft nur eingeschränkt, weil das Bundesverteidigungsministerium von Beginn an die Vergabe von Aufträgen an weitreichende Bedingungen geknüpft hatte, um zu verhindern, dass die prekäre finanzielle Situation bei BMW zu einer Gefahr für die planmäßige Aufrüstung der Bundeswehr werden konnte. So setzte das Bundesverteidigungsministerium nach mühseligen Verhandlungen durch, dass der Organschaft-Vertrag zwischen der BMW AG und der BMW Triebwerkbau GmbH für die Dauer der Rüstungsaufträge aufgelöst wurde. Des Weiteren erhielt die GmbH einen Aufsichtsrat, der mit zwei Vertretern des Bundesverteidigungsministeriums, zwei Arbeitnehmervertretern, einem Vertreter der BMW AG und einem neutralen Vertreter besetzt wurde.109 Diese Zugeständnisse von BMW gegenüber dem Ministerium bewirkten, dass eine Ausschüttung der bei der GmbH anfallenden Gewinne an die BMW AG nicht mehr alleine durch BMW gesteuert werden konnte. BMW profitierte allerdings indirekt von den Rüstungsaufträgen, da die GmbH Zulieferaufträge bei der BMWAG platzierte. Die genaue Höhe der dadurch bei der BMW AG anfallenden Ergebnisbeiträge konnte aus den Quellen nicht ermittelt werden. Lediglich einen Anhaltspunkt liefern die veröffentlichten Jahresabschlüsse der BMW AG für die Jahre 1962 und 1963. Demzufolge aktivierte die AG zum jeweiligen Jahresende 8 beziehungsweise 10 Millionen DM Anzahlungen der BMW Triebwerkbau GmbH. Bei einem Gesamtumsatz der AG von 728 Millionen DM im selben Zeitraum hätten die nachweislichen Rüstungsaufträge weniger als 3 Prozent des Gesamtumsatzes ausgemacht. Die Umsatzrentabilität des Rüstungsgeschäfts ließ sich dem Geschäftsbericht der BMW AG nicht entnehmen. Immerhin leisteten die Zulieferungen einen Beitrag zur Auslastung der Kapazitäten und die Anzahlungen dürften geholfen haben, das Umlaufvermögen mit zu finanzieren. Eine Gewinnausschüttung auf das Beteiligungskapital zahlte die BMW Triebwerkbau GmbH erstmalig 1964. Die BMW AG erhielt in diesem Jahr insgesamt knapp zwei Millionen DM für die Geschäftsjahre 1961 bis 1963.110 Insgesamt muss bezweifelt werden, dass die Gewinne aus der GmbH ausgereicht haben dürften, um einen wesentlichen finanziellen Impuls für Investitionen im Kraftfahrzeugbau zu setzen. Der BMW-Vorstand ging in einer internen Besprechung vom Mai 1958 nicht davon aus, dass sich ein ausgeglichenes Ergebnis der Triebwerkbau GmbH durch die Rüstungsaufträge, geschweige denn eine Sanierung der BMW AG erzielen lasse.111 Entsprechend zäh gestalteten sich die Verhandlungen zwischen dem Vorstand und den beteiligten Ministerien. Der damalige Vorstandsvorsitzende Heinrich Richter-Brohm empfand das Bestreben des Staates, der BMW AG die unternehmerische Verfügungsgewalt über die Triebwerkbau GmbH zu entziehen, als „dirigistische Bestrebungen“, denen nicht zuletzt aus prinzipiellen 109

BMW UA 424: Bericht des Vorstands zur Situation in Allach, 4. November 1957. WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1962, S. 18; BMW AG Geschäftsbericht 1963, ohne Seitenangabe; BMW AG Geschäftsbericht 1964, ohne Seitenangabe. 111 BMW UA 107: Protokoll über die Vorstandssitzung vom 28. und 31. 5. 1957, S. 1 f. 110

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Erwägungen zu widersprechen sei.112 Den immer weitgehenderen Forderungen insbesondere des Freistaates Bayern widersetze sich Richter-Brohm schließlich in einem persönlichen Brief an Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Strauß und riskierte damit, die gesamte Auftragsvergabe scheitern zu lassen.113 Letztlich entschied sich Strauß dennoch für die Auftragsvergabe an BMW, weil es Richter-Brohm gelang, Strauß davon zu überzeugen, einen bedeutenden Experten für das Unternehmen gewonnen zu haben, mit dem BMW nun ein eigenes Strahltriebwerk entwickeln könne. Diese Möglichkeit erlaubte es Strauß, auf die ursprünglich geplante und teure Kooperation mit Rolls Royce zu verzichten.114

b) Desinvestitionen aa) Teilverkauf Werk Allach 1955 Daimler-Benz war bereits 1950 an der Pachtung des Werkes in Allach interessiert. Die anschließenden Verhandlungen zwischen BMW und dem bayerischen Staat über den Kauf des Werkes durch den Freistaat bei anschließender Verpachtung an Daimler-Benz scheiterten jedoch an dem bis dahin noch völlig offenen Datum für den Abzug der US-Armee aus dem Werk sowie an unterschiedlichen Kaufpreisvorstellungen von BMW und dem bayerischen Finanzministerium.115 Als die USArmee im April 1954 die Auflösung ihres Standortes in Allach bekannt gab, musste BMW schließlich eine externe Nutzung für das riesige Gelände finden, da die Anlagen durch die Motorrad- und Wagenproduktion nicht hätten ausgelastet werden können. Im Herbst 1954 gab es mit den Ford-Werken aus Köln und MAN zwei ernsthafte Interessenten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte sich in Vorstand und Aufsichtsrat jedoch die Sichtweise durchgesetzt, dass BMW das Werk auf keinen Fall verkaufen sollte. Favorisiert wurde die Verpachtung des Geländes an die FordWerke in Köln, weil sich das Unternehmen davon eine mögliche Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Lastwagenaufbauten versprach. Auch ein gesellschaftsrechtliches Zusammengehen mit Ford wurde in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen. Nachdem die Ford-Zentrale in Detroit eine derartige Kooperation jedoch abgelehnt hatte und die Verhandlungen im Oktober beendete, intensivierte BMW die

112

BMW UA 107: Protokoll über die Vorstandssitzung am 22. 3. 1957, S. 3. BMW UA 54: Brief des Vorstands der BMWAG an Bundesverteidigungsminister FranzJosef Strauß, 20. 08. 1958. 114 Seidl, S. 178 f. 115 BMW UA 1265: Aktenvermerk über die Besprechung mit dem Bayerischen Wirtschaftsminister, Herrn Dr. Seidel, am 10. 10. 1951; BMW UA 1265: Aktennotiz über die Besprechung im Bayerischen Finanzministerium am 6. 11. 1950. 113

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Verhandlungen mit MAN.116 Der Verlauf der Verhandlungen ist insofern bemerkenswert, als sich die Einstellung von BWM innerhalb von nur 4 Monaten grundlegend änderte. Waren Vorstand und Aufsichtsrat noch im September 1954 der Ansicht, das Werk lediglich verpachten und nicht verkaufen zu wollen, so wurden im Januar 1955 nur noch die technischen und steuerrechtlichen Details des Verkaufs eines großen Teils des Werkes diskutiert.117 Dieser Meinungsumschwung zeigt, wie angespannt die finanzielle Situation des Unternehmens zu diesem Zeitpunkt war. Sowohl der Aufsichtsratsvorsitzende Mangoldt-Reiboldt als auch der Vertreter der Rhein-Main Bank im Aufsichtsrat Ernst Matthiensen versprachen sich von dem Verkauf eine erhebliche Verbesserung der Liquidität bei BMW. Schließlich verkaufte BMW im April 1955 einen Teil des Werkes für einen Kaufpreis von rund 22 Millionen DM an MAN, der bis 1957 in Raten gezahlt wurde. Die Restkaufpreisforderung in Höhe von 7,5 Millionen DM floss BMW allerdings bereits 1956 in Form eines Lombardkredits zu.118 Des Weiteren verpflichtete sich MAN zu der Pachtung einer Halle und zur Errichtung von Werksgebäuden für BMW in Milbertshofen und Allach. Das in Allach errichtete Gebäude wurde nach Fertigstellung von BMW gegen die von MAN gepachtete Halle getauscht.119 Problematisch für BMW war allerdings, dass dem Unternehmen von dem steuerlichen Buchgewinn in Höhe von rund 21 Millionen DM bei einem Körperschaftssteuersatz von 45 Prozent nur etwas mehr als die Hälfte des Verkaufserlöses verblieben wäre. Auch hier gelang es BMW, den Staat zu Zusagen zu bewegen. Dieses Mal argumentierte die Gesellschaft aber nicht mit ihren hohen Demontageverlusten, sondern führte als wesentliches Argument in den Verhandlungen mit dem bayerischen Finanzministerium und dem Bundesfinanzministerium an, dass der Verkauf nur getätigt würde, um im Interesse der Allgemeinheit das „kurzfristige Sozialproblem“ zu lösen. Damit war die Sicherung industrieller Arbeitsplätze in Allach gemeint, die nach dem Abzug der US-Armee zur Disposition gestanden hätten.120 Der Staat erlaubte es BMW schließlich, den Buchgewinn durch die Zuführung zu einer „Ersatzbeschaffungsrücklage“ in Höhe von rund 8 Millionen DM zu vermindern. Die Rücklage war in den Jahren 1960 bis 1964 ratierlich aufzulösen. Des Weiteren sollte der verbliebende Gewinn mit lediglich der Hälfte des Körperschaftssteuersatzes versteuert werden. Insgesamt bedeutete dies eine Stärkung der Eigenfinanzierungskraft in Höhe von rund 11 Millionen DM, die direkt auf staatliches Entgegenkommen zurückzuführen ist. 116 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG am 1. 9. 1954; Seidl, S. 42. 117 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG. in den Räumen der Gesellschaft am 8. Januar 1955 um 10:00 Uhr. 118 BMW UA 143 – 2: Protokoll der Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG., München, im Sitzungssaal der Gesellschaft am 22. 6. 1956, S. 8. 119 Seidl, S. 47. 120 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG. in den Räumen der Gesellschaft am 8. Januar 1955, S. 6.

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bb) Veräußerung der BMW Triebwerkbau GmbH BMW veräußerte die ersten 50 Prozent der Geschäftsanteile an der BMW Triebwerkbau GmbH an MAN nicht freiwillig, sondern nur auf Druck des Bundesverteidigungsministers Franz-Josef Strauß. BMW selbst favorisierte eine Beteiligung der MAN an der BMW AG mit dem Ziel, nicht nur das Rüstungsgeschäft, sondern auch die PKW-Produktion auf eine nachhaltige Kapitalbasis zu stellen.121 Allerdings war BMW im Januar 1960 finanziell derart von der Vergabe eines Rüstungsauftrags durch Strauß abhängig, dass Vorstand und Aufsichtsrat dem Bundesverteidigungsminister das Zugeständnis machen mussten, dass die vom Land Bayern im Februar 1960 zur vorläufigen Unterstützung erworbenen Geschäftsanteile von 50 Prozent an einen Erwerber übertragen werden sollten, welcher von Bund und Land noch im selben Jahr bestätigt werden musste (siehe III. 3. d) bb)). Diese Transaktionsstruktur kam MAN entgegen, weil das Unternehmen selbst kein Interesse hatte, sich an der krisengeschüttelten BMWAG zu beteiligen, sondern bereits Ende 1959 am liebsten nur Teile des Grundstückes und der Anlagen des Werkes in Allach erworben hätte. Außerdem stand zu erwarten, dass sowohl Bund als auch Land eine Beteiligung von MAN an der BMW Triebwerkbau GmbH befürworteten (siehe III. 3. d) bb)). Die Verhandlungsposition von BMW verbesserte sich, als General Electric zum Ende des Jahres 1959 ebenfalls Interesse bekundete, die BMW Triebwerkbau zu erwerben.122 Dem Sanierungsausschuss des Aufsichtsrats unter Führung des Quandt-Vertrauten Gerhard Wilcke (siehe III. 3. d) bb)) gelang es, die Konkurrenz zwischen General Electric und MAN geschickt für die eigenen Interessen gegeneinander auszuspielen, sodass die finalen Angebote der beiden Unternehmen vom Mai und Juni 1960 deutlich über dem lagen, was MAN noch Ende 1959 angeboten hatte. Letztlich entschieden sich Vorstand und Aufsichtsrat für die Annahme des Angebots der MAN, weil dieses nicht nur finanziell besser war, sondern auch schneller umgesetzt werden konnte.123 Nachdem auch das Land Bayern und der Bundesverteidigungsminister der Transaktion zugestimmt hatten, übertrug das Land Bayern im August 1960 seine Anteile an der Triebwerkbau GmbH für 12,7 Millionen DM an MAN. Diese zahlte rund 4 Millionen DM an BMW und gewährte BMW ein zinsgünstiges Darlehen in Höhe von 20 Millionen DM zu den bereits erwähnten Konditionen (siehe III. 2. b)). Es wurde weiterhin vereinbart, dass MAN den Aufsichtsratsvorsitzenden der GmbH stellen und das Vorschlagsrecht für die Besetzung der Geschäftsführung ausüben sollte. Die BMW Triebwerkbau GmbH sollte mit der MAN Turbomotoren GmbH fusionieren, sobald diese ihren derzeitigen 121 BMW UA 415: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 9. Mai 1960, S. 6. 122 BMW UA 291 – 1: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 17. Dezember 1959, S. 2 f. 123 BMW UA 415: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 9. Mai 1960; BMW UA 415: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 1. Juni 1960.

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Entwicklungsauftrag abgeschlossen und einen neuen Auftrag erhalten hatte. Bei der Fusion sollte BMW 1 Prozent ihres Kapitalanteils an der fusionierten Gesellschaft an MAN verkaufen, sodass MAN eine 51-prozentige Mehrheit an der neuen Gesellschaft halten würde.124 Damit wurde faktisch BMWs Ausstieg auf Raten aus der Luftrüstung eingeleitet. Herbert Quandt versuchte sich dieser Vereinbarung, solange es ging, mit der Argumentation zu entziehen, dass die vertraglichen Voraussetzungen für die Fusion nicht gegeben seien. Der damalige Vorstandsvorsitzende Sonne und der Aufsichtsratsvorsitzende Karoli hielten dagegen, dass der Einsatz des Kapitalzuflusses aus einem vollständigen Verkauf der BMW Triebwerkbau GmbH an MAN im zivilen Kraftfahrzeugbau rentabler sei als eine reine Kapitalbeteiligung an der BMW Triebwerkbau GmbH. Außerdem bestünden hohe Prozessrisiken für BMW, wenn man sich einer Fusion mit der MAN Turbomotoren GmbH widersetze.125 Quandt lenkte schließlich ein, sodass der Aufsichtsrat am 18. Mai 1965 die Veräußerung des restlichen Anteils an der BMW Triebwerkbau GmbH für rund 54 Millionen DM beschloss.126

c) Aufnahme von Fremdkapital aa) Kredite der Hausbanken 1949 – 1951 Die Bayerische Creditbank (Nachfolgeinstitut der Deutschen Bank), die Bank für Handel und Industrie (Nachfolgeinstitut der Dresdner Bank) sowie die Bayerische Staatsbank waren die Hausbanken von BMW. Die Hausbanken räumten dem Unternehmen nach der Währungsreform zwei kurzfristige Konsortialkredite ein. Dabei handelte es sich um einen Betriebsmittelkredit in Höhe von 3 Millionen DM aus dem August 1949 und um einen „Autoproduktions-Kredit“ in Höhe von 2 Millionen DM aus dem Januar 1951. Beide Kredite unterlagen einer dreimonatigen Kündigungsfrist.127 Die Hausbanken waren nicht in der Lage, BMW zusätzlich zu den kurzfristigen Betriebsmittelkrediten langfristige Bankkredite für Investitionen bereit-

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BMW UA 149: Vertrag vom 1. Juni 1960. Die Initiative zum vollständigen Verkauf der BMW Triebwerkbau GmbH ging vom Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Sonne aus zu einem Zeitpunkt, als Herbert Quandt noch am Rüstungsgeschäft festhalten wollte. Sonne sicherte sich vor seinem Vorstoß allerdings den Rückhalt des Vorstandes, siehe: BMW UA 732 – 2: Niederschrift über die Vorstandssitzung vom 1. September 1964, S. 2. Dagegen: Seidl, S. 305 f. BMW UA 732 – 2: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft München, Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 18. Mai 1965, S. 12. 126 BMW UA 732 – 2: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft München, Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 18. Mai 1965, S. 11 – 13. 127 BMW UA 1308: Deutsche Treuhandgesellschaft, Bayerische Motorenwerke Aktiengesellschaft, Jahresabschluss zum 31. Dezember 1951, S. 77 f. 125

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zustellen,128 um die vom Unternehmen für die Jahre 1951 bis 1953 geplanten Investitionen in Höhe von 55 Millionen DM zumindest anteilig zu finanzieren.129 Die Bayerische Creditbank und die Bayerische Staatsbank duldeten zwar, dass der in ihrem Konsortialanteil enthaltene Teil des Betriebsmittelkredits von 1949 vorübergehend zur Finanzierung von Investitionen genutzt wurde.130 Dies reichte jedoch bei Weitem nicht aus, um die nötigen Investitionen solide zu finanzieren. Unmittelbar nach der Währungsreform erfüllten die Hausbanken die ihnen im bankorientierten deutschen Finanzsystem zugeschriebene Funktion nicht. bb) Staatliche Unterstützung 1949 – 1956 Da die Hausbanken keine langfristigen Bankkredite bereitstellen konnten, mobilisierte BMW den Staat für die Beschaffung langfristiger Investitionsmittel. Bereits 1949 konnte das Unternehmen den bayerischen Staat dazu bewegen, die selbstschuldnerische Bürgschaft für einen Remontagekredit aus den Mitteln der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Höhe von 2 Millionen DM zu übernehmen. Doch auch bei diesem Kredit handelte es sich um eine kurzfristige Ausleihung, die mit einer Frist von 3 Monaten kündbar war.131 Daher bemühte sich der BMW-Vorstand zu Beginn des Jahres 1950 mit Hilfe des bayerischen Finanzministeriums um einen weiteren Kredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau zur Finanzierung der Motorradproduktion, der von der Bundesregierung noch im selben Jahr im Rahmen ihres Schwerpunktprogramms zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Höhe von 2 Millionen DM bewilligt wurde. Die Bayerische Staatsregierung übernahm für diesen Kredit ebenfalls eine Ausfallbürgschaft und akzeptierte am 10. Juli 1950 die Verwendung der Mittel auch für die Automobilproduktion, sodass der Kredit Ende Dezember ausgezahlt werden konnte. Mit einer Rückzahlungsperiode über 10 Jahre handelte es sich um den ersten langfristigen Bankkredit von BMW nach der Währungsreform.132 Im September 1950 beantragte der BMW-Vorstand beim Bundeswirtschaftsministerium aus den Mitteln des Arbeitsbeschaffungsprogramms einen weiteren Kredit in Höhe von 5 Millionen DM für den Motorradbau und einen zweiten Kredit in Höhe von 10 Millionen DM zur Finanzierung der PKW-Produktion. Das Unternehmen 128 BMW UA 1265: Aktennotiz über die Besprechung im Bayerischen Finanzministerium betreffend Remontagekredit II und weitere Finanzierung. 129 Vgl. BMW UA 189: Briefkonzept vom 27. November 1950. 130 BMW UA 1265: Aktennotiz über die Besprechung im Bayerischen Finanzministerium betreffend Remontagekredit II und weitere Finanzierung. Dagegen: Seidl, S. 59. 131 BMW UA 1308: Deutsche Treuhandgesellschaft, Bayerische Motorenwerke Aktiengesellschaft, Jahresabschluss zum 31. Dezember 1951, S. 76. 132 BMW UA 1265: Aktennotiz über die Besprechung im Bayerischen Finanzministerium betreffend Remontagekredit II und weitere Finanzierung; Seidl, S. 61. BMW UA 1308: Deutsche Treuhandgesellschaft, Bayerische Motorenwerke Aktiengesellschaft, Jahresabschluss zum 31. Dezember 1951, S. 77.

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begründete seinen Antrag mit guten Absatzchancen und dem positiven Effekt der Investitionen auf den Arbeitsmarkt. Der ehemalige bayerische Wirtschaftsminister und Vertreter der „Interessengemeinschaft demontagegeschädigten Betriebe Bayern“ Rudolf Zorn unterstützte den Antrag von BMW in einem Brief an das Bundeswirtschaftsministerium, in dem er auf die positive volkswirtschaftliche Wirkung einer Kreditvergabe auf den bayerischen Fahrzeugbau hinwies.133 Das Bundeswirtschaftsministerium stellte eine Entscheidung über den Kreditantrag jedoch zurück, weil die dem Ministerium zur Verfügung stehenden Mittel in Höhe von 13,5 Millionen DM, die im Rahmen des Arbeitsbeschaffungsprogramms für den Fahrzeugbau vorgesehen worden waren, bereits nahezu vollständig an Daimler-Benz (10 Millionen DM) und NSU (2,5 Millionen DM) vergeben waren und weil die Länder Württemberg und Bremen im Ländersauschuss des Bundeswirtschaftsministeriums Hilfszusagen aus dem Arbeitsbeschaffungsprogramm an BMW ablehnten. Während das Land Bremen die nächsten Kredite für die Firma Borgward beanspruchte, vermutete BMW, dass Württemberg auf Initiative von Daimler-Benz den Aufbau einer Automobilfertigung durch BMW erschweren wollte.134 Daraufhin beschwerten sich Vorstand und Aufsichtsrat beim bayerischen Wirtschaftsminister Seidel über die Behandlung des Kreditantrags durch das Bundeswirtschaftsministerium. Besonders bemerkenswert ist, dass sich der Vertreter der Bayerischen Creditbank im BMW-Aufsichtsrat Felix Bassermann gegenüber Seidel zu der Indiskretion hinreißen ließ, Daimler-Benz habe angesichts liquider Mittel von 30 Millionen DM staatliche Finanzhilfen deutlich weniger nötig als BMW. Seidel folgte dem Wunsch von BMW und arrangierte eine Besprechung zwischen dem BMW-Vorstand, dem Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard und hochrangigen Ministerialbeamten aus dem Bundeswirtschaftsministerium, während der das Unternehmen Gelegenheit haben sollte, für seinen Kreditantrag zu argumentieren.135 In dieser Besprechung am 16. Dezember 1950 gelang es dem BMW-Vorstand, den Bundeswirtschaftsminister davon zu überzeugen, BMW finanziell zu unterstützen. Noch am selben Tag händigte Erhard dem Vorstand ein Schreiben aus mit folgendem Wortlaut: „[..] Ich werde alles versuchen, Ihnen bei dem Aufbau des Werkes behilflich zu sein und habe nicht unbegründete Hoffnung, Ihnen im Verlaufe der nächsten zwei Jahre einen langfristigen Investitionskredit in einer Größenordnung von etwa 10 Millionen vermitteln zu können.“136

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Seidl, S. 71 f. BMW UA 1265: Aktenvermerk. Besprechung im Bayerischen Wirtschaftsministerium am 6. Oktober 1950 über den seitens der BMW gestellten Kreditantrag für die erste Stufe der Automobilfertigung in Höhe von DM 10.000.000,–. 135 Vgl. BMW UA 1265: Aktenvermerk über die Besprechung mit dem Bayerischen Wirtschaftsminister, Herrn Dr. Seidel, am 10. 10. 1950. 136 BMW UA 1265: Aktennotiz über die Besprechung in Bonn am 16. 12. 1950. 134

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Die Motivation für Erhards Verhalten ist nicht eindeutig zu bestimmen. Im BMWinternen Aktenvermerk zu dem Gespräch mit Erhard ist lediglich vermerkt, dass Erhard gesagt haben soll, er werde bei Aufenthalten im Ausland des Öfteren darauf angesprochen, wann der neue BMW herauskäme und dass er erfreut sei über den guten Namen des Unternehmens in der Welt. Neben dem grundsätzlichen Wohlwollen des Bundeswirtschaftsministers dürfte wohl aber nicht minder ausschlaggebend gewesen sein, dass es dem BMW-Vorstand vor dem Gespräch möglich gewesen war, in vertraulichen Gesprächen die mit dem Vorgang befassten Ministerialbeamten von einer Kreditvergabe zu überzeugen. Interessant ist auch, dass der BMW-Vorstand den kompletten Investitionsbedarf verschwieg und lediglich die ersten 33 Millionen DM der Ausbaustufe 1 und 2 erwähnte. Ob die Ministerialbeamten anders entschieden hätten, wenn Sie Kenntnis von einem weitaus größeren Finanzierungsbedarf gehabt hätten, ist nicht unwahrscheinlich. Denn die Beurteilung durch das Ministerium basierte zu diesem Zeitpunkt auf der Annahme, der BMWVorstand könne 13 Millionen DM aus eigenen Mitteln und 10 Millionen DM aus fremden Mitteln finanzieren und der Kredit des Bundeswirtschaftsministeriums würde den verbleibenden Fehlbetrag von 10 Millionen Deutscher Mark decken.137 Der tatsächliche Fehlbetrag belief sich jedoch auf 32 Millionen DM. Die Bereitstellung der von Bundeswirtschaftsminister Erhard im Dezember 1950 in Aussicht gestellten Kredite erfolgte schließlich schrittweise über einen Zeitraum von 3 Jahren. Bis zum 14. August 1952 standen BMW insgesamt rund 5 Millionen DM zu Verfügung. Diese Summe setzte sich zusammen aus einem Kredit aus dem Versicherungsprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums in Höhe von rund 3 Millionen DM und einem Kredit der Deutsche Industriebank in Höhe von 2 Millionen DM.138 Es folgten bis zum 30. September 1953 weitere Kredite in Höhe von 3,5 Millionen DM. Diese setzen sich zusammen aus einem Direktkredit der Deutsche Industriebank (1 Million DM), einem Kredit des Gerling-Konzerns (1 Million DM), einem Kredit der Staatlichen Erfassungsstelle für Öffentliches Gut mbH (1 Million DM) sowie einem Kredit der Münchner Rückversicherung (0,5 Million DM).139 Der verbliebende Betrag wurde erst 1954 in Form eines Kredits der Kreditanstalt für Wiederaufbau (1,6 Millionen DM) zugesichert.140 Trotz der sich hinziehenden Bewilligung der Teilkredite war die Kreditzusage des Bundeswirtschaftsministeriums für BMWein Erfolg, denn sie dürfte wesentlich dazu beigetragen haben, dass der Aufsichtsrat zwei Tage nach der Kreditzusage Erhards 137 Vgl. BMW UA 1265: Aktennotiz über die Besprechung in Bonn am 16. 12. 1950. Zur selben Schlussfolgerung kommt Seidl, siehe Seidl, S. 76. 138 BMW UA 143: Bericht des Vorstands vom 24. Oktober 1952. 139 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Bayerische Motorenwerke AG im Sitzungssaal der Gesellschaft am 22. August 1953; BMW UA 143 – 1: Finanzierungsplan für den Automobilbau. 140 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerischen Motoren Werke AG am 1. 3. 1954 um 10h in den Räumlichkeiten der Gesellschaft.

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eine erste Tranche von 10 Millionen DM für den Aufbau der Serienfertigung von Personenkraftwagen genehmigte.141 Das Protokoll der folgenden Aufsichtsratssitzung vom 7. Mai 1951 offenbart allerdings, dass die Finanzierung der Investitionsvorhaben innerhalb der Leitungsgremien von BMW nicht unumstritten war. Bei der Frage, ob BMW sich stärker um staatliche Hilfen bei der Finanzierung bemühen sollte, kam es innerhalb des Aufsichtsrates zu durchaus unterschiedlichen Ansichten. Während der Vertreter der Rhein-Main Bank (Nachfolgeinstitut der Dresdner Bank) im Aufsichtsrat Gustav Wilhelm von Mallinckrodt forderte, BMW müsse die bayerischen Ministerien mit allem Nachdruck zu tatkräftiger Unterstützung auffordern, lehnte Max Schobert, der im Aufsichtsrat die Interessen der Bank für Handel und Industrie vertrat, die ebenfalls ein Nachfolgeinstitut der Dresdner Bank war, dieses Ansinnen ab. Schobert hielt es für unvertretbar, den Aufbau der Automobilproduktion von staatlichen Hilfen abhängig zu machen. Stattdessen müsse die liberale Wirtschaft bereit sein, das Risiko auf sich zu nehmen.142 Die Äußerungen Schoberts sind möglicherweise als eine versteckte Aufforderung an das Schwesterinstitut zu interpretieren, sich stärker bei BMW zu engagieren. Eine weitere Konfliktlinie zeichnete sich zwischen dem Vorstand und den Bankenvertretern des Aufsichtsrates ab. Während der Vorstand eine vorbehaltlose Genehmigung der zweiten Investitions-Tranche forderte, befürworteten die Bankenvertreter angesichts der aus ihrer Sicht nicht zu unterschätzenden finanziellen Risiken eine schrittweise Freigabe der Mittel. Da sowohl in Vorstand als auch Aufsichtsrat die einstimmige Meinung vorzuherrschen schien, dass BMW nur mit der Motorradproduktion auf Dauer nicht rentabel würde arbeiten können und dass der Aufbau der Automobilproduktion faktisch alternativlos sei, gelang es dem Aufsichtsratsvorsitzenden Mangoldt-Reiboldt, den Aufsichtsrat darin übereinkommen zu lassen, dass Mitglieder des Aufsichtsrats sich erneut beim Bundeswirtschaftsminister sowie beim bayerischen Wirtschaftsminister und beim bayerischen Finanzminister für Staatshilfen einsetzen würden. Eine weitere Tranche von Investitionen für die Automobilproduktion in Höhe von 7 Millionen DM genehmigte der Aufsichtsrat nur unter der Voraussetzung, dass 3 Millionen DM durch die Fremdfertigung von Karosserien einzusparen seien. Des Weiteren erlaubte der Aufsichtsrat dem Vorstand bis zur nächsten Sitzung des Aufsichtsrates im August 1951 lediglich, über ein Investitionsbudget in Höhe von 1,4 Millionen DM verfügen zu dürfen.143 Den BMW-Aufsichtsräten Max Grasmann (Präsident der Bayerischen Landesbank) und Hermann Enzensberger (Bayerische Elektrizitätswerke) und dem Vor141 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motorenwerke AG vom 7. Mai 1951. 142 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motorenwerke AG vom 7. Mai 1951. 143 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motorenwerke AG vom 7. Mai 1951.

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standsmitglied Hanns Grewening gelang es bereits 3 Tage nach der Aufsichtsratssitzung, den bayerischen Wirtschaftsminister und den bayerischen Finanzminister von der Notwendigkeit weiterer staatlicher Hilfen für BMW zu überzeugen. Die Minister erklärten zwar, dass der bayerische Staat selbst nicht über ausreichend Mittel verfüge, um einen direkten Kredit zu gewähren, stellten dem Unternehmen aber alternative Formen der Unterstützung in Aussicht. Dazu zählte die Gewährung einer weiteren selbstschuldnerischen Bürgschaft in Höhe von bis zu 8 Millionen DM, die 10-jährige Stundung von Landessteuern bis zu einem Betrag von 5 Millionen DM, eine günstigere Abschreibungspraxis für Investitionen, der Aktivierungsverzicht auf Investitionen, die auf Beseitigung von Kriegsschäden zurückzuführen sind, ein Verzicht auf die verbliebenen 17 Millionen Umstellungsgrundschulden und schließlich die Unterstützung bei Verhandlungen mit der Stadt München hinsichtlich der Erleichterung von städtischen Steuern.144 Das bayerische Finanzministerium erklärte sich Mitte November 1951 dazu bereit, BMW die Vermögenssteuer für die Geschäftsjahre 1948/49 bis 1951 in Höhe von schätzungsweise 3 Millionen DM zu stunden. Das Ministerium stellte zusätzlich die Stundung der Vermögenssteuer für das Jahr 1951 in Aussicht. Bezüglich der Körperschaftssteuer hatte BMW vorgeschlagen, in der Steuerbilanz höhere Abschreibungen ansetzen zu dürfen als in der Handelsbilanz. Diese Vorgehensweise hätte für BMW den Vorteil gehabt, in der Steuerbilanz keine Gewinne zeigen zu müssen, auf die Körperschaftssteuer zu zahlen gewesen wäre, und gleichzeitig auf den Ausweis von Verlusten in der Handelsbilanz verzichten zu können, um das Vertrauen der Aktionäre und des Kapitalmarktes nicht zu gefährden. Diesem Vorschlag folgte das Finanzministerium jedoch nicht mit der Begründung, dass nach den Entscheidungen des Reichsfinanzhofes die Steuerbilanz an die Handelsbilanz gebunden sein müsse und Abschreibungen in beiden Rechenwerken somit in gleicher Höhe auszuweisen wären. Auf den Gegenvorschlag des Finanzministeriums, für Maschinenzugänge die degressive statt der linearen Abschreibungsmethode zu wählen, wollte BMW hingegen nicht eingehen. Denn in diesem Fall wäre die degressive Methode auch für alle Folgejahre verbindlich gewesen und bei einem Rückgang der Ertragskraft wäre das Unternehmen wiederum gezwungen gewesen, gegenüber den Aktionären und der Öffentlichkeit einen möglichen Verlust auszuweisen. Schließlich einigte sich das Finanzministerium mit BMW darauf, dem Unternehmen bis zu 30 Prozent Sonderabschreibungen über die Normalabschreibungen hinaus zu gewähren.145 Allein in den Jahren 1951 bis 1953 nutzte BMW diesen Spielraum und verminderte das Betriebsergebnis um insgesamt knapp 12 Millionen DM durch Sonderabschreibungen.146 144

BMW UA 1265: Aktennotiz von Hanns Grewenig vom 10. 05. 1951. BMW UA 1265: Aktenvermerk über die Besprechung bei Herrn Staatssekretär Dr. Ringelmann am 2. November 1951; BMW UA 1265: Aktenvermerk über die Besprechung im Bayerischen Finanzministerium am 12. November 1951. 146 BMW UA 143 – 1: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG im Sitzungssaal der Gesellschaft am 22. August 1953; BMW UA 155 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG am 1. 9. 1954. 145

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Des Weiteren übernahm der bayerische Staat die selbstschuldnerische Bürgschaft für einen zweiten Remontagekredit in Höhe von 1,8 Millionen DM sowie selbstschuldnerische Bürgschaften für weitere Kredite in Höhe von rund 9 Millionen DM. Der Antrag von BMW bei der Bayerischen Landesanstalt für Wiederaufbau auf einen Kredit für die Schaffung von Dauerarbeitsplätzen für Flüchtlinge und Kriegsbeschädigte wurde hingegen zunächst zurückgestellt und musste durch BMW überarbeitet werden, weil das Unternehmen es unterlassen hatte, dem Antrag eine für die Antragsbearbeitung erforderliche Personalplanung beizufügen. Diese wurde im Februar 1953 nachträglich erstellt und der Kredit in Höhe von 0,5 Million DM bewilligt.147 Zusätzlich stellte der bayerische Staat BMW ein weiteres Arbeitsplatzdarlehen in Höhe von 4 Millionen DM in Aussicht. Die Verhandlungen zu diesem Kredit wurden allerdings durch BMW spätestens im ersten Quartal des Jahres 1954 beendet, weil das Unternehmen die für eine Kreditvergabe erforderliche Zusage zur Schaffung einer bestimmten Zahl von Arbeitsplätzen zu diesem Zeitpunkt nicht geben konnte.148 Die zugesicherte staatliche Unterstützung reichte jedoch aus, um die Skeptiker im Aufsichtsrat wie etwa Gustav Wilhelm von Mallinckrodt149 zu beruhigen, und war damit die Voraussetzung dafür, dass der Aufsichtsrat im April 1952 einen ersten Teilbetrag in Höhe von 4 Millionen DM und im Oktober einen zweiten Teilbetrag in Höhe von 5 Millionen DM für die zweite Ausbaustufe der Automobilfertigung genehmigte.150 Die letzten Mittel in Höhe von 8 Millionen DM wurden im Juni 1953 genehmigt.151 Die erste Ausbaustufe der Automobilproduktion wurde im Oktober 1952 so gut wie abgeschlossen und die zweite Ausbaustufe wurde bis Anfang September 1954 planmäßig abgeschlossen. Es liegen keine Hinweise darauf vor, dass ein Mangel an Fremdkapital den Aufbau der Automobilproduktion verzögert hätte. Etwa bis zu diesem Zeitpunkt konnte BMW noch alle Investitionen weitestgehend aus eigenen Mitteln finanzieren, ohne die bis dahin zugesagten mittelfristigen Kredite in Anspruch nehmen zu müssen.152 Dies änderte sich jedoch mit dem Anlauf der Serienfertigung des BMW 501. Bis zum Ende des Jahres 1952 nahm BMW zusätzlich zu den kurzfristigen Betriebs147 BMW UA 1265: Aussprache beim Bayer. Innenministerium bezüglich Gewährung eines Kredits für die Schaffung von Dauerarbeitsplätzen für Flüchtlinge und Kriegsbeschädigte (6. 2. 1953). 148 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerischen Motoren Werke AG am 1. 3. 1954 um 10h in den Räumlichkeiten der Gesellschaft. 149 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG am 8. 12. 1951. 150 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG vom 25. April 1952; BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motorenwerke AG am 27. Oktober 1952. 151 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der am 3. Juni 1953. 152 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG vom 27. Oktober 1952.

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mittelkrediten der Hausbanken, dem ersten Remontagekredit und dem Kredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau Kredite aus dem Versicherungsprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums in Höhe von rund 2,5 Millionen DM in Anspruch. Bis zum Ende des folgenden Jahres kamen weitere Verbindlichkeiten in Höhe von knapp 9 Millionen DM hinzu. Dabei handelte es sich um Kredite der Kreditindustriebank AG (3,6 Millionen DM), weitere Versicherungskredite (1,6 Millionen DM), den zweiten Remontage-Kredit (1,8 Millionen DM), das Arbeitsplatzdarlehen der Bayerischen Landesanstalt für Wiederaufbau (0,5 Millionen DM) sowie einen Exporttrattenkredit der Bayerischen Staatsbank zur Finanzierung des Automobilexports nach Schweden (1,1 Millionen DM).153 Damit hatte BMW den Kreditrahmen nahezu erschöpft. Die Finanzierungssituation war im Laufe des Jahres 1953 sogar derart angespannt, dass der kurzfristige Betriebsmittelkredit der Hausbanken zwischenzeitlich für Investitionen in Anspruch genommen werden musste.154 BMW gelang es, noch bis Ende 1957 die Investitionen mit den zur Verfügung stehenden mittelfristigen Krediten zu finanzieren. Dies gelang allerdings nur dadurch, dass das Unternehmen seit etwa der Mitte des Jahres 1956 Erweiterungsinvestitionen zurückstellte. Der Grund dafür, dass BMW sich nicht frühzeitig um zusätzliches mittel- und langfristiges Fremdkapital bemühte, ist in einem Konflikt zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat zu sehen, der sich seit der Jahreshälfte 1955 abzuzeichnen begann und 1956 in der Neubesetzung wichtiger Vorstandspositionen gipfelte. Bestand Mitte 1955 zwischen Vorstand und Aufsichtsrat noch Einigkeit darüber, dass es weiterer Investitionen in Höhe von 15 Millionen DM bedurfte, um die Automobilproduktion rentabler zu machen, so gingen die Auffassungen hinsichtlich der Finanzierung auseinander. Während der Vorstand es für geboten hielt, denjenigen Teil der Investitionen, der nicht durch eigene Mittel bereitgestellt werden konnte, mit zusätzlichen mittelfristigen Krediten (mit einer Laufzeit 5 bis 10 Jahren) zu finanzieren, stellte der Aufsichtsrat alle Bemühungen des Vorstands in diese Richtung zurück. Der Aufsichtsrat begründete seine ablehnende Haltung damit, dass BMW sich in absehbarer Zeit eventuell am Kapitalmarkt mit neuem Eigenkapital würde versorgen können und dass eine Verbesserung der Liquidität den Fremdkapitalbedarf möglicherweise obsolet machen könne.155 Auf Basis des ausgewerteten Quellenmaterials ist es schwierig zu beurteilen, ob dies die wahren Beweggründe des Aufsichtsrates wahren. Es erscheint allerdings fragwürdig, warum eine mögliche Kapitalaufnahme durch BMW die Vorteile eines erweiterten Kreditrahmens überwogen haben sollte. Schließlich wären auf BMW dann auch Dividendenforderungen und Kursteigerungserwartungen der Anleger zugekommen, von einem möglichen Disagio neuer Aktien gar nicht zu sprechen. 153

BMW UA 1310: Deutsche Treuhand-Gesellschaft, Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft, München, Jahresabschluß zum 31. Dezember 1953, S. 83. 154 BMW UA 1265: Aktenvermerk von Hanns Grewening vom 10. 07. 1953. 155 BMW UA 143 – 2: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG. in den Räumen der Gesellschaft am 13. 8. 1955.

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Auch hinsichtlich der Liquiditätsentwicklung bleibt es fragwürdig, ob die Hoffnung auf eine Verbesserung der Liquidität berechtigt war angesichts der unrentablen Produktpalette und der zusätzlich genehmigten Investitionen. Eine mögliche Erklärung für die Entscheidung des Aufsichtsrates könnte sein, dass vor allem die Vertreter der Hausbanken das Wagenprogramm zusehends kritisch bewerteten und möglicherweise versuchten, die Risikopositionen der Banken, die sie vertraten, nicht zu vergrößern. Die ablehnende Haltung der Banken im Aufsichtsrat gegenüber der Aufnahme zusätzlichen Fremdkapitals erklärt, warum der Vorstand einen Antrag auf eine Staatsbürgschaft für einen dritten Remontagekredit in Höhe von 7 Millionen DM, den das Unternehmen 1955 beim Bund und beim Freistaat Bayern gestellt hatte, danach nur noch halbherzig verfolgte. Dies führte letztlich dazu, dass der Kreditantrag im Sommer 1956 abgelehnt wurde.156 cc) Wandelanleihe 1958 Der Konflikt zwischen Vorstand und Aufsichtsrat verschärfte sich im Sommer 1956, nachdem der Vorstand den Aufsichtsrat um die Genehmigung weiterer 16 Millionen DM für Investitionen in die Entwicklung und Produktion eines marktgerechteren Wagens ersucht hatte. Der Aufsichtsrat lehnte erstmals seit dem Wiedereinstieg in die Automobilproduktion ein für die Verhältnisse des Unternehmens derart umfangreiches Investitionsprogramm ab. Stattdessen sollte die Isetta als Gewinnträger weiterentwickelt werden und weitere Investitionen in die Automobilfertigung erst freigegeben werden, wenn die Automobile zumindest keine Verluste mehr erwirtschafteten. Der Aufsichtsrat begründete seinen Entschluss weniger mit produkt- oder marktorientieren Argumenten als vielmehr mit einer finanzwirtschaftlichen Sichtweise. Die vom Vorstand beantragten Investitionen würden zu einer Schuldenlast führen, die im Fall eines Konjunkturrückgangs „unbequem“ werden könnte.157 Hier stellt sich die Frage, ob der Aufsichtsrat im Interesse der Aktionäre oder eher im Interesse der Banken entschied. Tatsächlich verzögerte der Aufsichtsrat mit seiner Entscheidung die Entwicklung eines profitablen Wagentyps158, nahm billigend in Kauf, dass die Konkurrenten BMW davoneilten, und verhinderte eine ausgewogenere Fremdkapitalstruktur zugunsten eines höheren Anteils mittel- und langfristiger Kredite. Dieser Umstand sowie die allein auf die Fähigkeit der BMW AG zur Kredittilgung und Zinszahlung abstellende Argumen156 BMW UA 143 – 2: Protokoll über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG., München, im Sitzungssaal der Gesellschaft am 16. Juli 1956; Hiller, BMW im Wandel der Marktstruktur, S. 129; Hiller, Vorläufig keine Dividende bei BMW, S. 203; Seidl, S. 130. 157 BMW UA 143 – 2: Protokoll über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG., München im Sitzungssaal der Gesellschaft am 22. 6. 1956. 158 BMW UA 143 – 2: Protokoll über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG., München, im Sitzungssaal der Gesellschaft am 16. Juli 1956.

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tation des Aufsichtsrates legt zumindest die Vermutung nahe, dass bei der Abwägung von Aktionärs- und Bankeninteressen im Aufsichtsrat die letzteren überwogen haben dürften. Der Verzicht auf verstärkte Bemühungen um mittel- und langfristiges Fremdkapital resultierte in einer zusehends prekären Finanzierungsstruktur. Der konjunkturelle Rückgang im zweiten Halbjahr 1956 löste einen erheblichen Bedarf nach Liquidität aus, den die BMW AG zum Großteil durch kurzfristige Verbindlichkeiten finanzieren musste. Die Wechselverbindlichkeiten und kurzfristigen Bankschulden von BMW stiegen zum 31. 12. 1956 im Vergleich zum Vorjahr von 0 auf 19 Millionen DM.159 Auf die prekäre finanzielle Situation des Jahres 1956 reagierte der Aufsichtsrat auf Initiative der von Robert Frowein vertretenen Deutschen Bank schließlich mit der Bestellung von Heinrich Richter-Brohm als neuem Vorstandsvorsitzenden. Dieser trat sein Amt zum 1. März 1957 an und präsentierte dem Aufsichtsrat 5 Monate später sein im vorherigen Kapitel beschriebenes Zukunftsprogramm, mit dem BMW saniert werden sollte.160 Richter-Brohm stellte den Aufsichtsrat vor die Wahl, die Finanzierung des Zukunftsprogramms entweder vollumfänglich zu genehmigen oder die Gesellschaft angesichts der sonst zu erwartenden sukzessiven Verluste schließlich liquidieren zu müssen. Vor diese dramatische Entscheidung gestellt, änderte der Aufsichtsrat seine noch ein Jahr zuvor vertretene Haltung und genehmigte das Zukunftsprogramm einstimmig. Die erforderlichen Investitionen in Höhe von 20 Millionen DM sollten durch einen privaten Investor finanziert werden, dem man ggf. auch die Kapitalmehrheit einräumen wollte. Sollte kein Investor gefunden werden, schloss das Gremium eine Kapitalerhöhung über die Börse erneut aus. Stattdessen sollte die Ausgabe einer Wandelanleihe die erforderlichen Mittel beschaffen. Die im Aufsichtsrat vertretenen Banken erklärten sich dazu bereit, die Wandelanleihe zunächst zu übernehmen, wenn der bayerische Staat sich dazu bereit erkläre, nach 4 Jahren die bis dahin noch im Besitz der Banken verbliebenen Anleihen zu übernehmen. Nur für den Fall, dass die Investitionen durch eine dieser Alternativen finanziert werden würden, sicherten die Deutsche Bank, die Dresdner Bank sowie die Bayerische Staatsbank einen Kredit zur Finanzierung der für das Zukunftsprogramm benötigten Betriebsmittel in Höhe von 50 Millionen DM zu.161 Robert Frowein hatte bereits vor der Aufsichtsratssitzung, in der das Zukunftsprogramm genehmigt worden war, mit einem möglichen Investor verhandelt, über dessen Identität leider nichts in Erfahrung gebracht werden konnte. Frowein verhandelte des Weiteren mit Herbert Quandt über die Finanzierung der erforderlichen 159

WA UK C8/2: BMW AG Geschäftsbericht 1956, S. 27. BMW UA 424 – 2: Protokoll der Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerischen Motoren Werke AG, München, im Sitzungssaal der Gesellschaft am 16. Januar 1957; Knoll, Leonhard: Die BMW Hauptversammlung vom 9. 12. 1959 – eine historische Fallstudie zu der (Ohn-) Macht des Kleinaktionärs und der Rolle der Depotbanken, in: Vierteljahresschrift zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 82 (1995), S. 482; Seidl, S. 135 f. 161 BMW UA 424 – 2: Protokoll über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerischen Motoren Werke AG im Sitzungssaal der Gesellschaft am 1. August 1957. 160

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Investitionen. Quandt hielt zu diesem Zeitpunkt ein Aktienpaket von 7 Prozent des BMW-Grundkapitals.162 Über die Details der Verhandlungen konnte auf Basis der zur Verfügung stehenden Quellen nicht mehr in Erfahrung gebracht werden, als dass Quandt im Gegenzug für die Finanzierung des Zukunftsprogramms einen „maßgeblichen Einfluss“ forderte. Gustav Wilhelm von Mallinckrodt von der Dresdner Bank verhandelte indes mit der Chrysler Corporation über ein Engagement bei BMW, wobei die US-Amerikaner dieselbe Forderung wie Quandt nach einem maßgeblichen Einfluss stellten.163 Bevor der Aufsichtsrat auf die Forderungen von Quandt und Chrysler eingehen wollte, hielten es Mangoldt-Reiboldt und Frowein für angebracht, bei dem BMWGroßaktionär Herman Krages in Erfahrung zu bringen, ob dieser bereit sei, sich von seinen Aktien zu trennen. Krages hatte seit ungefähr 1956 nach und nach BMWAktien gekauft und verfügte zu diesem Zeitpunkt über 20 bis 25 Prozent des gesamten Aktienkapitals. Da Krages nicht die Absicht hatte, sich von seinen Anteilen zu trennen, und ein Investor für die Finanzierung der Investitionen unter diesen Bedingungen sehr wahrscheinlich nicht zu gewinnen war, erklärte sich Krages schließlich Ende Oktober 1957 selbst dazu bereit, die notwendigen Investitionen zu finanzieren. Interessant ist, dass aus dem Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 8. November, als Robert Frowein über die Gespräche mit Krages berichtete, nicht hervorgeht, ob Herman Krages über den Plan B des Aufsichtsrates informiert worden war. Dieser bestand, wie bereits geschildert, darin, dass die Hausbanken die Wandelanleihe zur Investitionsfinanzierung zeichnen sollten. Es kann wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit vermutet werden, dass Frowein Krages diese Notfalllösung verschwieg, um das Risiko der Deutschen Bank zu minimieren. Die Vereinbarung mit Krages sah schließlich so aus, dass sich Krages dazu bereit erklärte, eine Wandelanleihe über 15 Millionen DM zu übernehmen, sofern sie nicht anderweitig gezeichnet werde, und sich im Laufe des Jahres 1958 an einer Kapitalerhöhung um 5 Millionen DM zu beteiligen. Diese Zusage stellte Krages unter den Vorbehalt, dass die Hausbanken den geplanten Betriebsmittelkredit über fünfzig Millionen DM bereitstellen würden. Hinsichtlich der Ausstattung der Anleihe machte Krages nur die Bedingung, dass der Umwandlungskurs 100 Prozent betragen solle, und überließ die weiteren Ausstattungsdetails dem Unternehmen. Aufsichtsrat und Vorstand setzten das Bezugsrecht der Altaktionäre einvernehmlich im Verhältnis 2:1 fest. Die Tilgung sollte nach einer vierjährigen Sperrfrist einsetzen. Danach sollten über einen Zeitraum von 10 Jahren Tranchen ausgelost werden, die dann entweder zurückgezahlt oder gewandelt werden konnten. Während der Aufsichtsrat jedoch einen Zinssatz von 5 Prozent für 162

BMW UA 107: Protokoll der Vorstandssitzung 14/1957 vom 16. und 18. Oktober 1957; BMW UA 424 – 2: Protokoll der Sitzung des Aufsichtsrats der Bayerische Motoren Werke AG im Sitzungssaal der Gesellschaft am 8. November 1957. 163 BMW UA 107: Protokoll der Vorstandssitzung 14/1957 vom 16. und 18. Oktober 1957; BMW UA 424 – 2: Protokoll der Sitzung des Aufsichtsrats der Bayerische Motoren Werke AG im Sitzungssaal der Gesellschaft am 8. November 1957.

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marktgerecht hielt, forderte der Vorstand eine höhere Verzinsung als Entgegenkommen gegenüber den Aktionären oder zumindest einen niedrigeren Ausgabe- oder einen höheren Umwandlungskurs. Die im Aufsichtsrat vertretenden Banken argumentierten, dass man zum Wohle des Unternehmens in der derzeitigen Situation keine unnötigen Geschenke an die Aktionäre machen dürfte, und erhielten dabei Beistand von den Arbeitnehmervertretern, die zur Sicherung von Arbeitsplätzen ebenfalls für eine für die Gesellschaft möglichst vorteilhafte Ausstattung votierten.164 Schließlich setzte sich der Vorstand kurz vor der Genehmigungen der Wandelanleihe durch die Hauptversammlung im Februar 1958 mit einer Verzinsung von 6 Prozent durch.165 Inwiefern die Banken das Argument, zum Wohle der Gesellschaft handeln zu wollen, als Vorwand nutzen, um zu verhindern, dass die höhere Verzinsung der Anleihe durch die Inanspruchnahme der von ihnen gewährten Betriebsmittelkredite ausgeglichen werden würde, ist schwer zu bewerten. Denn schließlich bestand in diesem Falle eine Interessenkongruenz zwischen den Banken und dem „Wohl des Unternehmens“. dd) Cramer-Plan 1958 – 1959 Mit den Einnahmen aus der Wandelanleihe schien die Finanzierung zunächst gesichert, doch bereits kurze Zeit später erforderten die verschlechterte Ertragslage des Unternehmens sowie Verzögerungen bei der Umsetzung des Zukunftsprogramms zusätzliche Investitionen in Höhe von 13 Millionen DM.166 Zunächst versuchte BMW, diese Investitionen durch die Beteiligung eines neuen Investors zu finanzieren. Nachdem jedoch die Fühlungnahme mit Herbert Quandt und DaimlerBenz gescheitert waren, wandte sich BMW erneut mit einem Hilfegesuch an den bayerischen Staat, um die benötigten Investitionen durch Fremdkapital finanzieren zu können.167 Konkret forderte BMW die Verlängerung der bestehenden Staatsbürgschaften, eine vorübergehende Stundung der staatsverbürgten Kredite sowie eine Staatsbürgschaft für ein Schuldscheindarlehen in Höhe von 10 Millionen DM.168 Doch anders als in der Vergangenheit führten die Verhandlungen dieses Mal nicht zum Erfolg. Das Land Bayern beurteilte die wirtschaftliche Situation bei BMW mittlerweile äußerst skeptisch und machte die Zusage weiterer staatlicher Unterstützung abhängig von der Bereitschaft der Hausbanken, den durch die zusätzlichen Investitionen entstehenden kurzfristigen Finanzierungsbedarf für Betriebsmittel

164 BMW UA 424 – 2: Protokoll der Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerischen Motoren Werke AG im Sitzungssaal der Gesellschaft am 2. 12. 1957. 165 BMW UA 104 – 2: Protokoll des 2. Teiles der Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerischen Motorenwerke Aktiengesellschaft im Sitzungssaal der Gesellschaft am 11. Februar 1958. 166 BMW UA 104 – 2: Niederschrift über die die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG am 30. Juni 1958 in den Räumen der Gesellschaft, S. 16 f. 167 Zur Wandelanleihe und den Bemühungen um neue Investoren siehe Kapitel III. 3. d). 168 Seidl, S. 185.

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durch entsprechende Kredite sicherzustellen.169 Daraufhin organisierte das stellvertretende Aufsichtsratsmitglied Frowein von der Deutschen Bank am 6. Oktober 1958 eine entsprechende Zusage der Hausbanken, den Betriebsmittelkredit auf 35 Millionen DM zu erhöhen. Die Banken machten es ihrerseits zur Bedingung, als Sicherheit die Geschäftsanteile an der BMW Triebwerkbau GmbH verpfändet zu bekommen. Diese wurden jedoch ebenfalls vom bayerischen Staat als Sicherheit für weitere staatliche Hilfe verlangt. Nach dem Tod Froweins am 22. Dezember 1958 gelang es Herrn Tron von der Deutschen Bank, mit den Hausbanken und Bayern eine Einigung dahingehend zu erzielen, dass die Anteile der GmbH in einen SicherheitenPool eingebracht und gleichermaßen dem Bankenkonsortium als auch Bayern als Besicherung zugutekommen sollten.170 Noch während diese Einigung zustande kam, erhob das Bundesverteidigungsministerium die Forderung nach einer Verdoppelung des Stammkapitals der Triebwerkbau GmbH auf 20 Millionen DM.171 Das Ministerium hatte der Gesellschaft Ende 1958 einen Auftrag über 300 Millionen DM für die Lizenzfertigung des Starfighter-Triebwerks der Firma General Electric sowie des Orpheus-Triebwerks der Firma Bristol in Aussicht gestellt und wollte durch die Kapitalerhöhung das Risiko verringern, dass finanzielle Engpässe bei BMW die Rüstungsproduktion der GmbH gefährdeten. Die Dresdner Bank erklärte sich zunächst bereit, diese Kapitalerhöhung finanzieren zu wollen. Der bayerische Staat knüpfte an die Eigenkapitalerhöhung durch die Banken allerdings Bedingungen, die weder von den Banken noch von BMW akzeptiert wurden, sodass sich schließlich Bayern zu einer Finanzierung der Kapitalerhöhung bereit erklärte.172 Nach Klärung weiterer Detailfragen kam unter Vermittlung des von BMW beauftragten Rechtsanwalts Hartwig Cramer schließlich ein Finanzierungskonzept zustande, das als „Cramer-Plan“ bezeichnet wurde. Die wichtigsten darin enthaltenen Vereinbarungen sahen vor, dass der Freistaat Bayern eine Ausfallbürgschaft für ein Schuldscheindarlehen von BMW in Höhe von 14 Millionen DM übernimmt und die Kapitalerhöhung der Triebwerkbau GmbH um 10 Millionen DM mit einem Aufgeld von rund 3 Millionen DM finanziert. BMW erhielt ein Rückkaufrecht der Anteile in frühestens zwei und spätestens 4 Jahren. Für die Jahre 1959 bis 1961 sollten Tilgungen in Höhe von 7 Millionen DM für bereits in Anspruch genommene 169

Vgl. Seidl. S. 185 – 196. BMW UA 104 – 2: Protokoll über die Aufsichtsratssitzung der Bayerischen Motoren Werke AG am 20. September 1958. 170 BMW UA 104 – 2: Protokoll über die Sitzung des Aufsichtsrats der Bayerische Motorenwerke AG am 5. Februar 1959. 171 Vgl. Seidl, S. 188 – 192. 172 Die vom bayerischen Staat gestellten Bedingungen wurden aus Sicht der Deutschen Bank, der Dresdner Bank und des BMW-Vorstands als zu weitreichend empfunden, weil sie eine Beschränkung der Stimmrechtsausübung der bei BMW verbliebenen GmbH-Anteile sowie eine langfristige Vinkulierung der an die Banken gehenden neuen Anteile zur Folge gehabt hätten. Siehe BMW UA 104 – 2: Protokoll über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG vom 5. Februar 1959, S. 10.

