Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften: Studien zur Rechtsstellung der nach Art. 137 Abs. 5 WRV korporierten Religionsgesellschaften in Deutschland und in der Europäischen Union [1 ed.] 9783428510894, 9783428110896

Das deutsche Staatskirchenrecht ist eine Disziplin im Umbruch. Der »Strukturwandel der Religion« (Säkularisierung, Indiv

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Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften: Studien zur Rechtsstellung der nach Art. 137 Abs. 5 WRV korporierten Religionsgesellschaften in Deutschland und in der Europäischen Union [1 ed.]
 9783428510894, 9783428110896

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 921

Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften Studien zur Rechtsstellung der nach Art. 137 Abs. 5 WRV korporierten Religionsgesellschaften in Deutschland und in der Europäischen Union

Von

Hans Michael Heinig

Duncker & Humblot · Berlin

HANS MICHAEL HEINIG

Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 921



·

Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften Studien zur Rechtsstellung der nach Art. 137 Abs. 5 WRV korporierten Religionsgesellschaften in Deutschland und in der Europäischen Union

Von Hans Michael Heinig

Duncker & Humblot · Berlin

Die rechtswissenschaftliche Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D 61 Alle Rechte vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-11089-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Vorwort Dieses Buch sollte eigentlich ein ganz anderes werden - eine für Dissertationen nicht ganz untypische Erfahrung, wie mir inzwischen von vielen Seiten berichtet wurde. Erste Ideen zu dieser Arbeit entstanden während eines Praktikums i m Brüsseler Büro der E K D nach dem 1. juristischen Staatsexamen 1998. Damals bekam ich einen unmittelbaren Eindruck von den durch das Europarecht veranlaßten Transformationsprozessen des deutschen Staatskirchenrechts. Nach der Rückkehr an die Universität, nunmehr als wissenschaftlicher Mitarbeiter, wollte ich diesen Prozessen weiter nachgehen. Bei der Beschäftigung mit dem Thema ergab sich aber zusehends, daß zur Beschreibung des Wandels zunächst das Objekt der Veränderung selbst umfangreicher als zunächst geplant in den Blick zu nehmen ist. Hierbei konzentrierten sich die Überlegungen bald auf öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften i. S. d. Art. 137 V W R V - auch motiviert durch das Verfahren der Zeugen Jehovas vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesverfassungsgericht. Der europarechtliche Ausgangspunkt fand dabei in der Dissertation als fortlaufendes erkenntnisleitendes Interesse und dann in einem Abschlußkapitel Beachtung. Daß trotz dieser Beschränkung auf deutsche öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften das Thema ausufern kann, dokumentiert das vorgelegte Werk (leider) hinreichend. In der relativ kurzen Zeit bei der E K D sind vielfältige Kontakte entstanden, die sich nicht nur fachlich bei der Entstehung dieser Arbeit bewährt haben. Für die Unterstützung mit Rat, Auskunft, Diskussion und Material habe ich mich bei Heidrun Tempel (jetzt Bundeskanzleramt), Dr. Joachim Gaertner, Dr. Riccarda D i l l und Anne Gidion (jetzt Bundespräsidialamt) ganz herzlich zu bedanken. Die Arbeit wurde an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Heinrich-HeineUniversität Düsseldorf i m Wintersemester 2002/2003 als Dissertation angenommen. Die Disputation fand am 30. Oktober 2002 statt. Eingereicht wurde die Arbeit Ende März 2002; danach erschienene Literatur wurde i m Fußnotenapparat nur noch ausgewählt berücksichtigt. Betreut wurde die Dissertation von Prof. Dr. Martin Morlok, an dessen Lehrstuhl ich, zunächst an der FernUniversität in Hagen, dann an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, in der Zeit des Lesens und Schreibens tätig war und bei dem ich akademische Heimat fand. Für die Freiheit und Förderung, für die zeitlichen Möglichkeiten des selbständigen Wirkens, die inspirierende und ermutigende Atmosphäre, die Diskussionen und Anregungen, die weiterführenden Hinweise und die gelegentliche „sanfte" Kritik kann ich meinem engagierten Lehrer nur von Herzen danken.

Vorwort

6

Dank gilt auch dem Zweitgutachter, Prof. Dr. R. Alexander Lorz, für die Mühen der Gutachtertätigkeit, die mir hilfreiche Hinweise einbrachte. Ein Großteil der Arbeit ist 2001/2002 am heimischen Schreibtisch in Heidelberg entstanden. Ohne die stete Diskussion mit den Kollegen vor Ort wäre dies so nicht möglich gewesen. Hervorzuheben sind Prof. Dr. Stefan Huster und Dr. Christian Walter. Merci ! Zu den Druckkosten trugen die Hanns-Lilje-Stiftung, Hannover, das Bundesministerium des Inneren, die Badische Landeskirche, der Freundeskreis der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die Evangelische Kirche von Westfalen sowie die Evangelische Kirche i m Rheinland namhafte Beträge bei, wofür besonderer Dank auszusprechen ist. Die Hanns-Lilje-Stiftung förderte zugleich die Mitwirkung i m Arbeitskreis „Recht und Theologie". Gewidmet ist die Arbeit meiner Frau, die mir nicht nur die Religionsphilosophie und Theologie nahe brachte. Ohne unser permanentes „Frühstücksseminar" wäre das Buch so nicht entstanden. Für Bella Bahr! Heidelberg, Weihnachten 2002

Hans Michael

Heinig

Inhaltsübersicht

Einleitung

25

7. Kapitel Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

31

I. Das Bezugsproblem religionsverfassungstheoretischer Erwägungen

31

II. Die Prämisse eines doppelten religiös-weltanschaulichen Pluralismus

32

III. Das „Böckenförde-Diktum" als Paradigma klassischer staatskirchenrechtlicher Hintergrundannahmen

39

IV. Normative Anerkennung religiöser Selbstzweckhaftigkeit

43

V. Selbstverständnis als Element einer Religionsverfassungstheorie

52

2. Kapitel Historische Aspekte als Folie der heutigen Rechtsstellung öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften nach dem Grundgesetz I. Die Traditionsbestände des Staatskirchentums und der Staatskirchenhoheit

74 74

II. Begriffs- (und forschungs)geschichtliche Notizen: Religionsgesellschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts

84

III. Der Rechtsstatus der öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgesellschaften in den Verfassungsverhandlungen Weimars und Bonns

92

Resümee des 2. Kapitels

116

3. Kapitel Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen der Freiheit, Parität, Öffentlichkeit und Differenz für Religionsgesellschaften unter dem Grundgesetz I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken II. Das Verbot der Staatskirche

117 117 176

8

Inhaltsübersicht III. Der Grundsatz der Parität

180

IV. Das verfassungsrechtliche Angebot eines Status der Öffentlichkeit (jenseits des Art. 137 V WRV)

203

V. Religionsverfassungsrechtliche Statusflankierung VI. Staatskirchenrecht als Landesverfassungsrecht VII. Einfachgesetzliche Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Direktiven

212 222 237

VIII. Vertragliche Beziehungen zwischen Staat und Religionsgesellschaften

244

Resümee des 3. Kapitels

255 4. Kapitel

Der verfassungsrechtliche Status der öffentlich-rechtlichen Körperschaft für Religionsgesellschaften nach dem Grundgesetz I. Die rechtliche und verfassungstheoretische Bedeutung des Körperschaftsstatus für Religionsgesellschaften II. Die Rechtsfolgen des Körperschaftsstatus

256

256 281

III. Das Besteuerungsrecht

311

IV. Der Neuerwerb des Körperschaftsstatus

319

V. Wegfall des Körperschaftsstatus einer einzelnen Religionsgesellschaft VI. Parität und Körperschaftsstatus

354 371

Resümee des 4. Kapitels

374

5. Kapitel Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz im Kontext des Europarechts I. Transformationspotentiale

375 376

II. Bestand und Bedeutung religionspolitischer Aufgaben und religionsrechtlicher Kompetenzen der Europäischen Union 380 III. Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz von Religionsgesellschaften in den Religionsklauseln des europäischen Sekundärrechts 396 IV. Das Staatskirchenrecht im europäischen Verfassungs- und Rechtsverbund: Religionsrecht als Mehrebenenrecht 405

Inhaltsübersicht

9

V. Die Behandlung von Religionsgesellschaften i. S. d. Art. 137 V WRV im allgemeinen Europarecht 439 VI. Transformationen des allgemeinen grundrechtlichen Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz durch das Europarecht (dargelegt anhand ausgewählter Beispiele) 468 VII. Staatskirchenrechtliches Vertragsrecht im Kontext des Europarechts

490

Resümee des 5. Kapitels

495

Fazit der Arbeit

496

Literaturverzeichnis

501

Sachregister

571

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

25

7. Kapitel Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

31

I. Das Bezugsproblem religionsverfassungstheoretischer Erwägungen

31

II. Die Prämisse eines doppelten religiös-weltanschaulichen Pluralismus

32

1. Reale religiös-weltanschauliche Pluralität

32

2. Normativer religiös-weltanschaulicher Pluralismus

34

3. Verfassungstheoretische Fundierung eines normativen religiös-weltanschaulichen Pluralismus

36

III. Das „Böckenförde-Diktum" als Paradigma klassischer staatskirchenrechtlicher Hintergrundannahmen

39

1. Religion als integrationstheoretisches Ambivalenzphänomen

39

2. Religion als konstitutive Bedingung „säkularer" Staatlichkeit?

41

IV. Normative Anerkennung religiöser Selbstzweckhaftigkeit

43

1. Die Weltanschaulichkeit des Laizismus

43

2. Systemtheoretisches Begründungsmodell

45

3. Libertätstheoretisches Supplement: Religion und das liberal-demokratische Dispositiv

48

4. Ad fontes: Die Religionsverfassungstheorie W. v. Humboldts

50

V. Selbstverständnis als Element einer Religionsverfassungstheorie

52

1. Religionsbegriff und „religiös-weltanschauliche Farbenblindheit"

52

2. Religionstheoretische Erwägungen zu einem allgemeinen Religionsbegriff ...

54

3. Aspekte religions verfassungsrechtlicher Dogmatik der Selbstverständnisberücksichtigung

60

4. Exkurs: Der Begriff der Religionsgesellschaft nach dem Grundgesetz

65

a) Definitionsversuche und rechtliche Bedeutung

65

b) Der Begriff „Religionsgesellschaft" und wirtschaftliche Betätigung

67

12

Inhaltsverzeichnis c) Der Begriff „Religionsgesellschaft" und „neue Religionen im Abendland"

68

aa) Selbstverständnis und allseitige Religionspflege

69

bb) Religiöses Selbstverständnis und Mitgliedschaft

70

cc) Selbstverständnis und religiöse Gewalt

71

dd) Verfassungstheoretische Erwägungen

71

d) Das Konstitutivum der Mitgliedschaft und Auswirkungen auf mögliche Rechtsformen

72

2. Kapitel Historische Aspekte als Folie der heutigen Rechtsstellung öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften nach dem Grundgesetz I. Die Traditionsbestände des Staatskirchentums und der Staatskirchenhoheit

74 74

1. Religionsrecht als Reformationsfolgenrecht

74

2. Landesherrliches Kirchenregiment - Staatskirchentum - Staatskirchenhoheit

79

3. Emanzipation und Restauration: das 19. Jahrhundert

82

II. Begriffs- (und forschungs)geschichtliche Notizen: Religionsgesellschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts

84

1. Die Idee der rechtlichen Körperschaft

84

2. Organisierte Religion und die öffentlich-rechtliche bzw. öffentliche Ausprägung von Körperschaften

85

a) Preußisches ALR

87

b) Süddeutsches Religionsrecht

89

c) Die sog. Privilegientheorie

91

III. Der Rechtsstatus der öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgesellschaften in den Verfassungsverhandlungen Weimars und Bonns 1. Die Verhandlungen zur Weimarer Reichsverfassung a) Das Leitbild freiheitlich-offener und paritätischer Pluralität als „zweitbeste Fahrt"

92 94 94

aa) Ausgangslage

94

bb) Beratungsverlauf

96

cc) Konsequenzen für eine historisch-genetische Auslegung b) Bedeutung des Körperschaftsstatus

102 103

aa) Erste Lesung des Verfassungsausschusses

103

bb) Zweite Lesung des Verfassungsausschusses

106

Inhaltsverzeichnis cc) Die zweite Lesung in der Nationalversammlung

107

dd) Die dritte Lesung in der Nationalversammlung

110

ee) Zwischenbilanz

111

2. Die Verhandlungen im Parlamentarischen Rat Resümee des 2. Kapitels

113 116

3. Kapitel Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen der Freiheit, Parität, Öffentlichkeit und Differenz für Religionsgesellschaften unter dem Grundgesetz I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken 1. Der Schutzbereich von Art. 4 I, II GG

117 117 118

a) Die personale Erstreckung auf Korporationen

118

b) Einheitlicher Schutzbereich

119

c) Religionsausübung aa) Religionsausübung als religiöse Handlungsfreiheit

122 122

bb) Der Begriff der Religionsausübung und die Beachtlichkeit religiöser Selbstverständnisse 2. Art. 136 I WRV als Gesetzes vorbehält des Art. 4 I, II GG a) Vorbemerkung: Grundrechtsdignität und Gesetzes vorbehält b) Art. 1361 WRV-Gleichheitsrecht oder Freiheitsschranke?

123 130 131 132

aa) Wortlaut

133

bb) Genese

134

cc) Zwecke und Ziele

136

dd) Systematik

139

ee) Schrankenloser Kernbereich des Art. 4 GG? ff) Das Gleichheitsrecht des Art. 136 I WRV als kollidierendes Verfassungsrecht

140

gg) Zwischenergebnis 3. Art. 137 III WRV als Schranke der korporativen Religionsfreiheit

140 142 142

a) Art. 137 III WRV-Kollisionsnorm oder Freiheitsrecht?

143

b) Einheitlichkeit des Schutzbereiches

147

aa) Verfassungsprozessuale Erwägungen

148

bb) Schutzbereichsidentität durch Selbstverständnisprägung

150

cc) Eigene Angelegenheiten

152

dd) Ordnen und Verwalten

153

c) Schrankenspezialität

155

Inhaltsverzeichnis

14

d) Der Schrankengehalt des Art. 137 III WRV

156

aa) Heckeische Formel

156

bb) Bereichslehre

157

cc) Egalitär strukturierte Abwägungslehre

158

dd) Art. 137 III WRV als eigenständiges Gleichheitsrecht?

161

e) Korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken am Beispiel des „kirchlichen" Arbeitsrechts

162

aa) Zur Anwendbarkeit des staatlichen Arbeitsrechts auf Kirchen und sonstige Religionsgesellschaften 162 bb) Das kirchliche Selbstverständnis als Dienstgemeinschaft

163

cc) Rechtsgrundlagen und rechtliche Grenzen für die arbeitsrechtliche Implementierung des kirchlichen Selbstverständnisses als Dienstgemeinschaft (im Überblick) 165 dd) Kontrahierungsfreiheit und ihre Grenzen

166

ee) Generelle Treuepflicht eines Arbeitnehmers

167

ff) Besondere tendenzrechtliche Treuepflichten von Arbeitnehmern in Religionsgesellschaften 168 gg) Grenzen für tendenzrechtliche Treuepflichten in Religionsgesellschaften 170 hh) Die korporative Religionsfreiheit und das kirchliche Kollektivarbeitsrecht

174

Zwischenresümee zum grundgesetzlichen Status der Freiheit von und für Religionsgesellschaften

175

II. Das Verbot der Staatskirche

176

1. Dimensionen des Staatskirchen Verbots

176

2. Art. 137 I WRV zwischen Laizitäts-und Kooperationsverbot

178

III. Der Grundsatz der Parität

180

1. Grundlagen und Zwecke der Parität

180

2. Die dogmatische Aufbereitung der Parität

183

a) Vorüberlegung: Einheitsmodell oder dogmatische Vielfalt?

183

b) Wesentlich Gleiches

185

aa) Vergleichbarkeit

185

bb) Normativer Gleichheitsbegriff

185

cc) Diskriminierungsverbote und die Bildung von Vergleichsgruppen

186

c) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung aa) Maßstäbe einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung: Begründungsgebot oder Übermaßverbot?

187 187

Inhaltsverzeichnis bb) Typisierende Bestimmung der für eine Rechtfertigung geforderten Maßstäbe: Interne und externe Zwecke

188

cc) Typisierende Bestimmung der für eine Rechtfertigung geforderten Maßstäbe: Gleichheit im Kontext der Freiheit

188

dd) Diskriminierungsverbote als Begründungsverbote

189

ee) Verfassungsrechtliche Ausnahmen von diskriminierungsrechtlichen Begründungsverboten ff) Diskriminierungsverbote als Anknüpfungsverbote? d) Das Grundmodell

190 191 194

e) Konfessionsgebundene Staatsämter 194 aa) Vergleichbarkeit konfessionsverschiedener Bewerber bei konfessionsgebundenen Staatsämtern? 196 bb) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung bei konfessionsgebundenen Staatsämtern

196

f) Parität als gleiche Berechtigung in offener Vielfalt

197

g) Differenzierungen nach Organisationsformen von Religionsgesellschaften bei der staatlichen Ausgestaltung des Religionsverfassungsrechts aa) Wesentliche Gleichheit?

198 198

bb) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 199 h) Differenzierungen zwischen einzelnen öffentlich-rechtlich organisierten Religionsgesellschaften 200 i) Exkurs: Das Individualrecht auf religiöse Nichtdiskriminierung und die korporative Religionsfreiheit bei Konflikten in einer Religionsgesellschaft 201 IV. Das verfassungsrechtliche Angebot eines Status der Öffentlichkeit (jenseits des Art. 137 V WRV) 1. Öffentlichkeit von Religion: Gebot an den Staat und Angebot des Staates

203 203

a) Öffentlichkeit und Religionsfreiheit

205

b) Öffentlichkeit und religiös-weltanschauliche Neutralität

206

2. Besondere religionsrechtliche Ausformungen des öffentlichen Status

207

a) Anstaltsseelsorge

207

b) Religionsunterricht

208

c) Parität und Öffentlichkeit bei Art. 7 III GG und Art. 141 WRV

210

d) Sonstige religionsrechtliche Formen der Öffentlichkeit

210

V. Religionsverfassungsrechtliche Statusflankierung 1. Religionsbezogener Vermögensschutz nach Art. 138 WRV a) Die Religionsgutsgarantie nach Art. 138 II WRV

212 212 213

aa) Eigentum und andere Rechte

214

bb) Zwecke

214

16

Inhaltsverzeichnis cc) Arten abgewehrten Verhaltens durch Art. 14 GG und Art. 138 II WRV 215 dd) Die Schranke des für alle geltenden Gesetzes

216

b) Bestandsschutz durch Ablösegebot: die Paradoxie des Art. 138 I WRV

217

c) Sonderfall Subventionen

218

aa) Begriffliche Unterscheidungen

218

bb) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Subventionen für Religionsgesellschaften 218 cc) Abgabenprivilegien

219

dd) Historisch: Staatsleistung /funktional: Subvention

219

ee) Subventionen und Art. 138 II WRV

220

2. Der Sonn- und Feiertagsschutz (Art. 139 WRV) als religionsdienende Verfassungsgarantie VI. Staatskirchenrecht als Landesverfassungsrecht

221 222

1. Bundes- und Landesreligionsverfassungsrecht zwischen Kohärenz und Divergenz 222 a) Formierungsphasen und andere Unterschiede

223

b) Techniken des grundgesetzlichen Ebenenabgleichs

224

aa) Mehrebenenabgleich durch Bindung an Bundesgrundrechte (Art. 1 III GG) 225 bb) Mehrebenenabgleich durch die Kompetenzordnung

225

cc) Mehrebenenabgleich durch Art. 31 GG und Art. 141 GG

226

dd) Zum Anwendungsrahmen des Art. 142 GG

227

ee) Mehrebenenabgleich außerhalb der Grundrechte

228

2. Landesverfassungsrechtliche Bestimmungen zum Status der Freiheit

230

3. Landes verfassungsrechtliche Bestimmungen zum Status der Gleichheit

230

4. Landesverfassungsrechtliche Bestimmungen zur Trennung von Staat und Religionsgesellschaften 233 5. Landes verfassungsrechtliche Bestimmungen zum Angebot eines Status der Öffentlichkeit 234 6. Landesverfassungsrechtliche Statusflankierung von Religionsgesellschaften 236 Zwischenresümee zum Staatskirchenrecht als Landesverfassungsrecht VII. Einfachgesetzliche Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Direktiven

237 237

1. Verfassungsdogmatische Aspekte zum Verhältnis von einfachgesetzlichem Religionsrecht und Religionsverfassungsrecht 238 a) Staatsadressierung des Religionsverfassungsrechts

238

b) Anwendungsvorrang des einfaches Rechts

239

c) Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt

240

Inhaltsverzeichnis 2. Gesetzgebungskompetenzen

240

3. Typen religionsgesetzlicher Bestimmungen

242

4. Beispiele für die religionsrechtliche Bundesgesetzgebung

243

5. Beispiele für die religionsrechtliche Landesgesetzgebung

243

VIII. Vertragliche Beziehungen zwischen Staat und Religionsgesellschaften 1. Funktionen und Zwecke vertraglicher Vereinbarungen

244 244

2. Bestandsaufnahmen: Vertragsschließende, Vertragsinhalte, Rechtsprobleme .. 246 a) Vertragsschließende

246

b) Vertragsinhalte

246

c) Rechtsfragen

247

3. Verfassungsrechtliche Grundlagen

247

4. Rechtsnatur und Bindungswirkung

249

a) Konkordate als Völkerrecht besonderer Art

249

b) Staatskirchenverträge als Verwaltungsverträge

250

c) Staatskirchen Verträge und Staatsverträge

251

d) Sui-generis-Lösung

251

Zwischenresümee zu den vertraglichen Beziehungen zwischen Staat und Religionsgesellschaften 254 Resümee des 3. Kapitels

255

4. Kapitel Der verfassungsrechtliche Status der öffentlich-rechtlichen Körperschaft für Religionsgesellschaften nach dem Grundgesetz I. Die rechtliche und verfassungstheoretische Bedeutung des Körperschaftsstatus für Religionsgesellschaften

256

256

1. Körperschaftsstatus für Religionsgemeinschaften - Bestandsaufnahme und Rechtsfragen 256 a) Lebensweltliches

256

b) Bestandsaufnahme normativer Grundlagen und Grundaussagen

259

c) Bestandsaufnahme maßgeblicher Rechtsfragen

259

2. Zwecke des Körperschaftsstatus a) Bestandsschutz b) Gemeinwohldienlichkeit von organisierter Religion

2 Heinig

261 261 262

aa) Gemeinwohl als Teilzweck des Art. 137 V WRV

262

bb) Gemeinwohl als Anreizprodukt oder Statusbedingung?

262

Inhaltsverzeichnis

18

c) Grundrechtseffektivierung aa) Grundrechtsverwirklichung durch Organisation

265 265

bb) Religionsfreiheit und Körperschaftsstatus: Schnittmenge, nicht Teilmenge 266 cc) Verbändeverfassungsrechtliche Ergänzungen d) Signalfunktion und Mantelbegriff

269 270

3. Der Begriff der Religionsgesellschaft als Körperschaft i. S. d. Art. 137 V WRV 271 4. Die Dimensionen der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz des Körperschaftsstatus 273 a) Vierdimensionalität des Art. 137 V WRV

273

b) Insb.: der Status der Öffentlichkeit

274

5. Grundrechtsbindung und Grundrechtsberechtigung öffentlich-rechtlich organisierter Religionsgesellschaften 277 a) Berücksichtigung des sui-generis-Charakters der Rechtsform

277

b) Spezifizierungen

278

aa) Drittwirkung der Grundrechte

278

bb) Grundrechtsbindung durch besondere Beleihung

278

cc) Beleihung durch Folgerechte der öffentlichen Rechtsform

279

dd) Kircheneigene Grundrechtsgewährleistung

280

ee) Anwendungsvorrang des einfachen Rechts

280

II. Die Rechtsfolgen des Körperschaftsstatus 1. Unmittelbare Folgerechte

281 281

a) Subjektiv-rechtliche Rechtsformgarantie

281

b) Reine Rechtshülle oder rechtsforminhärente Folgerechte?

283

c) Art. 137 V WRV als institutionelle Garantie von weiteren Folgerechten ... 284 aa) Entspricht das Vorhalten der bloßen Rechtsform der Garantie des Art. 137 V WRV? 284 bb) Argumente gegen eine Lesart von Art. 137 V WRV als Garantie weiterer Folgerechte 285 cc) Argumente für eine Lesart des Art. 137 V WRV als Einrichtungsgarantie weiterer Folgerechte 286 d) Art. 137 V WRV als gesetzliche Grundlage bestimmter Hoheitsrechte

288

e) Die einzelnen körperschaftsunmittelbaren Folgerechte

291

aa) Dienstherrenfähigkeit

291

bb) Organisationsgewalt

294

cc) Rechtssetzungsgewalt

294

Inhaltsverzeichnis dd) Parochialrecht

295

ee) Öffentliches Sachenrecht

296

ff) Insolvenzunfähigkeit?

297

2. Mittelbare Folgerechte a) Freiheitsaspekte des Privilegienbündels

299 300

aa) Freistellung von staatlicher Kontrolle

300

bb) Freistellungen im Arbeits- und Sozialrecht

301

cc) Freistellungen für Staatsbeamte

302

dd) Freistellung im Datenschutz

302

ee) Freiheit durch Erlaubnis

306

ff) Freiheitssicherung durch das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht gg) Freiheit durch materielle Vorteile b) Öffentlichkeitsaspekte des Privilegienbündels

306 306 307

aa) Öffentlichkeit sozialen Wirkens

307

bb) Öffentlichkeit und Massenmedien

308

cc) Sonstige öffentlichkeitsbezogene Bestimmungen

309

c) Spezifische Folgenormierungen III. Das Besteuerungsrecht

310 311

1. Zwecke und Begriff

311

2. Bestandsaufnahme: Rechtsgehalte

312

a) Fünf Direktiven

312

aa) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Kirchensteuer

312

bb) Einrichtungsgarantie

312

cc) Ausgestaltungspflicht des staatlichen Gesetzgebers

312

dd) Kompetenznorm für die Länder

313

ee) Mitwirkungspflicht des Staates

314

b) Staatlicher Kirchensteuereinzug 3. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Ausgestaltung a) Zur Konnexität von Mitgliedschaft und Kirchensteuerpflicht

314 315 315

aa) Religiöse Finanzierungsfreiheit

315

bb) Mitgliedschaft und Austritt

316

b) Art. 4 I, II GG/Art. 137 III WRV: Der gebotene Einfluß der Religionsgemeinschaften und seine Grenzen 317 c) Rechtsstaatsprinzip

318

d) Rechtsschutz

318

4. Landesrechtliche Ausgestaltung

318

20

Inhaltsverzeichnis

IV. Der Neuerwerb des Körperschaftsstatus 1. VerleihungsVoraussetzungen nach Art. 137 V 2 WRV a) Geschriebene Verleihungsvoraussetzungen

319 319 320

aa) Religionsgesellschaft

320

bb) Antrag

321

cc) Gewähr der Dauerhaftigkeit durch die Verfassung und die Zahl der Mitglieder 321 b) Allgemeine Grundrechtsdogmatik statt ungeschriebener Tatbestandsmerkmale - eine methodische Grundsatzfrage 327 aa) Dogmatische Einhegung des Erfordernisses der Rechtstreue - zugleich eine Urteilsanmerkung zu BVerfGE 102, 370 328 bb) Zur methodischen Zulässigkeit und Gebotenheit der Anwendung von grundrechtlichen Prüfungsstrukturen auf Art. 137 V 2 WRV 338 c) Kollidierendes Verfassungsrecht als Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 137 V 2 WRV

342

aa) Nichtanwendbarkeit des Art. 9 II GG

342

bb) Mögliche Rechtfertigungsgründe

345

cc) Perspektiven der Verhältnismäßigkeit

348

d) Vorbehalt einer gesetzlichen Regelung e) Keine sonstigen ungeschriebenen Verleihungsvoraussetzungen

349 350

f) Rechtsgrundlagen und -formen der Verleihung in der Praxis

353

2. Körperschaftsstatus durch Zusammenschluß öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften 354 V. Wegfall des Körperschaftsstatus einer einzelnen Religionsgesellschaft 1. Drei Fragen und ein Fall

354 354

2. Keine explizite Verfassungsbestimmung / Art. 137 III WRV als Dreh- und Angelpunkt 356 3. Willentliche Aufgabe des Körperschaftsstatus

357

4. Unfreiwilliger Verlust des Körperschaftsstatus

363

a) Entzug des Körperschaftsstatus gegen den Willen einer altkorporierten Religionsgemeinschaft 363 b) Wegfall der Eigenschaft als Religionsgesellschaft

365

c) Entzug des Körperschaftsstatus einer neukorporierten Religionsgemeinschaft 365 aa) Entzug wegen Täuschung über Verleihungsvoraussetzungen

366

bb) Nachträglicher Wegfall der Verleihungsvoraussetzungen

366

Inhaltsverzeichnis d) Verbot einer korporierten Religionsgemeinschaft

367

aa) Verfassungsmäßigkeit des Verbots einer Religionsgemeinschaft generell 367 bb) Besondere Aspekte des Verbots öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften 370 VI. Parität und Körperschaftsstatus

371

Resümee des 4. Kapitels

374

5. Kapitel Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz im Kontext des Europarechts I. Transformationspotentiale

375 376

II. Bestand und Bedeutung religionspolitischer Aufgaben und religionsrechtlicher Kompetenzen der Europäischen Union 380 1. Keine expliziten religions- und kirchenpolitischen Aufgaben nach Art. 2 EUV und Art. 2 und 3 EGV

380

2. Art. 3 I lit. q und Art. 151 EGV - zur Differenz von Kultur- und Religionspolitik im juridischen Sinne 381 3. Art. 13 EGV als geschriebene religionsrechtliche Annexkompetenz der Gemeinschaft 384 4. Keine Bereichsausnahme wegen weitgehend fehlender religionspolitischer Aufgaben und entsprechender Kompetenzen 390 5. Zur Relevanz des Grundsatzes „nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet" 392 Zwischenresümee

395

III. Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz von Religionsgesellschaften in den Religionsklauseln des europäischen Sekundärrechts 396 1. Begriff und Bedeutung

396

2. Der Status der Freiheit in den Religionsklauseln des europäischen Sekundärrechts 397 3. Der Status der Gleichheit in den Religionsklauseln des europäischen Sekundärrechts 400 4. Der Status der Öffentlichkeit in den Religionsklauseln des europäischen Sekundärrechts 401 5. Der Status der Differenz in den Religionsklauseln des europäischen Sekundärrechts 401

22

Inhaltsverzeichnis 6. Statusflankierungen in den Religionsklauseln des europäischen Sekundärrechts 402 7. Religionsgesellschaften i. S. d. Art. 137 V WRV im europäischen Sekundärrecht 403 Zwischenresümee

404

IV. Das Staatskirchenrecht im europäischen Verfassungs- und Rechts verbünd: Religionsrecht als Mehrebenenrecht 405 1. Zum (verfassungstheoretischen) Konzept des Mehrebenenrechts

405

a) Die Europäische Union als dynamisches Mehrebenensystem

405

b) Verfassungstheoretische Perspektiven auf den Mehrebenenbegriff aa) Unzulänglichkeiten der „alteuropäischen" Staatslehre

407 407

bb) Das europäische Mehrebenenrecht als Verfassungs- und Rechts verbünd 409 cc) Mehrebenenrecht 1. und 2. Ordnung 2. Normkomplexe des religionsbezogenen Mehrebenenrechts a) Die Erklärung Nr. 11 der Regierungskonferenz von Amsterdam

414 414 415

aa) Wortlaut und Genese

415

bb) Bedeutung

418

b) Der Grundsatz der Subsidiarität

420

c) Die Achtung nationaler Identität

421

d) Die Achtung religiös-kultureller Diversifizität

424

e) Der mehrebenenstrukturierte Grundrechtsschutz in religiösen Angelegenheiten 425 aa) Der europäische Grundrechtsverbund

425

bb) Das Grundrecht auf korporative Religionsfreiheit und Selbstordnung und -Verwaltung einer Religionsgesellschaft auf Ebene der Europäischen Union 428 cc) Das Grundrecht auf Nichtdiskriminierung aus Gründen der Religion oder Weltanschauung auf der Ebene der Europäischen Union 434 dd) Die Verzahnung der Grundrechtsregime

435

f) Der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung und der „ausbrechende Rechtsakt" 437 Zwischenresümee

438

V. Die Behandlung von Religionsgesellschaften i. S. d. Art. 137 V WRV im allgemeinen Europarecht 439 1. Bestandsaufnahme der Rechtsfragen

439

2. Die Logik des Mehrebenenrechts bei der Behandlung von Religionsgesellschaften i. S. d. Art. 137 V WRV im allgemeinen Europarecht 440

Inhaltsverzeichnis 3. Die europäischen Grundfreiheiten und der Körperschaftsstatus nach Art. 137 V WRV 442 a) Kasus und Modus einer Verpflichtung durch die europäischen Grundfreiheiten

442

b) Begünstigung durch die europäischen Grundfreiheiten

447

4. Europäische Richtlinien und der Körperschaftsstatus nach Art. 137 V WRV 448 a) Grundsatz der Gleichstellung mit Privatpersonen

448

b) Umsetzungspflicht durch öffentlich-rechtliche Rechtsetzungsbefugnis? ... 448 c) Möglichkeit zur Umsetzung von Richtlinien durch Religionsgemeinschaften i. S. d. Art. 137 WRV

451

5. Besondere Aspekte der Transformation des Status der nach Art. 137 V WRV organisierten Religionsgemeinschaften durch das Europarecht 452 a) Exemtionsklauseln im europäischen Sekundärarbeitsrecht für öffentlichrechtliche Organisationen

452

b) Anwendbarkeit des europäischen Vergaberechts auf Religionsgemeinschaften i. S. d. Art. 137 V WRV? 452 aa) Der religiöse Zweck einer Religionsgemeinschaft

454

bb) Kirchensteuer als besondere Form einer Beitragsfinanzierung der Mitglieder 454 cc) Öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und das Verzeichnis öffentlicher Einrichtungen in der Koordinierungsrichtlinie für öffentliche Bauaufträge 455 6. Das grundgesetzliche Kirchensteuersystem und das Europarecht

456

a) Kompetenzen

456

b) Mittelbare Folgewirkungen des Europarechts

457

aa) Europäisches Datenschutzrecht

.-

457

bb) Europäische Grundfreiheiten

458

cc) Europäisches Wettbewerbsrecht

462

Zwischenresümee

468

VI. Transformationen des allgemeinen grundrechtlichen Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz durch das Europarecht (dargelegt anhand ausgewählter Beispiele) 468 1. Der grundgesetzliche Status der Freiheit und das Europarecht (dargelegt anhand des kirchlichen Arbeitsrechts) 469 a) Normen mit Transformationspotential

469

aa) Allgemeine Bestandsaufnahme

469

bb) Insb. RL 2000 778/EG

472

Inhaltsverzeichnis

24

b) Das Sekundärrecht, das religionsbezogene Mehrebenenrecht 1. Ordnung und die korporative Religionsfreiheit nach Art. 41, II GG / Art. 137 III WRV 476 aa) Umsetzung von Richtlinien ohne Religionsklauseln

477

bb) Unterlassene oder fehlerhafte Umsetzung von Religionsklauseln in Richtlinien

481

c) Verordnungen und das religionsrelevante Mehrebenenrecht 1. Ordnung ... 482 2. Der grundgesetzliche Status der Gleichheit und das Europarecht

482

3. Der grundgesetzliche Status der Öffentlichkeit und das Europarecht

483

a) Rundfunkwesen

483

b) Sonstige Formen der Öffentlichkeit

484

4. Der grundgesetzliche Status der Differenz und das Europarecht

485

5. Die grundgesetzliche Statusflankierung und das Europarecht

486

a) Sonn- und Feiertagsschutz

486

aa) Ladenschlußbestimmungen

486

bb) Arbeitszeitbestimmungen

486

b) Eigentums- und Vermögensschutz

487

aa) Staatsleistungen

488

bb) Religionsspezifische Eigentumsgarantie cc) Gemeinschaftseigene Religionsförderung, Europa" Zwischenresümee

488 insb. „Eine Seele für 489 490

VII. Staatskirchenrechtliches Vertragsrecht im Kontext des Europarechts 490 1. Konkordate und Kirchenverträge in den Mitgliedstaaten und das Europarecht 490 2. Konkordate und Kirchenverträge von Religionsgemeinschaften mit der Europäischen Union? 493 Resümee des 5. Kapitels

495

Fazit der Arbeit

496

Literaturverzeichnis

501

Sachregister

571

Einleitung Religionsrecht 1 begründet einen Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz und: Religionsrecht ist Mehrebenenrecht - dies sind die beiden Kernthesen der vorliegenden Arbeit in „lexikalischer Ordnung". 2 Religionsrechtliche Normen lassen sich verfassungsdogmatisch und -theoretisch in den vier Dimensionen der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz analysieren und sortieren - so lautet die eine These. Diese Aussage zielt nun nicht auf ein Religionsrecht sub specie aeternitatis, sondern auf eine ganz konkrete, positive Rechtsordnung, nämlich zunächst die der Bundesrepublik Deutschland unter dem verfassungsrechtlichen Auspizium des Grundgesetzes und sodann die Rechtsordnung der Europäischen Union.

1

Zur Terminologie Staatskirchenrecht / Religions(verfassungs)recht und ihrer Programmatik Λ. Hollerbach, HStR VI, § 138, Rn. 1 ff.; ders., FS Schmitz, 1994, S. 869 ff.; ders., KuR 1997, 1 ff. = 110, 49 ff.; G. Czermak, NVwZ 1999, 743 ff.; M. Heinig, ZEE 43 (1999), 294 (295 f.); C. Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, in: R. Grote/T. Marauhn (Hrsg.), Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, 2001, S. 215 ff.; A. Hense, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, in: A. Haratsch u. a. (Hrsg.), Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, 2001, S. 9 ff.; C. Görisch, NVwZ 2001, 885 ff. vor dem Hintergrund der Betitelung durch P. Mikat, Religionsrechtliche Schriften, 2. Halbbde., 1974 und P. Häberle, „Staatskirchenrecht" als Religionsrecht der verfaßten Gesellschaft (1976/1978), in: ders., Verfassung als öffentlicher Prozeß, 3. Aufl. 1998, S. 329 ff.; s.a. bereits J. Heckel, FS Smend, 1952, S. 103 (106 f.). Speziell zum (nicht nur) titularischen Überschritt vom deutschen Staatskirchenrecht zum europäischen Religionsverfassungsrecht P. Häberle, AöR 121 (1996), 677 ff.; ders., Das Verhältnis von Staat und Kirchen im europäischen Einigungsprozeß, in: ders., Europäische Verfassungslehre in Einzelstudien, 1999, S. 219 (228 f.); H.-T. Conring, Korporative Religionsfreiheit in Europa, 1998, S. 9 ff.; L. d. Fleurquin, European Journal for Church and State Research 3 (1996), 135 ff.; M. Heinig, a. a. O.; C. Walter, a. a. Ο.; M. Vachek, Das Religionsrecht der Europäische Union im Spannungsfeld zwischen mitgliedstaatlichen Kompetenzreservaten und Art. 9 EMRK, 2000, insb. S. 13 ff. Die Präferenz für die Rede vom „Religions(verfassungs)recht" gründet einerseits auf ihrem paritätischen, andererseits auf ihrem stärker die grundrechtliche Komponente hervorhebenden Mehrwert. Ein gegenüber religiöser Freiheit und Partizipation skeptischer Zungenschlag soll dagegen ausdrücklich nicht mit der begrifflichen Neujustierung verbunden sein; gleichfalls scheint der Begriff des „Staatskirchenrechts" nicht delegitimiert oder gar verfassungswidrig. Deshalb sind die folgenden Ausführungen auch von einer pragmatischen Flexibilität geprägt, die ihr Vorbild in der Urteilsbegründung des BVerfG vom 19. Dezember 2000 findet, in dem wohl erstmals prominent im verfassungsgerichtlichen Sprachgebrauch vom „freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrecht" bzw. von der „Freiheitlichkeit des Religionsverfassungsrechts" die Rede ist (cf. BVerfGE 102, 370 [388 f. und öfter]). 2 Im Sinne von J. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit (1971), 7. Aufl. 1993, S. 283.

26

Einleitung

Ein religions(verfassungs)rechtlicher Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz läßt sich gleichermaßen sinnvoll Individuen, Kollektiven und Korporationen zuschreiben. 3 Exploriert und explaniert werden soll er im Rahmen dieser Arbeit freilich vorrangig für Religionsgesellschaften, 4 genauer: für öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften i. S. d. Art. 140 G G / A r t . 137 V WRV. 5 Dabei differenziert der „vielfältige" Status in weiten Bereichen nicht zwischen unterschiedlichen Rechtsformen organisierter Religion. Insoweit läßt sich in der Darstellung unterscheiden zwischen den allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen für Religionsgesellschaften gleich welcher Organisationsform nach dem Grundgesetz (3. Kap.) und dem besonderen verfassungsrechtlichen Status der öffentlich-rechtlichen Körperschaft für Religionsgesellschaften, der die bezeichneten vier Säulen spezifisch (re)formuliert (4. Kap.). Die Lehre eines Status der Freiheit, Gleichheit und Öffentlichkeit ist der Parteirechtswissenschaft entlehnt. 6 Konrad Hesse führte sie in den disziplinaren Sprachgebrauch ein. 7 Eine Übersetzung dieser Formel in das Staatskirchenrecht findet

3

Zur Dreigliederung religionsfreiheitlicher Gewährleistungen dergestalt, daß zwischen individuellem, kollektivem und korporativem Handeln unterschieden wird, siehe etwa M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 4 Rdnr. 68. 4 Während die Weimarer Reichsverfassung in Anlehnung an die Terminologie der Paulskirchenverfassung und Art. 84 EGBGB von korporativ organisierter Religion als „Religionsgesellschaften" spricht, heißt es in Art. 7 III GG „Religionsgemeinschaften". In Sache bezeichnen beide Begriff Gleiches, auch der Verfassungsausschuß der Weimarer Nationalversammlung kannte beide Formulierungen (L. Richter, Kirche und Schule in den Beratungen der Weimarer Nationalversammlung, 1996, S. 345 Fn. 318); entsprechend werden sie in dieser Arbeit synonym gebraucht. Die Bezeichnung „Religionsgesellschaft" betont im Vergleich zur Titulierung als „Gemeinschaft" in der Tradition der Kollegialtheorie (cf. infra 2. Kap./I.) das individuell-mitgliedschaftliche (A. Hollerbach, HStR VI, § 138 Rdnr. 21) wie korporative Moment im Vergleich zum kollektiven. Alle drei Dimensionen sind grundgesetzlich gleichberechtigt geschützt. Der Begriff „Kirche" wird in der Verfassung dagegen nur in negativer Form in Art. 137 I WRV („Es gibt keine Staatskirche.") und Art. 136 IV WRV („Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung ... gezwungen werden.") verwendet {Hollerbach, ebenda). Zur Begriffgeschichte auch K. Obermayer, BK, Art. 140 GG (Zweitbearb. 1971) Rdnr. 37. Im folgenden wird zuweilen von „Kirche" gesprochen, wenn aus historischen oder soziologischen Gründen die traditionell in Deutschland tätigen und geschichtlich gewachsenen Volkskirchen ausschließlich oder im besonderer Weise angesprochen werden sollen. Manchmal sind aber auch, wie sich dann aus dem Zusammenhang ergibt, Religionsgesellschaften im allgemeinen gemeint. Siehe zum Sprachgebrauch auch H. Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, 1966, S. 21 f. Wie bei der Bezeichnungsfrage „Staatskirchenrecht,,/„Religionsverfassungsrecht" soll auch hier ein - im Sinne Roman Herzogs - unverkrampfter Sprachgebrauch gepflegt werden, und daß heißt eben auch: mit deutlicher Tendenz zu der Terminologie, die inklusionsaffiner ist. 5 Auf die Nennung der Inkorporationsnorm für die Weimarer „Kirchen"artikel in das Grundgesetz wird im folgenden verzichtet. Art. 140 GG wäre also, soweit sich die Ausführungen auf das Grundgesetz beziehen, zu ergänzen. 6 Als vierte Komponente ist dort das Gebot innerparteilicher Demokratie aus Art. 2112 GG zu nennen.

Einleitung sich beim Nestor der deutschen Verfassungsrechtslehre nur in Ansätzen. 8 Dies dürfte nicht zuletzt der Sorge geschuldet sein, daß eine Parallelführung der Semantik mit einer Identität in den Rechten (und Rechtsdogmatiken) verwechselt werden könnte. Es sei deshalb ausdrücklich betont, daß die hier erfolgende Umschreibung der verfassungsrechtlichen Stellung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften zwar vom Parteienrecht inspiriert ist, auch wird im folgenden sporadisch verfassungstheoretische Komparatistik betrieben (die man gemeinhin Verbändeverfassungsrecht nennt), 9 gleichwohl ist der religions(verfassungs)rechtliche Status der Freiheit, Parität, Öffentlichkeit und Differenz von Religionsgesellschaften als selbständiger am spezifischen Normenmaterial zu entwickeln. Ein Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz bedeutet „unter dem Grundgesetz": 1 0 - Religionsgesellschaften sind rechtlich frei von besonderer staatlicher Ingerenz und frei zu einer ihrem religiösen Selbstverständnis entsprechenden Entfaltung (3. Kap. I.). Diese Freiheit wird durch die öffentlich-rechtliche Rechtsform für Religionsgesellschaften effektiviert (4. Kap. I.). - Religionsgesellschaften sind rechtlich von „gleicher Ehre", 1 1 denn nur gleiche Anerkennung läßt religiöse Freiheit effektiv werden. Die religionspolitische Aufgabe der Stiftung und Mittlung des religiösen Friedens bedarf unter den Bedingungen des religiösen Pluralismus der Parität (3. Kap. III.). Der Status der Gleichheit kommt dabei auch darin zum Ausdruck, daß der Körperschaftsstatus gemäß Art. 137 V 2 WRV allen Religionsgesellschaften offensteht (4. Kap. IV. und VI.).

7 Κ Hesse, VVDStRL 17 (1959), S. 1 (28 ff.); ders., Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, S. 77 ff.; cf. a. P. Häberle, JuS 1967, 64 (71 ff.); M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 21 Rdnr. 46 ff.; H. M. Heinig/T. Streit, Jura 2000, 393 ff. 8 Κ Hesse spricht in Bezug auf Religionsgemeinschaften zumindest von einem speziellen „Status der Freiheit und Unabhängigkeit" (Verfassungsrecht, S. 206) bzw. „der Selbständigkeit und Öffentlichkeit" (ZevKR 5 [1956], 62 [73]), dort freilich noch im Sinne der Koordinationslehre - dazu maßgeblich H. Marré, DVB1. 1966, 10 ff.; im Überblick M. Germann, Art. Koordinationslehre, in: RGG 4 Bd. 4, 2001, Sp. 1668; H. Quaritsch, Der Staat 5 (1966), 451 ff. sowie pointiert bis polemisch M. Kleine, Institutionalisierte Verfassungswidrigkeiten im Verhältnis von Staat und Kirchen unter dem Grundgesetz, 1993, S. 59 ff.; ferner D. Ehlers, Der Bedeutungswandel im Staatskirchenrecht, in: B. Pieroth, (Hrsg.), Verfassungsrecht und soziale Wirklichkeit in Wechselwirkung, 2000, S. 85 (85 ff.) m. w. N. - ; zum Status der Freiheit den koordinationsrechtlichen Standpunkt revidierend Κ Hesse, ZevKR 11 (1964/1965), 337 (346 ff.). Cf. a. M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 4 Rdnr. 78, insb. Fn. 230. 9 Cf. 1. Kap. IV. und öfter (m. w. N.).

10 Cf. programmatisch zu dieser Subordinationsformel M. Heckel, VVDStRL 26 (1968), S. 5 ff.; Λ. Hollerbach, ebenda, S. 57 ff. 11 So Friedrich Naumann in den Verhandlungen zur Weimarer Reichsverfassung; cf. F. Naumann (DDP), in: E. Heilfron (Hrsg.), Die Deutsche Nationalversammlung im Jahre 1919 in ihrer Arbeit für den Aufbau des neuen deutschen Volksstaates, Bd. 6, 1920, S. 4026 ff.