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staatsverbürgte Kredite gestundet werden bei gleichzeitiger Verlängerung der Bürgschaft. Die Hausbanken erklärten sich bereit, einen Betriebsmittelkredit in Höhe von 35 Millionen DM bereitzustellen. Die dem Freistaat und den Banken von BMW gewährten Sicherheiten würden in einem Sicherheitenpool zusammengefasst. Des Weiteren erklärte sich BMW bereit, den Organschaftvertrag mit der GmbH für die Dauer der Laufzeit sämtlicher staatsverbürgter Kredite auszusetzen.173 Der Bayerische Ministerrat stellte seine Zustimmung zum Cramer-Plan am 24. März 1959 unter die Voraussetzung, dass BMW sehr weitreichende Zugeständnisse machen sollte. Dazu zählte unter anderem die Wahl eines Vertrauensmanns der bayerischen Regierung zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden der BMW AG, die staatliche Zustimmung zur Berufung weiterer Aufsichtsratsmitglieder, die personelle Neuausrichtung des Vorstands, eine Kapitalzusammenlegung der AG, der Anschluss an einen finanzkräftigen Partner sowie die Liquidation des Unternehmens für den Fall, dass sich eineinhalb Jahre nach Gewährung der erneuten Staatsbürgschaft keine wirtschaftlichen Erfolge erkennen lassen würden.174 Diese zusätzliche Verschärfung der Bedingungen durch den Ministerrat traf auf die Ablehnung sowohl des Aufsichtsrats als auch der Hauptversammlung vom 21. April 1959.175 Doch selbst im Falle einer zustimmenden Haltung hätte BMW die Bedingungen zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr erfüllen können, weil die Dresdner Bank ihre Zusage zu dem von Frowein im Oktober 1958 eingefädelten Konsortialkredit über 35 Millionen DM einen Tag vor der Hauptversammlung vollständig zurückzog.176 Der Vorstand stoppte angesichts dessen weitere Bestellungen für den Anlauf des BMW 700. Dieser konnte schließlich nur präsentiert werden, nachdem Hans Feith, der als Vertreter der Deutschen Bank mittlerweile den Sitz von Robert Frowein im Aufsichtsrat eingenommen hatte, einen Überbrückungskredit der Deutschen Bank über 2 Millionen DM zusagte und einen weiteren Kredit über 1 Million DM der anderen Banken vermittelte. Feith machte allerdings auch deutlich, dass die Deutsche Bank in keinem Falle gewillt sei, darüber hinausgehende Kredite für die noch ungesicherte Finanzierung der dringend benötigten Investitionen zu gewähren, sollte sich keine Lösung für das Finanzierungsproblem finden.177 Dies musste vom Vorstand durchaus als Drohung der Deutschen Bank interpretiert wer173

Seidl, S. 152. Seidl, S. 196. 175 BMW UA 100 – 2: Protokoll über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG am 13. April 1959; Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerischen Motoren Werke AG am 11. Mai 1959; Seidl, S. 198 f. 176 Das Aufsichtsratsmitglied Ernst Matthiensen erklärte bereits in der Aufsichtsratssitzung am 13. April 1959, dass die Dresdner Bank nur noch zu einem Betriebsmittelkredit in Höhe von 25 Millionen DM bereit sei, s. BMW UA 100 – 2: Protokoll über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG am 13. April 1959. Zur vollständigen Aufkündigung der Zusage s. Seidl, S. 198. 177 BMW UA 100 – 2: Protokoll über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG am 13. April 1959; Seidl, S. 155. 174

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den, notfalls sogar den Konkurs ihres Kunden hinnehmen zu wollen, und zeigt, wie äußerst angespannt die finanzielle Situation des Unternehmens im Frühjahr 1959 war. Es war auch klar, dass BMW spätestens zu diesem Zeitpunkt nicht mehr damit rechnen konnte, die Sanierung des Unternehmens durch Aufnahme zusätzlichen Fremdkapitals zu erreichen. Dies gelang schließlich nur durch weitreichende Eigenkapitalmaßnahmen, die im Kapitel III. 3. d) beschrieben werden.178 ee) Schuldscheindarlehen 1964 Das Schuldscheindarlehen von 1964 war das erste große Finanzierungsprojekt von BMW nach der Währungsreform, welches das Unternehmen in vergleichsweise ruhigem Fahrwasser vorbereiten und durchführen konnte. Der Vorstand nahm ausgehend von der Investitionsplanung für die kommenden Jahre im Herbst 1963 frühzeitig Kontakt mit der Deutschen Bank auf und führte Gespräche mit dem bayerischen Wirtschaftsministerium hinsichtlich einer Staatsbürgschaft. Die Deutsche Bank war zwar bereit, als Hausbank die technische Abwicklung des Darlehens zu übernehmen, war aber an einer Refinanzierung des Darlehens nicht interessiert. Die ablehnende Haltung der Bank lässt sich auf Basis der eingesehen Quellen nicht erklären, sodass nur vermutet werden kann, dass die Deutsche Bank möglicherweise über die Art und Weise ihres Rückzugs aus der Führung des Unternehmens noch immer so verärgert war (siehe III. 3. d) aa)), dass sie Geschäften mit BMW grundsätzlich ablehnend gegenüberstand.179 Die Bayerische Landesanstalt für Aufbaufinanzierung gewährte jedenfalls eine Staatsbürgschaft und für die Refinanzierung fanden sich das Düsseldorfer Bankhaus Heinz Ansmann, die Allianz AG sowie die Landesanstalt für Aufbaufinanzierung bereit. Der größte Teil des Schuldscheindarlehens wurde mit 50 Millionen DM von Ansmann finanziert. Die Begebung des Schuldscheindarlehens erfolgte einerseits relativ geräuschlos, zeigt aber auch, dass BMW bis zur Mitte der sechziger Jahre bei der Bereitstellung langfristiger Investitionsmittel nicht auf staatliche Hilfe verzichten konnte.

d) Eigenkapitalmaßnahmen aa) Gescheiterte Kapitalerhöhungen bis 1959 Die ersten Überlegungen hinsichtlich einer Kapitalerhöhung gingen zu Beginn des Jahres 1950 vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen aus. Das Ministerium schlug BMW vor, einen Teil des benötigten Kapitals durch Ausgabe neuer 178

Dazu s. Kapitel III. 3. d). BMW UA 431: Protokoll der Vorstandssitzung vom 25. Oktober 1963; BMW UA 415: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft München. Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 31. November 1963; Vgl. Seidl, S. 285 – 289. 179

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Aktien zu beschaffen. Sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat sahen zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Gang an den Kapitalmarkt als noch nicht erfüllt an, vor allem, da BMW noch keine DM-Eröffnungsbilanz vorgelegen konnte und dem Unternehmen die Verfügung über das Werk Allach auch nach dem Ende der Vermögenskontrolle noch immer entzogen war.180 Der Aufsichtsrat lehnte auch nach dem Ende der Vermögenskontrolle eine Kapitalerhöhung wiederholt ab unter Verweis auf die fehlende unternehmerische Substanz und ein fehlendes verkaufsfähiges Produkt.181 Bis zur Sanierung des Unternehmens im Jahr 1960 bekundete eine Vielzahl von Investoren ihr Interesse an einer Beteiligung, Kooperation oder Übernahme des BMW-Grundkapitals. Beispielsweise wandte sich Friedrich Flick nach dem Erlös erheblicher finanzieller Mittel durch die Veräußerung seiner Anteile an der Maxhütte Ende 1951 an den Staatssekretär im bayerischen Finanzministerium Richard Ringelmann mit dem Vorschlag, eine Fusion der Auto-Union mit BMW zu finanzieren. Dieser Vorschlag wurde aber sowohl seitens des Finanzministeriums als auch von der BMW AG abgelehnt.182 Ebenfalls erfolglos verliefen die Gespräche, die Robert Frowein 1957 mit der Chrysler Corporation führte, um die für das Zukunftsprogramm erforderlichen Mittel zu beschaffen, weil man dem Wunsch der Amerikaner nach einem beherrschenden Einfluss auf die Geschäftspolitik nicht nachkommen wollte. Als in der ersten Hälfte des Jahres 1958 ein zusätzlicher Investitionsbedarf bei BMW entstand, bot sich Quandt eine erneute Gelegenheit, seinen Einfluss bei BMW auszubauen.183 Angesichts der Verzögerungen bei dem Mittelklassewagenprojekt und der sich verschlechternden Ertragslage scheint Quandt zu diesem Zeitpunkt jedoch zu der Erkenntnis gelangt zu sein, dass ein Mehrheitserwerb bei BMW seine finanziellen Möglichkeiten nun übersteigen würde. Für diese Annahme spricht, dass Quandt seine Anteile nur erhöhen wollte, wenn der bayerische Staat seinerseits seine bestehende Beteiligung ausbauen würde.184 Nachdem der bayerische Staat dies abgelehnt hatte, schlug Quandt als Großaktionär und Präsidiums-Mitglied der Daimler-Benz AG dieser vor, vierzig Prozent der Aktien und der Wandelanleihe der BMW AG zu übernehmen, darunter die Beteiligung von Krages.185 Gegen die ab180 BMW UA 1265: Aktennotiz über die Besprechung im Bayerischen Finanzministerium betreffend Remontagekredit II und weitere Finanzierung. Dagegen: Hiller, Bayerische Motorenwerke AG, S. 26; Hiller, Hohe Eigenfinanzierung, S. 26. 181 Richebächer, S. 37. 182 BMW UA 1265: Aktenvermerk über die Besprechung bei Herrn Staatssekretär Dr. Ringelmann am 2. November 1951, S. 4. 183 Seidl berichtet, dass Quandt über einen Mittelmann im Kontakt zum Vorstandsvorsitzenden der BMW AG stand und BMW an einem stärkeren Engagement Quandts durchaus interessiert war, s. Seidl, S. 146 – 149. 184 Seidl, S. 149. 185 MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Mittwoch, den 30. Juli 1958. Es ist anhand der zur

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lehnende Haltung der Präsidiumsmitglieder Hermann Josef Abs und Friedrich Flick, ebenfalls Großaktionär bei Daimler-Benz, sowie des Vorstandsvorsitzenden Fritz Könecke, die durch eine Übernahme von BMW eine Beeinträchtigung der erst kurz zuvor erworbenen Auto-Union befürchteten, konnte sich Quandt allerdings vorerst nicht durchsetzen.186 Nach dem Scheitern des Cramer-Plans nahm Hans Feith, der seit Mai 1959 die Deutsche Bank im BMW-Aufsichtsrat vertrat, Kontakt auf zur deutschen Ford AG sowie zur Daimler-Benz AG mit dem Ziel, die – auch für die Deutsche Bank – bedrohlichen finanziellen Schwierigkeiten bei BMW zu überwinden.187 Anders als noch im Vorjahr fielen die Annäherungsversuche an Daimler-Benz dieses Mal auf fruchtbaren Boden, weil die Stuttgarter sich zu diesem Zeitpunkt von deutlichen Produktionsengpässen bedroht sahen. Der Vorstand der Daimler-Benz AG unterrichtete den Aufsichtsrat des Unternehmens in seiner Sitzung am 8. Oktober 1958 davon, dass die Produktion von Personenkraftwagen dringend von 10.000 auf 12.500 Stück erhöht werden müsse – anderenfalls sei zu befürchten, dass ein großer Teil der Kunden zur Konkurrenz getrieben werde. Der Vorstand präsentierte dem Aufsichtsrat zwei Möglichkeiten, um die Produktionskapazität zu erhöhen: Entweder Daimler-Benz errichte für schätzungsweise 100 Millionen DM ein neues Werk oder das Unternehmen übernehme die Kapitalmehrheit an BMW. Der Aufsichtsrat folgte schließlich der Einschätzung des Vorstands, dass der Neubau eines Werkes weniger vorteilhaft sei, weil dieser zwischen 2 und 3 Jahren dauern würde und die benötigte Kapazität damit viel zu spät zur Verfügung stünde.188 Vor diesem Hintergrund hielt Abs am Ende der Aufsichtsratssitzung fest: „Es sei klar geworden, dass keine Zeit vergeudet werden darf, denn die Marktlage erfordert dringend Maßnahmen und auch für den Fall einer Interessennahme an BMW könne auf dieses Problem nicht mehr sehr viel Zeit verschwendet werden, da die BMWAG dringend zu einer Lösung ihrer schwierigen Lage gelangen muss. […] Sollte, […], keine Möglichkeit bestehen, eine Beteiligung an der BMW AG zu übernehmen, muss sich der Vorstand mit einer Alternativlösung befassen, wobei sehr wahrscheinlich der Neubau einer weiteren

Verfügung stehenden Quellen nicht eindeutig zu bestimmen, ob die Idee für eine Beteiligung an der BMWAG ursprünglich von dem Vorstand der BMWAG oder von Herbert Quandt ausging; MB CA: Schreiben von Fritz Könecke an die Mitglieder des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz A. G. vom 16. Juni 1958. 186 MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, den 17. November 1958. 187 BMW UA 100 – 2: Protokoll über die Sitzung des Aufsichtsrates der Bayerische Motoren Werke AG am 6. August 1959; Seidl, S. 202. 188 MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Donnerstag, den 8. 10. 1959; MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Donnerstag, den 8. 10. 1959.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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Fabrikationsanlage, wie sich aus der heutigen Diskussion ergeben hat, wegen des Zeitproblems ausscheidet.“189

Herbert Quandt bot Flick und Abs an, seine BMW-Aktien mit denen von DaimlerBenz poolen zu wollen.190 Mit dieser Entscheidung gab Quandt gegenüber seinen Kollegen im Aufsichtsrat der Daimler-Benz AG sein noch 1957 verfolgtes Ziel auf, alleine einen maßgeblichen Einfluss auf BMW erlangen zu wollen. In der kurz zuvor abgehaltenen Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates hatte sich Flick bereits klar für eine Mehrheitsbeteiligung an BMW ausgesprochen. Allerdings knüpfte Flick diesen Schritt an eine Reihe von Bedingungen. Vor der Anteilsübernahme habe eine Sanierung von BMW unter Mitwirkung des bayerischen Staates und ohne Beteiligung von Daimler-Benz zu erfolgen. Die dazu notwendigen Maßnahmen sollten durchgeführt werden, ohne dass Daimler-Benz bei der Unternehmensleitung oder der Hauptversammlung „Einfluss“ nimmt. Nachdem sich Bayern zu einem solchen Schritt bereit erklärt hatte, sicherte sich Flick noch kartellrechtlich ab, indem er sich kurz vor der Abgabe des Angebots an BMW die Unterstützung von Bundeswirtschaftsminister Erhard zusichern ließ.191 Mit hoher Wahrscheinlichkeit initiierte Flick zusammen mit Abs und Hans Feith auch das Schreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden von BMW vom 22. Oktober 1959, in dem er Daimler-Benz um Unterstützung bei der Überwindung der Unternehmenskrise bittet. Dafür spricht, dass der Vorstand von Daimler-Benz beim Verlesen dieses Bittgesuchs in der Aufsichtsratssitzung am 9. November 1959 zu Protokoll gibt, dass BMW in diesem Schreiben die Forderungen von Daimler-Benz erfüllt hat.192 Daimler-Benz war also spätestens Anfang Oktober fest dazu entschlossen, BMW zu übernehmen. Flick bemühte sich der zu erwartenden öffentlichen Kritik an seiner wachsenden wirtschaftlichen Macht den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem er versuchte, die Übernahme als das Ergebnis eines Hilfegesuchs von BMW aussehen zu lassen. Diese Sichtweise widerlegt die bisherige Annahme, dass Daimler-Benz die Sanierung von BMW nur zögerlich anging, weil sie nicht in die Zukunftsplanung des Unternehmens gepasst habe und dass die entscheidende Initiative von der Bundesregierung und der bayerischen Landesregierung ausging.193

189

MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Donnerstag, den 8. 10. 1959. 190 MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Donnerstag, den 8. 10. 1959. 191 MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Donnerstag, den 8. 10. 1959; MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Mittwoch, den 4. November 1959; MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, den 9. November 1959. 192 MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, den 9. November 1959. 193 Seidl, S. 209.

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Das finale Angebot von Daimler-Benz vom 9. November 1959 sah vor, das bestehende Grundkapital der BMW AG von 30 Millionen DM auf 15 Millionen DM zusammenzulegen und es im Anschluss um 70 Millionen DM zu erhöhen durch Ausgabe neuer Aktien zum Kurs von 100 Prozent und neues Kapital in Höhe von 32 Millionen zu genehmigen. Die neuen Aktien in Höhe von 70 Millionen DM sollten unter Ausschluss des Bezugsrechts der Altaktionäre zu je einem Drittel von Deutscher Bank, Daimler-Benz sowie gemeinsam von der Bayerischen Staatsbank und der Bayerischen Landesanstalt für Aufbaufinanzierung übernommen werden. Die Rechte der Inhaber der 1958 begebenen Wandelanleihe in Höhe von 15 Millionen DM sollten unberührt bleiben und die Altaktionäre an späteren Kapitalerhöhungen im Verhältnis ihres Aktienbesitzes teilnehmen dürfen. Daimler-Benz verpflichtete sich im Gegenzug, BMW für das Geschäftsjahr 1960 Aufträge über 100 Mio. DM zu erteilen. Der Kredit des Bankenkonsortiums sollte mit 24 Millionen DM sichergestellt und für ein Jahr mit einem Zinsnachlass ausgestattet werden.194 Die Altaktionäre sollten mit einer dreijährigen Dividendengarantie in Höhe von 6 Prozent und mit der Möglichkeit, Aktien an der in eine AG umzuwandelnden BMW Triebwerkbau GmbH zu erwerben, für den Ausschluss vom Bezugsrecht kompensiert werden.195 Feith und Enzensberger stellten den Aufsichtsrat von BMW am 9. November 1959 schließlich die drei Optionen für die weitere Zukunft des Unternehmens vor: Entweder nehme der Aufsichtsrat das Angebot von Daimler-Benz an, verkaufe das Werk Milbertshofen und den Namen BMW an Ford oder sehe der Liquidation des Unternehmens entgegen. Vor die Wahl gestellt, entschied sich der Aufsichtsrat dafür, das Angebot von Daimler-Benz anzunehmen.196 Diese Vorgehensweise hätte für Daimler-Benz das Problem des Kapazitätsengpasses gelöst, die Kredite der Deutschen Bank, der Dresdner Bank und der Bayerischen Staatsbank an BMW abgesichert und aus Sicht der bayerischen Landesregierung hochwertige Industriearbeitsplätze in Bayern erhalten. Auch die Treuhandanstalt des deutschen Wertpapierbesitzes befürwortete in einem vom Vorstand in Auftrag gegebenen Gutachten den Sanierungsplan.197

194 Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, den 9. November 1959. 195 BMW UA 291: Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 27. November 1959. 196 BMW UA 291: Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 9. November 1959; für das laufende Geschäftsjahr 1959 erwartete der Vorstand einen Verlust, der die Hälfte des Grundkapitals überstieg: Hiller, BMW vor der Sanierung, S. 2561. 197 An der Anfertigung des Gutachtens war der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz Johannes Semler beteiligt. Der Schutzvereinigung wurde Ende der fünfziger Jahre vorgeworfen, dass sie die Interessen der Kleinaktionäre nur ungenügend vertrat. Vgl. Brawand, Leo/Hoffmann, Alexander von: „Wir sind der Wachhund“. Spiegel-Gespräch mit dem Präsidenten der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V., Dr. Johannes Semler, in: Der Spiegel (1960, 49), S. 50 – 61.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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Das Sanierungskonzept wurde jedoch letztlich nicht umgesetzt, weil es einer Koalition aus Aktionären und Aktionärsvertretern gelang, die Frist für die Annahme des Konzepts verstreichen zu lassen. Die Hauptversammlung der BMWAG hätte am 9. Dezember 1959 mit 75 Prozent des anwesenden Kapitals ihre Zustimmung zu dem Angebot von Daimler-Benz geben müssen.198 Stattdessen wurde die Hauptversammlung auf Initiative von Friedrich Mathern und Erich Nold ohne Beschlussfassung vertagt. Friedrich Mathern war ein Frankfurter Rechtsanwalt, der in der Öffentlichkeit als Vertreter der BMW-Händler auftrat. Die Ankündigung, dass Daimler-Benz in Zukunft die Macht bei BMW innehaben könnte, hatte die BMW-Händler zutiefst beunruhigt.199 Es ist davon auszugehen, dass viele Händler befürchten mussten, dass die Marke BMW in ihrer Existenz bedroht sei und sie daher ein hohes Interesse daran haben mussten, eine Kapitalmehrheit von Daimler-Benz bei BMW zu verhindern. Der Öffentlichkeit war allerdings nicht bekannt, wie Mathern den Widerstand gegen Vorstand und Aufsichtsrat vor der Hauptversammlung organisierte. Dies gelang ihm, indem er mit seinem Kollegen Martin Reiter MAN davon überzeugte, ein Angebot für den Erwerb der BMW Triebwerkbau GmbH abzugeben. MAN hatte bereits im Juni 1959 Interesse an einem Erwerb der Triebwerkbau gezeigt, aber seine Bemühungen auf Bitten des Bundesverteidigungsministeriums eingestellt. Nachdem sich jedoch der Aufsichtsrat von BMW für das Sanierungskonzept von Daimler-Benz ausgesprochen hatte, unternahm MAN einen neuen Versuch und konnte Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Strauß dazu bewegen, seine Bedenken zurückzuziehen. Daraufhin versuchte MAN das bayerische Finanzministerium für seine Pläne zu gewinnen – höchstwahrscheinlich in der Hoffnung, das Finanzministerium würde über die Bayerische Staatsbank als Depotbank versuchen, eine Sperrminorität in der Hauptversammlung zu organisieren. Diese Hoffnungen zerschlugen sich jedoch, nachdem das Finanzministerium der MAN gegenüber am 18. November 1959 klarstellte, das Sanierungskonzept von Daimler-Benz zu befürworten.200 Knapp eine Woche später machten Mathern und sein Kollege Martin Reiter der Unternehmensleitung von MAN den Vorschlag, ein Angebot für den Erwerb der Anteile der Triebwerkbau GmbH abzugeben. Aus den Gesprächsnotizen der MAN mit Mathern geht hervor, dass Mathern auf der Hauptversammlung mit der Unterstützung der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz sowie der von Herbert Quandt rechnete. Dieser habe Martin Reiter mitgeteilt, gegen den Ausschluss des Bezugsrechts der Altaktionäre zu sein.201 Dieser hätte nämlich seinen 198 BMW UA 445: Erklärung des Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Hans Feith in der Hauptversammlung am 9. 12. 1959, S. 2. 199 BMW UA 291 – 1: Bayerischen Motoren Werke Aktiengesellschaft, München Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 26. November 1959, S. 7; BMW UA 445: Erklärung des Aufsichtsratsvorsitzers, Dr. Hans Feith, in der Hauptversammlung am 9. 12. 1959, S. 5. 200 Seidl, S. 212. 201 Seidl, S. 212.

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Anteil an BMW, der zu diesem Zeitpunkt schätzungsweise 8 Prozent202 betrug, auf 3 Prozent verwässert. Dies ist insofern interessant, als Herbert Quandt im Vorfeld der Hauptversammlung ein doppeltes Spiel zu spielen schien. Während er als Mitglied des Aufsichtsrates von Daimler-Benz das Sanierungskonzept von Daimler-Benz mittrug und Hermann J. Abs und Friedrich Flick für die Zeit nach der Sanierung ein Pooling seiner Anteile an BMW mit den zu erwerbenden BMW-Anteilen von Daimler-Benz anbot, unterstützte er Reiter und Mathern in ihren Bestrebungen, eben dieses Sanierungskonzept zu torpedieren. Des Weiteren soll Mathern gegenüber MAN erwähnt haben, im Auftrag von Hermann Krages zu handeln, der die Hälfte einer Kapitalerhöhung bei BMW tragen wolle. Nicht zuletzt warb ein gewisser Erich Nold im Vorfeld der Hauptversammlung, die über das Sanierungskonzept entscheiden sollte, in öffentlichen Aufrufen für Stimmrechtsvertretungen von Kleinaktionären. Erich Nold war in der Vergangenheit auf Hauptversammlungen großer deutscher Aktiengesellschaften als Aktivist für die Rechte von Kleinaktionären in Erscheinung getreten und vertrat nach eigenen Angaben 5 Prozent des stimmberechtigten Kapitals verschiedener Kleinaktionäre.203 Vor diesem Hintergrund scheint MAN dann doch die Hoffnung geschöpft zu haben, gegen das Sanierungskonzept könne eine Sperrminorität zustande kommen, und unterbreitete der Triebwerkbau GmbH und der BMWAG am 26. November das Angebot, einen Teil des Grundstücks und der Anlagen im Werk Allach für 15 Millionen DM zu kaufen und die bestehenden Verbindlichkeiten aus dem Lastenausgleich in Höhe von 15 Millionen DM (Zeitwert 12 Millionen DM) zu übernehmen.204 Der BMW-Aufsichtsrat gab den Aktionären das Angebot der MAN im Aktionärsbrief zur Vorbereitung auf die Hauptversammlung bekannt, aber sah sich dadurch nicht veranlasst, das Sanierungskonzept von Daimler-Benz in Frage zu stellen. Diese Haltung begründete der Aufsichtsrat damit, dass, selbst wenn BMW durch den Verkauf an MAN Liquidität zugeführt werden könnte, ein kapitalkräftiger Partner gebraucht würde, um das Unternehmen langfristig zu stabilisieren – und dass sich eben kein besserer Partner als Daimler-Benz finden lasse. Des Weiteren verlas Feith auf der Hauptversammlung einen Brief des Bundesverteidigungsministeriums, aus dem hervorging, dass das Ministerium einen 300 Millionen DM umfassenden Auftrag nur dann an die Triebwerkbau GmbH vergeben könne, wenn

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Knoll, S. 485. BMW UA 445: Protokoll über die Hauptversammlung der Bayerische Motoren Werke AG am Mittwoch, dem 9. Dezember 1959, 11 Uhr, S. 9; Der Mann mit dem Koffer, in: Der Spiegel (1958, 10), S. 28 – 37. 204 BMW UA 291 – 1: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 4. März 1960, S. 6. 203

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„sichergestellt ist, dass künftig auch hinter der Triebwerkbau ein technisch und finanziell starker Partner steht und wenn dies nunmehr ohne weitere Voraussetzungen sichergestellt ist.“205

Als Feith nämlich von der Aktivität der MAN erfahren hatte, bat er das bayerische Wirtschaftsministerium, sich bei Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Strauß gegen die Absicht der MAN auszusprechen.206 Friedrich Mathern entkräftete in der Hauptversammlung die Argumentation des Aufsichtsrates, indem er die guten Erfolgsaussichten des BMW 700 für das kommende Jahr hervorhob. Des Weiteren berichtete er von Gesprächen mit dem englischen Kraftfahrzeughersteller Rootes, die nahelegten, dass entgegen den Aussagen des Aufsichtsrats auch noch andere Partner für die Sanierung in Frage kämen als nur Daimler-Benz. Schließlich erwähnte er, dass MAN nunmehr bereit sei, 30 Millionen DM für den Erwerb der Triebwerkbau GmbH zu zahlen (davon wären 13 – 16 Millionen DM für Aufwendungen aus dem Lastenausgleich durch BMW zu zahlen gewesen), mit denen die kurzfristige Liquidität sichergestellt werden könne. Zusammen mit der Kapitalherabsetzung um 15 Millionen DM könne eine Bilanzstruktur dargestellt werden, die bei Ausgabe neuer Aktien mit Bezugsrecht der Altaktionäre auch den zukünftigen Kapitalbedarf decken könne. Dies hatte zur Folge, dass rund 30 Prozent des anwesenden Kapitals von 20 Millionen DM für den ersten Antrag von Mathern stimmten, die Hauptversammlung in Gänze zu vertragen. Da hierfür eine einfache Mehrheit erforderlich gewesen wäre, wurde der Antrag nicht angenommen, aber im Kontext der Argumentation Matherns gegen eine übereilte Entscheidung für eine Kapitalerhöhung durch Daimler-Benz war nun offensichtlich, dass es keine Dreiviertel-Mehrheit für eine Annahme des Daimler-Benz-Konzepts geben konnte. Um zu verhindern, dass die Aktionäre sich durch eine Ablehnung des Daimler-Benz-Konzepts diese Option für die Zukunft verbauten, stellte Mathern einen zweiten Antrag auf Vertagung nur der Entscheidung zum Sanierungskonzept mit der Begründung, die dem Sanierungskonzept zu Grunde liegende Bilanz enthalte Mängel. Für die Annahme dieses Antrags waren lediglich 10 Prozent der anwesenden Stimmen erforderlich. Dieser Antrag wurde ebenfalls von rund 30 Prozent der anwesenden Stimmen angenommen.207

205 BMW UA 445: Protokoll über die Hauptversammlung der Bayerische Motoren Werke AG am Mittwoch, dem 9. Dezember 1959, 11 Uhr, S. 21. 206 Seidl, S. 214. 207 BMW UA 445: Protokoll über die Hauptversammlung der Bayerische Motoren Werke AG am Mittwoch, dem 9. Dezember 1959, 11 Uhr, S. 21; Knoll, S. 491 f.; Nicht kaputtgekriegt, in: Der Spiegel (1960, 9), S. 32; Seidl, S. 221 f.

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bb) Kapitalerhöhung BMW Triebwerkbau GmbH 1960 In der Selbstdarstellung des heutigen BMW-Konzerns veranlasste der Durchhaltewille, den die Kleinaktionäre und die Belegschaft auf der Hauptversammlung erkennen ließen, sowie sein Vertrauen in den BMW 700 Herbert Quandt dazu, sein Aktienpaket nach der Hauptversammlung auszuweiten. Wenn es allerdings stimmt, dass Quandt bereits vor der Hauptversammlung gegenüber Reiter seine Unterstützung signalisiert hatte, weil er gegen den Ausschluss des Bezugsrechts sei, scheint es jedoch eher so gewesen zu sein, dass Quandt die Herren Mathern, Reiter und Nold instrumentalisierte, um sein bereits 1957 verfolgtes Ziel eines maßgeblichen Einflusses bei BMW doch noch zu erreichen. Zum Jahreswechsel 1959/60 soll Quandt gegenüber einem Vertreter des Finanzministeriums jedenfalls erklärt haben, mit Unterstützung des Landes Bayern sei er bereit, die unternehmerische Führung bei BMW zu übernehmen.208 Seine Führungsrolle stützte er auf seinen Aktienbesitz und die Bestellung seines Vertrauten Gerhard Wilcke zum Mitglied des Aufsichtsrats am 1. Februar 1960.209 Ende Februar 1960 soll Quandt nach Informationen des Magazins „Der Spiegel“ im Besitz von 10 bis 15 Prozent der Aktien gewesen sein. Hinzu kämen schätzungsweise Wandelanleihen von 1958 mit einem Nominalwert von 7 Millionen DM, die im Jahr 1961 zur Wandlung anstanden.210 Des Weiteren schien Quandt durch Optionen und Abreden mit anderen Aktionären schon im Januar Einfluss auf weitere Aktien in Wert von 5,2 Millionen DM ausüben zu können.211 Damit hätte er in einer Hauptversammlung jederzeit eine Sperrminorität von mehr als 25 Prozent des Gesamtkapitals darstellen können. Seinen Führungsanspruch machte Quandt erstmals Ende Januar 1960 geltend bei der Entscheidung um die Kapitalerhöhung der Triebwerkbau GmbH. Nachdem die Hauptversammlung der BMWAG vom 9. Dezember 1959 das Angebot der DaimlerBenz AG zur Sanierung des Unternehmens abgelehnt hatte, ergriff zunächst Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Strauß die Initiative und setzte BMW für die Verabschiedung eines tragfähigen Sanierungskonzepts eine Frist bis zu zum 31. Januar 1960. Sollte die Frist verstreichen, würde die BMW Triebwerkbau GmbH von der Auftragsvergabe ausgeschlossen werden.212 Der Aufsichtsrat der BMW AG stimmte unter diesem Druck am 25. Januar 1960 einer Vereinbarung zu, die der Vorstand mit Vertretern des Bundesverteidigungsministeriums und des bayerischen Finanzministeriums verhandelt hatte. Diese sah im Wesentlichen vor, dass das Land Bayern eine Kapitalerhöhung bei der Triebwerkbau GmbH um 10 Millionen DM finanzierte und dafür ein Aufgeld von 2,7 Millionen DM an BMW zahlte. Auf 208

Barbarino, Otto: Ein Lebenslauf im 20. Jahrhundert, Landsberg am Lech 1997, S. 72 f. Seidl, S. 234. 210 Nicht kaputtgekriegt, in: Der Spiegel (1960, 9), S. 32 f.; S. 32. 211 Seidl, S. 229. 212 BMW UA 291 – 1: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft, München, Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 25. Januar 1960, S. 10; Hf.: Risikoreicher Alleingang der BMW, S. 2596. 209

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Verlangen von BMW sei das zusätzliche Grundkapital vom Land an einen Interessenten zum verzinsten Kaufpreis unter Zustimmung des Bundes zu veräußern. Die Landesanstalt für Aufbaufinanzierung sollte BMW einen Kredit über 14 Millionen DM gewähren, der mit den Anteilen an der BMW Triebwerkbau GmbH besichert werden sollte.213 Nachdem der Aufsichtsrat am 25. Januar diese Vorgehensweise genehmigt hatte, machte das Bundesverteidigungsministerium jedoch noch am selben Tag eine Kehrtwende und wollte stattdessen auf ein Angebot von MAN eingehen. Das Unternehmen war bereit, für eine Kapitalerhöhung von 10 Millionen DM ein Agio von 6,7 Millionen DM zu zahlen, wodurch der staatliche Überbrückungskredit auf 10 Millionen DM hätte gekürzt werden können. MAN erklärte sich bereit, die Anteile bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung von BMW an einen Dritten zu übertragen, wenn dieser BMW einen höheren Kaufpreis anbieten sollte und MAN nicht bereit wäre, in das Angebot des Dritten einzutreten.214 Quandt verhinderte eine Zustimmung zu dem Angebot von MAN, indem er am 28. Januar 1960 selbst in das Angebot der MAN eintrat mit dem einzigen Unterschied, dass er BMW ein uneingeschränktes Rückkaufrecht des neu geschaffenen Kapitals einräumte. Quandt wollte damit verhindern, dass unter dem Druck der Liquiditätsbeschaffung und des Ultimatums von Franz-Josef Strauß die Triebwerkbau zu früh unter Wert an einen weiteren Miteigentümer ging. Daraufhin ließen sich Bund und Land dazu bewegen, auf die ursprüngliche Vereinbarung zurückzugehen, die der Aufsichtsrat am 25. Januar genehmigt hatte.215 Doch auch damit war noch keine endgültige Übereinkunft getroffen. Wenige Tage vor dem Ende des von ihm selbst gesetzten Ultimatums stellte der Bundesverteidigungsminister FranzJosef Strauß eine weitere und für ihn nicht verhandelbare Bedingung bezüglich der Rückübertragung des neu zu schaffenden Grundkapitals vom Land Bayern an BMW: „Der Freistaat Bayern verpflichtet sich bis spätestens 31. 12. 1964, seinen Geschäftsanteil an der BMW Triebwerkbau GmbH auf ein bis zur nächsten Hauptversammlung der BMW AG seitens der BMW AG oder des Bundes jederzeit zu stellendes Verlangen an die BMW AG oder einen dem Freistaat Bayern genehmen Erwerber zu übertragen. Eine solche Übertragung bedarf der Zustimmung von Bayern und Bund als Gesellschafter [Anmerkung: der Bund sollte treuhänderisch jeweils 1 % des Anteilsbesitzes der BMW AG und Landes erhalten]. Die Übertragung an die BMWAG oder einen Dritten kommt dann nicht in Betracht, wenn durch die Neuordnung der Verhältnisse bei der BMW AG die kontinuierliche Entwicklung der BMW-Gesellschaften nicht gewährleistet ist. […]“.216

Um die Auftragsvergabe an die BMW Triebwerkbau GmbH nicht in letzter Minute zu gefährden, stimmten Vorstand und Aufsichtsrat der Forderung von FranzJosef Strauß schließlich zu. Sie taten dies allerdings nicht, ohne sich vorher die 213 BMW UA 291 – 1: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft, München, Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats am 25. Januar 1960, S. 12 f.; Seidl, S. 228. 214 BMW UA 410: Protokoll über die Vorstandssitzung am 25. Januar 1960, S. 2. 215 BMW UA 410: Protokoll über die Vorstandssitzung am 25. Januar 1960, S. 2. 216 BMW UA 410: Protokoll über die Vorstandssitzung am 1. Februar 1960, S. 1 f.

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Zustimmung von Herbert Quandt zu sichern. Dieser sah sich zwar auch „nach einigem Zögern“ gezwungen, der von Strauß erhobenen Forderung nachzugeben. Dafür war aber von nun an auch klar, dass bei BMW ab sofort keine wichtigen Entscheidungen ohne Herbert Quandt getroffen werden würden. Die Kapitalerhöhung kam schließlich zustande und mit den Einnahmen aus dem Agio und dem Kredit der LfA tilgte BMW die Verbindlichkeiten gegenüber der BMW Triebwerkbau GmbH. Die danach verbliebenen 9 Millionen DM standen zur Finanzierung der PKW-Produktion bereit. cc) Kapitalerhöhungen BMW AG 1960 und 1961 Die Kapitalerhöhung bei der Triebwerkbau GmbH reichte jedoch nicht aus, um das Mittelklassewagenprojekt zu finanzieren. Auf der Hauptversammlung vom 9. Dezember 1959 war jedoch klar geworden, dass für eine Kapitalerhöhung durch ein Konsortium aus Daimler-Benz, Deutscher Bank und bayerischem Staat die benötigte Mehrheit von 75 Prozent des stimmberechtigten Kapitals nicht zustande kommen würde. Die Daimler-Benz AG zog daraufhin ihr Angebot zum Ende des Jahres 1959 zurück.217 Auch der Vorstand der Deutschen Bank reagierte: Ihr Vorstandsmitglied Hans Feith legte sein Amt als Aufsichtsratsvorsitzender mit Wirkung zum 30. Januar 1960 nieder und gab in der Aufsichtsratssitzung der BMW AG vom 25. Januar 1960 zu Protokoll, der „Vorstand der Deutschen Bank sei jedenfalls nicht bereit, durch eines seiner Mitglieder weiterhin im Aufsichtsrat der BMWAG führend in den Vordergrund zu treten.“218 Infolge dieser Entscheidung war das Registergericht München gesetzlich dazu verpflichtet, ein neues Aufsichtsratsmitglied zu bestellen, um die Handlungsfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen. Das Registergericht München kam daraufhin seiner gesetzlichen Pflicht zur Bestellung neuer Aufsichtsratsmitglieder nach und bestellte zum 1. Februar 1960 fünf neue BMWAufsichtsratsmitglieder, um die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft sicherzustellen. Unter den neuen Aufsichtsräten befanden sich Ulrich Semler, Präsident der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, der zu diesem Zeitpunkt das Vertrauen von Herbert Quandt genoss, Gerhard Wilcke, Rechtsanwalt und Vertrauter von Herbert Quandt, sowie Fritz-Aurel Goergen, der als Kontrahent von Quandt bei der Erlangung eines maßgeblichen Einflusses auf BMW galt. Bemerkenswert ist, dass der Registerrichter den Kandidaten, der vom scheidenden Aufsichtsratsvorsitzenden der

217

BMW UA 291 – 1: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 28. Dezember 1959, S. 2; BMW UA 291 – 1: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 17. Dezember 1959, S. 16. 218 BMW UA 291 – 1: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 25. Januar 1960, S. 15.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

123

Deutschen Bank ins Spiel gebracht worden war – Ernst Falkenheim – nicht bestellte.219 Die Entscheidung des Gerichts hatte zur Folge, dass sich die Machtbalance bei BMW weiter zugunsten von Herbert Quandt verschob. Wilcke und Semler gelang es zunächst, die Stichwahl von Goergen zum Aufsichtsratsvorsitzenden zu verhindern und stattdessen Semler als Vorsitzenden wählen zu lassen.220 Danach marginalisierten sie den Einfluss von Goergen noch weiter, indem sie dem Aufsichtsrat erfolgreich vorschlugen, innerhalb des Aufsichtsrates einen Betriebsausschuss und einen Sanierungsausschuss zu gründen. Während der Betriebsausschuss unter Vorsitz von Goergen sich mit allen innerbetrieblichen Themen befassen sollte, oblag es dem Sanierungsausschuss unter Vorsitz von Wilcke, die weitaus wichtigeren Verhandlungen mit Investoren hinsichtlich der Sanierung zu führen. Dies hätte Goergen von der aktiven Gestaltung der Zukunft der BMW AG faktisch nahezu ausgeschlossen, sodass er sich entschied, den Vorsitz des Ausschusses nicht zu übernehmen und am 24. April 1960 bereits wieder aus dem Aufsichtsrat ausschied.221 Nach der Machtprobe im Zuge der Kapitalerhöhung der Triebwerkbau GmbH und der Aufgabenverteilung im neu besetzten Aufsichtsrat wurde die Sanierung der BMWAG spätestens seit Mitte Februar 1960 federführend von Gerhard Wilcke – und damit von Herbert Quandt – gestaltet. Wilcke betrieb die Sanierung zunächst unter der Maßgabe,

219

BMW UA 291 – 1: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 25. Januar 1960, S. 13; S. 18; Seidl, S. 234. 220 Laut einem Bericht des Magazins „Der Spiegel“ wollte sich Goergen selbst finanziell an der Sanierung von BMW beteiligen; deswegen habe es eine latente Rivalität zwischen Goergen und Quandt gegeben. Daher soll Wilcke bei seinen Kollegen im AR Stimmung gemacht haben gegen Goergen. Nach Spiegel-Informationen wurde es Goergen schließlich zum Verhängnis, dass er vor der Wahl zum Aufsichtsratsvorsitzenden die kurz zuvor entstandenen Gerüchte nicht dementierte, er wollte den amerikanischen Flugzeugkonzern United Aircraft Corporation bei BMW ins Geschäft bringen. Daraufhin seien weitere Gerüchte entstanden, dass der Bundesverteidigungsminister BMW die Rüstungsaufträge entziehen wolle, wenn Goergen dieses Vorhaben in die Tat umsetze. Strauß hatte der BMW Triebwerkbau GmbH erst wenige Tage zuvor Aufträge der amerikanischen Firma General Electric, einer Konkurrentin der United Aircraft Corp., vermittelt. Der Aufsichtsrat habe sich vor diesem Hintergrund für Ulrich Semler, den Präsidenten der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz entschieden, und gegen Goergen. Die Darstellung des Magazins „Der Spiegel“ wird dadurch gestützt, dass das Aufsichtsratsmitglied der BMW AG Enzensberger auf Nachfrage von Goergen in der AR-Sitzung am 4. März 1960 zu Protokoll gab, dass eine Intervention aus Bonn gegen Goergen bei der Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden eine Rolle gespielt habe. Quellen: Der Spiegel: Nicht kaputtgekriegt, 1960, 9, S. 32 f.; BMW UA 415 – 1: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 12. Februar 1960, S. 3; BMW UA 292 – 2: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 4. März 1960, S. 2. 221 BMW UA 291 – 1: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 4. März 1960, S. 3; WA UK C8/2: Bericht der Bayerische Motorenwerke Aktiengesellschaft über das 45. Geschäftsjahr 1960, S. 7.

124

III. Bayerische Motoren Werke AG

„dass die Sanierung der BMW nicht nur die Frage der Kapitalbeschaffung sei, dass die entscheidende Voraussetzung vielmehr in der Schaffung einer gesunden industriellen Grundlage für die Werke München und Allach liege. Damit komme der Sicherung der technischen Grundlagen für das Gesamtunternehmen die ausschlaggebende Bedeutung zu. Es gelte, einen Partner zu finden, welcher durch die Ergänzung auf der Programmseite die baldige Erreichung einer ausgeglichenen Ertragsrechnung gewährleiste.“222

Die zu diesem Zweck mit American Motors, Borgward, Bristol Siddely, DaimlerBenz, Fiat, Ford, General Electric, MAN und Rootes geführten Gespräche führten jedoch zu keinem Ergebnis, sodass sich Quandt sehr wahrscheinlich schon bis zum 21. April 1960 dazu entschloss, dass sich BMW aus eigener Kraft sanieren müsse.223 Die letzten Absagen zur Beteiligung an BMW kamen von Bristol Siddeley im Juni 1960 und von der American Motors Corporation im August 1960.224 Daraufhin schlossen sich im Oktober 1960 auch die übrigen Aufsichtsratsmitglieder der von Quandt vorgegeben Richtung der Sanierung aus eigener Kraft schließlich an. Obwohl Herbert Quandt nach der Bestellung von Wilcke zum Aufsichtsratsmitglied weitere Aktien hinzukaufte und bis Ende November mit Aktien in einem Nominalwert von 6 Millionen DM über 20 Prozent des stimmberechtigen Kapitals verfügt haben dürfte225, ist die Entscheidung Quandts für eine Sanierung aus eigener Kraft nur die zweitbeste Lösung gewesen. Auch danach strebte er bis zum Ende des Untersuchungszeitraums nie die Kapitalmehrheit bei BMW an, sondern beabsichtigte seine Sperrminorität zu erhalten und gab die Hoffnung, einen passenden Partner zu finden, nicht vollständig auf. Die Modalitäten des Sanierungskonzepts waren exakt auf diese Strategie zugeschnitten. Um ein wirtschaftlich tragfähiges Programm zu finanzieren, sei laut Vorstand ein Kapitalbedarf von rund 50 Million DM erforderlich. Zur Finanzierung des 1959 zu erwartenden Verlusts sei ein Kapitalschnitt von 30 Millionen DM auf 22,5 Millionen DM erforderlich. Mit Blick auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Umsatz und Eigenkapital sowie mit Blick auf zukünftige Dividendenzahlungen sollte das neue Grundkapital in der Größenordnung von 75 Millionen DM liegen. Bei einem konservativen Ansatz von 60 Millionen DM

222 BMW UA 291 – 1: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 4. März 1960, S. 9. 223 Diese Aussage wurde jedenfalls von Gerhard Wilcke in der AR-Sitzung der BMW AG vom 21. 04. 1960 protokolliert. Da Wilcke die Interessen von Quandt vertrat, dürfte diese Aussage mit hoher Wahrscheinlichkeit im Vorfeld mit Quandt abgestimmt gewesen sein, siehe BMW UA 415: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 21. April 1960, S. 5; MAN und General Electric lehnten eine Beteiligung an der BMW AG im Mai 1960 ebenfalls ab, siehe BMW UA 415: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 9. Mai 1960. 224 BMW UA 415: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 1. Juni 1960, S. 2; Seidl, S. 247. 225 BMW-Sanierung. Der Krebs, in: Der Spiegel, 1960, 49, S. 48.

4. Zwischenfazit

125

Grundkapital ergab sich daraus ein Agio von 15 Millionen DM, das abzüglich der Emissionskosten die benötigte Liquidität von 50 Millionen einbringen sollte.226 Des Weiteren wurde auf Vorschlags Semlers mit der Unterstützung von Wilcke ein bedingtes Grundkapital in Höhe von 15 Millionen DM geschaffen, welches für die Dauer von 3 Jahren zur Andienung an einen industriellen Partner durch Vorstand und Aufsichtsrat unter Ausschluss des gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre zur Verfügung stehen sollte. Wenn die Informationen des Spiegels vom November 1960 richtig waren, dann verfügte Quandt zu dem Zeitpunkt, zu dem der Aufsichtsrat einen Kapitalschnitt 3:4 mit anschließender Kapitalerhöhung um 37,5 Millionen DM mit Bezugsrecht der Aktionäre und Wandelobligationäre vorschlug, über ein Aktienpaket mit einem Buchwert von 6 Millionen DM und über Wandelanleihen mit einem Nominalwert von 7 Millionen DM. Nach der Durchführung der Kapitalmaßnahmen und Wandlung der Anleihe hätte er durch den Besitz von Aktien mit einem Nominalwert in Höhe von 23 Millionen DM von insgesamt 75 Millionen DM auch dann noch eine Sperrminorität gehabt, wenn weitere Aktien mit einem Nominalwert von 15 Millionen DM an einen Dritten gegangen wären. Dass die deutsche Bank als Hausbank nicht als Konsortialbank für die Kapitalerhöhung fungieren wollte, kam Quandt insofern sogar entgegen, als er nun unter Beteiligung der Frankfurter Bank und der Privatbank Trinkaus mit der QuandtGruppe als Auffangkonsortium einsprang. Zwar verpflichtete er sich, die aufgefangenen Aktien für 3 Jahre für die BMW für einen zukünftigen Partner zu halten, konnte aber durchsetzen, dass ein Verkauf an einen Dritten der Zustimmung des Konsortiums bedurfte.227 Den letzten Versuch, einen zusätzlichen Investor für BMW zu finden, unternahm Quandt, als er MAN 1961 aus dem bedingten Grundkapital von 15 Millionen DM Aktien mit einem Nominalwert von 9,1 Millionen DM deutlich unterhalb des Marktwertes anbot. Da MAN das Angebot ablehnte, blieb es bis 1965 bei einem nominalen Grundkapital in Höhe von 75 Millionen DM.228

4. Zwischenfazit Die betriebswirtschaftliche Entwicklung bis zur Währungsreform belastete BMW nachhaltig. Dies lag nicht an der Abwertung der hohen Forderungen gegenüber dem Deutschen Reich für die Lieferung von Rüstungsgütern während des Krieges. Denn die Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten, die den Forderungen an das Deutsche 226

Vgl. die Diskussion des Aufsichtsrats BMW UA 415: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 13. Oktober 1960. 227 BMW UA 415: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 7. November 1960. 228 Seidl, S. 252.

126

III. Bayerische Motoren Werke AG

Reich in der Bilanz gegenüberstanden, wurden durch das Vertragshilfeverfahren auf 1 Prozent statt wie im gesetzlichen Regelfall vorgesehen auf 10 Prozent abgewertet. Auch bei der Umstellung weiterer Verbindlichkeiten gelang es BMW, mit seinen Gläubigern für das Unternehmen günstige Lösungen zur Abfindung der Reichsmarkschulden zu finden. Insbesondere der Staat kam BMW bei den Umstellungsgrundschulden weit entgegen. Eine weitaus größere Belastung waren die kriegsbedingten Zerstörungen und die anschließende fast vollständige Demontage des Anlagevermögens bis über den Zeitpunkt der Währungsreform hinaus. Insofern hat die Frage nach der Fähigkeit des Unternehmens, liquide Reichsmarkbestände vor der Währungsreform in Sachanlagen zu investieren, keine Bedeutung für die Bewertung der industriellen Substanz von BMW für die Zeit unmittelbar nach der Währungsreform. Des Weiteren waren große Teile des verbliebenen Vermögens, nämlich das Werk in Allach, teilweise bis zur Mitte der fünfziger Jahre von der Besatzungsmacht beschlagnahmt. Die vorsichtige Bewertung des Werkes Allach führte zu einer vergleichsweise geringen Eigenkapitalquote. Da zum Zeitpunkt der Erstellung der DMEröffnungsbilanz lediglich die Motorradproduktion erfolgreich angelaufen war und die zukünftige Ertragslage des Unternehmens unsicher war, entschied sich das Unternehmen dazu, das Grundkapital zugunsten der freien Rücklagen möglichst niedrig anzusetzen. Weder das Lastenausgleichsgesetz noch die Investitionshilfe belasteten die Finanzlage des Unternehmens nachhaltig. Bereits frühzeitig konnte BMW die Investitionen in den Aufbau der PKW-Produktion nicht mehr aus dem operativen Geschäft finanzieren, sondern war in zunehmendem Maße auf Fremdkapital angewiesen. Die Gründe für die rückläufigen Cashflows aus dem operativen Geschäft bestanden einerseits im Abflauen der Motorradkonjunktur zur Mitte der fünfziger Jahre und in der erfolglosen Produktpolitik im PKW-Geschäft. In dem spezifischen Kapitalmarktumfeld dieser Zeit manövrierte sich BMW damit in ein schweres Fahrwasser. Denn langfristiges Kapital war aufgrund der dirigistischen Kapitalmarktpolitik der Bundesregierung äußerst knapp. Die Bundesregierung schaffte zwar im Gegenzug durch umfangreiche Möglichkeiten zur Steuerreduzierung die Voraussetzungen für eine hohe Selbstfinanzierung der Unternehmen. Die Ausnutzung dieser steuerlichen Möglichkeiten setzte aber wiederum erst einmal voraus, dass ein Unternehmen überhaupt operative Cashflows erwirtschaftete, die es um steuersenkende Absetzungen vom Gewinn reduzieren konnte, um die Zahlungen an den Fiskus zu minimieren. Die schwache operative Ertragslage von BMW hatte somit zur Folge, dass BMW die gesetzlichen Möglichkeiten zur Steuerreduzierung nicht vollumfänglich ausnutzen konnte und statt stiller Reserven eher stille Lasten in der Handelsbilanz bildete. Bei der Beschaffung von Fremdkapital fällt besonders die enge Verbindung zum Freistaat Bayern und zur Bundesregierung auf, ohne deren Vermittlung und Garantien BMW nicht in dem zu beobachtenden Umfang Kredite erhalten hätte. Der Freistaat Bayern hatte ein Interesse an der Sicherung attraktiver Arbeitsplätze in Bayern. Das Interesse der Bundesregierung, BMW als Produktionsstätte für eine deutsche Luftrüstungsproduktion zu sichern, kann erst nach dem Beitritt der Bun-

4. Zwischenfazit

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desrepublik Deutschland zur Nato Mitte der fünfziger Jahre das Engagement der Bundesregierung für eine finanzielle Sanierung der BMW AG erklären. Auch wenn BMW nicht von allen zur Verfügung stehenden gesetzlichen Möglichkeiten der Steuervermeidung Gebrauch machen konnte, so zeigte der Staat gegenüber BMW großes Entgegenkommen durch besondere Regelungen zur Verringerung der Steuerlast, ohne die sich die Finanzierungsstruktur des Unternehmens bereits deutlich früher verschlechtert hätte. Die Hausbanken kamen der ihnen im bankorientierten deutschen Finanzsystem allgemein zugeschriebenen Funktion nicht nach. Sie konnten in den ersten Jahren nach der Währungsreform nur kurzfristige Betriebsmittelkredite und kein langfristiges Kapital für Investitionen bereitstellen. Trotz oder vielleicht sogar aufgrund ihrer guten Kenntnisse des Unternehmens durch ihre Vertretung im Aufsichtsrat verweigerten sie dem Vorstand in einer für das Unternehmen kritischen Situation die Aufnahme weiterer Fremdmittel. Erst nach der Auswechslung des Vorstands und bei Begrenzung des Risikos für die Banken genehmigte der Aufsichtsrat die Aufnahme einer Wandelanleihe. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Banken damit eher im eigenen Interesse als in dem Interesse der Eigentümer handelten. Die mit den Einnahmen aus der Wandelanleihe getätigten Investitionen konnten jedoch einen kurzfristigen und existenzbedrohenden finanziellen Engpass zum Ende der fünfziger Jahre nicht verhindern. Die finanzielle Sanierung gelang dann schließlich nur auf staatlichen Druck durch eine Trennung vom Luftfahrtgeschäft sowie durch mehrere Kapitalerhöhungen unter der Führung des neuen Großaktionärs Herbert Quandt. Die durch die kleine Aktienrechtsreform angestoßene gesellschaftspolitische Diskussion darüber, ob eine gerechte Verteilung des Wohlstands in einem Unternehmen bei der Ausgabe von Zusatzaktien an Aktionäre nicht auch eine Ausgabe von Belegschaftsaktien erfordere, spielte bei BMW insofern keine Rolle, da BMW aufgrund der erfolglosen Geschäftspolitik gar nicht erst in die Lage gekommen war, stille Reserven in Grundkapital umzuwandeln. Ein weiteres Ziel der kleinen Aktienrechtsreform neben der Abschaffung der Doppelbesteuerung für Gewinnumwandlungen in Grundkapital war auch die Stärkung der Rechte des Kleinaktionärs. Bezüglich der Rolle der Kleinaktionäre bei BMW ist festzuhalten, dass es den Kleinaktionären bereits 1959 – und damit ein Jahr vor der kleinen Aktienrechtsreform – gelang, auf der außerordentlichen Hauptversammlung ihre Interessen gegen die Hausbanken und Großaktionäre durchzusetzen. Damit trugen die Kleinaktionäre von BMW öffentlichkeitswirksam dazu bei, dass die Rechte des Kleinaktionärs zu einem wesentlichen Element der gesellschaftspolitischen Debatte über die Verwirklichung des Volkskapitalismus unter dem Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft wurden. Doch trotz der beabsichtigten Stärkung der Rechte der Kleinaktionäre durch die kleine Aktienrechtsreform 1959 gelang die nachhaltige Sanierung der Finanzierungsstruktur bei BMW erst unter der Führung des Großaktionärs Herbert Quandt.

IV. Daimler-Benz AG 1. Entwicklung des Unternehmens bis zur Währungsreform a) Entstehung der Daimler-Benz AG Die Daimler-Benz AG ging 1926 aus dem Zusammenschluss der Benz & Cie., Rheinische Automobil- und Motorenfabrik AG und der Daimler-Motoren-Gesellschaft AG hervor. Karl Benz hatte 1883 mit zwei Geschäftspartnern die offene Handelsgesellschaft Benz & Cie., Rheinische Gasmotorenfabrik gegründet, die 1899 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde und ab 1911 unter dem Namen Benz & Cie., Rheinische Automobil- und Motorenfabrik AG firmierte. Gottlieb Daimler gründete 1890 mit vier weiteren Geschäftspartnern die Daimler-Motoren-Gesellschaft AG. Beide Unternehmen stellten stationäre und Fahrzeugmotoren sowie in zunehmendem Maße auch Automobile her und waren bis zur Fusion beider Unternehmen 1926 zur Daimler-Benz AG Konkurrenten.1 Im Zuge der Fusion kam es zu einer Reorganisation der fünf Standorte des Unternehmens: In Untertürkheim war neben der kaufmännischen Verwaltung fast die gesamte Produktion von Personenkraftwagen zusammengefasst, im Werk Gaggenau die Produktion von Nutzfahrzeugen und in Sindelfingen der Karosseriebau. Das Werk in Mannheim federte Produktionsspitzen der Werke Untertürkheim und Gaggenau ab und das Werk in Marienfelde wurde als Reparaturwerkstatt genutzt. Des Weiteren begann das Unternehmen mit der Entwicklung von Flugmotoren.2 Diese Aufgabenverteilung begann sich ab 1933 zu ändern. Aus dem Werk Sindelfingen wurden der Karosseriebau für Omnibusse nach Gaggenau und der Karosseriebau für Personenkraftwagen nach Mannheim verlagert. Die Produktion leichter Lastkraftwagen ging 1937 von Gaggenau nach Mannheim. Das Werk in Marienfelde entwickelte sich ab Mitte der dreißiger Jahre zu einem ausschließlichen Rüstungsbetrieb, in dem Heeresfahrzeuge und Flugmotoren gefertigt wurden. Als Abteilung von Marienfelde entstand 1939 in Königsberg eine Reparaturwerkstatt für die Wehrmacht, in der auch Teile für Flugmotoren hergestellt wurden. Zusätzlich gründete Daimler-Benz zusammen mit dem Reichsluftfahrtministerium die Daimler-Benz Motoren GmbH Genshagen, die Ende 1936 ausschließlich die Produktion

1 2

Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 26; S. 38; S. 55; 105. Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 130 f.

1. Entwicklung des Unternehmens bis zur Währungsreform

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von Flugmotoren in ihrem Werk in Genshagen aufnahm. Die Anteile an der GmbH gingen nach Kriegsbeginn vollständig auf die Daimler-Benz AG über.3 Während des Zweiten Weltkriegs verlagerte sich der Produktionsschwerpunkt auch in den südwestdeutschen Werken zusehends auf die Produktion von Rüstungsgütern für die Luftfahrtindustrie.

b) Kriegsschäden Die Daimler-Benz AG konnte den Maschinenpark im Vergleich zu den Gebäuden vor Kriegszerstörungen besser bewahren, weil das Unternehmen viele Maschinen – und Vorräte – gegen Ende des Krieges zum Schutz vor Luftangriffen in rund 400 Depots auslagerte.4 Dennoch wurden durch direkte Kriegsereignisse viele Maschinen zerstört.5 Die größten Zerstörungsgrade entstanden in Sindelfingen (zwischen 45 und 51 Prozent) und in Berlin-Marienfelde (35 Prozent). In Gaggenau und Untertürkheim wurden zwischen 10 und 33 Prozent der Maschinen zerstört. Die geringste Schadensquote hatte das Werk Mannheim vorzuweisen. Dort wurden schätzungsweise nur 3 Prozent aller Maschinen zerstört.6 Das Ausmaß der Schäden im Werk Genshagen bei Berlin ist nicht bekannt. Die Konstruktionsunterlagen, Werkzeuge, Tiefziehpressen und Zusammenbauvorrichtungen für den Mercedes-Benz Personenkraftwagen 170 V überstanden den Krieg jedenfalls unbeschadet.7 Der Rücktransport aller ausgelagerten Maschinen in die westdeutschen Werke konnte im Wesentlichen bereits bis Januar 1947 beendet werden.8 Die Gebäude in den einzelnen Werken wurden durch direkte Kriegseinwirkungen stärker in Mitleidenschaft gezogen als die Maschinen. Die Gebäude in Gaggenau, Sindelfingen und Untertürkheim waren schätzungsweise zu 70 bis 85 Prozent zerstört. Einigen Schätzungen zufolge war das Werk in Sindelfingen sogar zu 90 Prozent durch Luftangriffe zerstört worden.9 Die Gebäude im Mannheimer Werk waren zu 30 Prozent zerstört und hatten damit den Krieg noch am besten überstanden – zumal von den Zerstörungen vor allem das Lager und die Reparaturwerkstätten betroffen waren, nicht aber die mechanische Fertigung.10 Hier konnte bereits kurz nach der 3

Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 181. WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1945, 1946 und 1947, S. 1. 5 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1945, 1946, 1947, S. 5. Dagegen Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 181. 6 Ehrmann, S. 222; Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 180. 7 Ehrmann, S. 223; Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 191; dagegen: Feldenkirchen, Herz des Automobils, S. 161. 8 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 18.01.47, S. 3. 9 Kruk, S. 159; bzgl. des Ablaufs und der Wirkungen der alliierten Luftangriffe auf das Werk Sindelfingen vgl. Ehrmann, S. 216 – 220. 10 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 26. November 1948, S. 4; dagegen Kruk, S. 159. 4

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IV. Daimler-Benz AG

Besetzung des Werkes durch amerikanische Truppen wieder mit der LKW-Produktion begonnen werden. In Sindelfingen und in Untertürkheim wurde die Produktion Ende 1946 wiederaufgenommen.11 Die beiden Flugmotorenwerke in BerlinMarienfelde und in Genshagen hingegen waren im März 1945 durch Luftangriffe fast völlig zerstört worden. Beide Werke wurden von russischen Truppen besetzt und die verbliebenen Maschinen wurden demontiert.12 Die Niederlassungen erlitten schwere Schäden durch den Krieg, deren Ausmaß sich nicht genau ermitteln lässt. Der Vorstandsvorsitzende erwähnte im Mai 1949 im Aufsichtsrat, dass „der größte Teil der Niederlassungen […] durch die Kriegsereignisse fast dem Boden gleich gemacht“ wurde.13 Die Wiederaufbauarbeiten schritten anders als bei BMW jedoch zügig voran. Vorstandsmitglied Otto Hoppe teilte dem Aufsichtsrat der Daimler-Benz AG im Januar 1947 mit, dass Unternehmen müsse für alle notwendigen Wiederaufbaumaßnahmen rund 39 Millionen RM investieren und dass davon im Januar 1947 bereits 19 Millionen RM aufgewendet waren. Bis zur Währungsreform folgten weitere Nettoanlageinvestitionen in Höhe von 11 Millionen RM.14 Finanziert werden konnten diese 30 Millionen RM mit den hohen liquiden Mitteln, die Daimler-Benz vor Mai 1945 erwirtschaftet hatte. Kurz vor Kriegsende hatten der Vorstandsvorsitzende Wilhelm Haspel in Abstimmung mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden und gleichzeitigem Vorstandsmitglied der Deutschen Bank Hans Rummel den Transfer eines Großteils dieser Mittel von Berliner auf Stuttgarter Konten initiiert.15 Der limitierende Faktor für den Wiederaufbau war somit weniger das Kapital als vielmehr die Verfügbarkeit von Baustoffen, Investitionsgütern und Arbeitern.16 Unter diesen Voraussetzungen waren die betrieblichen Erfordernisse für die Wiederaufnahme der Produktion – mit Ausnahme des Werkes Gaggenau – im Wesentlichen zum Zeitpunkt der Währungsreform schon wieder erfüllt. Der Wiederaufbau in Gaggenau nahm erst 1948 Fahrt auf, nachdem das Unternehmen die

11 Feldenkirchen, Herz des Automobils, S. 160; Feldenkirchen: Vom Guten das Beste, S. 179; Kruk, S. 159; WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1945, 1946, 1947, S. 1. 12 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1945, 1946, 1947, S. 1. 13 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 27. Mai 1949, S. 17; dagegen Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 180. 14 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1945, 1946, 1947, S. 11 f. Dagegen bezifferte Vorstandsmitglied Haspel gegenüber dem Aufsichtsrat alleine die Fliegerschäden auf rund 500 Millionen RM. Die Zusammensetzung und Berechnungsgrundlage dieser Summe ließ er offen, siehe MB CA: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der DaimlerBenz Aktiengesellschaft in Stuttgart-Untertürkheim am 15.6.48, S. 3. 15 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1945, 1946, 1947, S. 1; Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 171. 16 MB CA: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung am 18.01.47, S. 3 f.; WWA G7 – 321/ 2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1945, 1946, 1947, S. 1.

1. Entwicklung des Unternehmens bis zur Währungsreform

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Verfügungsgewalt über das Werk von der französischen Militärverwaltung zurückerhalten hatte.17

c) Beschlagnahmung und Vermögenskontrolle Die amerikanische Armee besetzte am 23. März 1945 das Werk Mannheim. Die französische Armee besetzte am 9. April 1945 das Werk Gaggenau, am 21. April 1945 das Werk Sindelfingen und am 23. April 1945 das Werk Untertürkheim. Die Werke Berlin-Marienfelde wurden am 23. April 1945 von der russischen Armee besetzt.18 Die Daimler-Benz AG wurde nach 1945 nicht unter Vermögenskontrolle gestellt, weil der Anteil der Aktien der Gesellschaft, die sich in Besitz von Personen oder Gesellschaften befanden, die unter die Bestimmungen der Vermögenskontrolle fielen, unter 5 Prozent betrug.19 Die Aktien befanden sich zu über 50 Prozent in Streubesitz. Die einzige Ausnahme bildete das Werk Gaggenau, das bis 1948 französischer Kontrolle unterstand, und das Werk in Berlin-Marienfelde, welches die russische Armee aber bereits im Juni 1946 an die Daimler-Benz AG zurückgab. Die Daimler-Benz AG verlor nach den Bestimmungen des Potsdamer Abkommens den Besitz an ihren 18 ostdeutschen Niederlassungen, der Daimler-Benz GmbH in Genshagen, Colmar und Nova Paká, den 5 ausländischen Vertriebsgesellschaften in Österreich, der Schweiz, Ungarn, Großbritannien und in Frankreich ebenso wie die Geschäftsanteile der Flugmotorenwerke Ostmark GmbH. Nachdem sich die amerikanische, französische und russische Militärregierung zurückgezogen hatte, konnte Daimler-Benz zum Zeitpunkt der Währungsreform somit über die Werke in Berlin-Marienfelde, Gaggenau, Mannheim, Sindelfingen und Untertürkheim sowie 38 Niederlassungen für den Verkauf und die Reparatur von Mercedes-Benz Fahrzeugen in Westdeutschland und in Berlin frei verfügen.20

d) Demontagen und Reparationen Die amerikanische Militärregierung setzte sich im September 1945 gegenüber den Alliierten dafür ein, dass die ursprünglich vorgesehene gesamte Demontage der

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MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 18.01.47, S. 3; WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1945, 1946, 1947, S. 4. 18 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1945, 1946 und 1947, S. 1. 19 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1945, 1946 und 1947, S. 1; Kruk, S. 167. 20 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1945, 1946, 1947, S. 5 f.