28

Einleitung

- Das Religionsrecht (aner)kennt die öffentliche Wirkung und das öffentliche Wirken von Religionsgesellschaften (3. Kap. IV.). Dies findet auch in dem Angebot einer öffentlichen Rechtsform und den damit verbundenen besonderen Rechten seinen Niederschlag (4. Kap. I. und II.). - Religionsgesellschaften werden unter dem Grundgesetz schließlich - entgegen langer Verfassungstradition bis 1918/1919 - in maßgeblicher Differenz zum Staat definiert (3. Kap. II.). Dies gilt auch für öffentlich-rechtlich organisierte Religionsgruppierungen (4. Kap. I.). Diese Trennung von Religionsgesellschaften und Staat ist Ausdruck der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates, die zudem die Status der Freiheit, Gleichheit und Öffentlichkeit prägt. 1 2 „Mehrebigkeit" prägt das Religionsrecht - so lautet die andere These. Wie eine Vielzahl anderer Rechtsgebiete, ist auch das Religionsrecht Mehrebenenrecht geworden. Demzufolge ergeben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen bestimmten lebensweltlichen Bereich seit - in staatskirchenrechtlichen Zeitdimensionen - jüngerer Zeit erst durch das Zusammenspiel mehrerer Rechtsebenen, durch Normierungen des nationalen und des europäischen Rechts. Die Etablierung und Konsolidierung einer eigenständigen europäischen Rechtsordnung durch die Europäischen Gemeinschaft(en) und die Europäische Union ließ nahezu keinen lebensweltlichen Bereich in seiner bestehenden mitgliedstaatlichen Regulierung unberührt, auch nicht die Religion. Wiewohl die Kompetenz zur Setzung originär religionsrechtlicher Vorschriften bis zum Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages vollständig und seitdem weitestgehend bei den Mitgliedstaaten verblieben ist, kann eine durch das Recht als primärem Integrationsmotor vorangetriebene europäische Einigung für die Rechtsstellung der Religionsgemeinschaften in den Mitgliedstaaten nicht folgenlos bleiben. Vielmehr wirkt das Europarecht auf zahlreichen Gebieten auf die nationalstaatlich geprägten Rechtsordnungen ein und erzeugt einerseits in diesen Prozessen der Überlagerung und Vermischung neue rechtskulturelle Schichten, schützt den nationalen Rechtsbestand andererseits aber auch in seiner traditionalen Ausprägung und seinen transrechtlichen, insbesondere kulturell geprägten Bezügen. Dies gilt auch für den Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz von Religionsgesellschaften nach dem deutschen Staatskirchenrecht, der durch die Rechtsordnung der Europäischen Union in ein europäisches Religions(verfassungs)recht überführt und eingebettet wird. I m 5. Kapitel dieser Arbeit soll diesen Effekten näher nachgegangen werden. In den vorhergehenden Ausführungen wird auf den Mehrebenencharakter zwar en passent eingegangen; dieses Moment tritt i m Gesamtzuschnitt der Arbeit freilich gegenüber den Statusanalysen selbst deutlich zurück.

12 Differenz mag zugleich als ein Unterthema der Parität und der Freiheit verstanden werden, wenn man nach der Legitimation von Distiktionen und ihrer religionspolitischen und -rechtlichen Verarbeitung fragt. Dies soll hier im Kontext der Parität geschehen, weshalb im folgenden mit dem Status der Differenz vor allem der Trennungstopos angesprochen sei.

Einleitung Wenn sich die vorliegende Studie in ihrer Darstellung sowohl des Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz wie seiner europarechtlichen Transformationen weitgehend auf öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften i. S. d. Art. 137 V W R V konzentriert, dann rechtfertigt sich dies (hoffentlich) aus folgenden Erwägungen: Zum einen kommt den öffentlich-rechtlich organisierten gegenüber den privaten Religionsgesellschaften kraft Herkommen und numerischer Potenz eine deutlich größere soziale Relevanz zu. Vor allem ist die Bedeutung des Körperschaftsstatus für Religionsgesellschaften in Deutschland Gegenstand einer virulenten rechtswissenschaftlichen Debatte, die in ihrer Dynamik trotz einer ersten verfassungsgerichtlichen Entscheidung 13 noch keineswegs abgeschlossen ist. Diese Debatte vermag vielleicht sowohl durch das vorgestellte Modell der vier religionsrechtlichen Status wie durch seine Einstellung in den europäischen religionsrechtlichen Kontext neue Impulse zu erhalten. Soweit man auf die Transformationspotentiale des Europarechts abstellt, ist zudem zu bedenken, daß die individual- und kollektivreligionsrechtliche Perspektive auf europäischer Ebene mangels potentiell Änderungsprozesse auslösendem Europarecht gegenwärtig gegenüber der korporativen zurücktritt. Auch läuft die Transformation der Rechtsstellung von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Religionsgesellschaften i. S. d. Grundgesetzes i m wesentlichen parallel, so daß eine weitgehende Übertragung des vorgelegten rechtlichen Befundes erfolgen kann. 1 4 Schließlich erfolgt die Produktion von Qualifikationsarbeiten, wie jedes menschliche Handeln, unter den Bedingungen der Knappheit temporaler und sozialer Ressourcen. Insoweit ist die gewählte thematische Limitierung auch pragmatischer Natur. Beide skizzierten Stränge der Arbeit lassen es angeraten erscheinen, auch auf die Vorgeschichte des deutschen Staatskirchenrechts, vor allem der Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts für Religionsgemeinschaften, als Folie der jetzigen Rechtsentwicklung einzugehen. Dies gilt zum einen, weil die Diskussion um das angemessene GegenwartsVerständnis des öffentlich-rechtlichen Status von Religionsgesellschaften maßgeblich durch verfassungshistorische Argumente geprägt ist. Dabei wird vor allem auf die Verhandlungen der Weimarer Nationalversammlung eklektisch zurückgegriffen. Dies verführt i m Kontext einer wissenschaftlichen Arbeit dazu, es selbst genauer wissen zu wollen und die Lesefrüchte dann coram publico auszubreiten. Z u m anderen vermag ein historischer Vorlauf der Arbeit vielleicht auch die Dimension immer schon bestehender historischer Dynamik der Rechtsmaterie einzuzeichnen (2. Kap.). Religionsrecht war und ist in diesem Sinne stets Zeichen seiner Zeit.

13 BVerfGE 102, 370 ff. 14

Ausgespart bleibt bei einem solchen Vorgehen weitgehend der Rechts vergleich, was sich aus dem Zuschnitt der Fragestellung rechtfertigt. Für ein Forschungsprogramm des „Religionsrechts als Mehrebenenrecht" wäre der Einbezug mehrerer nationaler Rechtsordnungen „on the long run" aber unabdingbar. Cf. auch infra 5. Kap. vor I.

30

Einleitung

Schließlich ist die umrissene Thematik in einem doppelten Sinne voraussetzungsvoll. Eine rechts wissenschaftliche Aufarbeitung des Verhältnisses von Staat und Kirche weist ebenso wie die Thematik der europäischen Rechtsordnung in Beziehung zum nationalen Recht eine besondere Affinität zu verfassungstheoretisch zu bearbeitenden Vorverständnissen auf. 1 5 Das Thema wirft die Frage nach dem Religions- und Kirchenverständnis ebenso unweigerlich auf wie die nach Grundüberzeugungen über Kultur und nach dem Verfassungs- und Staats Verständnis. Es gilt deshalb, wenigstens ansatzweise die Verwiesenheit der Thematik auf nichtjuristische Felder durch Rückgriff auf benachbarte Disziplinen zu bearbeiten und Mehrdisziplinarität zu üben, um durch neue Denkansätze und Reformulierungen das Verständnis des Rechts zu erweitern. Der Rückgriff auf nicht der juristischen Dogmatik entnommene Theorien soll dabei kein normatives Ersatzprogramm liefern, kann aber zumindest den „blinden Fleck" der eigenen Disziplin aufzudecken und den Bestand an gegenwärtigen Theorietraditionen zu reflektieren helfen. 1 6 Die Bearbeitung der skizzierten Fragenkreise soll deshalb mit religionsverfassungstheoretischen Präliminarien eröffnet werden. Dabei sei der „klassische Jurist" vorgewarnt: Die Ausführungen sind nicht ohne weiteres für den fallbezogenen juristischen Hausgebrauch geeignet; das Abstraktionsniveau der folgenden Kapitel ist deutlich niedriger.

15 Zur besonderen Anfälligkeit des Staatskirchenrechts für die Prägekraft des Vorverständnisses bereits K. Hesse, ZevKR 6 (1957/1958), 177 ff. 16 Cf. allgemein zu den Aufgaben der Verfassungstheorie M. Morlok, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Verfassungstheorie?, 1988, S. 84 ff.

1. Kapitel

Religionsverfassungstheoretische Präliminarien I. Das Bezugsproblem religionsverfassungstheoretischer Erwägungen Religions(verfassungs)recht ist in den Deutungsvollzügen wie kaum ein anderes Rechtsgebiet geprägt durch das jeweilige Vorverständnis. Religion läßt sich ζ. B. aus (protestantisch-) religionstheoretischer Sicht vorrangig Individuen zuschreiben (etwa in Fokussierung eines religiösen Gefühls im Sinne eines religiösen Bewußtseins,1 einer religiösen Erfahrung 2 oder eines religiös imprägnierten Gewissens). 3 Ein solches Religionskonzept zugrundegelegt lassen sich bestimmte Verhaltensformen in vergemeinschafteter Form sozialtypologisch als organisierte Religion (etwa i m Sinne einer communio sanctorum) 4 ausmachen - mit zahlreichen Implikationen für das religionsverfassungsrechtliche Verständnis, etwa der Betonung der religionsfreiheitlichen Individualpositionen als Ferment organisationsspezifischer Rechte. Religion mag in anderer (katholisch geprägter) Vorstellung ganz untrennbar mit einer sancta ecclesia im Sinne einer organisatorisch-hierarchisch aufgebauten Institution verbunden sein; 5 dadurch bekommen korporative Rechtsgewährleistungen einen eminenten Stellenwert, individualrechtliche Aspekte treten in den Hintergrund. Atheistische und agnostische Einstellungen zur Religion führen dagegen tendenziell zu einer eher kritischen Bewertung eines öffentlichen Status von 1

Im Anschluß an F. D. Schleiermacher, cf. etwa ders., Über die Religion (1799), 1999; hierzu m. w. N. C. Albrecht, Schleiermachers Theorie der Frömmigkeit, 1994, S. 107 ff.; U. Barth, Schleiermachers Reden als religionstheoretisches Modernisierungsprogramm, in: S. Vietta/D. Kemper (Hrsg.), Ästhetische Moderne in Europa, 1998, S. 441 ff.; sowie K. Nowak, Schleiermacher, 2001, S. 97 ff. und die Auswahlbibliographie S. 590 ff. 2 W. James, Die Vielfalt religiöser Erfahrung (1901 / 1902), 1997; hierzu zuletzt C. Taylor, Die Formen des Religiösen in der Gegenwart, 2002, S. 11 ff. 3

In diesem individualbezogenen Duktus grds. auch die Religionssoziologie Max Webers, cf. ders., Wirtschaft und Gesellschaft (1922), 5. Aufl. 1972, S. 245 ff.; ders., Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (1904/1905), in: ders. Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, 9. Aufl. 1988, S. 17 ff.; ders., Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus (1906), ebenda, S. 207 ff. 4 Cf. insb. D. Bonhoeffer, Sanctorum Communio (1930), 1986; hierzu J. v. Soosten, Die Sozialität der Kirche, 1992. 5 Hiervon ist auch die Religionssoziologie von Emile Durkheim, genauer seine Unterscheidung von Magie und Religion geprägt, cf. ders., Die elementaren Formen des religiösen Lebens (1912), 1994, S. 69 ff.

32

1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

Religion(sgemeinschaften); eine Deutung der Religionsfreiheit wird in solcher Perspektive die abwehrrechtlich-individuelle Seite des Grundrechts hervorheben. Eine pluralistisch-religionsoffene Perspektive dagegen vermag dem Gedanken der Befähigung zur Grundrechtsausübung durch staatliche Aktivitäten wie der Vorhaltung besonderer Rechtsstatus, finanziellen Transfers oder der organisatorischen Öffnung staatlicher Schulen und Anstalten für Seelsorge und Unterweisung erheblich mehr abzugewinnen. Der Ort der Aufarbeitung dieser Präfigurierung des eigenen verfassungsrechtlichen Denkens ist die Verfassungstheorie. Diese ist eine Teildisziplin der Rechtswissenschaft und dient auch der Purifikation von externen Argumenten. Aus theologischer Sicht dagegen wären die Fragen nochmals anders zu stellen und zu beantworten. Der Verfassungstheorie verpflichtet sollen eingangs eigene Verständnishorizonte ausgewiesen werden, ohne daß eine dem verfassungstheoretischen Wissenschaftsprogramm genügende umfassende religionsbezogene normative, aber für wirklichkeitswissenschaftliche Erkenntnisse permeable Metatheorie entwickelt werden könnte. 6 Vielmehr soll neben einem Ausweis eigener (Vor)Verständnisse aus Gründen wissenschaftlicher Redlichkeit auch versucht werden, spezifische „neuralgische Punkte des Staatskirchenrechts" 7 auf einem gewissen Abstraktionsniveau und damit mit einem für die konkreten Detailprobleme „verschleierten B l i c k " abzuarbeiten, um die eigenen religionsverfassungstheoretischen Statuten - so Hoffnung und Behauptung - mit guten Gründen zu unterfüttern. Dazu sollen i m folgenden ausgehend von der Grundannahme eines realen und normativen Pluralismus daraus resultierende Folgefragen aufgeworfen werden. Als verfassungstheoretische Legitimation des grundgesetzlichen Status von organisierter Religion als einem der Freiheit, Parität, Öffentlichkeit und Trennung wird die Figur normativer Anerkennung religiöser Selbstzweckhaftigkeit in der ausdifferenzierten Moderne vorgeschlagen.

II. Die Prämisse eines doppelten religiös-weltanschaulichen Pluralismus 1. Reale religiös-weltanschauliche Pluralität Dreh- und Angelpunkt der folgenden religionsverfassungstheoretischen Überlegungen ist die Annahme eines doppelten religiös-weltanschaulichen Pluralismus: eines normativen und eines realen. Reale religiöse Pluralität in Deutschland ist keine neue Erscheinung. Die Kirchengeschichte ist eine Geschichte der Lehrstreitigkeiten und Abspaltungen; spätestens seit der Reformation war religiöse Homo6

Zu den Anforderungen an ein solches Programm siehe generell M. Morlok, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Verfassungstheorie?, 1988, S. 50 ff. 7 H. Weber, FS Maurer 2001, S. 469 ff.

II. Die Prämisse eines doppelten religiös-weltanschaulichen Pluralismus

33

genität in Deutschland empirisch höchstens bikorporal zu beschreiben (siehe 2. Kap. I.). 8 Als faktisch relevante Gegebenheit sickert der Prozeß religiöser Pluralisierung jedoch - ungeachtet relativer Stabilität der beiden Volkskirchen - in neuer Qualität seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts deutlicher in das Bewußtsein. Hierzu trug und trägt maßgeblich bei, daß die numerisch signifikante Vielfalt religiöser Erscheinungen nicht mehr auf einen i m weitesten Sinne gefaßten binnenchristlichen Bereich (unter Einschluß vielfältiger „synkretistischer" und „häretischer" Bewegungen) begrenzt ist. 9 Religiöse Pluralität hat sich vielmehr durch Migrationsbewegungen (Islam), Religionsimport aus Fernost (Zen-Buddismus) und neue Religionsdesigns (insbesondere i m Bereich der sog. „Jugendreligionen", aber auch Scientology) auf ein breites Spektrum religiöser Überzeugungen und Aktivitäten in Deutschland ausgeweitet. 10 Schließlich hat die religionsfeindli8 Zur Pluralität innerhalb „christlicher Kultur" am Beispiel des 19. Jahrhunderts etwa F. W. Graf, „Christliche Kultur?", in: U. Barth /W. Gräb (Hrsg.), Gott im Selbstbewußtsein der Moderne, 1993, S. 178 ff. 9

Greift man - methodisch stark simplifizierend - auf das Kriterium der (Nicht-)Angehörigkeit zu einer Religions- und Weltanschauungsgesellschaft zurück, bilden Atheismus, Freidenkertum, Historischer Materialismus u. a. in der Bundesrepublik der 50er und 60er Jahre eher theoretisch wirkmächtige Größen. Empirisch bedeutsame Bevölkerungsgruppen korrespondierten hiermit lange Zeit nicht. 10 Aus religionsrechtlicher Perspektive hierzu insb. D. Grimm, Multikulturalität und Grundrechte, in: R. Wahl / J. Wieland (Hrsg.), Das Recht des Menschen in der Welt, 2002, S. 135 ff.; S. Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, 1997, S. 1 ff.; H. Maurer, FS Brohm, 2002, S. 455 (463 ff.); zu daraus resultierenden Grundsatz- und Detailfragen zumeist m. w. N. etwa Endbericht Enquete-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen" BTDr. 13/10950 = Deutscher Bundestag (Hrsg.), „Sogenannte Sekten und Psychogruppen", 1998; Zwischenbericht dies., BT-Dr. 13/8170; s.a. zu den religionsrechtlichen Implikationen des Strukturwandels der Religion W. Rüfner, FS Hollerbach, 2001, S. 692 ff.; F. Schock, FS Hollerbach, 2001, S. 149 ff.; M. Heckel, FS Maurer, 2001, S. 351 ff.; A. v. Campenhausen, ZevKR 25 (1980), 135 ff.; ders., ZevKR 37 (1992), 405 ff.; D. Ehlers, ZevKR 45 (1999), 201 (215 ff.); rechtsvergleichend S. C. van Bijsterveld/T. Witteveen, ÖAfKR 45 (1998), 172 ff.; insb. zum Islam und zu damit zusammenhängenden Einzelfragen A. v. Campenhausen, Essener Gespräche 34 (2000), S. 105 (121 ff., 131 ff.); A. Albrecht, KuR 1995, 25 ff. = 210, 1 ff.; B. Guntau, ZevKR 43 (1998), 369 ff.; M. Heckel, JZ 1999,741 ff.; C. Hillgruber, JZ 1999,538 ff.; J. Isensee, FS Listi, 1999, S. 67 ff.; M. Jestaedt, ebenda, S. 259 ff.; K -Η. Kästner, FS Heckel, 1999, S. 359 ff.; S. Korioth, NVwZ 1997, 1041 ff.; 5. Muckel, FS Listi, 1999, S. 239 ff.; ders., DÖV 1995, 311 ff.; ders., Der Islam unter dem Grundgesetz, 2000; S. Mückl, Der Staat 40 (2001), 96 ff.; J. Müller-Volbehr, JuS 1997, 223 ff.; E. Pache, Jura 1995, 150 ff.; M. Rohe, Der Islam, 2001; H. Marré/J. Stüting (Hrsg.), Essener Gespräche 20 (1986); J. Janz/S. Rademacher, NVwZ 1999,706 ff.; F. Fechner, NVwZ 1999,735 ff.; H.-H Trute, Jura 1996,462 ff.; E.W Böckenförde, NJW 2001, 723 ff.; G. Britz, JZ 2000, 1127 ff.; R. Halfmann, NVwZ 2000, 862 ff.; W. Bock, RdJB 2001, 330 ff.; H Jochum, Islam in der Schule, in: A. Haratsch u. a. (Hrsg.), Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, 2001, S. 101 ff.; ferner die Angaben in Fn. 154. Aus Schweizer Sicht K. W. Sahlfeld, Der Islam als Herausforderung für die Rechtsordnung, ebenda, S. 127 ff.; rechtsvergleichend W. Wieshaider, Von Moscheenbau und Muezzinruf, ebenda, S. 155 ff. Religionssoziologisch siehe zum religiösen Pluralismus etwa P. L. Berger, Der Zwang zur Häresie, 1992; Th. Luckmann, Die unsichtbare Religion, 1991; P. L. Berger/Th. Luckmann, Modernität, Pluralismus und Sinnkrise, 1995; F.-X. Kaufmann, Religion und Modernität, 3 Heinig

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1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

che Politik in der D D R zwar ihre primär intendierte Wirkung einer weltanschaulichen Homogenisierung der Bevölkerung in Verpflichtung auf ein marxistischgeschichtsphilosophisches Heilsversprechen verfehlt, jedoch massiv traditionelle religiöse Bindungen zerstört. Erweitert man den Blick auf ein sich sukzessive ausbildendes, durch die Europäischen Verträge verfaßtes europäisches Gemeinwesen, in das sich Deutschland integriert findet, multipliziert sich die Situation religiös-weltanschaulicher Vielfalt nochmals. Historisch dominiert in allen gegenwärtigen Mitgliedstaaten eine christliche Religionskultur, die einzelnen Erscheinungen sind jedoch überaus disparat. Auch bringen einige Staaten durch ihr koloniales Erbe weitere Religionskulturen mit, die in Deutschland bisher nicht sonderlich in Erscheinung getreten sind.

2. Normativer religiös-weltanschaulicher Pluralismus M i t diesem realen Pluralismus korreliert auf der normativen Seite ein verfassungstheoretischer Relativismus in Bezug auf die Wahrheitssemantik, 11 der die Freiheit der Menschen in ihrer realen kulturellen und religiös-weltanschaulichen Vielfältigkeit - auch ihrer Vergemeinschaftungsformen - sichern s o l l . 1 2 Die Erscheinungsformen freiheitlicher Staatlichkeit können sich insoweit auf die bewußt schwache Begründungsfigur gegenseitiger Anerkennung als Freie und Gleiche stützen, die ohne weitere religiös-weltanschauliche Prämissen auskommt. Dieser normative religiös-weltanschauliche Pluralismus spiegelt sich in Deutschland u. a. i m verfassungsdogmatischen Begriff des religiös-weltanschaulich neutralen Staates wider, 1 3 der sich textuell etwa aus Art. 3 III, 4 I, II, 33 I I I GG und Art. 136, Art. 137 I WRV speist (3. Kap. III.). Aber auch die familien- und schulbezogenen Gewährleistungen sowie die Meinungs-, Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit sind Fundamente einer Lesart des Grundgesetzes, die die Gewährleistung einer formalen, offenen Freiheit der Bürger betont und der der Vorbehalt eines inhaltlich „richtigen" Gebrauchs von Freiheit fremd i s t . 1 4 Die 1989; H Koblauch, Religionssoziologie, 1999, S. 120 ff., 156 ff. und öfter; D. Pollack, Zeitschrift für Religionswissenschaft 3 (1995), 163 ff.; ders./G. Pickel, ZfS 28 (1999), 465 ff. mit Replik M. Wohlrab-Sahr/M. Krüggeier, ZfS 29 (2000), 240 ff. und Duplik D. Pollack/ G. Pickel, ZfS 29 (2000), 244 ff. jeweils m. w. N. 11 Cf. auch P. Häberle, Wahrheitsprobleme im Verfassungsstaat, 1995. 12 P. Häberle, Verfassungsinterpretation als öffentlicher Prozeß (1978), in: ders., Verfassung als öffentlicher Prozeß, 3. Aufl. 1998, S. 121 (insb. 137 ff.) m. w. N. 13 Siehe etwa Κ Schiaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Problem, 1972; S. Huster, Die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates, in: W. Brugger/S. Huster, Der Streit um das Kreuz in der Schule, 1998, S. 69 ff.; W. Brugger, Zum Verhältnis von Neutralitätsliberalismus und liberalem Kommunitarismus, in: ebenda, S. 109 ff.; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 140 Rdnr. 33; 5. Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002 m. w. N. 14 Grundlegend W. Höfling, Offene Grundrechts!nterpretation, 1987; speziell zum Staatskirchenrecht insoweit ebenso S. Muckel, Freiheit, S. 122; ferner D. Grimm, Multikulturalität, S. 140.

II. Die Prämisse eines doppelten religiös-weltanschaulichen Pluralismus

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grundgesetzlichen Gewährleistungen gleicher Freiheit aller Bürger sind - in der Terminologie liberaler politischer Philosophie - unabhängig von deren jeweiligen „Konzepten des Guten"; 1 5 sie statuieren für den Kontext des Verfassungsrechts den „Vorrang der Demokratie vor der Philosophie". 1 6 Zur Klarstellung sollte betont werden, daß die Pluralismuskonzeption des Grundgesetzes sich zugleich von einem sog. Laissez-faire-Pluralismus absetzt und diesem auch religionsverfassungstheoretisch nicht das Wort geredet werden kann und soll. Eher entspricht dem Verfassungspluralismus des Grundgesetzes ein sog. geläuterten Neopluralismus, den insbesondere Ernst Fraenkel maßgeblich in Deutschland geprägt hat. 1 7 Man könnte unter dem Eindruck der Möglichkeit des Parteien- und Verbände Verbots (Art. 9 I I I und 21 I I GG), Art. 18 GG und dem verfassungsrechtlichen Topos der freiheitlich-demokratischen Grundordnung 1 8 auch von einem reziproken Pluralismus der gleichen Berechtigung sprechen, der die Anerkennung der Erfassung des Anderen von selbst in Anspruch genommenen pluralitätssichernden Rechten für diese Inanspruchnahme voraussetzt, darüber hinaus aber religiös-weltanschaulich ohne weitere Konditionen ausk o m m t . 1 9 Der dem Pluralismus inhärente Relativismus wird so verfassungsrecht15 Nach J. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit (1971), 7. Aufl. 1993, S. 486 ff.; ders., Der Vorrang des Rechten und die Ideen des Guten, in: ders., Die Idee des politischen Liberalismus, 1994, S. 364 ff.; ders., Politischer Liberalismus, 1998, S. 266 ff. Die realen Generierungs- und Regenerierungskontexte einer solchen politischen Philosophie sind durchaus voraussetzungsvoll und speisen sich auch aus bestimmten Vorstellungen des guten Lebens, worauf kommunitaristische Theoretiker immer wieder aufmerksam machen; dies heißt jedoch nicht, daß sich das normativ gefaßte Vorrang Verhältnis in Frage gestellt sieht; cf. insg. zu dieser Spannung etwa C. Taylor, Aneinander vorbei: Die Debatte zwischen Liberalen und Kommunitaristen, in: A. Honneth (Hrsg.), Kommunitarismus, 2. Aufl. 1994, S. 103 ff.; zuletzt ders., Wieviel Gemeinschaft braucht die Demokratie?, 2002; cf. ferner zu dieser Debatte m. w. N. die Beiträge in dem von A. Honneth hrsg. Band, ferner M. Brumlik/H. Brunkhorst (Hrsg.), Gemeinschaft und Gerechtigkeit, 1993; B. van den Brink/W. van Reijen (Hrsg.), Bürgergesellschaft, Recht und Demokratie, 1995; J. v. Soosten, ZEE 36 (1992), 61 ff.; aus verfassungstheoretischer Perspektive zum Gesamtkomplex auch W. Brugger, AöR 123 (1998), 337 ff. einerseits, U. R. Haltern, KritV 2000, 153 ff. andererseits. 16 R. Rorty, Der Vorrang der Demokratie vor der Philosophie, in: ders., Solidarität oder Objektivität, 1988, S. 82 ff.; ferner ders., Kontingenz, Ironie und Solidarität, 1992, S. 96 und öfter. • 7 Näher zum Pluralismus aus verfassungstheoretischer Sicht W. Brugger, Liberalismus, Pluralismus, Kommunitarismus, 1999, S. 197 ff. und - speziell zu Ernst Fraenkel und der Legitimität des Grundgesetzes - S. 220 ff. m. w. N.; cf. insb. E. Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien (1964), 1991, S. 261 ff., 297 ff., 326 ff. Cf. ferner zur zentralen verfassungstheoretischen Bedeutung des Pluralismus mit unterschiedlichem Zungenschlag P. Häberle, Die Verfassung des Pluralismus, 1980; ders., Wahrheitsprobleme; H.-H. v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, 1977; D. Göldner, Integration und Pluralismus im demokratischen Rechtsstaat, 1977; speziell zum Staatskirchenrecht grundlegend K. Hesse, ZevKR 11 (1964/65), 337 ff.; ferner H.-M. Pawlowski, Der Staat 28 (1989), 353 ff.; ders., Rechtstheorie 19 (1988), 409 ff.; K. G. Meyer-Teschendorf, AöR 103 (1978), 289 ff.; ders., Staat und Kirche im pluralistischen Gemeinwesen, 1979. •s BVerfGE 2, 1 ff.; 39, 334 ff.; K. Hesse, Grundzüge, S. 296 ff. m. w. N. 3*

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1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

lieh immunisiert gegen Prozesse der Selbstrelativierung, ohne daß die religiösweltanschauliche Blindheit des Staates und der staatlich gewährten Freiheits-, Gleichheits- und Partizipationsrechte dadurch in Frage gestellt würden. 2 0 Auch prädestiniert diese normative Immunität reflexiver Relativierung der Verfassung keine spezifische anthropologisch-kulturtheoretische Relativismustheorie 2 1 Diese auf der Grundlage des deutschen Verfassungsrechts basierenden Überlegungen lassen sich auch auf die europäische Ebene übertragen. M i t den vorhandenen Freiheitsgewährleistungen und Diskriminierungsverboten (insbesondere Art. 13 EGV und der paritätisch strukturierten Berücksichtigung von Religion und Weltanschauung in der Erklärung Nr. 11 der Regierungskonferenz von Amsterdam; s. u. Kap. 5) hat sich auch hier ein Pluralitätskonzept normativ niedergeschlagen, dessen einzelne Komponenten (wie die einer „wehrhaften Mehrebenendemokratie") i m weiteren Verlauf der Verdichtung der rechtlichen Verfaßtheit Europas noch zu konkretisieren sind, das in den Grundzügen aber zur verfassungstheoretischen Konzeption des Grundgesetzes parallel läuft.

3. Verfassungstheoretische Fundierung eines normativen religiös-weltanschaulichen Pluralismus Offen-plurale Neutralität besonders in Religionsdingen ist conditio sine qua non der der Idee der Verfassung inhärenten gleichen Geltung freiheitlicher und partizipativer Verbürgungen 22 gegenüber jedermann. Gerade die Unbedingtheit der verfassungsrechtlich garantierten Rechte von der Frage ihres religiös-weltanschaulich „richtigen" Gebrauch stellt die Möglichkeit umfassender Akzeptanz und Legitimität der Verfassung selbst und der Entscheidungen, die i m Rahmen der durch das Grundgesetz festgeschriebenen Verfahren getroffenen wurden, sicher. Andernfalls würde das Religionsverfassungsrecht wesentliche Funktionen heutiger Verfassungsstaatlichkeit unterlaufen. Die verfassungsrechtlich sanktionierte Präponde19 Cf. auch G. Haverkates Ansatz einer Verfassung als Gegenseitigkeitsordnung, Verfassungslehre, 1992, speziell zum Religionsrecht S. 195 ff. 20 Dies stellt keine Paradoxie im engen Sinne dar, wie man am Beispiel einer sprachphilosophischen Analyse des Art. 79 III GG sehen kann, cf. Κ. F. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 1994, S. 100 ff.; gekürzt nun 2. Aufl. 2001, S. 90 ff. 21 Siehe hierzu insb. B. Latour, Wir sind nie modern gewesen, 1995, S. 123 ff. mit der Unterscheidung von absolutem und kulturellem Relativismus, partikularer Universalität und symmetrischer Anthropologie. Zu einer rechtstheoretischen Fruchtbarmachung Latours, insbesondere als Supplementtheorie zur Bearbeitung des „blinden Flecks" systemtheoretischer Beobachtung G. Teubner, Soziale Systeme 3 (1999), 312 (321 ff.). 22 Ganz im Sinne der kantischen Einordnung gleicher Freiheit als einzigem „angeborenen" Recht, cf. /. Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre (1870), hrsg. v. B. Ludwig, 1986, S. 47; (nur) insoweit wie hier auch die Fruchtbarmachung Kants für eine religionsverfassungstheoretische Perspektive bei C. Dierksmeier, Rechtstheorie 30 (1999), 109 ff. und ders., Das Noumenon Religion, 1998, S. 185 ff.

II. Die Prämisse eines doppelten religiös-weltanschaulichen Pluralismus

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ranz einer bestimmten Religion, wie sie i m staatskirchenrechtlichen Schrifttum zuweilen in Form eines christlichen Kulturvorbehalts der Verfassung postuliert w i r d , 2 3 exkludierte die der Minderheitenreligionen angehörigen Bevölkerungsgruppen und stellte damit die an die Verfassung geknüpften (rechtlichen, politischen und kulturellen) Integrationseffekte in Frage. 2 4 Aus den gleichen Gründen ist jeder normativen Aufladung zivilreligiöser Erscheinungen in der Politik mit Skepsis zu begegnen. 25 Dabei können zwei Dimensionen des Integrationsbegriffs unterschieden werden; auf beide ist der hier geltend gemachte Vorbehalt zu beziehen: zum einen ist in einem formalen Sinne i m Anschluß an Niklas Luhmann Integration als Frage von Inklusion und Exklusion, als Zugang zu den kommunikativen Teilsystemen der Gesellschaft zu verstehen, 26 zum anderen in einem materiellen Sinne in loser Anknüpfung an Rudolf Smend als identitätsbildende politisch-kulturelle Teilhabe i m Sinne einer grundsätzlichen affirmativen Bejahung der Verfassung als rechtlicher Grundordnung des Gemeinwesens. 27 Die Festschreibung der Dominanz einer spezifischen Religion(sgesellschaft) durch die Verfassung exkludierte i m formalen Sinne andere religiöse Erscheinungen rechtlich von den besonderen Rechten dieser Religion, politisch vom gleichberechtigten Zugang zum und Berücksichtigung i m Prozeß der Willensbildung, kulturell von der mit der rechtlichen und politischen Suprematisierung einer Religion verbundenen besonderen gesellschaftlichen Anerkennung. I m Sinne eines materiell verstandenen Integrationsbegriffs potenzieren sich diese Effekte, wenn man in Individualperspektive von den formalen Exklusionseffekten auf die innere Einstellung der Angehörigen von nicht privilegierten 23 In durchaus unterschiedlicher Provinienz bei A. Albrecht, KuR 1995, 25 ff. = 210, 1 ff.; C. Hillgruber, JZ 1999, 538 (547); J. Isensee, Essener Gespräche 19 (1985), S. 143 f.; W. Hamel, Glaubens- und Gewissensfreiheit, in: K. A. Bettermann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte I V / 1 , 1960, S. 37 (77 ff.); W. Loschelder, Essener Gespräche 20 (1986), S. 149 (155 f.); E. Behrendt, Gott im Grundgesetz, 1980, S. 94 ff., 278 ff. 24

Skeptisch gegenüber verfassungsrechtlich faßbaren Integrationsidealen U. R. Haltern, JöR n.F. 45 (1997), 31 ff. 25 H. M. Heinig, Zivilreligiöse Grundierungen europäischer Religionspolitik, in: R. Schieder (Hrsg.), Religionspolitik und Zivilreligion, 2001, 100 (115 ff.). Zur Zivilreligion, ihrer Produktivkraft und ihren Gefahren auch R. Schieder, Civil Religion, 1987; ders., Verkündigung und Forschung 33/2 (1989), 29 ff.; ders., Wieviel Religion verträgt Deutschland, 2001, S. 95 ff.; H. Lübbe, Religion nach der Aufklärung, 1986, S. 306 ff.; ders., Zivilreligion und der „Kruzifixbeschluß" des deutschen Bundesverfassungsgerichts, in: W. Brugger/S. Huster (Hrsg.), Der Streit um das Kreuz in der Schule, 1998, S. 237 ff.; W. Vögele, Zivilreligion in der Bundesrepublik Deutschland, 1994 sowie die Beiträge in H. Kleger/A. Müller (Hrsg.), Religion des Bürgers, 1986 und R. Schieder (Hrsg.), Religionspolitik und Zivilreligion, 2001. 2 6 Cf. generell N. Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, 2. Teilbd., 1997, S. 168 ff., 618 ff. und öfter, speziell für das Recht ders., Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 583 ff. 27

Cf. etwa R. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht (1928), in: ders., Staatsrechtliche Abhandlungen, 3. Aufl. 1994, S. 119 ff.; ders., Integrationslehre, in: ebenda, S. 475 ff.; ders., Integration, in: ebenda, S. 482 ff.; aus sozial wissenschaftlicher Sicht auch J. Habermas, Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, 1973. Die Verfassungsdefinition folgt K. Hesse, Grundzüge, S. 10.

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1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

Religionen rückschließt und annehmen darf, daß Exklusionen Akzeptanz veri uste bei den Betroffenen nach sich ziehen. Ein religiöser Verfassungskulturvorbehalt stellte neben der Integrationsfunktion der Verfassung ebenso die verfassungsrechtliche Gewährleistung gleicher bürgerlicher Freiheit und den mit der Religionsfreiheit verfassungsrechtlich intendierten Schutz personaler Identität als selbstbestimmten Prozeß kultureller Selbst- und Weltdeutung (s. u. V. 2.) in Frage. Eine normative Radizierung des deutschen Staatskirchenrechts in der „abendländisch-christlichen Kontextualität" 2 8 erscheint deshalb intransigent. Jenseits der außer Frage stehenden kulturellen Bedingtheiten des Grundgesetzes von den hiesigen geistesgeschichtlichen Traditionsbeständen, 29 unter denen das christliche Weltbild einen vornehmen Platz einnimmt, kann eine besondere normative Präferenz des Grundgesetzes für das Christentum verfassungsrechtlich (anders als theologisch oder kulturtheoretisch) nicht angenommen werden. Ein solches Postulat unterschätzte die i m Grundgesetz normativ festgeschriebene wie funktional erforderliche Offenheit der verfaßten Gesellschaft. 30 Verlängert man diese Überlegungen in europäischer Perspektive und der dabei mittransportierten multiplizierten religiösen Disparität, scheidet zumindest auch für die europäische Ebene selbst die religionsrechtliche Anerkennung der Prävalanz einer bestimmten Religion aus. Es stellt sich aber auch die Frage nach der mittel- bis langfristigen Perspektive der bisher bestehenden staats- und volkskirchlichen Systeme wie etwa in England und Griechenland. 31 Soweit sich religiöse Homogenität durch die Nutzung europäischer Freizügigkeit, durch globale Migrationsbewegungen sowie durch den als „Säkularisierung" beschriebenen Strukturwandel der Religion anhaltend verflüchtigt, ist zu vermuten, daß die religions(verfassungsjrechtliche Topographie in Europa insgesamt noch deutlicher als bisher schon von dem Konzept des normativen religiös-weltanschaulichen Pluralismus geprägt sein wird, wenn auch bestimmte tradierte Spezifika auf dem durchaus identitätsrelevanten Niveau „religiöser Folklore" erhalten bleiben.

28 A. Hollerbach, Religion und Kirche im freiheitlichen Verfassungsstaat, 1998, S. 9; hierzu H M. Heinig, Der Staat 40 (2001), 155 ff. 29 Cf. anschaulich für die philosophiegeschichtlichen Anleihen W. Brugger (Hrsg.), Legitimität des Grundgesetzes aus Sicht von Rechtsphilosophie und Gesellschaftstheorie, 1996; hierzu M. Heinig, ZEE 1997, 231 ff. 30 S. grundlegend P. Häberle, Die offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten (1975/ 1978), in: ders., Verfassung als öffentlicher Prozeß, 3. Aufl. 1998, S. 155 ff. m. w. N.; auch M. Morlok, Verfassungstheorie, S. 105 ff.; ders., Selbstverständnis als Rechtskriterium, 1993, S. 301 ff.; W. Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 77 ff. 31 Cf. a. D. Wyduckel, Die Zukunft des Staatskirchentums in der Europäischen Union, in: P.-C. Müller-Graff/H. Schneider (Hrsg.), Kirchen und Religionsgemeinschaften in der Europäischen Union, 2002, S. 169 ff.

III. Das „Böckenförde-Diktum"

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III. Das „Böckenförde-Diktum" als Paradigma klassischer staatskirchenrechtlicher Hintergrundannahmen 1. Religion als integrationstheoretisches Ambivalenzphänomen Religiöser Pluralismus stellt verfassungstheoretisch den Rückgriff auf zwei Thesen in Frage, die dem Staatskirchenrecht als akademischer Disziplin häufig als unhinterfragte Hintergrundannahmen dienen: die sozialtheoretische These der Integrationsmächtigkeit von Religion und die kulturtheoretische These vom Christentum als unablösbarem Bezugsfeld der Moderne und damit für moderne Staatlichkeit. Als Beleg für die Prominenz beider Thesen mag die Karriere eines Diktums Ernst-Wolfgang Böckenfördes von den Voraussetzungen des freiheitlichen, säkularisierten Staates, die er nicht selbst garantieren könne, dienen, das in unzähligen staats(kirchen)rechtlichen Publikationen als Chiffre für die sozialproduktiven Leistungen von Religion herangezogen wird. I m Kontext lautet die Sentenz: „So stellt sich die Frage nach den bindenden Kräften von neuem und in ihrem eigentlichen Kern: Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Dies ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Andererseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots, zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben ... So wäre denn noch einmal - mit Hegel - zu fragen, ob nicht auch der säkularisierte weltliche Staat letztlich aus jenen inneren Antrieben und Bindungskräften leben muß, die der religiöse Glaube seiner Bürger vermittelt". 32 Die These von der Verwiesenheit des Staates auf die Religion als Quelle moralischer Homogenität wird in staatskirchenrechtlichen Kontexten - zumeist unter Rückgriff auf historisch-genealogische Argumentationsfiguren - zur Stützung einer Interpretation des geltenden Religions(verfassungs)rechts herangezogen, 33 die nolens volens die Pluralitätsproblematik weitgehend unbearbeitet läßt oder marginalisiert. 34 Es ist jedoch überaus fraglich, ob die Suche nach den vorstaat-

32

E.-W. Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 (112 f.); oder reformuliert: „Damit bestätigt sich die These, daß der heutige Staat als freiheitlicher und säkularer Staat, eben als civil society, von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann"; ders., Stellung und Bedeutung der Religion in einer „Civil Society" (1989), in: ders., Staat, Nation, Europa, 1999, S. 256 (267). 33 Beispielhaft sei aus der jüngeren Zeit verwiesen auf A. Hollerbach, Religion, S. 32 ff.; ders., HStR VI, § 138 Rdnr. 80 ff.; H Marré, FS Hollerbach, 2001, S. 879 (886 ff.); J. Isensee, HdbStKirchR 2 I, S. 1009 (1061). 34 Skeptisch demgegenüber bereits E. G. Mahrenholz, Die Kirchen in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1972, passim, insb. S. 42.

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1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

liehen Bedingungen des Staates wie die Frage nach der Legitimität des religionsverfassungsrechtlichen Tableaus in einer religiös-weltanschaulich ausdifferenzierten Gesellschaft hinreichend mit dem Rückgriff auf die historische Verwurzelung des Staates und seines Religionsrechts in einer christlichen Religionskultur oder der Betonung der integrativen Funktion von Religion beantwortet werden können. 3 5 Beide Ansätze verstellen den Blick auf das desintegrative Konfliktpotential der jeweils - aus rechtlicher Perspektive legitimerweise - durch unbedingte Wahrheitsansprüche gekennzeichneten unterschiedlichen Religionen 3 6 und unterschätzen die selbststabilisierenden Integrationseffekte des freiheitlich-demokratischen Willensbildungsprozesses der sich als frei und gleich Anerkennenden. 37 Religion erweist sich aus religionstheoretischer Perspektive bei näherem Hinsehen immer als soziales Ambivalenzphänomen. 3 8 Einerseits unterstellt man Religion gerade in ihrer organisierten Form mit guten Gründen eine multiple integrative Leistungsfähigkeit und die unmittelbare oder mittelbare Bedienung zahlreicher Gemeinwohlbelange. Man verspricht sich von ihr einen Gewinn an sozialer und moralischer Stabilität. Die Gemeinwohlrelevanz ist insbesondere anerkannt i m Bereich der kirchlichen Wohlfahrtspflege, also i m gesamten Spektrum der diakonischen Tätigkeiten. Aber auch weit darüber hinaus wirkt Religion sozialstabilisierend über den Aufbau von Solidarnetzen, über die Bereitstellung von Mustern der Bewältigung von Ungewißheiten menschlichen Lebens (Kontingenz), über die Befriedigung religiöser Bedürfnisse (anthropologischer Faktor), über die Stiftung personaler Identität. Andererseits birgt Religion aber immer auch die Potenz zum Konflikt in sich, die gerade i m Ringen um „die letzten Fragen" zur Verhärtung, zur Verweigerung diskursiver Verflüssigung, zur sozialen und personalen Destruktivität durch „religiösen Eifer" neigt. Eine Religionsverfassungstheorie kann diese Perspektive nicht ignorieren und sich nicht auf die Beschwörung der sozialproduktiven Kräfte von Religion beschränken. Das neuzeitliche Religionsrecht bildet in seinen historischen Ursprüngen eine Antwort auf die bellizistisch-desintegrative Dimension der Religion (2. Kap. I.). Seine Aufgabe ist gerade die Mittlung und Bewahrung des religiösen Friedens; das normative Konzept der religiös-weltanschaulichen Pluralität der verfaßten Gesellschaft stellt dabei sein zentrales Instrumentarium dar. Dies veranlaßt zur Zurückhaltung gegenüber der verfassungsrechtlich gewendeten Annahme, der Staat lebe „von der Religion".

35

S. Grotefeld, Politische Integration und rechtliche Anerkennung, in: Schweizerisches Jahrbuch für Kirchenrecht 1999, S. 107 ff. (insb. 110 ff.). 3 6 V Krech, Religionssoziologie, 1999, S. 27. 37

Hierzu H. M. Heinig, Grundierungen, S. 115 ff. Diesen Ambivalenzcharakter der Religion betont nun auch J. Habermas, Dankesrede, in: Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2001, S. 37 ff. 38

III. Das „Böckenförde-Diktum"

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2. Religion als konstitutive Bedingung „säkularer" Staatlichkeit? Die anhaltende staatskirchenrechtliche Konjunktur von Zitaten des Böckenfördeschen Diktums fordert hinsichtlich der normativen Legitimität von Pluralität noch eine weitere religionsverfassungstheoretische Überlegung. 3 9 Sie gilt der Rede von der „Säkularisierung". 4 0 Wenn mit Böckenförde nach den Voraussetzungen des säkularisierten Staates gefragt wird, sind subkutan spezifisch normative Momente eingespielt, die Hans Blumenberg treffend die implizite Metaphorik einer „Kulturschuld" nennt. 4 1 Während in einem engen staatskirchenrechtlichen Sinne Säkularisierung die Überführung materiellen Eigentums aus geistlicher Hand in weltliche Güter (Enteignungsdimension) markiert, wird in einem kulturtheoretischen Bedeutungsstrang damit typischerweise der Umwandlungsprozeß religiöser Sinngehalte, Deutungsmuster, Vorstellungswelten und / oder deren Institutionalisierungen aus einem religiösen Bereich in einen weltlichen bezeichnet. 42 Letzteres Bedeutungsfeld konnotiert aber durch den begrifflichen Gleichlauf mit der Beschreibung des Eigentumsentzugs von einem sakralen zu einem profanen Rechtsträger einen Prozeß der Illegitimität; das Säkularisat schuldet dem Ursprungsfeld deshalb zumindest „Entschädigung". Argumentationsstrategisch liegt hier der rhetorische Mehrwert der Frage nach den Voraussetzungen des freiheitlichen, säkularisierten Staates. Religion wird gegenüber anderen nichtstaatlichen Quellen verbindlicher Sozialität, von denen der Staat empirisch ebenso abhängig ist (Familien, Vereine, Parteien, . . . ), unter der Hand nobilitiert. Die Begriffe „säkularisierte(r) Staat" und seine „Voraussetzungen" verweisen aufeinander und interpretieren sich gegenseitig. Fragt man nach den nichtstaatlichen Vorbedingungen säkularer Staatlichkeit, ergibt sich die Antwort scheinbar aus der Semantik des Satzes selbst. Die Religion erhält einen Vorrang gegenüber allen anderen Voraussetzungen. Dieses Prä ist in der Geschichte des Begriffs „Säkularisierung" selbst radiziert. Denn wer von Säkularisierung spricht, hat immer noch - und einzig - die Religion i m Rücken, wobei aufgrund der kulturellen Kontextuierung dieser Pro39 Die folgenden Überlegungen verdanken viel einem 1999 gemeinsam mit Petra Bahr und Stefan Magen im Rahmen der Sommeruniversität des Evangelischen Studienwerkes Villigst e.V. abgehaltenen Seminar „Säkularisierung und Staatlichkeit - Arbeit an der Leitmetapher des Staatskirchenrechts". 40 Siehe näher H. Lübbe, Säkularisierung, 2. Aufl. 1975, H.-H. Schrey, Säkularisierung, 1981; M. Heckel, Das Säkularisierungsproblem in der Entwicklung des deutschen Staatskirchenrechts, in: G. Dilcher, I. Staff (Hrsg.), Christentum und modernes Recht, 1984, S. 35 ff.; ders., Säkularisierung (1980), in: ders., Gesammelte Schriften, Bd. 2, 1989, S. 773 ff.; H. W. Strätz/H. Zabel, Art. Säkularisation / Säkularisierung, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5, 1984, 789 ff.; K. Bartl, Verkündigung und Forschung 35/1 (1990), 41 ff.; G. Marramao, Die Säkularisierung der westlichen Welt, 1996; U. Barth, Art. Säkularisierung I, in: Theologische Realenzyklopädie Bd. 29, 1998, 603 ff.; H. M. Heinig, Art. Säkularisierung/ Säkularisation, in: EvSL, Neuausgabe 2001, Sp. 1364 ff. 41

H Blumenberg, Legitimität der Neuzeit, 2. Aufl. 1988, S. 33. H. M. Heinig, Art. Säkularisierung / Säkularisation, in: EvSL, Neuausgabe 2001, Sp. 1364 (1364 f.). 42

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1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

zesse im „Abendland' 4 in den theologischen und kulturphilosphischen Säkularisierungsdebatten mit Religion (nahezu ausschließlich) das Christentum gemeint ist. Dies läßt sich besonders veranschaulichen anhand der Zuspitzung, die dieses Verständnis „säkularer" Verfassungsstaatlichkeit bei Albrecht Janssen erfährt, für den unter Rückgriff auf Argumentationsfiguren protestantischer Theologie Säkularisierung, mithin auch der „säkulare Staat", notwendig immer verwiesen ist auf eine christliche Einbettung. 4 3 M i t der Religionsverfassungstheorie eines reziprok angelegten religiös-weltanschaulichen Pluralismus gleicher Berechtigung sind solche geschichtsphilosophisch grundierten Überlegungen inkompatibel. Wohlgemerkt: die Moderne 4 4 und damit auch moderne Staatlichkeit ist ohne den Hintergrund der Traditionsbestände christlicher Religionskultur nicht hinreichend erklärbar. Diese wurden i m Zuge der als Säkularisierung beschriebenen Prozesse als Inspiration, in Neuzusammensetzungen wie fraktalen Abarbeitungen fruchtbar gemacht. 4 5 Unter den Bedingungen religiös-lebensweltlicher Vielfalt aber muß Religion i m Sinne eines aktuellen Glaubensbestandes wie eines kulturellen Traditionsreservoirs als staatstheoretisches Konstitutivum ausscheiden. 46 Staatlichkeit rechtfertigt sich in der Moderne funktional aus seiner ordnungspolitischen Aufgabenerfüllung und normativ aus seiner verfaßten Freiheitlichkeit selbst. Metaphorisch aus einer religionsverfassungstheoretischen Perspektive gesprochen schuldet der moderne, plurale, „säkulare" Staat dem Christentum und seinen Institutionen keine Entschädigung für die Adaption seiner geistigen Potenz: weder durch die Einräumung einer besonderen, wohlmöglich exklusiven, öffentlichen Stellung in der Verfassung noch durch eine christlich-religiöse Fundierung der Verfassung noch durch eine im Vergleich zu anderen sozialen Akteuren gesteigerte Rücksichtnahme auf christlich-institutionelle Interessen. Eine über die Bürger vermittelte staatliche Wertschätzung ist damit freilich nicht ausgeschlossen. 43 A. Janssen, FS Hollerbach, 2001, S. 707 (728 f.) unter Verweis auf W. Henke, Recht und Staat, 1988, S. 70 ff. und 91 ff. im Anschluß an F. Gogarten, Verhängnis und Hoffnung der Neuzeit, 1958 und auf A. Janssen, ZevKR 26 (1981), 1 ff. im Anschluß an Luthers Zwei-Reiche-Lehre. Ein vergleichbares Verständnis von säkularisierter Staatlichkeit dürfte etwa C. Hillgruber, JZ 1999, 538 ff. zugrunde liegen. 44

Unter Einschluß der sog. Post-, Zweiten,... etc. Moderne. Weshalb auch Blumenbergs Perspektive überzeichnet scheint: die Ausbildung der Moderne läßt sich nicht nur in entschiedener Diskontinuität zur bis dahin bestehenden religiösen Tradition verstehen. Cf. näher H. M. Heinig, Art. Säkularisierung /Säkularisation, in: EvSL, Neuausgabe 2001, Sp. 1364 (1369 f.): Die Legitimität der Differenz schließt die Religion mit ein. In diesem Sinne auch J. Habermas, Dankesrede, S. 46 ff. Habermas wiederruft damit eine Geschichtsphilosophie der fortschreitenden kommunikativen Vernünftigkeit, in der Religion nur noch als Residualkategorie, als noch aufzuklärender Restbestand, verstanden wurde. Das von ihm formulierte Programm der posisäkularen Gesellschaft rehabilitiert die Religion in ihrem Eigenrecht, in ihrer kulturellen Produktivität für die Gesellschaft, ohne diese Dimension gleich wieder zu überzeichnen. 4 6 Anders wohl nunmehr E. Herms, Der Staat 40 (2001), 327 ff. Zur Kritik an Herms' Sozialethik in Hinblick auf demokratische Entscheidungsprozesse S. Grotefeld, ZEE 2001, 262 (267 ff.). 45

IV. Normative Anerkennung religiöser Selbstzweckhaftigkeit

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Gleiches gilt für die europäische Ebene. Die Europäische Union stellt kein staatliches Gebilde i m klassischen Sinne dar, aber ein Hoheitsgewalt ausübendes politisches Gemeinwesen. Die religionsverfassungstheoretischen Bezugsprobleme der Integration und Freiheitlichkeit stellen sich auf europäischer Ebene deshalb unvermittelt ebenso. Folgt man den soeben für den nationalstaatlichen Kontext entwikkelten Überlegungen, ist die religionspolitische Komponente des Projekts der europäischen Integration mit einem geschichtsphilosophischen Konstitutivum des „christlichen Abendlandes" ebensowenig zu fassen wie mit Hoffnungen auf eine Neuauflage des konstantinischen Bündnisses von Thron und Altar. Mögen es nach Novalis auch „schöne glänzende Zeiten" gewesen sein, „ w o Europa ein christliches Land war, wo Eine Christenheit diesen menschlich gestalteten Welttheil bewohnte; Ein großes gemeinschaftliches Interesse . . . die entlegensten Provinzen dieses weiten geistlichen Reiches" 4 7 verband, religionsverfassungstheoretisch führt der romantische Ästhetizismus religiöser Homogenität eingedenk des Strukturwandels der Religion, des factum brutum religiöser Vielfalt, in die Sackgasse. Eine angemessene Perspektive scheint dagegen ein Verständnis von Kirchen und Religionsgesellschaften zu bieten, das diese als intermediäre Institutionen einer sich herausbildenden europäischen Zivilgesellschaft beschreibt. 48 Als solche fungieren sie nicht staatsanalog, sondern als besondere, nämlich religionsbezogene Form eines Zusammenschlusses von Bürgern und nehmen als solche an den Selbstverständigungsprozessen der Gesellschaft - auch im Gegenüber zum Staat - teil.

IV. Normative Anerkennung religiöser Selbstzweckhaftigkeit 1. Die Weltanschaulichkeit des Laizismus Die skizzierte Skepsis gegenüber einer Deutung des grundgesetzlichen Religionsverfassungsrechts, deren theoretische Hintergrundannahmen sich aus einer 47 Friedrich v. Hardenberg (Novalis), Die Christenheit oder Europa (1799), in: ders., Werke in einem Band, 3. Aufl. 1984, S. 526; hierzu auch R. Herzinger, Erlöste Moderne. Religiosität als politisches und ästhetisches Ordnungsprinzip in der Staatsutopie der politischen Romantik, in: Romantik und Ästhetizismus, FS Klussmann, 1999, S. 101 ff. 4 * Cf. M. Heinig, ZEE 43 (1999), 294 (307) im Anschluß an W. Huber, Kirche in der Zeitenwende, 1999, 267 ff.; W. Vögele, Pastoraltheologie 87 (1998), 175 ff.; als solche werden sie nun besonders herausgestrichen im Weißbuch Europäisches Regieren der Europäischen Kommission, KOM (2001) 428 endg. vom 25. 07. 2001, S. 18. S. a. zur zivilgesellschaftlichen Dimension von Religionsgemeinschaften R. Noll, Ökumenische Rundschau 44 (1995), 27 ff.; skeptischer F. E. Anheim, Zeitzeichen 2001, 48 ff. Zum Begriff der Zivilgesellschaft etwa Ch. Taylor, Die Beschwörung der Civil Society, in: ders., Wieviel Gemeinschaft braucht Demokratie?, 2002, S. 64 ff.; J. v. Soosten, ZEE 37 (1993), 137 ff.; aus rechtlicher Sicht E.W. Böckenförde, „Civil Society", S. 256 ff. mit religionsrechtlichen Bezügen, ferner M. Sachs, ThürVBl. 1999, 1 ff.; G. Frankenberg, Die Verfassung der Republik, 1997 m. w. N.

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1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

historischen Verwurzelung des Verfassungsrechts i m Traditionsbestand christlicher Religionskultur oder der Betonung sozialproduktiver, insb. integrativer Leistungen von Religion speisen, impliziert jedoch nicht, nun der Verdrängung von Religion aus dem staatlichen Bereich des öffentlichen Lebens das Wort zu reden. Eine radikal laizistische Religionsverfassungstheorie muß sich vielmehr ihrerseits auf ihre exkludierenden Effekte und ihre Pluralismuskompatibilität hin befragen lassen. 49 Der Staat ist in den Worten des Bundesverfassungsgerichts aus Gründen der Parität und der religiös-weltanschaulichen Neutralität „Heimstatt aller Bürger". 5 0 Dies kann er nur sein, wenn Religion und Religionsgesellschaften gerade nicht aus dem staatlichen und dem sonstigen öffentlichen Leben verdrängt werden, liefe eine solche Exklusion doch auf die eindeutige Bevorzugung einer areligiösen oder religionsindifferenten Weltanschauung hinaus. Ein individual-liberaler Ansatz religionsverfassungstheoretischer Überlegungen scheint genau hier seinen „blinden Fleck" zu haben und läuft Gefahr, durch das Ensemble der Grundannahmen liberaler politischer Philosophie laizistische Schlagseite zu bekommen. Das integrative Bezugsproblem liberaler politischer Philosophie ist die Konstitution eines Bereichs der Herstellung für alle verbindlicher Entscheidungen (Politik) unter Bedingungen religiös-weltanschaulicher Pluralität, nicht die Konstitution eines bereichspezifisch davon zu scheidenden rechtlichen Rahmens religiöser Aktivitäten. Diese Perspektiven Verschiebung gilt es i m Blick zu halten, w i l l man eine Religionsverfassungstheorie mittels des politischen Liberalismus durchdeklinieren. Hinsichtlich der rechtlichen wie kulturellen Integration aller Bevölkerungsgruppen unabhängig von ihrer religiös-weltanschaulichen Orientierung scheint das grundgesetzliche System der auf dem Status von religiöser Freiheit und Gleichheit 49 Cf. etwa J.-P. Willaime, Gott in der Grundrechtscharta, in: C. Quarch/H. M. Heinig (Hrsg.), Protestantismus in Europa, 2002, S. 19 (20 ff.); diese Wirkungen reflektiert auch die Debatte über die laïceté ouverte , hierzu Λ. Müller, Laizität und Zivilreligion in Frankreich, in: R. Schieder (Hrsg.), Religionspolitik und Zivilreligion, 2001, S. 142 ff.; zur Laizität in Frankreich in rechtlicher Hinsicht auch jeweils m. w. Ν. A. v. Campenhausen, Staat und Kirche in Frankreich, 1962, S. 11 ff.; ders., HdbStKirchR 2 I, S. 47 (66 ff.); ders., Staatskirchenrecht, S. 393 ff.; G. Robbers, VVDStRL 59 (2000), S. 232 (238 ff.); C. Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht, in: R. Grote/Th. Marauhn (Hrsg.), Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, 2001, S. 215 (219 ff.), dort auch mit einer Auseinandersetzung zum Neuarrangement durch die laïceté ouverte ; s.a. in diesem Zusammenhang zum durchaus abweichenden Trennungsmodell in den USA A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 396 ff.; C. Walter, a. a. O., S. 225 ff.; ders., Die „wall of seperation between church and state" in den Vereinigten Staaten von Amerika, in: C. Grabenwarter/N. Lüdecke (Hrsg.), Standpunkte im Kirchen- und Staatskirchenrecht, 2002, S. 235 ff.; W. Heun, FS Heckel, 1999, S. 341 ff.; G. Krings, Religion - StaatGesellschaft 1 (2000), 261 ff.; ders., ZaöRV 58 (1998), 147 ff., ders., ZevKR 45 (2000), 505 ff.; mit Bezug auf das Schulwesen R. A. Lorz, Staat, Kirchen und öffentliches Schulwesen in den USA, in: E. Riedel (Hrsg.), Öffentliches Schulwesen im Spannungsfeld von Staat und Kirche, 1998, S. 155 ff. 50 BVerfGE 19,206(216).

IV. Normative Anerkennung religiöser Selbstzweckhaftigkeit

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fußenden pluralistischen und offenen Zugewandtheit von Staat und organisierter Religion unter dem Gesichtspunkt „praktischer Konkordanz" deshalb durchaus die kohärenteste Form der Trennung beider Sphären zu begründen.

2. Systemtheoretisches Begründungsmodell Teilt man die aufgezeigten religionsverfassungstheoretischen Vorbehalte gegen ein „halbiertes" Verständnis von Religion als „Sozialkitt" und gegen eine geschichtsphilosophische „Kulturschuld" des modernen Staates gegenüber den organisierten Erscheinungen christlicher Religion und ist man darüber hinaus schon ob seiner desintegrativen Wirkungen gegenüber einem streng laizistischen Konzept ebenso reserviert, stellt sich die Frage nach den verfassungstheoretischen Begründungsmodellen eines freiheitlichen, paritätischen, öffentlichen und von der Staatsgewalt getrennten Verfassungsstatus von (organisierter) Religion, wie ihn das Grundgesetz kennt. Als Kandidat hierfür soll die Figur normativer Anerkennung sozialer Selbstzweckhaftigkeit der Religion eingeführt werden. Für die Herleitung einer entsprechenden Argumentation könnte auf die Gesellschaftstheorie funktionaler Ausdifferenzierung zurückgegriffen werden, die maßgeblich durch den Systemtheoretiker Niklas Luhmann entwickelt wurde. 5 1 Dieser Theorie liegt die Annahme zugrunde, daß sich gesellschaftsevolutionär kommunikative Teilsysteme herausgebildet haben, etwa die P o l i t i k , 5 2 Wirtschaft, 5 3 Wissenschaft, 5 4 Kunst 5 5 und eben Religion, 5 6 die jeweils in bezug auf die Gesamtgesell51 Cf. generell auch H. van der Loo/W. van Reijen, Modernisierung, 1992, S. 81 ff.; U. Schimank/U. Volkmann, Gesellschaftliche Differenzierung, 1999 m. w. N. Die folgende Darstellung bietet eine grob vereinfachte Skizze systemtheoretischer Religionssoziologie, die den Ansprüchen sozialwissenschaftlicher Theoriebildung sicher nicht genügt. Im Rahmen dieser Arbeit soll sie jedoch ausreichen, um eine gewisse verfassungstheoretische Plausibilität der These normativer Anerkennung sozialer Selbstzweckhaftigkeit von Religion zu erzeugen. Dabei - dies soll besonders betont werden - entspricht die normative Adaption systemtheoretischer Deutungsmuster nicht dem diesen inhärenten wissenschaftlichen Selbstverständnis der Beschränkung auf Beobachtung sozialer Erscheinungen (genauer: Kommunikation). Es soll im folgenden wohlgemerkt deshalb auch nicht behauptet werden, aus der Vorstellung von Religion als ausdifferenziertem Teilsystem der Gesellschaft seien zwingend bestimmte normative Folgen zu deduzieren. Sie dient nur als inspirative Folie. Zur Kritik an solchen (z.T. nur vermeintlichen) Versuchen z.B. O. Lepsius, Steuerungsdiskussion, Systemtheorie und Parlamentarismuskritik, 1999; ders., Die erkenntnistheoretische Notwendigkeit des Parlamentarismus, in: M. Bertschi u. a. (Hrsg.), Demokratie und Freiheit, 1999, S. 123 (146 ff.); hierzu wiederum M. Schulte, Rechtstheorie 32 (2001), 451 ff. 52 N. Luhmann, Die Politik der Gesellschaft, 2000, S. 69 ff., 407 ff. 53 N. Luhmann, Die Wirtschaft der Gesellschaft, 1988. 54 N. Luhmann, Die Wissenschaft der Gesellschaft, 1992, S. 446 ff. und öfter. 55 N. Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, 1995, S. 215 ff. 56 N. Luhmann, Die Religion der Gesellschaft, 2000, S. 187 ff. und 250 ff.; vorher bereits zur Evolution des Religionssystems mit differierenden Akzenten etwa ders., Die Funktion

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1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

schaft eine systemspezifische Funktion erfüllen. „Die gesellschaftliche Funktion der Religion besteht" hierbei „darin, ein Zugleich von Bestimmtheit und Unbestimmtheit zu gewährleisten, also Kontingenz zu thematisieren und die zugleich in Sinn zu überführen. A u f diese Weise schließt Religion die ansonsten unabschließbare Kommunikation a b . " 5 7 Sonderlich innovativ wirkt der Rückgriff auf eine systemtheoretische Perspektive für religionsverfassungstheoretische Erwägungen zunächst nicht, scheint die These sozialer Nützlichkeit doch nur durch Erwägungen über die gesellschaftliche Funktion und Leistung 5 8 von Religion substituiert zu werden. Für den hiesigen Kontext interessant wird die Theorie funktionaler Differenzierung dadurch, daß die Kommunikationsgenerierung der einzelnen Teilsysteme als selbstreferentiell beschrieben w i r d . 5 9 Luhmann führt hierfür den Begriff der „Autopoiesis" ein. Die Sinnhaftigkeit und damit die Anschlußfähigkeit religiöser Kommunikation ergibt sich in systemtheoretischer Perspektive ausschließlich aus dem eigenen Systemkontext und der damit verbundenen kommunikativen Codierung. Man spricht in diesem Zusammenhang von der operationalen Geschlossenheit eines System bei informationeller Öffnung. Folgt man dieser Beschreibung der Gesellschaft, erscheint unter Bedingungen funktionaler Ausdifferenzierung ein determinierender oder dominierender Durchgriff eines gesellschaftlichen Teilsystems in ein anderes ausgeschlossen. Bezogen auf Religion heißt dies, daß eine direkte Indienststellung von Religion durch und für andere Teilsysteme wie etwa der Politik in einer funktional ausdifferenzierten Gesellschaft, anders etwa als in einer stratifikatorisch organisierten, nicht (mehr) erfolgt. Religion ist zwar strukturell mit den anderen Teilsystemen der Gesellschaft gekoppelt, in ihren kommunikativen Operationen aber autonom. In diesem Sinne könnte man von sozialer Selbstzweckhaftigkeit von Religion sprechen, ohne das die gesamtgesellschaftliche Funktion und Leistung der Religion aus dem Blick geraten. Letztere lassen sich nicht aus den anderen Teilsystemen der Gesellschaft heraus lenken, geschweige denn garantieren. I m Gegenteil gilt systemtheoretisch die Vermutung, das derlei Versuche dysfunktionale Irritationen und Verwerfungen erzeugen. 60 der Religion, 4. Aufl. 1996, S. 72 ff.; ders., Die Ausdifferenzierung der Religion, in: ders., Gesellschaftsstruktur und Semantik, Bd. 3, 1989, S. 259 ff.; ders., Soziale Systeme 2 (1996), 3 ff.; ders., Socialogia Internationalis 29 (1991), 133 ff.; ders., Religion als Kommunikation, in: H. Tyrell u. a. (Hrsg.), Religion als Kommunikation, 1998, S. 133 ff. 57 V. Krech, Religionssoziologie, S. 24. 58 Zur systemtheoretischen Unterscheidung von Funktion und Leistung siehe etwa N. Luhmann, Gesellschaft, S. 757 ff.; ders., Politische Theorie im Wohlfahrtsstaat, 1981, S. 81 ff.; speziell zu Funktion und Leistung der Religion ders., Funktion, S. 56 ff. Der Begriff der Funktion resultiert aus einer Beobachtung des Gesamtsystems, der der Leistung aus der Beobachtung anderer Teilsysteme. Daneben kennt Luhmann die Kategorie der Beobachtung des eigenen Systems - die Reflexion. 59 Insb. N. Luhmann, Soziale Systeme, 4. Aufl. 1991, S. 60 ff., 296 ff. und öfter; ders., Gesellschaft, S. 65 ff. und öfter.

IV. Normative Anerkennung religiöser Selbstzweckhaftigkeit

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Diese Annahme zugrundgelegt, kann das deutsche Religionsverfassungsrecht verfassungstheoretisch als verfassungsrechtliche Anerkennung einer solchen sozialen Selbstzweckhaftigkeit von Religion gedeutet werden. Die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen sichern die Selbststeuerung von Religion in der Gesellschaft normativ ab. Art. 137 I WRV entläßt die Kirchen ausdrücklich aus der während der Zeiten von Staatskirchentum und staatlicher Kirchenhoheit (2. Kap. I.) betriebenen Vereinnahmung für staatliche Zwecke. Die religionsfreiheitlichen Gewährleistungen (Art. 4 G G / A r t . 137 I I I WRV) blockieren einen Durchgriff anderer Teilsysteme, vor allem der Politik, auf die Religion. Das an den Körperschaftsstatus angedockte Besteuerungsrecht (Art. 137 V, V I WRV) garantiert eine kontinuierliche finanzielle Grundlage und damit eine inhaltliche Unabhängigkeit der Religionsgesellschaften sowohl von politischer als auch von wirtschaftlicher Beeinflussung. Zur Sicherung der funktionalen Ausdifferenzierung des Religionssystems wird das generalisierte Steuerungsmedium Recht durch Art. 4 G G / Art. 137 I I I WRV der Politik gegenüber den Religionsgesellschaften beschränkt; das Steuerungsmedium Geld soll durch Art. 137 V I W R V und Art. 138 W R V Politik und Wirtschaft gegenüber Religion weitgehend entzogen werden. Stellt man diesen Befund in eine erweiterte Verbändeverfassungstheorie ein, 6 1 weisen Religionsgesellschaften eine deutliche Parallele zu politischen Parteien auf. Dieser Gleichlauf wird besonders deutlich, wenn man sich die rechtlichen Regelungen der Parteienfinanzierung anschaut, die ganz i m Zeichen der politischen Neutralisierung finanzieller Macht stehen, um die Ausdifferenzierung des politischen Systems gegen ökonomische Durchgriffe und damit die Realisierungschancen von Chancengleichheit aller Bürger auf die politische Einflußnahme zu sichern. 62 Jeweils wird die Eigenlogik des Teilsystems gegen Durchgriffe aus anderen gesellschaftlichen Teilsystemen geschützt. Für eine solche verbändeverfassungstheoretische Betrachtung ist es jedoch zugleich wichtig, die verfassungsrechtlich geschützte Jeweiligkeit, die Eigengesetzlichkeit einzelner Verbandssektoren zu betonen. Einer „Statuseinebnung" (cf. infra 4. Kap. I.) oder einer Reduktion der religionsverfassungsrechtlichen Freiheits-, 60

Für das Recht bereits N. Luhmann, Grundrechte als Institution, 1965, passim; für politische Interventionen des Wohlfahrtsstaates ders., Politische Theorie, passim. 61 Zu Ansätzen eines Verbändeverfassungsrechts unter Einschluß des Staatskirchenrechts und damit einhergehenden verfassungstheoretischen Überlegungen etwa P. Häberle, „Staatskirchenrecht" als Religionsrecht der verfaßten Gesellschaft (1976/1978), in: Verfassung als öffentlicher Prozeß, 3. Aufl. 1998, S. 329 (insb. 344); ders., ZHR 145 (1981), 473 ff. in Auseinandersetzung mit G. Teubner, Organisationsdemokratie und Verbandsverfassung, 1978; K. Meyer-Teschendorf, AöR 103 (1978), 289 (306 ff.); ders., Staat, S. 54 ff.; A. Rinken, HdbStKirchR 1 II, 1975, S. 345 (364); E. G. Mahrenholz, Kirchen; ders., ZevKR 20 (1975), 43 ff.; P. Mikat, HdbVerflR 2, S. 1425 (1447); M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 ff.; M. Heinig, ZEE 43 (1999), 294 (296); in spezifischer Weise auch U. K. Preuß, AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 140 Rdnr. 13 ff. 62

M. Morlok, Sonderbeilage MIP 9 (1999), 6 ff.; ders., Teoria y Realidad Constitucinal 6 (2000), 43 (45 ff.); H M. Heinig/T. Streit, Jura 22 (2000), 393 (397).

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1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

Gleichheits- und Partizipationsrechte auf den Aspekt der gesellschaftlich-integrierenden Nützlichkeit durch eine verbandsorientierte Verfassungsdogmatik und -theorie steht das Konzept der normativen Anerkennung sozialer Selbstzweckhaftigkeit entgegen. 63

3. Libertätstheoretisches Supplement: Religion und das liberal-demokratische Dispositiv Ein verfassungstheoretischer Ansatz der normativen Anerkennung religiöser Selbstzweckhaftigkeit paßt sich auch in die affirmative Grammatik offen-freiheitlicher Staatlichkeit ein, die betont, daß Freiheits- und Partizipationsrechte primär um der Freiheitlichkeit selbst willen gewährt werden. Für das normative Bezugsproblem politischer Theoriebildung, wie bei aller Divergenz an jeweiligen Konzepten des guten Lebens die allgemeine Verbindlichkeit der Verfassungsordnung und ihrer politischen Institutionen postuliert und gerechtfertigt werden kann, bietet Religion wegen ihres Ambivalenzcharakters und der religionsbedingten Exklusionseffekte ein unzureichendes Repertoire an Antworten. Die bewußt „schwache" Begründungsfigur reziproker Freiheit - die wechselseitige Anerkennung als Freie und Gleiche - auf der Grundlage einer nur i m Vorletzten basierenden, revisionsoffenen, aber selbststabilisierenden freiheitlichen und demokratischen Verfaßtheit scheint in dieser Hinsicht unhintergehbar. 64 Fragt man unterhalb der normativen Ebene - wie dies Kommunitaristen zu tun pflegen - nach den konkreten Vorbedingungen solcher gegenseitigen Anerkennungsstrukturen von gleicher Freiheit, nach den realen Generierungsbedingungen von solchen Verständigungspotentialen, führt dies zu einer Archäologie des liberal-demokratischen Dispositivs von Individuen. 6 5 Hier gilt es, ein überaus komplexes Verweisungsverhältnis von freiheitlicher Staatlichkeit und konstruktiven Einspeisungspotentialen der Religion in das politische Ethos der Demokratie darzustellen. Zweifelsohne kann Religion einen lebhaften Beitrag zur gesellschaftlichen Selbstverständigung auf ein Programm reziproker Freiheit leisten. So statuiert etwa die reformatorische Einsicht in die Verwiesenheit auf den eigenen Glauben und den Ausschluß Heil vermittelnder Instanzen (Kirche) und Personen (Priester) ein Verständnis personaler Autonomie, das kulturgeschichtlich für die Ausbildung der normativen Semantik der Moderne überaus bedeutsam war und von der Kompatibilität des demokratisch-freiheitlich verfaßten Gemeinwesens mit den evangelischen Glaubensinhalten zeugt. Auch die theologische Differenzierung zwischen 63 Cf. zu solchen Gefahren auch W. Bock, Das für alle geltende Gesetz und die kirchliche Selbstbestimmung, 1996, S. 212 ff., insb. S. 243; E.-W. Böckenförde, Staat - Gesellschaft Kirche (1982), in: ders., Religionsfreiheit, 1990, S. 113 (158 f.). 64 Damit kann durchaus einhergehen, daß das politische System dafür offen ist, religiös motivierte politische Ziele zu verarbeiten. 65 H. M. Heinig, Grundierungen, S. 119 ff.

IV. Normative Anerkennung religiöser Selbstzweckhaftigkeit

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den letzten und vorletzten Dingen wäre zu nennen, die in der Perspektive des Christentums den in weltanschaulich pluralen Gesellschaften notwendigen Vorrang des Rechten vor Konzepten des Guten bis zu einem gewissen Punkt als akzeptabel erscheinen lassen kann. Die für Anerkennungsstrukturen notwendige Verständigungsbereitschaft ist jedoch keiner Religion eo ipso inhärent. Der 11. September 2001 mag als Chiffre hierfür stehen. Das Vertrauen auf die mögliche und notwendige Ausbildung eines schwachen Konsenses der Gesellschaft kann gerade auch durch Religion immer wieder unterminiert und verhindert werden. Ferner ist zu sehen, daß in das politische Ethos liberaler Demokratien immer auch nichtreligiöse Eingaben erfolgen. Furcht, Pragmatik, Nützlichkeitskalküle sind bar aller religiösen Dimensionen überaus wirkmächtige Motivlagen für die Ausbildung einer Bereitschaft gegenseitiger Anerkennung. Die sozialen Generierungsbedingungen von staatlicher Freiheitlichkeit bergen das „Wagnis" der Kontingenz in sich, 6 6 da sie - wie Böckenförde ausführt - nicht gesichert werden können, ohne die Freiheitlichkeit selbst aufzugeben. Systemtheoretisch übersetzt bedeutet dies, daß dem Staat unter Bedingungen der Ausdifferenzierung der direkte Zugriff auf etliche Ressourcen sozialer Bindungskräfte, die, wie Religion oder Familien, Solidarität und soziale Kontrolle evozieren, verwehrt ist. Gerade unter diesen Umständen kann sich der Staat nur damit begnügen, freiheitliche Rahmenbedingungen durch das (verfassungsrechtliche Arrangement bereit zu stellen und durch sie mehr oder weniger meliorisierend die Bedingungen von Freiheit und von freiheitsverpflichteter Sozialität zu stimulieren. Dies geschieht in einer staatlich verfaßten offenen Gesellschaft negativ durch die oben (II. 2.) beschriebene, als „freiheitlich-demokratische Grundordnung" verhandelte verfassungsrechtliche Immunisierung gegen Selbstrelativierungen von Freiheit und positiv durch egalitär ausgestaltete verfassungsrechtliche Libertätsund Partizipationsverbürgungen, wie ζ. B. der individuellen, kollektiven und korporativen Religionsfreiheit (Art. 4 G G / A r t . 137 I I I WRV), der Parität oder eines auf die Aktivitäten von organisierter Religion besonders zugeschnittenen Rechtsstatus (Art. 137 V WRV), ohne deren Wirksamkeitserfolg jeweils selbst sichern zu können. Der darüber hinausgehende Bereich der sinnvollen individuellen Anreicherung von Motiven, sich als Freie und Gleiche anzuerkennen, ist weitgehend für die Politik wie die Religion bzw. den Staat und die Kirchen kontingent. Kontingenz aber ist nicht nur das „Wagnis" moderner Staatlichkeit. Schließlich lebt auch die Religion von Bedingungen, die sie nicht selbst garantieren kann. 6 7

66 In Anlehnung an den dem „Voraussetzungs-"Diktum Böckenfördes folgenden Satz „Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist." E.-W. Böckenförde, Entstehung, S. 112. 67 H. M. Heinig, Der Staat 40 (2001), 155 (157); ders., Grundierungen, S. 121.

4 Heinig

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1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

4. Ad fontes: Die Religionsverfassungstheorie W. v. Humboldts Als Stammvater für ein liberal reformuliertes religionsverfassungstheoretisches Programm normativer Anerkennung sozialer Selbstzweckhaftigkeit von Religion könnte man Wilhelm von Humboldt mit seiner Schrift „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen" aus dem Jahre 1792 benennen. Die Ausführungen v. Humboldts haben ungeachtet des umfassenden Wandels des politischen Systems und seiner rechtlichen Verfaßtheit wie der religiösen Topographie keineswegs an Wert in der Sache und in der Eindrücklichkeit vergangener Formulierungskunst verloren. v. Humboldt wendet sich gegen die These der radikalen Situierung der Politik in der Religion und der daraus abgeleiteten Vereinnahmung der Religion durch den Staat unter der Vorgabe der Verfolgung sittlicher Zwecke und propagiert eine Verfassungstheorie der Differenz von Religion, Staatlichkeit und Moralität. Zunächst fokussiert v. Humboldt hierzu die religiöse Pluralität i m Staat: „ B e i dem Bemühen, durch Religionsideen auf die Sitten zu wirken, muß man die Beförderung einer bestimmten Religion von der Beförderung der Religiosität überhaupt unterscheiden. Jene ist unstreitig drückender und verderblicher als diese. Allein ist nur diese nicht leicht ohne jene möglich." Zumindest würde sich der Staat „insofern für eine Meinung" interessieren, „als er den aufs Leben einwirkenden Glauben an eine Gottheit allgemein zum herrschenden zu machen sucht." „So ist daher, meines Erachtens, schlechterdings keine Einmischung des Staats in Religionssachen möglich, welche sich nicht, nur mehr oder minder, die Begünstigung gewisser bestimmter Meinungen zuschulden kommen ließe und folglich nicht die Gründe gegen sich gelten lassen müßte, welche von einer solchen Begünstigung hergenommen sind. Ebensowenig halte ich eine Art dieses Einmischens für möglich, welche nicht wenigstens gewissermaßen eine Leitung, eine Hemmung der Freiheit der Individuen mit sich führte." 6 8 Eine zweite Säule in Humboldts Argumentation bilden Erwägungen zur anthropologischen Fundierung der Religion und im Gefolge zum Verhältnis von religiöser und moralischer Ausrüstung des Menschen. Die für den hiesigen Kontext relevante Quintessenz lautet: „So mitwirkend aber auf der einen Seite religiöse Ideen bei der moralischen Vervollkommnung sind, so wenig sind sie doch auf der andren Seite unzertrennlich verbunden." 6 9 Es gibt - so Humboldt - durchaus Menschen ohne ausgebildetes Sensorium für Religion, die gleichwohl zu moralischem Handeln befähigt sind. Dies führe nun für den Staat zu Restriktionen zulässiger Religi-

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W. v. Humboldt, Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen (1792), 1967, S. 76 f. v. Humboldt verkennt auch nicht den Ambivalenzcharakter der Religion, allein „es ist gehässig, bei so wenig angenehmen Gemälden zu verweilen, und die Geschichte schon stellt ihrer zur Genüge auf", weshalb er auf weitere Ausführungen hierzu verzichtet, W. v. Humboldt, S. 82 f.

IV. Normative Anerkennung religiöser Selbstzweckhaftigkeit

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onspolitik. „Wegräumung der Hindernisse, mit Religionsideen vertraut zu werden, und Begünstigung des freien Untersuchungsgeistes sind folglich die einzigen M i t tel, derer sich der Gesetzgeber bedienen darf; geht er weiter, sucht er die Religiosität direkt zu befördern oder zu leiten, oder nimmt er gar gewisse bestimmte Ideen in Schutz, fordert er statt wahrer Überzeugung Glauben auf Autorität, so hindert er das Aufstreben des Geistes, die Entwicklung der Seelenkräfte. . . . Denn wahre Tugend ist unabhängig von aller und unverträglich mit befohlner und auf Autorität geglaubter Religion." Deshalb, so folgert Humboldt, ist eine forciert auf bestimmte religiöse Überzeugungen abstellende staatliche Religionspolitik sogar dann unzulässig, wenn diese geeignet wäre, „gesetzmäßige Handlungen" hervorzubringen. Denn „die Staatseinrichtung" sei „an sich nicht Zweck, sondern Mittel zur Bildung des Menschen". Deshalb könne es „dem Gesetzgeber nicht genügen . . . , seinen Aussprüchen Autorität zu verschaffen, wenn nicht zugleich die Mittel, wodurch diese Autorität bewirkt wird, gut oder doch unschädlich sind." Schließlich würde effektive Gesetzesbefolgung nicht durch den staatlichen Zwangsapparat bewirkt, sondern durch die intrinsische Motivation, die frei gebildete Überzeugung der Richtigkeit entsprechender Handlungsweisen bei den Bürgern. „Daher muß es immer des Gesetzgebers letztes, aber... nur durch die Gewährung der höchsten Freiheit erreichbares Ziel bleiben, die Bildung der Bürger bis dahin zu erhöhen, daß sie alle Triebfedern zur Beförderung des Zwecks des Staats allein in der Idee des Nutzens finden, welchen ihnen die Staatseinrichtung zu Erreichung ihrer individuellen Absichten gewährt." Diese Vorgabe vermag der Staat nun aber gerade nicht durch einen Durchgriff auf Religion zur Ausstattung des moralischen Interieurs der Bürger zu sichern. Freiheit i m Denken und daraus gewonnene Urteilskraft sind für v. Humboldt unabdingbare Voraussetzung zur Stimulation tugendhaften Handelns. „Wenn aber irgend etwas in den Seelen der Bürger einen fruchtbaren Boden für die Religion zu bereiten vermag, wenn irgend etwas die fest aufgenommene und in das Gedankenwie das Empfindungssystem übergangene Religion wohltätig auf die Sittlichkeit zurückwirken läßt, so ist es die Freiheit, welche doch immer, wie wenig es auch sei, durch eine positive Sorgfalt des Staats leidet. . . . Je freier ferner der Mensch ist, desto selbständiger wird er in sich und desto wohlwollender gegen andre". 7 0 Deshalb solle der Staat sich auf das Seine konzentrieren, um „die Gesetze aufrechtzuerhalten und Verbrechen zu verhüten. Man verstopfe, so viel es möglich ist, diejenigen Quellen unsittlicher Handlungen, welche sich in der Staatseinrichtung selbst finden, man schärfe die Aufsicht der Polizei auf begangene Verbrechen, man strafe auf eine zweckmäßige Weise, und man wird seinen Zweck nicht verfehlen." 7 1

70 W v. Humboldt, S. 97. W v. Humboldt, S. 94 f. 4*

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1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

Die Freistellung der Religion von direkter Indienststellung für staatliche Zwecke folgt also einerseits aus der fehlenden Notwendigkeit eines Ableitungsverhältnisses von der Religion zur Sittlichkeit, andererseits einem Nutzenkalkül: „der in Religionssachen völlig sich selbst gelassene Bürger wird nach seinem individuellen Charakter religiöse Gefühle in sein Innres verweben oder nicht; aber in jedem Fall wird sein Ideensystem konsequenter, seine Empfindungen tiefer, in seinem Wesen mehr Einheit sein, und so wird ihn Sittlichkeit und Gehorsam gegen die Gesetze mehr auszeichnen." Alles, „was die Religion betrifft", liege deshalb „außerhalb der Grenzen der Wirksamkeit des Staats"; „die Prediger, wie der ganze Gottesdienst überhaupt" müßten „eine ohne alle besondre Aufsicht des Staats zu lassende Einrichtung der Gemeinen sein". 7 2 Aus theologischer Perspektive korrespondiert mit v. Humboldts Staatstheorie vor allem Friedrich Daniel Schleiermachers fulminante Kritik an einer Reduktion der Religion als Nährboden von Sittlichkeit, Moral und Recht in seinen „Reden über die Religion an die Gebildeten unter ihren Verächtern". 73 Die Metapher des protestantischen Theologen von der Religion als eigener „Provinz i m Gemüthe" 7 4 ist geradezu prädestiniert dafür, ein religionsverfassungstheoretisches Konzept normativer Anerkennung religiöser Selbstzweckhaftigkeit zu stützen. 75 In seinem Ansatz nimmt dieses jedoch religiöse Neutralität für sich in Anspruch.

V. Selbstverständnis als Element einer Religionsverfassungstheorie 1. Religionsbegriff und „religiös-weltanschauliche Farbenblindheit" Kann und darf die freiheitlich verfaßte Gesellschaft die Frage religiöser Wahrheit um ihrer Freiheitlichkeit und ihrer integrativen Potenz willen nicht entscheiden, führt dies zu einem religionsverfassungstheoretischen Folgeproblem, das einen Sonderfall des allgemeinen grundrechtstheoretischen Diskurses über die Frage „Wer

72 w. v. Humboldt, S. 98. 73 F. D. Schleiermacher, Religion, S. 57 ff. (Erste Rede) 74 F. D. Schleiermacher, Religion, S. 72. 75 Was allerdings sowohl verlangt, die Religion in Schleiermachers Transzendentalphilosophie nicht auf eine bestimmte positive Religion engzuführen, als auch bedingt, Schleiermachers Staatslehre aus einer eher nationalistisch geprägten Rezeptionsgeschichte zu lösen (cf. Κ. Nowak, Schleiermacher, S. 311 ff. und 512 ff.) - wie es gleichermaßen erstaunlich wie tragisch ist, daß die in der Nachfolge Schleiermachers stehende liberale protestantische Theologie bis in die frühe Bundesrepublik hinein weitgehend kein angemessenes Verhältnis zur demokratisch verfaßten offenen Gesellschaft zu entwickeln vermochte. Eine signifikante Ausnahme bildet Ernst Troeltschs Eintreten für die Weimarer Republik; cf. ders., Die Fehlgeburt einer Republik (1918-1922), 1994.

V. Selbstverständnis als Element einer Religionsverfassungstheorie

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definiert die Freiheitsrechte?" 76 bildet. I m Rahmen der allgemeinen Grundrechtslehre stellt sich die Frage, ob nicht die Berücksichtigung des Selbstverständnisses des Grundrechtsträgers Freiheitsrechten notwendig eingezeichnet ist, wobei in der Berücksichtigungsrelevanz zwischen Schutzbereich, Eingriff und verfassungsrechtlicher Rechtfertigung unterschieden werden kann. 7 7 I m Bereich der Religion wird diese Problematik unter den normativen Bedingungen religiös-weltanschaulicher Neutralität verschärft aufgeworfen. Wie bestimmt man das Verständnis von Religion i m Sinne des Grundgesetzes, von „Religionsausübung", von „eigenen Angelegenheiten" einer Religionsgesellschaft angesichts des Eindrucks lebensweltlich divergierender religiöser Erscheinungen, Lebenspraktiken, „Sinnroutinen", 7 8 Kulthandlungen, Rituale, religiös imprägnierter Deutungsmuster, Ethiken und Theologien? Die Antworten in Rechtsprechung und Schrifttum fallen überaus unterschiedlich aus, je nachdem, ob der verfassungsrechtliche Religionsbegriff substantiell oder formal verstanden und das Selbstverständnis religiöser Akteure berücksichtigt wird. So zielte das Bundesverfassungsgericht anfänglich mit der sog. „Kulturvölkerformel" auf einen dezidiert substantiellen verfassungsrechtlichen Religionsbegriff: „Das Grundgesetz hat nicht irgendeine, wie auch immer geartete freie Betätigung des Glaubens schützen wollen, sondern nur diejenige, die sich bei den heutigen Kulturvölkern auf dem Boden gewisser übereinstimmender sittlicher Grundanschauungen im Laufe der geschichtlichen Entwicklung herausgebildet hat." 79 Später, seit der „Lumpensammler"-Entscheidung wurde dagegen dem religiösen Selbstverständnis zentrale Bedeutung beigemessen. „Bei der Würdigung dessen, was im Einzelfall als Ausübung von Religion und Weltanschauung zu betrachten ist, darf das Selbstverständnis der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften nicht außer Betracht bleiben. Zwar hat der religiös neutrale Staat grundsätzlich verfassungsrechtliche Begriffe nach neutralen, allgemeingültigen, nicht konfessionell oder weltanschaulich gebundenen Gesichtspunkten zu interpretieren ... Wo aber in einer pluralistischen Gesellschaft die Rechtsordnung gerade das religiöse oder weltanschauliche Selbstverständnis wie bei der Kultusfreiheit voraussetzt, würde der Staat die den Kirchen, den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften nach dem Grundgesetz gewährte Eigenständigkeit und ihre innere Selbständigkeit in ihrem eigenen Bereich verletzen, wenn er bei der Auslegung der sich aus einem bestimmten Bekenntnis oder einer Weltanschauung ergebenden Religionsausübung deren Selbstverständnis nicht berücksichtigt." 80 76

J. Isensee, Wer definiert die Freiheitsrechte?, 1980. M. Morlok, Selbstverständnis, m. w. N. 78 N. Luhmann, Religion als Kultur, in: O. Kallscheuer (Hrsg.), Das Europa der Religionen, 1996, S. 291 (309). 79 BVerfGE 12, 1 (4). Hierzu kritisch etwa B. Jeand'Heur/S. Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, S. 80 f.; A. Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, 1994, S. 29 ff.; W. Bock, Gesetz, S. 135 und 171 f.; J. Müller-Volbehr, DÖV 1995, 301 (305). so BVerfGE 24, 236 (247 f.); hierzu A. Isak, Selbstverständnis, S. 35 ff. 77

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1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

Eine gewisse Neuorientierung scheint dann die Karlsruher Entscheidung in Sachen „Baha'i" anzuzeigen, die einerseits bei der Anwendung des staatlichen Vereinsrechts auf Religionsgesellschaften die Berücksichtigung deren religiöser Überzeugungen verlangt, andererseits aber „die Behauptung und das Selbstverständnis" einer Gemeinschaft, daß sie „sich zu einer Religion" bekenne und „eine Religionsgemeinschaft" sei, für eine Berufung auf Art. 4 GG nicht ausreichen läßt, sondern fordert, daß sie auch „tatsächlich, nach geistigem Gehalt und äußeren Erscheinungsbild" eine Religion und Religionsgemeinschaft darstellt. 81 Fragt man weiter nach den genauen Bedingungen für die Prüfung und Bestimmung der Kriterien des geistigen Gehaltes und des äußeren Erscheinungsbildes, wird man auf die „aktuelle Lebenswirklichkeit, Kulturtradition und allgemeines, wie auch religionswissenschaftliches Verständnis" verwiesen. 8 2

2. Religionstheoretische Erwägungen zu einem allgemeinen Religionsbegriff Schichtet man das Postulat eines bestimmten religiösen Kulturvorbehaltes der Verfassung ab, scheint hinter der Debatte um die rechtliche Berücksichtigung des religiösen Selbstverständnisses das Sachproblem der Konstruktion eines allgemeinen Religionsbegriffs auf. 8 3 Nur ein solcher ist - verfassungstheoretisch aus Gründen der religiös-weltanschaulichen Pluralität der „Gesellschaft der Verfassungsinterpreten", 8 4 dogmatisch aus Gründen der Neutralität - dem Grundgesetz zugrunde zu legen, denn nur so kann das die Rechtsentscheidung prägende jeweilige (religiöse) Vorverständnis 85 irritiert werden. 8 6

81 BVerfGE 83, 341 (353). 82 BVerfGE 83, 341 (353); A. Isak, Selbstverständnis, S. 63 ff. 83 Hierzu auch W. Bock, AöR 123 (1998), 444 (445 ff.); W. Heun, ZRG KA 86 (2000), 334 (359 ff.). 84 R Häberle, Die offene Gesellschaft, S. 155 ff. 85 Zum Problemkreis allgemein insb. J. Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, 2. Aufl. 1972, S. 136 ff.; grundlegend H.-G. Gadamer, Wahrheit und Methode, 6. Aufl. 1990, S. 270 ff. 86 Insg. zum Religionsbegriff des Grundgesetzes und seiner Dogmatik als Vertreter der Maßgeblichkeit staatlicher Definitionen J. Isensee, FS Obermayer, 1986, S. 203 (212); ders., Freiheitsrechte, S. 7 ff.; R. Abel, NJW 1997, 426 (427); A. v. Campenhausen, HStR VI, § 136 Rdnr. 70; W Loschelder, Essener Gespräche 20 (1986), S. 149 (157 f.); H. Quaritsch, Der Staat 1 (1962), 175 (191); H. Weber, NJW 1983, 2541 (2551 f.); K.-H. Kästner, AöR 123 (1998), 408 (409 ff.); T. Fleischer, Der Religionsbegriff des Grundgesetzes, 1989, S. 104 ff.; generell auch S. Muckel, Freiheit, der freilich religionsspezifische Varianzen einzieht. Für die Überführung der Problematik in ein Prinzipienmodell M. Borowski, Der Grundrechtsschutz des religiösen Selbstverständnisses in: A. Haratsch u. a. (Hrsg.), Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, 2001, S. 49 ff. Für eine Berücksichtigung des Selbstverständnisses W. Bock, Gesetz, S. 171 ff.; ders., AöR 123 (1998), 444 (457 f.); J. Kriewitz, Die Errichtung theologischer Hochschuleinrichtungen durch den Staat, 1992, S. 31 f.; M. Heckel, Gleichheit oder Privilegien?, 1993, S. 66 f.; ders., Die theologischen Fakultäten im westlichen Ver-

V. Selbstverständnis als Element einer Religionsverfassungstheorie

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Weitgehende Einigkeit besteht darüber, daß es bei Religion i m Sinne des Verfassungsrechts um einen sozialen Komplex der Gesamtsicht auf die W e l t 8 7 und der Stellung des Menschen in der Welt, seiner Herkunft und seines Ziels, seiner Beziehung zu Mächten außerhalb seiner Verfügung und seines alltäglichen Erfahrungsraumes geht. 8 8 Eine der Vielfalt religiöser Erscheinungen angemessene verfassungsrechtliche Begrifflichkeit kommt aber auch auf dieser Grundlage ohne eine Berücksichtigung des jeweiligen Selbstverständnisses schwerlich aus. Denn es stellt sich die Frage, wie sonst religiös-neutral bestimmt werden soll, welche Handlungen, welche Artikulationen genau der soeben vorgenommenen vagen Umschreibung von Religion zuzuordnen sind. Neben oder ergänzend zu dieser Argumentation, die auf der Linie allgemeiner Erwägungen für eine Selbstverständnisberücksichtigung bei der Auslegung der Freiheitsrechte liegt, lassen sich spezifisch religionsverfassungstheoretische Gründe für ein solches Vorgehen finden. Zieht man - wie vom Bundesverfassungsgericht selbst angeregt - neuere Erkenntnisse der Religionssoziologie und Religionswissenschaft für die Problematik des Selbstverständnisses als religionsverfassungstheoretischer Fragestellung heran, mündet dies - wie i m folgenden gezeigt werden soll - in einer Apologetik der Selbstverständnisberücksichtigung. Die religionsverfassungslheovetische Fundierung einer Berücksichtigung des religiösen Selbstverständnisses 89 bei Interpretation und Subsumtion i m Staatskirchenrecht kann freilich nicht auf dem Wege einer einfachen Übertragung religionstheoretischer Begriffe und Methoden eins zu eins in die rechtswissenschaftliche Dogmatik erfolgen. 9 0 Ein solches Unterfangen wäre schon i m Ansatz verfehlt. Hilfreich und erforderlich scheint es vielmehr, erstere in die Bezugsprobleme rechtwissenschaftlicher Fragestellung einzupassen. Dabei ist allerdings zu konstatieren, daß auch die Religionstheorie eine weitreichende Auseinandersetzung um einen allgemein akzeptierten Religionsbegriff kennt. 9 1 Die religionstheoretische fassungsstaat, 1986, S. 26 ff.; K. Hesse, HdbStKirchR 2 I, S. 521 (540 ff.); W. Höfling, Grundrechtsinterpretation, S. 22 ff.; M. Morlok, Selbstverständnis, S. 390 ff., 431 ff.; ders., in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 Rdnr. 46; H. M. Müller, Rechtsprobleme beim „Kirchenasyl", 1999, S. 53 ff. 87 A. v. Campenhausen, HStR VI, § 136 Rdnr. 42 f. 88 BVerwGE 90, 112(115). 89 Zur Verfassungstheorie des Selbstverständnisses generell M. Morlok, S. 227 ff. 90 So die Mahnungen von J. Listi, HdbStKirchR 2,1, S. 439 (452) und S. Muckel, Freiheit, S. 131. 91

Cf. bereits M. Eliade, Die Religion und das Heilige, 1954; neuer etwa die Beiträge in Heft 4 der Zeitschrift „Ethik und Sozialwissenschaften" 1995 von E. Feil, C. Colpe, H. Fritzsche, F. Fürstenberg, H.-J. Greschat, K. und R. Homann, A. Jäger, H. Knobloch, J. Matthes, N. Mette, H. Mynarek, F. Nüssel, L. Oviedo, W. Pfüller, P. Rech, F. Ricken, H. Rombach, B. Schmitz, H. Schrödter/I. Gniosdorsch, H. v. Stietencron, F. Stolz, F. Wagner, M. Weinrich, C West, K. Wuchterl zur Bestimmungs- und Abgrenzungsproblematik von „Religion"; siehe auch die unterschiedlichsten religionswissenschaftlichen, -soziologischen und -philosophischen Ansätze dargestellt bei D. Pollack, Zeitschrift für Religionswissenschaft 3 (1995),

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1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

Problematik der Ausarbeitung eines allgemeinen Religionsbegriffs ähnelt der verfassungsrechtlichen außerordentlich. Bei der Suche nach einer abstrakten, als „allgemein" akzeptablen religionstheoretischen Kategorie der Beobachtungen von Religion hat sich gezeigt, daß rein phänomenologische Beobachtungen an einer Aporie der Unschärfe und die Frage nach dem ontologischen Status als Wesen der Religion unter der Gefahr eines eindimensional-substantialistischen Religionsverständnisses leiden. W i l l man dem entgehen, sprechen gute Gründe für eine funktionale Annäherung an „Religion". Die besondere Funktion von Religion besteht den gängigen funktionalen Religionstheorien zufolge in der primären Bewältigung von Kontingenz i m Spannungsbereich von Individuation und Sozialisation. 92 Die spezifische Sinnform Relig i o n 9 3 ist dazu in der Lage, „indem sie Unvertrautes in Vertrautes übersetzt und die offenen Handlungsspielräume schließt. Sie thematisiert die Differenz von ,Individuum' und Gesellschaft', von endlichem Bewußtsein und grenzüberschreitender kommunikativ verfaßter Welt und erbringt mit ihren Symbolen Vermittlungsleistungen." 94 So verstanden kommt Religion eine zentrale Rolle bei der Konstitution personaler Identität in Sozialität z u . 9 5 Religion thematisiert - auch kontrafaktisch - die Unaufgehbarkeit des Individuums in der Gesellschaft und bringt damit Identität zur Geltung, 9 6 vermittelt zugleich aber auch durch die Bereitstellung kollektiver Deutungskategorien, Verhaltensmuster und Grundüberzeugungen die Differenz von Individuum und verschiedenen sozialen Einheiten. 9 7 I m Sinne eines allgemei163 ff., H. Knoblauch, Religionssoziologie, 1999, S. 8 ff.; sowie R. Schieder, Religion, S. 53 ff. und 109 ff.; zur Geschichte des Begriffs „Religion" cf. etwa F. Wagner, Was ist Religion?, 1991 und E. Feil, Religio. Die Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffs vom Frühchristentum bis zur Reformation, 1986; ferner 7. Derrida, Glaube und Wissen, in: ders./ G. Vattimo, Die Religion, 2001, S. 9 (59 ff.). 92 Als fehlender Notwendigkeit, also der Einsicht, daß alles auch anders sein, immer auch anders entscheiden werden könnte; D. Pollack, Zeitschrift für Religionswissenschaft 3 (1995), 163 (184); die Annahme der Bewältigung von Kontingenz als Bezugsproblem der Religion auch bei N. Luhmann, Funktion; ders., Soziale Systeme, S. 152; J. Habermas, Legitimationsprobleme, S. 163 ff.; H. Lübbe, Religion, S. 144 ff. 93 Näher N. Luhmann, Funktion, S. 20 ff.; ders., Religion, S. 7 ff. 94

V. Krech, Religionssoziologie, S. 28 f. in Zusammenführung der Religionssoziologien Luhmanns (s. o.) und Simmeis; zu letzterer etwa G. Simmel, Zur Soziologie der Religion, in: ders. Aufsätze und Abhandlungen 1894-1900, 1992, S. 266 ff.; ders., Die Religion, in: ders., Philosophie der Mode u. a., 1995, 39 ff.; V. Krech, Georg Simmeis Religionstheorie, 1998. Siehe auch N. Luhmann, Funktion, S. 33: „Was als spezifische Sinnform des Religiösen ... beschrieben worden ist, läßt sich dann als Resultat eines Prozesses der Chiffrierung begreifen, der Unbestimmbares in Bestimmtes oder doch Bestimmbares transformiert." 95 A. Hahn, Religion und der Verlust der Sinngebung, 1974; P. Bahr, Praxis - Poiesis Perfomanz, Diss, theol. Basel 2002. 96 V. Drehsen, Zum Interesse der sozialwissenschaftlichen Kritik an der Religion, in: K.W. Dahm/V. Drehsen/G. Kehrer, Das Jenseits der Gesellschaft, 1975, S. 281 (309 ff.). 97 V. Krech, Religionssoziologie, S. 29.