132

IV. Daimler-Benz AG

Anlagen der Daimler-Benz AG nicht in die Tat umgesetzt wurde.21 Dennoch verlor Daimler-Benz von den insgesamt 7.500 durch den Krieg verloren gegangenen Werkzeugmaschinen allein 5.700 Stück durch Demontagen (5.500 Stück) und Reparationen (200 Stück).22 Davon entfielen auf Berlin-Marienfelde zwischen 2.500 und 3.300 Stück. Die Reste des Werkes der Daimler-Benz GmbH in Genshagen wurden vollständig demontiert und in die Sowjetunion verbracht.23 Im Werk Sindelfingen wurden 570 Werkzeugmaschinen von der französischen Armee demontiert. Während die russische Armee bei der Auswahl zu demontierender Anlagen anscheinend willkürlich vorging, beauftragte die französische Armee – zumindest für die Demontagen im Werk Gaggenau 1948 – einen Spezialisten, der gezielt produktionskritische und wertvolle Maschinen demontieren ließ. Weder die russischen noch die französischen Truppen klassifizierten die demontierten Güter als Reparationsleistungen. Plünderungen durch ehemalige Zwangsarbeiter und die Zivilbevölkerung im Mannheim unterband die amerikanische Militärregierung erst im Juli 1945. Der hieraus entstandene Schaden lässt sich ex post nicht mehr quantifizieren.24

2. Bilanzanalyse a) DM-Eröffnungsbilanz Der Vorstand der Daimler-Benz AG befürchtete, dass die Währungsreform eine ungünstige Wirkung auf die Finanzlage des Unternehmens haben würde, insbesondere, dass nach der Währungsreform die liquiden Mittel für den Wiederaufbau der Werke fehlen würden. Daher forcierte Daimler-Benz nicht nur die Finanzierung der Wiederaufbaumaßnahmen mit Reichsmarkbeständen, sondern bemühte sich im Allgemeinen darum, so viele Verbindlichkeiten wie möglich vor der Währungsreform in Reichsmark zu begleichen, insbesondere bei Steuerverbindlichkeiten und öffentlichen Abgaben.25 Die in der Bilanz des Jahres 1945 ausgewiesenen flüssigen Mittel von 210 Mio. RM verminderten sich infolgedessen bis zum 20. 06. 1948 auf

21

MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 4. Mai 1951, S. 3. 22 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1945, 1946, 1947, S. 6; Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 181 f. 23 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht der Daimler-Benz AG 1945, 1946, 1947, S. 5. 24 MB CA: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Daimler-Benz Aktiengesellschaft in Stuttgart-Untertürkheim am 15.6.48, S. 4; WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1945, 1946, 1947, S. 2; MB CA: Niederschrift über die Präsidialsitzung am Montag, dem 16.8.48, S. 6; Kruk, S. 163; Ehrmann, S. 222; S. 224. 25 MB CA: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung am 18.01.47, S. 3 ff.

2. Bilanzanalyse

133

110 Millionen RM.26 Dies entsprach noch immerhin 42 Prozent der Bilanzsumme der Reichsmarkabschlussbilanz.27 Ein sehr hoher Teil des Daimler-Benz-Vermögens somit war unmittelbar vor der Währungsreform in liquiden Mitteln gebunden und wurde durch die Währungsgesetze stark entwertet. Diese Entwertung führte aber nicht zu einer vollständigen Aushöhlung der unternehmerischen Substanz. DaimlerBenz konnte von den hohen liquiden Mitteln des Jahres 1945 immerhin rund 22 Mio. RM in neue Sachanlagen investieren.28 Der Vorstandsvorsitzende der Daimler-Benz AG Wilhelm Haspel konnte daher im Oktober 1948 dem Aufsichtsrat berichten, dass bereits vor der Währungsreform „außerordentlich viel Arbeit“ für den Wiederaufbau geleistet worden sei und dass zum Zeitpunkt unmittelbar nach der Währungsreform ein PKW produziert würde, der „nicht schlechter ist als im Jahre 1939“.29 Bei Aufstellung der DM-Eröffnungsbilanz wog der Aufsichtsrat bei der Bewertung des Anlagevermögens die Vorteile höherer steuerlicher Abschreibungen sowie Nachteile aus einer höheren Besteuerung durch Grundsteuer, Vermögenssteuer und des Lastenausgleichs gegeneinander ab. Sämtliche Kriegsschäden und Kriegsfolgeschäden waren in der letzten Reichsmarkbilanz der Daimler-Benz vom 20. 06. 1948 bereits berücksichtigt.30 Der Aufsichtsrat entschied sich schließlich dazu, das Anlagevermögen um 42 Millionen DM höher zu bewerten als zu Reichsmarkwerten, was angesichts der guten Ertragslage und den – im Vergleich zu den vermögensbasierten Unternehmenssteuern – hohen Körperschaftssteuersätzen nachvollziehbar erscheint. Die Grundstücke und Gebäude in den westlichen Besatzungszonen und in West-Berlin wurden zu Einheitswerten aktiviert. Grundstücke und Gebäude in der russisch besetzten Zone wurden mit einem Erinnerungswert von 1 DM aktiviert. Die Beteiligungen, die in der letzten Reichsmark-Bilanz noch 400.000 RM betragen hatten, wurden – insbesondere durch den Verlust der Daimler-Benz Motoren GmbH, Genshagen – nur noch mit einem Merkposten von 1 DM aktiviert.31 Vorräte und Positionen des Umlaufvermögens sowie Verbindlichkeiten wurden im Wesentlichen nach den Bestimmungen des DM-Umstellungsgesetzes bewertet.32 Uneinbringliche Forderungen gegenüber dem Deutschen Reich, in- und ausländi26 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 26. November 1948, S. 11; Geschäftsbericht der Daimler-Benz AG 1945, 1946, 1947, S. 2; dagegen: Feldenkirchen, Herz des Automobils, S. 162; Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 186. 27 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 4. Mai 1951, S. 65. 28 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht der Daimler-Benz AG 1945, 1946, 1947, 1948. 29 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 26. November 1948, S. 12 f. 30 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1945, 1946, 1947, S. 7. 31 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 4. Mai 1951, S. 6 f. 32 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 4. Mai 1951, S. 7.

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IV. Daimler-Benz AG

schen Kreditoren mit einem Buchwert von 80 Millionen RM wurden mit Erinnerungswerten von jeweils 1 DM in der DM-Eröffnungsbilanz aktiviert.33 Da das Gesetz zum Lastenausgleich nach Ablauf der gesetzlichen Frist zur Aufstellung einer DM-Bilanz noch nicht erlassen war, enthielt die DM-Eröffnungsbilanz noch keine Verbindlichkeiten oder Forderungen aus dem Lastenausgleich.34 Dies betraf in besonderer Weise die Umstellungsgewinne der Anleihe aus dem Jahre 1942. Nach erfolgter Umstellung der Aktiva und der Verbindlichkeiten standen einem Aktivvermögen von 114 Millionen DM Verbindlichkeiten in Höhe von 16 Millionen DM gegenüber, sodass sich ein Reinvermögen in Höhe von 98 Millionen DM ergab. Davon stellte der Vorstand angesichts der nach dem Erlass des Lastenausgleichsgesetzes möglicherweise zu erwartenden öffentlichen Grundschuld aus der Anleihe aus dem Jahr 1942 (16 Millionen DM) 15 Millionen DM in die allgemeine Rücklage ein. Von den verbliebenen rund 83 Millionen DM gingen 4 Millionen DM an den Unterstützungsfonds für die Belegschaft (der im selben Verhältnis umgestellt werden sollte wie das Aktienkapital), 7 Millionen DM in die gesetzliche Rücklage und 72 Millionen DM in das Grundkapital.35 Während die Umstellung der meisten Bilanzpositionen aus finanzwirtschaftlicher Sicht weitgehend unproblematisch war, gestaltete sich die Umstellung der Anleihe aus dem Jahr 1942 als durchaus nachteilig für das Unternehmen. Die Daimler-Benz AG hatte im Jahr 1942 eine Anleihe über 40 Millionen RM (im Folgenden in Anlehnung an den Sprachgebrauch des Unternehmens als „Teilschuldverschreibung“ bezeichnet) aufgenommen und damit den Anteilserwerb an der Daimler-Benz Motoren GmbH, der Eigentümerin des Werkes in Genshagen, finanziert. Diese hätte zum 1. April 1948 durch Daimler-Benz normal teilgetilgt, verstärkt getilgt oder in voller Höhe getilgt werden können. Die Unternehmensführung entschied sich zu diesem Stichtag nur zu einer planmäßigen Teilkündigung in Höhe von 2 Millionen RM, um zu verhindern, dass, wenn die Währungsreform bis zum 1. April 1948 eingetreten wäre, Daimler-Benz den kompletten Betrag in neuem Geld hätte bezahlen müssen: „Dies [d. h. die komplette Rückzahlung der Anleihe in neuem Geld, Anm. d. Verf.] würde bedeuten, dass die Gesellschaft zu einem Zeitpunkt, in dem sie besonders auf das Vorhandensein flüssiger Mittel angewiesen wäre, eines grossen Teils ihres Geldbestandes entblößt würde.“36

33

Der Kapitalschnitt bei Daimler-Benz, in: Der Volkswirt (1951, 21), S. 59; Feldenkirchen, Herz des Automobils, S. 161; Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 179. 34 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1945, 1946, 1947, S. 3. 35 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 4. Mai 1951, S. 8 f.; Der Kapitalschnitt bei Daimler-Benz, in: Der Volkswirt (1951, 21), S. 59. 36 MB CA: Protokoll über die Besprechung leitender Herren der Verwaltung der DaimlerBenz Aktiengesellschaft und einiger Finanzsachverständiger über die Tilgung der 40 Millionen Teilschuldverschreibungen in Stuttgart-Untertürkheim am 12. 12. 1947, S. 2.

2. Bilanzanalyse

135

Auch ging die Unternehmensleitung davon aus, „dass es nicht wahrscheinlich sei, dass die Obligationen bei der Sanierung [d. h. der Währungsumstellung, Anm. d. Verf.] gegenüber Bargeld, Bankguthaben und ähnlichen Werten eine differenziertere – günstigere – Behandlung erfahren würde.“37

Diese Einschätzung stellte sich im späteren Verlauf als falsch heraus (siehe Kapitel II. 1. c)). Daimler-Benz musste die verblieben 38 Millionen Reichsmark auf 3,8 Millionen DM umstellen und zugunsten des Lastenausgleichs eine öffentliche Grundschuld in Höhe von 16 Millionen DM (gekürzt um Kriegsschäden) passivieren.38 Die Geschäftsleitung als auch Teile der Wirtschaftspresse werteten dies als ungerechtfertigt, weil der Lastenausgleich im Allgemeinen als Benachteiligung des Unternehmens gegenüber seinen deutschen Konkurrenten in ausländischem Besitz bewertet wurde, die nicht unter die Bestimmungen des Lastenausgleichgesetzes fielen, und im Besonderen, weil der mit der Teilschuldverschreibung finanzierte Vermögenswert durch den Krieg verloren gegangen war.39 Wie hoch die tatsächliche Belastung der Daimler-Benz AG aus dem Lastenausgleich über den gesamten Untersuchungszeitraum war, ließ sich nicht mehr exakt quantifizieren, da auf Basis der eingesehenen Quellen erst ab 1956 die jährlich in der Gewinn- und Verlustrechnung berücksichtigten Netto-Aufwendungen für die Lastenausgleichsabgabe ermittelt werden konnten. Diese bewegten sich bis 1965 auf einem Niveau zwischen 1 bis 2 Millionen DM pro Jahr und dürften spätestens ab Mitte der fünfziger Jahre die Ertragslage des Unternehmens zunehmend weniger empfindlich beeinträchtigt haben.

b) Mittelherkunft Die Daimler-Benz AG erwirtschaftete zwischen 1948 und 1965 Jahresüberschüsse vor nicht zahlungswirksamen Abschreibungen auf das langfristige Vermögen (1.926 Millionen DM) und vor Zuführung zu den Rückstellungen (378 Millionen DM) von insgesamt 3.262 Millionen DM. Davon verblieben dem Unternehmen nach der Finanzierung des Nettoumlaufvermögens (–502 Millionen DM) und sonstiger nicht zahlungswirksamer Aufwendungen und Erträge (146 Millionen DM) sowie Dividenden (–336 Millionen DM) 2.570 Millionen DM für die Finanzierung langfristiger Investitionen (–2.718 Millionen DM). Die restlichen Investitionsmittel (148 Millionen DM) flossen dem Unternehmen zu durch die Nettoaufnahme finanzieller Verbindlichkeiten (205 Millionen DM), Desinvestitionen (74 Millionen DM) sowie Kapitalerhöhungen (118 Millionen DM). Der überschüssige Betrag, der 37

MB CA: Protokoll über die Besprechung leitender Herren der Verwaltung der DaimlerBenz Aktiengesellschaft und einiger Finanzsachverständiger über die Tilgung der 40 Millionen Teilschuldverschreibungen in Stuttgart-Untertürkheim am 12. 12. 1947, S. 2. 38 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht der Daimler-Benz AG 1945, 1946, 1947, S. 4. 39 Der Kapitalschnitt bei Daimler-Benz, in: Der Volkswirt (1951, 21), S. 59.

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IV. Daimler-Benz AG

nicht für Investitionen benötigt wurde, erhöhte die liquiden Mittel um 249 Millionen DM auf 255 Millionen DM zum 31. Dezember 1965.40 Die auf Deutsche Mark umgestellten Reichsmarkguthaben wurden unmittelbar nach der Währungsreform nicht für Investitionen genutzt, sondern wurden für die Finanzierung der laufenden Betriebskosten, insbesondere für die Löhne und Gehälter, verwendet.41 Aus den Geschäftsberichten von Daimler-Benz geht hervor, dass das Unternehmen während des gesamten Untersuchungszeitraums von der degressiven Abschreibungsmethode Gebrauch machte und darüber hinaus Sonderabschreibungen vornahm. Der genaue Umfang der Sonderabschreibungen kann anhand der Geschäftsberichte nicht rekonstruiert werden. Der Vorstandsvorsitzende Wilhelm Haspel berichtete allerdings im Dezember 1951 dem Aufsichtsrat, dass alle steuerlichen Möglichkeiten zur Reduzierung der Steuerlast ausgenutzt wurden.42 Darüber hinaus nutzte Daimler-Benz die gesetzlichen Möglichkeiten für steuerlich wirksame Sonderbetriebsausgaben. Bereits 1948 vergab Daimler-Benz erste steuerbegünstigte 7c EStG Darlehen zur Förderung des Wohnungsbaus in Höhe von 0,5 Million DM. Zum Bilanzstichtag 31. 12. 1955 bilanzierte Daimler-Benz steuerbegünstigte Forderungen aus wertberichtigten Darlehen für den Wohnungs- und Schiffbau nach § 7c und d des Einkommensteuergesetzes in Höhe von 15 Millionen DM. Hanns Deuss schlug im Dezember 1952 seinen Kollegen im Aufsichtsrat vor, die Liquidität des Unternehmens dadurch zu verbessern, dass man im selben Umfang und mit selber Fristigkeit 7c EStG Darlehen hereinnehmen wie vergeben solle. Der Vorschlag wurde jedoch vom Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Rummel abgelehnt, weil er dies als eine Manipulation der Steuerlast ansah und das gute Ansehen der Daimler-Benz AG bei den Steuerbehörden nicht aufs Spiel setzen wollte.43 Doch Rummel änderte seine Meinung einige Zeit später. Im November 1954 hatte er nichts gegen den Vorschlag des Vorstandsvorsitzenden Fritz Könecke einzuwenden, die Steuerlast durch Hergabe von steuerbegünstigten Darlehen in Höhe von 10 Millionen DM zu senken und diese durch Fremdkapital zu finanzieren.44 In den folgenden Jahren steigerten sich diese Beträge sogar noch. Daimler-Benz gewährte dem Wohnungsbauunternehmen des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), der „Neuen Heimat“, ein 7c EStG Darlehen, welches im Jahr darauf von der Württembergischen

40

Siehe WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht der Daimler-Benz AG 1948/49 bis 1965. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 26. November 1948, S. 11. 42 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, 17. Dezember 1951, S. 5. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, 17. Dezember 1951, S. 3. 43 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, 12. Dezember 1952, S. 3 f. 44 MB CA: Niederschrift über die Präsidialausschußsitzung des Aufsichtsrates der DaimlerBenz Aktiengesellschaft in Sindelfingen am Samstag, 6. November 1954, S. 2. 41

2. Bilanzanalyse

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Girozentrale gegenfinanziert wurde.45 Allein aus dieser Transaktion erwuchs Daimler-Benz ein Steuervorteil von etwas mehr als 3 Millionen DM. Angesichts der bis dahin vergleichsweise hohen Unternehmenssteuern und der hohen operativen Cashflows der Daimler-Benz AG stärkten diese Darlehen in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre die Selbstfinanzierungsfähigkeit des Unternehmens.

Abbildung 9: Net Cashflow Daimler-Benz AG (Mio. DM) Quelle: WWA G7 – 321/2: Geschäftsberichte Daimler-Benz AG 1948 – 1965.

Die Net Cashflows von Daimler-Benz waren in der Mehrheit der betrachteten Jahre positiv. In den Jahren, in denen der operative Cashflow zur Finanzierung der Investitionen nicht ausreichte, gelang es dem Unternehmen, die übrigen Finanzmittel entweder durch die hohen liquiden Mittel oder mit langfristigem Fremdkapital zu finanzieren. Während die Beschaffung langfristiger Mittel vor 1955 teilweise noch mit großen Schwierigkeiten und Interessenkonflikten verbunden war, konnten in den Quellen keine Hinweise darauf gefunden werden, dass es bei der Hereinnahme fremder Mittel nach 1954 zu grundsätzlichen Interessenkonflikten oder Hindernissen gekommen wäre. Die Tatsache, dass sich in den Protokollen der Sitzungen des Präsidiums und des Aufsichtsrats keine Hinweise auf wesentliche Konflikte finden lassen, lässt sich zumindest als ein Anzeichen dafür interpretieren, dass möglicherweise aufgetretene Schwierigkeiten nicht derart gravierend waren, dass sie die Aufmerksamkeit der obersten Führungsgremien erforderten. Aus diesem Grund wird in Kapitel IV. 3. c) vor allem auf die Fremdkapitalzusagen vor 1955 näher eingegangen. Bei fünf Finanzierungszusagen nach 1955 konnten anhand der Quellen nur das Jahr der Aufnahme und die Beträge, nicht aber die Konditionen und Kapitalgeber ermittelt werden. Dies betrifft einen langfristigen Bankkredit in Höhe von 30 Mil45 MB CA: Aufzeichnungen über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler, Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 15. Februar 1957, S. 13 f.

138

IV. Daimler-Benz AG

lionen DM im Jahr 1956,46 ein langfristiges Schuldscheindarlehen in Höhe von 50 Millionen DM im Jahr 1959,47 ein langfristiges Darlehen in Höhe von 25 Millionen DM, welches dem Unternehmen in Teilbeträgen 1960 und 1962 zufloss,48 ein langfristiges Darlehen in Höhe von 50 Millionen DM im Januar 1963 sowie ein weiteres Darlehen in Höhe von 25 Millionen DM im selben Jahr.49 Zusätzlich dazu nahm der Vorstand im Jahr 1955 Kontakt auf zu „verschiedenen Landesversicherungsanstalten“. Diese boten ein Schuldscheindarlehen über 60 Millionen DM mit einer Laufzeit von 6 Jahren für die ersten 10 Millionen DM und 10 Jahre für die weiteren 50 Millionen DM. Die beiden ersten Jahre waren jeweils tilgungsfrei. Der Zinssatz betrug 63/4 Prozent bei einem Ausgabekurs von 98,5 Prozent und entsprach damit einem Jahreszinssatz von rund 7 Prozent. Als Sicherheiten dienten Grundschulden auf die Werke Untertürkheim, Gaggenau sowie auf die Niederlassungen in Stuttgart und Dortmund.50 Nach der Genehmigung durch den Aufsichtsrat im Dezember 1955 flossen diese Mittel der Daimler-Benz AG im darauffolgenden Jahr zu.51 Ein weiteres Schuldscheindarlehen nahm Daimler-Benz 1961 über die Deutsche Bank in Höhe von 60 Millionen Deutsche Mark auf. Das Darlehen war bei einem Auszahlungskurs von 98,5 Prozent mit jährlich 6,5 Prozent verzinst. Es hatte eine Laufzeit über 18 Jahre und war die ersten 5 Jahre tilgungsfrei. Die Deutsche Bank räumte Daimler-Benz mit einer Frist von 3 Monaten ein Kündigungsrecht zu jedem Zinszahlungsstichtag ein. Das Darlehen sollte besichert werden mit einer erstrangigen Eintragung auf das Werk Sindelfingen. Der effektive Jahreszins betrug 6,83 Prozent. Zur Durchführung der Besicherung wurde die Teilschuldverschreibung aus dem Jahre 1954 vorzeitig zurückgezahlt (siehe Kapitel IV. 3. c) ff)).52 Ebenfalls 1961 nahm Daimler-Benz einen Konsortialkredit der Württembergischen Girozentrale, der Württembergischen Hypothekenbank, des Württembergischen Kreditvereins und der Badischen Kommunalen Landesbank in Höhe von 50 Millionen DM auf. Die jährliche Verzinsung betrug 6,5 Prozent bei einem Auszahlungskurs von 97,5 Prozent und einer Laufzeit von mindestens 32 Jahren. Die Besicherung sollte durch eine erstrangige Eintragung auf das Werk Untertürkheim in Höhe von 30 Millionen DM und durch eine zweitrangige Eintragung in Höhe von 46

th: Daimler-Benz AG gewappnet, in: Der Volkswirt 11 (1957, 28), S. 1487. WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1959, S. 42. 48 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1959, S. 26; Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1961, S. 29. 49 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1962, S. 32. 50 sp: Daimler-Benz mit hoher Produktivität, in: Der Volkswirt 10 (1956, 26), S. 35. 51 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, dem 19. Dezember 1955, S. 7. 52 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der DaimlerBenz Aktiengesellschaft am Montag, dem 6. März 1961, S. 6; MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Dienstag, 30. Mai 1961, S. 6. 47

2. Bilanzanalyse

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20 Millionen DM erfolgen.53 Das Darlehen wurde sehr wahrscheinlich im April 1962 in Anspruch genommen.54 Im Mai 1962 genehmigte das Präsidium den Abschluss eines Kreditvertrages mit der Württembergischen Girozentrale über einen Kredit in Höhe von 40 Millionen DM. Der Kredit wurde zu 95 Prozent ausgezahlt, mit 6,25 Prozent pro Jahr verzinst und hatte eine Laufzeit von 25 Jahren mit einem Kündigungsrecht nach Ablauf der ersten 6 Jahre. Als Sicherheit diente eine Eintragung auf das Werk Sindelfingen.55

c) Mittelverwendung Die bilanziellen Investitionen der Daimler-Benz AG betrugen zwischen 1948 und 1965 insgesamt 2.718 Millionen DM. Der weitaus überwiegende Teil entfiel auf das Sachanlagevermögen (88 Prozent) und der geringere Teil auf den Erwerb von Beteiligungen (12 Prozent). Die Investitionspolitik war durchgängig expansiv: Während des gesamten Untersuchungszeitraums von 18 Geschäftsjahren lagen die Zugänge zum langfristigen Anlagevermögen in jedem Jahr deutlich über den Abschreibungen. Die Nettoinvestitionen in das Anlagevermögen betrugen kumuliert 792 Millionen DM. Die erste Investitionsphase endete 1954 mit dem vollständigen Wiederaufbau, der Modernisierung und der teilweisen Erweiterung der vorhandenen Werke und Niederlassungen. Für die folgenden 4 Jahre kündigte Daimler-Benz ein Investitionsprogramm zur Rationalisierung der Produktion an mit dem Ziel, die Preise zu senken und gleichzeitig den Facharbeitermangel und die zu erwartende Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 45 Stunden durch Erhöhung der Produktivität zu kompensieren.56 Infolgedessen nahmen die bilanziellen Investitionen in der 1955 beginnenden zweiten Investitionsphase sprunghaft zu. Angesichts der guten konjunkturellen Lage beabsichtigte der Vorstand, die PKW-Produktion für 1958 auf monatlich 9.000 Stück auszuweiten. Bei dieser Entscheidung trat eine gegensätzliche Haltung innerhalb des Präsidiums zutage. Während Flick und Quandt die Ausweitung der Produktion befürworteten, stand Abs diesem Vorhaben weitaus skeptischer gegenüber, denn er befürchtete, dass die gesamtwirtschaftliche Konjunktur in den kommenden Jahren merklich nachlassen könnte.57 Abs konnte sich mit seiner eher 53

MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der DaimlerBenz Aktiengesellschaft am Montag, dem 6. März 1961, S. 6; MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Dienstag, 30. Mai 1961, S. 6. 54 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1961, S. 29. 55 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der DaimlerBenz Aktiengesellschaft am Mittwoch, den 9. Mai 1962, S. 6. 56 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht der Daimler-Benz AG 1955, S. 13. 57 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Donnerstag, dem 7. November 1957, S. 3.

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IV. Daimler-Benz AG

Abbildung 10: Bilanzielle Bruttoanlageinvestitionen Daimler-Benz AG (Mio. DM) Quelle: WWA G7 – 321/2: Geschäftsberichte Daimler-Benz AG 1948 – 1965.

vorsichtigen Haltung im Aufsichtsrat jedoch nicht durchsetzen, sodass das Gremium Ende 1957 die erforderlichen Investitionen für die Jahre 1958 und 1959 genehmigte. Die dritte Investitionsphase setzte 1960 ein und war dadurch gekennzeichnet, dass nun Erweiterungsinvestitionen neben den Investitionen in die Rationalisierung eine zunehmend wichtige Rolle spielten. Die Rationalisierung der Produktion hatte insofern Erfolg, als der Preis des Mercedes-Benz 190 im Jahr 1961 nur knapp über dem des Mercedes-Benz 170 von 1950 lag, das Modell aber eine deutlich höhere Leistung und mehr Komfort bot. Der Mercedes-Benz 180 konnte im Jahr 1962 sogar zu einem um 7 Prozent geringeren Preis angeboten werden als der 170er.58 Während des gesamten Untersuchungszeitraums waren die Abschreibungen eine wichtige Kennzahl für die Steuerung der Investitionen. Als Beispiel sei hier aus einer Anweisung an den Vorstand aus einer Sitzung des Präsidiums 1957 zitiert: „Die Präsidialmitglieder bitten Dr. Könecke, dafür Sorge zu tragen, dass – angesichts der Unübersichtlichkeit der Verhältnisse ab Ende 1957 – keine Verpflichtungen aus Investierungsaufträgen bestehen, die die erreichbaren kalkulatorischen Abschreibungen im Jahre 1958 überschreiten.“59

Der Vorstand musste die Investitionsplanung über den gesamten Untersuchungszeitraum jedoch mehrfach nach oben korrigieren, um sicherzustellen, dass die Produktion mit der Nachfrage Schritt halten konnte, und um das Risiko abzuwenden, dass sich Kunden angesichts langer Lieferzeiten von der Marke Mercedes-Benz abwendeten.60 Fritz Könecke erwartete beispielsweise bereits 1957 das baldige Ende 58

WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht der Daimler-Benz AG 1962, S. 37. MB CA: Aufzeichnungen über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft, 15. 02. 1957, S. 8. 60 Dies war Ende 1954 die ernsthafte Besorgnis des Vorstandsvorsitzenden Fritz Könecke, siehe MB CA: Bericht des Vorstandes über die Geschäftslage, 6. 11. 1954, S. 2 u. S. 5. 59

2. Bilanzanalyse

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der stürmischen Investitionen in der Automobilindustrie.61 Doch entgegen seinen vorsichtigen Schätzungen erreichten die bilanziellen Investitionen in den folgenden 9 Jahren rund das 2,5fache der Investitionen der vorgegangenen 10 Jahre. Bedeutende Investitionsprojekte dieser Zeit waren die Übernahme des Werks Hedelfingen der Schaudt Maschinenbau GmbH 1957, der Erwerb der Werksanlagen der Horex-Werke in Bad Homburg vor der Höhe 1960, der Kauf eines Industriegrundstückes in Wörth bei Karlsruhe 1960 und die stufenweise Fertigstellung eines neuen LKW-Werks auf diesem Grundstück zwischen 1963 und 1966 sowie die Übernahme des Werkes Düsseldorf von der Auto-Union 1964 für einen Kaufpreis von 56 Millionen DM.62 Ein Teil der Investitionen in den Bau des Werkes in Wörth und die Übernahme des Düsseldorfer Werkes erfolgten jedoch nicht direkt über Daimler-Benz, sondern über Tochtergesellschaften, die auch noch weiteres Anlagevermögen erwarben und an die Muttergesellschaft verpachteten. Die Investitionen der Tochtergesellschaften waren allerdings zum überwiegenden Teil über Konzerndarlehen von Daimler-Benz an die Tochtergesellschaften finanziert. Hinsichtlich der Verteilung auf die verschiedenen Geschäftsfelder entfiel der überwiegende Teil der Investitionen auf die Produktion von Personenkraftwagen mit schätzungsweise fast der Hälfte aller Investitionen. An zweiter Stelle lag die Produktion von Nutzfahrzeugen und an dritter Stelle Investitionen in die inländischen Vertriebs- und Werkstatt-Niederlassungen. Der Rest ging zu etwa gleichen Teilen in den Bau von Motoren, Forschung und Entwicklung und sonstige Investitionen.63 Der Schwerpunkt der Zugänge zum Beteiligungsvermögen lag auf dem Erwerb von Anteilen an und Kapitalerhöhungen bei inländischen Unternehmen (ca. 190 Millionen DM). Davon entfielen allein 80 Millionen DM auf den Erwerb und die Kapitalerhöhung bei der Auto Union GmbH zwischen 1958 und 1963. An zweiter Stelle folgten 76 Millionen DM für die Finanzierung von industriellen Bauvorhaben der Süddeutsche Automobil-Bau-, Anlagen- und Vertriebs-GmbH, Stuttgart, im Jahr 1965. Der Zweck dieser Tochtergesellschaft war die Errichtung von Werksanlagen, die an die Daimler-Benz AG verpachtet wurden.64 In Beteiligungen an Gesellschaften zum Zwecke des Großmotorenbaus gingen insgesamt 30 Millionen DM, darunter die Porsche-Diesel-Motoren GmbH, die Mercedes-Benz Motorenbau GmbH sowie die Industrie-Motorenbau GmbH.65 Der Rest entfiel im Wesentlichen auf Beteiligungen an Wohnungsbaugesellschaften.66 61

Th: Daimler-Benz AG gewappnet, in: Der Volkswirt 11 (1957, 28) S. 1486. WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht der Daimler-Benz AG 1960 – 1964; Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 213 f.; Hf.: Daimler-Benz im Kapazitätsengpaß. Die bisher größte Kapitalerhöhung aus Rücklagen, in: Der Volkswirt 14 (1960, 30), S. 1592. 63 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der DaimlerBenz Aktiengesellschaft am Mittwoch, den 25. Oktober 1961, S. 6; WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1956 – 1958 u. 1962 – 1966. 64 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1965, S. 30. 65 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG, 1961 – 1965. 62

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IV. Daimler-Benz AG

Auf die ausländischen Beteiligungen entfielen schätzungsweise 140 Millionen DM. Davon entfielen mindestens 97 Millionen DM auf die ausländischen Produktionsgesellschaften in Argentinien, Brasilien und Indien. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten die Vertriebsgesellschaften in den USA. Geringere Zugänge zum langfristigen Vermögen machten Beteiligungen an Gesellschaften in Australien und Neuseeland aus.67

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten a) Umsatz- und Ertragslage aa) Überblick Daimler-Benz erwirtschaftete zwischen 1948 und 1965 einen Gesamtumsatz in Höhe von 36 Milliarden DM. Davon entfielen schätzungsweise 18 Milliarden DM auf die Herstellung und den Verkauf von Personenkraftwagen, 15 Milliarden DM auf die Herstellung und den Verkauf von Nutzfahrzeugen und 3 Milliarden DM auf Sonstiges. Der Umsatz aus Sonstigem bestand im Wesentlichen aus dem Industriemotoren-Geschäft. Der Anteil der Rüstungsfertigung am Gesamtumsatz konnte auf Basis der Quellen nicht eindeutig ermittelt werden. Der Personenkraftwagen setzte sich erst gegen Ende der 1950er Jahre endgültig als der dominierende Umsatzträger durch. Die Bedeutung des Nutzfahrzeuggeschäfts blieb jedoch weiterhin hoch. Es lassen sich grob zwei Wachstumsphasen voneinander abgrenzen. Die hohen jährlichen Wachstumsraten des Umsatzes zwischen 1948 und 1960 waren vor allem bedingt durch den niedrigen Ausgangswert des Jahres 1948/49. In den Folgejahren pendelten sich die Wachstumsraten auf hohem Niveau zwischen 3 Prozent und 13 Prozent ein. Bei der Entwicklung der Ertragskraft und der Profitabilität lassen sich drei Phasen voneinander abgrenzen. Während der Jahresüberschuss bis 1954 auf geringem Niveau verharrte und die Umsatzrendite im Durchschnitt bei 0,7 Prozent lag, kam es ab 1955 zu einer deutlichen Verbesserung der Ertragslage, die vorwiegend aus der höheren Umsatzrendite resultierte. Das dürfte daran liegen, dass die gewinnmindernde Wirkung der steuerlich wirksamen Sonderbetriebsausgaben zum Ende der fünfziger Jahre abnahm und die nominale Dividendenrendite im Rahmen der am Kapitalmarkt orientierten Dividendenpolitik anstieg. Der sprunghafte Anstieg der Umsatzrendite 1959 ist im Wesentlichen zurückzuführen auf die Auflösung der in den Vorjahren gebildeten stillen Reserven in Höhe von 52 Millionen DM und den Verzicht auf Bildung stiller Reserven im laufenden Geschäftsjahr zur Finanzierung 66 67

WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1958 – 1966. WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG, 1955 – 1966.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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Abbildung 11: Umsatz Daimler-Benz AG (Mrd. DM) Quelle: WWA G7 – 321/2: Geschäftsberichte Daimler-Benz AG 1948 – 1965.

Abbildung 12: Jahresüberschuss (Mio. DM) und Umsatzrendite Daimler-Benz AG Quelle: WWA G7 – 321/2: Geschäftsberichte Daimler-Benz AG 1948 – 1965.

der Grundkapitalerhöhung aus eigenen Mitteln. Diese 1959 einsetzende Bilanzpolitik führte Daimler-Benz bis zum Ende des Untersuchungszeitraums fort. Zur positiven Ertragslage trugen auch gezielte Maßnahmen zu Kostensenkungen bei. So initiierte Könecke 1957 ein unternehmensweites Projekt mit dem Ziel, die

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Gemeinkosten um 40 Millionen DM zu senken.68 Davon wurden 23 Millionen DM alleine 1957 erreicht.69 Die quantitativen Ergebnisbeiträge sowie die Profitabilität einzelner Produkte und Produktgruppen können aus den zur Verfügung stehenden Quellen weder verlässlich noch durchgehend ermittelt werden. Stattdessen sollen im Folgenden die kaufmännischen Entscheidungen, die der Umsatz- und Ergebnisplanung zu Grunde lagen, beleuchtet werden. Das Ziel soll es sein, die wesentlichen Ursachen für die Entwicklung der Umsatz- und Ertragslage zu bestimmen. Betrachtet werden das Werkstattgeschäft, das Geschäft mit Personenkraftwagen, Nutzfahrzeugen und Motoren sowie Rüstungsaufträge. bb) Werkstattgeschäft Das Werkstattgeschäft der Daimler-Benz AG stützte sich zum Großteil auf die Werkstätten der Niederlassungen in Westdeutschland und Berlin sowie anfangs auf den Betrieb von Werkstätten für die amerikanische und französische Militärverwaltung. Das Werkstattgeschäft der Niederlassungen betrug vor der Währungsreform 20 Prozent des Gesamtumsatzes der Daimler-Benz AG.70 Der Vorstandsvorsitzende Wilhelm Haspel kam dem 1948 geäußerten Wunsch der amerikanischen Militärverwaltung, Werkstätten für die US-Armee zu betreiben, nur zögerlich nach, weil das Unternehmen die anfallenden Kosten vorfinanzieren musste und er eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich des Debitors, des Amtes für Besatzungsleistungen, befürchtete. Für den Betrieb von Werkstätten sprach jedoch, dass sich das Unternehmen einen nicht unbedeutenden Umsatz würde sichern können und man bis dahin auf dem Arbeitsmarkt knappe qualifizierte Fachkräfte an das Unternehmen binden konnte.71 Aus diesem Grund führte Daimler-Benz bis Mai 1949 vier Reparaturbetriebe in Waiblingen, Böblingen, Schwäbisch Gmünd und in Esslingen. Die Betriebe unterlagen verfügungsmäßig zwar dem Hauptquartier der USArmee in Esslingen, verwaltungsmäßig und wirtschaftlich aber der Daimler-Benz AG.72 Hinzu kam noch eine für die US-Armee tätige verlagerte Reparaturwerkstatt des Mannheimer Werkes in Weinheim.73 Im Sommer 1948 vereinbarte Daimler-Benz 68 MB CA: Aufzeichnungen über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft, 15. 02. 1957, S. 8 f. 69 Aufzeichnungen über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft, 14. 01. 1958, S. 3. 70 MB CA: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Daimler-Benz Aktiengesellschaft in Stuttgart-Untertürkheim am 15.6.48, S. 5. 71 MB CA: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Daimler-Benz Aktiengesellschaft in Stuttgart-Untertürkheim vom 28.4.48, S. 2 f. 72 MB CA: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 27. Mai 1949, S. 5. 73 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 26. November 1948, S. 3.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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mit der französischen Militärregierung einen Liefervertrag für die Reparatur von Fahrzeugen.74 Wann die Tätigkeit der Reparaturwerkstatt in Weinheim eingestellt wurde und der Vertrag mit der französischen Militärregierung endete, konnte nicht festgestellt werden. Nach dem Ende der Reparaturaufträge für die Besatzungsarmeen bestand das Werkstattgeschäft nur noch aus dem Kundendienstgeschäft der unternehmenseigenen Vertriebs- und Werkstattniederlassungen. Über den Beitrag des Werkstattgeschäfts zur Umsatz- und Ertragslage konnten aus den eingesehenen Quellen keine Erkenntnisse gewonnen werden, bis auf die Tatsache, dass der Bruttogewinn der Niederlassungen (von denen das Werkstattgeschäft neben dem Vertrieb ein Teil war) im Jahr 1960 52 Millionen DM betrug und dass davon 75 Prozent auf die PKW-Sparte entfielen. cc) Personenkraftwagen Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des PKW-Umsatzes betrug 15 Prozent. Dies war vor allem getrieben durch die stark wachsenden Produktionsmengen. Die durchschnittliche jährliche Steigerung der PKW-Produktion lag bei 13 Prozent, während der durchschnittliche Preis pro Fahrzeug lediglich um 2 Prozent pro Jahr zunahm.

Abbildung 13: PKW-Umsatz Daimler Benz AG (Mrd. DM) Quelle: WWA G7 – 321/2: Geschäftsberichte Daimler-Benz AG 1948 – 1965.

74 MB CA: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Daimler-Benz Aktiengesellschaft in Stuttgart-Untertürkheim am 15.6.48, S. 3 f.

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Der Umsatz mit Personenkraftwagen nahm – mit Ausnahme einiger Wachstumsstörungen in den Jahren 1952 und 1953 – jedes Jahr kontinuierlich zu und folgte damit im Wesentlichen der Entwicklung der produzierten Stückzahlen.75

Abbildung 14: PKW-Produktion Daimler-Benz AG (Tsd. Stück) Quelle: WWA G7 – 321/2: Geschäftsberichte Daimler-Benz AG 1948 – 1965.

In der Zeit unmittelbar nach der Währungsreform verzichtete der Vorstandsvorsitzende Wilhelm Haspel zunächst ausdrücklich auf die Entwicklung eines neuen Fahrzeugs. Die Marktlage sei zu unübersichtlich, um sich frühzeitig auf einen neuen Typ festzulegen, und die Entwicklung eines neuen Wagens würde solange dauern, dass man in der Zwischenzeit kein wettbewerbsfähiges Produkt zu verkaufen habe.76 Deswegen produzierte Daimler-Benz unmittelbar nach der Währungsreform übergangsweise ausschließlich eine modernisierte Version des Vorkriegsmodells Mercedes-Benz 170 V.77 Durch die Produktion entstand kein Finanzierungsbedarf für aufwendige Entwicklungsarbeiten und Anlageinvestitionen, denn die Produktionsanlagen hatten den Krieg weitgehend unbeschadet überstanden.78 Ein weiterer Vorteil bestand darin, dass die amerikanische Militärregierung die Produktion des Modells bereits 1945 genehmigt hatte.

75

Für den Zeitraum 1948 – 1961 ging aus den eingesehenen Quellen keine Verteilung des Umsatzes nach PKW-, NFZ- und Sonstigem Geschäft hervor. Für diesen Zeitraum wurde Umsatz anhand der Verteilung der Produktion und der Preisentwicklung geschätzt. 76 MB CA: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Daimler-Benz Aktiengesellschaft in Stuttgart-Untertürkheim vom 28.4.48, S. 6. 77 Borgward, S. 59; Kruk, S. 172; Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 191; 210; Hiller, Älteste Automobilfabrik der Welt, S. 27; -h-: Rekordjahr bei Daimler-Benz, in: Der Volkswirt 6 (1952, 34) S. 21. 78 Kruk und Lingnau relativieren diese Feststellung, siehe Kruk, S. 173.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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Der Mercedes-Benz 170 V war ein Fahrzeug der gehobenen Mittelklasse mit einem 1,7-Liter-4-Zylindermotor. Bereits vor der Währungsreform hatte DaimlerBenz damit begonnen, einen PKW mit Dieselmotor zu entwickeln.79 Der MercedesBenz 170D wurde 1949 als weltweit erster Diesel-PKW auf den Markt gebracht und war so stark nachgefragt, dass 1950 die Produktion zu Lasten des Mercedes-Benz 170 V stärker auf den Mercedes-Benz 170D umgestellt wurde.80 Zeitgleich wurde der Mercedes-Benz 170S herausgebracht, zu dem auch ein viersitziges und zweisitziges Cabriolet vorgestellt wurde. Die Produktentscheidung für die Baureihe Mercedes-Benz 170 basierte weniger auf einer detaillierten Marktforschung als vielmehr auf Haspels Annahme, dass nach der Währungsreform ein sehr starker Verkäufermarkt entstehen würde und dass die Kundschaft „sich um die Wagen reißen wird. Selbst wenn die Währungsreform sehr scharf wird, dürfte jeder auf alles andere verzichten als auf ein Fahrzeug.“81

Diese Einschätzung sollte sich zunächst als richtig herausstellen. Im Mai 1949 betrug der Auftragsbestand zwischen 18.000 und 19.000 Stück, sodass die Lieferzeiten zwischen 15 und 18 Monate betrugen.82 Der Erfolg des Mercedes-Benz 170 hielt jedoch nur bis 1951 an. Danach entwickelte sich der als altmodisch wahrgenommene Mercedes Benz 170 V zusehends zu einem Ladenhüter und der MercedesBenz 170S blieb wegen technischer Probleme am Motor im Verkauf hinter den Erwartungen des Unternehmens zurück. Nur der Mercedes-Benz 170D ließ sich aufgrund seiner Wirtschaftlichkeit noch bis in Jahr 1955 in abnehmenden Stückzahlen verkaufen.83 Doch statt rechtzeitig ein Nachfolgemodell für die obere Mittelklasse zu entwickeln, zog Haspel zunächst die Entwicklung zweier neuer Fahrzeuge der Oberklasse vor. Er nahm das Risiko bewusst in Kauf, zu spät ein Nachfolgemodell für den Mercedes-Benz 170 auf den Markt zu bringen, weil es sich bei dem Oberklassemarkt um ein sehr profitables Marktsegment handelte und er befürchtete, Marktanteile an den Opel Kapitän zu verlieren, wenn Daimler-Benz nicht möglichst schnell ein Fahrzeug der Oberklasse auf den Markt bringen würde.84 Der Bau der Fertigungsstraßen für den neuen Mercedes-Benz 220 und den Mercedes-Benz 300 begann daher schon 1950. Der Mercedes-Benz 220 übernahm die Karosserie des Mercedes-Benz 79

MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 26. November 1948, S. 10. 80 MB CA: Niederschrift über Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 6. Oktober 1950, S. 5. 81 MB CA: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Daimler-Benz Aktiengesellschaft in Stuttgart-Untertürkheim vom 28.4.48, S. 7. 82 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 27. Mai 1949, S. 8. 83 Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 210; dagegen: Kruk, S. 175 f.; L. K.: DaimlerBenz rückt vor im Export, in: Der Volkswirt 8 (1954, 24), S. 28. 84 Feldenkirchen, Herz des Automobils, S. 182.

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170, war dafür aber als Fahrzeug der unteren Oberklasse mit einem 2,2-Liter-6Zylinder-Motor ausgerüstet.85 Der Mercedes-Benz 300 verfügte ebenfalls über einen 6-Zylinder-Motor, war aber mit einem Hubraum von 3,0 Liter ein Fahrzeug der Luxusklasse. Die Produktion beider Modelle lief 1951 zunächst erfolgreich an.86 Das Problem war nur, dass der Mercedes-Benz 220 äußerlich dem Mercedes-Benz 170 sehr ähnelte und eine vergleichbare Käuferschicht ansprach, sodass es zum einen ab 1952 zu einem gewissen „Marken-Kannibalismus“ zu Lasten des Mercedes-Benz 170 kam. Des Weiteren traf das äußere Erscheinungsbild des Mercedes-Benz 220 immer weniger den Geschmack der Käufer.87 Der Mercedes-Benz 300 hingegen zielte als Luxusfahrzeug auf eine eng begrenzte Kundschaft ab und war daher auch nicht dafür gedacht, in großen Stückzahlen produziert zu werden. Als sich Ende des Jahres 1952 und Anfang des Jahres 1953 der Automobilmarkt von einem Verkäuferzu einem Käufermarkt zu wandeln begann, ließ die Nachfrage nach dem MercedesBenz 170 und dem Mercedes-Benz 220 nach. Denn Daimler-Benz hatte es nicht geschafft, rechtzeitig ein Nachfolgemodell in der oberen Mittelklasse zu entwickeln. Zu einer Belebung des Geschäfts führte erst wieder die Ende 1953 beginnende Produktion des neu entwickelten Mercedes-Benz 180. Dabei handelte es sich um das erste Fahrzeug nach dem Krieg, das eine äußerlich moderne Karosserie und eine technisch auf der Höhe der Zeit befindliche selbstragende Pontonform nach dem Prinzip der passiven Sicherheit aufwies. Der Mercedes-Benz 180 war mit einem 1,8 Liter großen 4-Zylinder-Motor ein Fahrzeug der oberen Mittelklasse und wurde als Benzin- und Dieselvariante angeboten. Der Mercedes-Benz 180 erwies sich als ein kommerzieller Erfolg, was sich unter anderem in den langen Lieferfristen Ende 1954 zeigte.88 Als der Mercedes-Benz 180 im Jahr 1962 auslief, wurde er vergleichsweise reibungslos durch den Mercedes-Benz 190 als Umsatz- und Ergebnisträger abgelöst. Der Mercedes-Benz 190 wurde seit 1955 produziert und basierte weitgehend auf dem Mercedes 180, verfügte aber über einen leistungsstärkeren 1,9Liter-Motor. Ein Marken-Kannibalismus konnte somit verhindert werden.89 Aus den Erfahrungen des Jahres 1952 hatte das Unternehmen gelernt und schaffte es in den Folgejahren, die Modellpolitik so am Markt auszurichten, dass bis zum Ende des Untersuchungszeitraums die Auftragseingänge durchgehend hoch blieben und den Umsatz absicherten. So brachte Daimler-Benz 1954 einen neuen MercedesBenz 220 auf den Markt, um zu verhindern, dass der alte Mercedes-Benz 220 mit seiner eher altmodischen Karosserie gegenüber dem Mercedes-Benz 180 an Attraktivität verlieren würde. Um den Anschluss in der unteren Oberklasse nicht zu 85

Hiller, Älteste Automobilfabrik der Welt, S. 26. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, 17. Dezember 1951, S. 13. 87 L. K.: Daimler-Benz rückt vor im Export, S. 28. 88 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 14. Mai 1954, S. 5; L. K.: Daimler-Benz rückt vor im Export, S. 28. 89 Borgward, S. 59. 86

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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verlieren, präsentierte Daimler-Benz 1954 den verbesserten Mercedes Benz 220a mit selbsttragender Pontonform. Um Kosten zu sparen, entschied die Geschäftsleitung, möglichst viele Teile der Karosserie des 180 verwenden.90 Dies hatte zwar auf der einen Seite den Vorteil, dass Daimler-Benz bei der PKW-Produktion von Skaleneffekten profitierte, denn schließlich stellte das Unternehmen zwischen 1955 und 1960 über 530.000 Einheiten der 180er, 190er und 220er Baureihe her. Es bedeutete aber auch, dass sich die Modelle sehr stark ähnelten und sich fast ausschließlich durch die Motorleistung und die Fahreigenschaften voneinander unterschieden. Dieser Nachteil wirkte sich jedoch nicht negativ auf die Umsatz- und Ertragslage aus. Während zwischen 1945 und 1951 bezüglich der Modellpolitik sehr wahrscheinlich weitgehende Einigkeit innerhalb der Geschäftsleitung bestand, wurde spätestens ab 1951 im Vorstand die Frage diskutiert, ob Daimler-Benz in die Produktion unterhalb der gehobenen Mittelklasse einsteigen solle. Im Jahr 1954 gab es Planungen, die darauf abzielten, im Jahr 1957 einen günstigen Mittelklassewagen zu produzieren, um dieses attraktive Marktsegment nicht der Konkurrenz zu überlassen und um den Umsatz des Unternehmens auf eine breitere Basis zu stellen.91 Denn die bisherigen Fahrzeuge der Oberklasse bedienten im Wesentlichen nur ein Kundensegment, nämlich, wie Fritz Könecke es formulierte, „die Wirtschaft“. Um weniger anfällig für Konjunkturrückgänge zu sein, wollte Könecke mit dem Mittelklassewagen das bis dahin nicht bearbeitete Segment der Privatkunden ansprechen.92 Die Befürworter eines Einstiegs in die unteren Fahrzeugklassen wiesen des Weiteren auf die höhere Wachstumsdynamik dieses Segments hin, während die Gegner dieser Strategie die unzureichende Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens, den begrenzten finanziellen Spielraum und einen Prestigeverlust für die Oberklassemodelle fürchteten.93 Könecke konnte sich jedoch vorerst nicht durchsetzen und so konzentrierte sich die Daimler-Benz AG bis 1958 auf eine Präsenz in der gehobenen Mittelklasse und der Oberklasse. Statt das Angebot nach unten abzurunden, ging das Unternehmen dazu über, sein Angebot in den höheren Fahrzeugklassen zu diversifizieren, und präsentierte Mitte der fünfziger Jahre mit dem Mercedes Benz 190 SL und dem Mercedes Benz 300 SL zwei exklusive Sportwagen, die vor allem in den Export gingen.94 Im Jahr 1964 ergänzte Daimler-Benz die PKW-Produktion um die Luxusfahrzeuge Mercedes-Benz 600 und den Sportwagen Mercedes Benz 230 SL. Bei beiden Typen überstieg die Nachfrage im ersten Jahr der Produktion die Fertigungskapazitäten.95 90

Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 211. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Sonnabend, den 6. November 1954, S. 6. 92 MB CA: Notiz für Herrn Direktor Rummel Betr.: Aufsichtsratssitzung 15. Juli 1950, S. 8. 93 Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 215. 94 Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 212; S. 229 f.; WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht der Daimler-Benz AG 1955, S. 2. 95 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1963, S. 29. 91

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Insgesamt erwies sich die Modellpolitik der Daimler-Benz AG als sehr erfolgreich und sicherte ihr einen Marktanteil in den von ihr bearbeiteten Marktsegmenten von bis zu 59 Prozent, während die Auftragsbestände bis zum Ende des Untersuchungszeitraums durchgehend hoch waren.96 Die Diskussionen um den Einstieg der Daimler-Benz AG in den Markt für Mittelklassefahrzeuge fanden 1958 ihre Fortsetzung, nachdem die Ford-Werke in Köln an Friedrich Flick mit der Frage herangetreten waren, ob er nicht seine Anteile an der Auto Union GmbH veräußern wolle. Da Flick grundsätzlich an einem Ausstieg aus der Auto Union interessiert war, nahm er Verhandlungen mit den FordWerken auf. Doch als Großaktionär und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Daimler-Benz AG teilte er Fritz Könecke am 14. Januar 1958 seine Verkaufsabsichten mit. Daraufhin diskutierte der Vorstand die finanziellen und technischen Aspekte einer Übernahme und befürwortete diese schließlich.97 Die Ertragslage der Daimler-Benz AG lasse die Transaktion durchaus zu und vor dem Hintergrund der absehbaren Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes sei die Erweiterung der Produktpalette sogar ratsam, um den französischen und italienischen Herstellern den Zutritt zum deutschen Markt zu erschweren.98 Auch der Hinweis auf die Gefahr, die Daimler-Benz AG würde nach einem Zusammenschluss der Ford-Werke GmbH und der Auto Union GmbH nur noch der viertgrößte PKW-Produzent in der Bundesrepublik Deutschland sein, schien ein wichtiges Argument zu sein.99 DaimlerBenz hatte bereits vor der Initiative Flicks die Entwicklungsarbeiten an einem Mittelklassewagen aufgenommen, der Entwurf fand jedoch nicht die Zustimmung der Geschäftsleitung. Ein neues Werk hätte angesichts der ausgelasteten Kapazitäten in Sindelfingen und Untertürkheim schätzungsweise einen Finanzierungsbedarf von 150 Millionen DM erfordert. Überdies herrschte in der Periode der Hochkonjunktur Ende der fünfziger Jahre Fachkräftemangel. Vor diesem Hintergrund erschien die Übernahme der Auto Union trotz der erforderlichen Investitionen zum Ausbau der Produktion des DKW Junior (60 Millionen DM) vielversprechend.100 Bei der Festsetzung des Kaufpreises für die erste Tranche der Anteile an der Auto Union GmbH (88 Prozent) scheint es zu einem Interessenausgleich zwischen Könecke und Flick gekommen zu sein. Könecke akzeptierte schließlich den Kaufpreis in Höhe von 47 Millionen DM für rund 26 Millionen DM Stammkapital, nachdem Flick im Präsidium seinen grundsätzlichen Widerstand gegen die von Könecke schon 96 MB CA: Aufzeichnungen über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft, 15. 02. 1957, S. 3 f. 97 MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Mittwoch, den 12. März 1958, S. 1. 98 Hiller, Heinrich: Erfolgreiche Daimler-Benz AG. Abermals kräftige Produktions-, Umsatz- und Ertragssteigerung, in: Der Volkswirt 13 (1959, 31) S. 1668. 99 Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 215. 100 MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Mittwoch, den 12. März 1958, S. 2.

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seit Langem beabsichtigte Kapitalerhöhung bei Daimler-Benz aufgab.101 Schließlich übernahm die Daimler-Benz AG im April 1958 die Auto-Union-Anteile rückwirkend zum 1. Januar. Die Summe war zahlbar bis 1960 in 3 Jahresraten. Das Unternehmen erwarb die restlichen Anteile an der Auto-Union 1959. Im Jahr des Erwerbs durch Daimler-Benz produzierte die Auto-Union 61 Tsd. Personenkraftwagen (Daimler-Benz: 99 Tsd.), 7 Tsd. Nutzfahrzeuge (DaimlerBenz: 57 Tsd.) und erwirtschaftete bei aus Sicht von Daimler-Benz zufriedenstellender Profitabilität einen Umsatz von rund 500 Millionen DM (Daimler-Benz: 2.151 Millionen DM). Diese an sich gute Geschäftsentwicklung schien hohe Investitionen im Jahre 1958 in die Werke in Ingolstadt und Düsseldorf zur Fertigung des DKW Junior zu rechtfertigen.102 In den darauffolgenden 6 Jahren investierte die Auto-Union weitere 342 Millionen DM in die Erweiterung und Rationalisierung der PKW-Produktion. Finanziert wurde dies durch eigene Mittel, langfristige Darlehen, durch zwei von Daimler-Benz finanzierte Kapitalerhöhungen 1960 (30 Millionen DM) und im Herbst 1962 (20 Millionen DM) sowie den Übertrag des Düsseldorfer Werkes an die Daimler-Benz Tochtergesellschaft Industrie-Motorenbau GmbH im Jahr 1964.103 Bis 1962 schien die Geschäftsentwicklung der Auto-Union erfolgreich zu sein. Der Umsatz war auf 812 Millionen DM gestiegen und Daimler-Benz bewertete das Jahresergebnis als „befriedigend“. Dies änderte sich jedoch ab 1963, denn die Auto-Union hatte in ihren Wagen eine neue Technik, die sogenannte „Frischöl-Automatik“ angewandt. Diese setzte eine gewisse Viskosität des Öls voraus. Im strengen Winter 1962/63 wurde das Öl in den besonders kalten Nächten aber so dickflüssig, dass es zu Kolbenfressern und Reklamationen kam. Im Jahr 1963 erwirtschaftete die Auto-Union nur noch einen kleinen Gewinn und fiel in den folgenden Jahren in die Verlustzone. Bis Ende 1965 betrugen die kumulierten Verluste 120 Millionen DM (zum Verkauf der Auto-Union an das Volkswagenwerk siehe Kapitel IV. 3. b) aa)).104 Etwa zeitgleich zur Übernahme der Auto-Union lehnten Flick und Könecke den Vorschlag von Herbert Quandt ab, zusätzlich auch noch die BMW AG zu übernehmen. Erst als das Münchner Unternehmen zusehends in finanzielle Schwierigkeiten geriet und die Kapazitätsengpässe bei Daimler-Benz die Marktposition der Stuttgarter zunehmend zu gefährden drohten, unterbreitete Daimler-Benz den BMW-Aktionären einen Sanierungsvorschlag. Nachdem die Hauptversammlung der BMW AG am 9. Dezember 1959 das Sanierungskonzept aber abgelehnt hatte, legte 101

MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Mittwoch, den 12. März 1958, S. 3; Hiller, Erfolgreiche Daimler-Benz AG, S. 1668. 102 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1958, S. 24. 103 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1959 – 1964; MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 8. Februar 1963, S. 10. 104 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, dem 11. November 1963, S. 1; Kruk, S. 233.

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Daimler-Benz eine Beteiligung an BMW endgültig ad acta (siehe Kapitel III. 3. d) aa)). Hinsichtlich der Profitabilität des PKW-Geschäfts konnten lediglich für die Jahre 1958 bis 1960 Daten aus dem Protokoll einer Sitzung des Präsidiums gewonnen werden. Demzufolge lag der Bruttoertrag in diesen Jahren bei jeweils 19 Prozent vom Umsatz.105 dd) Lastkraftwagen Insgesamt nahm der Umsatz jedes Jahr kontinuierlich zu. Die Entwicklung der Produktion legt den Schluss nahe, dass das Umsatzwachstum ab 1958 stärker durch Preiserhöhungen als in den ersten 11 Jahren nach der Währungsreform erzielt wurde.

Abbildung 15: LKW-Umsatz Daimler-Benz AG (Mrd. DM) Quelle: WWA G7 – 321/2: Geschäftsberichte Daimler-Benz AG 1948 – 1965.

Hinsichtlich der Produktionshöhe lassen sich vier Phasen voneinander unterscheiden. Die Abgrenzung aller vier Wachstumsphasen war jeweils getrieben durch Veränderungen beim Hauptumsatzträger Lastkraftwagen. Bis 1952 kam es zu einem deutlichen Umsatzwachstum, das 1953 spürbar zurückging. Dieser Rückgang wurde bis 1958 in einer Phase stürmischen Wachstums mehr als aufgeholt. Von 1959 bis 1962 stagnierte die Produktion. Hier bewährte sich das breite Produktportfolio des Unternehmens und die Rückgänge im LKW-Geschäft konnten durch zunehmende Umsätze im Omnibus- und Unimog-Geschäft kompensiert werden. Ab 1963 setzte dann eine Phase des vergleichsweise moderaten Wachstums ein. Die Entscheidung für die Wiederaufnahme der Nutzfahrzeugproduktion traf der Vorstand spätestens im ersten Quartal 1948. Daimler-Benz hatte bereits 1943 damit begonnen, einen 3-Tonnen-LKW mit Dieselmotor für Friedenszwecke zu entwi105 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der DaimlerBenz Aktiengesellschaft am Mittwoch, den 25. Oktober 1961, S. 6.

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Abbildung 16: LKW-Produktion Daimler-Benz AG (Tsd. Stück) Quelle: WWA G7 – 321/2: Geschäftsberichte Daimler-Benz AG 1948 – 1965.

ckeln. Die Entwicklungsarbeiten wurden zugunsten der Rüstungsproduktion jedoch zurückgestellt und im April 1948 mit Hochdruck wiederaufgenommen.106 Währenddessen fertigte Daimler-Benz einen 3-Tonnen-LKW mit Benzinmotor. Im Mai 1949 brachte Daimler-Benz schließlich den 3,5-Tonnen-LKW mit einem 90-PSDieselmotor auf den Markt. Vor der Umstellung vom Benzin- zum Diesel-LKW gelang es Daimler-Benz, den unverkauften Bestand des 3-Tonnen-Benzin-LKWs an die Firma Opel zu verkaufen. Neben dem lukrativen Verkauf erleichterte dies den Vertrieb des neuen Diesel-LKWs, weil so bei den Händlern ausschließlich der neue Diesel-LKW beworben werden konnte.107 Der Absatz des neuen LKWs verlief besser als erwartet.108 Der kommerzielle Erfolg dieses Fahrzeugs bestand vor allem in seiner Zuverlässigkeit und Haltbarkeit insbesondere auf schlechten Straßen. Damit war dieses Fahrzeug sowohl für den Einsatz im Europa der Nachkriegszeit als auch für den Export in Entwicklungsländer gut geeignet. Das Fahrzeug wurde mit verschiedenen Radständen und in der Variante als Sattelschlepper und mit Vierradantrieb für eine bessere Geländegängigkeit gebaut. Bereits unmittelbar nach der Währungsreform produzierte das Unternehmen neben dem 3-Tonnen-LKW auch einen 5-Tonnen-LKW in Gaggenau sowie Omnibusse in Sindelfingen und Mannheim. Die Omnibusproduktion wurde 1950 in

106 MB CA: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Daimler-Benz Aktiengesellschaft in Stuttgart-Untertürkheim am 28.4.48, S. 5 f. 107 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 27. Mai 1949, S. 3. 108 MB CA: Notiz für Herrn Direktor Rummel Betr.: Aufsichtsratssitzung 15. Juli 1950, S. 11.

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Mannheim konzentriert.109 Im Oktober 1950 begann in Gaggenau die Produktion eines 6,6-Tonnen-LKWs.110 Die 3-Tonnen bis 6,6-Tonnen-LKW wurden 1954 vom L 325 (6-Tonner) und dem L 315 (7-Tonner) abgelöst. Im selben Jahr begann die serienmäßige Produktion des Omnibus O 321 (3,5-Tonnen-Omnibus mit Heckmotor).111 Im weiteren Verlauf der fünfziger Jahre verfolgte Daimler-Benz eine diversifizierte Modellpolitik, um in möglichst vielen Gewichtsklassen und Kundensegmenten vertreten zu sein. Die Serienfertigung des Transporters L 319 mit einer Nutzlast von 1,75 Tonnen begann im Sommer 1956 anzulaufen. Das Fahrzeug wurde als Pritschen- und als Kastenwagen angeboten. Zu diesem Zeitpunkt war die Produktion bereits über Monate hinaus verkauft.112 Im September 1956 begann die Produktion des L 326. Dabei handelte es sich um einen Lastkraftwagen mit einer Nutzlast bis zu 8,5 Tonnen und einem 200 PS starken Motor. Das Fahrzeug war zunächst nur für den Export vorgesehen und wurde erst ab Februar 1957 auch im Inland verkauft. Im Oktober 1956 begann die Produktion des L 329. Dabei handelte es sich um ein Fahrzeug mit einer maximalen Nutzlast von 6,5 Tonnen und einer Motorleistung von 145 PS. Dieses Fahrzeug entsprach den neuen deutschen Bestimmungen über die maximal zulässigen Maße und Gewichte von Nutzfahrzeugen. Mitte des Jahres 1957 begann in Mannheim die Produktion des L 321. Dabei handelte es sich um einen Lastkraftwagen mit einer maximalen Nutzlast von 5,5 Tonnen. Der L 321 war in den Varianten als Pritschenwagen, Kipper, Sattelschlepper und Allradwagen verfügbar.113 Ebenfalls 1957 begann die Produktion des Frontlenkers LP 321 mit einer großen Ladefläche und einer Nutzlast von maximal 6,0 Tonnen.114 Im Mai 1958 begann in Gaggenau die Produktion des LP 333, eines dreiachsigen Frontlenkers mit 200 PS Motorleistung und mit einer Nutzlast von 9,0 Tonnen. Das Fahrzeug entsprach der am 1. 1. 1958 in Kraft getretenen neuen Verordnung über zulässige Maße und Gewichte von Nutzfahrzeugen. Für den ausländischen Markt wurden in Gaggenau ab 1958 die Typen L 334 (Nutzlast 11,5 Tonnen) und L 332 (Nutzlast 11 Tonnen) aufgenommen.115 Im März 1959 begann die Serienproduktion der Typen L/LP 322 (6 Tonnen), L/LP 327 (7,5 Tonnen) und des LP 337 (7,3 Tonnen). Der L 327 war vorwiegend für Exportzwecke bestimmt. Der L 337 wurde 1960 zum L 338 weiterentwickelt, nachdem die in Deutschland zulässigen Abmessungen und 109 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 26. November 1948, S. 3; MB CA: Notiz für Herrn Direktor Rummel Betr.: Aufsichtsratssitzung 15. Juli 1950, S. 7 f. 110 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1948/1949 und 1951, S. 3. 111 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Sonnabend, den 6. November 1954, S. 2. 112 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1955, S. 2; Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1956, S. 2. 113 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1957, S. 15. 114 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1957, S. 15. 115 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1958, S. 14.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

155

Gewichte die Möglichkeit boten, die Nutzlast des Fahrzeugs auf 13,5 Tonnen zu erhöhen.116 1963 begann die Produktion der Sattelzugmaschinen Typ 1620 und 1920. Der Typ 1610 war mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 16 Tonnen und der Typ 1920 mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 19 Tonnen vorgesehen. Dazu kam das schwere Baustellenfahrzeug 2220 mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 22 Tonnen (Auslandsvariante 2620 mit 26 Tonnen), das über 3 Achsen verfügte, von denen wahlweise 2 oder 3 Achsen angetrieben werden konnten.117 Im Jahr 1964 kam der leichte Lastkraftwagen LP 608 mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 6 Tonnen auf den Markt. Das Fahrzeug schloss die Lücke zwischen den in Düsseldorf gefertigten Transportern und den mittelschweren und schweren LKW und wurde vom Markt sehr gut aufgenommen.118 Die Lieferwagen vom Typ 406/408 wurden seit Anfang 1965 mit einer für den Dieselmotor auf 55 PS und den Benzinmotor auf 80 PS erhöhten Leistung geliefert. Bei den schweren Lastkraftwagen wurde die Motorleistung auf 210 PS erhöht.119 Im Jahr 1964 führt Daimler-Benz für die überwiegende Mehrzahl aller Fahrzeug Dieselmotoren mit Direkteinspritzung ein, was den Treibstoffverbrauch deutlich senkte.120 Im Jahr 1950 erwarb Daimler-Benz von der Gebr. Boehringer GmbH für 600.000 DM die Patente und alleinigen Rechte auf die Herstellung des Unimog, der ab April 1951 in Gaggenau gebaut wurde.121 Der Unimog bot land- und forstwirtschaftlichen Betrieben ein universelles Fahrzeug für den Transport ihrer Erzeugnisse, Geräte und Arbeitskräfte. Es war aber auch für die Verrichtung von Arbeiten auf dem Feld und dem Hof einsetzbar. Daimler-Benz produzierte zwischen 1951 und 1966 annähernd 105 Tsd. Fahrzeuge dieses Typs und sicherte damit die Auslastung eines großen Teils des Werkes in Gaggenau.122 Ein weiterer kommerzieller Vorteil des Unimog bestand darin, dass kaum Änderungen an der Konstruktion notwendig waren. Mindestens in den ersten 4 Jahren seiner Marktpräsenz wurde der Unimog unverändert hergestellt.123 Erst ab August 1956 wurde der Unimog auch mit einem stärkeren Motor mit einer Leistung von 45 PS produziert.124 Allmählich setzte sich der Unimog, der ja ursprünglich eigentlich als land- und forstwirtschaftliches Arbeitsgerät gedacht war, auch bei Kommunen, im Gewerbe, in der Industrie und bei militärischen Dienststellen durch und trug somit 1960 rund 12 Prozent zum Umsatz im Nutzfahrzeug-

116 117 118 119 120 121

S. 4. 122 123 124

WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1960, S. 20. WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1963, S. 30. WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1964, S. 29. WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1964, S. 29. WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1964, S. 29. MB CA: Niederschrift über die Präsidialsitzung am Freitag, dem 29. September 1959, WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG, 1950 – 1966; Kruk, S. 176 – 178. WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1955, S. 3. WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1956, S. 13.

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IV. Daimler-Benz AG

geschäft bei.125 In den folgenden Jahren bis 1965 stagnierte die Produktion bei einer Stückzahl von durchschnittlich 9.700 Fahrzeugen pro Jahr.126 Zum Ende des Untersuchungszeitraums bot Daimler-Benz zusätzlich zu den Omnibussen und zum Unimog insgesamt 19 LKW-Grundmodelle in 150 serienmäßigen Varianten in allen Gewichtsklassen an.127 Der Erfolg der Modellpolitik zeigte sich bereits zur Mitte der fünfziger Jahre mit einem Marktanteil von DaimlerBenz bei leichten LKW und Omnibussen (3 – 5 Tonnen) von bis zu 60 Prozent und bei schweren LKW von bis zu 29 Prozent und bei kleinen Omnibussen (1 – 3 Tonnen) von bis zu 26 Prozent.128 Zu Beginn des Jahres 1957 kam es zu Lieferfristen bei LKW, Omnibussen und Unimog zwischen 2 und 3 Monaten.129 Die diversifizierte Modellpolitik zahlte sich beispielsweise auch 1961 aus, als der Absatz mittelschwerer Lastkraftwagen infolge neuer gesetzlicher Maximalabmessungen und Gewichtsgrenzen bundesweit zurückging. In diesem Jahr konnte Daimler-Benz die Rückgänge durch Zuwächse im Marksegment der schweren LKW annähernd ausgleichen.130 Hinsichtlich der Profitabilität des NFZ-Geschäfts konnten lediglich für die Jahre 1958 bis 1960 Daten aus dem Protokoll einer Sitzung des Präsidiums gewonnen werden. Demzufolge lag der Bruttoertrag in diesen Jahren bei jeweils zwischen 14 und 15 Prozent vom Umsatz.131 Angesichts der steigenden Produktionszahlen, des diversifizierten Modellangebots und der hohen Lieferfristen kann insgesamt davon ausgegangen werden, dass das Nutzfahrzeuggeschäft während des Untersuchungszeitraums signifikante Jahresüberschüsse erzielte. ee) Motoren Von Beginn der Währungsreform an produzierte Daimler-Benz Diesel-Großmotoren in Untertürkheim, die in Triebwagen und Diesellokomotiven der Deutschen Bundesbahn sowie in Passagierbooten Anwendung fanden. Daneben produzierte das

125 Den Geschäftsberichten der Daimler-Benz AG 1955 – 1960 zufolge kostete der Unimog S in Grundausführung rund 16.000 DM und der Preis wurde bis 1960 so gut wie nicht verändert. 1960 wurden 9.450 Unimog produziert. 126 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1961 – 1966. 127 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1965, S. 23; Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1965, S. 20. 128 MB CA: Aufzeichnungen über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft, 15. 02. 1957, S. 3. 129 MB CA: Aufzeichnungen über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft, 15. 02. 1957, S. 4. 130 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1961, S. 17; Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1966, S. 15. 131 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der DaimlerBenz Aktiengesellschaft am Mittwoch, den 25. Oktober 1961, S. 6.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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Unternehmen im Werk Mannheim stationäre Dieselmotoren.132 Die Fertigung der stationären Dieselmotoren wurde im Juni 1950 vollständig nach Berlin-Marienfelde verlegt.133 Dort wurden bis über das Ende des Untersuchungszeitraums hinaus stationäre Dieselmotoren gebaut.134 Die Verlagerung schaffte freie Kapazitäten in Mannheim, die für den Nutzfahrzeugbau benötigt wurden, und stellte die Auslastung des Werkes in Berlin sicher. Die Produktion der Dieselgroßmotoren wurde ab 1961 schrittweise nach Friedrichshafen in eine andere Gesellschaft ausgegründet. Angesichts des Platzmangels im Werk Untertürkheim bot Friedrich Flick der Daimler-Benz AG 1960 den Kauf seiner 50-prozentigen Beteiligung an der Maybach Motorenbau GmbH, Friedrichshafen, an. Hermann Josef Abs und Herbert Quandt stimmten dem Kauf für das Jahr 1961 zu. Sie stimmten des Weiteren einer Beteiligung in Höhe von 5,88 Millionen DM an der Erhöhung des Stammkapitals um 6 Millionen DM zu, sodass Daimler-Benz über ihre Tochtergesellschaft Industriemotorbau GmbH 74 Prozent der Anteile hielt. Zwei Jahre später erwarb die Industriemotorbau von Mannesmann die Hälfte der Geschäftsanteile an der Porsche-Diesel GmbH (ebenfalls in Friedrichshafen) und pachtete deren Geschäfts- und Betriebsgrundstücke. Diese wurden an die neugegründete 100-prozentige Daimler-Benz-Tochtergesellschaft, die Mercedes-Benz Motorenbau GmbH weiterverpachtet. 1966 erwarb die Maybach Motorenbau die Mercedes-Benz- Motorenbau unter Erhöhung des Stammkapitals von 12 Millionen DM auf 20 Millionen DM und firmierte um zur Maybach-Mercedes Benz Motorenbau GmbH. Diese erwarb 1968 die von der Porsche-Diesel GmbH gepachteten Grundstücke. Damit war das komplette Diesel-Großmotorengeschäft zum Ende des Untersuchungszeitraums aus der Daimler-Benz AG herausgelöst und in einer neuen Gesellschaft am Standort Friedrichshafen konzentriert. Inwieweit Einnahmen aus dem Motorengeschäft die Investitionen in die Automobilproduktion finanzierten, kann anhand der Quellen nicht abschließend geklärt werden. Während die Menge produzierter Motoren mit Ausnahme einiger Jahre über den gesamten Untersuchungszeitraum stetig zunahm,135 fanden sich in den Quellen nur unzureichende Hinweise auf die Profitabilität des Geschäfts. Ein Hinweis findet sich in dem Protokoll der Präsidiumssitzung vom 4. April 1960, in dem festgehalten ist, dass der Vorstandsvorsitzende Fritz Könecke vor Flick, Abs und Quandt darüber berichtete, dass es gelungen sei, durch Reorganisationsmaßnahmen den Verlust im „Großmotorensektor“ – gemeint ist wohl ausschließlich das Geschäft, welches später 132

MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 26. November 1948, S. 3. 133 MB CA: Notiz für Herrn Direktor Rummel Betr.: Aufsichtsratssitzung 15. Juli 1950, S. 8. 134 Aus den Geschäftsberichten der Daimler-Benz AG geht hervor, dass zwischen 1950 und 1961 insgesamt 12.164 stationäre Dieselmotoren in Marienfelde gebaut wurden. Die Geschäftsberichte für das Jahr 1948/49 sowie für die Jahre ab 1962 nennen keine Produktionszahlen. 135 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1948/49 – 1966.

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IV. Daimler-Benz AG

nach Friedrichshafen verlegt wird, und nicht die stationären Dieselmotoren – auf 0,5 Million DM zu begrenzen. Ein weiterer Hinweis auf die Profitabilität des Geschäfts mit stationären Dieselmotoren in Berlin-Marienfelde findet sich in den Geschäftsberichten aus der ersten Hälfte der fünfziger Jahre. Bei der Kommentierung der Produktionszahlen hebt Daimler-Benz hervor, dass das Unternehmen mit der Produktion von stationären Dieselmotoren einen politischen Beitrag für die Unterstützung der Stadt Berlin leistet und zur weiteren Stützung des Werkes zusätzliche Teile-Fertigung für die Automobilherstellung nach Berlin verlegt. „Mit den geschilderten Maßnahmen setzte die Gesellschaft [d. h. Daimler-Benz AG, Anm. d. Verf.] die Bemühungen fort, die Stadt Berlin in Ihrer politisch und wirtschaftlich schwierigen Lage im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten und Mittel zu unterstützen.“136

Im Geschäftsbericht des folgenden Jahres heißt es: „Mit Rücksicht auf die im Motorengeschäft immer wieder auftretenden Marktschwankungen wurde 1954 die Fertigung von Aggregaten für den PKW- und LKW-Sektor nach Berlin-Marienfelde verlegt. […] Damit hat die Gesellschaft wiederum einen von den Berliner Stellen anerkannten Beitrag zur Verbesserung der Beschäftigungslage in Berlin geleistet.“137

Beide Belege sprechen nicht dafür, dass es in den ersten 12 Jahren des Untersuchungszeitraums wesentliche Einnahmen aus dem Motorengeschäft gegeben haben könnte, die für die Finanzierung von Investitionen in die Automobilproduktion zur Verfügung gestanden haben könnten. Angesichts der Kaufpreise für die Anteile der Maybach Motorenbau (45 Millionen DM), der Porsche-Diesel (13 Millionen DM), der Kapitalerhöhung der Mercedes-Benz Motorenbau (8 Millionen DM) und des Kaufpreises für den Erwerb der Grundstücke der Porsche-Diesel (17 Millionen DM) muss eher davon ausgegangen werden, dass das Automobilgeschäft die Investitionen in den Motorenbau finanzierte und dass die Führungsgremien des Unternehmens den Motorenbau sehr wahrscheinlich eher als ein strategisches Geschäftsfeld denn als einen Ergebnisträger sahen.138 Der Geschäftsbericht der Daimler-Benz AG erwähnt jedenfalls erst 1964 positive Erträge in Form von Gewinnabführungen aus steuerlichen Organschaftverträgen mit der Mercedes-Benz Motorenbau GmbH (2,3 Millionen DM) und der Industriemotorbau GmbH (0,9 Millionen DM) aus der Dividende der Maybach Motorenbau GmbH.139

136 137 138 139

WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1954, S. 6. WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1955, S. 7. Zu den Kaufpreisen siehe Kruk, S. 227 f. WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1964, S. 64.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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ff) Rüstungsgüter Der Vorstand versicherte im Dezember 1952 dem Aufsichtsrat, dass DaimlerBenz bislang nicht im Rüstungsgeschäft engagiert war.140 Doch spätestens 2 Jahre später antizipierte der Vorstandsvorsitzende Fritz Könecke, dass durch den Abschluss der Londoner und Pariser Akte und der damit bevorstehenden Gründung der Bundeswehr sich für Daimler-Benz eine Chance auf verstärkte Aufträge der nationalen und internationalen Armeebeschaffungsstellen ergeben würde.141 Spätestens seit dem Geschäftsjahr 1957 lieferte Daimler-Benz dann tatsächlich Lastkraftwagen an die Bundeswehr. Die Aufträge des Bundesverteidigungsministeriums konnten damit den Rückgang der Nachfrage in der privaten Wirtschaft 1957 teilweise ausgleichen.142 Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Strauß stellte dem Vorstand 1961 die Bestellung von 3.000 bis 5.000 Unimog für die Bundeswehr in Aussicht, was auf wohlwollende Zustimmung des Vorstands und des Präsidiums stieß.143 Im Juni 1962 hatte Daimler-Benz Aufträge des Bundesverteidigungsministeriums mit einem Wert von 400 Millionen DM im Bestand. Von besonderem Interesse für die Bundeswehr waren der schwere Lastkraftwagen L 315, der Unimog T, DieselGroßmotoren für gepanzerte Fahrzeuge sowie ein neu entwickeltes 1.000-PS-Propellerturbinen-Luftstrahltriebwerk.144 Der Vorstand war sich jedoch des Risikos einer sich sprunghaft ändernden Auftragslage im Rüstungssektor bewusst und verfolgte weitere Investitionen in die Rüstungsproduktion mit äußerster Vorsicht.145 Den Bau von Fabrikationsstätten innerhalb der Daimler-Benz AG für den Nachbau von Flugtriebwerken lehnte Könecke daher mehrfach ab. Auf diese ablehnende Haltung reagierte Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Strauß mit politischem Druck und forderte, Daimler-Benz möge sich „aus allgemeinen Verteidigungsgründen und aus der Auftragsverbundenheit mit den sonstigen Verteidigungsaufgaben der Westrepublik […] dem Lizenznachbau von Flugzeugtriebwerken nicht mehr […] entziehen“.146 Dies muss als versteckte Drohung von Strauß an Könecke verstanden werden, dem Unternehmen Rüstungsaufträge im Fahrzeugbau zu entziehen, wenn Daimler-Benz sich nicht stärker in der Herstellung von Flugzeugtriebwerken engagiere. So führte Könecke ab 1955 Verhandlungen über Li140 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, 12. Dezember 1952, S. 10. 141 MB CA: Bericht des Vorstandes über die Geschäftslage, 6. 11. 1954, S. 5 f. 142 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Donnerstag, dem 7. November 1957, S. 3. 143 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrats der DaimlerBenz AG am Freitag, den 12. Mai 1961, S. 9. 144 MB CA: Protokoll über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 1. Juni 1962, S. 4. 145 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Donnerstag, den 20. Juni 1963, S. 4. 146 MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, den 17. November 1958, S. 12.

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IV. Daimler-Benz AG

zenzfertigungen für Triebwerke, um das Bundesverteidigungsministerium einerseits zu beschwichtigen und bei der Vergabe von Rüstungsaufträgen an die Automobilindustrie dem Unternehmen gewogen zu halten. Andererseits führte er die Verhandlungen zu keinerlei greifbarem Ergebnis. So verhandelte Könecke 1955 mit der US-amerikanischen Firma Curtiss-Wright über einen Optionsvertrag für die Lizenzfertigung eines Curtiss-Wright-Flugtriebwerks durch Daimler-Benz in Deutschland. Die Option sollte dann in einen Lizenzvertrag umgewandelt werden, wenn durch deutsche Regierungsstellen ausreichend Aufträge vorlägen.147 Im darauffolgenden Jahr nahm Daimler-Benz erstmals seit Kriegsende Studien auf dem Gebiet der Flugtriebwerke auf und führte Verhandlungen mit dem Bundesverteidigungsministerium mit dem Ziel, einen Betreuungsvertrag für das Triebstrahlwerk J 65 von General Electric abzuschließen. Diese Aktivitäten wurden Ende des Jahres in einer eigens dafür neu gegründeten „Flugmotoren-GmbH“ gebündelt.148 Die Verhandlungen mit dem Bundesverteidigungsministerium hinsichtlich des J 65 scheiterten jedoch Ende 1957, weil das Ministerium die von Daimler-Benz gestellten Forderungen nicht erfüllen wollte. Auch zwischenzeitlich aufgenommene Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Raketentechnik wurden 1957 eingestellt. Eine Zusammenarbeit mit der Snecma scheiterte an der dazu erforderlichen zu hohen Kapitalbindung. Stattdessen leitete Könecke 1957 Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Strahltriebwerke ein und führte Gespräche mit Rolls Royce über einen Vertrag zur Entwicklung eines neuen Triebstrahlwerks.149 Doch Strauß ließ in seinen Bemühungen nicht nach und versuchte 1961, eine Zusammenarbeit zwischen MAN und Daimler-Benz auf dem Gebiet der Triebwerkfertigung ins Leben zu rufen.150 Zum selben Zeitpunkt stand das Unternehmen auch in Kontakt mit General Electric und Pratt & Whitney.151 Des Weiteren hatte Daimler-Benz bis Ende 1955 zusammen mit Porsche und Ruhrstahl im Auftrag der indischen Regierung ein Projekt für die Panzerproduktion erarbeitet. Dieses, so Fritz Könecke im Aufsichtsrat, habe auch das Interesse des Bundesverteidigungsministeriums gefunden. Sollte die Fertigung tatsächlich zustande kommen, würde sie in einer für diesen Zweck neu zu gründenden Gesellschaft erfolgen. Dies gelte im Übrigen für alle Formen der Rüstungsproduktion, sofern es

147 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, dem 19. Dezember 1955, S. 3. 148 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1956, S. 13; MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Mittwoch, den 31. Oktober 1956, S. 3 f. 149 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Donnerstag, dem 7. November 1957, S. 8 f. 150 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrats der DaimlerBenz AG am Freitag, den 12. Mai 1961, S. 9. 151 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrats der DaimlerBenz AG am Mittwoch, den 25. Oktober 1961, S. 5.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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sich nicht um Erzeugnisse der Serienproduktion handele.152 Mit den Erzeugnissen der Serienproduktion waren insbesondere die Lastkraftwagen des Unternehmens gemeint. Ob und in welchem Umfang das Panzerprojekt realisiert wurde, wird aus den zur Verfügung stehenden Quellen nicht ersichtlich.

b) Desinvestitionen aa) Auto-Union 1965 – 1966 Angesichts der zunehmenden Verluste und der schleppenden Nachfrage nach den Fahrzeugen der Auto-Union GmbH war Daimler-Benz 1964 nicht mehr gewillt, weitere Investitionen zu finanzieren, und fand mit dem Volkswagenwerk einen interessierten Käufer für die Auto-Union. Besonders erwähnenswert ist die Transaktionsstruktur des Verkaufs der Auto-Union von Daimler-Benz an das Volkswagenwerk. Und zwar machte sich Daimler-Benz ein Gutachten des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 1958 zunutze. Dieses Gutachten ermöglichte, dass bei einem Tausch von Anteilen, die sich bei wirtschaftlicher Betrachtung in Wert, Art und Funktion glichen, die über den Buchwert hinausgehenden stillen Reserven nicht offengelegt und damit auch nicht besteuert werden mussten. Dieses Vorgehen war mit der Oberfinanzdirektion Stuttgart abgesprochen.153 Daher erhöhte im ersten Schritt die Auto-Union GmbH Anfang 1965 ihr Stammkapital um 80 Millionen DM. Die neuen Anteile wurden vollständig von der Volkswagenwerk AG übernommen. Zusätzlich erwarb die Volkswagenwerk AG Anteile mit einem Nominalwert in Höhe von 452 Tsd. DM der Daimler-Benz. Anschließend erhöhte die Daimler-Benz Tochtergesellschaft, die Süddeutsche Automobil-Bau-, Anlagen- und Vertriebs-GmbH, welche einen Teil der Investitionen für das neue LKW-Werk in Wörth getätigt hatte, ihr Stammkapital um 56 Millionen DM. Davon übernahm das Volkswagenwerk 29 Millionen DM und Daimler-Benz 27 Millionen DM. Gleichzeitig gewährte das Volkswagenwerk der Süddeutsche Automobil-Bau-, Anlagen- und Vertriebs-GmbH ein Darlehen, auf dessen Rückzahlung das Volkswagenwerk einen Monat später verzichtete. Das Darlehen wurde damit zu einer Rücklage und war so bemessen, dass der Buchwert der vom Volkswagenwerk gehaltenen Anteile an der Süddeutsche Automobil-Bau-, Anlagen- und Vertriebs-GmbH dem Verkehrswert der von Daimler-Benz übertragenen Auto-Union Anteile entsprach. Nach Abschluss dieser Transaktionen tauschte Daimler-Benz seine Auto-Union Anteile mit einem Nennwert in Höhe von 45 Millionen DM gegen die Anteile der Volkswagenwerk AG an der Süddeutsche Automobil-Bau-, Anlagen- und Vertriebs-GmbH. Eine ähnliche Transaktion vollzogen Daimler-Benz und das Volkswagenwerk über die Daimler-Benz-Tochterge152

MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, dem 19. Dezember 1955, S. 3. 153 MB CA: Protokoll über die Sitzung des Präsidiums der Aktiengesellschaft der DaimlerBenz Aktiengesellschaft am Dienstag, den 3. November 1964, S. 2; Kruk, S. 233 f.

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IV. Daimler-Benz AG

sellschaft Kraftfahrzeug- und Industriemotorenbau GmbH ein Jahr später, sodass 1966 Daimler-Benz seine kompletten Anteile an der Auto-Union an das Volkswagenwerk übertragen hatte. Der Wert der Anteile wurde zwischen Volkswagenwerk und Daimler-Benz auf 297 Millionen DM festgelegt.154

c) Aufnahme von Fremdkapital aa) Anleihe 1948/49 Der Vorstandsvorsitzende der Daimler-Benz AG Wilhelm Haspel wog 1948 im Aufsichtsrat zwei strategische Alternativen gegeneinander ab: Entweder DaimlerBenz solle mit den begrenzten Gewinnen aus der zu diesem Zeitpunkt überschaubaren Produktion versuchen, „in kleinen Verhältnissen“ klarzukommen, oder sich um Fremdkapital bemühen, um den „Sprung nach oben“ zu schaffen. Da bei Haspel die Befürchtung überwog, gegenüber Opel und Ford in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, wenn Daimler-Benz nicht schnellstens mit Fremdmitteln die Produktion hochfahren würde, entschied er sich schließlich für die Strategie, die Ausweitung der Produktion mit Fremdkapital zu finanzieren.155 Da die Hausbanken als Finanziers für die langfristigen Investitionen des Jahres 1949 ausfielen, bemühte sich Haspel vor der Aufsichtsratssitzung im Oktober 1948 um alternative Finanzierungsquellen – allerdings nicht ohne sich dabei der Zustimmung von Hans Rummel zu versichern. Diese Bemühungen mündeten schließlich in ein Finanzierungsangebot des Finanzmaklers Rudolf Münemann, dessen Konditionen Haspel Ende November 1948 dem Aufsichtsrat vortrug. Münemann bot Daimler-Benz an, über seine Maklerfirma eine Anleihe von 25 Millionen DM in zwei Tranchen zu 15 und zu 10 Millionen Deutsche Mark zu platzieren. Die Anleihe sollte einen Zinssatz von 6,5 Prozent und mindestens 1 Prozent oberhalb des Diskontzinssatzes der Zentralbank haben bei einem Ausgabekurs von 98 Prozent. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Diskontsatz der Landeszentralbank 5 Prozent. Die Anleihe sollte in 10 Jahren zurückgezahlt werden, wobei nach den ersten 3 tilgungsfreien Jahren ein vorzeitiges Teil- und Gesamtkündigungsrecht des Schuldners vorgesehen war. Als Sicherheiten sollten die Werke Mannheim und Sindelfingen dienen.156 Dabei handelte es sich um eine der ersten Anleihen nach der Währungsreform, mit denen Rudolf Münemann in den fünfziger und sechziger Jahren aus kurzfristen Geldern von Versicherungsgesellschaften und Sparkassen langfristige Ausleihungen 154 MB CA: Protokoll über die Sitzung des Präsidiums der Aktiengesellschaft der DaimlerBenz Aktiengesellschaft am Dienstag, den 3. November 1964, S. 2; WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1964 – 1965; Kruk, S. 234. 155 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 26. November 1948, S. 13. 156 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 26. November 1948, S. 12 – 15.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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an die Industrie machte und damit bundesweit Aufsehen erregte. Die grundsätzliche Idee hatte er bereits in den dreißiger Jahren entwickelt. Sie bestand darin, dass Versicherungen regelmäßig Beiträge einnehmen und daher selbst in Krisenzeiten über eine hohe Liquidität verfügen. Die Versicherungen hatten einerseits ein hohes Interesse daran, ihr Kapital möglichst gewinnbringend anzulegen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, andererseits waren sie durch das Versicherungsaufsichtsgesetz in Ihren Anlagemöglichkeiten im Wesentlichen auf niedrig verzinste mündelsichere Anlagen beschränkt. Diese Anlageformen umfassten beispielsweise Immobilien, Hypotheken, Pfandbriefe oder Guthaben bei einer Sparkasse und schlossen höher verzinste Anlageformen wie Aktien oder langfristige Industrieanleihen aus.157 Ähnlichen Beschränkungen unterlagen die Sparkassen und deren Girozentralen. Münemann schuf nun mit seinen Schuldscheinanleihen die Voraussetzungen dafür, dass Versicherungen und Sparkassen ihr Geld höher verzinslich anlegen konnten, ohne dabei gegen gesetzliche und satzungsmäßige Auflagen zu verstoßen. Dies gelang ihm dadurch, dass er auf den Namen seiner Kunden einen besicherten Schuldschein auflegte, der höher verzinslich war als kurzfristige Kredite und für die Gläubiger eine kurze Laufzeit hatte. Die Schuldner waren bereit, einen höheren Zins dafür zu zahlen, weil Münemann durch seine Maklertätigkeit sicherstellte, dass fällig werdende kurzfristige Ausleihungen der Gläubiger entweder verlängert wurden oder durch Ausleihungen anderer Gläubiger revolvierend ersetzt wurden.158 Dabei gab Münemann selbst keine Garantien für Verlängerungen und verlieh auch selbst kein Geld. Als Makler verdiente er an der Spanne zwischen den niedrigen Zinsen, die er seinen Schuldnern für deren kurzfristiges Geld zahlte, und den hohen Zinsen, die er von seinen Gläubigern für seine langfristigen Ausleihungen gezahlt bekam, sowie an den Disagios der Anleihen. Das Prinzip „aus kurz mach lang – Münemann“ funktionierte bis in die sechziger Jahre, als die Bundesbank den Diskontsatz sprunghaft anhob und kurzfristige Liquidität erstmals nach der Währungsreform teurer wurde als langfristiges Kapital. Münemann hatte es zuvor unterlassen, mit seinen Schuldnern Anpassungsklauseln für Zinserhöhungen vertraglich zu vereinbaren. Dies hatte zur Folge, dass er einen Großteil seines Privatvermögens verlor.159 Bis dahin forderten die Münemann’schen Schuldscheinanleihen jedenfalls das traditionelle Geschäftsmodell der deutschen Großbanken heraus. Diese hatten in der Vergangenheit an der Bereitstellung langfristiger Mittel für die Industrie gleich mehrfach verdient. Für die Emission langfristiger Schuldtitel und Aktien berechneten sie Ihren Kunden hohe Gebühren und ein Disagio und sicherten sich gleichzeitig als Depotbank für die ausgegebenen Aktien ihren Einfluss auf den Emittenten. 157

Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen vom 6. Juni 1931, in: RGBl Teil 1 (12. Juni 1931), S. 323. 158 Der Revolver, in: Der Spiegel (1959, 17), S. 33 – 45. 159 Der Revolver, in: Der Spiegel (1959, 17), S. 33 – 45; Zurück auf null, in: Der Spiegel (1970, 42), S. 98 – 100.

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IV. Daimler-Benz AG

Da Münemann zu diesem Zeitpunkt in Deutschland schon einigermaßen bekannt war, überrascht es, dass die Bankenvertreter im Aufsichtsrat der Daimler-Benz AG nicht stärker gegen Rudolf Münemann intervenierten. Die Aufsichtsratsmitglieder zeigten sich allerdings eher besorgt über das Risiko, dass Daimler-Benz einen zumindest für die kommenden 3 Jahre zu hohen Zins bezahlen würde.160 Diese Bedenken zerstreute Wilhelm Haspel jedoch, indem er die Entscheidung über das Schuldscheindarlehen gegenüber dem Aufsichtsrat mit einer strategischen Überlegung verknüpfte: Man müsse sich entscheiden, ob man auf größere Investitionen verzichten und versuchen wolle, „zunächst einmal in kleinen Verhältnissen durchzukommen, oder wir bemühen uns, Geld zu bekommen, um jetzt oder sonst niemals den Sprung nach oben zu machen. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass die Firma mit 800 – 1000 Wagen niemals existieren kann.“161

Haspel verwies auch darauf, dass angesichts der Aktivitäten von General Motors, Ford und der britischen Besatzungsmacht im Volkswagenwerk die Gefahr bestünde, dass mit Daimler-Benz der letzte verbliebene große deutsche Kraftfahrzeughersteller in die Bedeutungslosigkeit abzusinken drohe, wenn es nicht jetzt gelänge, durch Investitionen die Produktionszahlen zu erhöhen. Schützenhilfe erhielt er bei seiner Argumentation von Hans Rummel und den Mitgliedern des Finanzausschusses, die Haspels Sichtweise teilten und die Begebung des Schuldscheindarlehens befürworteten. Vor diesem Hintergrund genehmigte der Aufsichtsrat den Abschluss des Schuldscheindarlehens einstimmig zu den von Haspel vorgetragenen Konditionen – wenn auch mit dem Hinweis, dies „mit Rücksicht auf die dringende Notwendigkeit der Anleihe“ zu tun.162 Daimler-Benz dürfte bei der Entscheidung des Aufsichtsrates zugutegekommen sein, dass Rummel nicht nur Vertreter der Hausbank war. Als solcher konnte er schließlich kein Interesse daran haben, dass Münemann bei Daimler-Benz einen Fuß in die Tür bekam. Rummel vertrat als Repräsentant der Süddeutschen Bank auch einen Großaktionär des Unternehmens und in dieser Funktion konnte er kein Interesse daran haben, dass Daimler-Benz durch unzureichende Investitionen hinter die Anstrengungen der Wettbewerber zurückfiel. Bei seiner Entscheidung für das Schuldscheindarlehen dürften daher Erwägungen aus der Sicht des Aktionärs überwogen haben. Mögliche Befürchtungen, Münemann könne seine Geschäftstätigkeit mit Daimler-Benz ausweiten und den Hausbanken das Geschäft mit langfristigem Kapital wegnehmen und ihren Einfluss auf das Unternehmen unterminieren,163 sollten 160 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 26. November 1948, S. 12 – 15. 161 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 26. November 1948, S. 12. 162 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 26. November 1948, S. 16. 163 Hertz-Eichenrode, S. 125 f.; Kruk, S. 169.

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sich im weiteren Verlauf der fünfziger und sechziger Jahre als unbegründet erweisen. Die Schuldscheinanleihe blieb die einzige Finanztransaktion, die Rudolf Münemann für Daimler-Benz vermittelte, weil sich das Unternehmen in der Folgezeit günstiger finanzieren konnte. Außerdem erwies sich die Platzierung der Anleihe für den Vorstand als sehr mühselig, denn eine Gruppe von Münemann-Gegnern hatte bei der Aufsichtsbehörde gegen die Genehmigung der Schuldscheinanleihe opponiert und versuchte Druck auszuüben auf die Volksfürsorge, welche einen größeren Betrag der Anleihe zeichnen wollte. Bei dieser Gruppe handelte es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um größere Versicherungsunternehmen, die Münemann aus dem Geschäft drängen wollten, weil seine Schuldscheinanleihen den Versicherungen kein Gegengeschäft mit den Anleihegläubigern ermöglichten.164 Mit einiger Wahrscheinlichkeit war der maßgebliche Akteur in dieser Gruppe die Allianz AG.165 Schließlich wurde die Anleihe doch noch platziert, allerdings wurden statt der ursprünglich geplanten 25 Millionen DM nur 10 Millionen DM mit einem Disagio von 5 Prozent untergebracht.166 Dies dürfte nicht nur an dem Widerstand der Münemann-Gegner gelegen haben, sondern auch daran, dass die Versicherungen und Sparkassen nach der Währungsreform erst einmal wieder genügend freie Liquidität aufbauen mussten. Bis zum Mai waren erst 7 Millionen DM untergebracht. Davon hatte die Volksfürsorge mit 3 Millionen DM einen großen Teil übernommen. Für die Entscheidung der Volksfürsorge dürften mindestens zwei Dinge ausschlaggebend gewesen sein. Erstens waren die Werke der Daimler-Benz AG, die als Besicherung dienten, 1949 bereits wieder in einem passablen Zustand. Dies war insofern wichtig, weil die Münemann-Gegner das Gerücht gestreut hatten, dass der Anleihe-Prospekt hinsichtlich der Werke falsche Angaben enthalte. Die Vertreter der Volksfürsorge besichtigten die Fabrik und überzeugten sich vor Ort davon, dass die Angaben im Prospekt korrekt waren. Zweitens ging Daimler-Benz auf die Forderung der Volksfürsorge ein und ermöglichte ein Gegengeschäft. Dies bestand aus einer freiwilligen Lebensversicherung für die Belegschaft von je 1.000 DM pro Versichertem, wobei Daimler-Benz die Hälfte der Versicherungsprämie zahlte. Haspel ging davon aus, dass mindestens 5.000 Mitarbeiter bereit wären, eine derartige Lebensversi164 MB CA: Niederschrift über die Sitzung Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft in Stuttgart-Untertürkheim am 27. Mai 1949, S. 5 – 8. 165 Dazu würde passen, dass Feldenkirchen in der von der damaligen DaimlerChrysler AG beauftragten offiziellen Unternehmensgeschichte darauf hinweist, dass das Schuldscheindarlehen „heftige Kritik“ von der Allianz hervorrief. Das Magazin Der Spiegel berichtete hingegen 1959, dass Münemann im Jahr 1948 eine Auseinandersetzung mit der Bank Sal. Oppenheim, der Kölnischen Rückversicherungs-Gesellschaft sowie der Colonia Kölnische VersicherungsAktiengesellschaft führte, siehe Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 236; Der Revolver, S. 42. 166 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1951, S. 2; im Dezember 1949 zeichnete „eine große Versicherungsgesellschaft, die sich zunächst bei unseren Anleihebestrebungen quer gelegt hatte“, einen weiteren Betrag der Anleihe, siehe MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 16. Dezember 1949, S. 13.

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IV. Daimler-Benz AG

cherung abzuschließen.167 Die Grundschuld auf das Werk Sindelfingen wurde 1950 ausgetragen, nachdem die zweite Trance der Anleihe nicht zustande kam.168 Nach Informationen des Magazins „Der Spiegel“ gelang es Münemann sogar mit einigem Erfindungsreichtum, der Daimler-Benz AG zum Ausgleich für die nicht platzierten 15 Millionen DM der Schuldscheinanleihe ein Geschäft mit der Bundespost zu vermitteln. Diese habe ihren Omnibuspark erneuern wollen, aber es sei ihr von Bundesfinanzminister Schäffer verboten worden, am Kapitalmarkt Kredite aufzunehmen. Münemann habe daraufhin die Omnibusse für die Post durch eine eigens gegründete Firma erworben, der Post den Kaufpreis gegen marktübliche Zinsen für 3 Jahre kreditiert und die Anschaffung der Busse mit revolvierenden kurzfristigen Krediten finanziert.169 Ein Hinweis auf die Richtigkeit der SpiegelInformationen könnte die unternehmensinterne Bewertung des Omnibus-Absatzes sein, die im Mai 1949 vom Vorstand als „weiterhin flüssig“ bezeichnet wurde.170 Aus dem Aufsichtsratsprotokoll vom 17. Dezember 1951 geht des Weiteren hervor, dass der Lieferanteil bei der Post nun höher sei als früher.171 bb) Kredit der Hausbanken 1949 Die Süddeutsche Bank (Nachfolgeinstitut der Deutschen Bank), die Rhein-Main Bank (Nachfolgeinstitut der Dresdner Bank) und der Bankverein Westdeutschland (Nachfolgeinstitut der Commerzbank) nahmen unmittelbar nach der Währungsreform 1948 bis über das Ende des Untersuchungszeitraums hinaus bei der DaimlerBenz AG die Rolle der „Hausbank“ wahr. Die Stellung als Hausbank begründete sich durch die enge wirtschaftliche und personelle Verbindung zwischen den Banken und der Daimler-Benz AG. Die Banken fungierten als Depotbank für die Aktien des Unternehmens und waren der erste Ansprechpartner bei Finanztransaktionen. Eine besonders starke Stellung hatte die Süddeutsche Bank im Aufsichtsrat, weil sie selbst über ein großes Aktienpaket der Daimler-Benz AG verfügte. Dementsprechend besetzte sie bzw. später die aus ihren einzelnen Nachfolgeinstituten wieder zusammengeführte Deutsche Bank AG während des gesamten Untersuchungszeitraums mit Hans Rummel (1948 – 1955) und Hermann J. Abs (1955 – 1972) durch-

167 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft in Stuttgart-Untertürkheim am 27. Mai 1949, S. 7. 168 MB CA: Niederschrift über die Präsidialsitzung am Freitag, dem 29. September 1959, S. 2. 169 Der Revolver, S. 38. 170 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft in Stuttgart-Untertürkheim am 27. Mai 1949, S. 4. 171 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, 17. Dezember 1951, S. 16.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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gehend das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden.172 Rummel war von 1952 bis 1957 stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Süddeutschen Bank.173 Abs war zur selben Zeit Vorstandssprecher der Süddeutschen Bank, und nachdem diese mit den anderen Nachfolgeinstituten wieder zusammengeführt worden war, der erste Vorstandssprecher der Deutsche Bank AG nach dem Ende des Krieges.174 Für die Südwestbank (ebenfalls ein Nachfolgeinstitut der Deutschen Bank) war zudem Alfred Rosewick bis 1958 Mitglied im Aufsichtsrat. An seine Stelle trat im selben Jahr Trudbert Riesterer von der Deutschen Bank. Die Rhein-Main Bank entsandte Vorstandsmitglied Hugo Zinsser (1948 – 1955) in den Aufsichtsrat. Nach dessen Tod zog das spätere Vorstandmitglied der Dresdner Bank Erich Vierhub (1955 – 1970) in den Aufsichtsrat ein.175 Die Interessen des Bankvereins Westdeutschland vertrat Hanns Deuss (1948 – 1972), der 1958 Vorstandssprecher der wieder zusammengeführten Commerzbank wurde.176 Der Aufsichtsrat bestand im ersten Halbjahr 1948 aus 10 Mitgliedern, von denen mit Rummel, Rosewick, Zinsser und Deuss vier Bankenvertreter waren und von denen Carl Jahr als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Süddeutschen Bank nahestand. Auch nach der durch das Betriebsverfassungsgesetz notwendig gewordenen Zuwahl von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat im Jahr 1953 blieb der Finanzausschuss fest in der Hand der Banken. Die einzige Personalveränderung bestand darin, dass der aus dem Aufsichtsrat ausscheidende Carl Jahr im Finanzausschuss durch Karl Blessing ersetzt wurde.177 Karl Blessing war Vorstandsvorsitzender der Margarine Union AG, bevor er 1958 das Amt des Präsidenten der Deutschen Bundesbank übernahm. Der Aufsichtsrat gliederte sich in ein Präsidium, welches alle Personalangelegenheiten entschied und faktisch das oberste Führungsgremium des Unternehmens war, sowie einen Finanzausschuss. Dem Präsidium gehörten zunächst Rummel, Jahr und Karl Blessing an. Im Finanzausschuss waren auf Vorschlag von Hans Rummel die Herren Deuss, Rosewick, Zinsser und Blessing vertreten.178 Damit lässt sich festhalten, dass der Aufsichtsrat der Daimler Benz AG unmittelbar nach der Währungsreform eindeutig von den ehemaligen deutschen Großbanken dominiert wurde. 172 MB CA: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Daimler-Benz Aktiengesellschaft in Stuttgart-Untertürkheim am 15.6. 48, S. 1; WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1955, S. 1. 173 Frost, Reinhard: Rummel, Hans, in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 249 f.; Historische Gesellschaft der Deutschen Bank e. V.: Hinter den Zahlen. Persönlichkeiten, http:// bankgeschichte.de/02_03_02_detail.php?id=75, 2006 – 08 – 09. 174 Gall, Lothar: Der Bankier Hermann Josef Abs. Eine Biographie, München 2004, S. 410. 175 Bähr, S. 614. 176 K. W.: Dr. Hanns Deuß 60 Jahre, in: Die Zeit, 17. 02.1981. 177 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, 24. Juli 1953, S. 2. 178 MB CA: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Daimler-Benz Aktiengesellschaft in Stuttgart-Untertürkheim am 15.6.48, S. 2.

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IV. Daimler-Benz AG

Das Präsidium ermittelte in Abstimmung mit dem Finanzausschuss unmittelbar nach der Währungsreform den Finanzierungsbedarf für das Jahr 1949. Demzufolge benötige Daimler-Benz einen kurzfristigen Betriebsmittelkredit in Höhe von 5 bis 10 Millionen DM und einen Investitionskredit in Höhe von 10 bis 20 Millionen DM.179 Die Hausbanken stellten daraufhin im Januar 1949 einen Betriebsmittelkredit in Höhe von 10 Millionen DM mit einer sechsmonatigen Laufzeit und einer Verlängerungsklausel über 3 Monate zur Verfügung, der im Mai 1949 verlängert und vom Unternehmen erstmals im Juli 1949 mit 5 Millionen DM beanspruchte wurde. Dieser Betrag wurde bereits im Oktober desselben Jahres zurückgezahlt.180 Hinsichtlich der Bereitstellung langfristiger Mittel für Investitionen mussten die Banken jedoch passen – sie waren zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage, langfristige Gelder auszuleihen. cc) Anleihe 1950 Da die Schuldscheinanleihe nicht in vollem Umfang der ursprünglich geplanten 25 Millionen DM platziert werden konnte, blieb der Vorstand weiter auf der Suche nach langfristigem Kapital. Schließlich gelang es Wilhelm Haspel im Oktober 1950, bei der Württembergischen Girozentrale in Stuttgart eine Anleihe in Höhe von 15 Millionen DM zu einem Zinssatz von 6,5 Prozent bei einer Auszahlung von 99 Prozent des Nominalwerts zu platzieren. Die Laufzeit betrug 6 Jahre, wobei die Tilgung in den letzten 3 Jahren in vierteljährlichen Raten erfolgen sollte. Das Geld floss dem Unternehmen noch im selben Monat zu. Der Kontakt zu der Girozentrale war dadurch entstanden, dass Daimler-Benz von der Bank zunächst eine große kurzfristige Kreditlinie für die Finanzierung des Lastwagengeschäfts eingeräumt bekommen hatte. Die Anleihe wurde besichert mit einer Grundschuld auf das Werk Sindelfingen. Die Anleihe wurde erfolgreich begeben trotz der Widerstände des damaligen Präsidenten der Landeszentralbank in Stuttgart Ernst Otto Pfleiderer, der jegliche Refinanzierung seitens der Landeszentralbank kategorisch ablehnte. Nähere Umstände hinsichtlich der Haltung von Pfleiderer konnten leider nicht in Erfahrung gebracht werden.181 Die Girozentrale Württemberg stellte mit der Anleihe 1950 und 1952 durchschnittlich etwas mehr als ein Drittel der lang- und mittelfristigen Kredite der Daimler-Benz AG. Dies weckte bei ihrem Präsidenten Robert Götz anscheinend den Wunsch, eine größere Einflussmöglichkeit auf das Unternehmen zu haben: Im ersten 179 MB CA: Niederschrift über die Präsidialsitzung am Montag, dem 16.8.48, S. 4; MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 26. November 1948, S. 2. 180 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1948/1949 (21. Juni 1948 bis 31. Dezember 1949) und 1950, S. 2; MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 27. Mai 1949, S. 7; Kruk, S. 169. 181 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, 6. Oktober 1950, S. 13.

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Halbjahr 1952 forderte Götz einen Sitz im Aufsichtsrat der Daimler-Benz AG, der ihm vom Präsidium des Aufsichtsrates jedoch verwehrt wurde. Stattdessen machte Daimler-Benz vom vertraglich vereinbarten Recht einer vorzeitigen Teilkündigung Gebrauch und zahlte bis zum Ende des Jahre 5 Millionen DM an die Girokasse zurück.182 Die Rückzahlung erfolgte, obwohl die von der Hauptversammlung im selben Jahr beschlossene Wandelschuldanleihe über 24 Millionen DM nicht hatte untergebracht werden können, und nahm damit auch eine Beschränkung der Investitionen für 1953 in Kauf, die vollständig aus eigenen Mitteln finanziert werden sollten.183 Das „Problem Girokasse“ bezeichnete Hans Rummel im Dezember 1952 damit als „gelöst“.184 dd) KfW-Darlehen 1950 In der ersten Hälfte des Jahres 1950 beantragte Daimler-Benz beim Bundeswirtschaftsministerium einen Kredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau.185 Der Antrag wurde innerhalb weniger Monate mit einem Betrag von 8 Millionen DM genehmigt. Das Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau hatte eine Laufzeit von 10 Jahren und war während der ersten 3 Jahre tilgungsfrei. Als Sicherheit diente eine Eigentümergrundschuld auf das Werk Untertürkheim.186 ee) Wandelschuldverschreibung 1952 Bereits wenige Monate später genehmigte die eigens für diesen Zweck einberufene außerordentliche Hauptversammlung am 9. April 1952, eine Wandelanleihe über 24 Millionen DM zu begeben oder eine bedingte Kapitalerhöhung in derselben Höhe vorzunehmen.187 Die Platzierung der Anleihe scheiterte allerdings an der geringen Aufnahmefähigkeit des deutschen Kapitalmarktes. Der neue Vorstandsvorsitzende Fritz Könecke nahm dies zum Anlass, um Anfang April 1953 in der Fachzeitschrift „Der Volkswirt“ öffentlich darauf hinzuweisen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie aufgrund der geringen Kapitalausstattung 182 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Samstag, 12. Juli 1952, S. 2; MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, 12. Dezember 1952, S. 2; S. 10. 183 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Samstag, 12. Juli 1952, S. 4. 184 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, 12. Dezember 1952, S. 10. 185 MB CA: Notiz für Herrn Direktor Rummel Betr.: Aufsichtsratssitzung 15. Juli 1950, S. 16. 186 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1948/49 und 1950, S. 15. 187 MB CA: Aufzeichnungen über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft, 15. 02. 1957, S. 2.

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und der „nahezu unmöglich gewordene[n] eigenen Kapitalbeschaffung“ auf den Auslandsmärkten ernsthaft gefährdet sei.188 Könecke räumte ein, dass sich die Situation am Geldmarkt zwar entspannt habe, wies aber auf die weiterhin angespannte Situation am Kapitalmarkt hin: „Dagegen fehlt nach wie vor die Möglichkeit der Aufnahme langfristiger Mittel.“189

Könecke kritisierte die steuerliche Bevorzugung öffentlicher Anleihen, die bislang Kapitalerhöhungen sowie die Platzierung von Obligationen und Wandelanleihen der Industrie stark eingeschränkt hatte, und forderte eine ähnliche Begünstigung industrieller Wertpapiere. In fiskalpolitischer Hinsicht forderte er weitgehende Steuersenkungen, um den Unternehmen die Bildung von Eigenkapital zu ermöglichen und durch hohe Erträge ausländische Investitionen attraktiver zu machen. Die Kraftfahrzeugsteuer habe nicht nur den Betrieb eines Kraftfahrzeuges verteuert, sondern zusammen mit der restriktiven steuerpolitischen Linie des Bundes die Kaufkraft derart beschränkt, dass die Industrie von empfindlichen Umsatzrückgängen betroffen sei, die wiederum in einem erhöhten Fremdkapitalbedarf ihren Niederschlag fänden. Um Auslandskredite zu fördern, rief Könecke die Bundesregierung zur Lockerung der Devisenbewirtschaftung auf. Könecke drohte, sehr wahrscheinlich mit Blick auf den Wahlkampf zur Bundestagswahl im September desselben Jahres, die Verringerung der Beschäftigtenzahl an, sollte die Bundesregierung nicht auf die Forderungen der Industrie eingehen.190 Der Vorstand forderte wiederholt die Wiederherstellung eines funktionsfähigen Kapitalmarktes und eine Steuerreform zur Schaffung von Eigenkapital.191 Die Kritik des Vorstands war in der Tat nicht unbegründet, wie der abnehmende Eigenkapitalanteil aller drei untersuchten Unternehmen zeigt. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass 1954 die Abschreibungsquote der Daimler-Benz AG bei 102 Prozent lag. Die Forderung nach einer vollständigen Konkurrenz auf dem Finanzmarkt übersah zudem die enormen sozialen Kosten, zu welchen eine Liberalisierung des Kapitalmarkts sehr wahrscheinlich geführt hätte. Zudem liegen keine Hinweise dafür vor, dass die gescheiterte Emission der Anleihe von 1952 die Entwicklung des Mercedes Benz 180 verzögert hätte und somit die Absatzschwierigkeiten der Jahre 1952/1953 erklärte.

ff) Teilschuldverschreibung 1954 Der Vorstand und der Aufsichtsrat bewerteten die Voraussetzungen am Finanzmarkt Ende 1953 – nur wenige Monate nach Könecke’s Beitrag in Der Volkswirt – als 188 Könecke, Fritz: Kapital- und Finanzierungsprobleme, in: Der Volkswirt. Beilage zu Nr. 12 (1953, 12), S. 9. 189 Könecke, Kapital- und Finanzierungsprobleme, S. 10. 190 Könecke, Kapital- und Finanzierungsprobleme, S. 10; siehe auch: WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1952, S. 6. 191 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG, S. 10; sp: Daimler-Benz mit hoher Produktivität, S. 35.

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deutlich besser als im Vorjahr, sodass Daimler-Benz im Januar 1954 eine Teilschuldverschreibung in Höhe von 30 Millionen DM platzierte. Die Verzinsung betrug 7,5 Prozent und der Ausgabekurs lag bei 99,5 Prozent. Besichert war die Teilschuldverschreibung mit Grundschulden auf das Werk Sindelfingen. Die Gesamtverzinsung betrug somit 8 Prozent. Dies ist insofern erwähnenswert, als sich Alfred Rosewick von der Deutschen Bank an diesem Zinssatz bei der der Bemessung der Dividende für das Geschäftsjahr 1953 orientierte. Seiner Argumentation, dass die Aktionäre nicht schlechter gestellt werden dürften als die Inhaber der Teilschuldverschreibung, folgte der Aufsichtsrat.192 Gleichzeitig mit dem Verkaufsangebot erging an die Inhaber der vierprozentigen Teilschuldverschreibung von 1942 ein Angebot zum Umtausch in die neue Teilschuldverschreibung. Die verbliebenen nicht umgetauschten Coupons in Höhe von 1,1 Millionen DM wurden zur Rückzahlung am 1. Oktober 1954 vollständig gekündigt. Dadurch konnte die für die Teilschuldverschreibung 1942 eingetragene Belastung auf das Werk Gaggenau freigemacht werden und es wurden die Zinsen sowie die Kosten für nachzuholende und laufende Auslosungen eingespart.193

d) Eigenkapitalmaßnahmen aa) Kapitalerhöhung 1959 Der ersten Kapitalerhöhung nach der Währungsreform ging ein fast zehnjähriger Entscheidungsfindungsprozess mit teils widerstreitenden Interessen voraus, der im Folgenden nachgezeichnet werden soll. Vorstand und Aufsichtsrat waren schon in demselben Jahr, in dem die DM-Eröffnungsbilanz verabschiedet wurde, der Auffassung, dass das Eigenkapital von 72 Millionen DM nicht ausreichend sei und dass es schon 1952 der Fall sein könnte, den einen oder andern mittel- oder langfristigen Kredit in Eigenkapital umzuwandeln. Hugo Zinsser von der Rhein-Main Bank teilte seinen Aufsichtsratskollegen im Dezember 1951 mit, dass es im kommenden Jahr viele Kapitalerhöhungen geben werde und dass die ersten gut gehen würden, ein Fehlschlag jedoch für alle gefährlich werden könnte. Daraufhin urteilte Hans Rummel von der Süddeutschen Bank für Daimler-Benz, dass man „sehr scharf“ aufpassen müsse, wie die ersten drei Versuche ausgehen. Vor diesem Hintergrund fällten Vorstand und Aufsichtsrat die Entscheidung für das Geschäftsjahr 1950, eine Dividende von 3 Prozent auf die Vorzugsaktien und 5 Prozent auf das Stammkapital zu zahlen, um die Aktie der Daimler-Benz AG 192

MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 14. Mai 1954, S. 3; WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht DaimlerBenz AG 1953, S. 12. 193 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 14. Mai 1954, S. 3; WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht DaimlerBenz Aktiengesellschaft 1954, S. 25.

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mit Blick auf zukünftige Kapitalerhöhungen wenigstens durch eine kleine Dividende für potenzielle neue Aktionäre interessant zu halten.194 Mit demselben Argument erhöhten Rummel und Könecke die Dividende in den kommenden Jahren auf 8 Prozent. Könecke vertrat den Standpunkt, dass Aktienkapital müsse dringend erhöht werden.195 Er – und das Präsidium des Aufsichtsrates – änderten jedoch spätestens Ende 1954 ihre Ansicht. Unter Berücksichtigung der zu erwartenden finanziellen Entwicklung der Jahre 1954 bis 1956 bräuchte das Unternehmen nun nicht mehr an den Kapitalmarkt herantreten, um die Dividende von 8 Prozent, das Umlaufvermögen und die Investitionen zu finanzieren.196 Die gute Ertragslage der Jahre 1954 und 1955 bestätigte diese Einschätzung. Trotzdem legten die Präsidiumsmitglieder das Projekt Kapitalerhöhung nicht ad acta. Vielmehr stimmten sie Anfang 1955 darin überein, dass Daimler-Benz nun ohne Übereilung und unter Beobachtung der weiteren konjunkturellen Entwicklung zu einem Zeitpunkt an den Kapitalmarkt herantreten solle, zu dem die für das Unternehmen günstigsten Bedingungen vorliegen. Für diesen Fall wurde im Präsidium auch schon über die mögliche Höhe einer Kapitalerhöhung gesprochen. Dabei wurden Beträge in einer Größenordnung zwischen 28 und 36 Millionen DM genannt.197 Dementsprechend waren Rummel und Könecke 1955 bereit, für das vorangegangene Geschäftsjahr eine Dividende von 9 Prozent zu zahlen. Diese Dividendenpolitik stieß jedoch nicht auf das Einverständnis der im Aufsichtsrat vertretenen Arbeitnehmerseite. Aufsichtsratsmitglied Brümmer bemerkte, dass eine konstante Dividende in Höhe von 8 Prozent den Vorteil habe, dass man sie auch in konjunkturell schwierigeren Zeiten leichter zahlen könne. Auch würde bei der Belegschaft das Gefühl entstehen, dass der Wertzuwachs vor allem dem Aktionär zukomme. Dem hielten Rummel und Könecke entgegen, dass die freiwilligen sozialen Leistungen der Daimler-Benz AG gegenüber ihren Beschäftigten 1954 um 10 Millionen DM über dem Vorjahreswert lägen (+ 59 Prozent). Eine Erhöhung der Dividende auf 9 Prozent ergebe sich des Weiteren „aus der Notwendigkeit, sich am Kapitalmarkt schon jetzt eine geeignete Basis für eine später erforderlich werdende Kapitalerhöhung zu schaffen“.198 Die Arbeitnehmervertreter stimmten unter Aufrechterhal194 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, 17. Dezember 1951, S. 5; Kr., Die deutsche Kraftfahrzeugindustrie, S. 54. 195 MB CA: Bericht über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens in 1953 unter besonderer Berücksichtigung des IV. Quartals 1953, erstattet in der Aufsichtsratssitzung vom 14. Dez. 1953, S. 7. 196 MB CA: Niederschrift über die Präsidialausschußsitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft in Sindelfingen am Samstag, 6. November 1954, S. 2; Fritz Könecke auf einer Pressekonferenz 1954, zit. n.: L. K.: Daimler-Benz rückt vor im Export, S. 28; sp: Daimler-Benz AG mit Rekordergebnissen, in: Der Volkswirt 9 (1955, 28) S. 32. 197 MB CA: Niederschrift über die Präsidialausschußsitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz A. G., 6. 2. 1954, S. 2. 198 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, dem 3. Juni 1955, S. 2.

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tung ihrer Bedenken der Erhöhung der Dividende auf 9 Prozent schließlich im Sinne einer einstimmigen Beschlussfassung zu.199 Dass die Erhöhung des Grundkapitals durch Emission neuer Aktien bis 1955 am Widerstand einzelner Großaktionäre scheiterte, muss vor diesem Hintergrund als unwahrscheinlich gelten. Mit Blick auf die gescheiterte Wandelanleihe von 1952 muss es als viel wahrscheinlicher angesehen werden, dass eine Kapitalerhöhung eher an der begrenzten Aufnahmefähigkeit des westdeutschen Kapitalmarktes scheiterte und Daimler-Benz im Vergleich zu BMW wesentlich geringere Schwierigkeiten hatte, anstehende Investitionen durch den operativen Cahsflow und langfristiges Fremdkapital zu finanzieren.200 Hans Rummel teilte dem Aufsichtsrat der Daimler-Benz AG am 3. Juni 1955 mit, dass er sein Amt als Vorsitzender des Aufsichtsrates aus Altersgründen am Tage der Hauptversammlung am 18. Juli 1955 niederlegen werde. Die Deutsche Bank werde an seiner Stelle Herrn Bankdirektor Hermann J. Abs entsenden.201 Die Tatsache, dass es über eine derart wichtige Personalie im Aufsichtsrat keine Diskussion gab, sondern stattdessen Rummel sein Ausscheiden sowie den Namen seines Nachfolgers mit einem zeitlichen Vorlauf von knapp 2 Monaten dem Gremium lediglich zur Kenntnis gab, unterstreicht das Machtpotenzial, welches die Deutsche Bank zu diesem Zeitpunkt bei der Daimler-Benz AG immer noch ausübte, obwohl sie kein zusätzliches langfristiges Kapital bereitstellen konnte. Doch dies war nicht die einzige Personalie, die Rummel mitzuteilen hatte. Die Hauptversammlung sollte auch die Wahl zweier zusätzlicher Aufsichtsratsmitglieder beschließen. Dabei handelte es sich um einen der beiden Söhne von Günther Quandt sowie um Friedrich Flick.202 Die Brüder Herbert und Harald Quandt begannen 1954 Aktien der Daimler-Benz AG zu kaufen und besaßen Ende 1955 schätzungsweise 9 Prozent des Grundkapitals.203 Herbert Quandt hatte bereits 1952 gegenüber dem Aufsichtsrat der Daimler-Benz AG sein Interesse geäußert, in das Gremium gewählt zu werden. Dieser Wunsch wurde 1952 jedoch ausgeschlagen mit der offiziellen Begründung, man wolle die Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern auf acht begrenzen. Diese Begründung ist allerdings fragwürdig, denn in derselben Aufsichtsratssitzung, in der beschlossen wurde, Quandt nicht in der Hauptversammlung zur Wahl zu stellen, wurde beschlossen, das Aufsichtsratsmitglied Alfons Wagner gegen Otto 199

MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, dem 3. Juni 1955, S. 2. 200 Dagegen behauptet Feldenkirchen, dass es zwischen 1948 und 1975 kaum Kapitalerhöhungen gab, weil diese am Widerstand der Großaktionäre gescheitert wären. Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 236. 201 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, dem 3. Juni 1955, S. 3. 202 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, dem 3. Juni 1955, S. 3. 203 Kruk, S. 194.