V. Selbstverständnis als Element einer Religionsverfassungstheorie

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nen als funktionalen Religionsbegriffs stellt Religion somit einen spezifischen Prozeß fortdauernder symbolischer Selbstdeutung in der Welt dar. 9 8 Neben dieser funktionalen Perspektive gilt es, - in systemtheoretischer Terminologie - die Codierung von Religion als maßgebliches Kriterium zur (Rekonstruktion eines allgemeinen Religionsbegriffs zu benennen. Hierdurch können rein religoide, also religionsähnliche Phänomene und funktionale Äquivalente zur Religion von Religion abgegrenzt werden. 9 9 Vertreter einer sich innovativ gebenden Theologie belieben besonders, das „Religiöse" im K i n o , 1 0 0 in der Werbung, in Romanen Rosamunde Pilchers oder i m Fußballstadion (etwa der Titulierung eines Spielers als „Fußballgott") 1 0 1 auszumachen. I m Sinne der Codierung von Religion handelt es sich dabei bisher jedenfalls um rein religoide Phänomene, die als sinnstiftende Erlebnisse durchaus funktionale Äquivalenzen zur Religion aufweisen, deshalb aber weder sich selbst als Religion bezeichnen noch als solche bezeichnet werden. (Nicht zuletzt deshalb wurden wohl Rechtsstreitigkeiten i m Sport oder in der Kunst bisher nicht unter Bemühung des Grundrechts auf Religionsfreiheit ausgetragen.) Die Codierung der Religion als für die Kommunikation des Systems maßgebliche Leitdifferenz erfolgt durch die Formbildung von - i m weiten Sinne verstandener - Immanenz / Transzendenz. 102 Transzendenz beschreibt hier ebenso die Kategorie einer unerreichbaren oder sakralen Topographie - etwa bei sog. primitiven Religionen - wie einen ontologisch-metaphysischen Begriff in christlich-abendländischer Tradition: entscheidend ist, daß Kontingenz durch die Figur des Unzugänglichen, „der Transzendierung des alltäglichen Erfahrungsraums" einer Bearbeitung unterworfen wird. Der Begriff der Transzendenz wird dezidiert als soziologischer eingeführt, nicht als theologischer. Er erfaßt deshalb auch Religionen, die keine Vorstellung einer jenseitigen Gottesfigur kennen. 1 0 3 98

Cf. Ρ! Bahr, Praxis. Zur Kategorie der Deutung für einen Religionsbegriff a. U. Barth, ZThK 93 (1996), 538 ff. mit der protestantisch-theologischen inspirierten, aber am Ziel eines generalisierenden Religionsbegriffs orientierten transzendentalphilosophischen Prononcierung: „Religion ist die Deutung von Erfahrung im Horizont der Idee des Unbedingten", s. ferner. D. Korsch, Dogmatik im Grundriß, 2000, S. 13 f. Zu religiösen Letzthorizonten im Rahmen kultureller Selbstdeutungs- und Verständigungsprozesse F. W. Graf, Rechtstheorie 29 (1998), 311 ff. 99 Hier liegt die Schwäche eines rein funktionalistischen Religionsbegriffs; V. Krech, Religionssoziologie, S. 27; P. L. Berger, Zur Dialektik von Religion und Gesellschaft, 1973, S. 165 ff.; N. Luhmann, Die Unterscheidung Gottes, in: Soziologische Aufklärung 4, 1987, S. 236 (237); diese Abgrenzungsproblematik wird im Staatskirchenrecht zumeist unter der Frage der bloßen Behauptung einer Religion (etwa bei Verschleierung eigentlich ökonomischer Interessen) diskutiert; cf. dazu m. w. Ν. M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 34 ff. 100 J. Hermann, Sinnmaschine Kino, 2001 m. w. N. 101 Im Anschluß an D. Schümer, Gott ist rund, 1998; cf. a. R. Schieder, Zivilreligion als Diskurs, in: ders. (Hrsg.), Religionspolitik und Zivilreligion, 2001, S. 8 (8 f.). 102 Cf. Ν. Luhmann, Religion, S. 77 ff. 103 Siehe D. Pollack, Zeitschrift für Religionswissenschaft 3 (1995), 163 (186).

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1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

Die fortlaufende Generierung dieser Codierung der Religion an der Form „Transzendenz / Immanenz" als Kommunikation erfolgt dabei selbstbezüglich: Religion als Religion zu erkennen bedeutet systemtheoretisch übersetzt deshalb, nach der Selbsterkennung von Religion als Religion zu fragen. Als Religion ist zu beobachten, was religiöse Kommunikation als religiöse Kommunikation (anerkennt. Übersetzt man diesen Stand der Religionstheorie in die Bezugsprobleme einer pluralismusfähigen Religionsverfassungstheorie, kann das religiöse Selbstverständnis keine negitable Größe bilden, ist doch die Kategorie des Selbstverständnisses funktional in den Religionsbegriff eingezeichnet. Die religionsbezogenen Verfassungsgewährleistungen als normative Anerkennung sozialer Selbstzweckhaftigkeit zielen auf die Absicherung der Selbst- und Weltdeutungskapazitäten von Religion. Wenn dem Religionsrecht aber die Aufgabe zukommt, die besondere Selbstdeutungsfunktion der Religion zu schützen, so impliziert dies auch die rechtliche Relevanz des religiösen Selbstverständnisses als Expression dieser Deutungsleistungen. Ohne die Berücksichtigung des religiösen Selbstverständnisses würde der verfassungsrechtliche Schutz der Deutungspotenz der Religion für das Individuum staatlich gekappt. Dies liefe der Zielsetzung der Religionsfreiheit gerade zuwider. Auch im religionsverfassungsrechtlichen Schrifttum spricht man von Religion als sinnhafter Orientierung an eigenen Selbst- und Weltvorstellungen als Konstitutivum sinnhafter Selbstidentifikation, 1 0 4 also personaler Identität. 1 0 5 Das religiöse Selbstverständnis ist, greift man die oben skizzierte Religionstheorie auf, gerade Expression der Selbst- und Weltdeutungsprozesse, die sie als religiöse qualifiziert. Religiöse Kommunikation läßt sich in funktionaler Perspektive als solche erst durch Rekurs auf das Muster personaler Selbstdeutung in der Welt identifizieren, oder verkürzt: Religion ist Artikulation religiösen Selbst-Verständnisses. Gleiches gilt für die Beobachtung der Codierung von „ R e l i g i o n " . 1 0 6 Religion ist, wo religiös codierte Kommunikation als solche anschlußfähig generiert wird, d. h. „was sich selbst als Religion beschreibt". 1 0 7 A u f die Akteursebene übersetzt bedeutet dies: Religion liegt dort vor, wo Personen Kommunikationsakte als religiöse (an)erkennen. Religion ist die kollektive Artikulation eines Selbstverständnisses i m Sinne einer Verständigung untereinander in der Form der Religion.

104 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 4 Rdnr. 20. 105 Th. Fleischer, Der Religionsbegriff des Grundgesetzes, 1989, S. 96; S. Muckel, Freiheit, S. 132 i° 6 Die folgende Übersetzung einer Theorie der Selbstreferenz in eine verfassungstheoretische Kategorie des Selbstverständnisses ist paradigmenspezifisch und kann für sich „Selbstverständnis" als Element einer Religionsverfassungstheorie nicht hinreichend stützen, aber immerhin doch flankieren. Maßgeblich für eine unhintergehbare Affinität von Religion zu Fragen des Selbstverständnisses ist hier aber die vorhergehende funktionale Annäherung an den Religionsbegriff, die als einzige hinreichend plausibel „Allgemeingültigkeit" für sich in Anspruch nehmen kann. 107 N. Luhmann, Religion, S. 58.

V. Selbstverständnis als Element einer Religionsverfassungstheorie

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Bemühungen um einen allgemeinen Religionsbegriff weisen somit zweifach auf eine besondere rechtliche Bedeutsamkeit des Topos „Selbstverständnis 4 ' i m Religionsverfassungsrecht hin (ohne daß damit eine spezifische Dogmatik des Selbstverständnisses präfiguriert w ä r e ) . 1 0 8 Einem allgemein gefaßten Religionsbegriff, dies mag für eine verfassungstheoretische Perspektive genügen, ist die Dimension religiösen Selbstverständnisses deshalb inhärent. Ein pluralitätsbezogenes Religionsverfassungsrecht wird folglich Religion als Selbstzuschreibungspraxis 109 einer sozialen Trägergruppe anerkennen. Die in das Recht durch die Anerkennung von Selbstverständnissen eingebaute Fremdreferenz ist übrigens keine singuläre Erscheinung, sondern der soziale Regelfall: der Prozeß der Ausdifferenzierung sozialer Systeme führt notwendig zu einem komplexen Wechselspiel von Selbst- und Fremdreferenzen als fortlaufendem Prozeß von Unterscheidungsgenerierungen und -bearbeitungen in der Moderne. 1 1 0 Gegen die hier adaptierten Versuche eines allgemeinen Religionsbegriffs könnte man den Einwand ihrer wiederum kulturellen Verhaftung erheben. Dies führt zur Frage der Unhintergehbarkeit der kulturellen Bedingtheit einer Forschungsperspektive und damit ihrer „religiös-weltanschaulichen Neutralität", die auch Gegenstand religionstheoretischer Debatten ist. Die Religionswissenschaft steht ebenso wie eine Religionsverfassungstheorie vor dem Problem, „daß wir es bei einem Begriff wie dem der ,Religion' vorab mit einem kulturellen Konzept zu tun haben, in dem sich, um Nietzsche zu bemühen, ein ganzer kultureller Prozeß ,semiotisch' zusammenzieht."111 Eine religionsverfassungstheoretische Anleihe an den religionswissenschaftlichen Forschungsstand zielt zur Bearbeitung dieser Aporie auf eine reflexiv aufgeklärte Verhaftung in den eigenen kulturellen Tiefenimprägnierungen. 112 Im Vergleich zu einem normativ gewendeten Postulat der radikalen Situiertheit des Religionsrechts in einer spezifischen Religionskultur und einer aus dieser Verhaftung folgenden „Nostrifizierung" aller Religionserscheinungen in Deutschland durch die Anlegung eines bestimmten - traditionell wirkmächtigen - Religionskonzepts scheint dies aber die theoretisch befriedigendere und verfassungsrechtlich /-funktional angemessenere Lösung. Tertium non datur.

10 8 Dazu M. Morlok, Selbstverständnis, speziell zum Religionsrecht S. 78 ff., 431 ff.; M. H. Müller, Rechtsprobleme, S. 50 ff.; A. Isak, Selbstverständnis, restriktiver S. Muckel, Freiheit, S. 5 ff. jeweils m. w. N.; zur Bedeutung der Codierung im Rahmen der Plausibilisierungserfordernisse des eigenen religiösen Selbstverständnisses sogleich. 109

Zur analytischen Kategorie der Religionszuschreibungspraxis R. Schieder, Religion, S. 53 ff. 110 Für diesen Hinweis danke ich Prof. Dr. H. G. Kippenberg, Bremen. 111 J. Matthes, Was ist anders an anderen Religionen?, in: J. Bergmann/ A. Hahn/T. Luckmann (Hrsg.), Religion und Kultur, 1993, S. 16 (26). •12 Cf. ζ. B. J. Matthes, Was ist anders, S. 16 ff.; V. Krech, Religionssoziologie, S. 75 ff.

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1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

3. Aspekte religionsverfassungsrechtlicher Dogmatik der Selbstverständnisberücksichtigung Aus verfassungsdogmatischer Sicht werden dem Rekurs auf das Selbstverständnis bei der Bestimmung eines rechtlichen Schutzgehaltes vor allem die staatliche Kompetenz zur rechtlichen Letztentscheidung aus seiner Verpflichtung zum Gemeinwohl sowie der Grundsatz staatlicher Souveränität entgegengehalten. Diese Argumente werden flankiert von Erwägungen zur Rechtsgleichheit, zu mit Freiheitsrechten korrelierenden Schutzpflichten, zur gemeinwohlwidrigen Extension von Freiheitsrechten und ihrer Handhabbarkeit und schließlich zum Erfordernis objektiver, neutraler Definitionskriterien. 1 1 3 Ohne auf den rechtswissenschaftlichen Streitstand en detail eingehen zu können, seien zur Verteidigung einer Verfassungsdogmatik, die das Selbstverständnis des Grundrechtsträgers maßgeblich in Ansatz bringt, folgende Anmerkungen gemacht: Eine unmittelbare Verpflichtung zu einem gemeinwohldienenden Gebrauch von Freiheits- und Teilhaberechten besteht grundrechtsdogmatisch nicht; Gemeinwohl und bürgerliche Freiheit sind nicht synallagmatisch verschränkt, sondern stehen (wie oben für das Verhältnis von Religion und Staatlichkeit gezeigt wurde) in einem Verhältnis komplexer und kontingenter Verwiesenheit. Diese Matrix der Verwiesenheit läßt sich verfassungsdogmatisch angemessener abbilden, indem man Gemeinwohlbelange in Form kollidierender Verfassungsrechtsgüter als Schranke von Freiheits- und Partizipationsrechten berücksichtigt und sie nicht als für deren Schutzbereich konstitutiv begreift. 1 1 4 Auch die Beschwörung staatlicher Souveränität läßt nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf die Frage nach dem dogmatischen Wert eines religiösen Selbstverständnisses zu. Die rechtliche Subordination religiöser Akteure ist durch die freiheitsrechtlichen Gewährleistungen der Verfassung selbst gemäßigt. 1 1 5 Der mit staatlicher Souveränität ausgestattete „Leviathan" ist unter dem Grundgesetz freiheitsrechtlich gezähmt 1 1 6 und um die Auslegung gerade dieser mäßigenden Freiheitsrechte geht es bei der Frage nach der Berücksichtigung des Selbstverständnisses. Eliminiert man jede Selbst Verständniskategorie aus der freiheitsrechtlichen Dogmatik durch Rekurs auf den Souveränitätstopos, drohen sich genau diese intendierten Bindungseffekte vorschnell zu verflüchtigen. Dies gilt insbesondere dort, wo das Verfassungsrecht durch seine Begrifflichkeit explizit auf das Selbstverständnis Bezug nimmt und dadurch die staatliche Souveränität fragmentiert (ein Zustand, der freilich vom verfassungsändernden Gesetzgeber rückgängig gemacht 1,3 Siehe m.N. die Darstellungen bei M. H. Müller, Rechtsprobleme, S. 54 f.; M. Morlok, Selbstverständnis. 114 Näher generell M. Morlok, Selbstverständnis, S. 309 ff.; cf. a. religionsrechtlich am Beispiel der Verleihung des Körperschaftsstatus infra 4. Kap. IV. us M. Heinig, ZEE 43 (1999), 294 (295). 116 E. Denninger, Der gebändigte Leviathan, 1990; M.-E. Geis, JZ 1997, 60 (62); S. Mukkel, Freiheit, S. 90 ff.; G. Robbers, AöR 113 (1988), 30 (43).

V. Selbstverständnis als Element einer Religionsverfassungstheorie

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werden kann - weshalb die Letztentscheidung i m Sinne einer sog. KompetenzKompetenz stets in der Sphäre der Staatlichkeit verhaftet b l e i b t ) . 1 1 7 Der Ruf nach einer „objektiven" Definition von R e l i g i o n 1 1 8 führt - wie oben gezeigt wurde - zu einem funktionalen als allgemeinen Religionsbegriff, der auf das religiöse Selbstverständnis verweist. Jede andere Form staatlicher Religionszuschreibungspraxis würde implizite Religionsvorstellungen und Theologien zum Maßstab machen und damit die gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates in Frage stellen. Letztlich erweist sich die Anknüpfung an ein religiöses Selbstverständnis als einzig probates allgemeines Bestimmungskriterium von Religion. Dem läßt sich schließlich auch nicht der Vorwurf der Gleichheitswidrigkeit entgegenhalten, wenn das religiöse Selbstverständnis gleiche, d. h. stets Berücksichtigung findet. Vielmehr gilt i m Gegenteil, daß gerade religionsrechtliche Begriffe als Bestandteil eines „säkularen Rahmenrechts" 1 1 9 auch aus gleichheitsrechtlichen Erwägungen heraus nur durch die religiösen Akteure selbst ausgefüllt werden können, wären sonst doch solche mit einem staatsnäheren Selbstverständnis gleichheitswidrig bevorteilt. 1 2 0 Plädiert man deshalb für eine religionsrechtsdogmatische Relevanz des religiösen Selbstverständnisses, bedeutet dies selbstredend nicht das Fahrenlassen von Erfordernissen nach deren Plausibilisierung. Hinter der Ablehnung einer selbstverständnisbasierten Grundrechtslehre steckt u. a. die Sorge vor einer mißbräuchlichen Inanspruchnahme von Freiheitsrechten. Dem läßt sich jedoch auch selbstverständnisadäquat vorbauen, wofür auch auf die vom Bundesverfassungsgericht bemühten Kriterien des „geistigen Gehaltes" und „äußeren Erscheinungsbildes" zurückgegriffen werden kann: Die äußerlichen Erscheinungen, also religiöse Organisation, Artikulation und Handlung müssen mit dem geltend gemachten Selbstverständnis korrelieren. 1 2 1 In der aufgezeigten systemtheoretischen Perspektive bedeutet dies, daß sich das geltend gemachte religiöse Selbstverständnis als „Codierung" von Religion erweisen m u ß . 1 2 2 Ausreichend ist dafür aber, daß ein begrenzter Personenkreis die als Religion in Ansatz gebrachte Kommunikation (unter Ein-

117 A. Isak, Selbstverständnis, S. 227; M. Morlok, Selbstverständnis, S. 414. us R. Abel, NJW 1997, 426 (427); S. Muckel, Freiheit, S. 61 ff. 119 M. Heckel, Säkularisierung, S. III ff.; 880 ff.; 899 ff. und öfter. 120 M. Heckel, Gleichheit, S. 66 f. 121 In diesem Sinne auch V: Neumann, GS Jeand'Heur, 1999, S. 247 (261 ff.). 122 So ist wohl auch M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 4 Rdnr. 42 zu verstehen: „Für die Religionseigenschaft ist auf äußerliche Merkmale abzuheben, insbesondere ... darauf, daß ... es zu einer Kommunikation über diese Sinngehalte kommt." Dagegen leuchtet die Unterscheidung der Selbstverständnisberücksichtigung zwischen Inhalten einer Religion und der Frage, ob überhaupt eine Religion vorliegt, nicht ein; so aber ebenda, Rdnr. 44. In beiden Fällen kann jedoch eine Plausibilisierung als religiöse Codierung verlangt werden. Die formale Kategorie der „sozialtypischen Erscheinung", die Morlok einführt, ist dabei eine Hilfskonstruktion, birgt aber die Gefahr der Verkürzung des Schutzes der Religionsfreiheit für neue religiöse Bewegungen.

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1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

schluß der daraus resultierenden Vollzüge) als religiös erlebt und weiterkommuniziert. Auch verliert eine Dogmatik des religiösen Selbstverständnisses nicht die „Einheit der Verfassung" 1 2 3 aus den Augen, die in Form kollidierenden Verfassungsrechts als Schranke der gemäß dem Selbstverständnis in Anspruch genommenen Freiheits- und Partizipationsrechte zu Geltung gebracht w i r d . 1 2 4 Als Orientierungsmarke für eine selbstverständnisoffene Kontrolle eines einzelnen Lebenssachverhalts darauf hin, ob Religionszuschreibungspraktiken nur vorgeschoben sind oder tatsächlich bestehen, mögen die in Rechtsprechung und Literatur gebräuchlichen unterschiedlichen Definitionen von Religion hilfreich sein. So ist laut Bundesverwaltungsgericht Religion (und Weltanschauung) eine mit der Person des Menschen verbundene Gewißheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens, 1 2 5 wobei Spezifikum der Religion gegenüber einer Weltanschauung der transzendente Bezug sein s o l l , 1 2 6 der Verweis auf eine überweltliche Macht, „die in einer persönlichen oder unpersönlichen Gottheit oder in der Wirksamkeit einer überweltlichen Kausalität bestehen k a n n " . 1 2 7 Es geht um die Beziehung des Menschen zu höheren Mächten oder tieferen Seinsschichten. Andere Umschreibungen zielen auf ein hinreichend geschlossenes Gedankengebäude über die Welt als Ganzes als Gegenstand dieses Bekenntnisses und ein höheres Wesen oder Prinzip, das Gegenstand des Bekenntnisses i s t . 1 2 8 Eine weitere Formulierung benennt solche Überzeugungen als Religion i. S. d. Grundgesetzes, die Fragen nach Herkunft und Ziel des Daseins, der Stellung des Menschen in der Welt und dem abstrakten Sinn des Lebens zum Gegenstand h a t . 1 2 9 Greift man i m Rahmen von Tests der Plausibilität als Religion vorgebrachter Selbstverständnisse auf solche Beschreibungsversuche zurück, können sie nicht 123 Grundsätzlich H. Ehmke, VVDStRL 20 (1963), S. 53 (77 ff.). 124 M. Morlok, Selbstverständnis, S. 375 ff. 125 BVerwGE 89, 369 (370 f.); 90, 112 (115 f.); ähnlich Ρ Kirchhof, HdbStKirchR 2 I, S. 651 (680); A. Hollerbach, HStR VI, § 138 Rdnr. 137 (zur Weltanschauung, die sich laut Hollerbach bei einer solchen „Definition" vom „Phänomen ,Religion' kaum eindeutig unterscheiden läßt") im Anschluß an G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, 14. Aufl. 1933, S. 649 („jede Lehre, welche das Weltganze universell zu begreifen und die Stellung des Menschen in der Welt zu erkennen und zu bewerten sucht"). 126 Zur Problematik der Abgrenzung von Religion und Weltanschauung als Verfassungsbegriffe unten 3. Kap. I. 2. 127 υ. Κ Preuß, AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 4 Rdnr. 14; J. Kokott, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 4 Rdnr. 17. 128 A. v. Campenhausen, HStR VI, § 136 Rdnr. 42 f.; Th. Maunz, in: MDHS, Art. 140 GG Rdnr. 20 (zum Begriff der Weltanschauung); C. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 1999, Art. 4 Rdnr. 18, 31; Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 4 Rdnr. 8. 129 S. Muckel, in: Berliner Kommentar, Art. 4 GG Rdnr. 10 im Anschluß an Th. Fleischer, 5. 141 ff., 166; ähnlich J. Müller-Volbehr, JZ 1981, 41 (42); ders., DÖV 1995, 301 (302).

V. Selbstverständnis als Element einer Religionsverfassungstheorie

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als Definitionen i m klassischen rechtswissenschaftlichen S i n n e 1 3 0 in Ansatz gebracht werden. Sie stellen Typisierungen, abstrahierende Aufnahmen geläufiger, als Religion anerkannter sozialer Erscheinungen dar, die keinen numerus clausus begründen. Nicht von ungefähr fällt es leichter, die genannten Definitionen auf ihre Schwäche, auf ihren blinden (und gerade nicht religionsblinden!) Fleck hin zu befragen, als eine hinreichend allgemeine und neutrale Definition zu bieten. 1 3 1 So kann statt Gewißheit auch Zweifel religiösen Charakter haben, eine notwendige Marke des jeweiligen Überzeugtseins besteht verfassungsrechtlich nicht. I m Anschluß an die Religionsphilosophien von Immanuel Kant und Friedrich Daniel Schleiermacher sind auch das ernsthafte Bemühen um Wahrheit bei, die Bindung an oder die gefühlsmäßige Einstellung 1 3 2 zu mit Höchstrelevanz bewerteten Sachverhalten, Gegenständen und Annahmen hinsichtlich der Existenz des Menschen und der Welt als Ganzer als Religion zu verstehen. 1 3 3 Daß Religion notwendig eine Gottesvorstellung enthält, 1 3 4 läßt sich insoweit mit Fug und Recht in Frage stellen. 1 3 5 Wie konsistent die als Religion selbst-verstandenen Überzeugungen sein müssen und welche Komplexität eine sich als Religion verstehende Lehre aufweisen muß, um als Religion im Sinne des Grundgesetzes Schutz und Anerkennung zu finden, ist schwerlich abschließend zu beantworten: 1 3 6 rein geistige Techniken sollen nicht genügen (autogenes Training/Meditationstechniken als solche), 1 3 7 andererseits sind auch Skurrilitäten als Religion grundgesetzlich geschützt. 1 3 8

130 Hierzu K. F. Röhl, Rechtslehre, S. 25 ff. 131 Zur Analyse impliziter Religionstheorien in religionsrechtlichen Diskursen cf. W. F. Sullivan, Paying the Words Extra, 1994; H. G. Kippenberg, Religion vor Gericht, in: G. Klinkhammer/T. Frick (Hrsg.), Religionen und Recht, 2002, S. 21 ff. 132 Worunter bei Schleiermacher nicht Emotionalität verstanden werden kann, sondern unmittelbares Selbstbewußtsein. 133 Cf. W Bock, AöR 122 (1997), 444 (449 ff.) gegen und mit Th. Fleischer, S. 92 ff. 134 G. Held, Die kleinen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften im Staatskirchenrecht der Bundesrepublik, 1974, S. 112. 135

Der Buddhismus mag als Beleg für nicht-theozentrische Religionen dienen. Skeptisch gegenüber der Anforderung an ein theoretisches Gedankengebäude von „ähnlicher Geschlossenheit und Breite . . . , wie es den im abendländischen Kulturkreis bekannten Religionen zu eigen ist" (so BVerwGE 89, 368 [371]; R. Herzog, in: MDHS, Art. 4 Rdnr. 67) S. Muckel, Berliner Kommentar, Art. 4 GG Rdnr. 8. C. Starck, in: v. Mangoldt/ Klein / Starck, GG, 4. Aufl. 1999, Art. 4 Rdnr. 10 verlangt einerseits ein „umfassendes, metaphysisches oder auf die Welt als ganzes bezogenes Gedankensystem", an dessen innerer Konsistenz jedoch andererseits „keine besonderen Anforderungen" gestellt werden dürften, 137 BVerwGE 82, 76 (78); Jarass/ Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 4 Rdnr. 8. 136

138 A. v. Campenhausen, HStR VI, § 136 Rdnr. 42: „Eine Beurteilung der Religionsgesellschaft, ihres Glaubens, ihres Bekenntnisses und ihrer Lehre nach dem sozialen Wert und der theologischen Qualität darf nicht stattfinden."

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1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

Die Übereinstimmung des Geglaubten mit gewissen sittlichen Grundanschauung e n 1 3 9 oder dem christlichen G l a u b e n 1 4 0 ist für die Religionseigenschaft nicht conditio sine qua non. Eine Beschränkung auf die i m abendländischen Kulturkreis überlieferten Religionsanschauungen ist verfassungsrechtlich intransigent. 1 4 1 A u f die zahlenmäßige Stärke und soziale Relevanz kommt es für den verfassungsrechtlichen Schutz einer Religion nicht a n . 1 4 2 Dem Grundrecht auf Religionsfreiheit ist die Dimension des Minderheitenschutzes inhärent; historisch waren es jeweilig wegen ihrer religiösen Überzeugung als „Sektierer", „Häretiker" und „Spinner" Wahrgenommene, die des Schutzes vor Verfolgung und Diskriminierung in besonderer Weise bedurften. Mag sich diese geschichtliche Motivlage auch inzwischen in ihrer Bedeutung verschoben haben, so mahnt sie vor voreiligen ( A u s s c h l i e ßungen des Religionsbegriffs. I m Detail sind deshalb Varianzen von bisher als Religion Bekanntem anzuerkennen, wenn sich eine partielle gegenseitige Religionszuschreibungspraxis etabliert. Damit ist aber zumindest ein Konstitutivum des grundgesetzlichen Religionsbegriffs ausmachbar: Religion ist auf Gemeinschaft hin angelegt, 1 4 3 denn nur so kann eine kommunikative Praxis sich als religiöse plausibilisieren. Religion i m Sinne des Grundgesetzes ist ein sozial geteiltes Sinnsystem: ohne soziale Basis und ein Mindestmaß an Kommunikation über gemeinsame Überzeugungen mag ein vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützter innerer Tatbestand vorliegen, dessen handlungsanleitende Folgen vom Grundrecht auf Gewissensfreiheit geschützt sein können, Religion nach Art. 4 I, I I GG dagegen setzt einen Grundbestand geteilter religiöser als sozialer Interaktion voraus. 1 4 4 Ein über die hier skizzierten Plausibilisierungskriterien hinausgehender Bedarf an rechtsdogmatischer Vorsorge vor „mißbräuchlicher" Inanspruchnahme religionsdienender grundgesetzlich verbürgter Rechte kann nicht ausgemacht werden. Er wäre auch gegebenenfalls in Abgleich zu bringen mit den religionsfreiheits- und gleichheitsgefährdenden Effekten all zu restriktiver Annäherungen an Art. 4 GG und die durch Art. 140 GG inkorporierten Normen der Weimarer Reichsverfassung. Wirft man die Frage nach der Entlarvung von Nichtreligion i m Gewände der Religion auf, ist gleichzeitig das Gegenstück der bewußten oder unbewußten Bewer139 So aber R. Zippelius, BK, Art. 4 GG Rdnr. 85; ablehnend BVerfGE 41, 29 (50, 59); BVerwG NVwZ 1987, 696. 140 Ablehnend BVerfGE 24, 236 (246). 141 S. Muckel, in: Berliner Kommentar, Art. 4 GG Rdnr. 7; M. Heckel, Religionsfreiheit, in: ders., Gesammelte Schriften IV, 1997 S. 647 (750, 768 f.). 142 BVerfGE 32, 76 (78); 33, 23 (28); OVG Berlin, NVwZ 1999, 786 (787); W. Hassemer/D. Hömig, EuGRZ 1999, 525 (526). 143 w. Bock, AöR 122 (1997), 444 (459) im Anschluß an U. Scheuner, DÖV 1967, 585 (589); D. Grimm, Multikulturalität, S. 141. 144 Cf. M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 4 Rdnr. 43; in der Sache auch Α. v. Campenhausen, HStR VI, § 136 Rdnr. 42 „Minimum an personellem Zusammenhalt durch Organisation und ein Mindestkonsens" erforderlich.

V. Selbstverständnis als Element einer Religionsverfassungstheorie

65

tung von Religion als Nichtreligion mit zu reflektieren. Denn leicht camoufliert sich hinter ersterem die Frage nach in religiöser Hinsicht wahrer oder falscher bzw. in gesellschaftlicher Hinsicht guter bzw. erwünschter oder schlechter resp. unerwünschter Religion. Die rechtsdogmatische Ebene der Schutzbereichsbestimmungen und Definitionen von Tatbestandsmerkmalen ist zur Bearbeitung dieser Problematik aber die funktional falsche. Die Rechte Dritter und rechtlich geschützte Gemeinwohlinteressen finden ihre sinnvolle Berücksichtigung auf der Ebene der Grundrechts schranken. Die Frage nach der wahren Religion hat für den Staat und sein Recht von Verfassungs weg offen zu bleiben. Und es läßt sich weitergehend fragen, unter welchen Umständen das Recht für die Bearbeitung beider aufgeworfenen Perspektiven überhaupt der rechte Ort ist und nicht die verfassungsrechtlich geschützte freie geistige Auseinandersetzung unter den Bedingungen gegenseitiger Anerkennung als Freie und Gleiche. Allzu vorschnell sollte hier jedenfalls nicht auf das Recht als knapper sozialer Ressource zurückgegriffen werden.

4. Exkurs: Der Begriff der Religionsgesellschaft nach dem Grundgesetz a) Definitionsversuche

und rechtliche Bedeutung

A n dieser Stelle bietet es sich an, auch den Begriff der Religionsgesellschaft bzw. Religionsgemeinschaft i m Sinne des Grundgesetzes etwas näher zu skizzier e n . 1 4 5 Das soeben in seiner verfassungsdogmatischen Problematik entfaltete Merkmal der Religion bildet schließlich das wesentliche Charakteristikum einer Religionsgesellschaft. In diesem Zusammenhang ist zunächst zu betonen, daß die Merkmale „Religionsgesellschaft" bzw. „Religionsgemeinschaft" als Verfassungsbegriffe eigenständig und losgelöst vom einfachen Recht auszulegen sind. Gesetzliche Regelungen jedweder Art können die definitori sehe Bestimmung einer „Religionsgesellschaft" i. S. d. Grundgesetzes zwar als Konkretisierungsleistungen anreichern, aber nicht ersetzen. Üblicherweise wird i m Anschluß an die Weimarer Staatsrechtslehre unter einer Religionsgesellschaft ein „Verband verstanden, der die Angehörigen ein und desselben Glaubensbekenntnisses - oder mehrerer verwandter Glaubensbekenntnisse zu allseitiger Erfüllung der durch das gemeinsame Bekenntnis gestellten Aufgabe zusammenfaßt." 1 4 6 Die Auszeichnung durch allseitige Aufgabenerfüllung soll

145 Die beiden Begriffe werden, wie eingangs erwähnt, äquivalent gebraucht, eine dogmatische Differenz besteht zwischen beiden nicht, so auch BVerwG, NVwZ 2000, 922 (926); B. Pieroth/C. Görisch, JuS 2002, 937. 146 BVerwG, NVwZ 1996, 61 f.; R. Poscher, Der Staat 39 (2000), 49 (58); J. Heckel, FS Kaufmann, 1950, S. 83 (85 f.); G. J. Ebers, Staat und Kirche im neuen Deutschland, 1930,

5 Heinig

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1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

dabei den entscheidenden Unterschied zu einem auch in der Verfassung genannten religiösen Verein (Art. 138 I I WRV) bilden, der nur religiösen Partialzwecken zu dienen bestimmt sei. In anderer Formulierung ist eine Religionsgesellschaft ein „Zusammenschluß von Personen mit gemeinsamen Auffassungen von Sinn und Bewältigung des menschlichen Lebens . . . , der einen gemeinsamen religiösen Konsens in umfassender Weise bezeugt". 1 4 7 Für das Bundesverfassungsgericht ist maßgeblich, ob der Zweck einer Gemeinschaft in der Pflege und Förderung eines religiösen Bekenntnisses bzw. in der Verkündigung des Glaubens ihrer Mitglieder besteht. 1 4 8 Ob eine Religionsgesellschaft oder eine andere Art von Vereinigung vorliegt, hat verfassungs- wie verwaltungsrechtlich weitreichende Folgen: die Eigenschaft einer Religionsgesellschaft bildet den Schlüssel für eine Reihe religionsverfassungsrechtlicher Gewährleistungen, die an das Merkmal der Religionsgesellschaft tatbestandlich anknüpfen: Zu nennen wären Art. 7 I I I GG, Art. 137 WRV, Art. 138 W R V und Art. 141 WRV. Auch die Freiheit zur Bildung einer Religionsgesellschaft ist in Art. 4 I, I I GG, Art. 137 I I WRV gegenüber Art. 9 GG gesondert geregelt. Die herausgehobene Stellung von Religionsgesellschaften i m Staatskirchenrecht ist einerseits traditionell motiviert, andererseits auch für alle Felder, in denen Staat und Religion sich begegnen, schlicht praktikabel: die Festlegung der Inhalte des Religionsunterrichts ist dem Staat aus Gründen religiös-weltanschaulicher Neutralität verwehrt; eine ausschließliche Kooperation mit den Erziehungsberechtigten und Schülern, um deren „religiöse Interessen" 1 4 9 es geht (cf. 3. Kap. IV. 2. b.), wirft unüberwindliche organisatorische Hindernisse auf. Nämliches gilt für die Anstaltsseelsorge oder das Betreiben theologischer Fakultäten. Der tiefere Grund für die religionsverfassungsrechtliche Anknüpfung an die soziale Entität „Religionsgesellschaft" liegt jedoch im Grundrecht der Religionsfreiheit. Religionsgesellschaften begründen die Rolle des Mitgliedes und damit die Unterscheidung zwischen Religionsangehörigen und -nichtangehörigen, was für die genannten staatskirchenrechtlichen Gewährleistungen die Einhaltung der sog. negativen Religionsfreiheit sichert. So sind nur Mitglieder einer Religionsgemeinschaft zur Teilnahme am jeweiligen Religionsunterricht verpflichtet; nur Mitglieder können zur Zahlung einer Kirchensteuer nach Art. 137 V I W R V herangezogen werden. Die Kategorie der Mitgliedschaft ermöglicht die einzige verfassungsrechtlich

S. 167 f.; G. Anschütz, Verfassung, S. 633; cf. Κ. Obermayer, in: BK, Art. 140 GG (Zweitbearb. 1971) Rdnr. 37 m. w. Ν.; B. Pieroth/C. Görisch, JuS 2002, 937 (938). •4v OVG Berlin, ZevKR 1996, 223 (227) in Anlehnung an K. Obermayer, in: BK, Art. 140 GG (Zweitbearb. 1971) Rdnr. 43; Ε. D. Bohl, Der öffentlich-rechtliche Körperschaftsstatus der Religionsgemeinschaften, 2001, S. 23. 148 BVerfGE 19, 129(132). 149 Ρ Mikat, Zur rechtlichen Bedeutung religiöser Interessen, 1973 = in: ders., Religionsrechtliche Schriften, 1. Halbbd. 1974, S. 303 ff.

V. Selbstverständnis als Element einer Religionsverfassungstheorie

67

legitime Religionszuschreibungspraxis an Individuen durch die und in der Rechtsordnung, weil sie an die Eigenexpression des individuellen religiösen Selbstverständnisses anknüpft. Für die Mitgliedschaft in einer Religionsgesellschaft ist deshalb auch die nach außen hinreichend klare Kundgabe eines Mitgliedschaftswillens unabdingbar. 1 5 0 Die personale Partizipation in Form der Mitgliedschaft ist aber noch aus einem weiteren Grund konstitutiv für eine „Religionsgemeinschaft". Sie liegt in der Logik eines grundsätzlich beim Individuum ansetzenden Grundrechtssystems des Grundgesetzes, das seinen Ausgangspunkt in Art. 1 I GG nimmt und das auch das Religionsverfassungsrecht des Grundgesetzes prägt. Die i m Tatbestandsmerkmal „Religionsgesellschaft" gebündelte korporative Dimension religionsfreiheitlicher Betätigung ist stets auf grundrechtsberechtigte und damit in ihrem Glauben, ihrem Bekenntnis und ihrer Religionsausübung freie Individuen zurückzuführen.

b) Der Begriff

„Religionsgesellschaft"

und wirtschaftliche

Betätigung

Folgt man der aufgezeigten Offenheit der religionsgeprägten Verfassungsbegriffe für das Selbstverständnis der Grundrechtsträger, so ist diese auf den Begriff der Religionsgesellschaft bzw. Religionsgemeinschaft ebenfalls zu erstrecken. Dies hat Bedeutung für die Relevanz von wirtschaftlichen und politischen Aktivitäten: deren Bestehen führt nicht zu einem Ausschluß von religionsgemeinschaftsbezogenen Rechten, wenn sich die Vereinigung als Religionsgesellschaft und nicht als politischer Verein oder als Unternehmen versteht, und dieses Selbstbild auch i m aufgezeigten Sinne plausibilisieren kann. Für den Codierungstest „Religion" ist dabei einerseits auf die vertretungsberechtigten Organe der Vereinigung abzustellen, andererseits auf die innerorganisatorische Kommunikation zu den Mitgliedern. In dieser Gesamtschau kann sich herausstellen, daß die Geltendmachung der Eigenschaft einer Religionsgesellschaft nur vorgeschoben und deshalb unplausibel i s t . 1 5 1 Ein strikte Alternativität zwischen religiösen, politischen und wirtschaftli150 Erforderlich ist deshalb ein besonderer, nach außen erkennbarer Willensakt wie die Taufe oder ein funktionales Äquivalent. Bloße Abstammung genügt dagegen nicht. Cf. zur Problematik der Mitgliedschaft näher 4. Kap. III. 3. 151 Zum Gesamtkomplex G. Brauser-Jung, Religionsgewerbe und Religionsunternehmerfreiheit, 2001, S. 221 ff.; V. Röben, Religionsgemeinschaften und wirtschaftliche Tätigkeit, in: R. Grote/Th. Marauhn (Hrsg.), Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, 2001, S. 547 ff. Hierbei können sich in der Sache schwierige Fragen bei der Erhebung von Tatsachen und ihrer Bewertung ergeben; erinnert sei nur an die Frage, ob Scientology eine Religionsgesellschaft darstellt; cf. hierzu J. Winter, ZevKR 42 (1997), 372 ff.; M.-D. Dostmann, DÖV 1999, 993 ff.; M. H. Müller, Probleme mit der Scientology-Church im öffentlichen Recht, Hagen 1999; G. Thüsing, ZevKR 45 (2000), 592 ff. m. w. N. auch zur Rspr. So krude die „religiösen" Lehren dieser Organisation auch sein mögen und so stark wohl Eigenprofitmaximierung Motiv ihrer organisatorischen Aktivitäten ist, scheinen sich gleichwohl jedenfalls seitens der Mitglieder hin-

5*

68

1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

chen Aktivitäten besteht dagegen verfassungsrechtlich nicht. Ähnlich wie ein durch den Verkauf seiner Werke wirtschaftlich erfolgreicher Künstler sich anhaltend i m Schutzbereich des Art. 5 I I I GG bewegt oder ein prosperierender Privatsender sich anhaltend auf die Rundfunkfreiheit berufen kann, schließt wirtschaftliche Betätigung nicht per se aus, daß eine Religionsgesellschaft v o r l i e g t . 1 5 2 Die in der Soziologie beschriebene Ausdifferenzierung sozialer Teilsysteme einer Gesellschaft (Wirtschaft, Kunst, Wissenschaft, Recht etc.) bildet sich auf der Ebene der Grundrechte nicht parzellenscharf ab, sondern folgt verfassungsrechtlichen Eigenlogiken (Systemautonomie). Zudem wäre zu bedenken, daß die Verarbeitung von Kommunikation in den jeweiligen Systemen entlang der sie prägenden Leitdifferenzen relational, nicht ontologisch erfolgt: die Barzahlung beim Kauf von Brötchen ordnet der systemtheoretisch aufgeklärte Beobachter nicht entweder dem Wirtschafts- oder dem Rechtssystem zu, sondern gemäß ihrer Jeweiligkeit beiden. Gleiches gilt für die Vermarktung „religiöser Produkte".

c) Der Begriff „ Religionsgesellschaft " und „neue Religionen im Abendland" 153 Besondere Hürden für die Partizipation an den religionsverfassungsrechtlichen Gewährleistungen des Grundgesetzes wirft die Schlüsselstellung des Merkmals einer „Religionsgesellschaft" für Religionen auf, die traditionell nicht korporativ organisiert sind, namentlich den Islam. Zahlreiche Bemühungen, durch Gründung von Vereinen sich in das grundgesetzliche System des Staatskirchenrechts einzupassen, erweisen sich dabei laut Rechtsprechung und Schrifttum als ungeeignet und / oder unbeholfen. 1 5 4 sichtlich der „Lehre" von Scientology starke Überzeugungen auszubilden, die sich auf die Herkunft des Menschen, seine Stellung in der Welt und die Heilsversprechen von Scientology beziehen und sich insbesondere zahlungsmotivierend auswirken. Insoweit sollte das Vorliegen einer Religionsgesellschaft in diesem Falle nicht vorschnell abgelehnt werden. Einschlägiger als eine solche Schutzbereichslösung ist wohl, die Frage eines „religiösen Verbraucherschutzes" auf der Schrankenebene aufzuwerfen. Art. 4 GG/ Art. 137 III WRV bietet hier für Legislativmaßnahmen durchaus Raum; cf. a. zur Problematik BT-Dr. 13/10950 = Deutscher Bundestag (Hrsg.), Endbericht sowie H. Zinser, Wehrhafte Religionsfreiheit und religiöser Verbraucherschutz, in: G. Klinkhammer/T. Frick, Religionen und Recht, 2002, S. 71 ff.; zur Möglichkeit der Beobachtung einer religiösen Organisation durch den Verfassungsschutz in diesem Zshg. VG Berlin, NVwZ 2002, 1018 ff. 152 Möglicherweise sind jedoch nach Art. 137 IV WRV dann die besonderen wirtschaftsbezogenen Organisationsformen zu wählen, die auf die mit organisiertem wirtschaftlichen Handeln einhergehende Gefahren und vielfältigen Interessen (Gläubigerschutz und Insolvenzrisiko etc.) zugeschnitten sind; cf. sogleich. •53 Nach A. v. Campenhausen, ZevKR 25 (1980), 135 ff. und ZevKR 37 (1992), 405 ff. •54 Zum Schächten BVerwGE 112, 227 ff.; VGH Kassel, NVwZ 2000, 951 ff. m. w. N., nunmehr aber auch BVerfGE 104, 337 und BVerfG, NJW 2002, 1485 ff., zu ersterem Verfassungsgerichtsurteil J. Oebbecke, NVwZ 2002, 302 ff.; K.-H. Kästner, JZ 2002, 491 ff.;

V. Selbstverständnis als Element einer Religionsverfassungstheorie

69

Wenn insoweit an den benannten Zielsetzungen für die besonderen tatbestandlichen Anknüpfungen an den Religionsgesellschaftsbegriff i m Grundgesetz - Kooperationsfähigkeit und Sicherung der negativen Religionsfreiheit - festgehalten wird, ist dies auch verfassungstheoretisch zu begrüßen. Ob neue religiöse Erscheinungen einen Umbau des Religions Verfassungsrechts nach sich ziehen sollen, ist vom dazu demokratisch legitimierten Verfassungsgesetzgeber zu beantworten. Zugleich ist aber auch zu fragen, welche Exklusionseffekte der überkommene rechtsdogmatische Begriff von Religionsgesellschaften zeitigt und welche davon vielleicht verfassungsrechtlich auf den Prüfstand zu stellen sind. Denn: „Die organisatorische Struktur einer Religion ist häufig nicht nur eine dem Glauben äußerliche Form, sondern Teil des Glaubensverständnisses, das die spezifische Religiosität ausdrückt und p r ä g t . " 1 5 5 Als verfassungsdogmatisch probates Korrektiv, mit dem sich die Spannung zwischen vorschnellen Ausschlüssen und etwaigem Mißbrauch ausbalancieren läßt, erweist sich dabei wiederum die Berücksichtigung des Selbstverständnisses.

aa) Selbst Verständnis und allseitige Religionspflege Das religiöse Selbstverständnis ist zunächst bei der Frage von Belang, ob eine Organisation nur partielle Religionspflege betreibt oder die allseitige Erfüllung der durch das Bekenntnis aufgeworfenen Aufgaben anstrebt. Maßgeblich für die Unterscheidung zwischen A l l - und Teilseitigkeit kann nur das religiöse Selbstverständnis sein. Eine hinreichende Selbstverständnisberücksichtigung fragt jedoch dabei nicht nur, welche religiösen Aufgaben ein Bekenntnis ganz allgemein aufwirft, sondern danach, welche glaubensgemäß eine Organisation verlangen. Bezugsgröße für die Unterscheidung zwischen einem religiösen Verein und einer Religionsgesellschaft ist demnach nicht, ob sämtliche Aspekte des bekenntnisgeprägten Handelns von einer Organisation bedient werden, sondern ob sie maßgebliche der gemäß dem religiösen Selbstverständnis organisationsgebundenen Aktivitäten abdeckt. Soweit eine Religion nach ihren Vorstellungen stark außerhalb korporativer Strukturen gelebt wird und einen individualbezogenen religiösen Überschuß kennt, ist der Verfassungsbegriff der Religionsgemeinschaft hierfür offen.