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IV. Daimler-Benz AG

Fahr auszutauschen.204 Hätte man Quandt also wirklich im Aufsichtsrat haben wollen, dann hätte man ihn also auch für Wagner in das Gremium ziehen lassen können, denn Wagner war schließlich kein Bankenvertreter, sondern Metallurge und Honorarprofessor an der TU München. Friedrich Flick begann 1952, Aktien der Daimler-Benz AG zu erwerben. Seit 1954 beauftragte er einen Privatbankier, um von Hausbanken der Daimler-Benz AG unbemerkt eine Sperrminorität von mindestens 25 Prozent des Grundkapitals zu erwerben. Dies Ziel hatte er Anfang 1955 zwar erreicht, dürfte aber durch seine verdeckten Aktienkäufe wohl kaum die Sympathien der im Aufsichtsrat vertretenen Hausbanken, insbesondere der Deutschen Bank, die ja ebenfalls Großaktionär des Unternehmens war, gewonnen haben.205 Die Hauptversammlung vom 18. Juli 1955 wählte die beiden neuen Großaktionäre Friedrich Flick und Herbert Quandt schließlich in den Aufsichtsrat der DaimlerBenz AG. Während Hermann J. Abs und Karl Blessing gegenüber Friedrich Flick zugestanden, dass Flick an allen Sitzungen des Präsidiums als Gast teilnehmen dürfe,206 blieb Quandt vorerst einfaches Mitglied des Aufsichtsrates. Doch sowohl Flick als auch Quandt kauften 1956 weiter Aktien hinzu, sodass die Flick-Gruppe schließlich 40 Prozent und die Quandt-Gruppe 15 Prozent des Grundkapitals hielten. Während Flick versuchte, die Stimmenmehrheit auf der Hauptversammlung zu erreichen, beabsichtigte Quandt wohl eher, durch eine 25-prozentige Beteiligung von der Doppelbesteuerung des Vermögens und der Gewinne befreit zu werden.207 Dabei kam es teilweise sogar zu einer Kooperation zwischen Flick und Quandt. Hermann Krages beabsichtigte 1956, seine Daimler-Benz-Aktien in Höhe von 8 Prozent des Grundkapitals zu verkaufen, und wollte den Preis dafür in die Höhe treiben, indem er Flick und Quandt gegeneinander auszuspielen versuchte. Daraufhin sprachen sich Flick und Quandt dahingehend ab, dass Flick gegenüber Krages seine Ambitionen aufgab, die Aktien zu erwerben, Quandt die Aktien zu einem deutlich niedrigeren Preis von Krages kaufte, als der ursprünglich gefordert hatte, und Quandt schließlich einen Teil der Aktien an Flick abgab. Als Ende der fünfziger Jahre der Kurs der Daimler-Benz-Aktie infolge der kleinen Aktienrechtsreform dramatisch anstieg, stellten Flick und Quandt ihre Aktienkäufe weitgehend ein und gaben sich damit zufrieden, durch einem gemeinsamen Anteil von über fünfzig Prozent des Aktienkapitals die Mehrheit auf der Hauptversammlung zu stellen.208 204 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Samstag, 12. Juli 1952, S. 3. 205 Kruk, S. 194; sp: Daimler-Benz AG mit Rekordergebnissen, S. 32. 206 MB CA: Protokoll über die Präsidialausschußsitzung des Aufsichtsrats der DaimlerBenz A. G., 25. 6. 1955, S. 1. 207 Damm, Veit: Friedrich Flick, in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e. V., bearb. von Martina Schattkowsky, http://www.isgv.de/saebi/, 2016 – 07 – 07; Kruk, S. 197. 208 Kruk, S. 196.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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Angesichts der Aktienzukäufe durch Flick und Quandt blieb Abs im Juni 1956 kaum eine andere Möglichkeit, als dem Wunsch der beiden Aktionäre zu entsprechen, weitere Vertreter in den Aufsichtsrat entsenden zu dürfen.209 Die Hauptversammlung am 25. Juni 1956 bestellte daraufhin als zusätzliche Aufsichtsratsmitglieder Flicks Sohn Otto Ernst Flick und Harald Quandt, den Bruder von Herbert Quandt. Des Weiteren wurden Friedrich Flick und Herbert Quandt als stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrates gewählt.210 Damit bestand das Präsidium des Aufsichtsrates als das tonangebende Führungsgremium des Unternehmens nunmehr aus Hermann J. Abs, Friedrich Flick und Herbert Quandt.211 Es konnten keine Hinweise darauf gefunden werden, ob Abs diese Schwächung seiner Machtposition durch Zukäufe von Daimler-Benz-Aktien durch die Deutsche Bank zu verhindern versuchte. Die ursprüngliche Forderung von Friedrich Flick Senior, nicht nur zwei, sondern drei Vertreter der Flick-Gruppe in den Aufsichtsrat zu entsenden, konnte Abs jedenfalls verzögern, indem er Flick in Aussicht stellte, im folgenden Jahr einen dritten Vertreter für ein dann ausscheidendes Mitglied zu entsenden.212 Dies war dann allerdings erst 1958 der Fall, als Konrad Kaletsch für den zum Bundesbankpräsidenten ernannten Karl Blessing in den Aufsichtsrat einzog.213 Die veränderten Eigentumsverhältnisse und die Machtverschiebung im Aufsichtsrat führten für das Geschäftsjahr 1955 und 1956 noch zu keinem signifikanten Kurswechsel in der Kapitalmarktpolitik. Der Aufsichtsrat beschloss für das Jahr 1955, die Dividende von 9 Prozent auf 10 Prozent und für 1956 auf 11 Prozent zu erhöhen und den verbleibenden Gewinn in die allgemeine Rücklage zu stellen. Dabei gilt es anzumerken, dass sowohl Abs, Flick und auch Quandt die Dividende lieber bei 10 Prozent gelassen hätten und die Erhöhung auf 11 Prozent nur auf Druck der Kleinaktionäre zustande kam, die sich in mehreren Briefen bei Könecke über die aus ihrer Sicht zu geringe Dividende beschwert hatten.214 Bemerkenswert ist des Weiteren, dass Abs grundsätzlich der Bildung zu hoher stiller Reserven im Vorratsvermögen entgegentrat und für das Geschäftsjahr 1955 im Aufsichtsrat durchsetzte, das Vorratsvermögen um rund 6 Millionen weniger stark abzuwerten und dafür den-

209 MB CA: Niederschrift über die Besprechung der Aufsichtsratsvorsitzer mit dem Vorstandsvorsitzer der Daimler-Benz A. G. am 1. Juni 1956, S. 1. 210 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1956, S. 7. 211 MB CA: Aufzeichnungen über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 15. Februar 1957, S. 1. 212 MB CA: Niederschrift über die Besprechung der Aufsichtsratsvorsitzer mit dem Vorstandsvorsitzer der Daimler-Benz A. G. am 1. Juni 1956, S. 1. 213 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1957, S. 10; Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1958, S. 6; MB CA: Aufzeichnungen über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft, 14. 01. 1958, S. 4. 214 MB CA: Aufzeichnungen über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft, 15. 02. 1957, S. 14.

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IV. Daimler-Benz AG

selben Betrag der allgemeinen Rücklage zuzuführen, um damit die Eigenkapitalquote zu erhöhen.215 Diese Beschlüsse des neu besetzten Aufsichtsrats hinsichtlich der Dividende und der Rücklagen stand durchaus noch in der Tradition von Hans Rummel, der zusammen mit Könecke in Anerkenntnis des geringen Eigenkapitals der Daimler-Benz AG durch eine attraktive Dividendenpolitik die Voraussetzungen für eine Kapitalerhöhung schaffen wollte, sobald sich am Kapitalmarkt dafür eine gute Gelegenheit bieten würde. Das Interesse von Abs könnte darin bestanden haben, durch eine möglichst hohe Bewertung neuer Aktien erstens als Konsortialführer des Emissionsvorhabens möglichst hohe Provisionen zu verdienen und möglicherweise sogar die Vormachtstellung von Flick und Quandt einzudämmen. Denn je höher der Bezugspreis für neue Aktien gewesen wäre, desto wahrscheinlicher wäre es geworden, dass Flick und Quandt ihre Beteiligungsquoten möglicherweise nicht hätten halten können oder wollen und die Deutsche Bank über das Depotstimmrecht die darüber in Streubesitz geratenen Aktien auf der Hauptversammlung hätte vertreten können. Außerdem erhöhte die Zuführung zu den Rücklagen das haftende Kapital, was ebenfalls im Interesse der von Abs vertretenen Hausbank sein musste. Tatsächlich kam es 1957 innerhalb des Präsidiums zu einer grundsätzlichen Meinungsverschiedenheit zwischen Abs auf der einen und Flick und Quandt auf der anderen Seite. Flick und Quandt hatten gegen den Willen von Abs das Präsidium zunächst den Beschluss fassen lassen, durch die Hauptversammlung des Jahres 1957 die Beschlüsse der außerordentlichen Hauptversammlung vom 9. April 1952 aufheben zu lassen, mit denen die damalige Hauptversammlung genehmigt hatte, entweder eine Wandelanleihe in Höhe von 24 Millionen DM zu begeben oder eine bedingte Kapitalerhöhung in derselben Höhe durchzuführen. Interessant ist, dass in dem Protokoll der Präsdialausschusssitzung, in der dieser Beschluss gefasst wurde, ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass dieser Beschluss gefasst wurde, obwohl keine Gefahr bestünde, dass Könecke mangels einer rechtlichen Legitimation eine Kapitalerhöhung anmelden könnte und dass dies auch der zuständige Richter beim Handelsregister bestätigt hätte.216 Auf Initiative von Könecke und Abs wurde die von Flick und Quandt geforderte Beschlussfassung aber dann schließlich doch nicht der Hauptversammlung vorgelegt.217 Es liegt nahe zu vermuten, dass Flick und Quandt keine neuen Aktionäre einbeziehen wollten, um ihre gemeinsame Mehrheit des

215 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 1. Juni 1956, S. 2 f.; MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Donnerstag, dem 13. Juni 1957, S. 2; sp: Daimler-Benz mit hoher Produktivität, S. 35. 216 MB CA: Aufzeichnungen über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft, 15. 02. 1957, S. 2. 217 MB CA: Aufzeichnungen über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft, 22. 05. 1957, S. 1; WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1956, S. 6.

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stimmberechtigen Kapitals nicht aufs Spiel zu setzen, während dies Abs’ relative Machtposition eher aufgewertet hätte. Schützenhilfe für eine kapitalmarktorientierte Politik bekam Könecke 1958 von der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Diese kritisierte während der Hauptversammlung des Jahres 1958 die geringe Gewinnausschüttung. Sie wies auf die in den Gewinn- und Verlustrechnungen veröffentlichte Steuerlast hin und schätzte die Bildung stiller Reserven seit der Währungsreform auf 400 Millionen DM. Im folgenden Jahr stieg die Dividende für das Geschäftsjahr 1958 dann auf 18 Prozent an. Dafür, dass die einmalige Dividendenerhöhung auf die punktuelle Interessendurchsetzung der Kleinaktionäre zurückzuführen ist, spricht, dass das Präsidium den Beschluss zur Dividendenerhöhung im Kontext einer mit der Schutzvereinigung stattfindenden Besprechung zur „Erzielung einer konstruktiven Opposition auf der Hauptversammlung“ beschloss. Des Weiteren unterstrich das Präsidium den einmaligen Charakter der Dividendenerhöhung mit Hinweis auf die gute Geschäftsentwicklung des Jahres 1958 und damit, dass 3 Prozentpunkte der Dividende als Bonus für die Weiterreichung der gesenkten verminderten Körperschaftssteuer gezahlt wurden. Gleichzeitig sollten die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat mit freiwilligen Sozialleistungen in derselben Höhe wie die Bonus-Dividende zur Zustimmung zur Erhöhung der Dividende bewegt werden – was auch gelang.218 Nach diesem einmaligen „Schluck aus der Pulle“ konnte das Präsidium für 1959 die Dividende wieder auf das Niveau von 1957 in Höhe von 12 Prozent reduzieren. Ihren Widerstand gegen eine Kapitalerhöhung gaben Flick und Quandt erst nach der kleinen Aktienrechtsreform vom Dezember 1959 auf, die es Aktiengesellschaften ermöglichte, ihr Aktienkapital durch Umwandlung offener Rücklagen in Stammkapital steuerfrei zu erhöhen (siehe Kapitel II. 3. c)). Nach Abstimmung mit Abs, Flick und Quandt schlug der Vorstand dem Aufsichtsrat am 15. 06. 1960 vor, das Stammkapital des Unternehmens rückwirkend zum 01. Januar 1959 von 72 Millionen DM auf 180 Millionen DM durch Ausgabe von Zusatzsaktien zu erhöhen. Dabei sollten 23 Millionen DM aus dem Jahresergebnis und 85 Millionen DM aus offenen Reserven kommen (denen zuvor 52 Millionen DM aus der Auflösung stiller Reserven zugeführt wurden). Der Aufsichtsrat nahm den Vorschlag gegen die Stimmen aller Arbeitnehmervertreter mehrheitlich an. Die Arbeitnehmervertreter argumentierten, dass mit einer solchen Maßnahme nur einseitig das Interesse der Aktionäre wahrgenommen würde, nicht aber das der Arbeitnehmer, die ja schließlich auch ihren Beitrag zum Erfolg des Unternehmens geleistet hätten, und äußerten den Wunsch der Belegschaft, ein Äquivalent für die Kapitalerhöhung zu erhalten. Dem hielt Abs entgegen, dass die Kapitalerhöhung angesichts der Größe des Unternehmens notwendig sei und dass das gegenwärtige Stammkapital an der unteren Grenze 218

MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates mit dem Vorstand der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Dienstag, dem 30. Juni 1959, S. 1 f.; Feldenkirchen, Vom Guten das Beste, S. 240 f.; Stegert: Die Kapitalausstattung und Ertragslage der deutschen Autoindustrie, in: Das Wertpapier 7 (1958), S. 418 – 427; dagegen: hs: Kapitalausstattung und Ertragslage der Autoindustrie, S. 300.

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IV. Daimler-Benz AG

vergleichbarer deutscher Automobilfirmen liege. Außerdem könne nicht davon gesprochen werden, dass den Aktionären besondere Vorteile durch die kleine Aktienrechtsreform zuwüchsen, da es sich bei der Umwandlung von Gewinnen und Reserven in Aktienkapital nur um eine Verlagerung bestehender Werte handele, die den Aktionären ohnehin schon gehörten. Vielmehr müsse die Kapitalerhöhung aus eigenen Mitteln im Interesse der Belegschaft sein, die 108 Millionen DM fester im Unternehmen binde, als es bisher der Fall gewesen sei. Fritz Könecke ergänzte die Argumentation von Abs, indem er darauf hinwies, dass die Kapitalerhöhung ausschließlich aus offenen Rücklagen erfolge, deren Bildung der gesamte Aufsichtsrat, also auch die Arbeitnehmervertreter, in den vergangenen Geschäftsjahren ausdrücklich zugestimmt hätte. Des Weiteren würde den Aktionären über die Dividende weitaus weniger zufließen als den Mitarbeitern. Der Argumentation von Abs und Könecke wollten sich die Arbeitnehmervertreter jedoch nicht anschließen und betonten, dass die Kapitalerhöhung nicht nur aus juristischer Perspektive betrachtet werden dürfe. Aufgrund der Stimmenmehrheit der Deutschen Bank, von Friedrich Flick und Herbert Quandt war der Beschluss der Hauptversammlung für die Kapitalerhöhung am 27. Juli 1960 gegen die Haltung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat jedoch nur noch eine reine Formalität.219 bb) Kapitalerhöhung 1961 Bereits ein Jahr nach der Hauptversammlung vom 27. Juli 1960 befasste sich das Präsidium im Mai 1961 auf Initiative des Vorstands erneut mit einer Kapitalerhöhung. Abs wollte sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht festlegen, sondern erst die Verabschiedung des Steueränderungsgesetzes 1961 abwarten. Als dies wenig später verabschiedet wurde und keine wesentlichen Veränderungen für die Besteuerung des Nettovermögens von Aktiengesellschaften vorsah, teilte der Vorstand dem Aufsichtsrat Ende Juni 1961 mit, einen Antrag zur Erhöhung des Stammkapitals von 180 Millionen DM auf 270 Millionen DM zu stellen. Finanziert werden sollte die Kapitalerhöhung wie schon im Vorjahr durch Zusatzaktien. Auch bei dieser Kapitalerhöhung kam es wie im Vorjahr zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertretern der Aktionäre und der Arbeitnehmer. Da diese entlang ähnlicher Argumente und mit demselben Ergebnis verlief, wird an dieser Stelle auf eine nähere Schilderung des Verlaufs der Diskussion verzichtet. Im Ergebnis nahm die Hauptversammlung vom 28. Juli 1961 den Vorschlag zur Kapitalerhöhung an. Durch die Kapitalerhöhungen der Jahre 1960 und 1961 verbesserten sich zwar das Verhältnis von Aktienkapital zum Gesamtkapital und der Schutz der Gläubiger der Daimler-Benz AG. Beide Kapitalerhöhungen führten jedoch nicht zu einem zahlungswirksamen Zufluss neuen Kapitals, das für die Finanzierung von Investitionen 219 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der der Daimler-Benz-Aktiengesellschaft am Donnerstag, dem 2. Juni 1960, S. 7; MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Mittwoch, dem 15. Juni 1960, S. 3 f.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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bereitgestanden hätte. Dies erfolgte erst bei der darauffolgenden Kapitalerhöhung im Jahr 1963. cc) Kapitalerhöhung 1963 Präsidium und Vorstand der Daimler-Benz AG waren sich im Juni 1963 über Zweck, Höhe, Art der Durchführung und Zeitpunkt der in diesem Jahr geplanten Kapitalerhöhung einig. Die Kapitalerhöhung sollte dem Unternehmen sowohl ausreichend neues Kapital zuführen, um die geplanten erheblichen Investitionen zu finanzieren, als auch durch ein besseres Verhältnis zwischen Aktienkapital und Gesamtkapital die Beschaffung von Krediten zur Finanzierung des weiteren Wachstums erleichtern. Dazu sollte die Kapitalerhöhung zu einem Teil aus bereits vorhandenen Reserven und zu einem anderen Teil aus der Ausgabe neuer Aktien finanziert werden. Präsidium und Vorstand sahen es als positiven Nebeneffekt an, dass durch die Ausgabe echter neuer Aktien der Argumentation der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat gegen eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln der Wind aus den Segeln genommen werden könne. Im Rahmen der Vorbereitung auf die Kapitalerhöhung beauftragte die Unternehmensleitung die Deutsche Treuhandgesellschaft mit der Erstellung eines Gutachtens, aus dem hervorging, dass die Dividende der Daimler-Benz AG zu niedrig sei. Damit rüsteten sich Präsidium und Vorstand mit Argumenten für eine Erhöhung der Dividende. Das Jahr 1963 wurde nicht zuletzt deswegen als günstiger Zeitpunkt für eine Kapitalerhöhung angesehen, weil der Vorstand davon ausging, dass, wenn eine Kapitalerhöhung erst im Sommer 1964 erfolgen würde und dies zeitlich mit den anstehenden Tarifverhandlungen zusammenfallen würde, die erwartete Ablehnung der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durch die Arbeitnehmervertreter die Tarifverhandlungen negativ belasten könnte.220 Nachdem sich Vorstand und Präsidium über die grundsätzliche Vorgehensweise abgestimmt hatten, unterbreitete der Vorstand dem Aufsichtsrat am 20. Juni 1963 den folgenden Vorschlag: Das Aktienkapital der Daimler-Benz AG sollte um 135 Millionen DM auf 406 Millionen DM erhöht werden. Davon sollten 68 Millionen DM durch Umwandlung der Allgemeinen Reserve in Zusatzaktien finanziert werden und der restliche Betrag durch Ausgabe neuer Aktien unter Bezugsrecht der Altaktionäre zu einem Kurs von 100 Prozent. Die Berichtigungsaktien sollten ab 1. 1. 1962 voll dividendenberechtigt sein und die neuen Aktien ab 1963 zu einem Drittel dividendenberechtigt sein.221 Das Bezugsrecht der Altaktionäre zu einem Kurs von 100 Prozent – der Börsenkurs lag Ende 1963 bei 890 Prozent – dürfte wohl auf das

220

MB CA: Protokoll über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Donnerstag, den 6. Juni 1963, S. 1 – 4. 221 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Donnerstag, den 20. Juni 1963, S. 14 f.

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IV. Daimler-Benz AG

Interesse der Präsidiumsmitglieder Abs, Flick und Quandt zurückzuführen sein, den durch sie vertretenen Anteil an stimmberechtigen Aktien nicht verwässern zu wollen. Erneut lehnten alle Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ab, diesmal jedoch mit einer anderen Argumentation. Das Mitglied des Aufsichtsrats Karl Hauff führte aus, dass die Belegschaft keinerlei Einwände haben gegen eine Kapitalerhöhung und sogar großes Verständnis dafür aufbringe, das Aktienkapital in ein vorteilhaftes Verhältnis zum Gesamtkapital zu bringen. Lediglich mit der Art der Durchführung der Kapitalerhöhung sei er nicht einverstanden. Angesicht der Leistung und des guten Rufs der Firma wäre es seiner Ansicht nach für Daimler-Benz vorteilhafter, wenn die Kapitalerhöhung vollständig dadurch finanziert würde, wenn die neuen Aktien der Öffentlichkeit zum Kauf angeboten würden. Tatsächlich hätte Daimler-Benz bei einer Emission von nominal 135 Millionen DM zum Jahresschlusskurs 1963 von 890 Prozent deutlich mehr liquide Mittel vereinnahmen können. Abs hielt der Argumentation Hauffs entgegen, dass es für kein Unternehmen bei der Kapitalbeschaffung eine Patentlösung gebe. Der Vorschlag des Vorstands sei besser geeignet, das Unternehmen auch bei nachlassender Konjunktur stark zu halten. Demgegenüber vertrat das von den Arbeitnehmern entsendete Mitglied des Aufsichtsrats Ludwig Becker die Ansicht, dass es sich bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln wie auch schon in den Vorjahren um eine „echte und typische einseitige Vermögensanreicherung der Aktionäre aus Mitteln [handele], die von allen erarbeitet worden sind.“ Eine Zustimmung könne nur erfolgen, wenn bei den Arbeitnehmern ein Ausgleich für die sogenannten „Gratis-Aktien“ erfolge. Dem hielt Abs entgegen, dass sich der Substanzwert des Unternehmens durch eine Kapitalerhöhung aus eigenen Mittel nicht ändere, die Börse würde Daimler-Benz immer mit etwa 3,7 Milliarden DM bewerten. Aus Sicht des Aktionärs ändere sich lediglich die Dividendenbasis.222 Gegen die ablehnende Haltung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nahm die Hauptversammlung am 29. Juli 1963 den Vorschlag des Vorstands schließlich an.223 dd) Kapitalerhöhung 1965 Nur rund 9 Monate später nahm Herbert Quandt die gute Geschäftsentwicklung des Jahres 1964 zum Anlass, um eine Erhöhung der Dividende und eine erneute Kapitalerhöhung gegenüber seinen Kollegen im Präsidium des Aufsichtsrats, Hermann Josef Abs und Friedrich Flick, zur Diskussion zu stellen. Als Begründung nannte Quandt, dass man im laufenden Jahr womöglich die letzte Gelegenheit haben 222 MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Donnerstag, den 20. Juni 1963, S. 15 f. 223 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1963, S. 56.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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würde, eine Kapitalerhöhung durchzuführen, bevor sich die Bedingungen dafür im Wahljahr möglicherweise verschlechtern könnten. Abs hingegen brachte große persönliche Bedenken gegen eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zum Ausdruck. Im Vorjahr sei man durch die Kombination aus echter Kapitalerhöhung und Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln „glimpflich davongekommen“. Die Bundestagswahlen des Jahres 1965 stellten für Abs keinen Grund dar, noch im Jahr 1964 eine Kapitalerhöhung vorzunehmen. Gegen eine echte Kapitalerhöhung im Jahr 1965 zu pari hätte er hingegen keine Bedenken anzumelden. Abs bewertete den Sommer 1965 als Zeitpunkt für eine echte Kapitalerhöhung als vorteilhafter, denn er erwartete, dass im Herbst 1964 erhebliche Lohnforderungen auf die gesamte deutsche Automobilindustrie zukommen würden. Dies wiederum werde eine gewisse Ruhe zur Folge haben, die vom Volkswagenwerk für eine Kapitalerhöhung genutzt werden könnte. Sollte das der Fall sein, könnten sich auch die äußeren Bedingungen für eine Kapitalerhöhung bei Daimler-Benz verbessern. Es müsste dann aber immer noch entschieden werden, ob eine vierte Kapitalerhöhung tatsächlich im Interesse des Unternehmens läge. Hinsichtlich einer Dividendenerhöhung zeigte er sich vom Vorschlag von Quandt überrascht und wies darauf hin, dass nicht übersehen werden dürfe, dass das Kapital aus der vorangegangenen Kapitalerhöhung bereits im laufenden Jahr bedient werde. Allerdings könne er sich vorstellen, dass eine Erhöhung der Dividende von 14 Prozent auf bis zu 16 Prozent nirgends Anstoß erregen und die Tarifverhandlungen nicht belasten würde. Flick war zu diesem Zeitpunkt einer Kapitalerhöhung eher ablehnend gegenüber eingestellt, weil er die Kapitalerhöhung aus dem Vorjahr als noch ausreichend ansah und befürchtete, nach einer weiteren Kapitalerhöhung im Vergleich zum Volkswagenwerk über ein zu hohes Aktienkapital zu verfügen. Auch sah er die konjunkturelle Entwicklung der Automobilindustrie für die kommenden Jahre eher pessimistisch. Einer Erhöhung der Dividende stimmte Flick jedoch zu. Vor diesem Hintergrund fasste das Präsidium den Beschluss, die Dividende auf 16 Prozent zu erhöhen und im laufenden Geschäftsjahr keine Kapitalerhöhung vorzunehmen und sich stattdessen mit dem Thema Kapitalerhöhung erst wieder 1965 zu befassen.224 Schließlich fasste die Hauptversammlung der Daimler-Benz AG am 27. Juli 1965 den Beschluss, das Aktienkapital um 101 Millionen DM auf 507 Millionen DM zu erhöhen. Aus Gesellschaftsmitteln wurden den Altaktionären durch eine Entnahme aus der Allgemeinen Rücklage 51 Millionen DM Berichtigungsaktien zugeteilt. Des Weiteren wurden neue Aktien mit einem Nennwert von 51 Millionen DM unter Wahrung des Bezugsrechts der Altaktionäre im Verhältnis 8:1 zu einem Kurs von 100 Prozent ausgegeben. Gleichzeitig wurde die Dividende auf 18 Prozent erhöht, 224 MB CA: Protokoll über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Donnerstag, den 9. April 1964, S. 7 – 9.

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sodass die Altaktionäre den Bezug neuer Aktien aus der Dividende finanzieren konnten. Die Berichtigungsaktien waren ab dem 1. Januar 1965 voll und die neuen Aktien ab 1. Januar 1965 zu einem Drittel dividendenberechtigt. Konsortialführer für die Emission der neuen Aktien war die Deutsche Bank.225

4. Zwischenfazit Die Währungsreform entwertete einen großen Teil des Daimler-Benz Vermögens, weil in der Reichmarkabschussbilanz 42 Prozent der Bilanzsumme liquide Mittel waren, die im Verhältnis 100:6,5 umgestellt wurden. Doch immerhin war es DaimlerBenz zwischen dem Ende des Krieges und der Währungsreform gelungen, einen Teil der hohen liquiden Mittel in Sachanlagen zu investieren und so einen zügigen Wiederaufbau der Produktionsanlagen zu begünstigen. Dies und der glückliche Umstand, dass die für die Produktion des Mercedes-Benz 170 wichtigen Maschinen von Kriegsschäden, Reparationen und Demontagen weitgehend unbeschadet in die Nachkriegszeit gerettet werden konnten, versetzten Daimler-Benz in die vorteilhafte Ausgangslage, zum Zeitpunkt der Währungsreform bereits diejenigen Produktionsmittel zu besitzen, die erforderlich waren, um operative Gewinne zu erzielen. Des Weiteren konnte das Unternehmen frei über die Produktionsmittel verfügen, da Daimler-Benz nicht unter die Bestimmungen der Vermögenskontrolle fiel. Das Unternehmen war zwar auch von erheblichen Demontagen betroffen, diese waren jedoch weit weniger umfangreich als bei BMW. Weder das Lastenausgleichsgesetz noch die Investitionshilfe belasteten die Finanzierungsstruktur des Unternehmens nachhaltig. Vor diesem Hintergrund bewertete das Unternehmen die zukünftige Ertragslage als vielversprechend und entschied sich daher für eine vergleichsweise hohe Eigenkapitalquote in der DM-Eröffnungsbilanz, um in Folgejahren bestmöglich von steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten profitieren zu können. Die erfolgreiche Modellpolitik im Personenkraftwagen- und Nutzfahrzeuggeschäft und die konjunkturell bedingt hohe Nachfrage in den entsprechenden Marktsegmenten führten dazu, dass Daimler-Benz hohe operative Cashflows erwirtschaftete und die Bilanzsumme anstieg. Angesichts hoher gewinnabhängiger Unternehmenssteuern nutzte Daimler-Benz die gesetzlichen Möglichkeiten zur steuerlich wirksamen Gewinnreduzierung aus, sodass die handelsrechtliche Umsatzrendite bis zum Ende der fünfziger Jahre relativ niedrig blieb und das Unternehmen erhebliche stille Reserven bildete. Dies hatte ein schrittweises Abschmelzen der Eigenkapitalquote zur Folge. Die tatsächliche Finanzierungsstruktur des Unternehmens war daher weitaus solider, als die aus der handelsrechtlichen Bilanz abzulesende Eigenkapitalquote nahelegt. Kapitalerhöhungen scheiterten zunächst an der geringen Aufnahmefähigkeit des deutschen Kapitalmarkts und später an dem 225 WWA G7 – 321/2: Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1964, S. 66; Geschäftsbericht Daimler-Benz AG 1965, S. 45; Wendt, Auch Daimler-Benz läßt noch nicht alle Schleier fallen.

4. Zwischenfazit

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Widerstand der Großaktionäre Flick und Quandt, die sich im Aufsichtsrat gegen die Deutsche Bank durchsetzten. Erst die kleine Aktienrechtsreform des Jahres 1959 schuf die Voraussetzungen dafür, dass Quandt und Flick sukzessiven Kapitalerhöhungen zustimmten, sodass die Eigenkapitalquote bis 1965 wieder schrittweise anstieg. Das Gesetzesvorhaben hatte es den Unternehmen überlassen, wie und in welchem Umfang der von Kapital und Arbeit gemeinsam erwirtschaftete Wohlstand verteilt werden sollte. Im Falle von Daimler-Benz fiel die Entscheidung schließlich im Sinne der Großaktionäre und der Großbanken. Von der Wiederbewaffnung Deutschlands profitierte Daimler-Benz in Form von Rüstungsauftragen der Bundeswehr im Nutzfahrzeuggeschäft. Die damit generierten Erträge stützten die operativen Gewinne, als die private Nachfrage in diesem Segment zurückging. Obwohl der Bundesverteidigungsminister die Aufträge der Bundeswehr als Druckmittel nutzte, um Daimler-Benz zu einem stärkeren Engagement in der Luftrüstung zu drängen, gelang es dem Unternehmen, dem Drängen des Ministeriums zu widerstehen, ohne die Bundeswehraufträge im Nutzfahrzeugbereich zu verlieren.

V. Volkswagenwerk AG 1. Entwicklung des Unternehmens bis zur Währungsreform a) Entstehung der Volkswagenwerk GmbH Erste Ideen hinsichtlich eines Kraftwagens, der für große Teile der Bevölkerung erschwinglich sein sollte, gab es in Deutschland bereits kurz nach der Jahrhundertwende. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war es dann der spätere Daimler-Benz Konstrukteur Béla Barényi, der 1925 für ein solches Automobil erstmals den Begriff „Volkswagen“ verwendete. In Deutschland wurde jedoch bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ein derartiger Personenkraftwagen weder hergestellt noch vertrieben, sodass der Grad der Automobilisierung der deutschen Bevölkerung weit hinter dem vergleichbarer Industrieländer und insbesondere den USA zurücklag.1 Die Gründung der Volkswagenwerk GmbH war einerseits das Ergebnis des nationalsozialistischen Programms der „Volksmotorisierung“ und andererseits das Ergebnis der wirtschaftlichen Ressentiments der Mehrzahl der deutschen Automobilunternehmen gegenüber der konkreten Umsetzung dieses Programms.2 Adolf Hitlers Motorisierungsprogramm bestand im Jahr 1933 zunächst im Wesentlichen aus dem staatlich gelenkten Ausbau der Reichsautobahnen, steuerlichen Erleichterungen für die Beschaffung von Automobilen und der Förderung des Automobilsports und verfolgte mehrere Ziele. Neben militärischen Erwägungen sollte der Bau der Reichsautobahnen durch einen steigenden Arbeitskräftebedarf die Zahl der Arbeitslosen verringern und die steuerlichen Maßnahmen sollten es weiten Teilen der Bevölkerung ermöglichen, ihr Wohlstandsniveau durch den Erwerb eines Kraftwagens zu erhöhen. Vom sozialpolitischen Erfolg seines Motorisierungsprogramms versprach sich Hitler wohl nicht zuletzt auch eine Legitimation und Absicherung der nationalsozialistischen Herrschaft.3 Während Hitler den Bau der Reichsautobahnen von Beginn an direkt durch den Staat durchführen ließ, schien er 1933 noch davon auszugehen, dass steuerliche 1 Grieger, Manfred/Gutzmann, Ulrike (Hg.): Vom Käfer zum Weltkonzern. Die Volkswagen Chronik (Historische Notate 17), Wofsburg 2014, S. 5; Overy, Richard: Transportation and Rearmament in the Third Reich, in: Historical Journal 16 (1973), S. 400 f. 2 Reich, S. 147. 3 Doleschal, Reinhard: Zur geschichtlichen Entwicklung des Volkswagenkonzerns, in: ders./Dombois, Rainer (Hg.): Wohin läuft VW? Die Automobilproduktion in der Wirtschaftskrise, Reinbek 1982, S. 20; Overy, S. 402.

1. Entwicklung des Unternehmens bis zur Währungsreform

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Erleichterungen für die Beschaffung von Automobilen eine ausreichende Nachfrage schaffen würden, um die deutschen Automobilhersteller in die Lage zu versetzen, einen Volkswagen auf den Markt zu bringen. Hitlers Plan ging jedoch nicht auf, denn die Mehrzahl der deutschen Automobilhersteller wandte sich 1933 gegen jeglichen staatlichen Einfluss auf ihr Produktionsprogramm. Vor diesem Hintergrund gelang es Ferdinand Porsche – zu diesem Zeitpunkt Teilinhaber eines Konstruktionsbüros in Stuttgart –, Hitler Anfang 1934 für seine Idee eines Volkswagens zu gewinnen. Porsches Idee basierte darauf, dass ein Volkswagen ein vollwertiges Gebrauchsauto sein solle, dass sich durch einfache Bedienung und Wartung auszeichne und sowohl zivil genutzt werden als auch leicht für militärische Zwecke umgerüstet werden könne.4 Hitler brachte daraufhin staatliche Vertreter und Vertreter des Reichsverbands der Automobilindustrie (RDA) – dem Interessenverband der deutschen Automobilhersteller – zu einer Besprechung im Reichsverkehrsministerium zusammen mit dem Ziel, die Idee Porsches umzusetzen. Die im RDAvertretenen Hersteller hatten jedoch sehr unterschiedliche Ansichten darüber, wie sich ein Volkswagen am ehesten realisieren lassen würde. Während Opel und Auto-Union einer staatlichen Lenkung ablehnend gegenüberstanden, standen Daimler-Benz und BMW einem stärkeren staatlichen Engagement wohlwollend gegenüber. Dabei dürfte vor allem eine Rolle gespielt haben, dass mit Jakob Wichlin 1934 ein langjähriger Vertrauter Hitlers in den Vorstand der Daimler-Benz AG berufen worden war.5 Schließlich fanden die im RDA vertretenen Hersteller im Mai 1934 einen Kompromiss und erklärten sich Hitler gegenüber bereit, eine Arbeitsgemeinschaft aller dem Verband angeschlossenen Fabriken zur Durchführung des Volkswagenprojekts zu gründen. Im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft wurde eine Kommission zur Entscheidung technischer Fragen ins Leben gerufen, die aus Vertretern der vier großen Automobilfabriken AutoUnion, BMW, Daimler-Benz und Opel sowie einem Vertreter des RDA bestand. Des Weiteren wurde ein zentrales Büro unter Leitung von Ferdinand Porsche eingerichtet. Einen Monat später beauftragte der RDA Porsches Konstruktionsbüro mit der Entwicklung eines neuen Volkswagentyps. Für die Gegner des nationalsozialistischen Volkswagenprogramms innerhalb des RDA war die Arbeitsgemeinschaft jedoch sehr wahrscheinlich nur ein Instrument, um gegenüber dem nationalsozialistischen Regime den Anschein von Loyalität zu erwecken – in der Hoffnung, das Projekt als erfolglos scheitern lassen zu können. Deutlich wird dies an der zu dieser Zeit unrealistischen Vorgabe an Porsche, der Volkswagen solle bei einer Stückzahl von 5.000 Fahrzeugen zu einem Preis von 900 RM verkauft werden können. In den folgenden 2 Jahren gelang es dem RDA schließlich durch stetige Kritik an der Entwicklungsarbeit von Ferdinand Porsche, die Umsetzung des Volkswagenprogramms zu verzögern.6 4 5 6

Doleschal, S. 21 f.; Grieger, Vom Käfer zum Weltkonzern, S. 6; Overy, S. 401 f. Doleschal, S. 27 f.; Reich, S. 154 f. Vgl. Doleschal, S. 25 – 29; Overy, S. 402.

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V. Volkswagenwerk AG

Angesichts der Verzögerungstaktik der Mehrheit der Mitglieder des RDA entschied die Reichsregierung 1936, das Volkswagenwerk ohne Beteiligung der Automobilhersteller zu bauen und direkt der alleinigen Verfügung der Reichsregierung zu unterstellen. Im Mai 1937 übergab der RDA das Projekt schließlich offiziell an die Reichsregierung. Bereits zuvor hatte Hitler den Reichsleiter der Deutschen Arbeitsfront (im Folgenden: DAF) Robert Ley mit dem Bau eines Volkswagenwerks beauftragt. Die DAF war der nationalsozialistische Einheitsverband der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Nachdem die DAF das Vermögen der 1933 aufgelösten Gewerkschaften beschlagnahmt hatte, verfügte sie mit ihren beiden Vermögensverwaltungsgesellschaften „Vermögensverwaltung der DAF GmbH“ (im Folgenden: VV) und „Treuhandgesellschaft für die wirtschaftlichen Unternehmungen der DAF GmbH“ (im Folgenden: TWU) über erhebliche finanzielle Mittel. Beide Gesellschaften besaßen Anteile an einer Vielzahl von Unternehmen, darunter der Bank der Deutschen Arbeit. Des Weiteren flossen der DAF monatliche Einnahmen aus den bei ihr de facto zwangsweise angemeldeten Mitgliedern zu.7 Beide Gesellschaften gründeten schließlich am 28. Mai 1937 die „Gesellschaft zur Vorbereitung eines deutschen Volkswagens mbH“ (im Folgenden: GEZUVOR) mit einem Stammkapital von 480.000 Reichsmark. Davon entfielen 380.000 Reichsmark auf die VV und 100.000 Reichsmark auf die TWU. Die Geschäftsführer waren Ferdinand Porsche, Jakob Werlin und der Leiter des Amtes für „Kraft durch Freude“ (KDF) der DAF Bodo Lafferentz. Der Name der Gesellschaft wurde am 16. September 1938 in „Volkswagenwerk GmbH“ geändert.8 Die GEZUVOR begann mit dem Bau des Volkswagenwerkes im Februar 1938 und erwartete einen gesamten Investitionsbedarf in Höhe von 244 Millionen Reichsmark. Nach Schätzungen des United States Strategic Bombing Survey betrugen die tatsächlichen Investitionen bis zur Fertigstellung der ersten Ausbaustufe des Werkes Ende 1939 schätzungsweise 215 Millionen Reichsmark.9 Die Investitionen sollten finanziert werden unter anderem mit Erlösen aus dem Verkauf der von der DAF beschlagnahmten Immobilien der aufgelösten Gewerkschaften. In welche Höhe Immobilienverkäufe tatsächlich zur Finanzierung der Investitionen beitrugen, ist nicht bekannt. Die DAF erhöhte jedenfalls 8 Monate nach Baubeginn das Stammkapital der GEZUVOR von 480.000 Reichsmark auf 50 Millionen Reichsmark. Die komplette Erhöhung des Stammkapitals wurde durch die VV getragen. Bis zum Kriegsende folgten zwei weitere Kapitalerhöhungen. Die VV und die TWU erhöhten das Stammkapital im Oktober 1940 auf 100 Millionen Reichsmark und im Juli 1941 auf 150 Millionen Reichsmark. Die zweite Kapitalerhöhung entfiel vollständig auf die VV und die dritte Kapitalerhöhung entfiel mit

7

Reich, S. 156. Grieger, Vom Käfer zum Weltkonzern, S. 12; Dagegen: Doleschal, S. 30. 9 Grieger, Vom Käfer zum Weltkonzern; S. 10; Reich, S. 161; Wellhöner, Wirtschaftswunder, S. 103. 8

1. Entwicklung des Unternehmens bis zur Währungsreform

187

45 Millionen Reichsmark auf die VV und mit 5 Millionen Reichsmark auf die TWU.10 Des Weiteren flossen der DAF ab der zweiten Hälfte des Jahres 1938 Mittel aus dem KDF-Sparerprogramm zu. Das Programm ermöglichte den Teilnehmern eine bevorzugte Zuteilung eines in der Zukunft zu bauenden Volkswagens. Die Voraussetzung war, dass jeder registrierte KDF-Sparer regelmäßig einen monatlichen Betrag auf ein Sparkonto bei der DAF einzahlte, bis der komplette Kaufpreis in Höhe von rund 1.000 Reichsmark angespart war. Bis zum Kriegsende hatten rund 337.000 KDF-Sparer der DAF ein Sparvermögen in Höhe von insgesamt 267 Millionen Reichsmark zukommen lassen, ohne dass ein einziger Volkswagen an einen KDFSparer ausgeliefert wurde.11 Der Versuch, die rechtlichen Ansprüche der KDF-Sparer und die tatsächliche Verwendung des Sparguthabens zu klären, wurde erst in den fünfziger Jahren vor bundesdeutschen Gerichten im Rahmen des Volkswagensparer-Prozesses unternommen. Die Initiative zu dem Prozess ging von dem ehemaligen Teilnehmer am KDF-Sparprogramm Karl Stolz aus. Dieser gründete am 7. Oktober 1948 den „Hilfsverein ehemaliger Volkswagensparer“ mit dem Ziel, durch Mitgliedsbeiträge genügend Geld einzunehmen, um die Interessen der KDF-Sparer gerichtlich durchzusetzen. Das Verfahren begann damit, dass Karl Stolz und Rudolf Meichsner, ebenfalls ein ehemaliger Teilnehmer am KDF-Sparprogramm, am 5. Mai 1949 beim Landgericht Hildesheim eine Klage gegen die Volkswagenwerk GmbH einreichten. Darin forderten sie die Verurteilung der Volkswagenwerk GmbH zur Lieferung zweier Volkswagen unter Berücksichtigung der von Ihnen geleisteten Sparraten. Angesichts der großen Anzahl von Personen, die bis zum Kriegsende an dem Sparprogramm teilnahmen, bedeutete die Klage von Stolz und Meichsner, dass der Prozess zu einem Musterprozess für die Ansprüche aller ehemaligen KDF-Sparer wurde.12 Das Landgericht Hildesheim wies die Klage 1950 zunächst ab. Doch die Kläger legten erfolgreich Berufung ein, sodass sich in zweiter Instanz das Oberlandesgericht Celle mit der Klage befasste. In dem Berufungsverfahren stellte sich heraus, dass das Volkswagenwerk das Sparguthaben 1938 zwar als Vermögenswert bilanziert hatte. Dies sei aber wohl nur aus „optischen“ Gründen geschehen, denn das Sparvermögen lag zum Zeitpunkt des Prozesses in voller Höhe auf einem Konto der Bank der Deutschen Arbeit in Berlin und war von der sowjetischen Militärregierung beschlagnahmt. Allerdings hatte die Bank der Deutschen Arbeit der Volkswagenwerk GmbH einen Kredit in Höhe von 50 Millionen RM zum Aufbau des Werkes gewährt.

10

Grieger, Vom Käfer zum Weltkonzern, S. 10; S. 16; S. 20; S. 22. Grieger, S. 16; Reich, S. 158, Tolliday, S. 283. 12 Vgl.: Die Volkswagensparer. Es läßt sich nachrechnen, in: Der Spiegel (1952, 8), S. 12 – 15; Vgl. Rieger, Schulden der Vergangenheit?, S. 185 – 208. 11

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V. Volkswagenwerk AG

Das Oberlandesgericht Celle wies die Klage schließlich mit der Begründung ab, dass es unmöglich sei, die Höhe der Entschädigung zu ermitteln.13 Auch gegen diesen Urteilsspruch legten die Kläger erfolgreich Berufung ein, sodass der Bundesgerichtshof die Klage in dritter Instanz Ende 1951 zurück an das Oberlandesgericht Celle verwies. In dem Berufungsurteil wies der Bundesgerichtshof das Oberlandesgericht Celle an zu prüfen, wer überhaupt die Vertragspartner des Sparprogramms seien.14 Das Oberlandesgericht Celle kam nach einer umfangreichen Beweisaufnahme 1954 zu dem Schluss, dass nicht die DAF, sondern die Volkswagenwerk GmbH Vertragspartner der Sparer gewesen sei. Dem widersprachen die Richter am Bundesgerichtshof in fünfter Instanz 1954, indem sie feststellten, dass nicht das Volkswagenwerk, sondern eben doch die DAF Vertragspartner der Sparer gewesen sei. Dieses zweite Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs ließ es den Sparern offen, erneut vor dem Oberlandesgericht Celle nachzuweisen, dass das Volkswagenwerk aus anderen Gründen für die Ansprüche der Sparer haften könne. Ohne weitere Beweisaufnahme stellte sich das Oberlandesgericht Celle in seinem anschließenden dritten Urteil auf den Standpunkt, dass eine derartige Mithaftung durch das Volkswagenwerk ausgeschlossen werden könne.15 Die Volkswagensparer behaupteten jedoch, dass im Reichsamt der DAF 1938 ein Gutachten erstellt worden sei, aus dem hervorginge, dass sowohl die DAF als auch das Volkswagenwerk als Vertragspartner angesehen werden könnten. Des Weiteren sei dann kurze Zeit später zwischen der DAF und dem Volkswagenwerk eine Vereinbarung getroffen worden, dass die Volkswagenwerk GmbH für die Ansprüche der Sparer haften solle. Diese Vereinbarung sei in der Aufsichtsratssitzung vom 1. Dezember 1938 ausdrücklich so beschlossen worden. Vor diesem Hintergrund hob der Bundesgerichtshof in siebter Instanz das Urteil des Oberlandesgerichts Celle Ende 1958 erneut auf und verwies das Verfahren zurück an das Oberlandesgericht, um prüfen zu lassen, ob es eine solche Vereinbarung gegeben habe.16 Das Oberlandesgericht Celle wies in seinem Urteil am 9. November 1959 in achter Instanz die

13

Stier tom Moehlen, A.: Rechtsbelehrung im VW-Prozess, in: Die Zeit (01. 11. 1951); Die Volkswagensparer. Es läßt sich nachrechnen, in: Der Spiegel (1952, 8), S. 12 – 15; Reich, S. 158; Rieger, Schulden der Vergangenheit?, S. 198; Volkswagenwerk GmbH: Bericht der Geschäftsführung und Eröffnungsbilanz in Deutsche Mark zum 21. Juni 1948; dagegen legen Doleschal, Tolliday und Wellhöner nahe, das KDF-Sparguthaben sei direkt in die Finanzierung des Werksbaus geflossen: Doleschal, S. 37; Tolliday, S. 283; Wellhöner, Wirtschaftswunder, S. 103; Grieger hingegen lässt die Frage nach der Verwendung der KDF-Sparraten in seiner 2015 erschienen Chronik „Vom Käfer zum Weltkonzern“ gänzlich offen. 14 Die Volkswagensparer. Es läßt sich nachrechnen, in: Der Spiegel (1952, 8), S. 12 – 15. 15 K. D.: Letzte Runde im VW-Sparer-Prozess, in: Zeit (9. Oktober 1959). 16 K. D.: Letzte Runde im VW-Sparer-Prozess, in: Zeit (9. Oktober 1959).

1. Entwicklung des Unternehmens bis zur Währungsreform

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Behauptung zurück, dass es zwischen Volkswagenwerk und der DAF eine solche Vereinbarung gegeben habe.17 Nachdem die Kläger auch gegen dieses Urteil erfolgreich Berufung eingelegt hatten, schlossen die Parteien in letzter Instanz vor dem Bundesgerichtshof 1961 einen Vergleich. Der Vergleich sah vor, dass jeder KDF-Sparer wählen konnte zwischen einem Abschlag auf den Erwerb eines neuen Volkswagens oder einer Einmalzahlung bei Verzicht auf den Kauf eines neuen Fahrzeugs. Die Höhe des Abschlags bzw. der Einmalzahlung war gestaffelt nach der Höhe des Sparbetrags: Tabelle 2 Abschlags- und Einmalzahlungen Volkswagensparer Sparbetrag (RM)

Abschlag (DM)

> 750

600

Einmalzahlung (DM) 100

> 500

450

75

> 250

300

50

< 250

150

25

Doleschal geht davon aus, dass sich die Summe der Barabfindungen bis 1970 auf 6,3 Millionen DM belief und dass bis 1971 rund 46.000 Sparer einen Volkswagen mit einem Abschlag auf den Neupreis erhielten.18 Auf der anderen Seite verweigerte das Volkswagenwerk bereits bei der Aufstellung der DM-Eröffnungsbilanz unter Verweis auf § 21 des Umstellungsgesetzes die Rückzahlung des Reichmark-Kredits über 50 Millionen an die Bank der Deutschen Arbeit (siehe Kapitel V. 2. a)), bekam jedoch bis spätestens 1962 das bei der Bank der Deutschen Arbeit liegende Sparguthaben zu einem Umstellungskurs von 5 Prozent übertragen und hatte bis zum Ende des Prozesses eigenen Angaben zufolge ausreichende Rückstellungen für die Kosten des Vergleichs gebildet.19 Nimmt man all diese Effekte – inklusive der zum Zeitpunkt der Zuführung steuermindernden Rückstellungen – überschlägig zusammen, dürfte der Vergleich mit den Sparern für das Volkswagenwerk während des Untersuchungszeitraums keine existenzbedrohende finanzielle Belastung bedeutet haben. Vielmehr dürfte das Volkswagenwerk während der fünfziger Jahre in finanzieller Hinsicht von der Klage der Volkswagensparer profitiert haben, weil es dem Unternehmen ermöglichte, für Prozessrisiken steuermindernde Rückstellungen zu bilden, welche die Liquidität des Unternehmens deutlich verbessert haben dürften. Steuerpflichtig wurde die Auflösung der Rückstellungen für die Entschädigungen der VolkswagenSparer erst ab 1962.20 Die Bildung der Rückstellungen bewirkte somit eine Steuerstundung, durch welche das Volkswagenwerk einen Zinsvorteil erlangte. 17

Zit. n. DGB: Geschichte der Volkswagen-Aktie und die Rolle der Gewerkschaften (Regionale Gewerkschaftsblätter 32), ohne Jahresangabe, S. 4. 18 Doleschal, S. 39. 19 VW-Sparer. Nordhoff zahlt, in: Der Spiegel (1961, 44), S. 30; WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1961, S. 38. 20 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1962, S. 40.

190

V. Volkswagenwerk AG

Im Zuge der Eingliederung in die Kriegswirtschaft erwarb bzw. gründete das Volkswagenwerk ab 1941 erste Tochtergesellschaften. Am 20. Januar 1941 erwarb das Volkswagenwerk von der Wiener Schrauben- und Schmiedewaren-Fabriks AG das Schmiedewerk Brevillier & A. Unger & Söhne in Ustron in Polen und wandelte es um in die Schmiedewerk Ustrom GmbH, Berlin. Das Werk sollte nach dem Krieg zu einer Großschmiede erweitert werden, um das Volkswagenwerk mit den für die geplante Friedensfertigung benötigten Schmiedeteilen zu versorgen. Bis zur Jahreswende 1941/1942 belieferte das Unternehmen vorwiegend die Wehrmacht und die Reichsbahn und lieferte erst danach einen zunehmenden Teil der für die Kraftfahrzeugproduktion benötigten Teile an das Volkswagenwerk. Am 5. September 1941 erwarb das Volkswagenwerk die Luckenwalder Feintuchfabrik GmbH, deren Grundstücke und Gebäude das Unternehmen direkt in sein Eigentum übernahm. Das Volkswagenwerk ließ auf dem Werksgelände Veredelungsarbeiten vornehmen, betrieb dort eine Reparaturwerkstatt für Volkswagen Motoren und vermietete freie Räumlichkeiten. Die Luckenwalder Feintuchfabrik, vormals Tannenbaum, Pariser & Co. war vor dem Erwerb vom Deutschen Reich „arisiert“ worden. Am 5. Mai 1944 gründete das Volkswagenwerk die Minette GmbH, Berlin, mit einem Stammkapital von 10 Millionen RM. Die Tochtergesellschaft sollte die Verlagerung und Fortführung der Luftrüstungsaktivitäten in eine unterirdische Eisenerzgrube in Lothringen steuern. Die Annäherung alliierter Truppen im August 1944 beendete das Vorhaben jedoch. Im November 1943 erklärte das Rüstungsministerium das Volkswagenwerk zur Patenfirma der S.A. des Automobiles Peugeot. Dadurch bekam das Volkswagenwerk Zugang zu den Fertigungskapazitäten von Peugeot und ließ dort Zulieferteile für die eigene Produktion fertigen. Zu einer Kapitalbeteiligung an Peugeot kam es jedoch nicht.21

b) Kriegsschäden Der größte Schaden entstand durch die alliierten Luftangriffe im Jahr 1944. Nach Schätzungen des United States Strategic Bombing Survey waren 20 Prozent der Grundfläche der Werkshallen völlig und 14 Prozent teilweise zerstört. Von den insgesamt 2.776 Maschinen des Werkes waren 8 Prozent völlig zerstört, 5 Prozent schwer und 6 Prozent leicht beschädigt. Die danach folgenden Luftangriffe konnten keine wesentliche zerstörerische Wirkung mehr entfalten, weil die wichtigsten Maschinen an andere Standorte verlagert wurden. Das für die Produktion sehr wichtige Kraftwerk zur Erzeugung von Wärme und Elektrizität, das Presswerk und 21 Zu den Beteiligungen von Volkswagen während des Krieges vgl. Grieger, Vom Käfer zum Weltkonzern, S. 26.

1. Entwicklung des Unternehmens bis zur Währungsreform

191

das Vorwerk Braunschweig – zur Fertigung von Zulieferteilen – standen unmittelbar nach dem Kriegsende für Produktionszwecke zur Verfügung.22 Die Kriegsschäden beliefen sich bis Ende 1944 auf insgesamt 156 Millionen Reichsmark. Davon wurden 86 Millionen Reichsmark vom Staat anerkannt und 70 Millionen Reichsmark noch 1944 als Abschlagszahlung an das Volkswagenwerk gezahlt. Des Weiteren gilt es zu berücksichtigen, dass das Volkswagenwerk bereits im Jahre der Fertigstellung der ersten Ausbaustufe 1939 die größte Automobilfabrik der Welt war und zu diesem Zeitpunkt auf eine Fertigung von anfänglich 4.000 Fahrzeugen pro Woche ausgelegt war. Dies entsprach 75 Prozent der gesamten deutschen PKW-Produktion des Jahres 1938, sodass trotz der Zerstörungen das Volkswagenwerk unmittelbar nach Kriegsende über erhebliche Produktionsmittel verfügte.23

c) Beschlagnahmung und Vermögenskontrolle Das Volkswagenwerk wurde im April 1945 zunächst von der amerikanischen Armee besetzt. Da sich das Werk in der britischen Besatzungszone befand, ging die Zuständigkeit für das Volkswagenwerk im Juni 1945 an die britische Militärregierung über, welche das Unternehmen als Vermögenswert der DAF unter den Bestimmungen des Kontrollratsgesetzes Nr. 52 umgehend beschlagnahmte.24 Die Beschlagnahmung durch die britische Militärregierung erwies sich für das Volkswagenwerk als vorteilhaft, denn die Briten hatten erkannt, dass das Werk einen bedeutenden Beitrag für den Wiederaufbau Deutschlands zu leisten imstande war. Zunächst beauftragte die Militärregierung das Volkswagenwerk im August 1945, für die kommenden 3 Jahre Fahrzeuge für die alliierten Besatzungsbehörden herzustellen, und richtete im Werk eine Reparaturwerkstatt für Fahrzeuge der britischen Armee ein.25 Dieser Auftrag hatte für das Volkswagenwerk den Vorteil, dass es von den Briten bei der Belieferung mit Rohstoffen bevorzugt behandelt wurde, notwendige Kredite zur Verfügung gestellt bekam und von Demontagen verschont blieb.26 Des Weiteren unterstützten die Briten das Volkswagenwerk bei dem Aufbau einer bis dahin nicht vorhandenen Vertriebs- und Kundendienstorganisation in 22

Grieger, Vom Käfer zum Weltkonzern, S. 36 f. Grieger, Vom Käfer zum Weltkonzern, S. 28 ff.; Hiller, Heinrich: Das Volkswagenwerk legt Rechnung, in: Der Volkswirt 6 (1952, 22); Reich, S. 161; Tolliday, S. 282 u. S. 286 f.; Verband der Automobilindustrie e.V.: Die Autobiografie. Eine Momentaufnahme, Frankfurt am Main 1976, S. 77; Wellhöner, Wirtschaftswunder, S. 99; dagegen: Doleschal, S. 41; Nelson, Walter H.: Small Wonder. The Amazing Story of the VW, Boston 1970, S. 92; Sloninger, Jerry: The Volkswagen Story, Cambridge 1980, S. 48. 24 Edelmann, Heinz Nordhoff, S. 70; Grieger, Vom Käfer zum Weltkonzern, S. 40; Hiller, Das Volkswagenwerk legt Rechnung, S. 22; Wellhöner, Wirtschaftswunder, S. 99 f. 25 Wellhöner, Wirtschaftswunder, S. 99. 26 Grieger, Vom Käfer zum Weltkonzern, S. 36. 23

192

V. Volkswagenwerk AG

Westdeutschland.27 Ebenfalls als vorteilhaft erwies sich, dass die Militärregierung bereits 1947 eine Genehmigung zum Export des Volkswagens erteilte. Denn dies versetzte das Unternehmen in die Lage, nach der Währungsreform einen Rückstau von Altaufträgen aus der Zeit vor der Währungsreform zu profitableren Wechselkursen abzuwickeln, als dies nach der Währungsreform durch die Überbewertung der DM möglich war.28 Schließlich profitierte das Volkswagenwerk davon, dass der im Werk vor Ort verantwortliche Senior Resident Officer Ivan Hirst auf ständige Qualitätsverbesserungen des Volkswagens drängte.29 Die britische Militärregierung beabsichtigte zwar, das Volkswagenwerk schnellstmöglich einer deutschen Geschäftsleitung anzuvertrauen, scheute sich aber im April 1947, eine Verstaatlichung des Werkes selbst durchzuführen, weil die Verstaatlichung einen erheblichen Machtzuwachs des Landes Niedersachsen bedeutet hätte, was der Entflechtungs- und Demokratisierungspolitik der Alliierten widersprochen hätte. Außerdem meldeten die Gewerkschaften und die KDF-Sparer plausible Besitzansprüche an das Werk an und die Briten wollten nicht zu sehr in innerdeutsche Angelegenheiten verwickelt werden.30 So blieben die Eigentumsverhältnisse auch nach dem Rückzug der britischen Militärregierung aus dem Werk unklar. Die Anordnung 202 der Britischen Militärregierung vom 16. September 1949, welche die Volkswagenwerk GmbH von der Vermögenskontrolle nach Gesetz Nr. 52 durch die Militärregierung befreite, nannte nämlich keinen neuen Eigentümer, sondern stellte das Volkswagenwerk unter die Treuhänderschaft der Bundesregierung, die vom Land Niedersachsen nach Weisung der Bundesregierung ausgeübt werden sollte.31 Diese unklare Formulierung hatte zur Folge, dass die Volkswagenwerk GmbH bis 1953 über einen eher schwachen Aufsichtsrat verfügte, da die darin vertretenen Mitglieder – das Bundesfinanzministerium, das Bundeswirtschaftsministerium und die niedersächsische Regierung – ihre Ressourcen zunächst auf den Kampf um die Macht im Aufsichtsrat lenkten statt auf die Kontrolle der Geschäftsführung. Dieses Machtvakuum nutzte der im Januar 1948 von den Briten bestellte alleinige Geschäftsführer und Generaldirektor Heinz Nordhoff, um seinen dominierenden Einfluss auf das Unternehmen zu begründen und zu festigen. Nordhoff bestimmte seit

27

Grieger, Vom Käfer zum Weltkonzern, S. 38; Mommsen, Hans/Grieger, Manfred: Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich, Düsseldorf 1996, S. 966; Wellhöner, Wirtschaftswunder, S. 100. 28 Tolliday, S. 296; Wellhöner, Wirtschaftswunder, S. 100; dagegen: Edelmann, Heinz Nordhoff, S. 96. 29 Grieger, Vom Käfer zum Weltkonzern, S. 39. 30 Edelmann, Heinz Nordhoff, S. 72; Tolliday, S. 309 f. 31 Doleschal, S. 45; Hiller, Das Volkswagenwerk legt Rechnung, S. 22; Tolliday, S. 311; Volkswagenwerk GmbH: Bericht der Geschäftsführung und Eröffnungsbilanz in Deutscher Mark zum 21. Juni 1948.

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dem 1. Januar 1948 bis über das Ende des Untersuchungszeitraums hinaus die Geschäftspolitik des Volkswagenwerks.32 Edelmann geht davon aus, dass Nordhoff bereits vor der Währungsreform alles daran setzte, die Produktivität des Volkswagenwerks zu verbessern. Diese Sichtweise lädt zu Kritik ein, denn Nordhoff beurteilte die Konkurrenzfähigkeit des Volkswagens bereits wenige Wochen nach seinem Amtsantritt als so gering, dass er geheime Verhandlungen mit Ford bezüglich einer Übernahme des Werkes und seiner eigenen Anstellung bei der Ford Motor Company in den Vereinigten Staaten aufnahm.33 Der Verkauf des Volkswagenwerkes an die Ford Motor Company scheiterte jedoch Ende Oktober 1948, weil Ford vor Schadenersatzansprüchen der KDF-Sparer und der Finanzierung der Transaktion zurückschreckte. Erst danach entschied sich Nordhoff für die Selbstständigkeit der Volkswagenwerk GmbH und seinen Verbleib im Unternehmen als Generaldirektor.34 Das erklärt auch, warum bis zur Währungsreform größere Investitionen zunächst unterblieben.

d) Demontage und Reparationen Die bei Daimler-Benz zu beobachtenden wilden Plünderungen ereigneten sich zwar auch im Volkswagenwerk, richteten aber vergleichsweise geringfügige Schäden an.35 Die britische Automobilindustrie forderte zwar die Demontage des Werkes, um einen zukünftigen Konkurrenten auszuschalten, doch scheiterten diese Pläne an internen Interessenkonflikten innerhalb der britischen Regierung und daran, dass die Militärregierung zur Erfüllung ihrer Besatzungsaufgaben das Volkswagenwerk unmittelbar nach Kriegsende mit der Herstellung von Fahrzeugen für die Armee beauftragt hatte.36 Mit dem Beginn der Verhandlungen über die Errichtung der BiZone nahm der amerikanische Einfluss auf die britische Militärregierung zu, sodass das Volkswagenwerk 1946 schließlich endgültig von Reparationen ausgeschlossen wurde.