U. Volkmann, DVB1. 2002, 332 ff.; G. Sydow, Jura 2002, 615 ff.; rechtsvergleichend K. Pabel, EuGRZ 2002, 220 ff.; zum Religionsunterricht VG Düsseldorf, NWVB1. 2001, 110 ff. m. Anm. W. Rüfner; anders hinsichtlich des Religionsunterrichts in Berlin OVG Berlin, NVwZ 1999, 786 ff.; BVerwGE 110, 326 ff.; VG Berlin, NVwZ 2002, 1011 ff.; zu letzterem U. Häußler, NVwZ 2002, 954 f.; zum Stand der Bemühungen in tatsächlicher Hinsicht, eine islamische Korporationsstruktur in Deutschland aufzubauen cf. BT-Dr. 14/4530, S. 34 f. 155 R. Poscher, Der Staat 39 (2000), 49 (51).

1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

70

bb) Religiöses Selbstverständnis und Mitgliedschaft Das religiöse Selbstverständnis beeinflußt auch die Anforderungen an die Mitgliedschaftsstruktur einer Religionsgesellschaft. Die Möglichkeit von Doppelmitgliedschaften steht der Eigenschaft der Hauptorganisation als Religionsgesellschaft nicht per se entgegen. 1 5 6 Dachverbände können Religionsgemeinschaften darstellen, wenn die Mitgliedschaft natürlicher Personen in der Suborganisation auch in den Verband vermittelt wird, so daß in diesen das personale Element i m Vordergrund steht. Dann ist die daneben bestehende Mitgliedschaft von juristischen Personen i m Dach verband unschädlich. 1 5 7 Entscheidend ist stets, ob das Gesamtgepräge der Hauptorganisation als Religionsgesellschaft in Frage gestellt ist. Bei sog. islamischen Dachverbänden ist deshalb genau hinzuschauen und i m Einzelfall die Dominanz der Religionsprägung zu prüfen. 1 5 8 Dabei sind die Anforderungen an die bekenntnisbezogene Homogenität der Mitgliedschaft nicht zu überspannen. Erforderlich ist nur ein grundsätzlich bestehender gemeinsamer religiöser Nenner; die interne religiöse Pluralität hat dagegen den Staat nicht weiter zu interessieren. Auch die Eröffnung einer Mitgliedschaft ohne Teilhabe am religiösen Konsens der Vereinigung i m Einzelfall stellt ihren Charakter als Religionsgesellschaft nicht automatisch in Frage, sondern kann organisationsfreiheitlich geschützt sein. Freilich steigen die Anforderungen an eine Plausibilisierung des Selbstverständnisses als Religionsgesellschaft in solchen Fällen. Die Relativität des „Homogenitätserfordernisses" 159 vermittelt sich gerade, wenn man die religiöse Diversifizität innerhalb der christlichen Volkskirchen betrachtet: die katholische Kirche wird nicht von ungefähr als complexio oppositorum bezeichnet 1 6 0 und das in den evangelischen Landeskirchen versammelte theologische Spektrum zwischen Lutherorthodoxie, Linksbarthianismus und Neuprotestantismus ist recht beachtlich. Angesichts dessen vermag es nicht zu überzeugen, gegenüber anderen religiösen Gruppierungen höhere Anforderungen zu stellen. Auch müssen keineswegs alle Anhänger eines bestimmten Bekenntnisses in einer Religionsgesellschaft versammelt sein, soweit zwischen den Mitgliedern selbst ein hinreichender religiöser Konsens zu verzeichnen i s t . 1 6 1 Ob eine Vereinigung darüber hinaus ihre Infrastruktur und ihren sonstigen organisatorischen Bereich auch Nichtmitgliedern

156 Hierzu auch K. Obermayer, in: BK, Art. 140 GG (Zweitbearb. 1971) Rdnr. 40 mit dem Beispiel der Heilsarmee. 157 Cf. a. Β. Pieroth/C. Görisch, JuS 2002, 937 (941). 158 Cf. V G H Kassel, N V w Z 2000, 951, der die Religionsgesellschaftsqualität eines hessischen Dachverbandes bejaht; ebenso O V G Berlin, N V w Z 1999, 786 ff., hierzu auch F. Fech-

ner, NVwZ 1999, 735 (736 f.). 159 R. Poscher, Der Staat 39 (2000), 49 (61). 160

C. Schmitt, Römischer Katholizismus und politische Form, 1925, S. 10. Zum Nichterfordernis der Unterscheidung zu anderen Glaubensbekenntnissen auch H. Weber, ZevKR 34 (1989), 337 (355); anders für Religionsgemeinschaften i. S. d. Art. 137 V 2 WRV 5. Muckel, DÖV 1995, 311 (314). 161

V. Selbstverständnis als Element einer Religionsverfassungstheorie

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öffnet, ist eine Frage der Selbstordnung und -Verwaltung, nicht jedoch des Merkmals „Religionsgesellschaft".

cc) Selbstverständnis und religiöse Gewalt Schließlich hat das religiöse Selbstverständnis hinreichende Berücksichtigung zu erfahren bei der Frage, ob und in welchem Maße Organisationen ihre Mitglieder religiösen Geboten zwingend unterwerfen müssen, um als Religionsgesellschaften angesehen werden zu können. Die Art der Willensbildungsstrukturen, die Durchsetzung von deren output, der Grad zulässiger religiöser Individualisierung oder die Bedeutung einer Komponente des religiösen Gewissens in der religiösen Lehre sind Fragen der Freiheit zu einem selbstverständnisgemäßen religiösen Leben in einer Religionsgesellschaft, nicht des Organisationsstatus selbst. Nicht religiöse Subordination, sondern religiöser Konsens bildet das religionsgesellschaftsbegründende M i n i m u m . 1 6 2

dd) Verfassungstheoretische Erwägungen Die vorangegangenen Anmerkungen bewähren sich religionsverfassungstheoretisch i m Lichte der Organisationssoziologie: Religion als gesellschaftliche Erscheinung - und als solche nimmt das Recht sie ins Auge - läßt sich aus religionssoziologischer Perspektive gliedern nach unterschiedlichen Aggregierungs- und Komplexitätsgraden auf Mikro-, Meso- und Makroebene. 1 6 3 Die entsprechenden Zuweisungskategorien sind etwa die der Rolle, Gruppe, Institution, Organisation und Gesellschaftsstruktur. Die vom Recht als Religionsgesellschaften wahrgenommenen formalen religiöse Organisationen zeichnen sich durch ein spezifisches Programm (religiöse Lehre), spezifisches Personal (Mitglieder) und spezifische Kommunikationsstrukturen (etwa Hierarchie, Arbeitsteiligkeit) aus und unterscheiden sich dadurch von einer in allen drei Dimensionen deutlich diffuseren religiösen G r u p p e 1 6 4 (die rechtlich durch die kollektive, nicht durch die korporative Religionsfreiheit geschützt wird). Religionsgesellschaften dienen als Organisationen der Organisation von Differ e n z . 1 6 5 Diese Differenz verlangt in Bezug auf die formale Struktur eine rechtliche 162 Mißverständlich deshalb BVerwG, NVwZ 1996, 61 sowie BVerwGE 112, 227 (235 ff.). In letzterem Fall ist nicht maßgeblich, ob ein islamischer Dachverband eine Religionsgesellschaft darstellt, sondern ob er gemäß seinem Selbstverständnis eine den Anforderungen des § 4a II Nr. 2 TierSchG genügende „zwingende Vorschrift" zum Schächten plausibel darstellen kann; cf. nunmehr auch BVerfGE 104, 337 ff.; s.a. C. Walter, Religions- und Gewissensfreiheit, in: R. Grote/Th. Marauhn (Hrsg.), Handbuch des Grund- und Menschenrechtsschutzes, 2003, Rdnr. 39. 163

V. Krech, Religionssoziologie, S. 36. 164 γ Krech, Religionssoziologie, S. 51, 54.

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1. Kap.: Religionsverfassungstheoretische Präliminarien

Eigenexistenz, einen Zusammenschluß, der eine über die kollektive Grundrechtsausübung hinausgehende juristische Persönlichkeit begründet, also mindestens die Rechtsform des nichtrechtsfähigen Vereins nach § 54 B G B . 1 6 6 Das spezifische Programm besteht in dem religiösen Mindestkonsens der Mitglieder, die das spezifische Personal einer Religionsgesellschaft bilden. Hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Religionsbegriffs und seiner dogmatischen Umhegung sei auf die obigen Ausführungen verwiesen. Schließlich zeichnet sich eine Religionsgesellschaft durch spezifische Kommunikationsstrukturen aus, etwa durch Hierarchie. 1 6 7 Aber auch andere Formen sind denkbar, so basisorientierte Ansätze mit Willensbildungsprozessen von unten nach oben. Anforderungen über diese formalen Kriterien hinaus sind weder verfassungsrechtlich noch verfassungstheoretisch begründbar. Differenz durch Organisation ist auch verfassungsrechtlich als eine soziale Erscheinung erfaßt und nicht als Frage ideologisch-weitanschaulicher Wohlgeordnetheit der Gesellschaft. Struktur, Programm, Personal und Kommunikationsstrukturen bilden kumulativ die Besonderheit einer jeweiligen Religionsgesellschaft. Bestehen Schnittflächen mit anderen Organisationen in einigen dieser Hinsichten (etwa der Mitgliedschaft oder der geteilten Überzeugungen), so stellt dies den Charakter als unterscheidbare Organisation nicht in Abrede.

d) Das Konstitutivum der Mitgliedschaft und Auswirkungen auf mögliche Rechtsformen Von der bisherigen verfassungstheoretischen und -dogmatischen Annäherung an den Begriff der Religionsgesellschaft aus lassen sich schließlich weitere Konkretionen für mögliche Rechtsformen einer Religionsgesellschaft machen, ohne auf Art. 137 II, I V und V W R V näher eingehen zu müssen. Denn wenn man verfassungstheoretisch festhält, daß Religionsgesellschaften Kommunikationsstrukturen und die Verfolgung eines spezifischen Programms (im christlichen Duktus: Kerygma und Dogma) durch ein spezifisches Personal (Mitglieder) ermöglichen und wenn man verfassungsdogmatisch die Unlösbarkeit des Dreiklangs individueller, kollektiver und korporativer Religionsfreiheit betont, dann müssen sich alle Religionsgesellschaften i m Verfassungssinne durch das Element personaler Partizipation auszeichnen. Eine Religionsgesellschaft besteht dann von Verfassungs 165 Cf. allg. N. Luhmann, Funktionen und Folgen formaler Organisationen, 1964; ders., Gesellschaft, S. 826 ff.; ders., Organisation und Entscheidung, 2000, S. 39 ff.; D. Baecker, Organisation als System, 1999, S. 14 ff. 166 Durch das staatliche Vereinsrecht wird zugleich festgelegt, wer im Rechtssinne vertretungsbefugt ist; in dieser Hinsicht ist Klarheit insbesondere bei organisatorischen Berührungen zwischen Staat und Religionsgesellschaften gefordert; cf. VG Berlin, InfAuslR 1998, 353; OVG Berlin, NVwZ 1999, 786 ff.; VG Düsseldorf, NWVB1. 2001, 110 (112) m. w. N. 167

Für Organisationen allg. D. Baecker, Organisation, S. 198 ff.

V. Selbstverständnis als Element einer Religionsverfassungstheorie

73

wegen nur dort, wo natürliche Personen als einer juristischen Person zurechenbare Anhänger, kurz: wo Mitgliedschaften bestehen. 168 Dann aber erscheint es wegen des notwendig personalen Elements einer Religionsgesellschaft zweifelhaft, ob eine solche sich in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften nach dem HGB organisieren k ö n n t e . 1 6 9 Denn hier fehlte es gerade am mitgliedschaftlichen Element, könnte von Gesetzes wegen das Eigentum doch auch ausschließlich in einer Hand liegen, die wiederum auch bloß juristische Person sein mag. Ein Äquivalent ließe sich hier allenfalls gesellschaftsvertraglich über die Anteilseignerschaft konstruieren. Auch eine Stiftung oder eine Anstalt kann für sich mangels konstitutivem personalen Substrat keine Religionsgemeinschaft darstellen, sondern nur als Suborganisation in einer Religionsgesellschaft bestehen. Umfassende Rechtsfähigkeit ist dagegen kein Konstitivum für eine Religionsgemeinschaft nach Art. 7 I I I GG sowie die durch Art. 140 GG inkorporierten Weimarer Kirchenartikel. Deshalb kann eine Religionsgemeinschaft von Verfassungs wegen auch in der Rechtsform des nichteingetragenen Vereins oder der Gesellschaft bürgerlichen Rechts existieren.

168 s. Muckel, DÖV 1995, 311 (312) für Religionsgemeinschaften i. S. d. Art. 137 V 2 WRV. 169 Cf. a. J. Jurina, HdbStKirchR 2 I, S. (708), der freilich weniger auf das Konstitutivum der Mitgliedschaft als vielmehr auf die „allseitige Pflege der Religion" abzielt.

2. Kapitel

Historische Aspekte als Folie der heutigen Rechtsstellung öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften nach dem Grundgesetz I. Die Traditionsbestände des Staatskirchentums und der Staatskirchenhoheit 1. Religionsrecht als Reformationsfolgenrecht Religionsrecht war und ist dynamisches Recht. Die verfassungsrechtliche Stellung von öffentlich-rechtlich (wie privatrechtlich) organisierten Religionsgesellschaften nach dem Grundgesetz ist Produkt und Spiegel einer langen Entwicklung der Ausdifferenzierung von Staat und sich pluralisierender organisierter Religion. I m Zuge der zunehmenden Entflechtung von staatlichen und kirchlichen Organisationsformen stellte sich die Frage der Anerkennung von Kirchen als selbständige Rechtssubjekte mit gegenüber dem Staat garantierten eigenen Rechten 1 ; i m Gefolge der Aufklärung und zunehmender religiöser Toleranz wuchs die Bereitschaft, organisierten Minderheitsreligionen einen gleichberechtigten Rang im staatlichen Recht einzuräumen. Gegen Ende dieses Emanzipationsprozesses bedingten und generierten sich das Verbot der Staatskirche (Art. 137 I WRV), die Garantie der Verwaltung eigener Angelegenheiten von Religionsgesellschaften (Art. 4 G G / A r t . 137 I I I WRV) und die individuelle Religionsfreiheit (Art. 4 I, I I GG) als heutige Eckpfeiler des grundgesetzlichen Religionsverfassungsrechts wechselseitig. 2 Die Entwicklung des Rechtsverhältnisses zwischen Staat und Kirche (n) erfolgt dabei - wie stets historische Prozesse - nicht nach Maßgabe eines (Ideal)Typus 3 (etwa der fortschreitenden Trennung), sondern in concreto auf manigfaltig verwobene, mäandernde Weise. 4 I m folgenden kann es aber schon aus Platzgründen nicht ι D. Pirson, HdbStKirchR 2 I, S. 3 (13 ff.). 2 Siehe M. Heckel, ZevKR 44 (1999), 340 (374 ff.), der die Dreidimensionalität des Trennungsprozesses von Staat und Kirche unter Einschluß der Individuen herausstreicht. 3

Cf. M. Weber, Die Objektivität sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnisse (1904), in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, 7. Aufl. 1988, S. 146 (190 ff.); ders., Wirtschaft und Gesellschaft (1921), 5. Aufl. 1972, S. 9 ff. 4 Auch ist zu beachten, daß bereits vor der frühen Neuzeit immer wieder Phänomene des Auseinandertretens von Politik und Religion zu beobachten sind; so macht M. T. Fögen,

I. Die Traditionsbestände des Staatskirchentums

75

um eine kurze Realgeschichte des Staatskirchenrechts gehen, 5 sondern nur um eine ganz grobe, typisierende Skizzierung der Traditionsbestände, in die die heutige Rechtslage radiziert ist. Diese Skizze soll sowohl den Präsenzbestand des heutigen Religionsverfassungsrechts zu verstehen helfen, als auch bezeugen, daß Rechtswandel ein Kontinuum in der Geschichte des Staatskirchenrechts ist. Dies gilt es u. a. in Erinnerung zu rufen, wenn man Transformationspotentiale des Europarechts näher beleuchtet (cf. infra 5. Kap.). Ausgangspunkt der neuzeitlichen Beziehungsgeschichte von Staat und Kirche ist die hinreichende Ausbildung zweier geschiedener Sphären aus dem als Einheit verstandenen orbis christianus, 6 die als religiöser und als staatlicher Bereich (sacerdotium und imperium) auszumachen sind. 7 Ein erstes markantes Datum hierfür bildet der Investiturstreit. 8 Die entscheidenden Schübe der Ausdifferenzierung von Staatlichkeit und Kirchlichkeit erfolgten dann i m Zuge und in Folge der Reformation (Augsburger Religionsfrieden von 1555, Westfälischer Frieden von 1648). Die (nicht nur) religiös motivierten Konflikte und kriegerischen Auseinandersetzungen i m Gefolge der Reformation (sog. konfessionellen Bürgerkriege) gelten als Geburtsstunde des neuzeitlichen Territorialstaates, dem die Aufgabe der Mittlung

Römische Rechtsgeschichten, 2002, S. 32 f. darauf aufmerksam, daß bereits der Übergang von der römischen Monarchie zur Republik ein Element der Ausdifferenzierung in der politischen und religiösen Ämterordnung mit sich brachte. Solche Phänomene der Differenzbildung zwischen Religion, Normativität und Politik lassen sich auch für die frühen Hochkulturen Ägyptens und Israels beschreiben, so J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 1992; ders., Herrschaft und Heil, 2000; ders., Religion und kulturelles Gedächtnis, 2000. Gleichwohl ist es sinnvoll, als Vorgeschichte unseres heutigen Verfassungsrechts die gesellschaftsstrukturelle Evolution seit dem Spätmittelalter als spezifische in den Blick zu nehmen. 5

Siehe als Quellensammlung etwa E.-R. Huber/W. Huber, Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert, 4 Bde., 1973 ff.; im Überblick z. B. A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl. 1996, S. 7 ff.; B. Jeand'Heur/S. Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, S. 25 ff.; D. Pirson, HdbStKirchR 2 I, S. 3 ff.; K. Obermayer, in: BK, Art. 140 (Zweitb. 1971) Rdnr. 1 ff. jeweils m. w. N. 6 Zu dessen europäischen Wurzeln P. Brown, Die Entstehung des christlichen Europas, 1999. 7 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 140 Rdnr. 1. 8

H. J. Berman, Recht und Revolution, 1995, passim; E.-W. Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, in: ders., Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1991, S. 92 (98): „Indem das Papsttum seit dem Investiturstreit Jahrhunderte hindurch versuchte, die kirchliche Suprematie durchzusetzen, hat es wesentlich dazu beigetragen, daß die Träger der weltlichen Gewalt sich auf die Eigenständigkeit und Weltlichkeit der Politik besannen". Die politische Ordnung „wurde in einem wörtlichen Sinn ent-sakralisiert und säkularisiert, und damit freigesetzt auf ihre eigene Bahn, zu ihrer eigenen Entfaltung als weltliches Geschäft. Was als Entwertung gedacht war, um kaiserliche Herrschaftsansprüche im Bereich der ecclesia abzuwehren, wurde in der unaufhebbaren Dialektik geschichtlicher Vorgänge zur Emanzipation: der Investiturstreit konstituiert Politik als eigenen, in sich stehenden Bereich." (96); zur Bedeutung des Investiturstreits als Anfangspunkt eines eigentlichen Staatskirchenrechts auch K. Obermayer, BK, Art. 140 (Zweitb. 1971) Rdnr. 1; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 140 Rdnr. 2.

2. Kap.: Historische Aspekte

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und Stiftung des Religionsfriedens auferlegt wurde und der sich gerade auch zu diesem Zweck herausbildete. 9 Die Erfüllung dieser Funktion bedingt nach heutigem Verständnis Äquidistanz des Staates zu den vorhandenen Religionsgesellschaften als Mindestform staatlicher religiös-weltanschaulicher Neutralität sowie religiöse Freiheit der Individuen und Korporationen. Diese Säulen des heutigen Religionsverfassungsrechts bildeten sich jedoch nur zögerlich aus. Die territoriale Staatenbildung in Deutschland erfolgte nach einem weitgehend absolutistischen Modell. Entsprechend der damaligen Vorstellung von staatlicher Souveränität als höchste und umfassende M a c h t 1 0 wurden auch religiöse Korporationen dem staatlichen Zugriff bar rechtlicher Hemmungen ausgesetzt. Hieraus entwickelten sich - bei mannigfaltigen Unterschieden zwischen den Konfessionen und Zeiten - die klassischen Formen des Staatskirchentums und der Staatskirchenhoheit. 11 Insbesondere diese unter dem Souveränitätsanspruch des neuzeitlichen Staates ausgeprägten Struktur- und Organisationsformen sind historisches Bezugsfeld des heutigen grundgesetzlichen Religionsverfassungsrecht. Die religionsrechtlichen Folgen der Reformation markieren trotz oder gerade wegen der dabei herausgebildeten staatskirchlichen Organisationsformen eine bedeutende Etappe i m Prozeß des Auseinandertretens von Staat und Religion, denn die Ausbildung von Staatsreligionen war keine Frage der „Verwirklichung und Durchsetzung der Wahrheit, sondern eine Frage der P o l i t i k . " 1 2 Vor allem pragmatische, sicherheits- und machtpolitische Kalküle beförderten die institutionelle und ideelle Verzahnung von neu entstandener Staatsmacht und Religion. Dieselbe Motivlage eröffnete später die Möglichkeit der Gleichstellung der Konfessionen auch innerhalb eines Territoriums. Eine dergestalte Instrumentalisierung setzt ein

9 Cf. C. Link, Staat und Kirchen von der Reformation bis zur Gegenwart (1978), in: ders., Staat und Kirche in der neueren deutschen Geschichte, 2000, S. 11 ff.; zur Folie des (konfessionellen) Bürgerkriegs für die Ausbildung neuzeitlicher Staatlichkeit H. Münkler, Im Namen des Staates, Frankfurt 1987, S. 217 ff.; kritisch gegenüber der Annahme einer Befriedungsfunktion des Staates durch „Neutralisierung" der konfessionellen Konflikte W. Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, 2. Aufl. 2000, S. 268 ff.; H. Dreier, JZ 2002, 1 (6 ff.).

•o Cf. grundlegend J. Bodin, Über den Staat (1583), 1976, Buch I, insb. Kap. 8; ferner Th Hobbes, Vom Bürger (1642), 2. Aufl. 1966, Kap. 5 und 6; ders., Leviathan (1651), 5. Aufl. 1992, insb. Kap. 17 und 18. Die praktisch wirksamen wie theoretischen Souveränitätsvorstellungen in der damaligen Zeit waren selbstredend vielfältiger als dies hier auch nur angedeutet werden kann; cf. im Überblick M. Stolleis, Reichspublizistik - Politik - Naturrecht im 17. und 18. Jh., in: ders. (Hrsg.), Staatsdenker in der frühen Neuzeit, 3. Aufl. 1995, S. 9 (15 f.) m. w. N., etwa zu Althusius und dessen calvinistisch geprägter Volkssouveränitätslehre. 11

Die Begriffsbildung geht wohl auf W. Kahl, Lehrsystem des Kirchenrechts und der Kirchenpolitik, Bd. I, 1894, S. 309 ff. zurück. Die Differenzierung zwischen Staatskirchentum und Staatskirchenhoheit als periodisierendes Leitkriterium prägt z. B. den historischen Teil des Standardwerks für das Staatskirchenrecht der Weimarer Republik von G. J. Ebers, Staat und Kirche im neuen Deutschland, 1930, S. 2 ff. und 26 ff. 12 E.-W. Böckenförde, Entstehung, S. 104.

I. Die Traditionsbestände des Staatskirchentums

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gewisses Maß an differierender „Formbildung" von Politik / Staatlichkeit einerseits und Religion / Kirchlichkeit andererseits voraus. 13 Durch die Glaubensspaltung der Bevölkerung und die Etablierung entsprechender organisatorischer Strukturen infolge der Reformation entstand eine erste Stufe verfestigter religiöser Pluralisierung, die für das Reich anderer religionsrechtlicher Konsequenzen bedurfte als die bis dahin bekannten Strategien gegenüber häretischen, als solche unterdrückten und marginalisierten (christlich-)religiösen Bewegungen (religionsrechtliche Pluralisierung I) . Das Konzept der Parität als „vollständige und gegenseitige Gleichheit" beider Bekenntnisse (Art. 5 § 1 IPO) wurde zum maßgeblichen staatlich-hoheitlichen Instrumentarium der Herstellung und Bewahrung religiösen Friedens i m Reich. Hierzu gehörte die paritätische Besetzung des Reichskammergerichts und des Reichshofrates (Art. 5 §§ 5 3 - 5 5 IPO) ebenso wie das Verbot der Stimmenmehrheit in Religionsangelegenheiten (Art. 5 § 52 IPO) oder das Verbot der Diskriminierung wegen des Bekenntnisses (Art. 5 § 35 I P O ) . 1 4 A u f der Ebene der territorial sich ausbildenden Staaten stand dagegen zunächst noch die (Idee) konfessionelle(r) Geschlossenheit i m Vordergrund. Der Augsburger Religionsfrieden wie der Westfälische Frieden schrieben das religiöse Selbstbestimmungsrecht der Reichsstände (ius reformandi) 1 5 unter grundsätzlichem Einschluß der religiösen Zugehörigkeit der Untertanen (cuius regio, eius relig i o ) 1 6 fest. Auch das in diesem Kontext garantierte ius emigrandi 1 7 (§ 14 Augsburger Religionsfrieden, Art. 5 § 34 IPO) als eine erste Stufe individueller Religionsfreiheit diente der Wahrung religiöser Homogenität der Bevölkerung. Die Religion des Landesherrn als ecclesia dominans war dabei in besonderer Weise organisatorisch, personell und aufsichtsrechtlich mit den Strukturen der

13 Im Anschluß an N. Luhmanns Formbegriff; cf. Ν. Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1. Teilbd., 1997, S. 190 ff. und öfter; 14 Siehe M. Morlok, in: H. Dreier, GG, Art. 140 Rdnr. 4. Aus dieser Tradition paritätischer „Koexistenzstrukturen" speist sich der Status der Gleichheit der Religions- und Weltanschauungsgesellschaften nach dem Grundgesetz (3. Kap. III.). 15 Näher zu der so bezeichneten Garantie der Freiheit des Religionswechsels und Garantie der Bestimmungsfreiheit über den Bekenntnisstand im eigenen Territorium durch den Landesherrn (§ 15 f. Augsburger Religionsfrieden) M. Heckel, Staat und Kirche, 1968, S. 221 ff.; ferner B. C. Schneider, lus Reformandi, 2001, S. 152 ff., 403 ff. 16 Dieses einprägsame „Schlagwort und Kernprinzip des Staatskirchenrechts im konfessionellen Zeitalter" (M. Heckel, Staat und Kirche, 1968, S. 227) stammt von dem Juristen Joachim Stephani (1544- 1623). 17 Das jus emigrandi bezeichnete G. Jellinek, Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte (1895), abgedr. in: R. Schnur (Hrsg.), Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, 1964, S. 39 ff. bekanntlich als erstes Menschenrecht; hierzu kritisch M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, 4. Aufl. 1990, S. 149 ff., 153 ff., dagegen hinsichtlich der Richtigkeit der Jellinekschen These bei sachgemäßer Ein- und Zuordnung G. Haverkate, Verfassungslehre, 1992, S. 166 und 201. Cf. zum „Erstgeburtsrecht" des religionsgeprägten Auswanderungsrechts im Konzert der modernen Grundrechte auch M. Heckel, ZevKR 12 (1966/ 67), 1 (13), der von „staatlicher Religionsfreiheit im Gewände der Freizügigkeit" spricht.

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2. Kap.: Historische Aspekte

Staatlichkeit verbunden. Zugleich schrieb bereits der Westfälische Friede mit der Fixierung eines Normaljahres eine gewisse religiöse Pluralisierung auch innerhalb der Territorialstaaten entgegen dem Leitbild ihrer konfessionellen Geschlossenheit fest: Die Freiheit der Religionsausübung wurde für die Zukunft in dem Umfang für die zwei Religionsparteien 18 garantiert, wie sie i m Jahre 1624 praktiziert worden war. 1 9 Damit war die Möglichkeit eröffnet, daß von der ecclesia dominans abweichende Religionen innerhalb eines Territoriums existieren konnten. In Folge dessen stellte sich die Frage nach der Rechtsstellung der unterschiedlichen Religionen und ihrer Organisationen sowie dem Maß zulässiger Religionsausübung innerhalb eines Landesgebiets. Die rechtstechnische Bearbeitung dieses Problems erfolgte zunächst durch eine Konzeption der Duldung von minoritären Religionen. Diese war mit einer unterschiedlichen Mischung aus Betätigungsfreiheiten und -verboten verbunden (religionsrechtliche Pluralisierung II). Insbesondere das Wirken der Minderheitenreligionen in der Öffentlichkeit wurde streng limitiert (cf. schon Art. 5 § 34 IPO: Beschränkung tolerierter Religionen auf Hausandachten). Eine explizite Kodifizierung fand das Recht zur Duldung anderer Religionsparteien in § 63 R D H von 1803, 2 0 der zugleich die Grundlage legte für eine i m 19. Jahrhundert sich durchsetzende vollständige Gleichstellung der Angehörigen der drei etablierten Konfessionen. Das Duldungsmodell wurde sukzessive in ein Modell individueller partizipativ-freiheitlicher Parität überführt. Die Garantie bürgerlicher und staatsbürgerlicher Gleichberechtigung unabhängig von der Konfessionszugehörigkeit fand in Art. 16 der Deutschen Bundesakte von 1815 Aufnahme 2 1 und beeinflußte maßgeblich entsprechende Vorschriften in den frühkonstitutionellen Verfassungen (religionsrechtliche Pluralisierung III/7). 22 A u f korporativer Ebene gestaltete sich dagegen die Loslösung organisatorischer und inhaltlicher Verzahnung von Staat und Religion und die formale Gleichstellung aller Religionsgesellschaften, insbesondere der sog. Sekten und kleineren Religionsgesellschaften komplizierter und langwieriger.

18 Einerseits die katholische Religionspartei, andererseits die evangelisch-lutherische und (in Erweiterung des Augsburger Religionsfriedens) reformierte als „koordinierte Zweige" der protestantischen Religionspartei - Art. 7 § 1 f. IPO; siehe auch K. Obermayer, BK, Art. 140 (Zweitb. 1971) Rdnr. 3. C. Link, Reformation, S. 21. 20 K. Obermayer, BK, Art. 140 (Zweitb. 1971) Rdnr. 10; dokumentiert in: E.R. Huber/W. Huber, Bd. 1, 1973, S. 19.

21 Abdruck bei E.R. Huber/W. Huber, Bd. 1, 1973, S. 115. Cf. gesamteuropäisch zur Gleichstellung der Bürger ungeachtet ihrer Konfessionen auch R. Rémond, Religion und Gesellschaft in Europa, 2000, S. 175 ff. 22 Siehe M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 136 WRV Rdnr. 2 m. w. N. in Fn. 2.

I. Die Traditionsbestände des Staatskirchentums

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2. Landesherrliches Kirchenregiment - Staatskirchentum Staatskirchenhoheit Von besonderer Prominenz für die lange und vielschichtige Verwebung von Staat und Kirche ist das - ungeachtet seiner theoretischen Inkompatibilität mit den reformatorischen Einsichten 2 3 - in den protestantischen Gebieten i m Zuge der Reformation ausgebildete und danach verfestigte landesherrliche Kirchenregiment. In seiner praktischen Erscheinung zeichnete sich dies durch ein spezifisches Konglomerat von staatlich-hoheitlichen und kirchenrechtlichen Aufsichts- und Gestaltungsrechten aus. Basis dieser Entwicklung war die Suspendierung der geistlichen Jurisdiktion der (katholischen) Bischöfe über den Landesherrn und seine Untertanen in den protestantisch gewordenen Länder. Die frei gewordenen iura episcopalia und damit als Nachfolger der Bischöfe in der Leitung der Kirche die Inhabung der iura in sacra beanspruchten hier nunmehr die „'mächtigsten Laien' (praecipua membra ecclesiae)", also die Landesherrn. 24 Eine theologische Rechtfertigung fand diese „Einsetzung des Landesherrn als ,Notbischof " i m aus vorref ormatori scher Zeit bekannten „Notrecht des Laienelements" 2 5 , eine staatsrechtliche Begründung erfuhr das landesherrliche Kirchenregiment mit den Theorien vom Episkopal-, Territorial- und Kollegialsystem. 2 6 M i t der skizzierten theologischen Rechtfertigung korrespondierte das (kanonistisch [!] und reichsrechtlich konstruierte) Episkopalsystem, nach dem das landesherrliche Kirchenregiment lediglich auf einer treuhänderischen Übertragung originärer Kirchenrechte bis zur Wieder-

23 Luthers sog. Zwei-Reiche-Lehre (insb. M. Luther, Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei [1523], in: ders., Ausgewählte Schriften, 2. Aufl. 1982, S. 26 ff.; näher B. Lohse, Luthers Theologie, 1995, S. 168 ff. und 333 ff. m. w. N.) streitet für eine funktionale wie organisatorische Trennung von Staat und Kirche, cf. Β. Jeand'Heur, Der Staat 30 (1991), 443 (443 f. und 445); M. Heckel, Staat und Kirche, S. 239; ders., VVDStRL 26 (1968), S. 5 (7); K. Obermayer, BK, Art. 140 (Zweitb. 1971) Rdnr. 6. Auch Calvin trat für eine Trennung von Staat und Kirche ein, wenn sich seine Vorstellungen von einer Einheit beider nicht verwirklichen ließen; G. J. Ebers, Staat, S. 26 f.; cf. zu Calvins Staatslehre J. Calvin, Institutio Christianae Religionis (1536), 5. Aufl. 1988, insb. S. 1033 ff. (20. Kapitel); R. Zippelius, Geschichte der Staatsideen, 2. Aufl. 1972, S. 72 ff.; W. Neuser, Dogma und Bekenntnis in der Reformation, in: Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte Bd. 2 1988, S. 265 ff. (dort m. w. Ν.); K. Heussi, Kompendium der Kirchengeschichte, 17. Aufl. 1988, S. 317 f. 24 K. Obermayer, BK, Art. 140 (Zweitb. 1971) Rdnr. 5. Zur Begriffsgeschichte des ius in sacra/ius circa sacra J. Heckel, Cura religionis, ius in sacra, ius circa sacra (1938), Nachdruck 1962, S. 59 ff. der insb. darlegt, daß eine eindeutige Trennung beider Ebenen ein spätes Produkt des „paritätischen, konstitutionellen Staates" ist.

25 B. Jeand'Heur, Der Staat 30 (1991), 442 (444); s. a. K. Obermayer, BK, Art. 140 (Zweitb. 1971) Rdnr. 5. 26 Siehe einführend A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 19 ff. unter Betonung des staatsrechtlichen Charakters der Theorien; B. Jeand'Heur /S. Korioth, S. 34 ff.; C. Link, Reformation, S. 22 ff.; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 140 Rdnr. 5.; B. Jeand'Heur, Der Staat, 30 (1991), 442 (446 ff.); aus geschichtswissenschaftlicher Sicht im gesamteuropäischen Vergleich W. Reinhard, S. 271.

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2. Kap.: Historische Aspekte

Vereinigung der Konfessionen gründete. 27 Dagegen legitimierte das Territorialsystem das landesherrliche Kirchenregiment souveränitätstheoretisch als Element der gleichen Staatsunterworfenheit aller gesellschaftlichen Erscheinungen. 28 Erst später, i m Zuge der sukzessiven Entlassung der Kirchen aus staatlicher Präponderanz, wurde schließlich die Kollegialtheorie praktisch bedeutsam, die die Selbstorganisation der Kirche als freiwilligen Zusammenschluß betonte, der i m Wege seiner vertraglichen Konstituierung dem Landesherrn in seiner Funktion als Mitglied des collegiums bestimmte kirchliche Rechte einräumte. 2 9 Die administrativen Aufgaben und damit die Episkopalrechte, die sich aus dem landesherrlichen Kirchenregiment ergaben, wurden besonderen Organen übertragen, die weitgehend staatlichen Charakter hatten 3 0 bzw. zunehmend bekamen und durch die die kirchliche Verwaltung maßgeblich in den Staatsapparat inkorporiert wurde. Doch auch in den katholischen Ländern, in denen der Landesherr nicht die Stellung des summus episcopus einnahm, sich also auf ein dem Anspruch staatlicher Souveränität entlehnten ius circa sacra beschränken mußte, entwickelten sich die Kirchen zu staatlichen Anstalten: unter dem Banner souveräner staatlicher Kirchenhoheit wurden Kirchenbeamte und Geistliche Staatsdiener; Religion wurde sowohl in den katholischen wie in den protestantischen Ländern zum „ M i t t e l des Polizeistaates, um staatliche Zwecke zu erreichen. Da er in der Religion und der christlichen Sittenlehre die sicherste Grundlage der staatlichen Ordnung erblickte, so sah er es als seine Aufgabe an, den Bürgern eine bestimmte Religion zu sichern, sie mit Zwang in ihr zu halten und zu einem entsprechenden Lebenswandel zu zwingen." 3 1 Zu diesem Behufe bediente sich der Staat der Religionsgesellschaften als „Erziehungsanstalten zur Heranbildung guter Bürger und als Polizeieinrichtungen zur Förderung des öffentlichen W o h l s " . 3 2 Ein entsprechendes Design hatte sein religionsrechtliches Instrumentarium. In prägnanter Weise spiegelt sich die staatliche Instrumentalisierung der Religion i m preußischen Allgemeinen Landrecht wider. 3 3 § 13 I I 11 verpflichtete die Religionsgesellschaften darauf, „ihren Mitgliedern Ehrfurcht gegen die Gottheit, Gehorsam gegen die Gesetze, Treue gegen den Staat und sittlich gute Gesinnung gegen ihre Mitbürger einzuflößen." 27 B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 34 f.; M. Heckel, Staat und Kirche, S. 237 ff. 28 K. Schiaich, ZRG KA 54 (1968), 269 ff.; C. Link, Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979, S. 292 ff.; ders., ZRG KA 86 (2000), 414 ff.; M. Heckel, Staat und Kirche, S. 241 ff. 29 K. Schiaich, Kollegialtheorie, 1969, bes. S. 133 ff. und 302 ff. 30 B. Jeand'Heur, Der Staat 30 (1991), 442 (445); K. Obermayer, BK, Art. 140 (Zweitb. 1971) Rdnr. 6. 31 G. J. Ebers, Staat und Kirche, S. 9. 32 K. Obermayer, BK, Art. 140 (Zweitb. 1971) Rdnr. 6. 33 Abgedruckt in: E.R. Huber/W. Huber, Bd. 1, 1973, S. 3 ff.

I. Die Traditionsbestände des Staatskirchentums

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Auch die Differenzierung besonders ausgezeichneter und lediglich tolerierter, i m öffentlichen Wirken begrenzter Religionsgesellschaften ist i m A L R enthalten. §§ 17 ff. I I 11 A L R widmeten sich den „ v o m Staate aufgenommenen Kirchengesellschaften" und kontrastierten diese mit lediglich geduldeten. Ersteren wurden „die Rechte privilegirter Corporationen" verliehen. Solche Gesellschaften waren, da sie im Sinne des A L R fortdauernde gemeinnützige Zwecke verfolgten, „öffentliche Korporation" und damit auf dem Gebiet des Privatrechts rechtsfähig (cf. infra II.). Bloß geduldeten Kirchengesellschaften dagegen war nur die Veranstaltung von Privatgottesdiensten gestattet; öffentliche Feiern außerhalb der eigenen Versammlungsstätten oder Glockengeläut waren ihnen ebenso untersagt wie der Erwerb von Eigentum ohne vorherige Erlaubnis des Staates. In dieser Unterscheidung von aufgenommenen und geduldeten Religionsgesellschaften scheinen die beiden religionsverfassungsrechtlichen OrganisationsVorschriften der Art. 137 II, I V WRV einerseits und Art. 137 V W R V andererseits angelegt. 34 Früher als andere Länder verarbeitete Preußen aber auch den konfessionellen Pluralismus innerhalb der eigenen Grenzen, bedingt durch den zeitweiligen Zerfall der Landeskirche in zwei selbständige, lutherische und reformierte Zweige (1615 bis zur Gründung der Union 1817) und durch die Eingliederung neuer, katholisch dominierter Territorien. 35 In Reaktion hierauf erfolgte eine prinzipielle Gleichstellung „der drei Hauptkonfessionen der christlichen Religion" (religionsrechtliche Pluralisierung III/2). 36 Das landesherrliche Summepiskopat als besondere Kirchengewalt fand deshalb keinen (deutlichen) 3 7 Niederschlag i m A L R , statt dessen wurde die staatliche Kirchenhoheit über alle Religionsgesellschaften unterstrichen. Zugleich wurde die römisch-katholische Kirche als gleichberechtigte - privilegierte - Korporation anerkannt, was wiederum den Wandel der Fundierung des Rechtsstatus der Kirchen von einer primär theologischen Begründung zu einer primär sozialen voraussetzte: In deutlicher Anlehnung an die Kollegialtheorie war nach § 11 I I 11 A L R der Wille der Mitglieder zu gemeinsamer religiöser Praxis konstitutiv für eine Kirchgesellschaft, nicht aber göttliche Einsetzung oder Beauftragung. „Der säkulare Staat bahnte sich a n . " 3 8 34 Zur Bedeutung des ALR für die heutige Ausgestaltung des Art. 137 II, V WRV auch P. Kirchhof, HdbStKirchR 2 I, S. 651 (659 f.); S. Muckel, Der Staat 38 (1999), 569 (572 f.); ferner zur Fortwirkung des ALR bis in die Gegenwart des Staat-Kirche-Verhältnisses H.-W. Strätz, Civitas 11 (1972), 156 ff. 35 G. J. Ebers, Staat und Kirche im neuen Deutschland, 1930, S. 17. 3 6 Wie es im Wöllnerschen Religionsedikt von 1788 heißt. Neben der fortschrittlich-paritätischen Dimension ist dem Edikt freilich auch durch die besondere Verpflichtung evangelischer Geistlicher auf die Bekenntnisschriften eine aufklärungskritische Komponente enthalten, siehe G. Goeters, Bekenntnis und Staatskirchenrecht, in: ders./R. Mau (Hrsg.), Die Geschichte der Evangelischen Kirche der Union, Bd. 1, 1992, S. 46 (47-51); O. Friedrich, Einführung in das Kirchenrecht, 1961, S. 98 f. Faktisch setzt sich die Gleichstellung dann im ALR fort. 37

Siehe aber die besondere Regelung protestantischer „Consistoria" in §§ 143- 146 II 11

ALR. 6 Heinig

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2. Kap.: Historische Aspekte

3. Emanzipation und Restauration: das 19. Jahrhundert Der Prozeß der institutionellen Ausdifferenzierung, der mit dem „Auseinandertreten der drei Rechtskreise, des katholischen, des evangelischen und des staatlichweltlichen Rechts" 3 9 i m konfessionellen Zeitalter begann, fand im 19. Jahrhundert, katalysiert durch die Aufklärung, einen vorläufigen Abschluß durch die zunehmende kirchenpolitische und organisatorische Selbständigkeit der Kirchen sowie die - etwa in der Kollegialtheorie schon länger angelegte - nunmehr effektiv gewordene theoretische und rechtliche Absicherung dieses Prozesses. Die Zeit markiert den abschließenden Übergang vom Staatskirchentum zur von der landesherrlichen Kirchengewalt geschiedenen Staatskirchenhoheit und zugleich mit der (gescheiterten) bürgerlichen Revolution von 1 8 4 8 / 4 9 4 0 den Beginn umfassender Religions- und Kirchenfreiheit. 4 1 Forciert wurde diese Entwicklung durch den Reichsdeputationshauptschluß von 1803, der durch die Neugliederung der Länder zur entgültigen Auflösung der konfessionellen Geschlossenheit der meisten Territorien und damit zur rechtlichen Gleichstellung der Konfessionen (s. o.) führte. Dies nötigte praktisch zu einer Trennung der aus der Staatshoheit folgenden Aufsicht über alle Kirchen und dem ius episcopale des Landesherrn. Ausdruck fand diese Entwicklung etwa in der allmählichen organisatorischen Verselbständigung der evangelischen Kirchen durch die Bildung von landeskirchlichen Konsistorien und ihrer Trennung von den die Kirchenhoheit über alle Religionsgesellschaften ausübenden Kultusministerien. 4 2 Die ideelle Fundierung dieses Prozesses erfolgte durch die Rezeption des seit dem 17. Jahrhundert bekannten Kollegialismus. Demgemäß wurden Religionsgesellschaften mit dem Modell freier Assoziation beschrieben, was zu einer präziseren theoretischen Scheidung von staatlicher Kirchenhoheit als Unterform der allgemeinen Vereinshoheit des Landesherrn und einer vertraglich-treuhänderischen Über38 M. Friedrich, Die Anfänge des neuzeitlichen Staatskirchenrechts, in: G. Brakelmann/ N. Friedrich/T. Jähnichen (Hrsg.), Auf dem Weg zum Grundgesetz, 1999, S. 13 (18). Trotz des deutlichen Einflusses der Kollegialtheorie auf die Kodifikation des ALR blieb freilich eingedenk der vielfältigen Aufsichtsrechte des Staates (§§ 21, 32, 47, 82, 118, 161 f. II 11 ALR) der frühaufklärerische Territorialismus dominant, ebenda, S. 19; P. Landau, Das Kirchenrecht des Allgemeinen Preußischen Landrechts für die Preußischen Staaten im 19. Jh., in: B. Dölemeyer/H. Mohnhaupt (Hrsg.), 200 Jahre Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten, 1995, S. 145 (148 f.). 39 M. Heckel, ZevKR 12 (1966/67), 1 (13). 40 Cf. Th Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866, 1983, S. 661 ff.; aus verfassungsgeschichtlicher Sicht D. Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte 1776-1866, 1988, S. 204 ff. 41 Für die Prozesse in der evangelischen Kirche etwa J. Mehlhausen, Kirche zwischen Staat und Gesellschaft, in: G. Rau/H.-R. Reuter/K. Schiaich (Hrsg.), Das Recht der Kirche, Bd. 2, 1995, S. 193 ff.; im europäischen Vergleich W. Reinhard, S. 277 ff.; christentumsgeschichtlich K. Nowak, Geschichte des Christentums in Deutschland, 1995, S. 35 ff., 72 ff. und öfter. 42 Cf. E.R. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. I, 2. Aufl. 1967, S. 393 ff.; Bd. IV, 2. Aufl. 1982, S. 839.

I. Die Traditionsbestände des Staatskirchentums

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tragung der Kirchenleitung als eigentlichem landesherrlichem Kirchenregiment führte. 4 3 Allerdings blieb die Ausbalancierung von Kirchenhoheit und Kirchenfreiheit im 19. Jahrhundert prekär. Dies zeigte sich besonders an der Situation der katholischen Kirche. Der Reichsdeputationshauptschluß brachte für sie den Wegfall der geistlichen Territorialhoheit der katholischen Bischöfe. Die Auflösung der feudalen Kirchenverfassung und der weltlichen Hoheitsrechte führte einerseits zu einer institutionellen Lösung der katholischen Kirche aus den administrativen Strukturen der Terri tori al herren. Mangels organisatorischer Verwebungen mit dem Staatsapparat war sie nur noch den begrenzten iura circa sacra ausgesetzt, andererseits umfaßten diese weiterhin auch Aufsichtsrechte über innerkirchliche Vorgänge. 4 4 Auch gab es etwa i m sog. Kulturkampf ( 1 8 7 0 - 1 8 7 8 ) 4 5 immer wieder Bestrebungen, „das absolutistische Staatskirchentum zu erneuern". 46 Einen Quantensprung in dem Prozeß der Trennung von Staat und Religionsgesellschaften hätte § 147 der Paulskirchenverfassung von 1848/1849 bedeutet, die jedoch nie in Geltung gelangte. Dieser Paragraph bezweckte die Beseitigung jeglicher Aufsichtsrechte des Staates: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. Keine Religionsgesellschaft genießt vor den anderen Vorrechte durch den Staat; es besteht fernerhin keine Staatskirche." 47 Die hier angestrebte Trennung von Staat und Kirche realisierte sich gesamtdeutsch zwar erst 1919 durch die Weimarer Reichsverfassung, prägte als ideelles Vorbild aber fortan die rechtliche Stellung der Religionsgesellschaften. So betonte die preußische Verfassung von 1850 einerseits in Art. 14 noch die Zugrundelegung der christlichen Religion bei der Ausübung der Staatsgeschäfte, gewährte aber andererseits in Art. 15 die Selbstverwaltung aller Religionsgesellschaften. 48 Daneben etablierte Art. 13 der preußischen Verfassung von 1850 eine neue Stufe partizipativer Parität und eröffnete

43 B. Jeand'Heur, Der Staat 30 (1991), S. 442 (448 f.). Die Kollegialtheorie stellt damit die Geburtsstunde eines Religionsrechts als Bestandteil eines allgemeinen Verbänderechts dar. 44 [J. Κ Preuß, AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 140 Rdnr. 5 mit Verweis auf das landesherrliche placet zu kirchlichen Erlassen, die Vorlagepflicht von Anordnungen rein geistlichen Inhalts, Kontrolle der Kommunikation mit dem Heiligen Stuhl oder Anrufungsmöglichkeit staatlicher Stellen gegen kirchliche Disziplinarakte (Verfassung Bayern 1818 Tit. IV § 9 V; Kurhessen 1831 § 135). 45 Siehe etwa Th. Niperdey, Deutsche Geschichte 1866- 1918, Bd. 2, 1992, S. 364 ff.; R. Morsey, Essener Gespräche 34 (2000), S. 5 ff. m. w. N. 46 A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 35. 47 Abgedruckt in: E.R. Huber/W. Huber, Bd. 2, 1976, S. 33. Näher J.-D. Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985, S. 479 ff.; H. Zwirner, ZRG KA 73 (1987), 210 ff.; P. Landau, Die Entstehung des neueren Staatskirchenrechts in der deutschen Rechtswissenschaft der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: W. Schieder (Hrsg.), Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, 1993, S. 29 (33 ff.). 48 Im Zuge des Kulturkampfes wurde dieses Verfassungsrecht 1875 aufgehoben; cf. a. C. Link, Staat und Kirchen im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert (1984), in: ders., Staat und Kirche in der neueren deutschen Geschichte, 2000, S. 49 (56 f.). 6=

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2. Kap.: Historische Aspekte

die Möglichkeit, auch den bisher nicht korporierten Religionsgesellschaften die Korporationsrechte zu verleihen (religionsrechtliche Pluralisierung IV). Dieser Rechtsstand erinnert an Art. 137 V 2 WRV. Allerdings war in Preußen mit dem Begriff der Korporation selbst vornehmlich die Rechtspersönlichkeit verbunden. Damit unterschied sich das norddeutsche Korporationsverständnis von der staatskirchenrechtlichen Begriffsbildung in Süddeutschland i m 19. Jahrhundert. Diese Differenz soll i m folgenden Abschnitt genauer betrachtet werden. Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, daß sich das rechtliche Verhältnis von Staatlichkeit und organisierter Religion seit deren Ausbildung als funktional geschiedene Bereiche vielfältigen Wandlungen unterlag. Diese Veränderungen können als Prozeß der Befreiung von Vereinnahmung und damit als Anerkennung jeweiliger Selbstzweckhaftigkeit sowie als Prozeß der Verarbeitung religiöser Pluralisierung und - indiziert durch die zunehmende Bedeutung grundrechtlich gewährleisteter Religionsfreiheit - religiöser Individualisierung typisiert werden.

II. Begriffs- (und forschungs)geschichtliche Notizen: Religionsgesellschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts 1. Die Idee der rechtlichen Körperschaft Religionsrecht ist verstrickt in Begriffsgeschichten. 49 Eine archäologische Erkundung des „Körperschaft"-Begriffs erinnert daran, daß die - heute selbstverständlich erscheinende - Konstruktion eines von natürlichen Personen geschiedenen „sozialen Körpers", der unabhängig vom konkreten Mitgliederbestand Träger eigener Rechte und Pflichten ist, einen geistesgeschichtlich überaus voraussetzungsvollen und langwierigen Prozeß darstellt. 5 0 Ansätze einer Verdichtung der Körpermetapher zu einem rechtlich bedeutsamen Begriff der Körperschaft finden sich bereits i m römischen Recht, schon hier werden auch christliche Kongregationen als „corpus" oder synonym: „collegium" bzw. „universitas" - bezeichnet. Doch die Ausbildung systematisierender, reflektierter Korporationstheorien kam ideengeschichtlich erst i m späten Mittelalter durch die kanonistische Rezeption und Verarbeitung der romanischen Körperschaftstheoreme zu einem gewissen Abschluß. Sie erfuhr insbesondere durch die Applizierung des korporationsbezogenen Begriffsapparates auf die Organisationsstruktur der Kirche wertvolle Impulse. 5 1

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In Anlehnung an W. Schapp, In Geschichten verstrickt, 2. Aufl. 1981. W. Krawietz, Art. Körperschaft, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 4, 1976, Sp. 1102. 51 W. Krawietz, Art. Körperschaft, Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 4, 1976, Sp. 1102 ff. 50

II. Religionsgesellschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts

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Die Vorstellung einer sozialen Identität nicht-naturaler gesellschaftlicher Entitäten wurde von Anfang an maßgeblich bedingt durch die Ausbildung organisationsspezifischen Zweckhandelns, wie dies für die administrativen Strukturen der Kirchein) oder Städte und Gemeinden üblich war und ist. Die rechtsförmige Verarbeitung derartiger Konstruktionen wurde erleichtert durch die Aufnahme komplexer werdender Repräsentationsvorstellungen und die Implementierung der „Organ"Metapher in die Korporationstheorien. Für das Verständnis der Kirche als Korporation war deshalb insbesondere die Ämterordnung und ihre theologische Reflexion von Bedeutung. Dieser gesamte Prozeß stellt freilich bis zur Naturrechtslehre des 18. Jahrhunderts für eine rechtsorientierte Geschichtsskizze des Begriffs „Körperschaft des öffentlichen Rechts" nicht mehr als ein Präludium dar, flössen doch sozialtheoretische, rechtliche und ekklesiologisch-theologische Aspekte bis dahin nahtlos ineinander, war eine Scheidung von öffentlichem und privatem Recht für das juristische Denken nicht konstitutiv. 5 2 Festzuhalten gilt aber, daß ausgehend von den römischen Wurzeln über die Kanonistik und Legistik wesentliches Bezugsproblem körperschaftlicher Rechtskonstruktionen die Frage eigener Rechtspersönlichkeit mitgliedschaftlicher Organisationen über die Summe der Rechte natürlicher Personen hinaus und unabhängig vom konkreten Mitgliederbestand war.

2. Organisierte Religion und die öffentlich-rechtliche bzw. öffentliche Ausprägung von Körperschaften Stellt man die Optik schärfer und fokussiert die Begriffgeschichte der öffentlich-rechtlichen Körperschaft, zeigt sich, daß die heutige Deutung der Entwicklungsgeschichte des Terminus „öffentliche Körperschaft" überwiegend verbunden wird mit der Frage nach der Verhältnisbestimmung von „Staat" und „Gesellschaft" seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert und zwar mit dem liberal-bürgerlichen Streben nach allgemeiner Assoziierungsfreiheit einerseits und mit einer Sphäre staatsnaher, aber mitgliedschaftlich selbstverwalteter gesellschaftlicher Öffentlichkeit andererseits. 53 I m einzelnen sind hier viele Fragen im Schrifttum äußerst streitig. Insbesondere die Wurzeln der begrifflichen Ausdifferenzierung von öffentlichen und privaten Körperschaften aus einer „unitarischen" Korporationslehre und der Einfluß kirchenrechtlicher Organisationstheorien hierauf ist Gegenstand der Kontroverse. Für den Kontext der hiesigen Arbeit ist diesen Fragen jedoch nicht en detail nachzugehen. Sie sind hier nur soweit von Interesse, als sie für das Verständnis der 52 O. v. Gierke, Genossenschaftsrecht, Bd. 2, 1873, S. 26 ff.; H. Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, im System des Grundgesetzes, 1966, S. 46; G. Schmidt-Eichstaedt, Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts?, 1975, S. 10. 53 Mit unterschiedlicher Prononcierung E. Forsthoff, Die öffentliche Körperschaft im Bundesstaat, 1931; K.-J. Bieback, Die öffentliche Körperschaft, 1976.

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2. Kap.: Historische Aspekte

grundgesetzlichen Rechtsstellung öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften erheblich sind. Von Relevanz ist in dieser Perspektive vor allem der divergierende Gebrauch und die unterschiedliche Bedeutung des Körperschaftsbegriffs für religiöse Organisationen, wie sie maßgeblich Alfred Endrös herausgearbeitet hat. Zum Verständnis der Endrösschen Studien ist ihre zeitliche Situierung und damit das aus dem historischen Kontext rekonstruierbare forschungsleitende Interesse nicht unerheblich. Ernst Forsthoff legte 1931 eine Studie vor, in der er den Ursprung des Begriffs „öffentliche Körperschaft" dezidiert in der Ausbildung der gemeindlichen Selbstverwaltung ausmachte und die kirchlichen Korporationsformen eher bei Gelegenheit erwähnte. 5 4 Hiergegen versuchte Alfred Endrös 1938 den Nachweis zu führen, daß der begriffliche Nukleus der öffentlich-rechtlichen Körperschaft ausschließlich im territorialistischen System des Staatskirchenrechts lag. 5 5 Wenn Forsthoff 1931 die öffentliche Körperschaft als politischen Begriff definierte, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus dem Gegensatz von Staat und Gesellschaft entstanden sei, war - wenn nicht bei Forsthoff, so doch für den Rezipienten zwischen 1933 und 1945 - damit die Illegitimität dieses ganzen Rechtstypus unter Einschluß des Status der Kirchen nach Art. 137 V WRV konnotiert. Schließlich war es rechtspolitisches wie „rechtsdogmatisch" 5 6 wirksames nationalsozialistisches Programm, derartige Ingredienzien moderner Denkweise wie die Gegenüberstellung von Staat und Gesellschaft und die Vorstellung von gesellschaftlichen Freiheit gegenüber leviathanischer Machtfülle zu „überwinden". A u f diese Delegitimierungspotenz der Forsthoffschen Analyse hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Rechtsstatus der Kirchen reagierte Endrös. Seiner „Quellensammlung zur Entstehung des Begriffs Körperschaft des öffentlichen Rechts'" aus dem Jahre 1938 ist in der dezidierten Abgrenzung zu Forsthoff deutlich die Bemü54 E. Forsthoff, 1931. 55 A. Endrös, Entstehung und Entwicklung des Begriffs „Körperschaft des öffentlichen Rechts", 1985. Das Werk setzt sich im wesentlichen zusammen aus einer 1938 als Dissertation entstandenen „Quellensammlung zur Entstehung des Begriffs Körperschaft des öffentlichen Rechts", sowie einer damit thematisch korrespondierenden Abhandlung „Zur Entstehung und Entwicklung des Begriffs Körperschaft des öffentlichen Rechts" aus dem Jahre 1983 (Erstabdruck: ZRG KA 100 [1983], 292 ff. und 441 ff.). Für die Annahme einer Begriffsentwicklung anhand der Kirchen auch H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 52 mit Verweis auf K. Hesse, Der Rechtsschutz durch staatliche Gerichte im kirchlichen Bereich, 1956, S. 66; H. Rosin, Das Recht der öffentlichen Genossenschaft, 1886, S. 35 ff. und Ο. Friedrich, S. 482). A. Endrös, S. 43 nennt ferner E. Friesenhahn, HdbStKirchR 1 I, S. 545 (548); G. Held, Die kleinen öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften im Staatskirchenrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1974, S. 29; M. Heckel, Staat und Kirche, S. 225 und A. v. Campenhausen, ÖAfKR 20 (1969), 173 (174) als Vertreter der Theorie eines staatskirchenrechtlichen Primärbezuges der Begriffsbildung; cf. a. Α. Endrös, ZevKR 39 (1994), 44 (46 ff.). 56 Von Dogmatik de lege artis kann selbstredend nicht gesprochen werden; zum Postulat der Beachtlichkeit des nationalsozialistischen Parteiprogramms für die Rechtsanwendung in damaliger Zeit C. Schmitt, JW 1933, 2793; ders., JW 1934, 713 ff.; s. a. B. Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 4. Aufl. 1991, S. 175 f.; ders., Entartetes Recht, 1994, S. 106 f.

II. Religionsgesellschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts

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hung abzulesen, die öffentlich-korporierte Rechtsstellung der Religionsgesellschaften nicht als Produkt bürgerlicher Emanzipationsbemühungen erscheinen zu lassen. 57 Insbesondere Endrös' zusammenfassende Schlußfolgerungen lesen sich wie eine Verteidigungsschrift des kirchlichen Rechtsstatus, indem sein besonderer Ursprung und seine eigene Begriffsentwicklung betont wird. In dem Versuch, den Begriff der Körperschaft des öffentlichen Rechts auf einen staatskirchenrechtlichen Ursprung zurückzuführen und ihn begriffsgeschichtlich in seinem besonderen staatskirchenrechtlichen Bedeutungsstrang bar jeder liberalen Prägung erhalten zu wissen, mag Endrös deshalb an mancher Stelle in thetischer Zuspitzung und Konstruktion divergierender Begriffsstränge überspannen. 58 Dessen eingedenk scheint es gleichwohl lohnenswert, die von Endrös diagnostizierte territoriale Diversifizität des Körperschafts Verständnis in Bezug auf Religionsgesellschaften nachzuzeichnen. Erst auf dieser Grundlage erschließen sich nämlich maßgebliche Fragen zu den Verfassungsverhandlungen zur Weimarer Reichsverfassung und zum Grundgesetz und von dort ausgehend zur Bedeutung des Körperschaftsstatus für Religionsgesellschaften nach dem Grundgesetz insgesamt. Nach Endrös' Analysen erfolgte die ersten Ausbildung des Begriffs der öffentlichen Korporation sowohl in Preußen wie in Süddeutschland unter dem Einfluß der Territorialtheorie. In der Folge variierten aber die beim Korporationsbegriff für Religionsgesellschaften i m Vordergrund stehenden Bezugsfelder: in Norddeutschland stand die Rechtsfähigkeit i m Mittelpunkt (a), in Süddeutschland dagegen eine Auszeichnung von Religionsgesellschaften als Element der öffentlichen Ordnung (b).

a) Preußisches ALR Markanter Anknüpfungspunkt für eine begriffsgeschichtliche Rekonstruktion der „Körperschaft des öffentlichen Rechts 4 ' im deutschen Staatskirchenrecht ist üblicherweise das oben bereits kurz skizzierte preußische Allgemeine Landrecht. 5 9 Der erste Abschnitt des II. Teils, 11. Titel des A L R unterschied zwischen öffentlich aufgenommenen und genehmigten Kirchengesellschaften einerseits und nicht öffentlich aufgenommenen Kirchengesellschaften andererseits. Während ersteren die „Rechte privilegirter Corporationen" zukamen, genossen letztere „nur die Befugnisse geduldeter Gesellschaften". Die Kirchengesellschaften wurden auf diese Weise dem allgemeinen Gesellschaftsrecht des A L R eingeordnet: privilegierte Korporationen auf der einen Seite, bloß erlaubte Privatgesellschaften auf der anderen Seite. 6 0 57 A. Endrös, S. 177 ff. 58 K.-J. Bieback, S. 19 f. und öfter. Zumindest eine gewisse Mitprägung der Ausbildung von öffentlichen Körperschaften durch die organisatorischen Erscheinungen des Staatskirchentums wird man aber konstatieren müssen, wobei der Stellenwert dieses Beitrags durchaus zur Rede steht. 59

So bei H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 46 f.; G. Schmidt-Eichstaedt,

S. 6 ff.

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2. Kap.: Historische Aspekte

§ 25 I I 6 A L R nahm den Begriff der privilegierten Gesellschaft auf, soweit sie „sich zu einem fortdauernden gemeinnützigen Zweck verbunden haben". Dazu zählten die Land- und Stadtgemeinden, die Zünfte, die Universitäten und die kirchlichen Gemeinden. 61 Ihnen allen wurde die Stellung der „Korporationen und Gemeinen" zugeschrieben, was nach §§ 81 f. I I 6 A L R die Rechtsfähigkeit auf dem Gebiet des Privatrechts bedeutete, oder in der Sprache der preußischen Kodifikation: sie stellten „ i n den Geschäften des bürgerlichen Lebens eine moralische Person vor und werden daher in Rücksicht auf ihre Rechte und Pflichten gegen andere außer ihnen nach eben den Gesetzen wie Einzelmitglieder des Staates beurteilt". Die Landeskirchen selbst freilich kamen nicht in den Genuß dieses Rechtes, die Rechtsfähigkeit von Kirchengesellschaften beschränkte sich auf die Gemeindeebene. 62 Als Synonym für die Rechtsstellung der „Korporationen und Gemeinen" wurde im A L R auch die Bezeichnung der „öffentlichen Korporation", der „öffentlichen Gesellschaft" oder der „privilegierten Korporation" verwendet. Jeweils bezeichnete dies einen (durch den verfolgten gemeinnützigen Zweck determinierten) Gegensatz zu den (eigennützig motivierten) Privatgesellschaften. Doch eine Scheidung zwischen öffentlichen und privaten Gesellschaften i m Sinne der heutigen Differenzierung von Korporationen des öffentlichen und privaten Rechts war dem A L R fremd. 6 3 Erst im Laufe der Zeit etablierte sich ein - auch auf die Kirchen zugeschnittener - Typus der öffentlich-rechtlichen Körperschaft in Preußen unter Fortbildung des § 69 I I 10 A L R , der „gewissen" Korporationen und Gemeinen die Fähigkeit zuschrieb, mittelbare Staatsbeamte zu haben. 6 4 Das A L R kannte mit §§ 25 I I 6 und § 69 I I 10 A L R (Gemeinnützigkeit und mittelbare Beamtenschaft) somit zwar zwei Ansatzpunkte, die eine klare Differenzierung gegenüber privatrechtlichen Korporationen sukzessive markieren konnten. I m ursprünglichen Zuschnitt aber war die uns heute bekannte Zweiteilung in öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Korporationen nicht vorgesehen. 65 60

Siehe auch P. A. Luxemburger, Die Religionsgesellschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts im Freistaate Preußen, 1926, S. 9 ff.; H. Rosin, S. 35 ff.; H.- W. Strätz, Civitas 11 (1972), 156 (165 ff.). 61 Siehe die Nachweise bei G. Schmidt-Eichstaedt, S. 12. Die Gemeinnützigkeit der Kirchengesellschaften ergab sich normativ aus ihrer Verpflichtung, „ihren Mitgliedern Ehrfurcht gegen die Gottheit, Gehorsam gegen die Gesetze, Treue gegen den Staat und sittlich gute Gesinnungen gegen ihre Mitbürger einzuflößen" - §§ 13 II 11 ALR. 62 G. Anschiitz, Die Verfassungs-Urkunde für den preußischen Staat, Bd. 1, 1912, S. 199; G. Schmidt-Eichstaedt, S. 12 f. 63 A. Endrös, S. 17; S. Muckel, Der Staat 38 (1999), 569 (573). 64 A. Endrös, S. 19, 82 ff. 65 E. Hubrich dagegen will einen Typus der öffentlich-rechtlichen Körperschaft schon im ALR ausmachen; E. Hubrich, Archiv für bürg. Recht 33 (1909), 22 ff.; ders., Archiv für bürg. Recht 43 (1917- 1919), 1 ff.; ders., Gruchots Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts 62 (1918), 1 ff., 158 ff.; dagegen L. Waldecker, Über den Begriff der Korporation des öffentlichen Rechts nach preußischem Recht, 1913, S. 76 f.; A. Endrös, S. 168 ff.

II. Religionsgesellschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts

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Für Endrös liegt die Funktion der Zuordnung einer Gesellschaft zur Gruppe der privilegierten Korporation nach preußischem Recht deshalb wesentlich in der Verleihung der Rechtsfähigkeit i m Privatrecht. Diesen Befund kann er unterstreichen durch den Verweis auf Art. 13 der preußischen Verfassung von 1850, in dem die Verleihung der Rechtsfähigkeit an Religionsgesellschaften als eine Verleihung der Korporationsrechte bezeichnet wurde. 6 6 Der religionsverfassungsrechtliche Korporationsbegriff in Art. 13 der preußischen Verfassung entbehrte in dieser Betrachtung der Qualität eines öffentlich-rechtlichen Sonderstatus. Das A L R sah freilich durchaus religionsspezifische Sonderregelungen für die unterschiedlich organisierten religiösen Korporationen vor (§§ 17 ff. I I 11 A L R s. ο. I. b.). Die öffentlich aufgenommenen Kirchengesellschaften waren im A L R mit insbesondere die Religionsausübung betreffenden Sonderrechten bedacht, die über die Frage der Privatrechtsfähigkeit deutlich hinausführten. Sie wurden auch in Preußen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Teil der öffentlichen Ordnung, als „Staatsanstalten 4 ' begriffen, über die der Staat gemäß § 32 I I 11 A L R als Ausdruck der vorherrschenden Territorialtheorie - wachte. Dieser Aspekt des Rechtsstatus öffentlich aufgenommener Kirchengesellschaften nach dem A L R erfährt in den Ausführungen von Endrös eine eher marginalisierende Würdigung. Für ihn manifestiert sich die Sonderstellung der Kirchen i m A L R und in der preußischen Verfassung von 1850 weniger am Korporationsbegriff selbst als in den gesonderten rechtlichen Privilegien für das kirchengesellschaftliche Wirken.

b) Süddeutsches Religionsrecht Anders dagegen entfaltete sich nach Endrös der staatskirchenrechtliche Entwicklungsstrang des Körperschaftsbegriffs in Süddeutschland, vor allem in Bayern und Baden und von dort ausgehend in Sachsen, wo der Begriff der „Körperschaft des öffentlichen Rechts" erstmals explizit benutzt wurde. 6 7 Die Kategorie der eigenen Rechtspersönlichkeit sei in diesem Rechtsstrang für Religionsgesellschaften unerheblich gewesen. Für den süddeutschen Typ öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften habe vielmehr die Begriffsbildung des Frühaufklärers Samuel Pufendorf Pate gestanden. 68 66

A. Endrös, S. 145. Art. 13 der preußischen Verfassung von 1850 lautet: „Die Religionsgesellschaften, so wie die geistlichen Gesellschaften, welche keine Korporationsrechte haben, koennen diese Rechte nur durch besondere Gesetze erlangen." Art. 31: „Die Bedingungen, unter welchen Korporationsrechte ertheilt werden, bestimmt das Gesetz". 67 Zur Stammfunktion des sächsischen Gesetzessprache A. Endrös, S. 29 und 153; ders., ZevKR 33 (1988), 285 (293 f.); ferner P. Landau, Entstehung, S. 39 Fn. 39. Dies unterschiedliche landesrechtliche Ausgestaltung spiegelt sich in den Überlegungen bei G. Schmidt-Eichstaedt, S. 15 ff. nicht wider; cf. Λ. Endrös, ZevKR 39 (1994), 45 (46 ff.). 68 Das ALR dagegen machte sich von den zahlreichen naturrechtlichen korporativen Systembildungen frei und übernahm keine der vorherigen terminologischen Einteilungen in

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2. Kap.: Historische Aspekte

Pufendorf prägte in seinem Werk „De iure naturae et gentium" den Begriff der personae morales publicae, die in personae sacrae et politicae unterteilt wurden. Solchen durch den Souverän konstituierten - auch corpora publica genannten Organisationsformen gegenüber stehen die corpora privata als bürgerliche Vereinigungen. Da nach Pufendorfs Lehre u. a. auch Familien zu den personae morales zählten, geht das Merkmal der Rechtsfähigkeit, der juristischen Persönlichkeit, mit dem Begriff nicht einher. 6 9 Das „Edikt über die äußeren Rechtsverhältnisse der Einwohner des Königreichs Bayern in Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften" vom 24. März 1809 lehne sich nun - so Endrös - an diese Pufendorfsche naturrechtliche Theorie öffentlicher Korporationen deutlich an. In Übereinstimmung mit dem A L R wurde in diesem Edikt zwar zwischen öffentlich aufgenommenen und nur geduldeten Kirchengesellschaften unterschieden. 70 Endrös weist aber nach, daß die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit mit dem Korporationsstatus in Bayern - anders als i m preußischen A L R - nicht notwendig verbunden war. Kirchengesellschaften konnten in Bayern öffentliche Korporationen darstellen, ohne Rechtspersönlichkeit zu besitzen. Funktion des öffentlichen Korporationsstatus wäre deshalb einzig, die Stellung der Kirche „als Bestandteil der öffentlichen Ordnung zum Ausdruck" zu bringen. 7 1 Ein so verstandener Begriff öffentlich korporierter Kirchengesellschaften bildete sich auch in Baden, Württemberg und Hessen heraus und wirkte auf Sachsen über. 7 2 Während in Norddeutschland bis Ende des 19. Jahrhunderts in Bezug auf Religionsgesellschaften ein privatrechtlich dominierter Körperschaftsbegriff vorherrschte und das besondere staatskirchliche bzw. staatskirchenhoheitliche Gepräge der Kirche-Staat-Beziehungen sich jenseits der „Körperschafts"-Terminologie artikulierte, kennt die Gesetzgebung in Süddeutschland für Kirchengesellschaften eine besondere, selbständige Typisierung dieser als öffentliche oder öffentlich-rechtliche Körperschaft - so das Ergebnis der Endrösschen begriffsgeschichtlichen Untersuchung. Nun mag man die Divergenz zwischen süddeutscher Systembildung und den durch Preußen geprägten norddeutschen Ausprägungen eines staatskirchenrecht-

nuce, sondern stellte eine spezifische Neukombination einzelner Elemente dar. Siehe näher zu den einzelnen naturrechtlichen Systemen von Pufendorf, Boehmer, Scheidelmantel und Majer einerseits sowie Wolffund Nettelbladt andererseits, K.-J. Biehack, S. 29 ff.; A. Endrös, S. 57 ff. 69 A. Endrös, S. 12 f., 57 ff.; siehe auch S. Muckel, Der Staat 38 (1999), 569 (572). 70 § 32 lautet: „Die mit Unserer ausdrücklichen Genehmigung aufgenommenen Kirchengesellschaften genießen die Rechte öffentlicher Corporationen"; § 36: „Eine Religionsgesellschaft, welche die Rechte öffentlich aufgenommener Kirchengesellschaften nicht erhalten hat, wird nicht als eine öffentliche Corporation, sondern als eine Privatgesellschaft geachtet". 71 A. Endrös, S. 114; cf. zu dieser Dimension des Körperschaftsstatus auch J. Heckel, FS E. Kaufmann, 1950, S. 83 (100 f. insb. Fn. 102); ders., FS R. Smend, 1952, S. 103 (107 und 119 f.). 72 A. Endrös, S. 122 ff.

II. Religionsgesellschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts

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liehen Korporationsbegriffs für geringer halten als Endrös. Auch der generalisierende Transfer des von ihm vorgestellten Befundes aus dem Staatskirchenrecht auf andere Erscheinungen öffentlicher Körperschaften läßt sich in Zweifel ziehen. 7 3 Gleichwohl belegt Endrös' Quellensammlung, daß mit der Bezeichnung von Religionsgesellschaften als (öffentliche) Korporationen trotz terminologischer Deckung zwischen den einzelnen Ländern ein unterschiedlicher Sinngehalt und divergierende Rechtsfolgen verbunden waren. Diese landesrechtlich unterschiedliche Bedeutung und Situierung einer „Körperschaft des öffentlichen Rechts" war nicht auf das Staatskirchenrecht beschränkt, sondern zeigte sich auf breiter Front. Der Begriff der Körperschaft des öffentlichen Rechts erweist sich in den Rechtstexten der damaligen Zeit damit insgesamt als reichlich schillernd und disparat. Dies schlug auch auf die nach 1871 einsetzende Reichsgesetzgebung durch, die keine selbständige begriffliche Festlegung von dem, was unter einer öffentlichrechtlichen Körperschaft zu verstehen ist, vornahm. „Der Begriff der Körperschaft des öffentlichen Rechts taucht vielmehr in der Reichsgesetzgebung auf als ein Sammelbegriff, der die in den verschiedenen Landesgesetzgebungen als solche anerkannten öffentlich-rechtlichen Körperschaften zusammenfassen s o l l " . 7 4 Wie unten (III. 1. b.) zu zeigen sein wird, war dieser Zustand der rechtlichen Variabilität in der Bezeichnung als öffentliche Körperschaft ebenso wie die fehlende reichsrechtliche Fixierung auch für die Verhandlungen der verfassungsgebenden Weimarer Nationalversammlung nicht ohne Folgen. Hierauf aufbauend lassen sich entscheidende Rückschlüsse für das heutige Verständnis und die dogmatische Aufarbeitung der den Körperschaftsstatus für Religionsgemeinschaften regelnden Norm des Grundgesetzes ziehen. Festgehalten werden kann vorläufig jedenfalls, daß dem norddeutschen und dem süddeutschen Begriff der öffentlichen oder öffentlich-rechtlichen Korporation eine gewisse divergierende Bedeutung zukam und diesbezüglich bis 1919 auch keine Rechtsharmonisierung durch das Reichsrecht festzustellen ist.

c) Die sog. Privilegientheorie Abschließend sei noch eine weitere begriffsgeschichtliche, für das heutige Verständnis des Art. 137 V W R V relevante Entwicklung notiert: Im 19. Jahrhundert setzte sich in den Versuchen einer wissenschaftlichen Systematisierung zunehmend ein allgemein-typisierender Körperschaftsbegriff durch, der die öffentliche Version der Körperschaft funktional wie organisatorisch besonders in die staatliche Ordnung eingegliedert sah.

73 74

Cf. die kritischen Anmerkungen von K. J. Bieback, S. 19 f. und öfter. A. Endrös, S. 155.

2. Kap.: Historische Aspekte

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M i t der sukzessiven Auslösung der Religionsgesellschaften aus dem staatlichanstaltlichen Organisationskomplex, dem Übergang vom Staatskirchentum zu einer zunehmend durch Freiheitsrechte ausgestalteten Staatskirchenhoheit, also der Anerkennung kirchlicher Autonomie als Ausdruck ihrer Selbstzweckhaftigkeit (2. Kap. I.), wurde die Zuordnung von öffentlich-rechtlich organisierten Religionsgesellschaften zu einem solchen allgemeinen Begriff zunehmend problematisch 7 5 und bedurfte der besonderen legitimierenden Bearbeitung. 7 6 Diese erfolgte etwa in Versuchen, den Begriff der öffentlichen Körperschaft von einer spezifischen inneren Struktur (genossenschaftliche Organisation) oder von spezifischen Mitteln (hoheitliches Handeln) abzulösen. Einen anderen Ansatz stellte die insbesondere in der kirchenrechtlichen Literatur verbreitete sog. Privilegientheorie dar, 7 7 die den öffentlichen Körperschaftsstatus aus der staatlichen Verleihung besonderer Rechte an Organisationen und aus ihrer besonderen gesellschaftlichen Stellung gegenüber dem bzw. i m Staat extrahierten w o l l t e . 7 8 Gerade an diese Vorstellung wird bis heute bei der Ausleuchtung der verfassungstheoretischen und -rechtlichen Bedeutung des Art. 137 V W R V angeknüpft, ohne allerdings das begriffshistorische Bezugsproblem auszuweisen. In der Literatur findet man auch die These, daß dieser privilegientheoretische Ansatz „den Weimarer Beratungen zugrunde" l a g . 7 9 Da mit Wilhelm Kahl einer der in damaliger Zeit prominentesten Protagonisten dieser staatskirchenrechtlichen Bemühungen maßgeblich an der Ausarbeitung der Weimarer Religionsartikel mitgewirkt hat, liegt diese Vermutung nahe, erweist sich bei genauerem Hinsehen aber - wie die folgende Analyse der Verfassungsverhandlungen ergeben wird als durchaus fragwürdig.

III. Der Rechtsstatus der öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgesellschaften in den Verfassungsverhandlungen Weimars und Bonns Religionsrecht ist politisch konfliktloses Recht. Die Beratungen der Nationalversammlung über die verfassungsrechtliche Stellung der Kirchen und Religionsgesellschaften waren ebenso wie die i m Parlamentarischen Rat von deutlichen Divergenzen zwischen dem sozialdemokratischen und dem konservativ-bürgerlichen Lager geprägt. Der heutige Rechtsstatus der öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgesellschaften nach Art. 137 V WRV ist wie das gesamte bundesdeutsche 7

5 H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 48 ff., insb. 56 ff.

76

Siehe die einzelnen Ansätze dargelegt bei K-J. Bieback, S. 422 ff. Begriffsbildend W. Kahl, Lehrsystem, S. 333. 78 M.w.N. zu den Werken von Mohl, Sohm, Zeller, Herrmann und Spohn A. Endrös, S. 131 ff.; K-J. Bieback, S. 422 ff. 79 s. Muckel, Der Staat 38 (1999), 569 (583). 77

III. Der Rechtsstatus der Religionsgesellschaften

93

Religionsverfassungsrecht Produkt eines doppelten Kompromisses. 8 0 Die Inkorporationslösung des Art. 140 GG führt zu einer Duplizierung der historischen Motivlagen und politischen Programme, die historisch-genetische Auslegungsbemühungen besonders problematisch erscheinen lassen. Die in der Weimarer Nationalversammlung schlußendlich gefundene und vom Parlamentarischen Rat übernommene Lösung ging dahin, den öffentlichen Rechtsstatus der Kirchen unangetastet zu lassen, insbesondere um ihnen auf diese Weise eine stabile Finanzierung ihrer Aufgaben durch die Option der Auferlegung einer an die Mitgliedschaft anknüpfenden Kirchensteuer zu ermöglichen 8 1 und um ihnen eine organisationsrechtliche Gleichstellung mit allen möglichen lebensweltlichen Erscheinungsformen des zivilrechtlichen Vereins zu ersparen. Die Übereinkunft setzte zugleich durch die Garantie der Verwaltung eigener Angelegenheiten (Art. 137 I I I WRV) sämtlichen religionsspezifischen Aufsichtsrechten des Staates ein Ende 8 2 und öffnete den Körperschaftsstatus durch rechtsverbindlichen Verleihungsanspruch für alle Religionsgesellschaften. Diese grundsätzliche Deutung der Ergebnisse der Verfassungsverhandlungen ist insoweit weitgehend unstreitig. Anders dagegen stellt sich der Meinungsstand i m Schrifttum dar, wenn es um die Eruierung der Bedeutung des Körperschaftsstatus und seiner Verleihungsvoraussetzungen in concreto geht. Entsprechend variieren auch die Darstellungen des Ablaufs und der Ergebnisse der Verfassungsverhandlungen. 8 3 Dies vermag schon insoweit nicht verwundern, als die in den Verhand80 A. Höllerbach, VVDStRL 26 (1968), S. 57 (59); D. Ehlers, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 140 Rdnr. 1; S. Korioth, GS Jeand'Heur, 1999, S. 221 (229). 81 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 5. 82 Diese Deutung setzte sich erst im Laufe der Zeit in der Staatsrechtslehre der Weimarer Republik durch, nach abweichender Ansicht bildet die Staatsaufsicht das notwendige Korrelat zum Körperschaftsstatus, cf. bereits W. Kahl (DVP) in: E. Heilfron (Hrsg.), Bd. 6, 1920, S. 4012; näher zur Problematik C. Link, Das Staatskirchenrecht im Geltungszeitraum der Weimarer Verfassung (1985), in: ders., Staat und Kirche in der neueren deutschen Geschichte, 2000, S. 99 (107 ff. m.N. in Fn. 41 und 43) sowie zur heutigen Rechtslage infra 4. Kap. II. 83 E.c.: S. Muckel etwa untermauert seine Deutung des Art. 137 V WRV als Grundlage eines materiellen Körperschaftsbegriffs, der eine besondere Nähebeziehung zum Staat impliziere, verfassungshistorisch durch die Fokussierung der Rolle des Kirchenrechtlers W. Kahl und die Aussage C. v. Delbrücks (beide DVP) im Verfassungsausschuß der Weimarer Nationalversammlung, daß öffentlich-rechtliche Korporationen solche Korporationen seien, „deren Interessen sich mit dem Interesse und den Aufgaben des Staates berühren, und denen darum der Charakter einer Korporation des öffentlichen Rechts verliehen wird"; S. Muckel, Der Staat 38 (1999), 569 (584 ff.). Die mehrheitliche Ablehnung seitens der Nationalversammlung bezüglich eines privatrechtlichen Organisationsstatus für alle Religionsgesellschaften unter Einschluß der Kirchen zeige, daß der Körperschaftsstatus für die christlichen Großkirchen „als ein das Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland prägendes Moment angesehen" wurde; ebenda, 585, wiederum unter Verweis auf Äußerungen Kahls. Eine durchaus verwandte Lesart der Weimarer Verhandlungen findet sich bei Κ Müller, ZevKR 2 (1952/53), 139 (157), der die Verleihungsvoraussetzung der „Verfassung" in Art. 137 V 2 WRV als qualitativen Gesamtzustand verstanden wissen will, bei dem namentlich „die theologische

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2. Kap.: Historische Aspekte

lungen zum Ausdruck gebrachten unterschiedlichsten verfassungspolitischen Konzeptionen Anknüpfungspunkte für vielseitige Deutungen geben. Sollen die in den Protokollen überlieferten Debatten nicht auf einen Steinbruch für colorandi causa erfolgende Ausführungen reduziert werden, gilt es deshalb bei einer heutigen Auseinandersetzungen mit dem Körperschaftsstatus, nicht nur einzelne Diskussionsbeiträge zu präsentieren, sondern auch die Kriterien für die Würdigung dieser auszuweisen. U m diesen Ansprüchen zu genügen, wird es erforderlich sein, den Beratungsverlauf in der Weimarer Nationalversammlung ausführlicher zu beleuchten, wurden doch hier die für Versuche einer historisch-genetischen Annäherung entscheidenden Debatten geführt (1.). Dagegen spielte der Körperschaftsstatus der Religionsgesellschaften als solcher in den Beratungen des Parlamentarischen Rates keine Rolle (2.).

1. Die Verhandlungen zur Weimarer Reichs Verfassung a) Das Leitbild freiheitlich-offener als „zweitbeste

und paritätischer Fahrt"* 4

Pluralität

aa) Ausgangslage Der der verfassungsgebenden Nationalversammlung durch das Reichsinnenministerium vorgelegte Verfassungsentwurf enthielt weder ausdrückliche Vorschriften über die Reichskompetenzen auf staatskirchenrechtlichem Gebiet noch religionskorporative Detailbestimmungen. Er beschränkte sich auf die Gewährleistung individueller Glaubens- und Gewissensfreiheit, der religiösen Nichtdiskriminierung sowie der religiösen Vereinigungsfreiheit. 85 Dies entsprach insbesondere den politischen Zielen der Linksparteien (SPD und USPD), die eine möglichst umfassende, über den rechtlichen und faktischen Emanzipationsbestand des 19. Jahrhunderts weit hinausgehende Trennung von Staat und Kirche anstrebten und deshalb keine das Verhältnis von Staat zu Kirchen und anderen Religionsgesellschaften regelnden Verfassungsvorschriften aufgenommen sehen wollten. Grundlegung der zu beleihenden Religionsgesellschaften" zu berücksichtigen sei. Dagegen betont E. G. Mahrenholz im Zuge seiner formalen Deutung des Körperschaftsstatus nach Art. 137 V WRV den sozialdemokratischen Einfluß auf die Findung einer Kompromißlinie durch eine Würdigung der Beiträge J. Meerfelds (SPD) und S. Katzensteins (SPD); E.G. Mahrenholz, ZevKR 20 (1975), 43 (55 f.). 84 Piaton entwarf bekanntlich als sog. zweitbeste Fahrt in „Gesetze" einen Staat auf pragmatisch-anthropologischer Grundlage unter dem Eindruck des realen Scheiterns seiner im „Staat" formulierten Idealvorstellungen staatlicher Ordnung (Piaton, Nomoi [ca. 355 v. Chr.], 1966); cf. J. Schapp, Freiheit, Moral und Recht, 1994, S. 2 ff. Dokumentation bei F. Giese, JöR XIII (1925), 249 (250 f.); siehe auch S. Grundmann/ H. Rust, in: BK, Art. 140 (Zweitb. 1968), Entstehungsgeschichte, S. 3; zu den kirchenpolitischen Bestimmungen in den diversen anderen Verfassungsentwürfen im Vorfeld der Weimarer Nationalversammlung auch L. Richter, S. 121 ff.

III. Der Rechtsstatus der Religionsgesellschaften

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Die Mitte- / Rechtsparteien dagegen strebten den Erhalt des Körperschaftsstatus und diverser anderer kirchlicher Rechte an; Zentrum und D V P betonten zugleich die Bedeutung einer umfassenden Gewährleistung kirchlicher Selbstverwaltung. 86 Entsprechend kritisierten die Vertreter von Zentrum, DVP, D N V P und DDP die im Verfassungsentwurf enthaltene religionsrechtliche Selbstbeschränkung des Reiches in der ersten Lesung der Nationalversammlung, insbesondere vor dem Hintergrund „unerhörtester Eingriffe in die Rechte der Kirche, die sich . . . in einzelnen Bundesstaaten ereignet 4 ' hätten. 8 7 Unter dem Eindruck der Möglichkeit einer restriktiven Kirchenpolitik auf Länderebene 88 wurde einerseits - erfolgreich - die verfassungsrechtliche Möglichkeit einer reichsrechtlichen Festlegung von bestimmten religionsrechtlichen Grundsätzen verlangt. Gegen den entschiedenen Widerstand der Länder und nach kontroverser Debatte einigte man sich in der Nationalversammlung - ohne das dieser Prozeß hier weiter nachgezeichnet werden soll - auf eine Kompetenz des Reiches zur Grundsatzgesetzgebung für Rechte und Pflichten der Religionsgesellschaften (Art. 10 Nr. 1 W R V ) . 8 9 Andererseits erhob man die Forderung nach einer Anerkennung der Kirchen als öffentlich-rechtliche Körperschaften und einer Status-quo-Garantie ihrer eigentums- und vermögensrechtlichen Situation unmittelbar auf Verfassungsebene. 90 Aus den Reihen des Zentrums war schließlich der Vorschlag zu vernehmen, detaillierte reichsverfassungsrechtliche Vorgaben für die Kirchenpolitik der Länder i m Kontext der Grundrechte zu verankern. 9 1 Einen entsprechenden Vorschlag unterbreitete das Zentrum nach Abstimmung mit den anderen bürgerlichen und Rechtsparteien 92 zu Beginn der Verhandlungen des Verfassungsausschusses 93, dem die weitere Arbeit am Textentwurf einer Verfassung übertragen worden war.

86 Zur religions- und kirchenpolitischen Programmatik der Parteien L. Richter, S. 69 ff.; zusammenfassend F. Wittekind, Welche Religionsgemeinschaften sollen Körperschaften des öffentlichen Rechts sein?, in: G. Brakelmann/N. Friedrich/T. Jähnichen (Hrsg.), Auf dem Weg zum Grundgesetz, 1999, S. 77 (84 f.). 87 C. u Delbrück (DNVP), in: E. Heilfron (Hrsg.), Bd. 2, 1920, S. 961; weitgehend ähnlich R. Heinze (DVP), ebenda, S. 985 f. 88

Cf. Κ Nowak, Geschichte, S. 207; C. Link, Staatskirchenrecht S. 102 ff. Siehe insb. L Richter, S. 290 ff., 433 ff. 90 Siehe L. Richter, S. 243 ff.; C. Israel, Geschichte des Reichskirchenrechts, 1922, S. 9 ff., der sich insbesondere befremdet zeigt, daß „gerade die Redner, die alles andere als extreme Zentralisten und Unitarier sind" und die „grundsätzlich dafür sind, daß die Kulturaufgaben den Ländern verbleiben sollen," eine Reichskompetenz in kirchen- und religionspolitischen Angelegenheiten fordern (S. 11). 89

91 L Richter, S. 247. 92 Hierzu L. Richter, S. 304 ff. 93 Antrag Gröber (Z) und Genossen, in: Verhandlungen der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 336, 1920, S. 175 f.; hieran anschließend, mit unterscheidenden Nuancen, insbesondere der Betonung der Zuständigkeit der Länder für die Ausgestaltung der Antrag Dr. Kahl (DVP) und Genossen, ebenda, S. 176.

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2. Kap.: Historische Aspekte

Der Zentrumsantrag umfaßte insbesondere das Recht der Verwaltung eigener Angelegenheiten und den Erhalt des Körperschaftsstatus, Zugangsrechte zum Zwecke der Anstaltsseelsorge, die Etablierung von Einrichtungen der Militärseelsorge sowie die Garantie der Eigentums- und Vermögensrechte unter Einschluß des Besteuerungsrechts und der Möglichkeit des Steuereinzugs durch staatliche Behörden. Anderen Religionsgesellschaften sollte zwar der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts offenstehen, ein Anspruch auf Einräumung des Besteuerungsrechts war dagegen nicht vorgesehen, sondern bloß die Option der Einräumung durch Landesrecht.

bb) Beratungsverlauf Der Verlauf der Beratungen i m Verfassungsausschuß zu den religionsbezogenen Vorschriften der W R V wird insbesondere vor dem Hintergrund der MehrheitsVerhältnisse verständlich. In dem 28 Abgeordnete umfassenden Gremium fielen auf die SPD 11 Sitze, auf das Zentrum 6, auf die DDP 5, die D N V P 3, die D V P 2 und auf die USPD 1 Mandat. Die religions- und kirchenkritischen sozialistischen Parteien verfügten somit über 12, die dezidiert kirchlich oder staatskirchlich orientierten Parteien der Rechten und der bürgerlichen Mitte über 11 Stimmen. Ausschlag gab deshalb das Stimmenkontingent der Liberalen, die sich i m Vorfeld der Beratungen gegen eine radikale Trennung von Staat und Kirchen ausgesprochen hatten und - unter gewissen Vorbehalten - die Neigung zur Anerkennung eines Kernbestands kirchlicher Rechte erkennen ließen. 9 4 Vor diesem Hintergrund war die SPD bestrebt, durch den Vorschlag einer umfassenden Gleichstellung aller Religionsgesellschaften auf einem hohen Freiheitsund Förderungsniveau Einfluß auf die religionsbezogenen Bestimmungen der W R V zu erlangen, auch wenn immer wieder die sozialdemokratische Maximalposition einer umfassenden Entflechtung von Staat und Religionsgemeinschaften und infolge dessen der Etablierung einer einheitlichen privatrechtlichen Organisationsform für religiöse Korporationen in den Beratungen artikuliert wurde. Entsprechend der Strategie eines Einbrechens in den in religions- und kirchenpolitischen Angelegenheiten sich formierenden rechts-bürgerlich-liberalen Block betonte der Abg. Meerfeld (SPD) gleich zu Beginn der Beratungen: „Meine Partei w i l l keinen Kulturkampf. Sie anerkennt die Bedeutung und die Macht der Religion auch für die Gegenwart." „ W i r wollen daher keine gewaltsame Trennung, sondern eine schiedlich-friedliche Einigung". 9 5 94

Hierzu gehörte insbesondere die Anerkennung der Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts, das Recht der selbständigen Ordnung und Verwaltung kirchlicher Angelegenheiten, die Sicherung von Eigentum und Vermögen, der Verzicht auf entschädigungslose Ablösung von Staatsleistungen und die Aufrechterhaltung des Besteuerungsrechts; siehe insg. L. Richter, S. 314 ff. 95 J. Meerfeld (SPD), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 188.