32

Edelmann, Heinz Nordhoff, S. 76;133, Tolliday, S. 312 f.; Wellhöner, S. 100. Vgl. Edelmann, Heinz Nordhoff, S. 88 – 90; Edelmanns Argument, Nordhoff habe in seiner Ansprache an die Arbeiter im Mai 1948 als einziges Ziel die Stärkung der Widerstandsfähigkeit genannt, ist nicht überzeugend, da es sich der Kritik aussetzt, Nordhoffs eigener Rhetorik zu stark Glauben zu schenken. Es ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass Nordhoff zu diesem Zeitpunkt zwischen zwei Karriereoptionen schwankte und seine volle Arbeitskraft daher nicht dem Aufbau der Pkw-Produktion bei Volkswagen zuwenden konnte. 34 Edelmann, Heinz Nordhoff, S. 98. 35 Tolliday, S. 288. 36 Tolliday, S. 293; dagegen: Adeney, Martin: The Motor Makers. The turbulent History of Britain’s Car Industry, London 1989, S. 209; Laux, James: The European Automobile Industry, New York 1992, S. 170; Nelson, S. 101 f.; Sloninger, S. 57. 33

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V. Volkswagenwerk AG

2. Bilanzanalyse a) DM-Eröffnungsbilanz Die Volkswagenwerk GmbH stellte ihr Stammkapital in der DM-Eröffnungsbilanz im Verhältnis 2,5:1 um. Bei einem Vermögen von 117 Millionen DM und Verbindlichkeiten in Höhe von 8 Millionen ergab sich ein Reinvermögen in Höhe von 109 Millionen DM. Generaldirektor Nordhoff entschied, davon 60 Millionen DM dem Stammkapital und 49 Millionen DM den Rücklagen zuzuweisen. Die liquiden Mittel betrugen in der DM-Eröffnungsbilanz weniger als 1 Million DM. Die Entwertung des Vermögens aus der Umstellung von RM in DM war daher beim Volkswagenwerk deutlich geringer als bei BMW und Daimler-Benz. Die Grundstücke und Gebäude bewertete das Unternehmen zu Einheitswerten oder mit einem um die Kriegsschäden verminderten Teilwert. Außerhalb des Währungsgebietes liegende Grundstücke wurden mit einem Erinnerungsposten von 1 DM bewertet. Die Grundstücke, welche das Volkswagenwerk zur Errichtung der Stadt Wolfsburg erworben hatte und die darauf errichteten Gebäude wurden – sofern sie nicht für den Betrieb erforderlich waren und mit bestimmten Ausnahmen – nicht in der Eröffnungsbilanz aktiviert. Der Grund hierfür war, dass das Volkswagenwerk zwar den Kaufpreis gezahlt hatte und auch als Eigentümer im Grundbuch eingetragen war, den Kaufpreis jedoch von der DAF erstattet bekommen hatte. Nach Zustimmung durch das Niedersächsische Finanzministerium wurden die betreffenden Grundstücke in einem Vertrag zwischen der Volkswagenwerk GmbH und der zur TWU gehörenden Liegenschaftsverwaltung Wolfsburg vom 17. Mai 1950 auf den Treuhänder der Liegenschaftsverwaltung übertragen.37 Die Beteiligungen an der Fa. Schmiedewerk Ustron GmbH in Polen und der Luckenwalder Feintuchfabrik GmbH, Luckenwalde, waren bereits in der Reichsmarkbilanz auf 1 RM abgewertet worden und mit einem Erinnerungsposten von 1 DM übernommen worden. Die noch bestehende Einzahlungsverpflichtung gegenüber der Ustron GmbH in Höhe von 4,5 Millionen RM wurde ebenfalls auf 1 DM abgewertet. Nach Löschung der Firma aus dem Handelsregister ging die Beteiligung 1955 endgültig aus der Bilanz ab.38 Da sich die Minette GmbH in Liquidation befand, wurde aufgrund der steuerlichen Organschaft lediglich das die Schulden übersteigende Vermögen der Gesellschaft als Verbindlichkeit passiviert. Dabei handelte sich um einen Betrag von Höhe von 50.000 DM. Das bewegliche Anlagevermögen wurde den veröffentlichten Angaben der Geschäftsführung zufolge anhand eines Sachverständigen-Gutachtens vorsichtig be-

37

WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1950, S. 11; Volkswagenwerk GmbH: Bericht der Geschäftsführung und Eröffnungsbilanz in Deutsche Mark zum 21. Juni 1948. 38 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1955, S. 12.

2. Bilanzanalyse

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wertet. Die größte Position im Anlagevermögen von insgesamt 85 Millionen DM war das Kraftwerk im Werk Wolfsburg (18 Millionen DM). Die Warenvorräte wurden im Wesentlichen zu dem jeweils niedrigeren Wiederbeschaffungspreis vom 31. August 1948 oder 31. August 1949 bilanziert. Die Forderungen, Bankguthaben, Kassenbestände und Postscheckguthaben wurden nach den gesetzlichen Bestimmungen bewertet. Forderungen gegenüber dem Deutschen Reich, Auslandsforderungen (8 Millionen RM) und ausländische Bankguthaben (7 Millionen Reichsmark) wurden mit Erinnerungswerten von je 1 DM aktiviert. Bei den Rückstellungen in Höhe von rund 4 Millionen DM handelte es sich im Wesentlichen um zu erwartende Verpflichtungen aus Grundstücksauseinandersetzungen sowie Rückstellungen in Höhe von 1,6 Millionen DM für zu erwartende Verpflichtungen gegenüber der ehemaligen Bank der Deutschen Arbeit aus der Zeit vor dem 8. Mai 1945. Die übrigen Verbindlichkeiten in Höhe von 4 Millionen DM wurden nach den gesetzlichen Vorschriften bewertet. Rückstellungen für Forderungen der KDF-Sparer wurden in der Eröffnungsbilanz nicht gebildet, da Nordhoff der Ansicht war, dass den KDF-Sparern keine Ansprüche gegen die Volkswagenwerk GmbH zustünden. In dieser Haltung sah er sich bestätigt, nachdem das Landgericht Hildesheim zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der DMEröffnungsbilanz die Klage zweier KDF-Sparer in erster Instanz und das Oberlandesgericht Celle in zweiter Instanz abgewiesen hatten. Die KDF-Sparer legten dagegen jedoch Berufung ein, sodass der Prozess in Revision ging.39

b) Mittelherkunft Die Volkswagenwerk AG (vormals Volkswagenwerk GmbH) erwirtschaftete zwischen 1949 und 1965 Jahresüberschüsse vor nicht zahlungswirksamen Abschreibungen auf das langfristige Vermögen (3.209 Millionen DM) und vor Zuführung zu den Rückstellungen (594 Millionen DM) von insgesamt 5.518 Millionen DM. Davon verblieben dem Unternehmen nach der Finanzierung des Nettoumlaufvermögens (–175 Millionen DM), sonstiger nicht zahlungswirksamer Aufwendungen und Erträge (–238 Millionen DM) sowie Dividenden (–829 Millionen DM) 4.276 Millionen DM für die Finanzierung bilanzieller Investitionen (4.779 Millionen DM). Die restlichen Investitionsmittel (503 Millionen DM) flossen dem Unternehmen zu durch Kapitalerhöhungen (240 Millionen DM), die Netto-Aufnahme finanzieller Verbindlichkeiten (215 Millionen DM) sowie Desinvestitionen (186 Millionen DM). Der überschüssige Betrag, der nicht für Investitionen benötigt wurde, erhöhte die liquiden Mittel um 138 Millionen DM auf 146 Millionen DM per 31. Dezember 1965.40 Dabei gilt es anzumerken, dass die Kapitalerhöhung im Jahr 39 Volkswagenwerk GmbH: Bericht der Geschäftsführung und Eröffnungsbilanz in Deutsche Mark zum 21. Juni 1948. 40 Siehe WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG/GmbH 1948 – 1965.

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V. Volkswagenwerk AG

1959 in Höhe von 240 Millionen DM von der Bundesregierung aus der versteuerten Dividende des Vorjahres in Höhe von 320 Millionen DM durchgeführt wurde. Die Kapitalerhöhung von 1959 war somit nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise keine echte Kapitalerhöhung, sondern entzog dem Unternehmen durch die Abführung der Kapitalertragssteuer faktisch Kapital. Des Weiteren ist anzumerken, dass die seit 1962 gewährten kurzfristigen Darlehen der Stiftung Volkswagenwerk nicht in der Aufnahme von Finanzverbindlichkeiten ausgewiesen wird, sondern in der Position sonstige nicht zahlungswirksame Aufwendungen und Erträge. Der Grund hierfür ist, dass der genaue Betrag der Darlehen unbekannt ist. Der wesentliche Anteil der Abschreibungen auf das bewegliche Vermögen wurde während des Untersuchungszeitraums nach der degressiven Methode berechnet. Die Sonderabschreibungen auf Fabrik-, Geschäfts- und Wohngebäude können aufgrund der mangelnden Transparenz der Geschäftsberichte nicht exakt quantifiziert werden. Sicher ist jedenfalls, dass das Volkswagenwerk zwischen 1948 und 1965 von den steuerlichen Regelungen der § 7a, § 7b, § 7c und § 7d EStG profitierte. Alleine die Sonderbetriebsausgaben nach § 7c EStG und § 7d EStG betrugen zwischen 1951und 1966 rund 459 Millionen DM. Anhand des Geschäftsberichtes des Jahres 1951 lässt sich erkennen, in welchen Größenordnungen steuerbegünstigte Sonderabschreibungen die Finanzierungskraft des Unternehmens gestärkt haben dürften: „Die Aufwendungen für Steuern vom Einkommen, Ertrag und Vermögen liegen um rund DM 29,5 Millionen [auf DM 34 Millionen, Anm. d. Verf.] unter dem Vorjahr. Der Rückgang ist bei den gewinnabhängigen Steuern eingetreten, die sich u. a. auch durch abzugsfähige Sonderposten ermäßigten.“41

Die Zugänge zum langfristigen Vermögen aus ausländischen Beteiligungen wurden während des gesamten Untersuchungszeitraums im Jahr des Zugangs aus „allgemeinen Gründen der Vorsicht“ bis auf einen Erinnerungsposten vollständig abgeschrieben.42 Das Volkswagenwerk nutzte des Weiteren die steuerlichen Möglichkeiten im Rahmen des Gesetzes zur Förderung der Ausfuhr. In den Jahren 1951 bis 1954 wurden 24 Millionen DM der Freien Rücklage zugewiesen. In dieser Zuführung waren nennenswerte Beträge für die Ausfuhrförderung vorgesehen (siehe Kapitel II. 2. g)).43 Ab 1955 wurde die Bildung derartiger Rücklagen in den Geschäftsberichten nicht mehr erwähnt, dafür aber die Bildung steuerlich zulässiger Rücklagen

41

WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1951 – 1953, S. 15. Siehe WWA S7 – 322: Geschäftsbericht der Daimler-Benz AG 1948/49 bis 1966; Hiller, Heinrich: Volkswagenwerk weiter ohne Absatzsorgen. 2000 Wagen pro Tag – Aber Kapazitätsgrenzen bald erreicht, in: Der Volkswirt 11 (1957, 27), S. 1397; dagegen: sp: „Der Siegeszug“ des Volkswagenwerks. Die Bilanzen von 1951 bis 1954, in: Der Volkswirt 10 (1954, 1), S. 27. 43 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1951 – 1953, S. 14; S. 18, S. 22; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1954, S. 11. 42

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für Preissteigerungen.44 Aufgrund der bis zur Privatisierung ungeklärten Eigentumsverhältnisse zahlte das Unternehmen erstmals 1962 Vermögenssteuer.45

Abbildung 17: Net Cashflow Volkswagenwerk AG (Mio. DM) Quelle: WWA S7 – 322: Geschäftsberichte Volkswagenwerk AG 1948 – 1965.

Die Net Cashflows des Volkswagenwerks waren nur in wenigen Jahren negativ. Mit Ausnahme des Jahres 1961 konnte das Volkswagenwerk in allen Jahren, in denen die operativen Cashflows nicht zur Finanzierung der Investitionen ausreichten, die übrigen Investitionsmittel zum überwältigenden Teil mit den hohen liquiden Mitteln finanzieren. Im Jahr 1961 betrug der Zahlungsmittelzufluss aus der Erhöhung der Finanzverbindlichkeiten 125 Millionen DM. Damit wurde der negative Cashflow (-61 Millionen DM) und die Zahlung der Vorjahresdividende (-72 Millionen DM) finanziert. Die übrigen 8 Millionen DM wurden mit liquiden Mittel finanziert. Die Liquidität des Volkswagenwerks war zeitweise sogar so gut, dass das Unternehmen selbst als Kreditgeber auftreten konnte: Die angespannte Rohstoffversorgung infolge der Korea-Krise führte dazu, dass das Volkswagenwerk der Dortmund-Hörder-Hüttenunion Anfang 1952 einen Kredit über 15 Millionen DM zu einem Zinssatz von 7,5 Prozent gewährte. Der Kredit war ab dem 1. April 1957 in 5 Jahresraten zurückzuzahlen. Im Gegenzug bekam das Volkswagenwerk für ein Jahr 20.000 Tonnen Blech zum handelsüblichen Preis geliefert. Es folgten ähnliche Verträge mit der Westfalenhütte und dem Hüttenwerk Oberhausen, um die Versorgung der Zulieferbetriebe mit Rohstoffen sicherzustellen.46

44

WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1955, S. 14. WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1962, S. 40. 46 Das Darlehen kann einen Betrag von 20 Millionen DM nicht überstiegen haben, siehe WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1952, S. 18; Edelmann, Heinz Nordhoff, S. 126. 45

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V. Volkswagenwerk AG

c) Mittelverwendung Die bilanziellen Investitionen des Volkswagenwerks betrugen zwischen 1948 und 1965 insgesamt 4.779 Millionen DM. Der weitaus überwiegende Teil entfiel auf das Sachanlagevermögen (91 Prozent) und der geringere Teil auf den Erwerb von Beteiligungen (9 Prozent).

Abbildung 18: Bilanzielle Bruttoanlageinvestitionen Volkswagenwerk AG (Mio. DM) Quelle: WWA S7 – 322: Geschäftsberichte Volkswagenwerk AG 1948 – 1965.

Bis in die fünfziger Jahre hinein aktivierte das Unternehmen auch nicht gewerbliche Gebäude – vor allem Werkswohnungen – in seiner Bilanz.47 Eine Unterteilung der gesamten Investitionen in gewerbliche und nicht gewerbliche Gebäude ist den veröffentlichten Jahresabschlüssen nicht zu entnehmen. Der Zugang von Wohngebäuden wurde allerdings seit 1954 vorwiegend in den Bilanzen von Tochtergesellschaften ausgewiesen,48 sodass davon ausgegangen werden kann, dass der weit überwiegende Teil aller Sachanlageninvestitionen im Untersuchungszeitraum auf die Kraftfahrzeugproduktion entfiel. Die Investitionspolitik war durchgängig expansiv: Während des gesamten Untersuchungszeitraums lagen die Zugänge zum langfristigen Anlagevermögen in jedem Jahr – und meistens sehr deutlich – über den Abschreibungen. Die Nettoinvestitionen in das Anlagevermögen betrugen kumuliert 1.570 Millionen DM. Die letzten nennenswerten Investitionen für den Wiederaufbau der durch den Krieg zerstörten Anlagen dürften im Jahr 1951 abgeschlossen gewesen sein. Danach verfolgten die Investitionen als Ziele die Erweiterung, Rationalisierung, Modernisierung und Qualitätssteigerung der Unternehmensleistung. Die auffallend hohen 47

Volkswagenwerk GmbH: Bericht der Geschäftsführung für die Jahre 1951 – 1953, S. 9; S. 13; S. 17. 48 Volkswagenwerk GmbH: Bericht der Geschäftsführung für die Jahre 1951 – 1953, S. 21; Volkswagenwerk GmbH: Bericht der Geschäftsführung

2. Bilanzanalyse

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Investitionen des Jahres 1961 resultieren im Wesentlichen aus dem Beginn der Serienproduktion des neuen Modells Volkswagen 1500.49 Insgesamt bewirkten die gezielten Investitionen eine beachtliche Steigerung des Produktionsumfangs sowie der Produktivität des Unternehmens. Die Zahl der durchschnittlich pro Arbeitstag gefertigten Fahrzeuge stieg exponentiell von 185 Fahrzeugen im Jahr 1949 auf 6.688 Fahrzeuge im Jahr 1966. Der Umsatz pro Mitarbeiter nahm ebenfalls stetig zu von durchschnittlich rund 24.000 DM im Jahr 1949 auf rund 82.000 DM pro Mitarbeiter im Jahr 1966.50

Abbildung 19: Arbeitstägliche Fahrzeugproduktion Volkswagenwerk AG (Stück) Quelle: WWA S7 – 322: Geschäftsberichte Volkswagenwerk AG 1948 – 1965.

Die Investitionen in Sachanlagen entfielen ausschließlich auf inländische Werke. Neben der Erweiterung und Optimierung der bestehenden Werke in Wolfsburg und Braunschweig errichtete das Volkswagenwerk drei weitere Werke in Hannover, Kassel und Emden.51 Nordhoff ging noch Anfang 1953 davon aus, dass das Volkswagenwerk die Obergrenze der Produktion erreicht habe und das Unternehmen zu einem „gewissen Investitionsstop“ kommen müsse. Der Automobilmarkt wandelte sich zwar von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt, doch beeinträchtigte dies entgegen den Erwartungen von Nordhoff den Absatz des Volkswagenwerks nicht, weil das Unternehmen über eine starke Wettbewerbsposition verfügte und die Nachfrage nach Personenkraftwagen der oberen Kleinwagenklasse unverändert hoch blieb. Als die Kapazitäten des Wolfsburger Werkes bald darauf nicht mehr ausreichten, fasste der Aufsichtsrat am 24. Januar 1955 den Entschluss, in Hannover ein Werk zur Fertigung des Transporters zu errichten, um Kapazitäten in Wolfsburg für

49

WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1961, S. 15. Volkswagen AG: Boom und Krise des Käferunternehmens. 1961 – 1972, http://chronik. volkswagenag.com/, 2017 – 02 – 25; siehe auch Edelmann, Heinz Nordhoff, S. 94. 51 Beispielsweise wurde 1954 im Werk Wolfsburg die größte Halle für den Karosseriebau in Europa errichtet, siehe WAA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1954, S. 5. 50

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die PKW-Fertigung frei zu machen.52 Das Werk Hannover erreichte seine volle Produktionsleistung im Mai 1956. Insgesamt wurden für den Bau des Werkes 148 Millionen DM investiert.53 Damit lag vorübergehend der Schwerpunkt der Kapazitätsvergrößerung erstmals außerhalb Wolfsburgs. Im Jahr nach der Fertigstellung des Werkes in Hannover erwarb das Volkswagenwerk ein Grundstück in Kassel und errichtete dort eine neue Fabrik für die Herstellung von Ersatzteilen und verlegte 1960 auch die Produktion von Getrieben dorthin.54 Aufgrund der anhaltend hohen Nachfrage nach Volkswagen und weil an den bestehenden Standorten kein ausreichendes Potenzial an Arbeitskräften mehr bestand, errichtete das Volkswagenwerk 1964 als fünftes und vorerst letztes inländische Werk für geplante 250 Millionen DM eine Fabrik in Emden. Aufgrund der Möglichkeit der direkten Verschiffung wurde in Emden für den Export produziert. Der Bau des Standorts Emden war Teil eines groß angelegten Investitionsprogramms zur deutlichen Ausweitung der Produktionskapazitäten. So wurden in Wolfsburg der Zusammenbau von Rohkarossen automatisiert, 57 neue Großpressen für die Karosseriefertigung aufgestellt und zwei zusätzliche Lackierstraßen in Betrieb genommen. In Kassel wurde eine neue Werkshalle errichtet.55 Das letzte größere Investitionsprojekt des Untersuchungszeitraums war 1965 und 1966 die Errichtung eines Entwicklungszentrums in Wolfsburg zur Grundlagenforschung und Produktentwicklung.56 Die Investitionen in Unternehmensbeteiligungen entfielen auf die Gründung inländischer Tochtergesellschaften für den Wohnungsbau, die Absatzfinanzierung und die interne Logistik, auf das sich immer weiter verzweigende Geflecht ausländischer Tochtergesellschaften sowie auf den Erwerb der Anteile der Auto Union GmbH, Ingolstadt. Am 1. Juli 1949 gründete das Volkswagenwerk die Volkswagen-FinanzierungsGesellschaft mbH., Wolfsburg, mit einem Stammkapital von 20.000 DM. Die Anteile der Gesellschaft gehörten zu 100 Prozent der Volkswagenwerk GmbH und mit der Gesellschaft wurde ein Gewinn-Abführungsvertrag geschlossen. Im Jahr 1950 erhöhte die Volkswagenwerk GmbH das Stammkapital dieser Tochtergesellschaft um 80 Tsd. DM.57 Es folgte eine weitere Kapitalerhöhung im Jahr 1951 in Höhe von 52

Hiller, Volkswagenwerk weiter ohne Absatzsorgen, S. 1396; th: Volkswagenwerk mit großen Plänen, in: Der Volkswirt 10 (1956, 28), S. 31; Wellhöner, Wirtschaftswunder, S. 114; S. 119 f. 53 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1955, S. 8; Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1956, S. 5; S. 8. 54 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1957, S. 8; Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1959, S. 10. 55 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1963, S. 11; S. 15; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1964, S. 7. 56 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1965, S. 17. 57 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1950, S. 12.

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1,4 Millionen DM.58 Der Gewinnabführungsvertrag wurde mit Wirkung zum 31. 12. 1954 gekündigt.59 Die Aufgabe der Finanzierungsgesellschaft bestand darin, Finanzierungen für den Kauf von Volkswagen durch Händler und Kunden anzubieten. Die Geschäftsentwicklung war bis Ende der fünfziger Jahre gut, bis höhere Sparvermögen sowie eine zunehmende Konkurrenz lokaler Banken und anderer Kreditgeber dazu führten, dass der Geschäftsumfang der Finanzierungsgesellschaft vorübergehend zurückging und sich sukzessive auf die Einkaufsfinanzierung der Händler fokussierte.60 Der dadurch steigende Geschäftsumfang führte zu einer verbesserten Ertragslage und erforderte 1965 sogar eine Einzahlung auf ein erhöhtes Stammkapital und ein beteiligungsähnliches Darlehen in Höhe von 21 Millionen DM.61 Des Weiteren erwarb die Volkswagenwerk GmbH 1949 Anteile an der Hausbaugesellschaft der Automobilindustrie mbH, Hannover, mit einem Buchwert von 26 Tsd. DM.62 Diese Anteile wurden im folgenden Jahr jedoch vollständig auf den Verband der Automobilindustrie übertragen.63 Des Weiteren gründete das Volkswagenwerk 1953 die „VW-Wohnungsbau – Gemeinnützige Gesellschaft mbH, Wolfsburg, mit einem Stammkapital von 100.000 DM mit dem Ziel, zusätzlich Werkswohnungen zu errichten.64 Finanziert wurde die Wohnungsbau GmbH unter anderem mit öffentlichen Darlehen, bei denen die Volkswagenwerk GmbH als Darlehensnehmer auftrat und das Darlehen dann als Konzern-Darlehen an die Wohnungsbau GmbH weiterleitete.65 Dabei handelte es sich unter anderem um ein Arbeitsplatzdarlehen in Höhe von 1,8 Millionen DM im Jahr 1955.66 Die Mittel der Gesellschaft wurden 1954 nochmals über ein Konzerndarlehen aufgestockt.67 Im Jahr 1961 erhöhte das Volkswagenwerk das Stammkapital um 1,9 Millionen DM auf 2 Millionen DM. Ende 1960 verfügte die Gesellschaft über 4.449 Werkswohnungen und zum 31. 12. 1966 über 6.733 Wohnungen.68 Um weitere Möglichkeiten des Wohnungsmarktes ausschöpfen zu können, gründete das Volkswagenwerk 1962 eine weitere – nicht gemeinnützige – Wohnungsbaugesellschaft, die VW-Siedlungsgesellschaft mbH, Wolfsburg. Diese Gesellschaft wurde mit einem Stammkapital von 1 Million DM gegründet, von denen zunächst 25 Prozent eingezahlt wurden. Zwischen der Volkswagenwerk AG und der Siedlungsgesellschaft wurde ein Ergeb58

WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1951 – 1953, S. 13. WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1954, S. 10. 60 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1959, S. 20. 61 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1965, S. 33. 62 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1948/49 u. 1950, S. 7. 63 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1950, S. 12. 64 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1951 – 1953, S. 6; S. 21. 65 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1951 – 1953, S. 22. 66 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1955, S. 14. 67 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1954, S. 8. 68 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1960, S. 30; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1961, S. 19. 59

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nisübernahmevertrag abgeschlossen, sodass die Verluste durch nach § 7b EStG entstehende Sonderabschreibungen auf Gebäude bei der Volkswagenwerk AG steuermindernd wirkten. 1963 erhöhte das Volkswagenwerk das Stammkapital um 9 Millionen DM und zahlte davon ein Viertel ein. In Anpassung an den gestiegenen Geschäftsumfang verdoppelte die Volkswagenwerk AG das Stammkapital im Jahr 1964 auf 20 Millionen DM, von denen im Jahr der Kapitalerhöhung 2,5 Millionen DM und im folgenden Jahr 5,0 Millionen DM eingezahlt wurden. Finanziert wurde die Gesellschaft zusätzlich mit Konzerndarlehen der Muttergesellschaft. Zum 31. 12. 1966 befanden sich 9.333 Wohnungen im Bestand der beiden Wohnungsbaugesellschaften.69 Des Weiteren übernahm das Volkswagenwerk 1964 für einen kleinen Betrag vom Land Niedersachsen 20 Prozent an der „Neuland Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft mbH, Wolfsburg.70 Die Förderung des Wohnungsbaus erfolgte darüber hinaus teilweise auch durch die direkte Darlehensvergabe an bauinteressierte Werksangehörige.71 Als weitere Dienstleistungsgesellschaften wurden 1965 die Vermögensverwaltungsgesellschaft HOLAD Holding & Administration AG, Zürich, und die Wolfsburger Transportgesellschaft mbH, Wolfsburg gegründet.72 Im Kanada gründete die Volkswagenwerk GmbH 1952 zu Vertriebszwecken die hundertprozentige Tochtergesellschaft Volkswagen Canada Ltd., Toronto, mit einem Stammkapital von 1,3 Millionen DM, deren Kapital 1955 durch eine Bareinlage der Volkswagenwerk GmbH um 200.000 Kanadische Dollar auf 500.000 Kanadische Dollar erhöht wurde.73 In Brasilien gründete die Volkswagenwerk GmbH 1953 die Volkswagen do Brasil, Industria e Comercio de Automoveis Ltda., Sao Paulo, mit einem Stammkapital von 400.000 DM und einer Beteiligungsquote von 80 Prozent.74 Die brasilianische Tochtergesellschaft produzierte Transporter und montierte Personenkraftwagen aus einzelnen aus Deutschland gelieferten Teilen. Seit 1960 montierte das Werk in 69 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1962, S. 26; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1963, S. 25; S. 36; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1964, S. 19; S. 26, Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1965, S. 22; S. 33. 70 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1964, S. 26; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1965, S. 33. 71 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht der Volkswagenwerk GmbH 1951 – 1953, S. 9. 72 Der Zweck der Holad bestand in der Verwaltung in- und ausländischer Unternehmungen, der Vermögensverwaltung sowie der Verwaltung und Verwertung gewerblicher Schutzrechte (Stammkapital 100 Tsd. sfr). Zweck der Transportgesellschaft war die bislang von der Volkswagenwerk AG selbst gesteuerte Abwicklung von Transporten und Logistik, insbesondere die Verschiffung von Kraftfahrzeugen (Stammkapital 500 Tsd. DM). Zweck der Leasinggesellschaft war das Leasing von Kraftfahrzeugen und Anlagen aller Art im In- und Ausland (Stammkapital 1 Million DM), siehe: WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1965, S. 22; S. 33; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1966, S. 19. 73 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1951 – 1953, S. 6; S. 21; Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1955, S. 12. 74 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht e Volkswagenwerk GmbH 1951 – 1953, S. 6; S. 21.

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Brasilien nicht mehr nur PKW-Teile, sondern ging zu einer selbstständigen Produktion von Personenkraftwagen über. Das Kapital der Volkswagen do Brasil wurde 1954 von beiden Gesellschaftern anteilig erhöht. Das Volkswagenwerk leistete eine Bareinlage in Höhe von 3,6 Millionen DM.75 Im folgenden Jahr wurde das Kapital aus dem Gewinn der Tochtergesellschaft um 0,6 Millionen DM erhöht.76 Die Gesellschafter erhöhten 1956 das Stammkapital zu gleichen Teilen um 96 Millionen Cruzeiros, um den Bau einer Fabrik in San Bernardo zu finanzieren. Die Kapitalerhöhung erfolgte zum Teil aus Rücklagen und Gewinnen der Gesellschaft.77 1957 erhöhte das Volkswagenwerk das Grundkapital durch Einbringung von Sachanlagen um 62 Millionen Cruzeiros (2,6 Millionen DM), um den Ausbau der Fabrikanlagen für die Fertigung des Transporters zu finanzieren. Die Kapitalbeteiligung stieg infolgedessen auf 85,4 Prozent.78 Zwei Jahre später folgte eine weitere Kapitalerhöhung in Höhe von rund 1 Milliarde Cruzeiros, an der sich das Volkswagenwerk anteilig mit 6,8 Millionen DM beteiligte, sodass der Beteiligungsanteil auf 80 Prozent zurückging. Finanziert wurde die Kapitalerhöhung durch Einbringung von Sachanlagen zur Ausweitung der Produktionsanlagen. Zur Erweiterung der Produktionskapazität wurde das Stammkapital erneut erhöht, und zwar im Jahr 1960 um 1,7 Milliarden Cruzeiros, 1961 um 3,0 Milliarden Cruzeiros, 1962 um 2,2 Milliarden Cruzeiros (Volkswagenanteil 11,8 Millionen DM), 1963 um 12,8 Millionen Cruzeiros und 1964 um 23,1 Milliarden Cruzeiros. Die Kapitalerhöhung von 1963 war zu 9,8 Milliarden Cruzeiros und die von 1964 zu 22,7 Milliarden Cruzeiros auf eine inflationsbedingte Neubewertung des Anlagevermögens zurückzuführen. Der tatsächlich auf das Volkswagenwerk entfallende Anteil der Kapitalerhöhung betrug 8,8 Millionen DM bzw. 0,8 Millionen DM. Das Volkswagenwerk brachte bei allen fünf Kapitalerhöhungen seinen Anteil durch Einbringung von Sachanlagen bei.79 Die Kapitalerhöhung des Jahres 1965 in Höhe von 42,7 Milliarden Cruzeiros war vollständig auf die inflationsbedingte Neubewertung des Anlagevermögens zurückzuführen.80 Zum Ende der fünfziger Jahre war Volkswagen do Brasil an der Finanzierungsgesellschaft CIA. VVD de Crédito, Financiamento e Investimentos mit 50 Prozent beteiligt. Die Gesellschaft finanzierte nach dem Vorbild der Volkswagen Finanzierungsgesellschaft den Kauf von Volkswagen. Im Jahr 1959 erhöht die CIA ihr Grundkapital um 10 Millionen Cruzeiros auf 50 Millionen Cruzeiros, im Jahr 1961 um 30 Millionen Cruzeiros auf 80 Millionen Cruzeiros, im Jahr 1962 um weitere 75

WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1954, S. 10. WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1955, S. 12. 77 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1956, S. 16; S. 23. 78 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1957, S. 16. 79 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1960, S. 27; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1961, S. 25; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1962, S. 23; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1963, S. 22; S. 36; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1964, S. 17; S. 26. 80 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG, S. 23. 76

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120 Millionen Cruzeiros auf 200 Millionen Cruzeiros, 1964 um 160 Millionen Cruzeiros und 1965 infolge eines gestiegenen Geschäftsumfangs um 90 Millionen Cruzeiros. Durch die Kapitalerhöhung im Jahr 1962 stieg die Beteiligungsquote des Volkswagenwerks von 50 Prozent auf 80 Prozent.81 Des Weiteren gründete die Volkswagenwerk GmbH 1964 die brasilianische Tochtergesellschaft Transalme Sociedade de Representacoes, Administracao e Organizacao Ltda. mit einem Stammkapital in Höhe von 100.000 DM mit dem Zweck, angesichts der hohen Inflationsraten die werterhaltende Anlage von Cruzeiro-Guthaben zu steuern.82 Des Weiteren gründete Volkswagen do Brasil 1965 die Forjaria Sao Bernado, S.A. mit einem Grundkapital von 850 Millionen Cruzeiros. Die Forjaria übernahm die Sachwerte eines Zulieferers der Volkswagen do Brasil und belieferte seitdem das brasilianische Werk mit Schmiedeteilen.83 Volkswagen do Brasil erhöhte 1966 das Kapital durch Einzahlung von 700 Millionen Cruzeiros und im weiteren Verlauf desselben Jahres erwarb ein deutscher Partner 12,7 Prozent der Anteile an der Gesellschaft durch die Finanzierung einer weiteren Kapitalerhöhung in Höhe von 225 Millionen Cruzeiros.84 In den USA gründete die Volkswagenwerk GmbH 1955 die alleinige Tochtergesellschaft Volkswagen of America Inc., NJ, mit einem Stammkapital von 100.000 USD. Diese erwarb zunächst mit einem Konzerndarlehen in Höhe von rund 15 Millionen DM eine Fabrik zur Produktion von Kraftfahrzeugen. Als es sich jedoch als betriebswirtschaftlich unvorteilhaft herausstellte, Fahrzeuge direkt in den USA herzustellen statt zu exportieren, wurde die Fabrik wieder veräußert und das Konzerndarlehen floss 1956 zurück an die Volkswagenwerk GmbH.85 Stattdessen fungierte die Volkswagen of America daraufhin als Generalimporteur für Volkswagen in den USA. Das Nominalkapital der Gesellschaft wurde aus Gesellschaftsmitteln 1961 auf 1 Million USD und 1964 um 2 Millionen USD erhöht, um es dem gestiegenen Geschäftsvolumen anzupassen.86 Die Volkswagen of America gründete ihrerseits 1965 mit einem Kapital von 250.000 USD die Volkswagen Southeastern Distributor Inc., die das Geschäft des für diesen Bezirk zuständigen verstorbenen Großhändlers übernahm. Im darauffolgenden Jahr übernahm die Gesellschaft mit Gründung der

81 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1959, S. 18; S. 27; Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1962, S. 23; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1964, S. 17; Geschäftsbericht Volkswagenwerk 1965, S. 24. 82 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1964, S. 26. 83 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1965, S. 24 f. 84 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1966, S. 22. 85 Vgl. WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1955. 86 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1955, S. 12; WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1964, S. 16.

2. Bilanzanalyse

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Volkswagen Northeastern Distributor Inc. (Stammkapital 250.000 USD) das Geschäft eines weiteren US-amerikanischen Volkswagen-Großhändlers.87 In Südafrika beteiligte sich die Volkswagenwerk GmbH 1956 mit 300.000 Südafrikanischen Pfund zu 38 Prozent an der South African Motor Assemblers and Distributors Ltd. (SAMAD), Uitenhage in Südafrika. Die Gesellschaft fungierte zunächst als Generalimporteur für Volkswagen in Südafrika.88 1957 erwarb die Volkswagenwerk GmbH weitere 19,6 Prozent des Eigenkapitals mit einem Nennwert in Höhe von 2,2 Millionen DM. Es folgten weitere Aktienübernahmen durch das Volkswagenwerk, sodass die Beteiligungsquote bis 1961 auf 63 Prozent stieg.89 Im November 1957 Jahres gründeten die SAMAD und die Volkswagen of America eine Finanzierungsgesellschaft zur Erweiterung des Absatzes in Südafrika mit dem Namen South African Motor Acceptance Corporation (Pty.) Ltd., Uitenhagen. Bei diesem Joint Venture hielten beide Gesellschafter jeweils 50 Prozent des Stammkapitals in Höhe von insgesamt 500.000 Südafrikanischen Pfund. Vom Grundkapital waren 1957 von den Gesellschaftern jeweils 125.000 Südafrikanische Pfund eingezahlt.90 Aufgrund der besonderen Schwierigkeiten, Volkswagen-Fahrzeuge in Südafrika zu versichern, gründete die SAMAD zusammen mit einem deutschen Partner als Joint Venture eine eigene Versicherungsgesellschaft, die Volkswagen Insurance Services (Pty.) Ltd., Johannesburg, mit einem Stammkapital von 10.000 Südafrikanischen Pfund. Davon zahlte die SAMAD 1959 2.500 Südafrikanische Pfund und 1960 1.000 Südafrikanische Pfund ein. Die andere Hälfte des zur Zeichnung aufgerufenen Kapitals zahlte der deutsche Partner ein.91 Die Volkswagen Insurance Services gab 1962 das Geschäft mit Kraftfahrzeugversicherungen an eine südafrikanische Maklergesellschaft ab und konzentrierte sich danach auf das Geschäft mit anderen Sachversicherungen.92 In Australien gründete die Volkswagenwerk GmbH Ende Dezember 1957 die Volkswagen (Australasia) Pty Ltd., Melbourne. Die Gesellschaft war zunächst mit einem Grundkapital in Höhe von 250.000 GBP (2,4 Millionen DM) ausgestattet, welches zu einem späteren Zeitpunkt auf 5 Millionen GBP erhöht werden sollte. Die australische Tochtergesellschaft montierte zunächst aus Deutschland gelieferte zerlegte Fahrzeuge. Mittelfristig sollte sie jedoch in Australien die Fertigung von Volkswagen – mit einem begrenzten deutschen Lieferanteil – aufnehmen, d. h., dass der Anteil der in Australien hergestellten Teile sukzessiv auf 70 Prozent steigen sollte. Ab März 1962 betrug der in Australien gefertigte Anteil von Einzelteilen beim Volkswagen 1200 über 50 Prozent. Damit galten die von der Australasia herge87 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1965, S. 25; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1966, S. 23. 88 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1956, S. 17. 89 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1961, S. 25. 90 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1957, S. 17; S. 24. 91 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1960, S. 28. 92 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1962, S. 24.

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V. Volkswagenwerk AG

stellten Fahrzeuge als australische Erzeugnisse.93 Das Volkswagenwerk war an der Australasia mit 51 Prozent beteiligt. Die australische Tochtergesellschaft gründete ebenfalls 1957 zusammen mit der Volkswagenwerk GmbH die Volkswagen Acceptance Corporation Ltd., Melbourne, die zu einem späteren Zeitpunkt die Absatzfinanzierung in Australien steuern sollte. Von den 2.000 GBP Grundkapital waren am 31. 12. 1957 5 GPB eingezahlt.94 Im darauffolgenden Jahr übernahm die Australasia den ehemaligen australischen Generalimporteur für Volkswagen, die Volkswagen Distributors Pty Ltd., die fortan für die Auslieferung der Fahrzeuge und für Werbung zuständig war.95 1959 wurden von dem genehmigten Stammkapital weitere 1,08 Millionen GBP zur Zeichnung aufgerufen. Das Volkswagenwerk brachte seinen Anteil in Höhe von 550.800 GBP (4,7 Millionen DM) durch Bar- und Sacheinlagen ein. Im selben Jahr kaufte die Australasia die Aktien der Allied Iron Founders (Pty.) Ltd., Melbourne, und gliederte deren Produktionskapazitäten in die Montage von Volkswagen ein.96 1960 erhöhte das Volkswagenwerk seine Beteiligung an der Australasia durch Übernahme eines Aktienpakets auf 75,5 Prozent. Der Kaufpreis wurde Anfang 1961 gezahlt. Im selben Jahr gründete die Australasia eine weitere Tochtergesellschaft zum Vertrieb von Fahrzeugen in Westaustralien. Die Volkswagen (W. A.) Pty. Ltd., Perth/Westaustralien, war mit einem Grundkapital von 100.000 australischen Pfund ausgestattet, von denen 1960 100 Pfund eingezahlt waren.97 1961 übernahm das Volkswagenwerk die verbliebenen Aktien der Australasia und hielt damit 100 Prozent des Kapitals. Im gleichen Jahr wurde das Grundkapital durch Einbringung von Sach- und Bareinlagen um 2,5 Millionen australische Pfund auf 5 Millionen australische Pfund erhöht.98 Nachdem Frankreich die Einfuhr von Automobilen aus EWG-Ländern zum 1. Januar 1960 liberalisiert hatte, gründete das Volkswagenwerk zusammen mit den beiden nordamerikanischen Tochtergesellschaften Volkswagen Canada und Sylvan Avenue Corp. die Vertriebsgesellschaft Volkswagen France S.A., Paris, zur Erschließung des französischen Marktes. Das Stammkapital betrug 1 Million Nouveau Francs (im Folgenden: NF), von denen 75 Prozent auf die Volkswagenwerk AG entfielen. Das Kapital wurde bereits ein Jahr nach der Gründung im Jahr 1961 auf 2 Millionen NF erhöht. Die Kapitalerhöhung finanzierte das Volkswagenwerk durch die Umwandlung eines Konzerndarlehens.99 Zur Finanzierung einer Niederlassung mit zentralem Auslieferungs- und Ersatzteillager in der Nähe von Paris erhöhte das 93

WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1962, S. 9. WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1957, S. 17; S. 24. 95 1963 Umfirmierung zu Volkswagen (Services) Pty. Ltd., siehe WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1963, S. 24. 96 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1959, S. 20. 97 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG, S. 29; 1963 Umfirmierung zu Volkswagen (Sales) Pty. Ltd., siehe Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1963, S. 24. 98 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerkwerk AG 1961, S. 26. 99 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1960, S. 30; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1961, S. 27. 94

2. Bilanzanalyse

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Volkswagenwerk das Grundkapital der Volkswagen France 1962 um 5 Millionen NF (2,3 Millionen DM) auf 7 Millionen NF. Finanziert wurde die Kapitalerhöhung durch Bareinlagen und durch die Umwandlung eines Konzerndarlehens.100 Im folgenden Jahr wendete das Volkswagenwerk 2 Millionen DM auf, um den Rest der im Vorjahr beschlossenen Kapitalerhöhung als Bareinlage einzuzahlen sowie um weitere Anteile der Gesellschaft hinzuzukaufen, sodass die Volkswagenwerk AG nunmehr 98 Prozent der Anteile hielt.101 Zur Einkaufsfinanzierung der französischen Händler gründeten das Volkswagenwerk und Volkswagen France (46 Prozent) 1964 die Société Volkswagen Financement S.A. mit einem Grundkapital von 5 Millionen Franc. Weniger erfolgreich verlief das Geschäft der 1963 gegründeten Versicherungsmaklergesellschaft Service d’Assurance Volkswagen S.A. Nach den Anlaufkosten wurde das Eigenkapital zwar auf 400.000 Franc erhöht, um es dem gestiegenen Geschäftsvolumen anzupassen, als sich das Geschäft jedoch 1965 aufgrund höherer Versicherungsprämien rückläufig entwickelte, wurde die Kapitalausstattung 1965 nach einem Kapitalschnitt auf 250.000 Franc neu festgesetzt.102 In Mexiko reagierte die Volkswagenwerk AG 1964 auf die Bestrebungen der mexikanischen Regierung, durch eine fortschreitende Erschwerung des Imports von Kraftfahrzeugen den Aufbau einer inländischen Automobilindustrie zu fördern, mit der Gründung einer eigenen mexikanischen Tochtergesellschaft. Die Volkswagen de México S.A. de C.V. war mit einem Grundkapital von 24 Millionen mexikanischen Dollar (7,7 Millionen DM) ausgestattet und nahm nach dem Ausbau ihrer Werksanlagen die Produktion von Volkswagen auf.103 Aufgrund der guten Absatzlage und zur Erweiterung der Produktionskapazitäten erhöhte das Volkswagenwerk 1965 das Kapital durch Einbringung einer Sacheinlage in Höhe von 89 Millionen mexikanischen Dollar (16 Millionen DM).104 Im Rahmen der Geschäftstätigkeit der ausländischen Gesellschaften beteiligte sich das Volkswagenwerk 1960 mit 25 Millionen DM an der EntwicklungshilfeAnleihe der Bundesregierung. Die Anschaffungskosten wurden mit steuerlicher Wirkung bis 1961 auf 92 Prozent abgeschrieben.105 Den Geschäftsberichten ist zu entnehmen, dass sich die Ergebnisse der Tochtergesellschaften durchgehend „zufriedenstellend“ bis „gut“ entwickelten. Ausnahmen waren das Geschäft der französischen Versicherungsmaklergesellschaft, die kanadische Tochtergesellschaft, deren Ergebnisse der Jahre 1961 und 1962 vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Schwierigkeiten in Kanada als „angemes100

WWA S7 – 322: Geschäftsbericht e Volkswagenwerk AG 1962, S. 25; S. 37. WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1963, S. 25; S. 36. 102 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1964, S. 18; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1965, S. 24; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1966, S. 23. 103 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1964, S. 17; S. 26. 104 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1965, S. 23; S. 33. 105 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1960, S. 30; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1961, S. 36. 101

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sen“ bezeichnet wurden,106 sowie die australischen Gesellschaften, die 1961 aufgrund des gesamtwirtschaftlichen Abschwungs in Australien einen Verlust erwirtschafteten und deren Ergebnisse der Jahre 1965 und 1966 in den Geschäftsberichten erneut als „nicht befriedigend“ bzw. „nicht zufriedenstellend“ bezeichnet wurden.107 Hierbei handelte es sich jedoch im Konzernmaßstab um geringfügige und vorübergehende Ertragseinbußen, die zu keiner Zeit die gesamte Ertragslage des Unternehmens beeinträchtigten. Im Inland übernahm das Volkswagenwerk Anfang 1965 etwas mehr als 50 Prozent und im Laufe des Jahres weitere 25 Prozent der Anteile an der Auto Union GmbH von der Daimler-Benz AG. Zusammen mit einer Erhöhung des Stammkapitals wendete das Volkswagenwerk dafür 230 Millionen DM auf.108 Schließlich war neben Daimler-Benz auch das Volkswagenwerk an der Kernreaktor-Finanzierungs-Gesellschaft mbH, Frankfurt/Main, beteiligt.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten a) Umsatz- und Ertragslage aa) Überblick Die Volkswagenwerk AG erwirtschaftete zwischen 1948 und 1965 mit der Produktion und dem Verkauf von Personenkraftwagen, Transportern und Motoren einen Gesamtumsatz in Höhe von 48 Milliarden DM. Hinweise auf die Produktion von Rüstungsgütern liegen nicht vor. Während des gesamten Untersuchungszeitraums verzeichnete das Volkswagenwerk von Jahr zu Jahr ein kontinuierliches Wachstum. Dabei lassen sich zwei Phasen voneinander unterscheiden. Bis einschließlich 1960 lagen die jährlichen Wachstumsraten gegenüber dem Vorjahr bei durchschnittlich 25 Prozent. In der zweiten Phase bis 1965 ließ die Wachstumsdynamik etwas nach und größere Umsatzsteigerungen waren nur noch alle zwei Jahre – also in den Jahren 1962 und 1964 – zu beobachten. Wesentlicher Umsatzträger mit einem Produktionsanteil von mehr als 80 Prozent an der Gesamtproduktion war der Personenkraftwagen. Das Volkswagenwerk erzielte zwischen 1948 und 1965 durchgehend positive Jahresüberschüsse in Höhe von insgesamt 1,7 Milliarden DM. Der besonders hohe Jahresüberschuss im Geschäftsjahr 1958 ist auf die Auflösung stiller Reserven zu106 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1961, S. 22; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1962, S. 22. 107 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1961, S. 27; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1962, S. 25; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1965, S. 25. 108 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1964, S. 7; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1965, S. 9; S. 21; S. 33.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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Abbildung 20: Umsatz Volkswagenwerk AG (Mrd. DM) Quelle: WWA S7 – 322: Geschäftsberichte Volkswagenwerk AG 1948 – 1965.

Abbildung 21: Produktion Volkswagenwerk Konzern (Tsd. Stück) Quelle: WWA S7 – 322: Geschäftsberichte Volkswagenwerk AG 1948 – 1965.

rückzuführen, mit denen die Kapitalerhöhung des Jahres 1959 finanziert wurde. Der Ergebnisrückgang des Jahres 1965 resultierte aus gestiegenen Einkaufspreisen für Rohstoffe, die nur teilweise an die Kunden weitergegeben werden konnten, dem Rückgang von Zinserträgen durch die Ausgliederung der Händler-Einkaufsfinanzierung an die Volkswagen-Finanzierungs-Gesellschaft (schätzungsweise weniger als 10 Millionen DM) sowie aus der Übernahme von Verlusten der Auto-Union

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infolge der Bereinigung des nicht marktgerechten Typen-Programms der Auto Union (84 Millionen DM).109

Abbildung 22: Jahresüberschuss (Mio. DM) und Umsatzrendite Volkswagenwerk AG Quelle: WWA S7 – 322: Geschäftsberichte Volkswagenwerk AG 1948 – 1965.

Die quantitativen Ergebnisbeiträge sowie die Profitabilität einzelner Produkte und Produktgruppen können aus den zur Verfügung stehenden Quellen weder verlässlich noch durchgehend ermittelt werden. Stattdessen soll im Folgenden die Geschäftsentwicklung der einzelnen Geschäftsfelder beleuchtet werden. Das Ziel soll es sein, die wesentlichen Ursachen für die Entwicklung der Umsatz- und Ertragslage zu bestimmen. Betrachtet werden das PKW-, Transporter- und Motorengeschäft. Den Einstieg in Rüstungsgeschäfte lehnte Heinz Nordhoff mehrfach kategorisch ab.110 bb) Personenkraftwagen Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der PKW-Produktion betrug 19 Prozent.111 Besonders dynamisch war das Wachstum in den Jahren von 1948 bis 1960 mit einem jährlichen Wachstum von durchschnittlich 25 Prozent. Danach ließ die Wachstumsdynamik auf hohem Niveau nach und erreichte bis 1965 im Durchschnitt jährliche Zuwachsraten von 12 Prozent. Ohne die Einführung des VW 1500 wäre die Produktion im Jahr 1963 rückläufig gewesen.

109 110 111

WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1965, S. 36 ff. Edelmann, Heinz Nordhoff, S. 97. Die Produktionsmengen der Tochtergesellschaften sind dabei nicht berücksichtigt.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

211

Bemerkenswert ist außerdem die Produktionssteigerung des Jahres 1951 gegenüber dem Vorjahr (+14 Prozent). Die im Jahre 1951 auftretenden Engpässe bei Kohle, Eisen und Stahl führten anders als bei anderen Unternehmen der deutschen Wirtschaft beim Volkswagenwerk nicht zu Produktionsstockungen.112 Der Grund hierfür ist in der engen Verbindung des Werkes zu höchsten Stellen der deutschen Politik zu sehen. Nachdem Vizekanzler Franz Blücher im März 1951 im Bundeskabinett über das Risiko zukünftiger Stilllegungen des Werkes infolge des Materialengpasses berichtete, nahm sich Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard persönlich dieses Problems an und machte seinen Einfluss geltend, um die Fünf-TageWoche beim Volkswagenwerk sicherzustellen.113

Abbildung 23: PKW-Produktion Volkswagenwerk Konzern (Tsd. Stück) Quelle: WWA S7 – 322: Geschäftsberichte Volkswagenwerk AG 1948 – 1965.

Bei der Produktpolitik fokussierte sich das Volkswagenwerk zunächst auf die Herstellung und den Vertrieb eines einzigen Wagentyps. Das seit 1946 weiterentwickelte Standardmodell des VW Käfers wurde seit Mitte 1949 in den Varianten Export (mit einigen technischen Verbesserungen gegenüber dem Standardmodell) und Cabriolet angeboten.114 Bei diesem Fahrzeugtyp handelte es sich um einen Wagen der oberen Kleinwagenklasse mit einem luftgekühlten 1.100 ccm großen Heckmotor. Nordhoff hielt an dem VW Käfer fest, obwohl der Wagen 1948 noch zahlreiche technische Mängel aufwies, weil er an das Potenzial des Wagens 112

WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1951 – 1953, S. 5. BArch: 138. Kabinettssitzung am 30. März 1951 TOP D; 142. Kabinettssitzung am 18. April 1951 TOP B (›Kabinettsprotokolle der Bundesregierung‹ online). 114 Die populäre Bezeichnung „Käfer“ für den Typ 1 geht sehr wahrscheinlich auf einen Artikel in der New York Times über den KdF-Wagen vor dem Zweiten Weltkrieg zurück, siehe: Wellhöner, Wirtschaftswunder, S. 327. 113

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glaubte.115 Bei der Weiterentwicklung des Standardmodells zum technisch höherwertigen Exportmodell orientierte sich Nordhoff 1948 auch an den Anregungen der ausländischen Händler, sodass die Anforderungen der Exportmärkte in der Produktpolitik Niederschlag fanden.116 Des Weiteren ordnete Nordhoff die Entwicklung neuer Modelle strikt den Erfordernissen der Massenproduktion unter. So verschob er Anfang 1951 die Markteinführung des verbesserten Exportmodells, um die Ressourcen zunächst für die Erhöhung der Produktion zu bündeln.117 Erst als sich die Situation bei den Rohstoffen und Vorprodukten entspannte, präsentierte das Volkswagenwerk im Oktober 1952 das neue Modell. Die Nachfrage nach dem Exportmodell war so stark, dass bereits zum Zeitpunkt der Markteinführung 75 Prozent aller Fahrzeuge in dieser Variante produziert wurden. Erst nachdem der Aufbau der Massenproduktion mit dem Erreichen einer Jahresproduktion von 150.000 Fahrzeugen im Jahr 1953 erfolgreich abgeschlossen war, ergänzte Nordhoff die Produktpalette 1955 mit dem zweisitzigen auf dem Käfer basierenden Karmann Ghia Coupé, das ab 1957 auch als Cabriolet angeboten wurde.118 Bis über das Ende des Untersuchungszeitraums hinaus ließ Nordhoff die vorhandenen Modelle technisch fortlaufend weiterentwickeln – sofern es kaufmännisch vertretbar war. Andererseits untersagte Nordhoff Entwicklungen, welche die äußere Erscheinung der Fahrzeuge wesentlich veränderten. Dadurch blieben die Herstellungskosten gering und die Käufer des Volkswagens konnten sicher sein, dass ihr Fahrzeug nicht in ein paar Jahren durch die Einführung eines völlig neuen Modells entwertet wurde. So wurden beispielsweise die Motorleistung des Käfers und des Transporters 1954 von 25 PS auf 30 PS erhöht und die Höchstgeschwindigkeit wurde auf 110 km/h gesteigert.119 Innerhalb des Unternehmens erfuhr Nordhoff wenig Widerstand gegen seine Modellpolitik. Als Generaldirektor und späterer Vorstandsvorsitzender war er mit der disziplinarischen Kompetenz ausgestattet, seinen Willen im Zweifelsfall gegen die Hauptabteilungsleiter durchzusetzen. Der Aufsichtsrat wurde erst 1951 eingesetzt und blieb aufgrund der Kompetenzstreitigkeiten zwischen den vom Land Niedersachsen, dem Bundesministerium für Wirtschaft und dem Bundesfinanzministerium in den Aufsichtsrat entsendeten Vertretern zunächst ein durchsetzungsschwaches Gremium. Gegenwind erhielt Nordhoff allerdings von den VolkswagenHändlern und der Gewerkschaft IG Metall. Die Händler befürchteten 1954 angesichts der langen Lieferfristen, dass das Volkswagenwerk den Anschluss an den 115

Nelson, S. 272; Tolliday, S. 330; Wood, Jonathan: The Volkswagen Beetle, including Karmann Ghia, London 1983, S. 54. 116 Edelmann, Heinz Nordhoff, S. 97. 117 Edelmann, Heinz Nordhoff, S. 117. 118 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1955, S. 8; Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1957, S. 10. 119 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1954, S. 5.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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Markt verpassen würde, wenn nicht bald mindestens ein neues Modell entwickelt werden würde. Der Vertreter der IG Metall im Aufsichtsrat Otto Brenner forderte 1956 ebenfalls die Entwicklung eines neuen Modells, um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu sichern. Dieser Forderung schlossen sich die Händler an. Nordhoff teilte grundsätzlich die Bedenken und beauftragte die Entwicklungsabteilung mit der Konstruktion neuer Modelle. Doch schließlich hielt er an dem einen Modell fest und begründete seine Entscheidung damit, dass dies die wirtschaftlichste Lösung sei. Solange sich ein Modell so gut absetzen ließe wie der VW Käfer, sei es klüger, dieses Modell weiterzuentwickeln.120 Die Forderung nach einem Einstieg in das Kleinstwagengeschäft wies Nordhoff mit dem Hinweis zurück, dass die Nachfrage in diesem Kundensegment mit gebrauchten VW Käfern bedient werden könne. Daher sei er nicht bereit, innerhalb der nächsten 5 Jahre Änderungen der Produktpolitik vorzunehmen.121 Tatsächlich folgten die bis dahin bedeutendsten technischen Verbesserungen der vorhandenen Fahrzeugtypen erst im Jahr 1960: Die Personenkraftwagen und Transporter erhielten einen neuen Motor mit einer Leistung von 34 PS und einer längeren Lebensdauer und höheren Laufruhe, einen automatischen Vergaser, ein vollsynchronisiertes Getriebe, Scheinwerfer mit asymmetrischem Abblendlicht, Blinkleuchten anstatt Winker und die Personenkraftwagen erhielten zusätzlich eine Scheibenwaschanlage und einen vergrößerten Kofferraum.122 Weitere wesentliche technische Verbesserungen betrafen 1961 die Einführung von hydraulischen Bremsen beim Standardmodell und 1966 die Erhöhung der Motorleistung und den Einbau von Scheibenbremsen des 1965 neu eingeführten VW Käfers VW 1300.123 Allerdings wendete sich Nordhoff spätestens 1959 von der Ein-Produkt-Politik ab, da er bereits im Sommer 1958 eine stärkere Konkurrenz auf dem Markt für gehobene Kleinwagen und eine Verschiebung der Nachfrage in höhere Fahrzeugklassen erwartete.124 Infolgedessen produzierte das Volkswagenwerk ab 1961 den Mittelklassewagen VW 1500, der zunächst als Limousine und Coupé und 1962 auch als Kombi (VW Variant) angeboten wurde. Der anspruchsvoller ausgestattete VW 1500 S war ab 1963 serienmäßig und bei unverändertem Preis mit einem 54 PS starken Zwei-Vergaser-Motor versehen und ab 1965 mit leicht veränderter Karosserie als VW 1600 mit einem 1,6 Liter Hubraum fassenden Motor erhältlich. Mit den zusätzlichen Fahrzeugtypen gelang es Nordhoff, neue Kundensegmente zu erschließen.125 Insbesondere der Variant richtete sich mit einem 1.200 Liter fassenden 120 Nordhoff, Heinz, zit. n.: Volkswagenwerk. In König Nordhoffs Reich, in: Der Spiegel (1955), S. 22. 121 Tolliday, S. 333. 122 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1960, S. 16. 123 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1961, S. 34; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1963, S. 15; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1965, S. 9. 124 Hiller, Heinrich: Volkswagenwerk in weiterer Expansion. Ausfuhr weiter gesteigert, in: Der Volkswirt 12 (1958, 31), S. 1559 f. 125 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1961, S. 10; S. 14.

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Laderaum an Familien, eignete sich aber auch sehr gut für Transport- und Lieferzwecke und war bereits im Jahr seiner Einführung ein kommerzieller Erfolg.126 Als Teil des Volkswagenwerk-Konzerns brachte die Auto-Union 1965 den ersten Audi auf den Markt, der zunächst als Limousine mit einem 1.700 ccm großen und 75 PS starken Motor zu einem Preis von 7.690 DM angeboten wurde und sich einer guten Absatzlage erfreute. Im selben Jahr kamen der Audi 80 und der Audi 90 auf den Markt.127 Mit dem Erwerb der Auto-Union erweitere das Volkswagenwerk sein Produktionsprogramm um Produkte, mit denen es dem Unternehmen erfolgreich gelang, neue höherwertige Kundensegmente zu erschließen. Die Absatzsituation war während des gesamten Untersuchungszeitraums sehr gut. Bis 1961 mussten sich Kunden auf teilweise mehrmonatige Lieferfristen einstellen, da der Ausbau der Produktionskapazitäten mit der steigenden Nachfrage nicht Schritt halten konnte.128 Der Grund für die zurückhaltende Investitionspolitik des Unternehmens ist weniger in einem Mangel an finanziellen Möglichkeiten zu sehen als vielmehr darin, dass Generaldirektor Nordhoff vor dem Hintergrund seiner persönlichen Erfahrungen mit Überkapazitäten in der Automobilindustrie der zwanziger Jahre die mittelfristige Nachfrage nach Volkswagen unterschätzte. So stärkte er in Erwartung einer Absatzkrise die Reserven des Unternehmens, statt ausreichend in die Anlagenerweiterung zu investieren.129 Seine Strategie bestand darin, die Jahresproduktion zunächst auf eine rentable Höhe von 150.000 Fahrzeugen zu steigern und gleichzeitig durch gezielte Investitionen die Produktivität zu erhöhen, um so die Wettbewerbsposition von des Volkswagenwerks abzusichern, wenn sich der Wettbewerb auf den Märkten verschärfen sollte. Nordhoff veranlasste daher 1952 die Anschaffung automatischer Auswuchtmaschinen und 1953 die Anschaffung einer zweiten Rahmenstraße, die anders als die vorhandene in einer konsequenten Fließbandanordnung aufgestellt wurde. Mit der zunehmenden Automatisierung der Produktion stieg der Energiebedarf des Werks, sodass das Volkswagenwerk in den Ausbau des eigenen Kraftwerks investierte. Zur Optimierung der innerbetrieblichen Logistik schaffte das Volkswagenwerk seit 1953 Gabelstapler an.130 Da der Platz in den Werkshallen nach dem Aufbau der Massenfertigung ab 1953 nicht mehr ausreichte, nahm Nordhoff im

126

WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1962, S. 8. WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1965, S. 13; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1966, S. 11. 128 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1950, S. 9; Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1951 – 1953, S. 5 f.; Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1954, S. 5; Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1956, S. 5; S. 10; Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1957, S. 8; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1960, S. 20; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1961, S. 17; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1962, S. 15. 129 Tolliday, S. 330. 130 Edelmann, Heinz Nordhoff, S. 141. 127

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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Laufe desselben Jahres einige Erweiterungsinvestitionen vor.131 Nach einer USAReise leitender Angestellter genehmigte der Aufsichtsrat 1955 ein Investitionsprogramm, welches die Produktivität im Wolfsburger Stammwerk weiter steigern sollte. Das Investitionsprogramm sah die Installation von Transferstraßen und den verstärkten Einsatz von Spezialmaschinen vor, welche die älteren Mehrzweckmaschinen ablösten. Die Investitionen betrafen die Erweiterung und Rationalisierung der Rahmenwerkstatt, der Presswerkstatt, der Ersatzteilfertigung, des Kraftwerkes, der Gießerei, des Werksbahnhofes, der Härterei und der Galvanik. Die erste Pressenverkettung wurde 1955 angeschafft und im folgenden Jahr konnten die ersten Greifermechanisierungen in der Fußbodenstraße eingesetzt werden.132 Die Investitionen bewirkten eine deutliche Steigerung der Produktivität: 1957 stellten 19,5 Personenjahre pro Tag ein Fahrzeug her, während es 1948 noch 51,2 Personenjahre gewesen waren.133 Als am Ende des ersten Quartals des Geschäftsjahres 1955 der Absatz erstmals seit der Währungsreform rückläufig war, sah Nordhoff seine Befürchtungen bestätigt und schloss Investitionen zum Ausbau der Produktion grundsätzlich aus. Und obwohl sich der Absatz im Jahresverlauf belebte und die Lieferfrist für einen Volkswagen 1956 bis zu 8 Monate betrug, hielt Nordhoff weiterhin an seiner vorsichtigen Investitionspolitik fest. Erst als die Nachfrage nach Volkswagen auch 1956 nicht nachließ und sich für 1957 ein Wachstum auf die doppelte Jahreskapazität der vorhandenen Anlagen abzeichnete, räumte Nordhoff ein, dass seine bisherige Investitionspolitik zu vorsichtig war und dass eine Erweiterung der Produktionskapazitäten unumgänglich sei.134 Um auf den europäischen Exportmärkten nicht Marktanteile an Ford, Opel, Renault und Fiat zu verlieren, initiierte Nordhoff daher Ende 1957 ein Investitionsprogramm, das bis 1960 Investitionen über 668 Millionen DM vorsah.135 Das Ziel bestand darin, die Jahresproduktion auf 606.000 und später auf 650.000 Pkws zu steigern. Dazu verlagerte das Volkswagenwerk die Motorenfertigung nach Hannover, die Getriebefertigung und die Ersatzteilproduktion wurden in dem neu zu errichtenden Werk Kassel zusammengefasst und die Achsenfertigung ging von Wolfsburg nach Braunschweig. Des Weiteren wurde die Produktion von rund 700 Teilen an externe Zulieferer ausgelagert.136 Infolgedessen konnten ab 1962 die Lieferfristen dauerhaft nachhaltig reduziert werden – und dies auch nur durch das

131 So wurden die Straßen zwischen den Werkshallen überbrückt, Lackiererei, Karosseriefertigung und die Pkw-Endmontage zogen 1954 in eine neue Halle um, siehe: Edelmann, Heinz Nordhoff, S. 142. 132 Hiller, Volkswagenwerk weiter ohne Absatzsorgen, S. 1396; Tolliday, S. 333; Wellhöner, Wirtschaftswunder, S. 113; S. 123. 133 Oskar Jensen, zit. n.: Hiller, Volkswagenwerk in weiterer Expansion, S. 1561. 134 rt: Kapitalausstattung und Ertragslage der deutschen Automobilindustrie, 1957, S. 457; Tolliday, S. 333 – 335. 135 Tolliday, S. 335. 136 Hiller, Volkswagenwerk in weiterer Expansion, S. 1559.

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Einlegen von Sonderschichten.137 Der von Nordhoff in den fünfziger Jahren erwartete Absatzrückgang trat schließlich erst 1966 ein. Infolge der allgemeinen konjunkturellen Krise des Jahres 1966 ging der inländische Fahrzeugabsatz erstmalig zurück, konnte aber durch ein stärkeres Exportgeschäft ausgeglichen werden.138 Der Bruttolistenpreis für das gängigste Modell, den Volkswagen 1200 in Exportausführung, betrug zu Beginn des Untersuchungszeitraums 5.300 DM. Nordhoff senkte den Preis 1949 im Inland auf 4.800 DM und 1950 im Inland auf 4.400 DM und im Export auf 5.150 DM mit der Absicht, die gestiegenen Herstellungskosten durch Skalenerträge infolge einer höheren Absatzmenge aufzufangen.139 Darüber hinaus kam es bei allen Modellen zu technischen Verbesserungen der Fahrzeuge. Durch die Verteuerung von Rohstoffen aufgrund der Korea-Krise musste der Preis 1951 vorübergehend angehoben werden. Allerdings führte das Volkswagenwerk 1952 bei unveränderten Preisen technische Verbesserungen an den Fahrzeugen durch. In den Folgejahren konnte das Volkswagenwerk durch Skaleneffekte, Rationalisierung der Produktion und die bessere Beschaffungslage den Preis sukzessive weiter senken, und zwar 1953 auf 5.150 DM, 1954 auf 4.850 DM und 1955 auf 4.600 DM. Ein wichtiger Aspekt bei der Preissenkung war die Absicht Nordhoffs zu verhindern, dass Opel und Ford Marktanteile hinzugewinnen konnten.140 Die Preispolitik des Unternehmens war nicht unumstritten. Staatsunternehmen waren gesetzlich dazu verpflichtet, sich bei der Preisgestaltung an der allgemeinen Preispolitik der Bundesregierung zu orientieren. Daraus leitete die Bundesregierung zwar einerseits denselben Anspruch an das Volkswagenwerk ab, der aber durch den Beschluss des Volkswagen-Beirats am 5. Oktober 1951 relativiert wurde. Demzufolge sollte die Intervention der Regierung die Elastizität der Unternehmenspolitik nicht allzu sehr einschränken.141 In der Folge kam es immer wieder zu Konflikten zwischen Nordhoff und der Bundesregierung. Während Nordhoff beispielsweise im Jahr 1956 „die Ernte einfahren“ wollte, vertraten Bundeskanzler und Bundeswirtschaftsminister im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Preispolitik den Standpunkt, Nordhoff solle angesichts der guten Ertragslage die Preise senken.142 Doch Nordhoff setzte sich schließlich gegen diese Forderungen durch, sodass die Preise für die nächsten 4 Jahre unverändert blieben.143 Zu Preiserhöhungen kam es aufgrund von Kostensteigerungen erst wieder 1961 (4.470 DM), 1962 (4.980 DM) und 1966 (5.150 DM). Damit lag der Preis des Jahres 1966 – bei zahlreichen technischen Verbesserungen des 137 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1962, S. 15; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1963, S. 9. 138 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1966, S. 7. 139 Edelmann, Heinz Nordhoff, S. 116. 140 Edelmann, Heinz Nordhoff, S. 142 f. 141 Tolliday, S. 313. 142 BArch: 116. Kabinettssitzung am 27. Januar 1956 TOP B (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). 143 Tolliday, S. 333.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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Produkts – exakt auf dem Preis von vor 13 Jahren.144 Der wesentliche Umsatz- und Ergebnistreiber war somit die deutliche Ausweitung der Produktion. cc) Lastkraftwagen Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der LKW-Produktion betrug 22 Prozent.145 Das rasante Wachstum der fünfziger Jahre flachte in den sechziger Jahren ab und ab 1962 ging der jährliche Zuwachs der Produktion auf einstellige Wachstumsraten zurück, bis die Produktion 1965 sogar erstmals rückläufig war.

Abbildung 24: Transporter-Produktion Volkswagenwerk Konzern (Tsd. Stück) Quelle: WWA S7 – 322: Geschäftsberichte Volkswagenwerk AG 1948 – 1965.

Die Produktpolitik folgte im Wesentlichen der Produktpolitik bei den PKW. Das 1949 entwickelte Modell T1 basierte in technischer Hinsicht weitestgehend auf dem VW Käfer.146 Die Idee bestand darin, mit möglichst vielen gleichen Teilen aus der PKW-Produktion zusätzlichen Kundensegmenten einen kleinen Bus bzw. einen Lieferwagen anzubieten. Im Laufe der Zeit wurde der Transporter in immer mehr Sonderausführungen angeboten, um spezielle Kundenwünsche zu befriedigen (z. B.

144 Während das Cabriolet 1948 noch 7.500 DM kostete, senkte Volkswagen den Preis 1950 auf 6.950 DM, WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1948/49 und 1950, S. 5; Geschäftsberichte Volkswagenwerk GmbH 1951 – 1953, S. 7; Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1954, S. 6; Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1955, S. 9; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1961, S. 34; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1962, ohne Seitenangabe 49; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1966, S. 11. 145 Die Produktionsmengen der Tochtergesellschaften sind dabei nicht berücksichtigt. 146 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1950, S. 9.

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als Kranken- oder Feuerwehrwagen).147 Technische Verbesserungen folgten in der Regel den Innovationen aus dem PKW-Bereich. So war der T1 ab 1963 gegen Aufpreis auch mit einem 1.500 ccm großen Motor erhältlich und wurde ab 1964 serienmäßig als Eintonner mit einem 42 PS starken Motor angeboten.148 Das äußere Erscheinungsbild des Modells T1 blieb während des Untersuchungszeitraums unverändert, bis es 1967 von dem Nachfolgemodell T2 abgelöst wurde. Die Absatzlage war durchgehend gut. Die hohen Lieferfristen normalisierten sich nach der Fertigstellung des neuen Transporter-Werks in Hannover erstmals 1957.149 Der Preis für den Transporter wurde 1954 gesenkt und blieb in den Folgejahren weitestgehend konstant.150 dd) Motoren Zu Beginn der fünfziger Jahre nahm das Volkswagenwerk die Produktion von Industriemotoren auf. Diese Motoren waren identisch mit dem Motor des VW Käfers und fanden Anwendung als Antriebsaggregate in landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten. Dieser Geschäftszweig blieb angesichts der geringen Produktionszahlen ein eher vernachlässigbares Randgeschäft. Veröffentliche Produktionszahlen liegen nur für die Jahre 1956 und 1957 vor. In diesen beiden Jahren wurden 12.449 bzw. 13.844 Industriemotoren produziert. Der Geschäftsbericht des Jahres 1960 berichtet lediglich von steigenden Produktionszahlen.151 Da sich die Investitions- und Finanzierungsstruktur des Unternehmens über den gesamten Untersuchungszeitraum ohne das Industrie-Motoren-Geschäft nicht wesentlich anders dargestellt hätte, wurde auf eine weitere Untersuchung dieses Geschäfts verzichtet.

b) Aufnahme von Fremdkapital aa) Betriebsmittelkredite der VW-Händler und der Verwaltung für Wirtschaft 1948 Das Volkswagenwerk verfügte unmittelbar nach der Währungsreform über Bargeld in Höhe von lediglich 62.000 DM. Nordhoff setzte daher vor und nach der Währungsreform alles daran, den laufenden Betrieb und Investitionen aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Beispielsweise veranlasste er, die Auslieferung von Fahr147

WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1959, S. 14. WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1963, S. 15; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1964, S. 10. 149 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1956, S. 5; S. 10; Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1957, S. 10. 150 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht e Volkswagenwerk GmbH 1951 – 1953, S. 7. 151 Vgl. WWA S7 – 322: Geschäftsbericht e Volkswagenwerk GmbH 1954 – 1956. 148

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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zeugen soweit wie möglich auf die Zeit nach der Währungsreform zu verschieben, um über Zahlungseingänge in wertvoller Deutscher Mark zu verfügen. Die Einkaufsabteilung bemühte sich darum, die Lieferung bestellter, aber nicht dringend benötigter Betriebsmittel nach der Währungsreform möglichst weit hinauszuzögern, um die Zinslast der von der Verwaltung für Wirtschaft bereitgestellten Betriebsmittelkredite möglichst niedrig zu halten. Gespart werden sollte außerdem am Personal, bei den Telefonkosten und beim Schreibmaterial. Diesen Maßnahmen reichten jedoch nicht aus, um die ersten Löhne in DM zu bezahlen. Um diese Summe zu finanzieren, forderte Nordhoff die VW-Großhändler zur Gewährung eines kurzfristigen Betriebsmittelkredits auf – aus den Einnahmen, welche diese durch die ersten Barverkäufe nach der Währungsreform eingenommen hatten. Das Volkswagenwerk zahlte den Kredit der Händler bereits nach vierzehn Tagen zurück. Die Betriebsmittelkredite der Verwaltung für Wirtschaft konnten ebenfalls zügig zurückgezahlt werden.152 bb) Dividenden-Darlehen 1950 – 1966 Nachdem die Britische Militärregierung im Oktober 1949 die Bundesregierung als Treuhänder eingesetzt hatte (siehe Kapitel V. 1. c)), kam es zunächst zu einem Streit zwischen Bundesfinanzminister Fritz Schäffer (CSU) und Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard (CDU) um die Zuständigkeit für das Volkswagenwerk. Der Streit führte im November 1949 zu dem Kompromiss, das Bundesfinanzministerium solle für alle finanziellen Fragen verantwortlich und das Bundeswirtschaftsministerium für alle wirtschaftspolitischen Probleme zuständig sein. Des Weiteren vereinbarten die Ministerien, dass ein Aufsichtsorgan für die Volkswagenwerk GmbH gebildet werden solle.153 Die gesamte Federführung ging mit der Einsetzung dieses Aufsichtsorgans erst 1951 faktisch auf das Bundesfinanzministerium über. Bundesfinanzminister Schäffer ernannte 1951 im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsminister einen 18 Mitglieder umfassenden Beirat, der sich am 21. Mai 1951 konstituierte und die Aufsicht über die Geschäftsführung wahrnehmen sollte. Den Vorsitz führte Ministerialdirektor Heinz Oeftering aus dem Bundesfinanzministerium. Die stellvertretenden Vorsitzenden waren Staatssekretär Eduard Schalfejew aus dem Bundeswirtschaftsministerium und Otto Brenner von der IG Metall. Vertreter ehemaliger KDF-Sparer waren nicht im Beirat vertreten. Nach dem Inkrafttreten des Betriebsverfassungsgesetzes am 14. November 1952 trat am 28. August 1953 an die Stelle des Beirats ein Aufsichtsrat mit 15 Mitgliedern, von denen 5 durch die Arbeitnehmer gestellt wurden, darunter auch Otto Brenner. Aufsichtsratsvorsitzender war erneut Oeftering und sein Stellvertreter war Ministerialdirektor Josef Rust aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Das Land Nie152

Edelmann, Heinz Nordhoff, S. 90 – 92. Edelmann, Heidrun: Privatisierung als Sozialpolitik. „Volksaktien“ und „Volkswagenwerk“, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte – Öffentliches Eigentum, Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte (1999, 1), S. 58; Nicolaysen; S. 25 – 27¸S. 32 f.; Tolliday, S. 312. 153

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dersachsen entsandte Wirtschaftsminister Hermann Ahrens, Ministerialdirigent Ewald Huck und den Regierungspräsidenten des Kreises Lüneburg Helmuth Koch. Mit Hermann Richter und Hermann Schilling waren auch zwei Bankiers im Aufsichtsrat vertreten. Während Hermann Schilling bis 1956 Teilinhaber der Privatbank Brinckmann, Wirtz & Co. in Hamburg war (1969 umfirmiert zu M. M. WarburgBrinckmann, Wirtz & Co.), hatte Richter zwischen 1948 und 1966 den Vorsitz des Aufsichtsrats der Deutschen Schifffahrtsbank AG in Bremen und von 1952 bis 1957 den der Rhein-Main Bank AG in Frankfurt (Nachfolgeinstitut der entflochtenen Dresdner Bank) inne. Während Schilling schon seit 1951 Mitglied im Beirat war, kam Richter erst 1953 als Mitglied des Aufsichtsrats hinzu. Des Weiteren waren die Volkswagen-Händler Walter Haefner aus Zürich und Eduard Winter aus Berlin sowie das Vorstandsmitglied der Preussag Friedrich Krämer im Aufsichtsrat vertreten.154 Erst nach dem Zusammentreten des Beirats konnte Ende 1951 eine grundsätzliche Entscheidung über die Verwendung der Gewinne des Unternehmens erfolgen. Von dem kumulierten Gewinn aus der Zeit vom 21. Juni 1948 bis zum 31. 12. 1949 in Höhe von 5,6 Millionen DM wurden 4,1 Millionen DM der Sonderrücklage zugeführt und der Rest von 1,5 Millionen DM wurde auf neue Rechnung des Jahres 1950 vorgetragen.155 Hinsichtlich des Gewinns der Folgejahre forderte Heinz-Maria Oeftering aus dem Bundesfinanzministerium in seiner Funktion als Vorsitzender des Beirats indes, dass das Volkswagenwerk dem Bund eine Dividende in Höhe der Dividende vergleichbarer US-amerikanischer Konzerne zahlen solle. Diese solle dann vom Staat treuhänderisch für den später festzusetzenden Eigentümer verwaltet werden. Die Höhe der Dividende hätte demzufolge um die 9 Prozent des Grundkapitals (5,4 Millionen DM) betragen. Demgegenüber vertrat Heinz Nordhoff die Ansicht, dass eine Dividendenzahlung in dieser Höhe die Liquidität des Unternehmens zu sehr belaste und die Begehrlichkeiten der Volkswagen-Sparer in dem anhängigen Rechtsstreit nur unnötig anheize. Nordhoff setzte schließlich mit der Unterstützung der im Beirat vertretenen Gewerkschaften gegen die ursprüngliche Forderung des Bundesfinanzministeriums durch, dass die Dividenden der Jahre 1950 bis 1953 auf 4 Prozent begrenzt wurden und dem Unternehmen als verzinsliches Darlehen belassen wurden.156 Zwar konnte Nordhoff die schrittweise Erhöhung der Dividende ab dem Jahr 1954 nicht verhindern. Es gelang ihm jedoch, dass die Dividenden der Jahre 1950 bis 1957 und des Jahres 1959 dem Unternehmen als verzinsliches Darlehen verblieben. Die Dividende des Jahres 1958 wurde zur Finanzierung der Kapitalerhöhung des Jahres

154

WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1951, S. 3. WWA S7 – 322: Geschäftsbericht der Volkswagenwerk GmbH 1948 bis 1950; Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1951 bis 1953. 156 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1948 – 1953; Tolliday, S. 331. 155

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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1959 verwendet (siehe Kapitel V. 3. c) aa)).157 Dem Unternehmen stand somit bis zum 31. 12. 1959 ein Darlehen aus stehengelassenen Dividenden von Höhe von schätzungsweise 106 Millionen DM zur Verfügung. Der Vertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der Volkswagenwerk GmbH zwischen der Bundesregierung und der Landesregierung Niedersachsen vom November 1959 regelte schließlich, dass alle Gewinne des Unternehmens bis zur Umwandlung in eine Aktiengesellschaft zur Hälfte dem Bund und dem Land zustehen sollten. Diese Regelung erhielt durch das Gesetz über die Regelung der Rechtsverhältnisse der Volkswagenwerk GmbH vom 9. Mai 1960 Gesetzeskraft. Das Land Niedersachsen wandelte daraufhin im folgenden Jahr 50 Millionen DM der Dividenden-Darlehen der Jahre 1950 bis 1957 und 1959 in ein langfristiges Darlehen um. Die Rückzahlung war zunächst für den Januar 1966 vorgesehen und wurde 1963 zur Finanzierung des neuen Werkes in Emden auf das Jahr 1977 verlängert. Im Jahr 1965 verlängerte das Land Niedersachsen die Rückzahlung auf das Jahr 1980. Zu den Zinsen und weiteren Konditionen liegen keine Angaben vor.158 Weder den Geschäftsberichten noch den vorliegenden Quellen und der Literatur sind ausdrückliche Hinweise darauf zu entnehmen, was mit dem Anteil der Dividenden-Darlehen geschah, die dem Bund zustanden. Aus der Bilanz des Jahres 1960 geht jedoch hervor, dass das Volkswagenwerk in Höhe von 45 Millionen DM mittelfristige Bankkredite aufnahm. Dies legt die Vermutung nahe, dass damit der an den Bund ausgezahlte Teil des Dividendendarlehens abgelöst wurde (siehe Kapitel V. 3. b) cc)). Des Weiteren werden im Geschäftsbericht des Jahres 1960 unter der Position Verbindlichkeiten gegenüber sonstigen Gläubigern als erste Position die Verbindlichkeiten aus den Dividendendarlehen gegenüber dem Land Niedersachsen genannt, nicht aber die Verbindlichkeiten gegenüber dem Bund.159 Es ist daher davon auszugehen, dass sich der Bund die auf ihn entfallenden aufgelaufenen Gewinne im Jahr 1960 auszahlen ließ. cc) Kurz- und mittelfristige Bankkredite 1960 – 1962 Erst 12 Jahre nach den Betriebsmittelkrediten der Händler und der Verwaltung für Wirtschaft nahm das Volkswagenwerk erstmals wieder Kredite auf. Das Unternehmen wies 1960 mittelfristige Bankkredite in Höhe von circa 45 Millionen DM aus. Diese dienten der Finanzierung von Investitionsspitzen und zur Überbrückung

157 Die Dividende der Jahre 1954 und 1955 betrug jeweils 9 Prozent, 1956 10 Prozent, 1957 12 Prozent und 1959 24 Prozent, siehe WWA S7 – 322: Geschäftsberichte der Volkswagenwerk GmbH für die betreffenden Geschäftsjahre. 158 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1954, S. 14; Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1955, S. 14; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1960, S. 40; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1961, S. 10; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1963, S. 38; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1965, S. 38. 159 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1960, S. 39.

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größerer Exportgeschäfte.160 Sehr wahrscheinlich lösten diese Kredite das Dividendendarlehen des Bundes ab (siehe Kapitel V. 3. b) bb)). Im darauffolgenden Jahr kam es zu einer vorübergehenden Inanspruchnahme von je zur Hälfte kurz- und mittelfristiger Bankkredite in Höhe von insgesamt 114 Millionen DM. Während die kurzfristigen Kredite der Überbrückung von Zahlungszielen größerer Exportgeschäfte dienten, war der mittelfristige Teil sehr wahrscheinlich für die Finanzierung von Investitionsspitzen vorgesehen. Die Entwicklung der Passiva der Volkswagenwerk-Bilanz legt nahe, dass diese Kredite 1962 fast vollständig durch ein kurzfristiges Darlehen der Stiftung Volkswagenwerk abgelöst wurden (siehe Kapitel V. 3. b) dd)). Von den Kreditzusagen der Banken machte das Volkswagenwerk anschließend bis zum Ende des Untersuchungszeitraums keinen Gebrauch mehr.161 Weder über die kreditgewährenden Banken, die Konditionen der Kredite noch über den Gang der geschäftlichen Verhandlungen zwischen dem Volkswagenwerk und den Banken konnten aus den vorliegenden Quellen Einzelheiten in Erfahrung gebracht werden. dd) Langfristiges Investitionsdarlehen 1961 Zur Konsolidierung der anhaltend hohen Investitionen nahm das Volkswagenwerk 1961 ein langfristiges Investitionsdarlehen in Höhe von 150 Millionen DM in Anspruch, welches dem Unternehmen in drei Tranchen zufloss. Bei der ersten Tranche im Jahr 1961 in Höhe von 55 Millionen DM handelte es sich um ein langfristiges Bankendarlehen. Die zweite Tranche in Höhe von 61 Millionen DM floss 1962 und die dritte Tranche in Höhe von 34 Millionen DM im Januar 1963 zu. Das Investitionsdarlehen war ab 1966 in 8 Jahresraten zu 18,75 Millionen DM zurückzuzahlen. Die Namen der Geldgeber und die übrigen Konditionen des Darlehens konnten nicht in Erfahrung gebracht werden. Klar ist jedoch, dass die Geldgeber der zweiten und dritten Tranche keine Banken waren.162 ee) Darlehen der Stiftung Volkswagenwerk 1962 – 1965 Im Jahr 1962 nahm das Volkswagenwerk ein kurzfristiges Darlehen der Stiftung Volkswagenwerk auf. Das Darlehen wurde im Jahresabschluss 1962 zwar als wesentliche Position innerhalb der Verbindlichkeiten gegenüber sonstigen Gläubigern erwähnt, zur genauen Höhe und zu den Konditionen des Darlehens enthält der Geschäftsbericht jedoch leider keine Angaben. Es kann jedoch mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass das Darlehen um die 100 Millionen DM betragen haben muss. Denn die Bilanzposition „Verbindlichkeiten gegenüber 160

WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1961, S. 38; Hiller, Heinrich: VW-Werk steuert auf 5 Mrd. DM Umsatz. Rekordergebnis – aber Anspannung der Finanzstruktur, in: Der Volkswirt 15 (1961, 21), S. 934. 161 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG, 1961 – 1965. 162 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1961 – 1965.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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sonstigen Gläubigern“ enthielt als übrige wesentliche Positionen Steuerverbindlichkeiten und Verbindlichkeiten aus den Löhnen und Gehältern für den Dezember. Diese Position war zum 31. 12. 1962 um 116 Millionen DM gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Zum selben Bilanzstichtag verminderten sich die kurz- und mittelfristigen Verbindlichkeiten gegenüber Banken um 114 Millionen DM auf 11 Tsd. DM. Es spricht somit vieles dafür, dass das Volkswagenwerk seine kurz- und mittelfristigen Kredite zur Überbrückung von langen Zahlungszielen bei Exportgeschäften und zur Finanzierung von Investitionsspitzen mit dem Darlehen der Stiftung Volkswagenwerk ablöste (siehe Kapitel V. 3. b) cc)). Die Verbindlichkeiten gegenüber der Stiftung nahmen im Folgejahr bereits wesentlich ab und betrugen 1965 deutlich weniger als 30 Millionen DM.163 Obwohl das Darlehen formal als kurzfristig ausgewiesen wurde, darf vermutet werden, dass diese Kreditlinie dem Unternehmen aufgrund der besonderen Verbindung zur Stiftung langfristig zur Verfügung stand. Die Stiftung Volkswagenwerk gewährte dem Unternehmen Volkswagenwerk AG darüber hinaus 1963 ein weiteres – nunmehr auch formal – langfristiges Darlehen in Höhe von 10 Millionen DM, welches bis 1967 zurückzuzahlen war.164 Hinsichtlich der Darlehenszinsen für die kurzfristigen Darlehen gibt der Geschäftsbericht des Jahres 1964 einen Hinweis. Hier wird zwar das kurzfristige Darlehen der Stiftung Volkswagenwerk nicht explizit als wesentliche Position der Verbindlichkeiten gegenüber sonstigen Gläubigern erwähnt, dafür ist aber von „kurzfristigen Verpflichtungen aus zinsgünstigen Darlehen“ die Rede.165 Als Referenz für einen möglichen Zinssatz kann hier der zu Beginn der sechziger Jahre als günstig geltende Zinssatz von 5 Prozent dienen, zu dem die Stiftung Volkswagenwerk den Erlös aus der Privatisierung des Unternehmens an den Bund als Darlehen gab.166 ff) Darlehen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung 1964 Im Jahr 1964 erhielt das Volkswagenwerk von der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ein langfristiges Darlehen in Höhe von 6 Millionen DM zur Errichtung von Unterkünften für Gastarbeiter. Das Darlehen war ab 1966 in 10 Jahresraten zurückzuzahlen. Auch hier konnten der Zinssatz und sonstige Konditionen nicht in Erfahrung gebracht werden.167

163

WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1962 – 1965. WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1963 – 1965. 165 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1964, S. 28. 166 Nicolaysen, S. 394. 167 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1964, S. 28; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1965, S. 35. 164

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c) Eigenkapitalmaßnahmen aa) Kapitalerhöhungen 1959 und 1960 Der Bilanzkurs der Volkswagenwerk GmbH stieg aufgrund der erfolgreichen Ausweitung des Geschäftsumfangs und der angesichts der Ertragslage eher restriktiven Ausschüttungspolitik während der fünfziger Jahre deutlich an.168 Hatte der Bilanzkurs zum 31. 12. 1948 noch 148 Prozent betragen, so erreichte er 1957 einen Wert von 530 Prozent. Die Bilanzsumme des Unternehmens hatte sich zwischen den beiden Bilanzstichtagen mehr als verfünffacht.169 Das Unternehmen galt damit auch in der Öffentlichkeit für den Fall einer Privatisierung als völlig unterkapitalisiert.170 Die Kapitalerhöhungen der Jahre 1959 und 1960 waren allerdings nicht primär das Ergebnis eines vergleichsweise rationalen betriebswirtschaftlichen Abwägungsprozesses, sondern sind vielmehr Ausdruck einer Kompromisslösung zwischen den beteiligten Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft hinsichtlich der erst 1960 geklärten Frage nach dem rechtmäßigen Eigentümer der Volkswagenwerk GmbH. Beiden Kapitalerhöhungen gingen langjährige Konflikte hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse zwischen der CDU-geführten Bundesregierung, der in der Opposition befindlichen SPD-Bundestagsfraktion, der Regierung des Landes Niedersachsen, der Gewerkschaft IG Metall, dem Generaldirektor der Volkswagenwerk GmbH Heinz Nordhoff, den deutschen Banken, den ehemaligen KDF-Sparern sowie Konflikte innerhalb der Bundesregierung voraus. Die Interessen der Akteure folgten teils gegenläufigen und unterschiedlich gewichteten betriebswirtschaftlichen, machtpolitischen, wirtschafts-, sozial- und ordnungspolitischen Zielen. Aufgrund der volkswirtschaftlichen Bedeutung, der Bekanntheit und der Symbolkraft des Volkswagenwerks für den Wiederaufstieg der deutschen Wirtschaft machte vor allem der Konflikt zwischen Bundesregierung und SPD-Bundestagsfraktion die langfristige Finanzierungspolitik des Volkswagenwerks zum Schauplatz einer übergeordneten programmatischen Auseinandersetzung, in der es den Beteiligten um nicht weniger ging als darum, grundsätzliche Weichenstellungen für das Wesen der noch jungen Bundesrepublik vorzunehmen. Den Ausgangspunkt der Auseinandersetzung um die Eigentumsverhältnisse stellte die bereits erwähnte Anordnung 202 vom 6. September 1949 dar, mit der die Britische Militärregierung die Volkswagenwerk GmbH aus der Vermögenskontrolle durch die Besatzungsmacht entließ. Der britischen Anordnung zufolge sollte das

168

Zur Definition der Kennzahl „Bilanzkurs“ siehe Fußnote 156. WWA S7 – 322: Geschäftsbericht der Volkswagenwerk GmbH 1948 und 1957. 170 Die Wochenzeitung „Die Zeit“ schrieb im Juli 1959: „Mit dem bisher 60 Mill. DM betragenden Grundkapital war das Unternehmen restlos unterkapitalisiert.“ Siehe: -hl/-ndt: Schneller zum Kunden. Eine halbe Milliarde DM zur Verkürzung der VW-Lieferfristen, in: Die Zeit, 10. 07. 1959. 169

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Land Niedersachsen die Treuhänderschaft im Auftrag und nach Weisung der Bundesregierung ausüben (siehe Kapitel V. 1. c)).171 Bereits kurz nachdem die Britische Militärregierung das Volkswagenwerk in die Treuhänderschaft der Bundesregierung übergeben hatte, positionierte sich Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard als erstes Mitglied der Bundesregierung öffentlich, indem er 1949 in einem Zeitungsinterview seine Absicht erklärte, das Volkswagenwerk müsse privatisiert werden.172 Erhard folgte dabei seinen ordnungspolitischen Vorstellungen einer sozialen Marktwirtschaft. Eine der grundlegenden Ideen bestand darin, dass das private Eigentum der Normalfall sein solle und gemeinwirtschaftliches Eigentum an Industrie-Unternehmen nur in bestimmten Ausnahmefällen zulässig sei. Eine gerechte Verteilung der erwirtschafteten Erträge und eine soziale Gesetzgebung sollten aus den vermögenslosen Bevölkerungsschichten in großem Umfang besitzende Eigentümer machen. Das Eigentum an privatwirtschaftlichen Unternehmen sollte dabei so breit wie möglich gestreut sein, um ordnungspolitisch schädliche Machtkonzentrationen zu vermeiden.173 Der anhängige Prozess der Volkswagen-Sparer verhinderte zunächst eine Klärung der Eigentumsverhältnisse, denn ohne eine Klärung der rechtlichen Ansprüche der Volkswagen-Sparer und den daraus resultierenden finanziellen Konsequenzen für das Volkswagenwerk wäre eine Festsetzung des Emissionskurses von Volkswagenwerkaktien wenig sinnvoll gewesen. Im Gegensatz zur CDU enthielt das Grundsatzprogramm der SPD bis zur Verabschiedung des Godesberger Programms 1959 die Forderung nach der Verstaatlichung der Grundstoff- und Schlüsselindustrien.174 Diese ordnungspolitisch grundsätzlich mit der Idee der sozialen Marktwirtschaft nicht vereinbare programmatische Ausrichtung dürfte ein wesentlicher Grund dafür gewesen sein, warum die SPDgeführte Regierung des Landes Niedersachsen im Sommer 1953 – und damit wenige Wochen vor der Bundestagswahl 1953 – beim Allgemeinen Organisationsausschuss (AOA) in Celle die Übertragung des Eigentums an der Volkswagenwerk GmbH auf das Land Niedersachsen forderte.175 Die britische Militärregierung hatte den AOA eingesetzt, um von der Militärregierung beschlagnahmtes Vermögen nationalsozialistischer Organisationen, die mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 2 verboten worden waren, an demokratische Organisationen mit rechtmäßigen Eigentumsansprüchen zu übertragen. Alle in Frage kommenden Vermögenswerte, die durch den AOA nicht auf einen neuen Eigentümer übertragen wurden, sollten in den Besitz des Bundeslandes fallen, in dem sie sich befanden. Der niedersächsische Finanzminister Alfred Kubel 171 172

S. 66. 173

WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1948/49, S. 3. Volkswagenwerk. In König Nordhoffs Reich, in: Der Spiegel (1955), S. 26; Nicolaysen,

Düsseldorfer Leitsätze der Arbeitsgemeinschaft von CDU und CSU vom 15. Juli 1949, http://www.kas.de/wf/de/33.814/, 2017 – 04 – 17. 174 Hofmann, Robert: Geschichte der deutschen Parteien. Von der Kaiserzeit bis zur Gegenwart, München 1993, S. 260 – 262. 175 Siehe Nicolaysen, S. 58 ff.

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(SPD) begründete den Anspruch des Landes Niedersachsen daher damit, dass die Volkswagenwerk GmbH als unmittelbares Vermögen der DAF durch die Auflösung der DAF ebenfalls aufgelöst worden sei. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, so sei das Volkswagenwerk ein Werkzeug der nationalsozialistischen Herrschaft gewesen und falle damit ebenfalls unter die Bestimmungen des Kontrollratsgesetzes Nr. 2. Da bisher kein anderer Eigentümer beim AOA seine Ansprüche geltend gemacht habe, stehe das Eigentum also dem Land Niedersachsen zu. Der AOA wies den Antrag des Landes Niedersachsen jedoch ab, nachdem die britische Militärregierung die Zuständigkeit des Ausschusses für den Fall Volkswagenwerk verneint hatte – sehr wahrscheinlich, um politischen Auseinandersetzungen mit der Bundesregierung aus dem Weg zu gehen.176 Der Gewinn der Bundestagswahl im September 1953 durch die CDU/CSU beflügelte die Befürworter der Privatisierung von Staatseigentum.177 Daher setzte sich nun auch Bundeskanzler Adenauer verstärkt für eine Privatisierung von Bundesvermögen ein. In mehreren Schreiben an die Mitglieder seines Kabinetts äußerte Adenauer im Sommer 1954 seinen Wunsch nach einer grundsätzlichen Neuordnung des Bundesvermögens, weil die Betätigung des Staates auf dem gewerblichen Sektor in dem jetzigen Ausmaß seiner wirtschaftspolitischen Grundauffassung widersprach. Nachdem Fritz Schäffer Bedenken gegen Adenauers Politik geäußert hatte, forderte der Bundeskanzler seinen Finanzminister schließlich schriftlich dazu auf, eine Liste mit zu privatisierenden Unternehmen zu erstellen und konkrete Vorschläge hinsichtlich der Veräußerung und der Verwendung der Gewinne zu machen.178 Obwohl Schäffer keine ordnungspolitischen Bedenken gegen eine Privatisierung des Volkswagenwerks zu haben schien, verzögerten er und sein Ministerium im Folgenden dennoch die Privatisierung des Unternehmens. Laut Presseberichten hatte er bereits 1953 vor der Bundestagswahl anlässlich eines Besuchs des Volkswagenwerks in Wolfsburg vor Belegschaftsmitgliedern des Unternehmens verkündet, dass die Bundesregierung keinerlei Absicht habe, das Volkswagenwerk zu privatisieren, und sich damit den Unmut Erhards zugezogen.179 Im September 1954 gab Schäffer in einer Sitzung des Bundeskabinetts zu Protokoll, dass er durchaus für eine Privatisierung von Bundesvermögen sei, eine Verschleuderung bestimmter Objekte aber ablehne.180 Weitere Argumente des Bundesfinanzministeriums gegen eine baldige Privatisierung des Volkswagenwerks verwiesen auf die Schwäche des deutschen Kapitalmarkts, das Risiko des Aufkaufs von Volkswagenwerk-Aktien durch aus176

Nicolaysen, S. 55. Dietrich, York: Eigentum für jeden. Die vermögenspolitischen Initiativen der CDU und die Gesetzgebung 1950 – 1961, Düsseldorf 1996 (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte Bd. 29), S. 214. 178 BArch: 25. Sitzung des Kabinettsauschusses für Wirtschaft am 18. Februar 1955 TOP 1 (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). 179 Nicolaysen, S. 67. 180 BArch: 42. Kabinettssitzung am 2. September 1954 TOP 4 (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). 177

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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ländische Investoren, die Gefahr privater Monopolbildung und den Widerstand der Gewerkschaften.181 Die staatliche Kontrolle des Volkswagenwerks sei außerdem wünschenswert angesichts der wichtigen Rolle, die das Unternehmen für den Arbeitsmarkt des Zonenrandgebiets des Landes Niedersachsen spiele.182 Dem Ministerialdirektor im Bundesfinanzministerium Heinz Maria Oeftering, der gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagenwerk GmbH war, wurde in der Öffentlichkeit die Aussage zugeschrieben, dass es in Zeiten der Aufrüstung gut sei, wenn mit einem staatlichen Werk die Preise und Lieferung von Militärfahrzeugen und eventuell sogar Panzern beeinflusst werden könne.183 Außerdem könne das Thema Volkswagenwerk, wenn überhaupt, nur im Rahmen eines allgemeinen Kriegsfolgenschlussgesetzes geregelt werden. Demgegenüber verlieh Erhard innerhalb der Bundesregierung seiner Überzeugung Ausdruck, der Staat solle nicht in der Automobilwirtschaft tätig sein.184 Der eigentliche Grund für Schäffers Verzögerungstaktik dürfte in seiner strengen Sparpolitik bestanden haben. Die steigenden Haushaltsüberschüsse des Bundes weckten so manche Begehrlichkeiten und Schäffer wollte höchstwahrscheinlich verhindern, dass hohe Einmaleinnahmen aus der Veräußerung von Bundesvermögen dazu führen würden, dass der Bund langfristige Verpflichtungen übernähme. Dies hätte die Rücklagen, die Schäffer für den Aufbau der Bundeswehr gebildet hatte, gefährdet.185 Der Generaldirektor der Volkswagenwerk GmbH Heinz Nordhoff lehnte die Privatisierung des Unternehmens ebenfalls ab und unterstützte die Position Schäffers im Aufsichtsrat – allerdings aus ganz anderen Gründen. Nordhoffs Interesse bestand darin, seine weitgehende Autonomie als alleiniger Generaldirektor bei der Gestaltung der Geschäftspolitik zu sichern. Er befürchtete, dass seine Machtposition im Unternehmen eingeschränkt werden könnte, wenn bei der Überführung in eine Aktiengesellschaft ein mehrköpfiger Vorstand und ein starker Aufsichtsrat eingesetzt würden. Des Weiteren war es für Nordhoff vorteilhaft, dass die Dividenden als verzinstes Darlehen an das Volkswagenwerk zurückflossen, solange die Eigentumsverhältnisse nicht geklärt waren.186 Schäffer gelang es zunächst, eine gesetzliche Regelung der Eigentumsverhältnisse durch den Bund hinauszuzögern. Doch Erhard setzte seine ordnungspolitischen Vorstellungen schließlich gegen Schäffer durch, indem es ihm machtpolitisch ge181

Ludwig Erhard im Spiegel-Interview im Februar 1957, in: Becker, Hans Detlev/Brawand, Claus Leo: Vom Volkswagen zum Volkskapitalismus. Ein Spiegel-Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard, in: Der Spiegel (20. 02. 1957), S. 26; Klein-Aktien. Die Volkswagen-Tour, in: Der Spiegel (05. 06. 1957), S. 15; Nicolaysen, S. 74. 182 BArch: 25. Sitzung des Kabinettsauschusses für Wirtschaft am 18. Februar 1955 TOP 1 (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). 183 Volkswagenwerk. In König Nordhoffs Reich, in: Der Spiegel (1955), S. 26. 184 BArch: 25. Sitzung des Kabinettsauschusses für Wirtschaft am 18. Februar 1955 TOP 1 (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). 185 Nicolaysen, S. 80. 186 Edelmann, Privatisierung als Sozialpolitik, S. 64.

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lang, sowohl Konrad Adenauer als auch die CDU davon zu überzeugen, dass die Privatisierung des Volkswagenwerks als Wahlkampfthema der CDU helfen würde, die Bundestagswahl 1957 für sich zu entscheiden. Erhard versprach sich von der Privatisierung der Volkswagenwerk GmbH nach dem Erreichen von Preisstabilität und dem Abbau der Arbeitslosigkeit den Beginn einer zweiten Phase der sozialen Marktwirtschaft, die durch Volksaktien weite Bevölkerungskreise zu Eigentümern der Produktionsmittel werden lasse.187 Der Unterstützung der CDU für eine Privatisierung konnte sich Erhard gewiss sein, seit die CDU auf ihrem Parteitag vom 29. April 1956 eine Entschließung verabschiedet hatte, welche die Privatisierung des Volkswagenwerks bei breiter Streuung der Aktien und Vorzugsbedingungen für Arbeitnehmer forderte. Damit war innerhalb der CDU ein Kompromiss zwischen dem Wirtschafts- und dem Arbeitnehmerflügel der Partei erreicht worden. In der Folge hatten viele CDU-Bundestagsabgeordnete einen Antrag von Alexander Elbrächter (Deutsche Partei) unterschrieben, den dieser am 5. Juli 1956 in den Bundestag eingebracht hatte. In dem Antrag wurde die Bundesregierung aufgefordert das Volkswagenwerk durch den Erlass eines Gesetzes in eine Aktiengesellschaft zu überführen und den Erlös einer Stiftung zur Förderung der Wissenschaft zukommen zu lassen.188 Schließlich kündigte Erhard auf dem Hamburger CDU-Parteitag vom 11.–15. Mai 1957 unter starkem Beifall die Privatisierung des Volkswagenwerkes an: „Ich bin deshalb sehr glücklich, verkünden zu dürfen, daß die Bundestagsfraktion der CDU/ CSU sofort nach Beendigung des Parteitages ein Initiativgesetz einbringen wird, das die Überführung des wohl attraktivsten Bundesvermögens, nämlich des Volkswagenwerks, in breitgestreuten privaten Besitz bewerkstelligen soll (Bravorufe und starker Beifall). Es ist von symbolischer wegweisender Bedeutung, daß sich damit unsre Partei entschlossen zeigt, das Volkswagenwerk über das Mittel der Volksaktie in den Besitz weitester Volkskreise zu überführen (Beifall).“189

Der Unterstützung des Bundeskanzlers hatte sich Erhard bereits zu Beginn des Jahres 1956 versichert. Im Februar ließ er ihm einen Gesetzentwurf zur Privatisierung des Volkswagenwerks zukommen. Der Gesetzentwurf sah zunächst vor, dass das Eigentum an der Volkswagenwerk GmbH auf den Bund übertragen werden sollte. Diese sollte dann in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Bei der 187 Ludwig Erhard im Spiegel-Interview im Februar 1957, S. 26. Die Unternehmensfinanzierung der Volkswagenwerk GmbH geriet durch Erhards Konzept des Volkskapitalismus durch Volksaktien in den Mittelpunkt einer ordnungspolitischen Grundsatzdebatte, vgl. Reuter, Franz: Volkswagenwerk und Volksaktie, in: Der Volkswirt 12 (1958, 5), S. 175 f.; Wangenheim, Hans Ulrich Freiherr von: Danaergeschenk Volkswagen-Volksaktien?, in: Der Volkswirt 11 (1957, 22), S. 1104 – 1106; Klein-Aktien. Die Volkswagen-Tour, in: Der Spiegel (05. 06. 1957), S. 16. 188 Nicolaysen, S. 81 f. 189 Erhard, Ludwig: „Wohlstand für Alle“. Rede auf dem Hamburger Parteitag der CDU vom 11.–15. Mai 1957, in: Christlich Demokratische Union Deutschlands: 7. Bundesparteitag CDU Hamburg 11.–15. 5. 1957, o. J., S. 152 f.

3. Mittelherkunft nach Herkunftsarten

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Veräußerung der Aktien sollten Arbeitnehmer des Volkswagenwerks bevorzugt behandelt werden und Käufern mit geringem Einkommen sollte ein Sozialrabatt gewährt werden. Die Konzentration des Aktienbesitzes auf wenige Großaktionäre sollte verhindert werden durch die Ausgabe vinkulierter Namensaktien und einer Besitz- und Stimmrechtsbeschränkung. Um die Macht der Banken zu beschränken, war ein Depotstimmrecht der Banken zunächst nicht vorgesehen. Diese Bestimmungen bildeten den Kern dessen, was Erhard unter dem Begriff der Volksaktie verstand. Der Erlös aus dem Aktienverkauf sollte einem Sondervermögen des Bundes zugeführt werden, um die Kosten einer späteren deutschen Wiedervereinigung zu finanzieren. In einem begleitenden Brief legte Erhard dem Bundeskanzler nahe, dass Adenauer viele unentschlossene liberale Wähler und Wähler aus Arbeitnehmerkreisen vor der anstehenden Bundestagswahl für die CDU gewinnen könne, wenn er sich öffentlich zu der Privatisierung des Volkswagenwerks per Volksaktie bekennen würde und den Gesetzentwurf nicht durch das Kabinett, sondern als einen persönlichen Initiativantrag in den Bundestag einbrächte. Des Weiteren könnten damit die Forderungen in der eigenen Partei nach Miteigentum zurückgedrängt werden, der Bevölkerung der Sowjetzone könne eine attraktive Alternative zum Volkseigentum sowjetischer Prägung gegenübergestellt werden und die Verwendung des Veräußerungserlöses für die Wiedervereinigung Deutschlands würde die Glaubwürdigkeit der Außenpolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion stärken. Adenauer folgte offenbar der Argumentation Erhards und brachte Erhards Gesetzentwurf am 22. Mai 1957 in den Bundestag ein. Interessant ist, dass der ursprüngliche Entwurf noch eine Änderung erfuhr. Adenauer hatte zwei seiner Vertrauten, den Kölner Bankier Robert Pferdmenges und den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank Hermann Josef Abs damit beauftragt, den Gesetzentwurf mit Erhard zu besprechen. Dabei setzten beide Bankiers ein – wenn auch eingeschränktes – Depotstimmrecht der Banken im Gesetzentwurf durch.190 Der Gesetzentwurf wurde zwar am 31. Mai 1957 noch Gegenstand einer Plenarsitzung im Bundestag. Für eine Behandlung des Gesetzentwurfs in den parlamentarischen Ausschüssen und die Verabschiedung eines Gesetzes fehlte in der auslaufenden Legislaturperiode dann aber die Zeit. Der Gesetzentwurf wurde von zeitgenössischen Beobachtern zwar als reines Wahlkampfinstrument kritisiert, setzte die Bundesregierung für den Fall der Wiederwahl aber ganz klar unter Zugzwang, das Wahlversprechen auch einzulösen.191 Nachdem die CDU/CSU bei der Bundestagswahl am 15. September 1957 die absolute Mehrheit gewonnen hatte, bekräftigte Konrad Adenauer in seiner Regierungserklärung noch einmal die politischen Ziele seiner Regierung für die dritte Legislaturperiode: 190

Klein-Aktien. Die Volkswagen-Tour, in: Der Spiegel (05. 06. 1957), S. 15; Vgl. Nicolaysen, S. 113 – 116. 191 Reuter, Volkswagenwerk und Volksaktie, S. 175; Wangenheim, Danaergeschenk Volkswagen-Volksaktien?, S. 1105.

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„[…] die Einführung der Volksaktie, die sich nicht etwa nur auf Betriebe, die dem Bund gehören, erstrecken soll, sind einige der geeigneten Mittel, um die Spartätigkeit anzuregen.“192

Damit hing die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung für die nächste Wahl 1961 direkt von einer erfolgreichen Privatisierung des Volkswagenwerks ab. Im Zuge der Regierungsbildung nach der Wahl wechselte Fritz Schäffer 1957 ins Justizministerium und die Verantwortung für die Privatisierung von Bundesvermögen ging auf das neu gegründete Bundesministerium für wirtschaftlichen Besitz des Bundes unter der Führung von Minister Hermann Lindrath über, der als loyaler Vertrauter Adenauers und Erhards galt.193 Neuer Bundesfinanzminister wurde der Privatisierungsbefürworter Franz Etzel, während Erhard das Amt des Bundeswirtschaftsministers behielt. Das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden des Volkswagenwerks ging am 16. Juni 1958 vom Bundesfinanzministerium über auf Lindraths Staatssekretär Hans Busch.194 Damit waren die Widerstände gegen Erhards Vorhaben innerhalb der Bundesregierung und im Bundestag erheblich vermindert. Allerdings hielt die niedersächsische Landesregierung ihren Besitzanspruch auf das Volkswagenwerk weiterhin aufrecht. Bereits am 4. Oktober 1957 erklärte der niedersächsische Ministerpräsident Heinrich Hellwege (Deutsche Partei) gegenüber Erhard, eine Lösung, bei der die Stellung des Landes Niedersachsen als Eigentümer nicht gewahrt bliebe, sei unzureichend.195 Zu diesem Zeitpunkt stellten eine gemeinsame Landtagsfraktion aus CDU und Deutscher Partei in Koalition mit der FDP und dem Gesamtdeutschen Bund/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE) die Regierung. Nachdem CDU und DP die Koalition infolge einer Koalitionskrise aufgelöst hatten, blieb Hellwege und der niedersächsischen CDU nicht anderes übrig, als am 19. November 1957 mit der SPD eine große Regierungskoalition zu bilden, um Neuwahlen zu vermeiden. Die SPD erarbeitete etwa zeitgleich einen Gesetzentwurf zur Privatisierungsfrage. Am 22. Januar 1958 brachte der SPDBundestagsabgeordnete Heinrich Deist schließlich einen sehr eng mit der IG Metall abgestimmten Gegenentwurf zum Gesetzentwurf von Adenauer und Erhard in den Deutschen Bundestag ein. Demzufolge sollte das Eigentum der Volkswagenwerk GmbH in eine öffentlich-rechtliche Stiftung eingebracht werden, deren Erträge zur Förderung der Wissenschaft eingesetzt werden sollten. Die Führungsstruktur des Unternehmens sollte den Bestimmungen des Mitbestimmungsgesetzes folgen. Eine weitere gemeinnützige Aufgabe des Volkswagenwerks solle in der Preisführerschaft bestehen.196 Diese Forderung deckte sich mit bereits früher vertretenen Positionen der SPD und der Gewerkschaften, die deutschen Arbeiter seien eher an günstigen 192

29. Oktober 1957: Regierungserklärung des Bundeskanzlers in der 3. Sitzung des Deutschen Bundestages https://www.konrad-adenauer.de/dokumente/erklaerungen/1957 - 10 29-regierungserklaerung, 2017 – 04 – 23. 193 Schatzministerium. Der neue Ast, in: Der Spiegel (1957, 45), S. 14 f.; Tolliday, S. 341. 194 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1957, S. 3. 195 Nicolaysen, S. 216. 196 Nicolaysen, S. 213 – 215; S. 220.

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Kraftfahrzeugen als an Aktien interessiert.197 Folgerichtig vertrat die niedersächsische SPD hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse des Volkswagenwerks dieselbe Haltung wie Hellwege.198 Die niedersächsische CDU hatte daher nach der Regierungsumbildung im November 1957 ein Interesse daran, Erhards Pläne zu vereiteln, wenn sie mit Blick auf die Landtagswahlen 1959 nicht an Popularität gegenüber den beiden anderen Regierungsparteien verlieren wollte. Die Landesleitung der CDU intervenierte daher Ende November 1957 bei Adenauer mit der Forderung, die Privatisierung zurückzustellen. Die Intervention beim Bundeskanzler zeigte die gewünschte Wirkung jedoch nicht, sodass Adenauer und Erhard ihren Gesetzentwurf vom Mai 1957 am 20. Dezember 1957 unverändert als Initiativantrag in den Bundestag einbrachten.199 Allerdings machte Erhard der niedersächsischen CDU Anfang 1958 das Zugeständnis, dass die Erträge aus der Privatisierung einer Stiftung zur Förderung der Wissenschaft zugewendet werden könnten, welche die Interessen des Landes Niedersachsen in besondere Weise berücksichtigen könnte.200 Die Idee einer Stiftung hatte in der Zwischenzeit in der öffentlichen Diskussion viel Sympathie gefunden, sodass Erhard in Verfolgung seiner ordnungspolitischen Ziele bereit war, diese Idee aufzunehmen.201 Das Zugeständnis von Erhardt war nicht nur als ein Ausdruck parteiinternen Zusammenhalts zu verstehen, sondern wird auch darauf angelegt gewesen sein, das Blockadepotenzial der Landesregierung zu verringern. Denn eine Normenkontrollklage des Landes, wie sie im Oktober 1958 vom niedersächsischen Finanzminister August Wegmann (CDU) öffentlich ins Spiel gebracht wurde, hätte nach dem Urteil des BGH im Volkswagensparer-Prozess Ende Dezember 1958 zwar wenig Aussicht auf Erfolg gehabt, eine Privatisierung in der laufenden Legislaturperiode aber höchstwahrscheinlich verhindert.202 Lindrath scheint trotz des Zeitdrucks, unter dem die Bundesregierung stand, die Klärung der Eigentumsfrage mit Niedersachsen zunächst auf einen Zeitpunkt nach der Landtagswahl am 19. April 1959 vertagt zu haben.203 Danach hatte es die Bundesregierung plötzlich sehr eilig, mit einer Kapitalerhöhung bei der Volkswagenwerk GmbH Fakten zu schaffen. Der Aufsichtsrat der Volkswagenwerk GmbH beschloss im Mai, das Grundkapital des Unternehmens um 240 Millionen DM auf 300 Millionen DM zu erhöhen. Die Kapitalerhöhung wurde finanziert durch den ausgeschütteten Gewinn des Jahres 1958 in Höhe von 320 Millionen DM. Darin 197

Die Aktie überm Kanapee, in: Der Spiegel (1957, 25), S. 10. Tolliday, S. 342. 199 Antrag der Abgeordneten Dr. Adenauer, Dr. Dr. h. c. Erhard, Blank, Häussler, Arndgen, Hahn, Stücklen, Cillien, Dr. Elbrächter, Dr. Krone und Fraktion der CDU/CSU (Bundesdrucksache 102), http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/03/001/0300102.pdf, 2017 – 04 – 23. 200 Nicolaysen, S. 222 f.; Tolliday, S. 342. 201 Zur öffentlichen Diskussion um die Stiftungsidee vgl. vor allem Nicolaysen, S. 91 – 104; S. 145 – 174; 204 – 214. 202 Nicolaysen, S. 256 f. 203 Nicolaysen, S. 254. 198

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enthalten waren eine Entnahme aus der freien Rücklage in Höhe von 82 Millionen DM, Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen in Höhe von 19 Millionen und der Gewinnvortrag aus dem Vorjahr in Höhe von 4 Millionen. Die sonstigen Erträge in Höhe von 80 Millionen DM bestanden laut Geschäftsbericht im Wesentlichen aus der Auflösung von Rückstellungen für Steuernachbelastungen aus Vorjahren.204 Nach der zu diesem Zeitpunkt gültigen Rechtslage war das Unternehmen dazu verpflichtet, 25 Prozent des ausgeschütteten Gewinns in Form der Kapitalertragssteuer als Quellensteuer auf die Einkommensteuer der Eigentümer an die niedersächsische Finanzverwaltung abzuführen, sodass für die Kapitalerhöhung nur noch 240 Millionen DM übrig blieben. Die Einkommensteuer kam insbesondere dem Land Niedersachsen, aber auch dem Bund zugute. Bemerkenswert ist hierbei, dass die Bundesregierung eigentlich ein Interesse an einem möglichst hohen Stammkapital gehabt haben müsste, um möglichst vielen Interessenten den Bezug einer späteren Volksaktie zu ermöglichen. Wenn die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nach der Verabschiedung des sich in Lesung befindlichen Gesetzes zur kleinen Aktienrechtsreform durchgeführt worden wäre (siehe Kapitel II. 3. c)), wäre der Erwerb zusätzlicher Aktien aus Gesellschaftsmitteln steuerfrei geblieben. Die Bundesregierung entzog dem Volkswagenwerk daher mit der Kapitalerhöhung des Jahres 1959 ganze 80 Millionen DM langfristiger Investitionsmittel und verstieß damit eigentlich gegen ihre Pflicht einer treuhänderischen Verwaltung des Unternehmens, denn zu diesem Zeitpunkt war noch keineswegs sicher, ob das Eigentum am Volkswagenwerk dem Bund und dem Land zufallen würde. Der durch die Kapitalerhöhung verursachte Mittelabfluss durch die Kapitalertragssteuer wurde in der Öffentlichkeit erstaunlicherweise so gut wie nicht thematisiert. Die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ berichtete zwar anlässlich der Veröffentlichung des Geschäftsberichts der Volkswagenwerk GmbH über die Kapitalerhöhung, stellte aber die Investitionspolitik des Unternehmens in den Vordergrund der Berichterstattung und bewertete die Kapitalerhöhung lediglich als einen ersten erforderlichen Schritt in Richtung Privatisierung, da das Volkswagenwerk im bilanziellen Sinne immer noch stark unterkapitalisiert sei.205 Aus der Wahl in Niedersachsen ging eine von der SPD geführte Regierungskoalition aus SPD, FDP, DP und GB/BHE hervor. Der niedersächsische Landtag wählte Hinrich Wilhelm Kopf (SPD) am 12. 5. 1959 zum Ministerpräsidenten, der am selben Tag in seiner Regierungserklärung verkündete, dass er die Pläne der Bundesregierung zur Privatisierung des Volkswagenwerks nicht teile und die bisherige Politik des Landes weiterführen werde.206 Die niedersächsische Landesregierung beschloss im Juni 1959, dass Privatisierungserlöse in einer Stiftung zur Förderung der Forschung und Wissenschaft verwendet werden sollten, und folgte damit dem 204

WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1958, S. 28 – 30. Schneller zum Kunden. Eine halbe Milliarde DM zur Verkürzung der VW-Lieferfristen, in: Die Zeit (10. 07. 1959). 206 Bericht über den Niedersächsischen Landtag in der Vierten Wahlperiode (Landtagsdrucksache Nr. 1174), 19. 04. 1963, S. 6117; Nicolaysen, S. 265 f. 205

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Privatisierungskonzept der SPD.207 Erneut drohte die Landesregierung mit einer Normenkontrollklage, wenn ihre Interessen bei der Privatisierung nicht berücksichtigt werden sollten. Dass es dann zum Ende das Jahres 1959 doch noch zu einem Kompromiss zwischen Land und Bund kam, ist darauf zurückzuführen, dass sich in der Landesregierung allmählich die Erkenntnis durchsetzte, dass eine Regelung der Eigentumsverhältnisse ohne den Bund rechtlich nicht durchzusetzen sei und Niedersachsen am Ende mit leeren Händen dastehen würde. Auf Seiten der Bundesregierung war es schließlich Bundeskanzler Adenauer persönlich, der darauf drängte, dass das Wahlversprechen hinsichtlich der Privatisierung auf jeden Fall in der laufenden Legislaturperiode eingelöst werden solle.208 Die Einigung zwischen Bund und Land wurde am 12. November 1959 schließlich in dem „Vertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung und über die Errichtung einer ,Stiftung Volkswagenwerk“ festgehalten. Der von Lindrath, Kopf und dem niedersächsischen Finanzminister Ahrens unterzeichnete Vertrag hielt fest, dass die Volkswagenwerk GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden sollte. Des Weiteren wurde vereinbart, dass Bund und Land jeweils 20 Prozent des Grundkapitals der Volkswagenwerk AG sowie jeweils zur Hälfte die bis zur Umwandlung ausgeschütteten Gewinne einschließlich der aufgelaufenen Zinsen erhalten. Die übrigen 60 Prozent der Aktien sollten in Form von Kleinaktien veräußert werden. Bund und Land vereinbarten die gemeinsame Gründung einer Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Technik und Forschung und Lehre mit Sitz in Niedersachsen.209 Die jährlichen Zuwendungen der Stiftung sollten zu 30 Prozent dem Land Niedersachsen und zu 70 Prozent den übrigen Bundesländern zugutekommen. Mit dieser Regelung sicherte sich die Bundesregierung nicht nur die Zustimmung des Landes Niedersachsen, sondern auch die der übrigen Bundesländer bei der Verabschiedung der Volkswagengesetze im Bundesrat.210 Die Stiftung sollte finanziert werden mit dem Erlös der zu veräußernden Aktien, den Dividenden auf die dem Bund und dem Land verbleibenden Aktien sowie den bis zur Veräußerung anfallenden Gewinnen. Der Veräußerungserlös sollte von der Stiftung als langfristiges Darlehen mit einer Laufzeit von 20 Jahren an den Bund gehen und mit 5 Prozent jährlich verzinst werden. Diese Regelung wurde in der Öffentlichkeit als „billige Staatsanleihe“ kritisiert, weil die kurz zuvor platzierte Bundesanleihe bereits mit 6 Prozent verzinst war.211 Die Höhe des Grundkapitals sollte vom Bund einvernehmlich mit dem Land bestimmt werden. 207

Nicolaysen, S. 277. Nicolaysen, S. 277; S. 280. 209 Die Idee, mit einer VW-Stiftung Wissenschaft und Forschung zu fördern, stammte von dem Journalisten Giselher Wirsing und fand nach dem „Sputnik-Schock“ 1957/58 großen Anklang in der Bundesrepublik, dazu: Edelmann, Privatisierung als Sozialpolitik, S. 66; Vgl. Nicolaysen, S. 145 – 174. 210 VW-Privatisierung. Bonn gefördert, in: Der Spiegel (1960, 7), S. 27. 211 VW-Privatisierung. Bonn gefördert, in: Der Spiegel (1960, 7), S. 27. 208

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V. Volkswagenwerk AG

Hinsichtlich der Satzung der neuen Volkswagenwerk AG wurde vereinbart, dass Bund und Land je zwei Vertreter in den Aufsichtsrat der AG entsenden sollten und dass Beschlüsse, die nach dem Aktiengesetz eine qualifizierte Mehrheit benötigten, eine Mehrheit von mehr als 80 Prozent des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals benötigten. Diese Übereinkunft genehmigte der Bundestag im Mai 1960 durch den Erlass des Gesetzes über die Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung.212 Im Juli 1960 folgte das „Gesetz über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand“. Auch wenn es der Bundesregierung nicht gelang, ihr ursprüngliches Ziel einer vollständigen Privatisierung durchzusetzen, enthielt das Gesetz zentrale Elemente der von Erhard und Adenauer verfolgten Idee des Volkskapitalismus. Um einer möglichst großen Anzahl auch einkommensschwacher Personen den Erwerb von Volkswagenwerk-Aktien zu ermöglichen, wurde der Nennwert einer Aktie auf 100 DM festgesetzt. Demselben Zweck diente die Gewährung eines Sozialrabatts. Bei Erwerb von Aktien bis zu einem Nennwert von 500 DM erhielten Alleinstehende mit einem Jahreseinkommen von nicht mehr 6.000 DM und Ehepaare mit einem Jahreseinkommen von nicht mehr als 12.000 DM 20 Prozent Nachlass und bei einem Jahreseinkommen von nicht mehr als 8.000 DM bzw. 16.000 DM 10 Prozent Nachlass auf den Erwerb von Aktien. Bei mehr als 2 Kindern des Erwerbers wurden weitere 5 Prozent Nachlass gewährt. Die Kaufanträge der Arbeitnehmer des Werkes wurden bevorzugt behandelt und der Sozialrabatt bis zu 1.000 DM Nominalwert gewährt. Dies war als ein Zugeständnis der Bundesregierung an die Arbeitnehmer zu werten, die einer Umwandlung in eine Aktiengesellschaft lange Zeit ablehnend gegenüberstanden, da etwa 80 Prozent der Beschäftigten als Flüchtlinge den Aufbau ihrer wirtschaftlichen Existenz noch nicht abgeschlossen hatten und ihre sozialen Privilegien als VW-Mitarbeiter gefährdet sahen.213 Der Nachlass musste zurückgezahlt werden, wenn die Aktien innerhalb einer Sperrfrist von 2 Jahren verkauft wurden. Damit versuchte die Bundesregierung zu verhindern, dass Kleinaktionäre ihre Aktien bei steigenden Kursen allzu schnell verkaufen würden. Um den Einfluss eines Großaktionärs zu verhindern, enthielt das Gesetz die Regelung, dass an einzelne Erwerber Aktien im Gesamtnennwert von maximal 1.000 DM verkauft werden dürften. Für die Dauer von 10 Jahren nach der Umwandlung war das Stimmrecht eines einzelnen Aktionärs des Weiteren auf 0,01 Prozent des Grundkapitals beschränkt. Den Unternehmen, die im Besitz von VolkswagenwerkAktien waren, wurden dabei die Aktien von Konzern-Unternehmen oder anderweitig mit Ihnen verbundenen Unternehmen oder Personen hinzugerechnet. Diese Rege-

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Gesetz über die Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung, in: BGBl. Teil 1, S. 301. 213 Edelmann, Privatisierung als Sozialpolitik, S. 63; Hiller, Volkswagenwerk weiter ohne Absatzsorgen, S. 1395.