III. Der Rechtsstatus der Religionsgesellschaften

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Schnell zeichnete sich ab, daß die DDP eine streng paritätische religionsverfassungsrechtliche Konzeption mitzutragen gewillt war. Deren Abg. Naumann brachte dies in Reaktion auf die sozialdemokratischen Einlassungen zum Ausdruck: „Der Abgeordnete Meerfeld hat erklärt, Privilegien zugunsten von Religionsgemeinschaften könnten nicht geduldet werden. Er w i l l also, daß die Kirchen nicht vor anderen Vereinigungen mit Kulturbestrebungen oder Vereinen, die sich mit Weltanschauungsfragen befassen und seien es Monisten oder Freidenker, bevorzugt werden. In diesem Sinne" seien auch seine - Naumanns - Einlassungen zu verstehen. 96 Naumann begrüßte ausdrücklich die von der SPD angestrebte Formulierung „Keine Religionsgesellschaft genießt vor der anderen Vorrechte durch den Staat" und brach damit die durch die kirchenpolitischen Vorfeldvereinbarungen der bürgerlichen, liberalen und rechten Parteien erfolgte mehrheitsstrukturelle Blockade des sozialdemokratischen Koalitionspartners gleich zu Beginn der Verhandlungen wieder auf. Zugleich bezog Naumann zur „Frage der Stellung der Kirchen in der zukünftigen Republik" Position. Von einer Trennung von Staat und Kirche profitierten alle Beteiligten. Für den Staat bedeute sie „eine Entlastung und für die Kirchen einen Zwang zur inneren Festigung." Entscheidend sei, daß „der Staat in Zukunft keine Mitverantwortung mehr trägt für die kirchliche Verwaltung." Geboten sei deshalb auch eine finanzielle Entflechtung von Staat und Kirche. Hier müsse eine „gerechte Ablösung erfolgen, die die Kirche lebensfähig erhält." M i t der Forderung der Lebensfähigkeit der Kirchen ist zugleich die Bedingung der DDP für die angestrebte Trennung benannt: die gesellschaftliche Wirkungspotenz von (organisierter) Religion sollte dadurch nicht geschwächt, sondern gestärkt werden. Entsprechend waren nach Naumanns Vorstellung auch die Modalitäten der Trennung religionsfreundlich auszugestalten. Wurde in der Folge formal auch auf der Grundlage des Zentrumsentwurfs i m Verfassungsausschuß diskutiert, nahmen SPD und DDP gerade durch das Zusammenspiel von Meerfeld und Naumann maßgeblichen Einfluß auf die inhaltliche Gestaltung des letztlich nach der ersten Lesung verabschiedeten Textes, der i m wesentlichen auch in der Folgezeit Bestand haben und als Art. 135 ff. W R V schließlich Geltung erlangen sollte: „Es besteht keine Staatskirche. Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen. Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes, insbesondere verleiht sie ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde. Religionsgesellschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes. Den Religionsgesellschaften stehen die Rechte einer öffentlichen Körperschaft zu, sofern sie solche bisher besessen haben. Sie sind berechtigt, ihre Mitglieder zu besteuern. Anderen Religionsgesellschaften sind auf Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch die Zeit ihres Bestehens und die Zahl ihrer Mitglieder eine Gewähr der Dauer bieten. Die Rechte der Mitglieder dürfen nicht nach der Höhe der Beiträge abgestuft werden. Die Durchführung dieser Bestimmungen

96 F. Naumann (DDP), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 191. 7 Heinig

2. Kap.: Historische Aspekte

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liegt der Landesgesetzgebung ob. Den Religionsgesellschaften werden diejenigen Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen."97 Die machtstrategische Schlüsselstellung der DDP und die integrative Funktion Naumanns bei der Kompromißsuche 9 8 muß dazu führen, ihren Vorstellungen bei der Deutung der Verhandlungsergebnisse ein besonderes Gewicht einzuräumen. Das liberale Konzept eines i m Rahmen optimierender staatlicher freiheits- und organisationsrechtlicher Gewährleistungen wirkenden Religions- und Kulturpluralismus korrelierte weder mit den originären sozialdemokratischen noch mit den rechten und bürgerlichen kirchen- und religionspolitischen Intentionen. Naumanns Versuch, seine religionsrechtlichen Ziele in einen volkskatechetischen Grundrechtsteil einzubinden, scheiterte zwar. 9 9 Doch da sich weder eine Entflechtung nach sozialdemokratischer Façon noch eine Festschreibung der christlich-kirchlichen Präponderanz mehrheitlich durchsetzen ließ, entwickelte sich gerade die Minderheitenposition der DDP zu einer von der Mehrheit nolens volens in der Breite akzeptierten, für die anderen Parteien zweitbesten Lösung: Trennung von Staat und Kirche unter Beachtung legitimer institutioneller Interessen der Kirchen durch ihre Integration in ein offenes, freiheitlich-plurales Religions-, Weltanschauungsund Kulturrecht. 1 0 0 Ungeachtet dieser sich früh abzeichnenden Kompromißlinie prallten die religionspolitischen Gegensätze i m Laufe der Verhandlungen des Verfassungsausschus97

Es folgen ferner mit Art. 138, 139 und 141 WRV korrelierende Vorschriften. Dokumentiert in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 208. 98 Siehe die Würdigung der Rolle Naumanns bei L. Richter, S. 354 ff. und 639 ff., der aber vielleicht nicht hinreichend berücksichtigt, daß weder die SPD noch die Mitte-/ Rechtsparteien ihre ursprünglichen kirchenpolitischen Vorstellungen mit Hilfe der DDP verwirklichen konnten. Nach Richters Darstellung übernahmen SPD und DDP die Konzeptionen der Opposition auf breiter Front und gelangten nur so zum Erfolg in der ersten Lesung des Verfassungsausschusses. Das Konzept einer umfassenden Gleichstellung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften entsprach freilich keineswegs den Intentionen von Zentrum, DVP und DNVP, die vielmehr die verfassungsrechtliche Absicherung einer besonderen Stellung von Christentum und/oder christlicher Kirchen im Staat prätendierten. Im Verfassungstext war dieser Zielsetzung kein Erfolg beschieden, anders als in der politischen Wirklichkeit nach 1919. Siehe ferner F. Wittekind, passim; W. Ziegler, Die Deutsche Nationalversammlung 1919/ 1920 und ihr Verfassungswerk, 1932, S. 192 f. 99

Siehe Naumanns Entwurf eines „volksverständlichen" Grundrechtsteils in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 171 ff., dessen Formulierungen ob ihres lyrischen Charakters für Verfassungsrechtler zuweilen recht befremdlich anmuten. Cf. D. Beese, Staatsbekenntnis und Volkskatechismus, in: G. Brakelmann/N. Friedrich/T. Jähnichen (Hrsg.), Auf dem Weg zum Grundgesetz, 1999 , S. 55 (65 ff., insb. S. 70 f.: „Vor allem die Formulierungen in ihrer unpräzisen, unjuristischen, ungesicherten, moralisierenden, halbliturgischen, greisenhaften ... Art standen dem Erfolg im Wege".) 100 Das Ziel der prinzipiellen Gleichstellung aller religiösen, weltanschaulichen und sonstigen kulturellen Bewegungen formulierte Naumann in seinem Grundrechtsentwurf wie folgt: „Alle idealen Bestrebungen helfen und dulden sich gegenseitig." Cf. F. Naumann, in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 172.

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ses und während der sich anschließenden Lesungen in der Nationalversammlung insbesondere bei der Frage des Körperschafts status und des damit verbundenen Steuerrechts wie bei der Frage nach der Ablösung von Staatsleistungen immer wieder aufeinander. So spiegeln sich in den Eingangsbeiträgen der Abgeordneten Mausbach und Kaas (Zentrum) in der ersten Lesung des Verfassungsausschusses Vorbehalte gegen jede über die kirchliche Selbst Verwaltungsgarantie hinausgehende Trennung von Staat und Kirche, insbesondere gegen die Aufgabe einer Sonderstellung der Kirchen gegenüber anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften: „ M a n kann nicht eine Kirche, die etwa 30 Millionen Anhänger zählt und seit der Völkerwanderung die deutsche Kultur mitgestaltet hat, einer flüchtigen Religionsbildung gleichstellen. . . . Es muß doch berücksichtigt werden, daß die sog. Vorrechte der Kirchen durch große sittliche und soziale Leistungen i m Volksleben aufgewogen werden." 1 0 1 Allerdings sieht Kaas (Z) unter dem Eindruck „der Differenzierung der konfessionellen und religiösen Überzeugungen die sachlichen Voraussetzungen so verändert . . . , daß eine restlose Durchführung unserer grundsätzlichen Forderungen praktisch untunlich geworden ist." Deshalb gelte es „bei einer Umformung des bisherigen Status quo positiv mitzuarbeiten, schon um einer radikalen Lösung nach Kräften entgegenzuwirken." Dies hieß für Kaas bei „grundsätzlicher Gegnerschaft gegen die Trennung", daß nur „Evolution, aber keine Revolution zum gedeihlichen Ziel führen k ö n n e " . 1 0 2 Ähnlich ablehnend gegenüber einer verfassungsrechtlichen Verankerung plural gewährter gleicher Freiheit und Förderung zeigte sich die DNVP, die an ihrem Leitbild der „Kirche als eines organischen Teiles des Staates" festhielt. 1 0 3 In dieser Konsequenz forderte A. Düringer (DNVP), daß „die Religionsgemeinschaften unter der Aufsicht des Staates stehen, und den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen b l e i b e n . " 1 0 4 Für die D V P setzte sich ihr Abgeordneter Kahl zu Beginn der Aussprache mit den realisierten Modellen der Trennung von Staat und Kirche in anderen Ländern auseinander. Grundtenor der komparatistischen Ausführungen war die jeweilige konkrete historische Situierung dieser Lösungen, weshalb es keine „kopierfähigen Vorbilder" gäbe. 1 0 5 In Deutschland sei es historisch angemessen, auf individueller Ebene die religionsfreiheitlichen Gewährleistungen weiter auszubauen, die geschichtlich gewachsene Stellung der deutschen Kirchen dagegen unberührt zu lassen. 1 0 6 Denn, so Kahl in Vorgriff auf die eingangs (1. Kap. III.) behandelte For101 J. Mausbach (Z), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 191 f. 102 L. Kaas (Z), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 194. 103 F. Wittekind, S. 83. 104 A. Düringer (DNVP), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 193. 105 W. Kahl (DVP), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 189. 106 Deutlich in dieser Tradition heute etwa J. Isensee, Essener Gespräche 34 (2000), S. 146 ff. 7*

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2. Kap.: Historische Aspekte

mulierung E.-W. Böckenfördes, es sei „gerade für den heutigen Staat ein Lebensinteresse . . . , nicht diejenigen Kanäle abzuschneiden, aus denen religiöses und sittliches Leben in unser Volk geleitet w i r d . 4 ' 1 0 7 Gegen den Vorwurf der geschichtlichen Inadäquatheit der sozialdemokratischen Forderungen nach umfassender Scheidung der staatlichen und kirchlichen Sphäre stritt daraufhin der Abgeordnete Quarck (SPD). Es sei gerade ein Gesetz der Zeit, das Verhältnis zwischen Reich und Kirchen grundlegend neu zu gestalten. Wie einst die Auswanderer in die USA, so seien „ w i r jetzt aus einem ObrigkeitsStaat in einen neuen Staat ausgewandert' und wollen es auch bezüglich der religiösen Organisationen." 1 0 8 Trotz grundlegender Divergenzen zwischen allen Parteien trug letztlich eine Mehrheit die zwischen SPD und DDP gefundene Kompromißlinie. Der von Meerfeld und Naumann eingebrachte Änderungsantrag 1 0 9 zu den religionskorporativen Verfassungsbestimmungen setzte sich in der Schlußabstimmung weitestgehend durch.110 A u f Antrag der SPD wurden ferner die Formulierungen aufgenommen, die heute als Art. 137 I und V I I bekannt sind. 1 1 1 Damit waren wesentliche religionsverfassungsrechtliche Eckpfeiler der W R V vom Verfassungsausschuß verabschiedet: einerseits das Nichtbestehen einer Staatskirche und die Verwaltung der eigenen Angelegenheiten durch die Religionsgesellschaften als Ausdruck der institutionellen Entzerrung von Staat und Kirche, andererseits die verfassungsrechtliche Gleichstellung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, ferner die Beibehaltung einer öffentlich-rechtlichen Organisationsform neben dem privatrechtlichen Rechtserwerb einer Vereinigung, schließlich die Absicherung des materiellen Substrats religiöser Aktivitäten (insbesondere der großen Kirchen) bei grundsätzlicher Entscheidung für die Ablösung von Staatsleistungen (gegen Entschädigung). Ungeachtet mancher Detailänderung i m Zuge der fortlaufenden Verhandlungen ergaben sich in der Grundstruktur des zukünftigen Religionsverfassungsrechts keine Änderungen mehr. Zwar wurde auf Seiten der Sozialdemokraten in der zweiten Lesung der Nationalversammlung über die Gesamtkonzeption deutlicher Unmut geäußert; 1 1 2 die Gründe hierfür lagen in Bestrebungen der M i t t e - / Rechtsparteien, 107 w. Kahl (DVP), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 191. io» M. Quarck (SPD), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 193. 109 Antrag Meerfeld (SPD) /Naumann (DDP), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 199. no Siehe die Darstellung in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 207 f. Ebenso fand der auf die individualbezogenen Gewährleistungen bezogene gemeinsame Änderungsantrag von Quarck (SPD) und Naumann (DDP), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 197, umfassende Berücksichtigung. m Dokumentiert in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 208. Beide Anträge waren vom Abg. S. Katzenstein (SPD) eingebracht. 112 L Richter, S. 535 f.

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den erreichten Verhandlungsstand um einige kirchenfreundliche Komponenten zu erweitern, sowie i m sich abzeichnenden Scheitern einer sozialdemokratischen Verhandlungsstrategie, die durch Nachgiebigkeit in den religions- und kirchenpolitischen Feldern gegenüber den anderen Parteien eine um so höhere Durchsetzungskraft auf schulpolitischem Gebiet erhoffte. 1 1 3 Doch konnte sich ein Revirement der Ergebnisse der ersten Lesung des Verfassungsausschusses nicht ohne die Unterstützung der DDP durchsetzen. Naumann aber hielt i m folgenden an der gefundenen Lösung als Meilenstein i m Prozeß der Etablierung einer „freien Kirche i m freien Staat" fest. 1 1 4 I m Grundsatz blieb es deshalb bei den Beschlüssen des Verfassungsausschusses nach der ersten Lesung. Die DDP stützte in den Detailänderungen der dritten Lesung der Nationalversammlung zwar noch einige Extensivierungsbemühungen von Zentrum und D V P . 1 1 5 Dabei wurde jedoch das Gerüst als Ganzes nicht mehr in Frage gestellt. Hinzu kam lediglich die Möglichkeit, den öffentlich-rechtlichen Rechtsstatus i m Falle des Zusammenschlusses mehrerer öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften auch auf die neue Korporation zu erstrecken, um die Option einer organisatorischen Gliederung von Religionsgemeinschaften auf Reichsebene zu schaffen - insbesondere die evangelische Kirche sollte sich damit einfacher reichseinheitlich reorganisieren können. 1 1 6 Zum anderen wurde mit Unterstützung der DDP der Bestandsschutz 117 für die Kirchen partiell ausgeweitet, so in der Möglichkeit der Kirchen, juristische Personen zu besteuern. A n beiden Optionen konnten freilich alle Religions- und Weltanschauungsgesellschaften partizipieren. Das Ansinnen der D V P dagegen, auf Herkommen beruhende Staatsleistungen besonders abzusichern, hätte ausschließlich die Kirchen und diese zudem über den Rechtsstand bis 1918 hinaus begünstigt. Es wurde deshalb mehrheitlich zurückgewiesen. 118 Dem Konzept eines Religionsverfassungsrecht der Transformierung kirchlich-institutioneller Interessen in ein religionsoffenes Programm strikter Parität blieb die DDP somit während der gesamten Verhandlungen treu. Resümierend läßt sich festhalten, daß der DDP in den Entscheidungsprozessen über die kirchen- und religionsbezogenen Verfassungsvorschriften eine Schlüssel113 Hierzu L. Richter, S. 351. ι '4 So die Forderung Naumanns in dem von ihm eingebrachten Grundrechtskatalog; F. Naumann (DDP), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 172. 115 Siehe L. Richter, S. 608 ff. n 6 Insoweit handelt es sich um Folgenrecht angesichts des Wegfalls des landesherrlichen Kirchenregiments. i 1 7 Zu diesem Prinzip des Weimarer Religionsverfassungsrechts siehe M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 140 Rdnr. 41 f. us Siehe die Darstellung in: E. Heilfron (Hrsg.), Bd. 5, 1920, S. 425; L. Richter, S. 612. Die Aufrechterhaltung der bisherigen Staatsleistungen verfassungsrechtlich festzuschreiben wurde dagegen mit Unterstützung der DDP bereits in der zweiten Lesung der Nationalversammlung verabschiedet; E. Heilfron (Hrsg.), Bd. 4, 1920, S. 469 f. Diese Entscheidung steht ganz in Kontinuität der DDP-Bestrebungen, die finanzielle und institutionelle Verzahnung von Staat und Kirche dergestalt aufzulösen, daß weder das materielle noch das organisatorische Substrat kirchlichen Wirkens nachhaltig gestört wird.

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2. Kap.: Historische Aspekte

position zukam, die sie wirkmächtig in ihrem Sinne zu nutzen wußte. Während sie wesentliche Grundzüge des späteren Weimarer Religionsverfassungsrechts i m Zusammenspiel mit der SPD erarbeitete, wurden einzelne Details späterhin mit den M i t t e - / Rechtsparteien nachgebessert, wobei jeweils das Ziel eines kohärenten Ganzen verfolgt wurde, nämlich die Entflechtung von Staat und Kirche ohne Eliminierung der Religion aus der Sphäre der Öffentlichkeit bei prinzipieller Gleichstellung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften als Faktoren der „kulturellen Selbstverständigung der Gesellschaft". 1 1 9 Dies sind die wesentlichen Prinzipien des Weimarer Religionsverfassungsrecht, die aus einer Minderheitenposition heraus unter Federführung Naumanns entwickelt letztlich den einzigen mehrheitsfähigen Nenner in der Weimarer Nationalversammlung bildeten. Der Abgeordnete Mausbach (Zentrum) skizzierte diesen Befund in seiner Einführung in die Thematik für die Nationalversammlung in prägnanter Weise: „Gegen diese Herabsetzung der christlichen Kirchen auf das rein privatrechtliche Niveau hat sich die Mehrheit des Ausschusses von vornherein gesträubt. Von anderer Seite bestand allerdings durchaus keine Neigung, irgendwelche Vorrechte der christlichen Kirche vor den Sekten oder neugegründeten Religionsgemeinschaften auszusprechen. Die Lösung dieses Gegensatzes ist in einer Weise gefunden worden, die man . . . als originell, als geschichtlich . . . bedeutsam bezeichnen k a n n . " 1 2 0

cc) Konsequenzen für eine historisch-genetische Auslegung Ungeachtet der Frage nach der Valabilität einer historisch-genetischen Auslegungsmethode überhaupt 1 2 1 müssen entsprechende Bemühungen für das Weimarer Religionsverfassungsrecht sich der skizzierten Pattsituation und der Schlüsselstellung der Verfechter einer grundsätzlichen Parität der Religionen und Neutralität des Staates bei „historischer Anerkennung der großen Kirchen" und prospektiver Aufwertung anderer Religionsgesellschaften 122 eingedenk sein. Dies braucht nicht dazu führen, die Beiträge Naumanns zum alleinigen Ausdruck des Willens des Verfassungsgebers zu machen. 1 2 3 Ihre gänzliche Banalisierung und Marginalisie-

119 F. Wittekind, S. 94. 120 J. Mausbach (Z), in: E. Heilfron (Hrsg.), Bd. 6, 1920, S. 4005. 121 Zumeist wird in den die Entstehungsgeschichte widerspiegelnden Verfassungsmaterialien ein Hilfskriterium gesehen, um eine aus Wortlaut, Systematik und Zweck der Norm gewonnene Auslegung zu bestätigen oder um gegen eine bestimmte Auslegung bestehende Zweifel zu bestärken; cf. im staatskirchenrechtlichen Kontext zuletzt M. Germann, ZevKR 45 (2000), 631 (634); allgemein BVerfGE 1, 117 (127 ff.); 6, 389 (431); 41, 291 (309); 45, 187 (227); 62, 1 (45); siehe aber auch zur anderslautenden Praxis K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, S. 23 m. w. N. 122 Fl Wittekind, S. 89. 123 Cf. aber G. J. Ebers, Art. 137, 138, 140, 141, Religionsgesellschaften, in: Nipperdey, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 2, 1930, S. 361 (401 f.): Danach war die Ausführungen Kahls (DVP) in Bezug auf die Verleihung des Körperschafts-

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r u n g 1 2 4 i m Rahmen auslegungsanleitender historischer Ausführungen verbietet sich aus Gründen methodischer Redlichkeit allerdings ebenfalls. 1 2 5 Insbesondere in Bezug auf den Körperschaftsstatus von Religionsgesellschaften stellt sich aber auch die Frage nach dem Wert einer methodisch gesicherten historisch-genetischen Annäherung an diese Materie überhaupt, wenn man - wie im folgenden dargelegt werden soll - konstatiert, daß der Verfassungsgeber die Bedeutung und normative Reichweite des Begriffes zwar thematisierte, ihn aber ohne eine Klärung schließlich in den Verfassungstext übernahm.

b) Bedeutung des Körperschaftsstatus aa) Erste Lesung des Verfassungsausschusses Die Frage nach der Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rechtsstatus wurde gleich zu Beginn der Verhandlungen im Verfassungsausschuß von Naumann in den Raum gestellt. I m Laufe der Debatte wurde viele Näherungsversuche präsentiert, ohne daß sich schließlich eine grundsätzliche Einigung oder gar eine legale Definition ergeben hätte. Dazu waren die wirkmächtigen Motivlagen wohl zu gegenläufig: Neben dem Ziel der Aufnahme eines Begriffs zur Verweisung auf die länderrechtliche Ausgestaltung und damit zur Anknüpfung an die in der begriffsgeschichtlichen Skizze aufgezeigte länderrechtliche Diversifizität sind auch Vereinheitlichungsbestrebungen auszumachen, die durch Verfassung und/oder Reichsstatus an andere Religionsgesellschaften „nichts anderes als seine Privatmeinung, während in den gleichzeitigen Darlegungen des Abg. Naumann der Wille des Verfassungsgebers zum Ausdruck kam." 124 Ungewollt humorig A. Endrös, ZevKR 33 (1988), 285 (297), der Naumanns Beiträge in der Nationalversammlung wegen Altersdemenz (!) für irrelevant erklärt. 125 Insoweit befremden Muckels Ausführungen, Naumann sei „mit seiner Einschätzung allein geblieben" (S. Muckel, Der Staat 38 [1999], 569 [586]), und seine gänzliche Kaprizierung auf die Debattenbeiträge von Mausbach und Kahl. Muckel meint, Naumanns religionspluralen Impuls auch dadurch in seiner Bedeutung minimieren zu können, indem er auf die „ganz anderen gesellschaftlichen Verhältnisse" (ebenda) verweist, von denen die Redner der Weimarer Nationalversammlung ausgegangen seien. Die seit 1919 veränderten Realdaten des Religionspluralismus sind für die Würdigung Naumanns und seiner heutigen Bedeutung für das Weimarer Religionsverfassungsrecht jedoch unerheblich, da dessen religionskulturelle und -philosophische Erwägungen von der Quantität binnenreligiöser Ausdifferenzierung unabhängig sind. Die weitere Auflösung religionskulturell ehemals relativ homogener Milieus seitdem stellt auch in der Sache nicht die Weimarer Entscheidung über die umfassende Gleichstellung aller Religionen und die Beachtlichkeit ihrer religionsgeprägten Jeweiligkeiten in Frage, sondern wirft auf sekundärer Ebene die Frage der Wahrung einheitlicher rechtlicher Handlungsmaßstäbe oder in der Terminologie John Rawls, des Vorrangs des Rechten vor Konzepten des Guten auf. Die angemessene Ebene zur Bearbeitung dieser Frage ist verfassungsdogmatisch nicht die Rückholung religionsverfassungsrechtlich verbürgter Parität, sondern eine kohärente Dogmatik verfassungsrechtlicher Rechtfertigung von staatlichen Eingriffen in die Religionsgesellschaften gewährten Freiheits- und Leistungsrechte (s. u. 4. Kap. IV.).

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2. Kap.: Historische Aspekte

gesetz einen reichseinheitlichen religionsgesellschaftlichen Körperschaftsbegriff anvisierten. Für die DDP stellte der Begriff der Körperschaft neben seinem rhetorischen Mehrwert i m wesentlichen eine rechtstechnische Leerhülse als Anknüpfungspunkt für die Besteuerung der Mitglieder dar. Die konservativen Vertreter dagegen betonten zumindest teilweise die in ihm enthaltene Anerkennung einer - dem Staat nicht unähnlichen - besonderen Kirchengewalt oder die Verleihungsvoraussetzung des Wirkens i m öffentlichen Interesse. Der Abgeordnete Kahl (DVP), von Hause aus Kirchenrechtler, unternahm als erster den Versuch einer Antwort auf Naumanns Definitionsbedarf, der „eine der größten Streitfragen" traf, „ m i t der sich schon die namhaftesten Kirchenrechtslehrer befaßt haben. . . . Die Definition der öffentlich-rechtlichen Körperschaft lautet ungefähr folgendermaßen: ,Sie ist eine Körperschaft, die mit obrigkeitsähnlichen Befugnissen ausgestattet wegen ihres öffentlichen Interesses unter dem Schutz des Staates und unter der besonderen Aufsicht des Staates s t e h t . ' " 1 2 6 SPD wie DDP zeigten sich ob einer solchen Umschreibung deutlich skeptisch gegenüber der Aufrechterhaltung des öffentlichen Korporationsstatus für Religionsgesellschaften. Insbesondere der Konnexität des Begriffes mit einer besonderen Staatsaufsicht wurde widersprochen. 1 2 7 Naumann bat ausdrücklich festzulegen, „daß durch die Wahl des Ausdrucks ,öffentlich-rechtliche Körperschaften' den Religionsgemeinschaften nicht die Eigenschaft von Behörden zugesprochen und sie nicht hinsichtlich ihrer Vermögensverwaltung einer Staatskontrolle unterworfen werden sollen". Auch der Abgeordnete Spahn (Zentrum) regte an, auf ein Definitionselement der „obrigkeitlichen Befugnisse" ganz zu verzichten. Entscheidend für die anstehende Verfassungsdiskussion sei nicht der allgemeine Begriff von Körperschaften als Element staatlicher Verwaltungsorganisation, sondern der besondere Begriff auf dem „kirchlichen Gebiete". 1 2 8 Da erschöpfe sich der öffentlich-rechtliche Charakter i m kirchlichen Steuerrecht sowie einem gewissen polizeilichen und strafrechtlichen Schutz. Vorher widersprachen bereits die Abgeordneten Düringer und v. Delbrück von der D N V P Kahls Definition. Entscheidend für die Charakterisierung einer öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgesellschaft sei einzig das Recht der Bundesstaaten. „Welche Rechte und Pflichten die Korporation i m einzelnen Falle erhält, hängt von dem Verleihungsakt bzw. dem Gesetz ab, dem sie ihre Entstehung verdanken." 1 2 9 Auch bedinge der „öffentlich-rechtliche Charakter . . . nicht immer obrigkeitliche Befugnisse". Entscheidend sei vielmehr, ob „öffentliche Interessen, 126 w. Kahl (DVP), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 195. 127 Cf. a. Fn. 82. 128 R Spahn (Z), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 197. 129 C. v. Delbrück (DNVP), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 197; siehe auch A. Düringer (DNVP), ebenda, S. 196 f.

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ein gemeinnütziger Charakter, vorliegen. . . . Öffentlich-rechtliche Korporationen sind solche Korporationen, deren Interessen sich mit den Interessen und den Aufgaben des Staates berühren, und denen darum der Charakter einer Korporation des öffentlichen Rechts verliehen w i r d . " 1 3 0 Für die Reichsregierung verweigerte Hugo Preuß die von Naumann eingeforderte nähere Umschreibung ausdrücklich und warnte unter Bezug auf die Divergenzen zwischen den einzelnen Bundesstaaten und Rechtsgebieten vor einem „so schwankenden und umstrittenen B e g r i f f ' . 1 3 1 I m weiteren Verlauf wird dann von etlichen Rednern betont, daß die mit dem Körperschaftsstatus verbundenen einzelnen Rechte nur landesrechtlich bestimmt werden könnten, man aber gerade deshalb zwischen der Rechtsform und den damit verbundenen Einzelrechten unterscheiden müsse. 1 3 2 So unterstrich der Abgeordnete Heintze (DVP): „Was für Folgen aus dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Kirchen zu ziehen ist, läßt sich nicht allgemein sagen." Welche Rechte erhalten bleiben sollten, „muß für jedes Land i m einzelnen festgestellt w e r d e n " . 1 3 3 Schlußendlich sprach sich eine Mehrheit des Verfassungsausschusses für die Aufnahme des Begriffs in die Weimarer Religionsverfassung aus. Dabei wurde insbesondere die Alternative eines einheitlichen privatrechtlichen Status von Religionsgesellschaften aus symbolischen Gründen abgelehnt. So betonte Katzenstein (SPD): „Der Begriff ist nicht ganz klar - darüber sind wir uns einig. Es entsteht nun die Frage, ob trotzdem der öffentlich-rechtliche Charakter der Kirche anerkannt werden soll." Unter Berücksichtigung der sozialen Bedeutung der Kirchen befürworte er dies unter der Bedingung einer Öffnung des Status für alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Dies korrespondierte mit der Kompromißlinie des Zentrums, die der Abgeordnete Gröber skizzierte: Erhalt des Rechtsstatus in Abgrenzung zu privaten Vereinen, aber Abschaffung des Privilegiencharakters. 134 Den Fortbestand des Besteuerungsrechts hatte bereits vorher der Abgeordnete Quarck (SPD) zur Sicherung der finanziellen Existenz der Religionsgesellschaften für angemessen erklärt. 1 3 5 In summa dominierte damit ein Körperschaftsverständnis, das in der Organisationsform eine allgemeine Anerkennung der überkommenen gesellschaftlichen Bedeutung der Kirchen und prospektiv der anderen Religionsgesellschaften sah.

•30 C. v. Delbrück (DNVP), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 197. 131 H. Preuß, in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 198. 132 B. Ablaß (DDP), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 199; E. Zweigert, ebenda, S. 201 („weil die Rechte der öffentlich-rechtlichen Körperschaft sich in der Hauptsache nach Landesrecht bestimmen"). 133 R. Heinze (DVP), in: Verhandlungen, Bd. 336, S. 200. 134 A. Gröber, (Z), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 200. 135 M. Quarck (SPD), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 199 - freilich unter Ablehnung des Erhalts der öffentlich-rechtlichen Organisationsform für Religionsgesellschaften.

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2. Kap.: Historische Aspekte

Die damit verbundenen Rechte festzulegen, sollte dem Landesgesetzgeber auferlegt werden. 1 3 6 Staatliche Hoheitsfunktionen sollten nicht bereits qua Rechtsstatus vermittelt werden; deshalb sollte es auch an einer korrelierenden staatlichen Aufsicht mangeln. Lediglich das Besteuerungsrecht und die Rechtsform „öffentlichrechtliche Körperschaft" als solche sollten erhalten bleiben. Inwieweit nach der Vorstellung des Verfassungsausschusses mit dem Status selbst bestimmte typusprägende Strukturmerkmale verbunden und deshalb mitgarantiert werden sollten, geht nicht ohne weiteres aus den Protokollen der Verhandlungen hervor. Diese Frage ist insbesondere für die Problematik der mit dem Status heute einhergehenden verfassungsunmittelbaren Gewährleistungen von Relevanz (s. u. 4. Kap. II. 1.). Dem Anschein nach sah jedoch die Mehrheit des Verfassungsausschusses in dem Rechtsstatus einen gänzlich durch den Gesetzgeber zu füllenden Mantelbegriff.

bb) Zweite Lesung des Verfassungsausschusses Dieser Befund wird i m wesentlichen durch die zweite Lesung des Verfassungsausschusses bestätigt. Auch hier entzündete sich die Debatte am Begriff und an der Rechtsstellung einer „Körperschaft des öffentlichen Rechts". Auslöser waren Anträge des Zentrums und der Rechtsparteien, das Steuererhebungsrecht korporierter Religionsgesellschaften auf eine Besteuerung juristischer Personen zu erweitern, die Steuereinziehung „auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten" zu ermöglichen und klarzustellen, daß das Besteuerungsrecht von Religionsgesellschaften an den Körperschaftsstatus gebunden ist. Die SPD sah die „Grenze des . . . Erträglichen" überschritten. 1 3 7 Sie beantragte zunächst die gänzliche Streichung der diese Organisationsform betreffenden Vorschriften, dann, als sich die Nichtdurchsetzbarkeit dieser Forderung abzeichnete, den Zugang hierzu ohne jedwede Kriterien. Auch regte sich Widerstand gegen eine landesrechtliche Auffüllung des Begriffs. Der Abgeordnete Quarck sah die Einheitlichkeit der Handhabung insbesondere unter Paritätsgesichtspunkten in Frage gestellt und forderte eine reichsgesetzliche Festlegung der Körperschaftsrechte einer Religionsgesellschaft, um eine Rückholung der verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsbestimmungen auf Länderebene zu verhindern. 1 3 8 Die Mehrheit des Ausschusses hielt dagegen an den Grundelementen der Entscheidungen der ersten Lesung fest: durch eine Formulierungsvariante wurde unterstrichen, daß nicht „alle Rechte, die aus der Eigenschaft der öffentlichen Körperschaft fließen und bisher besessen worden sind, garantiert werden sollen", sondern lediglich der „Charakter der öffentlichen Körperschaft gewahrt bleiben" 136 A. Endrös, ZevKR 33 (1988), 285 (293). 137 W. Keil (SPD), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 516. 138 Cf. M. Quarck (SPD), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 516.

III. Der Rechtsstatus der Religionsgesellschaften

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sollte. ' Auch blieb es dabei vorherrschende Ansicht, daß der Körperschaftsstatus eine gewisse organisatorische Verfestigung verlangt, ein Anspruch auf Verleihung also nicht bedingungslos bestehen sollte. Die von Quarck geforderte abermalige grundsätzliche Aussprache über die Begriffsbedeutung wurde mit Verweis auf den Beratungsstand der ersten Lesung dagegen abgelehnt. 1 4 0

cc) Die zweite Lesung in der Nationalversammlung Eine erneute intensive Befassung mit dem Komplex „Religionsgesellschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts" erfolgte dann in der zweiten Lesung der religionsbezogenen Verfassungsbestimmungen in der Nationalversammlung. Eingangs resümierte der Abgeordnete Mausbach als Berichterstatter die wesentlichen Ergebnisse der Ausschußverhandlungen. Die „besondere Bedeutung für die Öffentlichkeit, für das staatliche und gesellschaftliche Leben" rechtfertige den Körperschaftsstatus für Religionsgesellschaften. Eine rein privatrechtliche Organisationsform für Religionsgesellschaften sei für die Mehrheit des Ausschusses intransigent gewesen. „Es wurde zugleich aber anerkannt, daß eine glatte und präzise Definition des Begriffs der öffentlichen Körperschaft . . . nicht möglich sei, weil diese Qualität der öffentlichen Korporation erst in den Landesrechten ihre klare Ausprägung f i n d e . " 1 4 1 I m Anschluß an die Ausführungen Mausbachs wurde abermals über die Aufnahme von Bedingungen für die Verleihung des Körperschaftsstatus an andere Religionsgesellschaften disputiert. Der Abgeordnete Kahl (DVP) wiederholte den von ihm vertretenen Ansatz der Korrelatentheorie, dem bereits i m Verfassungsausschuß mehrheitlich widersprochen wurde. Nach diesem geht mit dem Körperschaftsstatus, aber auch mit der Fortzahlung von Staatsleistungen bis zu deren Ablösung zwangsläufig eine Staatsaufsicht einher. Kahl verteidigte die Verleihungsbedingung der Gewähr der Dauer für die neuen Anwärter des Körperschaftsstatus. Zugleich legte er aber den Einzelstaaten nahe, die Verleihungspraxis „so weitherzig und großzügig wie nur immer möglich" zu handhaben. 1 4 2 Die SPD dagegen griff auf ihre Forderung nach einem Fahrenlassen aller Konditionen für den Korporationsstatus zurück. Entscheidend sei, ob überhaupt eine Religionsgesellschaft vorliege. Ihr Abgeordneter Quarck stellte abermals den Rechtsstatus als solchen in Frage, da er nur dazu diene, „eine ganze Reihe staatlicher Machtmittel den Kirchen weiter zu erhalten." Er zeigte sich auch gegenüber der Nichtumschreibung der einzelnen Bedeutungsstränge skeptisch und ver-

•39 Poetisch, in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 516 f.; siehe auch L. Richter, S. 446 f. •40 Cf. die Beiträge von Quarck (SPD) und Beyerle (Z), in: Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 516 •4i J. Mausbach (Z), in: E. Heilfron (Hrsg.), Bd. 6, 1920, S. 4005. •42 w. Kahl (DVP), in: E. Heilfron (Hrsg.), Bd. 6, 1920, S. 4013.

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2. Kap.: Historische Aspekte

wies auf Stellungnahmen in der Literatur, die alle darauf hinausliefen, daß der Staat die Kirchen durch die Rechtsform der Körperschaft „als eine »obrigkeitliche Gewalt"' anerkenne. 1 4 3 Quarck betonte damit ein Verständnis des öffentlichen Korporationsstatus, das in den Verhandlungen auf deutlichen Widerspruch gestoßen war, das jedoch durchaus in groben Zügen dem entsprach, was Kahl von der D V P eingangs der Verhandlungen des Verfassungsausschusses skizziert hatte. Eine Anerkennung besonderer öffentlicher Gewalt der Kirchen sei - so Quarck für die Sozialdemokraten gänzlich inakzeptabel. Es sei auch nicht einsichtig, wieso gegen einen privatrechtlichen Organisationsstatus derartige Widerstände existierten. „Daß man zum Beispiel das Privilegium der öffentlichen Körperschaft mit all seinen weitreichenden Folgen, ... damit begründet, man könne sich doch nicht jedem Sportklub gleichstellen lassen, hat mich damals ehrlich gewundert und wundert mit auch heute in seiner Wiederholung. Nach unserer Anschauung sollte die Kirche so viel innere Werte bieten können, daß eine Verwechselung mit einem Sportklub auch im kleinsten Kreise ausgeschlossen sein müßte. Wenn sie die nicht bietet, desto schlimmer für sie, dann hilft ihr's auch nicht, wenn sie Rechte, die über die Rechte eines Sportklubs hinausreichen, bekommt." 144 Nach dieser abermaligen grundsätzlichen sozialdemokratischen Infragestellung des unter ihrer Mitwirkung erzielten Kompromisses oblag es Naumann, das Festhalten der DDP an den in der ersten Lesung des Verfassungsausschusses verabschiedeten religionsverfassungsrechtlichen Grundsäulen zu verteidigen. 1 4 5 Naumann warb für eine umfassende Gleichstellung der Religionsgesellschaften auf hohem Niveau. Dabei war er nunmehr, anders als i m Verfassungsausschuß, 146 bereit, den Begriff der Körperschaft des öffentlichen Rechts auch ohne vollständige Klärung in die Verfassung aufzunehmen. „Es handelt sich ... um das schwer definierbare, (gegenüber dem Zivilrecht wegen des Besteuerungsrechts; H.M.H.) höher stehende Recht, von dem die Kollegen Mausbach und Kahl mit kirchenrechtlicher Klugheit geredet haben, und über das kein Mensch im diesem Raum absolut klar zu sein sich rühmen dürfte." Auch zeigt sich Naumann skeptisch gegenüber der Tragfähigkeit der bisherigen Definitions versuche und dem sich daraus erschließenden begrifflichen Nutzen: „Denn wenn wir den Ausführungen" von Reichsminister Preuß folgten, die „darüber gemacht worden sind: was sind öffentliche Korporationsrechte? - dann konnte man 143 M. Quarck (SPD), in: E. Heilfron (Hrsg.), Bd. 6, 1920, S. 4020. 144 M. Quarck (SPD), in: E. Heilfron (Hrsg.), Bd. 6, 1920, S. 4019. 145 Er stellte diese als Übergangslösung zu einer umfassenderen Trennung dar, betonte zugleich die revolutionären Änderungen, die die evangelischen Kirchen schon bis dato ergriffen hätten (für Naumann kam der Protestantismus historisch nunmehr zu sich selbst, da sich erst unter den gewandelten Bedingungen das Priestertum aller Gläubigen entfalten könnte) eine Einschätzung, der der Vertreter der DNVP vehement widersprach, siehe K. Veidt, in: E. Heilfron (Hrsg.), Bd. 6, 1920, S. 4035 ff.. 146 Cf. E Naumann (DDP), Verhandlungen, Bd. 336, 1920, S. 200.

III. Der Rechtsstatus der Religionsgesellschaften

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ängstlich werden, wenn man sich dachte: das soll nun auf die Bergpredigt angewandt werden!" Auch der Kollege Kahl wurde mit beißendem Spott belegt: „Gerade bei ihrem Vortrag über die Pflichten und Befugnisse der öffentlichen Korporationen war ich nahe daran, koste es was es wolle, diesen Begriff abzulehnen, weil ich einen Schrecken hatte. Wenn man nämlich die Geistlichen, die man endlich Gott sei Dank von der Knechtschaft des Staatsbeamtentums freigemacht hat, jetzt wieder mit der Würde des indirekten Staatsbeamten beglücken will, dann bewahre uns Gott vor der ganzen Entwicklung!" 1 4 7 Naumann war schließlich überzeugt, daß ungeachtet der Schwierigkeiten einer präzisen Klärung der Begriff ein notwendiger Anknüpfungspunkt für das Besteuerungsrecht der Religionsgesellschaften sei. Die Kirchensteuer aber sei die maßgebliche materielle Grundlage für eine lebendige, demokratische und freiheitliche Religionskultur in der neuen Republik, schließlich wolle man die Kirchen nicht dem Patronatsgebaren einzelner finanziell potenter Mitglieder ausliefern. Über die Funktion einer rechtstechnischen Klassifikation hinaus besage der Begriff „nichts bestimmtes anderes, er enthält keine besondere Würde; es ist kein Zeichen besonderer Exzellenz". Nicht als „Ehrenzeugnis für die Kirche" diene der Status, sondern als notwendiger Hilfsbegriff. Der Körperschaftsstatus sollte nicht dazu führen, „die privilegierte Staatskirche . . . unter der Hand fortzuführen, nachdem man sie öffentlich aufgegeben h a t . " 1 4 8 Entscheidend sei deshalb, daß dieselben „Korporationsrechte, die die großen haben,... den kleinen gegeben werden." Die von der SPD kritisierte Verleihungsbedingung der organisatorischen Verfestigung verteidigte Naumann. Diese entsprächen i m Grunde der sozialdemokratischen Überzeugung, es müsse geprüft werden, ob überhaupt eine Religions- oder Weltanschauungsgesellschaft vorliege. „Es sind beständig wolkenartige Religionsgebilde vorhanden." Diesen „Eintagsgründungen von vorgestern" mit ungewisser Bestandsdauer das Recht der Besteuerung zu übertragen, schien ihm ein „rechtlich undurchführbares Verfahren zu s e i n . " 1 4 9 Den längere Zeit bestehenden kleineren Religionsgesellschaften komme dagegen zukünftig eine echte organisationsrechtliche Wahlmöglichkeit zu. Eine inhaltliche Prüfung oder besondere staatliche Nähe war nach Naumanns Schilderung vom Verfassungsgeber nicht intendiert. Die Verleihungskriterien wurden von ihm rein formal verstanden. „Die Zeit, wo kleine Religionsgesellschaften amtlich mißachtet wurden, ist jetzt grundsätzlich vorbei. Da es keine Staatskirche mehr gibt, so sind alle Nebenkirchen gleicher Ehre. . . . " Naumann richtete an Preuß als Vertreter der Reichsregierung die ausdrückliche Frage, ob die anvisierte Vorschrift über die Verleihung des Körperschaftsstatus in ihrer Bedeutung von ihm richtig skizziert worden sei, daß also „den bestehenden kleineren Kirchen, den Religionsgemeinschaften und Sekten wie Methodisten, Baptisten, Altlutheraner usw." das Recht der öffentlichen Körperschaft „ohne wei147 N. Naumann (DDP), in: E. Heilfron (Hrsg.), Bd. 6, 1920, S. 4027. 148 F. Naumann (DDP), in: E. Heilfron (Hrsg.), Bd. 6, 1920, S. 4026. 149 F. Naumann (DDP), in: E. Heilfron (Hrsg.), Bd. 6, 1920, S. 4028.

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2. Kap.: Historische Aspekte

teres zuteil werden soll", woraufhin Preuß erklärte, die Bedeutung dieser Bestimmung könne „nur so aufgefaßt werden", „wie es der Herr Abgeordnete Naumann formuliert h a t " . 1 5 0 Diese formal-paritätische Lesart deckt sich auch mit den folgenden Beiträgen der Abgeordneten Gröber, Veidt und Mausbach, die jedoch anders als Naumann auch den rhetorischen Mehrwert des Körperschaftsstatus herausstrichen: aus symbolischen Gründen solle der hergebrachte Körperschaftsstatus den Kirchen ungeachtet aller definitorischen Schwierigkeiten erhalten bleiben, die damit verbundenen Einzelrechte seien landesrechtlich zu bestimmen und könnten von Land zu Land durchaus abweichen. 1 5 1 Wesentliches Element des Rechtenbündels sei das Besteuerungsrecht, weshalb es auf Verfassungsebene gesondert hervorgehoben werde. 1 5 2 Die Verleihungskriterien seien zumutbar, da es nur um die organisatorische Stabilität ginge, nicht um eine inhaltliche Prüfung. 1 5 3 In diesem Sinne wurde schließlich auch der folgende Wortlaut verabschiedet: „Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgemeinschaften sind gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch die Zeit ihres Bestehens und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten." 154

dd) Die dritte Lesung in der Nationalversammlung Die dritte Lesung der Religions- und Kirchenbestimmungen in der Nationalversammlung brachte demgegenüber noch zwei Veränderungen: Zum einen sollte der Zusammenschluß von mehreren öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgesellschaften an diesem Rechtsstatus partizipieren (s. o.). Zum anderen wurde das die „Gewähr der Dauer" umschreibende Kriterium der „Zeit des Bestehens" durch das Merkmal der „Verfassung" ersetzt. Der Abgeordnete Kahl begründete diese Variante damit, daß „die Würdigkeit einer Religionsgesellschaft", Korporationsrechte zu erwerben, nun nicht mehr durch das zufällige äußere Moment der Zeit ihres Bestehens, sondern durch „das tiefere Moment des Inhalts ihrer Verfassung" bestimmt w e r d e . 1 5 5

150 H. Preuß, in: E. Heilfron (Hrsg.), Bd. 6, 1920, S. 4034. Wiedergegeben wird diese Passage in der Urteilsbegründung des OVG Berlin zur Verleihung des Körperschaftsstatus an die „Zeugen Jehovas", NVwZ 1996, 478 (480). 151 Cf. Α. Gröber, in: E. Heilfron (Hrsg.), Bd. 6, 1920, S. 4033; J. Mausbach, ebenda, S. 4047; cf. a. Λ. Enddrös, ZevKR 33 (1988), 285 (295). 152 Α. Gröber, in: E. Heilfron (Hrsg.), Bd. 6, 1920, S. 4033. 153 Cf. Κ Veidt, in: E. Heilfron (Hrsg.), Bd. 6, 1920, S. 4038; J. Mausbach, ebenda, S. 4047 f. 154 Cf. die Dokumentation der Beschlußfassung in: E. Heilfron (Hrsg.), Bd. 6, 1920, S. 4052. 155 w. Kahl (DVP), Verhandlungen, Bd. 329, 1920, S. 2159; s. a. BVerfGE 102, 370 (385).