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lung galt auf Drängen des Landes Niedersachsens nicht für die Aktien des Landes und der Bundesrepublik Deutschland.214 Die Macht der Banken auf das Unternehmen sollte durch eine Einschränkung des Depotstimmrechts begrenzt werden. Mit Ausnahme der Aktien der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Niedersachsen war niemand befugt, auf der Hauptversammlung mehr als 2 Prozent der Stimmen zu vertreten. Die Vertretung setzte eine Vollmacht des Aktionärs voraus, die gleichzeitig mit schriftlichen Weisungen zur Abstimmung bezüglich der einzelnen Tagesordnungspunkte der Hauptversammlung erteilt werden musste und die höchstens ein Jahr lang bis zur nächsten Hauptversammlung gültig war.215 Die Umwandlung der Volkswagenwerk GmbH in eine Aktiengesellschaft erfolgte schließlich am 22. August 1960 und der Verkauf der Aktien wurde von Januar bis März 1961 durchgeführt.216 Zwar waren wesentliche Bedingungen der Privatisierung zu diesem Zeitpunkt bereits gesetzlich geregelt, doch hinsichtlich Höhe des zu veräußernden Grundkapitals und des Ausgabekurses enthielten die Volkswagenwerk-Gesetze keine eindeutige Vorgabe. Gesetzlich geregelt war lediglich, dass das Grundkapital unter Auflösung der Rücklagen in ein angemessenes Verhältnis zu den Rücklagen gebracht werden sollte.217 Generaldirektor Nordhoff hatte zwar mittlerweile einsehen müssen, dass die Privatisierung durch ihn nicht aufzuhalten war. Nachdem Erhard sich 1957 gegenüber Schäffer nach der Bundestagswahl durchgesetzt hatte, hatte auch Nordhoff seinen Kurs geändert und favorisierte eine Lösung, die das Volkswagenwerk dem staatlichen Einfluss komplett entziehen sollte.218 Nachdem auch dies am vehementen Widerstand Niedersachsens gescheitert war, versuchte Nordhoff, wenigstens bei der Höhe des Grundkapitals seine Vorstellungen eines „angemessenen“ Verhältnisses zwischen Grundkapital und Rücklagen durchzusetzen. Nordhoff forderte eine möglichst niedrige Kapitalisierung zwischen 300 und 400 Millionen DM. Ein höherer Betrag würde durch zu hohe Dividendenzahlungen die Finanzierung erforderlicher Investitionen gefährden. Demgegenüber sah das Bundesfinanzministerium ein Grundkapital von 600 Millionen DM noch nicht als Obergrenze an. Schließlich setzte sich das Bundesschatzministerium

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Nicolaysen, S. 336. Siehe: Gesetz über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand vom 21. Juli 1960, in: BGBl. Teil 1, S. 585 – 587; Reuter, Franz: Der Fortgang der Privatisierung, in: Der Volkswirt 14 (1960, 13), S. 543. 216 Hiller, Heinrich: Volkswagenwerk mit hohen Zuwachsraten. Rund 256 Mill. DM Gewinne – Auflösung stiller Reserven, in: Der Volkswirt 14 (1960, 32), S. 2046. 217 Gesetz über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand vom 21. Juli 1960, in: BGBl. Teil 1, S. 585. 218 Tolliday, S. 344. 215

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V. Volkswagenwerk AG

mit einer Summe von 600 Millionen DM durch.219 Die Kapitalerhöhung folgte den Bestimmungen der Kleinen Aktienrechtsreform von 1959, sodass der Bezug der Aktien aus Gesellschaftsmitteln anders als bei der Kapitalerhöhung 1959 steuerfrei war. Dazu löste die Volkswagenwerk GmbH für das Geschäftsjahr 1959 stille Reserven in Höhe von 217 Millionen DM auf und stellte diese mit weiteren 194 Millionen DM aus dem Gewinn des laufenden Jahres in die Rücklagen ein.220 Der Ausgabekurs wurde durch die Bundesregierung mit 350 Prozent bewusst niedrig angesetzt, um den Erfolg der „Volksaktie“ im Wahljahr 1961 nicht zu gefährden, sodass das Emissionsvolumen an Privataktionäre 1,26 Milliarden DM betrug.221 Wie aus dem Protokoll des Kabinettsausschusses für Wirtschaft der Bundesregierung vom 28. Juni 1960 hervorgeht, hatte Bundesschatzminister Wilhelmi in Gesprächen mit Banken signalisiert bekommen, dass der Kurs der Volkswagenaktie sich sehr wahrscheinlich bei 450 Prozent einpendeln würde. Wilhelmi bezeichnete mit Blick auf einen möglichen Ausgabekurs die Hälfte von 450 Prozent als Verschleuderung, war aber dennoch bereit, beim Ausgabekurs auf 350 Prozent herunterzugehen, weil er zu diesem Zeitpunkt davon ausging, dass eine Differenz von 100 Prozentpunkten zwischen Ausgabekurs und Marktwert die Kleinaktionäre nicht zu einem Verkauf ihrer Aktien bewegen werde. Dabei war Wilhelmi durchaus bewusst, dass bei einem zu hohen Ausgabekurs das Risiko bestand, dass das Ziel einer breiten Eigentumsstreuung in den Händen von Geringverdienern gefährdet werden könnte.222 In der Öffentlichkeit wurden die Modalitäten der Privatisierung als Wahlgeschenk der CDU und die Volkswagenwerk-Aktie als ein Wertpapier „minderer Qualität“ bezeichnet. DER SPIEGEL warf der Bundesregierung vor, mit dem VW-Privatisierungsgesetz das Kind mit dem Bade ausgeschüttet zu haben. Die Stimmrechtsbeschränkungen und die Vertretungsregelungen würden zwar den Einfluss von Großaktionären und den Einfluss der Großbanken zurückdrängen. Gleichzeitig würde dies aber die Willensbildung der Hauptversammlung einschränken und letztlich die Macht des Vorstands gegenüber den Kleinaktionären stärken. Nicht zuletzt deshalb sei Generaldirektor Nordhoff ein Befürworter des Privatisierungsgesetzes.223 Die Kritik verstärkte sich noch einmal, nachdem sich abzeichnete, dass das ursprüngliche Ziel Erhards, den Aktienbesitz weit zu streuen und eine deutliche Beteiligung einkommensschwacher Bevölkerungsschichten am Produktionsvermögen zu erreichen, nicht in dem beabsichtigten Ausmaß erreicht wurde. Die Aktien gingen bei der Erstausgabe zu 30 Prozent an Angestellte und nur zu rund 8 Prozent an 219 BArch: 26. Sitzung des Kabinettsausschusses für Wirtschaft am 28. Juni 1960 TOP 1 (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online); Edelmann, Privatisierung als Sozialpolitik, S. 71; Nicolaysen, S. 387; Tolliday, S. 344. 220 WWA S7 – 322: Geschäftsbericht Volkswagenwerk GmbH 1959, S. 27 ff.; Geschäftsbericht Volkswagenwerk AG 1960, ohne Seitenangabe. 221 Nicolaysen, S. 388. 222 BArch: 26. Sitzung des Kabinettsausschusses für Wirtschaft am 28. Juni 1960 TOP 1 (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). 223 VW-Privatisierung. Kastrierte Aktien, in: Der Spiegel (1960, 16), S. 22 f.

4. Zwischenfazit

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Arbeiter. Auffällig war, dass die Gruppe der Rentner, Studenten, Schüler, Lehrlinge und Hausfrauen 47 Prozent aller Aktien gezeichnet hatte. Dies gab in der Öffentlichkeit Anlass zu der Vermutung, dass viele Aktienkäufe auf Spekulations- und Strohmännergeschäfte zurückzuführen waren. In der Tat entwickelte sich unmittelbar nach der Emission der Aktien ein signifikanter Handel und der Wert der Aktien stieg am Tag der Ausgabe auf 750 Prozent und bis zum Sommer 1961 auf 1.100 Prozent.224 Diese hohen Kursgewinne machten die zweijährige Sperrfrist faktisch unwirksam. Selbst diejenigen Aktionäre, die sich an die Sperrfrist hielten, scheinen ihre Aktien nach zwei Jahren verkauft zu haben, sodass insgesamt die Aktien wohl in den ersten Jahren nach der Ausgabe in die Hände vermögender Personen gelangten, die ihr Vermögen ohnehin in Aktien anlegten.225 Die Bundesregierung musste sich indes den Vorwurf gefallen lassen, Bundesvermögen im Wahljahr unter Wert „verschleudert“ zu haben.

4. Zwischenfazit Das Volkswagenwerk befand sich zum Zeitpunkt der Währungsreform in einer vergleichsweise hervorragenden betriebswirtschaftlichen Ausgangslage. Dem Unternehmen stand eine der modernsten und größten Automobilfabriken der Welt zur vollen Verfügung. Weder die durch den Krieg verursachten Schäden noch Demontagen und Reparationen stellten eine entscheidende Verminderung der Vermögenssubstanz dar. Das Unternehmen verfügte zum Zeitpunkt der Reichmarkschlussbilanz über vergleichsweise geringe liquide Mittel und musste daher keine schmerzhaften Umstellungsverluste hinnehmen. Die Vermögenskontrolle durch die Britische Militärregierung endete zwar erst 1949, sie erwies sich jedoch für das Unternehmen als vorteilhaft. Das einzige Produkt war zu der nötigen Marktreife entwickelt, um die Nachfrage im größten und in absoluten Zahlen am stärksten wachsenden Marktsegment des deutschen Kraftfahrzeugmarktes sehr erfolgreich zu befriedigen. Die ohnehin geringen Dividenden auf das eingesetzte Kapital blieben für die Dauer von 10 Jahren aufgrund der ungeklärten Eigentumsverhältnisse im Unternehmen und standen somit für Investitionen zur Verfügung. Die Rückstellungen für den Ausgang des KDF-Sparerprozess kamen einer Steuerstundung gleich und erhöhten damit den operativen Cashflow während des Wiederaufbaus und die Spielräume für die Ausweitung der Produktion in den fünfziger Jahren.

224 VW-Privatisierung. Hingehauen, in: Der Spiegel (1961, 18), S. 28 ff.; Nicolaysen, S. 391. 225 Edelmann, Privatisierung als Sozialpolitik, S. 71; von Loesch, Achim: Privatisierung öffentlicher Unternehmen. Ein Überblick über die Argumente, Baden-Baden 1983 (Schriftenreihe der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft und Gemeinwirtschaft, Heft 23), S. 26.

238

V. Volkswagenwerk AG

Die erfolgreiche Modellpolitik im Personenkraftwagen- und Nutzfahrzeuggeschäft und die anhaltend hohe Nachfrage in den entsprechenden Segmenten führten dazu, dass das Volkswagenwerk hohe operative Cashflows erwirtschaftete und die Bilanzsumme anstieg. Die Banken waren zwar an einer geschäftlichen Beziehung mit dem Volkswagenwerk überaus interessiert, doch kann angesichts der vergleichsweise geringen Bedeutung von Bankkrediten für die Finanzierung des Unternehmens davon ausgegangen werden, dass die Banken keine wesentliche Machtposition im Unternehmen aufbauten. Angesichts hoher gewinnabhängiger Unternehmenssteuern nutzte das Volkswagenwerk die gesetzlichen Möglichkeiten zu steuerlich wirksamen Gewinnreduzierungen aus, sodass das Unternehmen bis zum Ende der fünfziger Jahre erhebliche stille Reserven bildete und die Eigenkapitalquote tendenziell rückläufig war. Die tatsächliche Finanzierungsstruktur war daher weitaus solider, als die aus der handelsrechtlichen Bilanz abzulesende Eigenkapitalquote nahelegt. Die Auflösung und Ausschüttung eines erheblichen Teils dieser stillen Reserven und die anschließende Kapitalerhöhung führte zu dem niedrigsten Stand der Eigenkapitalquote im Jahr 1958 sowie zu einem sprunghaften Anstieg im folgenden Jahr. Dieser Anstieg wäre sogar noch heftiger ausgefallen, wenn das Unternehmen diese Transaktionen ein Jahr später durchgeführt hätte und dann von der Abschaffung der Doppelbesteuerung bei der Umwandlung von Reserven in Stammkapital durch die kleine Aktienrechtsreform hätte profitieren können. Allerdings nahm die Bundesregierung anscheinend einen aus betriebswirtschaftlicher Sicht unvorteilhaften Abfluss von Eigenkapital in Kauf, um das Volkswagenwerk noch in der laufenden Legislaturperiode zu privatisieren. Mit der Privatisierung beabsichtigten Adenauer und Erhard das 1957 gegebene Wahlkampfversprechen des Wohlstands für alle durch Volkskapitalismus und Volksaktien gegenüber den Wählern einzulösen. Tatsächlich gelang es Ihnen nur teilweise, das Wahlkampfversprechen einzulösen. Das Volkswagenwerk wurde zwar 1960 in eine Aktiengesellschaft in überwiegend privatem Besitz von Kleinaktionären umgewandelt. Der Staat behielt jedoch aufgrund der erfolgreichen fiskalischen Interessendurchsetzung des Landes Niedersachsen einen Anteil von 40 Prozent am Grundkapital. Des Weiteren scheiterte die Überführung des Volkswagenwerkes in den Besitz vieler Kleinaktionäre an der dynamischen Kursentwicklung der Aktie nach der Privatisierung. Dies machte es für viele Kleinaktionäre attraktiv, ihre Aktien zu verkaufen, sodass diese schließlich doch in den Besitz weniger Großaktionäre gelangten. Die Frage nach der gerechten Verteilung des von Kapital und Arbeit gemeinsam erwirtschafteten Wohlstands wurde zwar zunächst im Interesse der abhängig Beschäftigten entschieden. Letztlich scheiterte der Volkskapitalismus jedoch an seinem eigenen Erfolg und verschwand damit auch in der gesellschaftspolitischen Diskussion zunächst in der Versenkung. Aufgrund der ablehnenden Haltung von Heinz Nordhoff gegenüber einem Einstieg in das Rüstungsgeschäft trug die Rüstungskonjunktur der fünfziger Jahre zur Ertragskraft des Unternehmens nur unwesentlich bei.

Fazit Die Entwicklung der Finanzierungsstruktur in der deutschen Automobilindustrie folgte zwischen der Währungsreform 1948 und dem Inkrafttreten der kleinen Aktienrechtsreform 1965 einem grundsätzlichen Trend. Die Eigenkapitalquoten der Unternehmen waren zum Zeitpunkt der Währungsreform vergleichsweise hoch, nahmen im Laufe der fünfziger Jahre deutlich ab und stiegen dann bis zur Mitte der sechziger Jahre wieder an, ohne jedoch das hohe Niveau des Jahres 1948 wieder zu erreichen. Allerdings entwickelte sich die Finanzierungsstruktur der einzelnen Unternehmen von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich. Am Beispiel von BMW, Daimler-Benz und dem Volkswagenwerk konnten die Ursachen dieser unterschiedlichen Entwicklung bestimmt werden. Die Unternehmen durchliefen erstens bis zur Währungsreform eine deutlich unterschiedliche betriebswirtschaftliche Entwicklung und sie waren zweitens von Kriegsschäden, Demontagen, Reparationen sowie von der Beschlagnahmung und Verwaltung durch die alliierte Militärregierung sowie von den volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen seit der Währungsreform unterschiedlich betroffen. Die Finanzierungsstruktur unterschied sich drittens, weil in den betreffenden Unternehmen das Management, die Fremdkapitalgeber und Eigentümer unterschiedlich große Machtpotenziale hatten, um ihre spezifischen Interessen hinsichtlich der Geschäfts- und Finanzierungspolitik durchzusetzen. Des Weiteren beeinflussten zwei übergeordnete politische Herausforderungen, vor denen die junge Bundesrepublik stand, die Finanzierungsstruktur von BMW, Daimler-Benz und des Volkswagenwerks. Die Auseinandersetzung zwischen Arbeitnehmervertretern und den Vertretern der Kapitaleigentümer hinsichtlich der gerechten Verteilung des gemeinsam erwirtschafteten Wohlstands beeinflusste die Finanzierungsstruktur von Daimler-Benz und des Volkswagenwerks, während das Bemühen der Bundesregierung um die Schaffung deutscher Fertigungskapazitäten für die deutsche Wiederbewaffnung und insbesondere die Luftrüstung die Finanzierungsstruktur von BMW und in weniger starkem Maße auch von Daimler-Benz beeinflusste. Daimler-Benz und das Volkswagenwerk starteten mit einer wesentlich besseren Ausgangslage in die Zeit nach der Währungsreform. Das Volkswagenwerk erlitt durch Kriegsschäden, Reparationen und Demontagen keine vergleichbar nachhaltige Beeinträchtigung der materiellen Substanz. Des Weiteren profitierte das Volkswagenwerk von den lange Zeit ungeklärten Eigentumsverhältnissen und dem KDFSparerprozess, weil einerseits die Dividenden als Darlehen im Unternehmen verblieben und für Investitionen zur Verfügung standen und weil die Bildung von Rückstellungen für den Ausgang des Sparerprozesses einer Steuerstundung

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Fazit

gleichkam. Während Daimler-Benz dank hoher Reichsmarkbestände den Wiederaufbau der Produktionsanlagen bis 1948 bereits weit vorantreiben konnte, gelang bei BMW der Aufbau einer PKW-Produktion aufgrund schwerwiegender Kriegsschäden, Demontagen und Reparationen erst Mitte der fünfziger Jahre, als der Wiederaufbau der Produktion bei Daimler-Benz und beim Volkswagenwerk schon längst abgeschlossen war. Dazu kam, dass BMW in stärkerem Maße von der Vermögenskontrolle beeinträchtigt war als Daimler-Benz und das Volkswagenwerk. Diese unterschiedliche Ausgangslage veranlasste die Unternehmen, die zukünftige Geschäftsentwicklung für die Zeit nach 1948 unterschiedlich zu bewerten. Anscheinend wurde das Vermögen umso höher angesetzt, je optimistischer die Erwartung an die zukünftigen operativen Cashflows war. Denn ein hohes Vermögen eröffnete Spielräume für höhere gewinn- und damit steuermindernde Abschreibungen. Ein geringerer Geschäftsumfang barg jedoch das Risiko, durch Wertberichtigungen auf Anlagen gegebenenfalls geringe handelsrechtliche Jahresüberschüsse ausweisen zu müssen und somit der eigenen Bonität zu schaden. Diese Ausganglage im Jahr 1948 war für BMW doppelt nachteilig, denn zum einen erforderte der Aufbau einer profitablen Kraftfahrzeugproduktion hohe Investitionen. Zum anderen bevorteilten die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen solche Unternehmen, die hohe operative Cashflows erwirtschafteten. Dies lag daran, dass der deutsche Finanzmarkt der Industrie in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre das für Investitionen erforderliche langfristige Kapital nicht bereitstellen konnte. Des Weiteren waren die Unternehmensteuern gemessen an heutigen Maßstäben sehr hoch. Allerdings kam der Staat den Unternehmen in Anerkenntnis dieser Lage entgegen und ermöglichte es den Unternehmen, durch degressive Abschreibungen, Sonderabschreibungen und Sonderbetriebsausgaben die zu versteuernden Gewinne so zu reduzieren, dass ein beträchtlicher Teil der Gewinne, der ohne diese steuerlichen Absetzungen an den Fiskus hätte abgeführt werden müssen, für Investitionszwecke in den Unternehmen verblieb. Die Nutzung dieser steuerlichen Möglichkeiten setzte allerdings voraus, erst einmal hohe Zahlungsmittelzuflüsse aus dem eigenen operativen Geschäft zu generieren. Dies gelang dem Volkswagenwerk am besten, da es mittels einer sehr effizienten Produktion und einer erfolgreichen Modellpolitik wenige Fahrzeugtypen für einen Massenmarkt produzierte, auf dem die in- und ausländische Nachfrage über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg anhaltend hoch war. Auch DaimlerBenz gelang dies deutlich besser als BMW, das Unternehmen war aber im Vergleich zum Volkswagenwerk in stärkerem Umfang auf langfristiges Fremdkapital angewiesen. Die Beschaffung dieses Fremdkapitals war zu Beginn der fünfziger Jahre besonders schwierig. Die Finanzierung durch Rudolf Münemann gelang schließlich, obwohl das Nachfolgeinstitut der Deutschen Bank an einer derartigen Geschäftsbeziehung als Hausbank kein Interesse gehabt haben dürfte. Dies zeigt auch die geringe Macht der Banken zu Beginn der fünfziger Jahre. Daimler-Benz und das Volkswagenwerk nutzten anders als BMW die degressive Abschreibungsmethode

Fazit

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und machten von den gesetzlichen Möglichkeiten der Steuerreduzierung deutlich stärkeren Gebrauch. Infolgedessen bildeten sowohl Daimler-Benz als auch das Volkswagenwerk stetig wachsende stille Reserven und verringerten schrittweise ihre Eigenkapitalquote. Die Auflösung und Verteilung dieser Reserven geriet schließlich in den Mittelpunkt einer richtungsweisenden gesellschaftspolitischen Diskussion um die gerechte Verteilung des von Kapital und Arbeit gemeinsam erwirtschafteten Wohlstands in der jungen Bundesrepublik Deutschland. Die CDU setzte der Idee der SPD eines stärker verteilenden Sozialstaats im Bundestagswahlkampf 1957 das Versprechen auf Wohlstand für alle durch die Förderung des sogenannten Volkskapitalismus entgegen. Dessen zentrales Element war die Miteigentümerschaft weiter Teile der Bevölkerung mit mittleren und geringen Einkommen am Produktivvermögen der Gesellschaft. Nach dem Wahlsieg der CDU sollten die kleine Aktienrechtsreform und die Privatisierung des Volkswagenwerks dazu beitragen, das Wahlkampfversprechen der CDU einzulösen. Bei der kleinen Aktienrechtsreform sah sich der liberale Flügel der CDU jedoch gezwungen, dem gewerkschaftlichen Flügel der Partei das Zugeständnis zu machen, dass im Zuge der Umwandlung von Reserven in Grundkapital auch steuerlich begünstigte Belegschaftsaktien auf freiwilliger Basis ausgegeben werden durften. Die Entscheidung, wie und in welchem Umfang die stillen Reserven zwischen Kapital und Arbeit verteilt werden sollten, wurde damit von der Politik an die Unternehmen delegiert. Im Falle von Daimler-Benz nutzten die Großaktionäre Herbert Quandt und Friedrich Flick sowie die Hausbank des Unternehmens und gleichzeitiger Großaktionär, die Deutsche Bank unter Führung von Hermann J. Abs, den gesetzlichen Handlungsspielraum zur Durchsetzung ihrer Interessen gegenüber den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat. Infolgedessen finanzierte das Unternehmen seine Kapitalerhöhungen zum überwiegenden Teil aus aufgelösten stillen bzw. offenen Reserven und verzichtete dabei auf die Ausgabe von Belegschaftsaktien. Die Privatisierung des Volkswagenwerks sollte nach dem Willen von Ludwig Erhard dem Volkskapitalismus in Deutschland zum Durchbruch verhelfen. Vor diesem Hintergrund wurden erhebliche stille und offene Reserven des Unternehmens in Stammkapital umgewandelt, um einer möglichst großen Zahl von interessierten Kleinsparern den Kauf von Aktien zu ermöglichen. Wie sich herausstellte, wurde der Ausgabekurs aber deutlich zu niedrig festgesetzt. Dies hatte zwar zur Folge, dass sich viele Kleinsparer den Erwerb der Aktien leisten konnten, diese angesichts hoher Kursgewinne bereits kurze Zeit nach der Emission jedoch wieder veräußerten. Nachdem das Grundkapital auf diese Weise entgegen den Vorstellungen Erhards zu einem großen Teil doch wieder im Besitz von wenigen vermögenden Aktionären landete, war die Idee des Volkskapitalismus vorerst gescheitert. BMW war von der Auseinandersetzung um die Verteilung stiller Reserven nicht betroffen, denn das Unternehmen bildete aufgrund einer nachlassenden Motorradkonjunktur und eines lange Zeit erfolglosen PKW-Geschäfts eher stille Lasten als

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Fazit

Reserven. Der Rückgang der Eigenkapitalquote seit 1948 spiegelte somit die schleppende operative Geschäftsentwicklung wider. Daher kam es bei BMW nicht zu einer Diskussion um die gerechte Verteilung des Wohlstands wie bei Daimler-Benz und dem Volkswagenwerk. Vielmehr war das Unternehmen wiederholt auf staatliche Unterstützung angewiesen. Für die Finanzierungsstruktur von BMW waren daher die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik und insbesondere die Schaffung deutscher Luftrüstungskapazitäten von größerer Bedeutung. Zwar hatte das Bundeswirtschaftsministerium die Verfügungsgewalt der BMW AG über die Rüstungserträge ihrer Tochtergesellschaft stark eingeschränkt, aber immerhin profitierte die Muttergesellschaft von Zulieferaufträgen der BMW Triebwerkbau GmbH. Einen entscheidenden Beitrag zur Sanierung der Finanzierungsstruktur konnte das Rüstungsgeschäft jedoch nicht leisten. Einen spürbar positiven Effekt auf die Finanzierungsstruktur hatte erst der Verkauf des Rüstungsgeschäfts an MAN, der auf Druck der Bundesregierung und gegen den Willen des Großaktionärs Herbert Quandt zustande kam. Auch Daimler-Benz profitierte von Rüstungsaufträgen im NFZ-Bereich und machte sich damit ebenfalls vom Bundesverteidigungsministerium abhängig. Aufgrund der hohen operativen Ertragskraft der zivilen Geschäftsfelder gelang es Daimler-Benz jedoch sehr viel besser, sich den weitergehenden Forderungen von Franz-Josef Strauß bezüglich des Aufbaus deutscher Luftrüstungskapazitäten zu entziehen. Das Volkswagenwerk hingegen lehnte einen Einstieg in Rüstungsgeschäfte unter der Führung von Heinz Nordhoff kategorisch ab. Schließlich hatte auch die spezifische Akteurskonstellation in den Unternehmen Einfluss auf die Finanzierungsstruktur. Bei BMW versuchten die im Aufsichtsrat vertretenen Banken, ihre Risikoposition zu begrenzen, als sich die Ertragslage des Unternehmens zusehends verschlechterte, indem sie als Mitglieder des Aufsichtsrats dem immer schwächer werdenden Vorstand die Genehmigung von Investitionen in ein dringend benötigtes PKW-Modell versagten. Dies hatte zur Folge, dass die Finanzierungsstruktur zusehends unsolider wurde und BMW fast von Daimler-Benz übernommen worden wäre. Abgewendet werden konnte dies nur dadurch, dass die Kleinaktionäre sich auf der Hauptversammlung 1959 erfolgreich gegen die Interessen der Banken und des Daimler-Benz-Konzerns durchsetzten und unter der Führung eines neuen Großaktionärs in Person von Herbert Quandt das Unternehmen finanziell saniert werden konnte. Die genaue Interessenlage von Quandt kann auch durch diese Arbeit mangels Zugangs zu entscheidenden Quellen des Archivs der Familie Quandt nicht abschließend geklärt werden und bleibt damit der zukünftigen Forschung überlassen. Bei Daimler-Benz kauften sich Mitte der fünfziger Jahre Herbert Quandt und Friedrich Flick als Großaktionäre ein. Beiden war nicht daran gelegen, ihre Machtposition durch die Ausgabe neuer echter Aktien zu riskieren. Dieses Interesse setzten sie aufgrund ihrer gepoolten Stimmenmehrheit erfolgreich gegen das Interesse der Deutschen Bank durch. Die Deutsche Bank unter Hermann J. Abs war als Hausbank eher an einer echten Kapitalerhöhung interessiert, um das haftende Kapital zu erhöhen. Erst die Bestimmungen der kleinen Aktienrechtsreform leiteten bei

Fazit

243

Daimler-Benz eine Phase von Kapitalerhöhungen ein, bei denen Abs und Quandt nicht um ihre Stimmenmehrheit zu fürchten brauchten. Beim Volkswagenwerk hatte die starke Machtposition des Generaldirektors Heinz Nordhoff direkten Einfluss auf die Finanzierungsstruktur. Nordhoffs Macht stützte sich auf den Erfolg des Volkswagenwerkes und seine Beliebtheit bei der Belegschaft. Mehrfach setzte sich Nordhoff über die allgemeine Preispolitik der Bundesregierung hinweg und unterließ es, die Preise für den Käfer zu senken. Auch widersetzte er sich Forderungen von Gewerkschaften und Händlern nach einer im Nachhinein zu frühzeitigen Diversifikation der Produktpalette. Wäre ein weniger durchsetzungsstarker Generaldirektor den Vorgaben von Politik, Gewerkschaften und Händlern gefolgt, dann hätte sich die Finanzierungsstruktur des Volkswagenwerks bis zum Ende der fünfziger Jahre noch stärker der von BMW und DaimlerBenz angenähert. Die erfolgreiche Geschäftspolitik machte das Volkswagenwerk darüber hinaus weitaus weniger abhängig von der Macht der Banken, sodass Nordhoff hier im Aufsichtsrat keine Widersacher fürchten musste, an deren partikularen Interessen seine Produkt- und Preispolitik hätte scheitern können. Über den Einfluss der Interessenkonflikte zwischen Bundeswirtschaftsminister Erhard und Bundesfinanzminister Schäffer sowie zwischen der Bundesregierung und dem Land Niedersachsen auf die Finanzierungsstruktur kann nur spekuliert werden. Es muss angenommen werden, dass die zeitlichen Verzögerungen, zu denen diese Konflikte bei der Privatisierung führten, die Bundesregierung dazu verleitete, ihr Wahlversprechen auf Biegen und Brechen noch vor Ablauf der Legislaturperiode 1961 umsetzen zu wollen. Die Erfolgsvoraussetzungen für eine Umsetzung der Ideen des Volkskapitalismus, die der Privatisierung zu Grunde lagen, waren zu Beginn der sechziger Jahre nicht gegeben. Um das Ziel einer dauerhaft breiten Streuung der Aktien zu erreichen, hätte es nicht zu der erheblichen Kurssteigerung nach der Ausgabe der Aktien kommen dürfen, denn diese verleitete viele Kleinaktionäre zur Veräußerung ihrer Aktien. Dafür hätte der Ausgabekurs allerdings so hoch sein müssen, dass sich viele Kleinsparer die Aktie gar nicht hätten leisten können oder wollen. Erhards Idee des Volkskapitalismus durch Volksaktien traf daher auf eine deutsche Gesellschaft, in der weder die kulturellen noch die materiellen Voraussetzungen für das Aktiensparen vorlagen. Über die zentrale Fragestellung nach den Ursachen für die spezifische Entwicklung der Finanzierungsstruktur westdeutscher Automobilhersteller hinaus liefert die vorliegende Arbeit eine Erweiterung der Abelshauser’schen Rekonstruktionsthese. Werner Abelshauser erklärte 2004 die hohen Wachstumsraten der westdeutschen Volkswirtschaft nach 1948 mit den Annahmen der dynamischen Wachstumstheorie von Roy F. Harrod. Aus dieser Theorie entlehnte Abelshauser den Rekonstruktionsansatz, der einen „dem Wirtschaftsprozess inhärenten Mechanismus [beschreibt, Anm. d. Verf.], der sicherstellt, dass zeitweilige Rückschläge mehr oder weniger automatisch wieder wettgemacht werden“.1 Abelshauser bezweifelte als 1

Abelshauser, S. 283.

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Fazit

Historiker jedoch, dass dieser Mechanismus automatisch abläuft, und beschrieb für die Bundesrepublik Deutschland die wirtschaftlichen Erfolgsvoraussetzungen, die im Sinne des Rekonstruktionsansatzes zu den hohen Wachstumsraten nach 1948 führten. Diese sah Abelshauser insbesondere in dem hohen Kapitalstock der deutschen Industrie zum Zeitpunkt der Währungsreform, der 1947 einsetzenden konjunkturellen Belebung, der Währungsreform von 1948, dem Marshallplan und dem Koreaboom von 1952.2 Die Bedingungen, unter denen die deutschen Unternehmen ihr Wachstum finanzierten, finden bei Abelshauser allerdings keine Erwähnung. Die vorliegende Arbeit hat jedoch zeigen können, dass zumindest in der Automobilindustrie eine erfolgreiche und solide Finanzierungsstruktur die Voraussetzung für nachhaltiges Wachstum darstellte. Die spezifische Kombination aus hoher Unternehmensbesteuerung, komplexen Steuererleichterungen und der größtmöglichen Ausschöpfung dieser Steuererleichterungen durch die Unternehmen war in den zwei Jahrzehnten nach der Währungsreform die Voraussetzung für ein erfolgreiches Wachstum. Diese Erkenntnis kann als eine Ergänzung des Rekonstruktionsansatzes von Abelshauser verstanden werden. Zusammenfassend soll aber auch die Frage beantwortet werden, inwieweit sich der theoretische und methodische Rahmen dieser Arbeit bewährt hat und sich möglicherweise auch für zukünftige Analysen empfiehlt. Die Analyse von Finanzierungsstrukturen stellt besondere Herausforderungen an die Wirtschaftsgeschichte, denn die handelsrechtlichen Bilanzen vermitteln aufgrund epochenspezifischer Rahmenbedingungen in der Regel nicht die tatsächliche Entwicklung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens. Dies hat einerseits damit zu tun, dass in der handelsrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnung stille Reserven bzw. Lasten gebildet werden können. Der methodische Rahmen der vorliegenden Arbeit hat gezeigt, dass die dadurch eintretende Verzerrung zumindest teilweise behoben werden kann, wenn die Betrachtung eher auf die Entwicklung der Cashflows, insbesondere auf die Entwicklung des operativen Cashflows und des Net Cashflows, abstellt. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass Finanzierungsstrukturen nicht nur das Ergebnis eines rationalen Strebens nach einem betriebswirtschaftlichen Optimum sind, sondern auch abhängig sind von den Interessen und Machtpotenzialen der Akteure, die auf die Finanzierungsstruktur eines Unternehmens Einfluss haben. Darüber hinaus ist die Entwicklung von Finanzierungsstrukturen eingebettet in einen übergeordneten gesellschaftlichen und politischen Kontext. Zusammenfassend kann davon ausgegangen werden, dass die Forderung von Plumpe und Kleinschmidt, dass „das Wechselverhältnis von internen Kommunikations- und Interaktionsstrukturen zu einer zunehmend größer werdenden, dabei ständig schwankenden Umweltkomplexität […] in Zukunft im Mittelpunkt unternehmenshistorischer Forschung stehen“ solle,3 in Verbindung mit den Annahmen des 2

Abelshauser, S. 285; vgl. Abelshauser, S. 60 – 166. Plumpe, Werner: Statt einer Einleitung: Stichworte zur Unternehmensgeschichtsschreibung, in: ders./Kleinschmidt, Christian (Hg.): Unternehmen zwischen Markt und Macht. As3

Fazit

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akteurzentrierten Institutionalismus von Scharpf und Mayntz, in methodischer Hinsicht sich dafür bewährt hat, die auf die Finanzierungsstruktur von Unternehmen wirkenden Akteursinteressen und Umweltbedingungen freizulegen. Vor diesem Hintergrund erscheint es gewinnbringend, den in dieser Arbeit verfolgten methodischen Ansatz auf weitere Unternehmen, Branchen, Länder und Untersuchungszeiträume auszudehnen, um so durch systematische Vergleiche neue Erkenntnisse mit Blick auf die Entwicklung von Finanzierungsstrukturen zu gewinnen. Spannend wäre es auch zu hinterfragen, welchen Erkenntnisbeitrag möglicherweise neue Methoden der Verarbeitung von Big Data bei der Bilanzanalyse ganzer Branchen leisten könnten. Darüber hinaus hat die vorliegende Arbeit viele Bereiche zwangsläufig nur streifen können. Beispielsweise ähneln sich die Argumentationen von Hermann J. Abs von der Deutschen Bank und führender CDU Politiker im Bundestag gegen die Ausgabe von Zusatzaktien an Mitarbeiter derart auffallend, dass es interessant erscheint, einmal die sozialen Netzwerke und die geistig-intellektuelle Kohärenz der deutschen Eliten in der frühen Bundesrepublik mit sozialgeschichtlichen Methoden genauer zu erforschen. Dafür sprechen auch die personellen Verflechtungen zwischen den Unternehmen. Hermann Richter war beispielsweise ab 1953 durchgehend im Aufsichtsrat der Volkswagenwerk AG vertreten und gleichzeitig zwischen 1952 bis 1957 Aufsichtsratsvorsitzender der Rhein-Main Bank. In dieser Funktion hatte er gute Kontakte zu den Vorstandsmitgliedern der Rhein-Main Bank und späteren Dresdner Bank Hugo Zinsser, Gustav Wilhelm von Mallinckrodt und Ernst Matthiensen. Während Zinsser zwischenzeitlich Aufsichtsratsmitglied bei DaimlerBenz und BMW war, saßen Mallinckrodt und Matthiensen bei BMW im Aufsichtsrat. Interessant wäre es auch, die Rolle, Funktionsweise, Interessen und den Erfolg weiterer Akteure für das deutsche Finanzsystem zu untersuchen. Dabei würden sich die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz und die Deutsche Treuhandgesellschaft als Hüterin der Aktionärsinteressen sowie die Rolle der Versicherungsgesellschaften als Kapitalgeber an die Industrie als Fokus der zukünftigen Forschung anbieten. Mit Bezug auf die Automobilindustrie sollte die Forschung zukünftig die Exportgeschäfte deutscher Automobilhersteller in den Blick nehmen. Der Kern des weitverzweigten Auslandsgeschäfts der deutschen Automobilindustrie entstand zwischen Währungsreform und großer Aktienrechtsreform. Mit Bezug auf die anhaltend hohen liquiden Mittel des Volkswagenwerks könnte eine Fragestellung für die zukünftige Forschung lauten, inwieweit das Volkswagenwerk Finanzier der in seinem Aufsichtsrat vertretenen Banken, d. h. Dresdner Bank, M. M. Warburg und Deutsche Verkehrskreditbank, war.

pekte deutscher Unternehmens- und Industriegeschichte im 20. Jahrhundert, Essen 1992 (Bochumer Schriften zur Unternehmens- und Industriegeschichte 1), S. 12.

246

Fazit

Schließlich bietet die deutsche Steuergesetzgebung ein zukünftiges Betätigungsfeld für Wirtschaftshistoriker. Dieser Bereich der Gesetzgebung war und ist in dem spezifisch deutschen System grundsätzlich allgemein verbindlicher Besteuerungsgrundsätze und komplexer Ausnahmeregelungen durchzogen von einer Vielzahl gesellschaftspolitisch höchst relevanter Konflikte und verspricht aufgrund der verbindlichen Lenkungsfunktion der Steuergesetzgebung für volkswirtschaftliche Kapitalflüsse daher sehr interessante Erkenntnisse über die Interessenformulierung und -durchsetzung gesellschaftlicher Akteure in der Bundesrepublik Deutschland.

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250

Quellenverzeichnis

BMW UA 445: Erklärung des Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Hans Feith in der Hauptversammlung am 9. 12. 1959. BMW UA 445: Protokoll über die Hauptversammlung der Bayerische Motoren Werke AG am Mittwoch, dem 9. Dezember 1959, 11 Uhr. BMW UA 732 – 2: Niederschrift über die Vorstandssitzung vom 1. September 1964. BMW UA 732 – 2: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft München, Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 18. Mai 1965. BMW UA 1256: Aktennotiz. BMW UA 1265: Abwicklung der Altverbindlichkeiten der Bayerische Motorenwerke AG und ihrer Tochtergesellschaften aus der Zeit vor dem 8. 5. 1945. BMW UA 1265: Aktennotiz über die Besprechung im Bayerischen Finanzministerium betreffend Remontagekredit II und weitere Finanzierung. BMW UA 1265: Aktenvermerk. Besprechung im Bayerischen Wirtschaftsministerium am 6. Oktober 1950 über den seitens der BMW gestellten Kreditantrag für die erste Stufe der Automobilfertigung in Höhe von DM 10.000.000,–. BMW UA 1265: Aktennotiz über die Besprechung im Bayerischen Finanzministerium am 6. 11. 1950. BMW UA 1265: Aktennotiz über die Besprechung in Bonn am 16. 12. 1950. BMW UA 1265: Aktennotiz von Hanns Grewenig vom 10. 05. 1951. BMW UA 1265: Aktenvermerk über die Besprechung mit dem Bayerischen Wirtschaftsminister, Herrn Dr. Seidel, am 10. 10. 1951. BMW UA 1265: Aktenvermerk über die Besprechung bei Herrn Staatssekretär Dr. Ringelmann am 2. November 1951. BMW UA 1265: Aktenvermerk über die Besprechung im Bayerischen Finanzministerium am 12. November 1951. BMW UA 1265: Aussprache beim Bayer. Innenministerium bezüglich Gewährung eines Kredits für die Schaffung von Dauerarbeitsplätzen für Flüchtlinge und Kriegsbeschädigte (6. 2. 1953). BMW UA 1265: Aktenvermerk von Hanns Grewening vom 10. 07. 1953. BMW UA 1307: Deutsche Treuhandgesellschaft: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft, München Jahresabschluss zum 31. Dezember 1950. BMW UA 1308: Deutsche Treuhandgesellschaft, Bayerische Motorenwerke Aktiengesellschaft, Jahresabschluss zum 31. Dezember 1951. BMW UA 1310: Deutsche Treuhand-Gesellschaft, Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft, München, Jahresabschluß zum 31. Dezember 1953.

3. Mercedes-Benz Classic Archive (MB CA)

251

2. Bundesarchiv (BArch) BArch: 138. Kabinettssitzung am 30. März 1951 TOP D (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). BArch: 142. Kabinettssitzung am 18. April 1951 TOP B (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). BArch: 42. Kabinettssitzung am 2. September 1954 TOP 4 (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). BArch: 25. Sitzung des Kabinettsauschusses für Wirtschaft am 18. Februar 1955 TOP 1 (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). BArch: 116. Kabinettssitzung am 27. Januar 1956 TOP B (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online). BArch: 26. Sitzung des Kabinettsausschusses für Wirtschaft am 28. Juni 1960 TOP 1 (Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online).

3. Mercedes-Benz Classic Archive (MB CA) MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates am 18.01.47. MB CA: Protokoll über die Besprechung leitender Herren der Verwaltung der Daimler-Benz Aktiengesellschaft und einiger Finanzsachverständiger über die Tilgung der 40 Millionen Teilschuldverschreibungen in Stuttgart-Untertürkheim am 12. 12. 1947. MB CA: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Daimler-Benz Aktiengesellschaft in Stuttgart-Untertürkheim vom 28.4.48. MB CA: Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung der Daimler-Benz Aktiengesellschaft in Stuttgart-Untertürkheim am 15.6.48. MB CA: Niederschrift über die Präsidialsitzung am Montag, dem 16.8.48. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 26. November 1948. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 27. Mai 1949. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 16. Dezember 1949. MB CA: Notiz für Herrn Direktor Rummel Betr.: Aufsichtsratssitzung 15. Juli 1950. MB CA: Niederschrift über Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am 6. Oktober 1950. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 4. Mai 1951. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, 17. Dezember 1951.

252

Quellenverzeichnis

MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Samstag, 12. Juli 1952. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, 12. Dezember 1952. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, 24. Juli 1953. MB CA: Bericht über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens in 1953 unter besonderer Berücksichtigung des IV. Quartals 1953, erstattet in der Aufsichtsratssitzung vom 14. Dez. 1953. MB CA: Niederschrift über die Präsidialausschußsitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz A. G., 6. 2. 1954. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 14. Mai 1954. MB CA: Bericht des Vorstandes über die Geschäftslage, 6. 11. 1954. MB CA: Niederschrift über die Präsidialausschußsitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft in Sindelfingen am Samstag, 6. November 1954. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Sonnabend, den 6. November 1954. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, dem 3. Juni 1955. MB CA: Protokoll über die Präsidialausschußsitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz A. G., 25. 6. 1955. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, dem 19. Dezember 1955. MB CA: Niederschrift über die Besprechung der Aufsichtsratsvorsitzer mit dem Vorstandsvorsitzer der Daimler-Benz A. G. am 1. Juni 1956. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 1. Juni 1956. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Mittwoch, den 31. Oktober 1956. MB CA: Aufzeichnungen über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler, Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 15. Februar 1957. MB CA: Aufzeichnungen über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft, 22. 05. 1957. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Donnerstag, dem 13. Juni 1957. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Donnerstag, dem 7. November 1957. MB CA: Aufzeichnungen über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft, 14. 01. 1958.

3. Mercedes-Benz Classic Archive (MB CA)

253

MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Mittwoch, den 12. März 1958. MB CA: Schreiben von Fritz Könecke an die Mitglieder des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz A. G. vom 16. Juni 1958. MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Mittwoch, den 30. Juli 1958. MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, den 17. November 1958. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates mit dem Vorstand der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Dienstag, dem 30. Juni 1959. MB CA: Niederschrift über die Präsidialsitzung am Freitag, dem 29. September 1959. MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Donnerstag, den 8. 10. 1959. MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Mittwoch, den 4. November 1959. MB CA: Niederschrift über den Inhalt der Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, den 9. November 1959. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der der DaimlerBenz-Aktiengesellschaft am Donnerstag, dem 2. Juni 1960. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Mittwoch, dem 15. Juni 1960. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, dem 6. März 1961. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrats der Daimler-Benz AG am Freitag, den 12. Mai 1961. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Dienstag, 30. Mai 1961. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Mittwoch, den 25. Oktober 1961. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Mittwoch, den 9. Mai 1962. MB CA: Protokoll über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 1. Juni 1962. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Freitag, den 8. Februar 1963. MB CA: Protokoll über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrates der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Donnerstag, den 6. Juni 1963. MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengeellschaft am Donnerstag, den 20. Juni 1963.

254

Quellenverzeichnis

MB CA: Niederschrift über die Sitzung des Präsidiums der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Montag, dem 11. November 1963. MB CA: Protokoll über die Sitzung des Präsidiums des Aufsichtsrats der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Donnerstag, den 9. April 1964. MB CA: Protokoll über die Sitzung des Präsidiums der Aktiengesellschaft der Daimler-Benz Aktiengesellschaft am Dienstag, den 3. November 1964.

4. Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv (WWA) WWA G7 – 321 – 2: Geschäftsberichte Daimler-Benz AG. WWA S7 – 322: Geschäftsberichte Volkswagenwerk.

5. Wirtschaftsarchiv der Universität zu Köln (WA UK) WA UK C8/2: Geschäftsberichte Bayerische Motorenwerke AG.

6. Gesetze Anordnung über Preisbildung und Preisüberwachung nach der Währungsreform. Vom 25. Januar 1948, in: Gesetzesblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1948. Bekanntmachung der Neufassung des Einkommensteuergesetzes vom 10. Dezember 1965, in: BGBl. Teil 1. Bewertungsgesetz in der Fassung vom 10. Dezember 1965, in: BGBl. Teil 1. D-Markbilanzgesetz vom 21. 08. 1949, in: Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes. Drittes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Umstellungsgesetz) vom 20. 06. 1948, in: Beilage Nr. 5 zum Gesetzes- und Verordnungsblatt der Verwaltung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (1948). Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 10. 08. 1949, in: Gesetzesblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Nr. 31 vom 27. August 1949. Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 28. 12. 1950, in: BGBl. Teil 1. Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 17. 01. 1952, in: BGBl. Teil 1. Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 15. 09. 1953, in: BGBl. Teil 1. Einkommensteuergesetz in der Fassung vom 10. 12. 1965, in: BGBl. Teil 1. Erstes Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 21. Dezember 1954 (BGBl. Teil 1, S. 441), des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung vom 21. De-

6. Gesetze

255

zember 1954 (BGBl. Teil 1, S. 467) und des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin“ vom 04. 07. 1955, in: BGBl. Teil 1. Erstes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Währungsgesetz) vom 20. 06. 1948, in: Beilage Nr. 5 zum Gesetzes- und Verordnungsblatt der Verwaltung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (1948). Gesetz der Militärregierung Deutschland Nr. 64 zur vorläufigen Neuordnung von Steuergesetzen vom 22. 06. 1948, in: Beilage Nr. 4 zum Gesetzes- und Verordnungsblatt der Verwaltung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (1948). Gesetz über den Kapitalverkehr vom 2. September 1949, in: Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1949, 34. Gesetz über den Lastenausgleich (Lastenausgleichgesetz – LAG), in: BGBl. Teil 1. Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen vom 6. Juni 1931, in: RGBl Teil 1 (12. Juni 1931). Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung. Vom 23. Dezember 1959, in: BGBl. 1959. Gesetz über die Kreditanstalt für Wiederaufbau vom 5. 11. 1948, in: Gesetzesblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes. Gesetz über die Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung, in: BGBl. Teil 1. Gesetz über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand vom 21. Juli 1960, in: BGBl. Teil 1. Gesetz über Leitsätze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform vom 24. Juni 1948, in: Gesetzesblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1948. Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer. Vom 30. Dezember 1959, in: BGBl. Teil 1. Gesetz zur allgemeinen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden (Allgemeines Kriegsfolgengesetz). Vom 5. November 1957, in: BGBl. Teil 1. Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 29. 04. 1950, in: BGBl. Teil 1. Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes, des Körperschaftsteuergesetzes, des Gewerbesteuergesetzes und des Wohnungsbau-Prämiengesetzes (Steueränderungsgesetz 1960) vom 30. 07. 1960, in: BGBl. Teil 1. Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungssteuergesetzes vom 28. Juni 1951, in: BGBl. Teil 1. Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts vom 18. 07. 1958, in: BGBl. Teil 1. Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung vom 24. Juni 1953, in: BGBl. Teil 1.

256

Quellenverzeichnis

Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin“ vom 10. 03. 1952, in; BGBl. Teil 1. Gesetz zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und Körperschaftssteuergesetzes (EStG- und KStG-Änderungsgesetz 1951) vom 27. Juni 1951, in: BGBl. Teil 1. Gesetz zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin“ vom 08. 11. 1948, in: Gesetzes- und Verordnungsblatt der Verwaltung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (1948, 24). Gesetz zur Milderung dringender sozialer Notstände (Soforthilfegesetz), in: Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets. Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. 12. 1954, in: BGBl. Teil 1. Gesetz zur Neuregelung der Absetzungen für Abnutzung bei Gebäuden vom 20. 06. 1964, in: BGBl. Teil 1. Gesetz zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich, in: Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets vom 2. September 1948. Gewerbesteuergesetz in der Fassung vom 30. 04. 1952, in: BGBl. Teil 1. Gewerbesteuergesetz in der Fassung vom 25. 05. 1965, in: BGBl. Teil 1. Kontrollratsgesetz Nr. 14 Änderung der Kraftfahrzeugsteuergesetze vom 11. 02. 1946, in: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland (1946, 4). Körperschaftsteuergesetz in der Fassung vom 13. 10. 1969, in: BGBl. Teil 1. Kraftfahrzeugsteuergesetz in der Fassung vom 02. 01. 1962, in: BGBl. Teil 1. Reichsbewertungsgesetz in der Fassung vom 24. 10. 1934, in: RGBl I. Reichsgesetz über das Kreditwesen vom 5. Dezember 1934, in: RGBl. I. Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer) in der Fassung vom 29. 05. 1967, in: BGBl. Teil 1. Verkehrsfinanzgesetz 1955 vom 06. 04. 1955, in: BGBl. Teil 1. Vermögenssteuergesetz in der Fassung vom 16. 01. 1952, in: BGBl. Teil 1. Vermögenssteuergesetz in der Fassung vom 10. 06. 1954, in: BGBl. Teil 1. Viertes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens (Ergänzung zum Umstellungsgesetz) vom 04. 10. 1948, in: Beilage Nr. 1 zum Gesetzes- und Verordnungsblatt der Verwaltung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (1949). Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin“ vom 11. 04. 1949, in: Gesetzes- und Verordnungsblatt der Verwaltung des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (1949, 11).

7. Zeitgenössische Zeitschriftenartikel

257

7. Zeitgenössische Zeitschriftenartikel Ausländische Kraftfahrzeuge nach Deutschland?, in: Die Automobilwirtschaft. Zeitschrift für den Kraftfahrzeugbetrieb 2 (1949, 21), S. 503 – 504. Automobilindustrie, in: Die Weltwirtschaft (1954, 1), S. 151 – 156. Banken. Zinsen. Ende des Kartells, in: Der Spiegel 14 (1967), S. 35 – 36. Bayerische Motorenwerke. Gesunde Finanzstruktur, in: Der Volkswirt (1952, 23), S. 26 – 27. Bayerns Gloria, in: Der Spiegel (1960, 3), S.20 – 30. Becker, Hans Detlev/Brawand, Claus Leo: Vom Volkswagen zum Volkskapitalismus. Ein Spiegel-Gespräch mit Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard, in: Der Spiegel (1957, 8), S. 26 – 31. Behrens, Walter G.: Zur Reform der Kraftfahrzeugsteuer, in: Der Volkswirt 5 (1952, 1), S. 12 – 14. BMW-Sanierung. Der Krebs, in: Der Spiegel (1960, 49), S. 46 – 49. Brawand, Leo/Hoffmann, Alexander von: „Wir sind der Wachhund“. Spiegel-Gespräch mit dem Präsidenten der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e. V., Dr. Johannes Semler, in: Der Spiegel (1960, 49), S. 50 – 61. Der Kapitalschnitt bei Daimler-Benz, in: Der Volkswirt (1951, 21), S. 58 – 60. Der Mann mit dem Koffer, in: Der Spiegel (1958, 10), S. 28 – 37. Der Revolver, in: Der Spiegel (1959, 17), S. 33 – 45. Der Stand der Kraftwagenproduktion der Welt, in: Wirtschaftsdienst 29 (1949, 7), S. 53 – 56. Die Aktie überm Kanapee, in: Der Spiegel (1957, 25), S. 10. Die Volkswagensparer. Es läßt sich nachrechnen, in: Der Spiegel (1952, 8), S. 12 – 15. Dr. Schl: Entwicklung des westdeutschen Außenhandels mit Kraftfahrzeugen, in: Wirtschaftsdienst 38 (1958, 12), S. 713 – 717. E. Sch.: Der Export von Kraftfahrzeugen, in: Der Volkswirt 4 (1951, 37), S. 20 – 21. Eichenhofer, Harald: Die Automobilindustrie in der Bundesrepublik, in: Wirtschaftsdienst 34 (1954, 5), S. 284 – 288. Goetze, P.: Zum Problem der Bilanzwahrheit, in: Deutsche Volkswirtschaft 7 (1938), S. 963. GratisAktien-Gesetz. Das Wunder honorieren, in: Der Spiegel (1959, 36), S. 22 – 24. -h-: Rekordjahr bei Daimler-Benz, in: Der Volkswirt 6 (1952, 34), S. 21 – 22. Hf.: Daimler-Benz im Kapazitätsengpaß. Die bisher größte Kapitalerhö-hung aus Rücklagen, in: Der Volkswirt 14 (1960, 30), S. 1591 – 1593. Hf.: Risikoreicher Alleingang der BMW. Die finanzielle Sanierung ist nur ein erster Schritt, in: Der Volkswirt 14 (1960, 48), S. 2595 – 2597. hh: Atempause für die Automobilindustrie, in: Der Volkswirt 7 (1953, 14), S. 22. Hiller, Heinrich: Die Automobilindustrie des Auslands, in: Der Volkswirt 5 (1951, 16), S. 23 – 25.

258

Quellenverzeichnis

Hiller, Heinrich: Abflauende Automobil-Konjunktur, in: Der Volkswirt (1951, 36), S. 19 – 21. Hiller, Heinrich: Älteste Automobilfabrik der Welt. Der einzigartige Wiederaufstieg der Daimler-Benz-Werke, in: Der Volkswirt 6 (1952, 9), S. 25 – 28. Hiller, Heinrich: Das Volkswagenwerk legt Rechnung, in: Der Volkswirt 6 (1952, 22), S. 22 – 29. Hiller, Heinrich: Hohe Eigenfinanzierung bei BMW. 1952 noch kleiner Verlust, in: Der Volkswirt 8 (1954, 3), S. 26 – 27. Hiller, Heinrich: Bayerische Motorenwerke AG. Ausbau der Automobilfabrik beendet – 1953 kleiner Gewinn, in: Der Volkswirt 8 (1954, 46), S. 26 – 28. Hiller, Heinrich: BMW im Wandel der Marktstruktur, in: Der Volkswirt 11 (1957, 3), S. 1128 – 131. Hiller, Heinrich: Volkswagenwerk weiter ohne Absatzsorgen. 2000 Wagen pro Tag – Aber Kapazitätsgrenzen bald erreicht, in: Der Volkswirt 11 (1957, 27), S. 1395 – 1398. Hiller, Heinrich: Vorläufig keine Dividende bei BMW. Mittelstarker Wagen soll das Produktionsprogramm abrunden, in: Der Volkswirt 12 (1958, 5), S. 201 – 203. Hiller, Heinrich: Volkswagenwerk in weiterer Expansion. Ausfuhr weiter gesteigert, in: Der Volkswirt 12 (1958, 31), S. 1559 – 1561. Hiller, Heinrich: Erfolgreiche Daimler-Benz AG. Abermals kräftige Produktions-, Umsatz- und Ertragssteigerung, in: Der Volkswirt 13 (1959, 31) S. 1667 – 1670. Hiller, Heinrich: BMW vor der Sanierung. Kein anderer Weg möglich, in: Der Volkswirt 13 (1959, 48), S. 2561 – 2563. Hiller, Heinrich: Volkswagenwerk mit hohen Zuwachsraten. Rund 256 Mill. DM Gewinne – Auflösung stiller Reserven, in: Der Volkswirt 14 (1960, 32), S. 2046 – 2050. Hiller, Heinrich: VW-Werk steuert auf 5 Mrd. DM Umsatz. Rekordergebnis – aber Anspannung der Finanzstruktur, in: Der Volkswirt 15 (1961, 21), S. 931 – 934. -hl/-ndt: Schneller zum Kunden. Eine halbe Milliarde DM zur Verkürzung der VW-Lieferfristen, in: Die Zeit (10. 07. 1959). hs: Kapitalausstattung und Ertragslage der Autoindustrie. Opel – Daimler-Benz – Ford, in: Das Wertpapier 3 (1955), S. 298 – 302. Jahns, L.: Deutsche Kraftfahrzeuge im Export, in: Der Volkswirt (1951, 16), S. 17 – 18. Jürgensen, H./Berg, H.: Die amerikanische Herausforderung – ein Papiertiger?; in: Wirtschaftsdienst 48 (1968, 5), S. 255 – 261. k: Bayerische Motorenwerke AG. Vor Abschluss der Aufbau und Anlaufperiode, in: Der Volkswirt 6 (1952, 46), S. 31 – 32. K. D.: Letzte Runde im VW-Sparer-Prozess, in: Zeit (9. Oktober 1959). Klein-Aktien. Die Volkswagen-Tour, in: Der Spiegel (1957, 23), S. 15 – 19. Könecke, Fritz: Kapital- und Finanzierungsprobleme, in: Der Volkswirt. Beilage zu Nr. 12 (1953, 12), S. 9 – 11.

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Sachwortverzeichnis American Motors 124 Auto-Union 86, 113 f., 141, 151, 161 f., 185, 209, 214

Bank der Deutschen Arbeit 186 f., 189, 195 Bank der Deutschen Luftfahrt 72 – 74 Bank deutscher Länder 57 Bank für Handel und Industrie 98, 102 Bankverein Westdeutschland 166 Bayerische Creditbank 98 – 100 Bayerische Hypotheken- und Wechselbank 57 Bayerische Landesanstalt für Wiederaufbau 80 f., 104 f., 112, 116, 121 Bayerische Staatsbank 57, 98 f., 107, 117 Bayerische Vereinsbank 57 Bayerisches Staatsministerium der Finanzen 75, 77, 95 f., 99, 108, 112 f., 117, 120 Bayerisches Wirtschaftsministerium 112, 119 BMW 21 – 23, 25, 29, 32 f., 53, 58, 69 – 127, 130, 151 f., 173, 182, 185, 194, 239, 240 – 243, 245 BMW Triebwerkbau GmbH 80 f., 84, 93 f., 97 f., 110, 116 f., 121 f., 242 Borgward 100, 124 Brinckmann, Wirtz & Co. 220 Bristol Siddely 110, 124 Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung 223 Bundesbank 52, 163, 167 Bundesfinanzminister 59, 166, 219, 230, 243 Bundesfinanzministerium 75, 96, 192, 212, 219 f., 227, 230, 235 Bundesjustizministerium 230 Bundeskanzler 216, 226, 229, 231, 233 Bundesministerium für wirtschaftlichen Besitz des Bundes 230 Bundesrat 223 Bundesschatzminister 236 Bundesschatzministerium 235

Bundestag 41, 43, 61, 228, 229 – 231, 234, 245 Bundesverfassungsgericht 38 Bundesverteidigungsminister 95, 97, 117, 119, 120 f., 123, 159, 183 Bundesverteidigungsministerium 93 f., 110, 117 f., 120 f., 159 f., 169, 242 Bundeswirtschaftsminister 100 – 102, 115, 211, 216, 219 Bundeswirtschaftsministerium 53, 99 f., 169, 192, 212, 219, 242 Chrysler 108, 113 CDU 59, 61, 219, 224 – 226, 228 – 231, 236, 241, 245 CSU 219, 226, 228 f., 231 Commerzbank 56, 166 f. Daimler-Benz 21 – 23, 25, 29 f., 32 f., 46, 53, 57 f., 64, 76, 80, 89, 95, 100 – 109, 113 – 120, 122, 124, 128 – 139, 141 – 144, 146 – 162, 164 – 166, 168 – 176, 178 – 185, 193 f., 208, 239 – 243, 245 Demontagen 18, 23, 25 f., 34 – 36, 67, 71, 76, 132, 182, 191, 237, 239, 240 Deutsche Arbeitsfront (DAF) 186 – 189, 191, 194, 226 Deutsche Bank 73, 107, 111 f., 114, 125, 138, 166 f., 173, 175 f., 182 f, 241 f. Deutsche Industriebank 72, 74, 101 Deutsche Schifffahrtsbank 220 Deutsche Verkehrskreditbank 246 DP 230, 232 Dresdner Bank 56, 73, 88, 98, 102, 107 f., 110 f., 116, 166 f., 220, 245, 246 Eigenkapital 20, 27, 51, 54, 60, 76, 80, 105, 124 Eigenkapitalquote 20, 21, 39, 47, 51, 67, 76, 126, 176, 182 f., 238, 241 f.

Sachwortverzeichnis European Recovery Plan (ERP) 25, 35, 57, 66 f. FDP 230, 232 Fiat 124, 215 Ford 23, 92, 95, 114, 116, 124, 150, 162, 164, 193, 215 f. Frankfurter Bank 125 Fremdkapital 25, 27, 58, 60, 81, 104, 105, 107, 109, 126, 136 f., 162, 173, 218, 240 GB/BHE 230, 232 General Electric 93, 97, 110, 123 f., 160 General Motors 164 Genossenschaftsbanken 56 Heinz Ansmann 112 Isetta 82, 91, 92, 106 Kreditanstalt für Wiederaufbau 57, 99, 101, 105, 169 Lastenausgleich 25, 32, 36 f., 40 f., 59 f., 67, 118 f., 134 f. M. M. Warburg 220, 246 MAN 79 – 81, 96 – 98, 117 – 119, 121, 124 f., 160, 242 Opel 23, 89, 92, 147, 153, 162, 185, 215 f. Pratt & Withney 160 Preussag 220

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Reichsluftfahrtministerium 128 Reichsverkehrsministerium 185 Renault 215 Reparationen 18, 21, 23, 25 f., 34, 36, 67, 76, 132, 182, 193, 237, 239, 240 Rhein-Main Bank 88, 96, 102, 166 f., 171, 220, 245 Rolls Royce 95, 160 Rootes 119, 124 Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz 117, 122, 177, 245 Sparkassen 56, 162 f., 165 Sparkassen- und Giroverband 52 SPD 61, 224 – 226, 230, 231 – 233, 241 Stiftung Volkswagenwerk 196, 222 f., 233 Süddeutsche Bank 166 Südwestbank 167 Trinkaus 125 Volkswagenwerk 21 – 23, 25, 29 – 33, 53, 76, 93, 151, 161 f., 164, 181, 184, 186 – 208, 211 – 216, 218 – 243, 245 Währungsreform 19, 21, 23 – 26, 32, 36, 38 – 40, 42, 55 f., 58, 67, 76, 82 f., 98, 99, 112, 125 – 127, 130 – 134, 136, 140, 146 f., 152 f., 156, 162 f., 165 – 168, 171, 177, 182, 192 f., 215, 218 f., 237, 239, 244 f. Zentraler Kreditausschuss 52, 59