III. Der Rechtsstatus der Religionsgesellschaften

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Kahls Begründung stellt die skizzierte Deutung des Körperschaftsstatus als plural-offenen Organisationsstatus für alle Religions- und Weltanschauungsgesellschaften ebenso wie die Verleihungskriterien als funktional-formale Merkmale in Frage, wenn man die Äußerung so versteht, daß nunmehr eine Prüfung der Wertigkeit der Glaubenslehren maßgeblich sein sollte. Es ist jedoch fraglich, ob dies dem Verständnis der Mehrheit der Nationalversammlung entsprach. Der Antrag wurde ohne weitere Debatte und ohne weitere Erörterung seiner Tragweite mehrheitlich verabschiedet, so daß sich die Motivlagen der die Entscheidung tragenden A k teure, insbesondere der für eine Majorität maßgeblichen DDP, nicht vollständig aufklären lassen. Aber Kahls materieller und staatsintegrativer Deutung des Körperschaftsstatus, die eine Integration in die Strukturen der Staatlichkeit implizierten, wurde i m Laufe der Verfassungsverhandlungen immer seitens der DDP und teilweise auch des Zentrums widersprochen. Es ist nicht recht ersichtlich, wieso das i m Gang der Verhandlungen auch von den M i t t e - / Rechtsparteien artikulierte Verfassungsprogramm der umfassenden formalen Gleichstellung aller Religionsund Weltanschauungsgemeinschaften durch die neue Formulierung „ i n letzter Minute" hätte revidiert werden sollen. I m Kontext der längeren Debatte über das Erfordernis von Vergabekriterien während der zweiten Lesung der Nationalversammlung ist der Kahlsche Vorschlag in der dritten Lesung wohl vielmehr so zu deuten, daß weiterhin die organisatorische Stabilität, also der prospektive Bestand der Religionsgesellschaft maßgeblich sein sollte, zur Bestimmung hierfür aber weniger das retrospektive Merkmal der Dauer des bisherigen Wirkens, sondern das Abstellen auf den Gesamtzustand der Gesellschaft, also die Finanzausstattung, den administrativen Apparat, etc. geeignet sei. Eine ohne weitere Aussprache erfolgte Totalrevision i m Verständnis des Korporationsstatus und der Gleichstellung aller Religions- und Weltanschauungsgesellschaften kann dagegen in den Beschlüssen der dritten Lesung nicht gesehen werden.

ee) Zwischenbilanz Das Resümee der Nachzeichnung der Verfassungsverhandlungen der Weimarer Nationalversammlung fällt zwiespältig aus. Einerseits läßt sich ein kompromißfähiges mehrheitliches Leitbild einer offen-pluralen Egalisierung aller Religionsund Weltanschauungsgemeinschaften auf hohem organisatorischem Förderungsniveau ausmachen, andererseits blieb die Bedeutung des Körperschaftsstatus in weiten Zügen ungeklärt. 1 5 6 A n der Rechtsform als solcher wurde mehrheitlich festgehalten. Ob neben dem Besteuerungsrecht mit dem Rechtstypus „Religionsgesellschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts" bestimmte Rechte regelmäßig landesrechtlich einhergehen und diese zumindest in einem Kernbestand von Art. 137 V WRV mit geschützt werden sollten, wurde nur begrenzt thematisiert. Die Festlegung der einzelnen Korporationsrechte sollte nach der Vorstellung des Verfassungsgebers vorrangig dem (Landes-)Gesetzgeber obliegen. 156 Cf. a. S. Korioth, GS Jeand'Heur, 1999, S. 221 (226 ff.).

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2. Kap.: Historische Aspekte

Für die Aufnahme des Körperschaftsbegriffs in die Verfassung war ein ganzes Bündel komplexer Motivlagen ausschlaggebend. Neben der Dimension eines rein technischen Überleitungs- oder Anknüpfungsbegriffs zum Zwecke der Erhaltung des Besteuerungsrechts wurde auch die Funktion des Begriffs genannt, die Rolle der Religionsgesellschaften als Faktoren des öffentlichen Lebens zu unterstreichen. Die genaue Zuordnung der Gleichstellungskomponente zur öffentlich-symbolischen Prämierungsfunktion aber stellt bis heute das offene Problem des Körperschaftsstatus - sowohl hinsichtlich seiner Bedeutung als auch seiner Verleihungsvoraussetzungen - dar. I m Zentrum steht dabei die Frage, ob die soziale Erheblichkeit einer Religionsgesellschaft, ihr Wirken i m öffentlichen Interesse Bedingung für die Egalisierung mit den großen Kirchen ist oder ob das paritätische Programm des Art. 137 V 2 W R V nicht gerade die Anerkennung gleicher kultureller Wirkmächtigkeit aller religiös-weltanschaulichen Erscheinungen und ihrer organisatorischen Repräsentanten impliziert. Während die Vertreter von Zentrum, D V P und D N V P in der Weimarer Nationalversammlung ersterer Position zugeneigt haben dürften, ist der DDP unter der Führung Naumanns eindeutig letztere Position zuzuschreiben, während die Debattenbeiträge der Sozialdemokraten für beiderlei Positionen Anhaltspunkte liefern, sie mehrheitlich aber einer streng formalen Parität zusprachen. Diese Gemengelage läßt Skepsis aufkommen gegenüber Versuchen, die heutige verfassungsrechtliche Bedeutung des Art. 137 V 2 W R V direkt aus den Verfassungsberatungen der Weimarer Nationalversammlung zu deduzieren, da in den Beratungen über solche Hintergrundannahmen keine Beschlußfassungen erfolgten. Der Weimarer ·Verfassungsgeber hat sich trotz aller begrifflichen Vagheit für die Aufnahme des Korporationsstatus in das neue religionsverfassungsrechtliche Gefüge unter Einschluß einer dezidierten Gleichstellungskomponente kleinerer Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften mit den großen christlichen Kirchen entschieden. Der darüber hinausgehende Bereich der juristischen Unbestimmtheit war dem Weimarer Verfassungsgeber bewußt, wurde aber i m Sinne einer Kompromißfindung in Kauf genommen. 1 5 7 Ihre konkretisierende Abarbeitung überließ man der Gesetzgebung und den Interpretationskünsten der Juristen. Angesichts dessen scheinen Unternehmungen, die unterschiedlichen Motive der an der Kompromißfindung Beteiligten genau zu gewichten, von begrenztem juristischen Wert. Soweit man sich auf sie einläßt, kommt aus den dargelegten Gründen (strategische Mehrheits- und Integrationsfunktion) den religionspolitischen Vorstellungen Naumanns DDP am ehesten ein besonderes Gewicht zu. Einem auslegungsanleitenden Rekurs zwecks Bestimmung der Bedeutung der verfassungsrechtlich vorgehaltenen Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts für Religionsgesellschaften auf die Intentionen des Verfassungsgebers bei der Aufnahme des Art. 137 V W R V dürfte aber insgesamt angesichts der Diffusität der Motivlagen eher eine ergänzende denn eine tragende Argumentationsfunktion 157 Cf. a. W Weiß, KritV 2001, 104 (113).

III. Der Rechtsstatus der Religionsgesellschaften

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zukommen. Vorrangig ist die Heranziehung der anderen canones und der Rückgriff auf religionsverfassungstheoretische Erwägungen. Der hier vorgenommene lange historische Angang dient dann eher der Auflockerung des historischen Vorverständnisses und der Herausarbeitung einiger für den weiteren Gang der Untersuchung erheblichen religionsrechtlichen Vorbedingungen des Weimarer Religionsverfassungsrechts, wenn nicht die Verhandlungen des Parlamentarischen Rates noch ein anderes Ergebnis zeitigen.

2. Die Verhandlungen im Parlamentarischen Rat Die Entstehungsgeschichte des Bonner Religionsverfassungsrechts weist frappierende Parallelen zu den Weimarer Verhandlungen a u f . 1 5 8 Wiederum waren zunächst keine besonderen religionskorporativen Regelungen vorgesehen, 159 wiederum wurde in der Diskussion um die Aufnahme derartiger Bestimmungen auf die Zuständigkeit der Länder verwiesen. Nach Intervention der beiden K i r c h e n 1 6 0 und einem ersten - gescheiterten Ansinnen der DP, staatskirchenrechtliche Bestimmungen in das Grundgesetz aufzunehmen, 1 6 1 legten die Fraktionen von C D U / C S U , Zentrum und DP einen gemeinsamen Antrag vor, der in Anlehnung an die W R V detaillierte Bestimmungen für Religionsgesellschaften vorsah. Darin hieß es, daß den Kirchen (und nur ihnen) eine besondere Bedeutung „für die Wahrung und Festigung der religiösen und sittlichen Grundlagen des menschlichen Lebens" zuerkannt würde, zugleich aber wurde der Wortlaut des Art. 137 I W R V („Es besteht keine Staatskirche") übernommen. Die weiteren Formulierungsvorschläge lehnten sich an die religionspluralen Fassungen der W R V an. So sollten „Kirchen und Religionsgesellschaften . . . die Rechte von Körperschaften des öffentlichen Rechts . . . behalten, ohne einer besonderen Staatsaufsicht zu unterliegen". Anderen Religionsgesellschaften seien die gleichen Rechte auf Antrag zu gewähren, wenn sie durch die Verfassung oder die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer böten. „Bei der Ausübung des ihnen eigenen Rechts, Steuern zu erheben, können Kirchen und Religionsgesellschaften sich der staatlichen Steuerlisten bedienen." 1 6 2 •58 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 140 Rdnr. 12. 159 Der Herrenchiemseer Verfassungsentwurf sah eine Regelungszuständigkeit der Länder vor und beschränkte sich auf die Gewährleistung der Religionsfreiheit; A. Höllerbach, HdbStKirchR 1 I, S. 215 (218). 160 A. Hollerbach, HdbStKirchR 1 I, S. 215 (219 f.); K.-E. Schlief, Die Entwicklung des Verhältnisses von Staat und Kirche und seine Ausgestaltung im Bonner Grundgesetz, Diss, jur. Münster 1961, S. 66.

161 Siehe den Wortlaut dokumentiert bei A. Hollerbach, HdbStKirchR 1 I, S. 215 (220 f.). Die DP nahm in ihrem Antrag ausschließlich auf „Kirchen" Bezug. Andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften wurden also dezidiert von der verfassungsrechtlichen Gewährleistung ausgespart. Zugleich mangelte es dem Vorschlag aber interessanterweise an einer Garantie des Körperschaftsstatus. 8 Heinig

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2. Kap.: Historische Aspekte

Die SPD wandte sich gegen den Vorschlag, ein ausführlicheres Religionsverfassungsrecht in das Grundgesetz aufzunehmen, da sie die Anwendbarkeit der Religionsfreiheit auch auf juristische Personen für ausreichend hielt und zu bedenken gab, daß auch andere gesellschaftliche Akteure (wie die Gewerkschaften) Anspruch auf ähnlich kommode verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen für ihr Wirken erheben könnten. Auch i m Interesse der Kirchen solle man die ganze Materie unberührt lassen. Abermals gaben deshalb die Liberalen den Ausschlag für die Aufnahme religionskorporativer Bestimmungen in die Verfassung. Ihre Vertreter betonten die Komplexität der Materie und die daraus resultierenden, nicht abschätzbaren Folgewirkungen des Antrags von C D U / C S U , Zentrum und DP. Allenfalls könne man die Weimarer Bestimmungen als bekanntes und bewährtes Koordinatensystem des Staat-Kirche- und Religionsgesellschaften-Verhältnisses übernehmen. Nachdem der rechts-bürgerliche Vorstoß zur Aufnahme eines neu formulierten Katalogs für Kirchen und Religionsgesellschaften mehrheitlich abgelehnt wurde, beantragte der christdemokratische Abgeordnete Süsterhenn in Aufnahme der von den liberalen Abgeordneten Heuss und Höpker Aschoff aufgezeigten möglichen Verhandlungslinie, „die Bestimmungen der Art. 137, 138 Abs. 2, 139 und 141 der Deutschen Verfassung vom 11. August 1919" aufrecht zu erhalten. Die damit anvisierte Übernahme der Weimarer Religionskorporationsartikel wurde mehrheitlich beschlossen, i m weiteren Verlauf seitens der SPD unter Verweis auf das Deckungsverhältnis mit dem Grundrecht auf Religionsfreiheit und der befremdlichen Gesetzestechnik der „Aufrechterhaltung" wiederholt in Frage gestellt, das Paket um Art. 138 I und - i m letzten Augenblick - Art. 136 W R V erweitert, in der Formulierung des heutigen Art. 140 GG aber letztlich vom Parlamentarischen Rat verabschiedet. 163 Anders als 1919 gab es i m Parlamentarischen Rat keine dezidierte Auseinandersetzung um die Bedeutung des Körperschaftsstatus. Die religionspolitischen Konfliktfelder lagen eher auf dem Gebiet des Ablösungsgebots von Staatsleistungen und der Fortgeltung von Staat-Kirche-Verträgen, insbesondere dem Reichskonkordat von 193 3 . 1 6 4 Relevante Anhaltspunkte für die Deutung der Rechtsstellung öffentlich-korporierter Religionsgesellschaften lassen sich damit allenfalls den in den Verhandlungen vorgetragenen allgemeinen religions- und kirchenpolitischen Erwägungen entnehmen. Eine explizite Thematisierung der in der Darstellung der Weimarer Verhandlungen skizzierten Problemfelder des Rechtsstatus blieb dage-

162 Pari. Rat, Drs. Nr. 321. Dokumentiert in : K.-B. Doemming/R.W. Füsslein/W. Matz, JöR n.F. 1 (1951), 899; cf. a. K.-E. Schlief, S. 73 f.; Α. Hollerbach, HdbStKirchR 1 I, S. 215 (222 f.); Κ Hesse, JöR n.F. 10 (1961), 3 (12 f.); M. Kleine, Institutionalisierte Verfassungswidrigkeiten im Verhältnis von Staat und Kirche unter dem Grundgesetz, 1993, S. 29 ff. 163 Siehe im Detail etwa K.-B. Doemming/R.W. Füsslein/W. Matz, JöR n.F. 1 (1951), 899 ff.; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg), GG, Art. 140 Rdnr. 12; A. Hollerbach, HdbStKirchR 1 I, S. 215 (2218 ff.); S. Grundmann/H. Rust, in: BK, Art. 140 Entstehungsgeschichte (Zweitb. 1968), S. 4 ff. 164 K. Hesse, JöR n.F. 10 (1961), 3 (13 f.).

III. Der Rechtsstatus der Religionsgesellschaften

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gen aus. Dabei zeichnete sich die Bonner Debatte um das zukünftige Staatskirchenrecht - anders als die entsprechenden Weimarer Verhandlungen - weder durch konzise religionskulturelle und -philosophische Exkurse 1 6 5 noch durch scharfe weltanschauliche Gegensätze aus. Die überwiegende Mehrheit des Parlamentarischen Rates wie auch der mit der Ausarbeitung der Verfassung federführend betrauten Ausschüsse (Hauptausschuß und Grundsatzausschuß) bezog eine dezidiert religions-, bzw. kirchenfreundliche Position, anders als in Weimar fehlte es an jeglicher kulturkämpferischen Stimmung. Die überwiegende Mehrheit des Parlamentarischen Rates lehnte eine verfassungsrechtliche Privilegierung der Kirchen gegenüber anderen Religionsgemeinschaften ab; für den Antrag von C D U / C S U , Zentrum und DP sowie für die gefundene Kompromißlinie der Inkorporation wurden gleichwohl vor allem kirchenbezogene Argumente ins Feld geführt. So betonte der Abgeordnete Süsterhenn als Gründe für die Aufnahme besonderer religionskorporativer Bestimmungen die geschichtlich-kulturelle Prägung der deutschen Gesellschaft durch das Christentum wie die Bedeutung der Kirchen als Orte des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus. Beide Argumente machten sich andere Redner aus den Reihen der antragstellenden Parteien zu eigen. Auch Heuss betonte die „Wichtigkeit der Kirchen für das Volksleben". 1 6 6 Soweit in weitergehenden religionspolitischen/ -historischen Dimensionen diskutiert wurde, ging es um eine Fundierung der Autonomie der Kirchen und die Verhinderung jeder Form von Staatsaufsicht. 167 Der Körperschaftsstatus selbst dagegen wurde - außer von der K P D 1 6 8 - von keiner Seite in Frage gestellt, wobei die Kommunisten alternativ die Forderung erhoben, allen Zusammenschlüssen von Bürgern den Anspruch zu gewähren, „als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt" zu werden. 1 6 9 Für den Kontext dieser Arbeit ist das Material deshalb nur begrenzt auslegungsanleitend. Die paritätischen Grundentscheidungen der Weimarer Verfassung wurden dezidiert nicht revidiert, sondern mit der religions- und weltanschauungsfreundlichen Grundausrichtung der Weimarer Bestimmungen unverändert übernommen. Das Verhältnis der inkorporierten Weimarer Normen zu den neuen religionsbezogenen Artikeln des Grundgesetzes blieb i m wesentlichen ebenso unthematisiert, wie die in den Verhandlungen der Weimarer Nationalversammlung offengelassenen Hintergrundfragen zum Körperschaftsstatus. Insbesondere ließ •65 Interessanter sind in dieser Hinsicht die Diskussionsprozesse über den Schutz der Menschenwürde sowie die auch an anderen Stellen der Verfassungsberatungen vorgestellten Überlegungen einzelner Mitglieder des Parlamentarischen Rates zum Verhältnis von christlichem Naturrecht und Verfassungsrecht; cf. W. Vögele, Menschenwürde zwischen Recht und Theologie, 2000, S. 274 ff. •66 Zitiert nach K.-E. Schlief, S. 77. •6v Cf. die Ausführungen des Abg. Seebohm (DP), dokumentiert in: K.-B. Doemming/ R.W. Füsslein/W. Matz, JöR 1 (1951), 899 (905). •68 K.-E. Schlief, S. 82. 169 K.-B. Doemming/R.W. Füsslein/W. Matz, JöR n.F. 1 (1951), 899 (912). 8*

2. Kap.: Historische Aspekte

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man sich nicht über das Verhältnis des Grundrechts auf Religionsfreiheit zu Art. 137 I I I und V W R V aus. Damit harrten - wie schon in Weimar - wesentliche rechtsdogmatische Fragen einer Klärung, ohne das der Verfassungsgeber erhellende Handreichungen durch den Gang der Argumentation in den die Verfassung ausarbeitenden Gremien mit auf den Weg gab. Gesetzgeber und Verfassungsinterpret blieben somit aufgerufen, die Arbeit der Verfassungskonkretisierung 170 zu schultern.

Resümee des 2. Kapitels Als Zwischenergebnis gilt es, die folgenden zwei Thesen in Bezug auf die Weimarer und Bonner Verfassungsverhandlungen festzuhalten. Erstens: Der Verhandlungsverlauf der Nationalversammlung erlaubt eine Deutung der durch Art. 140 GG inkorporierten Artikel der WRV, die den Normkomplex weniger auf die Konservierung der Stellung der Kirchen als staatsnahe oder staatsähnliche Institutionen als vielmehr auf die „Ermöglichung und Herstellung einer pluralistischen und vom Staat paritätisch zu behandelnden Fülle organisierter Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften" abzielen sieht. 1 7 1 . Rechtsdogmatisch hat sich diese Tendenz - wie später noch zu zeigen sein wird durch ein verändertes Grundrechtsverständnis unter dem Grundgesetz eher verstärkt. Die religionspolitischen Beweggründe für die Übernahme weiter Teile des Weimarer Religionsverfassungsrechts in das Grundgesetz waren jedoch eher kirchenbezogen. Die Motivlagen sind insgesamt freilich so komplex bis diffus, daß sie nur äußerst zurückhaltend methodisch gesichert auslegungsanleitend fruchtbar gemacht werden können. Zweitens: Diese methodologisch motivierte Reserviertheit gilt insbesondere für den Körperschaftsstatus nach Art. 137 V WRV. Die Nationalversammlung war sich insbesondere nach den Beratungen ihres Verfassungsausschusses bewußt, daß die Bedeutung des Rechtsstatus einer Religionsgesellschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht geklärt, geschweige denn eigens normativ fixiert wurde. Gleichwohl einigte man sich auf die Beibehaltung dieser Organisationsform und überließ die Konkretion dem Gesetzgeber und -anwender. Die i m Parlamentarischen Rat gefundene Inkorporationslösung hat dieses Problem der verfassungsrechtlichen Unbestimmtheit des Korporationsbegriffs unbearbeitet gelassen.

170

I m Sinne von K. Hesse, Grundzüge, S. 24 ff.

171 F. Wittekind,

S. 78.

3. Kapitel

Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen der Freiheit, Parität, Öffentlichkeit und Differenz für Religionsgesellschaften unter dem Grundgesetz Das Grundgesetz statuiert für das soziale Phänomen organisierter Religion einen Rechtsrahmen, der sich als Status der Freiheit, Parität, Öffentlichkeit und Differenz für Religionsgesellschaften deuten läßt (cf. Einleitung). Dieser gilt in weiten Bereichen unabhängig von der Wahl der Organisationsform - also gleichermaßen für privatrechtlich nach Art. 137 II, I V W R V wie für öffentlich-rechtlich nach Art. 137 V W R V organisierte Religionsgesellschaften. Quasi vor die Klammer gezogen soll dieser allgemeine vierfältige Status i m folgenden näher skizziert werden, bevor i m 4. Kapitel seine verfassungsrechtlichen Spezifika für die öffentlich-rechtliche Korporationsform näher gekennzeichnet werden sollen.

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken Religionsrecht ist „Arbeit am Dogma 4 '. 1 Für eine wissenschaftliche Annäherung an das Religionsrecht gilt es, das für sich i m Einzelfall nicht hinreichend konkret eine Rechtsentscheidung anleitende Normmaterial des grundgesetzlichen Religionsrechts zu bearbeiten, also zu sortieren, zu systematisieren und zu spezifizieren. Die dogmatische Verarbeitung der Zentralnorm des Staatskirchenrechts, Art. 4 I, I I GG als Grundrecht auf Religionsfreiheit, 2 gestaltet sich dabei als besonders mühselig. Vier Problemfelder prägen die gegenwärtige Diskussion um das Grundrecht auf Religionsfreiheit nach Art. 4 I, I I GG: Z u m einen steht in Frage, wie sich die Teil1

In begrifflicher Anlehnung an H. Blumenberg, Arbeit am Mythos, 5. Aufl. 1990. „Grundlage allen staatskirchenrechtlichen Argumentierens": Κ Schiaich, Staatskirchenrecht, in: D. Grimm/H.-J. Papier (Hrsg.), Nordrhein-westfälisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1986, S. 704 (713); s.a. B. Jeand'Heur/S. Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, S. 69; „Religionsfreiheit als Fundament und zentrales Kriterium des Staatskirchenrechts", H. Simon, ZevKR 42 (1997), 155 (165); „als erstes zu nennende Grundbestimmung" - soA. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl. 1996, S. 60. 2

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3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

gewährleistungen der Freiheit des Glaubens, des Bekenntnisses und der Religionsausübung zu einander verhalten (s. u. 1. b). Ferner ist zu klären, welche Reichweite man dem Begriff der Religionsausübung zumißt (s. u. 1. c). Schließlich ist in zweierlei Weise das Verhältnis zu den durch Art. 140 GG inkorporierten Normen klärungsbedürftig, nämlich hinsichtlich der Annahme eines Gesetzesvorbehaltes (s. u. 2.) und des Verhältnisses zur Garantie der Verwaltung eigener Angelegenheiten nach Art. 137 I I I W R V (s. u. 3.). Alle vier Fragestellungen berühren nicht nur die individualrechtliche Gewährleistung der Religionsfreiheit, sondern auch zentral die Rechtsstellung von Religionsgesellschaften nach dem deutschen Verfassungsrecht. Es geht um die Extension und Zuordnung ihrer korporativen Freiheitsgewährleistungen auf der Ebene des Schutzbereiches und der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Eingriffen in diesen.

1. Der Schutzbereich von Art. 41, I I GG a) Die personale Erstreckung

auf Korporationen

Art. 4 I, I I GG findet auf natürliche Personen Anwendung, darüber hinaus aber jedenfalls für die Bekenntnis- und Religionsausübungsfreiheit auch auf Religionsgesellschaften und sonstige religiöse Organisationen. 3 Der Einbezug von religiösen Korporationen in den personalen Schutzbereich des Art. 4 I, I I GG erfolgt entweder über Art. 19 I I I G G 4 oder durch Art. 4 I, I I GG selbst als Doppelgrundrecht. 5 Für Religionsgesellschaften stellt Art. 4 I, I I GG somit eine Garantie korporativer Religionsfreiheit dar. Indirekt sind davon auch sog. Satellitenorganisationen, also rechtlich verselbständigte Auslagerungen spezifischer Bereiche religiöser Aktivitäten wie die „Sorge um den Nächsten" durch Diakonie und Caritas in ihren vielfältigen rechtsförmigen Erscheinungen erfaßt. 6 Dies folgt aus der sachlichen Garantie der Orga3 Glaube und Gewissen sollen dagegen natürliche Personen voraussetzen, da es Organisationen an den für diese Merkmale relevanten Bewußtseinsvorgängen mangele; C. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 1999, Art. 4 Rdnr. 67; näher zum Glauben Κ Stern, StaatsR III /1, S. 1128; A. v. Campenhausen, HStR VI, § 136, Rdnr. 78 m. w. N.; zum Gewissen etwa M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 4 Rdnr. 69. 4 BVerfGE 53, 366 (386); 70, 138 (160); Th. Maunz, in: MDHS, Art. 140 GG Rdnr. 21; V: Neumann, GS Jeand'Heur, 1999, S. 247 (251). 5 BVerfGE 19, 129 (132); 24, 236 (245 f.); 83, 341 (353); M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 4 Rdnr. 76; Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 4 Rdnr. 19; J. Listi, HdbStKirchR 2 I, S. 439 (461). 6 Näher BVerfGE 46, 73 (85 ff.); 53, 366 (392); 57, 220 (242 f.); 70, 138 (162 ff.); 72, 278 (289); S. Muckel, Religiöse Freiheit und staatliche Letztentscheidung, 1997, S. 192 ff.; A. Isak, Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften, 1994, S. 81 f., 287 ff.; S. Magen, in: D.C. Umbach/C. Clemens (Hrsg.), GG, Art. 140 Rdnr. 72; M. Heckel, FS BVerfG, Bd. II, 2001, S. 374 (409); a.A. zu Art. 137 III WRV aus einer „Petrifizierung" der

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

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nisationsfreiheit der Religionsgesellschaften, also dem Recht, sich gemäß dem eigenen Selbstverständnis effektiv zu organisieren. 7

b) Einheitlicher

Schutzbereich

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und ihm lange Zeit folgend ein Großteil des Schrifttums verstehen Art. 4 I, I I GG als einheitliches Grundrecht auf Religionsfreiheit, 8 das durch die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Art. 4 I und I I GG näher umschrieben wird. Der Schutzbereich der Religionsfreiheit wird dabei weit gefaßt. 9 Das Grundrecht auf Religionsfreiheit garantiert demnach sowohl die innere Freiheit des Einzelnen zu glauben, eine religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen zu bilden und zu haben, als auch die äußere Freiheit, diese Überzeugungen zu bekennen, zu verbreiten, für sie zu werben und nach ihnen zu leben und zu handeln, 1 0 aber auch, derartige Lebensformen und -praktiken abzulehnen oder zu verschweigen (cf. a. Art. 136 I I I WRV). In Gestalt der freien und ungestörten Religionsausübung (Art. 4 I I GG) sichert die Religionsfreiheit die glaubensgestützte Betätigung einzeln oder gemeinsam mit anderen privat wie in der Öffentlichkeit. Die Freiheit des Zusammenschlusses in einer Vereinigung zu diesem Zwecke wird von Art. 4 I, I I GG gleichfalls garantiert (Vereinigungsfreiheit als Teil der korporativen Religionsfreiheit); einer bestehenden Vereinigung kommt die religionsbezogene Betätigungsfreiheit dann selbständig zu. 1 1 Die Freiheit der religiösen Handlung soll sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht auf kultische Handlungen und religiöse Gebräuche sowie auf klassische kollektive Religionspraktiken wie Gottesdienste, historischen Formierungszwecke der Selbstordnungs- und -Verwaltungsgarantie J. Wieland, Der Staat 25 (1986), 321 (333, 324 ff.); ders., DB 1987, 1633 ff.; M. Kleine, Insitutionalisierte Verfassungswidrigkeiten im Verhältnis von Staat und Kirchen unter dem Grundgesetz, 1993, S. 154 f. 7 M. Morlok, Selbstverständnis als Rechtskriterium, 1993, S. 388 ff.; ders., in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 28, 49. 8 So vor allem BVerfGE 24, 236 (245); st. Rspr.; M. Wenckstern, in: D.C. Umbach/C. Clemens (Hrsg.), GG, Art. 4 Rdnr. 50; J. Kokott, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 4 Rdnr. 11 f. , P. Badura, Der Schutz von Religion und Weltanschauung durch das Grundgesetz, 1989, S. 24; A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl. 1996, S. 61; ders., HStR VI, § 136 Rdnr. 36; J. Müller-Volbehr, DÖV 1995, 301; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 4 Rdnr. 42; M. Heckel, FS BVerfG, Bd. II, 2001, S. 374 (393 ff.) mit w.N.; C. Walter, Religions- und Gewissensfreiheit, in: R. Grote/Th. Marauhn (Hrsg.), Handbuch des Grund- und Menschenrechtsschutzes, 2003, Rdnr. 38. 9 BVerfGE 35, 376; W Hassemer/D. Hömig, EuGRZ 1999, 525 (526);. 10 BVerfGE 12, 1 (3 f.); 32, 98 (106); 69, 1 (33 f.); 93, 1 (15). h BVerfGE 53, 366 (387); 83, 341 (354 ff.); cf. zur Frage der Vereinigungsfreiheit a. näher 4. Kap. I. 2. sowie V. .

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3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

Gebete und Prozessionen beschränken, sondern auch Kollekten und sonstige Sammlungen, die religiöse Erziehung und weitergehend das Recht umfassen, sein ganzes Leben an den eigenen religiösen Überzeugungen (Individuen) bzw. die gesamte religiöse Organisation am kirchlichen Auftrag auszurichten. 12 Gänzlich geschieden sieht man von der so verstandenen Religionsfreiheit in ihrer in Art. 4 I, I I GG näher skizzierten Aufgliederung nur den Aspekt der Gewissensfreiheit, die eine eigene dogmatische Aufarbeitung erfahren hat. 1 3 Diese weite und die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Art. 4 I, I I GG übergreifende Interpretation sieht sich zunehmender Kritik ausgesetzt. 14 Dabei wird vor allem darauf verwiesen, daß die i m Wortlaut des Art. 4 I, I I GG selbst zum Ausdruck kommende Differenzierung nicht interpretatori sch nivelliert werden dürfe. 1 5 Der Schutz des Glaubens soll deshalb auf den Schutz der Freiheit des religiösen forums internums, also der inneren Prozesse der personalen Glaubensbildung i m doppelten generativen wie edukativen Sinne, beschränkt werden. Die Bekenntnisfreiheit dagegen schütze „das Verkünden einer religiösen Überzeugung und das Reden über s i e " . 1 6 Die Religionsausübung in Art. 4 I I GG schließlich wird in restriktiver Lesart als Recht auf eine mehr oder weniger weit gefaßte Freiheit des Kultus und der Glaubenspraxis (i.S. von individueller und z.T. auch nur kollektiver Frömmigkeitsübung) reduziert. 17

12 BVerfGE 24, 236 ff.; 32, 98, 106; 33 23 (28); 41, 29 (49); W Hassemer/D. Hömig, EuGRZ 1999, 525 (526 f.); M. Wenckstern, in: D.C. Umbach/C. Clemens (Hrsg.), GG, Art. 4 Rdnr. 51 ff.; J. Listi, HdbStKirchR 2 I, S. 439 (440 f.); J. Müller-Volbehr, DÖV 1995, 301 (306); M. Heckel, ZevKR 44 (1999), 340 (354 f.); ders., FS BVeifG, Bd. II, 2001, S. 379 (393 ff.) m. w. N. ι 3 Cf. hierzu in unterschiedlichem Zuschnitt etwa M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art 4 Rdnr. 57 ff., 111 ff.; E.-W. Böckenförde, VVDStRL 28 (1970), S. 3 ff.; M. Herdegen, HdbStKirchR 2 I, S. 481 ff.; R. Herzog, in: MDHS, Art. 4 Rdnr. 122 ff. jeweils m. w. N. 14 S. Muckel, Freiheit, S. 125 ff.; ders., FS Listi, 1999, S. 239 ff.; ders., Berliner Kommentar, Art. 4 GG Rdnr. 3 ff.; J. Hellermann, Multikulturalität und Grundrechte - am Beispiel der Religionsfreiheit, in: C. Grabenwarter u. a., Allgemeinheit der Grundrechte und Vielfalt der Gesellschaft, 1994, S. 129 (134 ff.); ders., Die sogenannte negative Seite der Freiheitsrechte, 1993, S. 138 ff.; D. Ehlers, ZevKR 44 (1999), 533 (535 ff.); N. Janz/S. Rademacher, NVwZ 1999, 706 (708 ff.); U. Mager, in: v. Münch/Kunig, GG I, 5. Aufl. 2000, Art. 4 Rdnr. 33, 55; F. Schoch, FS Hollerbach, 2001, S. 150 (155 ff.); S. Huster, Die ethische Neutralität des Staates, 2002, S. 376 ff.; K.-H. Kästner, JZ 1998, 974 ff. 15 R. Herzog, in: MDHS, GG, Art. 4 Rdnr. 64; S. Muckel, Freiheit, S. 126 f.; M. Jesteadt, JRP 1995, 237 (251); ders., FS Listi, 1999, S. 259 (267 ff.); 5. Mückl, Der Staat 40 (2001), 96 (101 ff.). 16 S. Muckel, Freiheit, S. 145 mit Verweis auf R. Herzog, in: MDHS, GG, Art. 4 Rdnr. 82; M. Fehlau, JuS 1993, 441 (446); J. Kokott, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 4 Rdnr. 30 f.; R. Zippelius, BK, Drittbearbeitung 1989, Art. 4 Rdnr. 54. 17 So etwa J. Wieland, Der Staat 25 (1986), 321 (325); A. Hense, Glockenläuten und Uhrenschlag, 1998, S. 199 ff.; S. Huster, Merkur 2001, 424 (427 ff.); ders., Neutralität, 2002, S. 381 f.; F. Schoch, FS Hollerbach, 2001, S. 150 (157 ff.); S. Mückl, Der Staat 40 (2001), 96 (116); den Schutzbereich der Religionsausübung weiter fassend S. Muckel, Freiheit, S. 148 ff.

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

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So plausibel eine derartige Interpretation von Art. 4 I, I I GG als einem sachlich gespreitzten Schutzbereich eingedenk des Wortlautes jedoch ist, so schwierig gestaltet sich eine stringente Abschichtung der einzelnen Grundrechtsmerkmale. Innere Überzeugungen und nach außen wirksames Tätigwerden (oder in negativer Hinsicht dessen Unterlassen) bilden zwei Seiten der selben Medaille. Ohne Kommunikation über Glauben ist individuelle Glaubensbildung nicht denkbar. Zudem entspricht es wohl dem eingängigen Selbstverständnis 18 aller Religionen, die Innehabung eines Glaubens und seine Dokumentation in Wort und Tat unauflöslich zu verschränken. Die Beeinträchtigung der einen Modalität zieht dann automatisch die der anderen nach sich. Glaubens- und Bekenntnisfreiheit sind deshalb in der Regel unlösbar verzahnt. Fraglich ist auch, wie zwischen dem Bekenntnis als Verkündigungsakt der religiösen Überzeugung und der Kultusfreiheit als (Teil-)Gewährleistung freier Religionsausübung differenziert werden soll. Wiederum dürfte es dem nachvollziehbaren religiösen Selbstverständnis entsprechen, in kultischen Handlungen auch einen A k t des Bekenntnisses zu sehen. Geradezu unmöglich scheint eine klare Scheidung zwischen Bekenntnis und Religionsausübung, wenn die Glaubensüberzeugung eine nonverbale symbolische Darstellung erfährt (etwa durch das Tragen eines bestimmten Kleidungsstücks oder durch ein Kreuz) und dadurch Teil eines rituellen Habitus in der religiösen Lebenswelt eines Einzelnen oder einer Gemeinschaft w i r d . 1 9 Gleichfallls sowohl eine Frage des Bekenntnisses wie der Religionsausübung kann der Ein- und Austritt aus einer religiösen Gemeinschaft sein. Die Gewährleistungsbereiche der Glaubens-, Bekenntnis- und Religionsausübungsfreiheit weisen somit zahlreiche Überlappungen und Verstrebungen auf, die eine trennscharfe Scheidung der einzelnen Schutzbereiche in Frage stellen. Die Aufführung mehrerer Ausformungen der Religionsfreiheit in Art. 4 I, I I GG markiert gerade einen für den grundrechtlich geschützten Gesamtkomplex „Religion" notwendigen und als solchen geschützten Zusammenhang, der sich nur künstlich und zuweilen sogar nur sinn- und zweckwidrig aufspalten ließe. 2 0 Art. 4 I, I I GG läßt sich deshalb angemessen nur als „ein umfassendes Recht" der Religionsfrei18

Zur Maßgeblichkeit im Rahmen des Schutzbereichs siehe religions verfassungstheoretisch oben 1. Kap. V. m. w. N. 19 Cf. zur spezifischen Problematik des religionsfreiheitlichen Schutzes des Kopftuchtragens bei Lehrerinnen BVerwG, NJW 2002, 3344 ff.; EGMR, NJW 2001, 2871 ff. m. Anm. H. Goerlich, ebd. 2862 ff.; VGH B.-W., NJW 2001, 2899 = DVB1. 2001, 1535 m. Anm. J. Rux; VG Stuttgart, NVwZ 2000, 959 ff.; VG Lüneburg, NJW 2001, 767 ff.; aus der Lit. etwa K -Η Kästner, FS Heckel, 1999, S. 359 ff., S. Mückl, Der Staat 40 (2001), 96 ff.; E.-W. Bökkenförde, NJW 2001, 723 ff.; R. Halfmann, NVwZ 2000, 862 ff.; N. Janz/S. Rademacher, JuS 2001, 440 ff.; H Maurer, FS Brohm, 2002, S. 455 (469); C. Walter, Religions- und Gewissensfreiheit, Rdnr. 51. Zur Kruzifix-Problematik in der Schule BVerfGE 93, 1 ff.; BayVerfGH NJW 1997, 3157 ff.; BVerwG, NJW 1999, 3063 ff. sowie VGH München NVwZ 2002, 1001 ff.; aus der Literatur statt aller S. Huster, Neutralität, S. 127 m. w. N. 20 A. v. Campenhausen, HStR VI, § 136 Rdnr. 31; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 4 Rdnr. 31.

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3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

heit „ m i t gegliedertem Schutzgehalt" verstehen, „das um der Klarstellung willen in seinen verschiedenen Ausprägungen aufgezählt i s t . " 2 1 Die i m Normtext aufgewiesene Typologie konkretisiert somit die Formel der „Religionsfreiheit" in verschiedenen Hinsichten. I m Ergebnis freilich laufen die Annahme eines einheitlichen oder eines trennscharf gegliederten Schutzbereichs in vielen Fällen gleich. Die eigentliche dogmatische Brisanz liegt weniger in der Frage eines einheitlichen oder differenziert zu verstehenden Schutzbereichs der Religionsfreiheit als vielmehr in der Frage nach der Bedeutung und Reichweite des Merkmals „Religionsausübung" in Art. 4 I I GG.

c) Religionsausübung aa) Religionsausübung als religiöse Handlungsfreiheit Wie benannt entnimmt das Bundesverfassungsgericht Großteil des Schrifttums der Gewährleistung der freien Recht, sein ganzes Leben anhand der eigenen religiösen knüpft damit an einen entsprechenden Meinungsstand der lehre an. 2 2

und ihm folgend ein Religionsausübung das Lehre auszurichten. Es Weimarer Staatsrechts-

Der grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 23 lag dabei die Problematik zugrunde, ob auch solche Handlungen von Verfassungs wegen als Religionsausübung anzusehen sind, die nach außen, nach allgemein geteiltem lebensweltlichen Verständnis eines Beobachters, als religiöse Akte nicht ohne weiteres erkennbar sind, die also religionsneutral erscheinen, aber religiös motiviert sind. Maßgebliche Frage ist somit, ob die religiöse Intention und Motivation einer Handlung für die Einordnung als Religionsausübung i m Sinne des Art. 4 I I GG ausreicht. Diese Frage berührt nicht nur Individualpersonen, sondern auch religiöse Organisationen als Grundrechtsträger, können letztere zwar nicht ihr Leben, aber ihre innere Struktur wie ihr gesamtes Betätigungsfeld anhand der von ihnen vertretenen Lehre ausrichten wollen. Bei Zugrundelegung einer restriktiven Interpretation wären diese Bestrebungen weitestgehend nicht von Art. 4 I I GG geschützt.

21

A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 61. 22 G. Anschütz, Die Religionsfreiheit, in: HdDStR II, S. 675 (681) etwa sah in Art. 135 WRV „die rechtliche Möglichkeit, sein Verhältnis zu allen religiösen Fragen nach Belieben zu gestalten, seinen religiösen, irreligiösen, antireligiösen Überzeugenen gemäß leben zu dürfen, alles tun zu dürfen, was diese Überzeugungen fördern, alles unterlassen zu dürfen, was sie verbieten, in allen diesen Beziehungen frei zu sein von staatlichem Zwang." Cf. weiter W. Heun, ZRG KA 86 (2000), 334 (348 ff.). 23 BVerfGE 24, 236 (245 ff.).

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

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bb) Der Begriff der Religionsausübung und die Beachtlichkeit religiöser Selbstverständnisse (]) Vorklärung. Die Frage nach der Beachtlichkeit religiöser Motive zur Qualifizierung einer Handlung als Religionsausübung ist vorrangig gebunden an die Frage nach der Relevanz des Selbstverständnisses bei der Zuordnung von sozialen Erscheinungen (Handlung) zu verfassungsrechtlichen Begriffen (Religionsausübung). Unter Zugrundelegung eines funktionalen als „allgemeinen 4 ' Religionsbegriffs wurde oben bereits versucht, die Verwiesenheit von Religion auf das jeweilige religiöse Selbstverständnis aus verfassungstheoretischer Sicht darzulegen und Einwände gegen eine Berücksichtigung des Selbstverständnisses der jeweiligen Grundrechtsträger in verfassungsdogmatischer Hinsicht zu entkräften (1. Kap. V.). A u f den dogmatischen Pfeiler einer spezifisch religionsrechtlichen Beachtlichkeit des Selbstverständnisses (hier also: was ein individueller oder korporativer Grundrechtsträger jeweils als Religionsausübung ansieht), die religiös- weltanschauliche Neutralität des Staates, ist später auch noch einmal ausführlicher einzugehen (s. u. I I . ) 2 4 A n dieser Stelle seien deshalb nur die besonders auf die Frage der Bestimmung der „Religionsausübung 44 zugeschnittenen Argumente behandelt. (2) Säkularer Religionsbegriff? I m staatskirchenrechtlichen Schrifttum wird zuweilen gefordert, statt auf das Selbstverständnis abzustellen, habe man „säkularstaatliche 4425 Umschreibungen der Religionsfreiheit zu entwickeln, auf deren Grundlage „objektiv 4 4 das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Grundrechts geprüft werden könnte. Allein fehlt es an einer plausiblen Durchführung der geforderten säkularen Definition. Für die grundgesetzlich verfaßte öffentliche Gewalt stehen schlicht keine „säkularstaatlichen 44 Kategorien zur Festlegung, welcher A k t als Religionsausübung anzusehen ist, zur Verfügung. Dies ist einerseits Konsequenz des Begriffs der Säkularisierung, wie er i m Staatskirchenrecht Verwendung findet. 2 6 Demnach bildet das Religiöse den Antipoden zum Säkularen (s. o. 1. Kap. III.). Die Suche nach einem objektiven Religionsbegriff für das Recht unter den als „säkular 44 verstandenen normativen Bedingungen religiös-weltanschaulicher Neutralität führt dann zwangsläufig zu einem infiniten Regreß oder zu einer Paradoxie. I m Sinne Luhmanns ausgedrückt: wenn die Säkularität die andere Seite der Religion ist, können nicht zugleich beide Seiten der Form beobachtet werden. Genau dies würde aber die Forderung nach „säkularen" Kriterien für das Vorliegen einer Religion verlangen. Eine „säkulare 44 Betrachtung der Religion bedürfte der Duplizierung der Form „Religion/Säkularität 4 4 auf der Ebene einer Beobachtung 2. Ordnung. Soll die zu bearbeitende Problematik auf 24 Zum Wechsel Verhältnis von Religionsfreiheit und religiös-weltanschaulicher Neutralität auch W. Bock, AöR 123 (1998), 444 (457 ff.); J. Müller-Volbehr, DÖV 1995, 301 (303 ff.); 5. Huster, Neutralität, S. 129 ff., 365 ff.; H. Maurer, FS Brohm, 2002, S. 455 (466). 2 5 So K.-H. Käster, JZ 1998, 974 (979). 26 Und von Kästner bei seiner Interpretation des Art. 137 III WRV auch zugrundegelegt wird; s. hierzu unten 3. a.

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3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

dieser Stufe nicht schlicht reproduziert werden, müßten hier die Eigenlogiken rechtlicher Kommunikation eingestellt werden. A u f dieser Grundlage wäre es grundsätzlich durchaus denkbar, aus rechtlicher Perspektive (rechtliche und damit nicht-religiöse) Kriterien für die Differenzierung von Religion und Nichtreligion auszubilden. Freilich hat eine solche Kriteriensuche unter den Bedingungen religiös-weltanschaulicher Neutralität zu erfolgen, ist also seinerseits durch einen (negativ formulierten) Zweitrekurs auf Religion geprägt. A u f diese Weise stellt sich die (nur durch eine Beobachtung 3. Ordnung entfaltbare) Problematik des säkularen Charakters der Beobachtung 2. Ordnung von Religion erneut. Aus diesem Dilemma bietet die Berücksichtigung des Selbstverständnisses der Grundrechtsträger einen methodisch gesicherten und in der Praxis durchdeklinierten Ausweg. Die notwendige Devianz eines „objektiven", substantiell definierten Begriffs der Religion ist aber auch unter Absehung der schillernden Kategorie des „Säkularen" zu diagnostizieren. Sie ist - wie die Ausführungen zu einem „allgemeinen" Religionsbegriff gezeigt haben - sowohl i m sozialen Sinn der Religion selbst wie i m sozialen Sinne ihres rechtlichen Schutzes angelegt (s. o. 1. Kap. V.). (3) Implizite Religionen „objektiver" Bestimmungen. Betrachtet man nun die Versuche einer „objektiven Bestimmung" dessen, was man i m (grund)rechtlichen Diskurs unter Religion(sausübung) zu verstehen hat, genauer, ist festzustellen, daß diese Bemühungen ein erhebliches Maß impliziter Theologien und Religionstheorien mittransportieren. 27 Die Frage kann deshalb eigentlich nicht lauten, ob ein religiöses Selbstverständnis zu berücksichtigen ist, sondern ob sinnvoller Weise unter den Bedingungen religiös-weltanschaulicher Neutralität dem Selbstverständnis des staatlichen Norminterpreten oder des Grundrechtsträgers bei der Schutzbereichsfüllung der Vorrang zukommen soll. Insbesondere widerspricht es der geforderten normativen Pluralitätskompatibilität religionsverfassungsrechtlicher Begrifflichkeiten, den Begriff der Religionsausübung als „Kultus- und Glaubenshandlungen i m engeren Sinne" zu fixieren. 2 8 Hier droht die Verwechselung eines genus proximum mit der differentia specifica, also des allgemeinen Gattungsbegriffs mit der Umschreibung einer besonderen Art innerhalb dieser Gattung. 2 9 Die Realisierung dieser Gefahr ist nur durch den Rekurs auf das religiöse Selbstverständnis des Rechtsinhabers bei der Bestimmung 27 Im Sinne der Analysen von W. F. Sullivan, Paying the Words Extra, 1994; H. G. Kippenberg, Religion vor Gericht, in: G. Klinkhammer/T. Frick (Hrsg.), Religionen und Recht, 2002, S. 21 ff.; s.a. oben 1. Kap. V. 2 8 So aber K -Η. Kästner, JZ 1998, 974 (980); J. Hellermann, Multikulturalität, S. 137 f.; ders., Der Grundrechtsschutz der Religionsfreiheit ethnisch-kultureller Minderheiten, in: W. Heitmeyer/R. Dollase (Hrsg.), Die bedrängte Toleranz, 1996, S. 383 (387 f.); S. Huster, Merkur 2001, 424 (427 ff.); ders., Neutralität, S. 381 f.; N. Janz/S. Rademacher, NVwZ 1999, 706 (710); K. Misera-Lang, Dogmatische Grundlagen der Einschränkbarkeit vorbehaltloser Freiheitsgrundrechte, 1999, S. 270. 29 Diese Gefahr sehen auch K. Misera-Lang, S. 270; S. Huster, Neutralität, S. 382 f., insb. Fn. 538 f., die entsprechend die Restriktion für neue Religionen offen halten wollen.

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dessen, was als Religionsausübung zu verstehen ist, zu vermeiden. Die besondere Hervorhebung des Kultus repräsentiert nur bestimmte religiöse Traditionen, wie sie etwa i m Katholizismus beheimatet sind und kann nicht ohne weiteres dem Grundgesetz imprimatiert werden. In anderen Religionskulturen wie etwa dem Judentum als sogenannter „Gesetzesreligion", 30 aber auch in manchen protestantisch-reformatorischen Strömungen spielt die alltägliche religiöse Handlungsorientierung eine eminent bedeutende Rolle und wurde stets als Religionsausübung verstanden. Auch auf die religionspraktische wie theologische Gleichrangigkeit von pietas und Caritas i m christlichen Selbstverständnis ist in diesem Zusammenhang hinzuweisen. „ B e i allen großen Weltreligionen gehören Glaube und Werke untrennbar zusammen". 3 1 Dem soll eine überaus heikle Randbemerkung zugefügt werden, die nicht auf die Sachproblematik abzielt, sondern die Person des Verfassungsinterpreten in den Blick nimmt. Zuweilen drängt sich die Vermutung auf, daß die Vorstellung von Religion als dem Anderen der Vernunft ein gewisses Affizierungspotential für die „Gebildeten unter ihren Verächtern" in sich birgt und dies das Vorverständnis manchen Interpreten des Religionsverfassungsrechts prägt. Wenn Religion als eigene Lebenspraxis und Lebensfrage, als identitätsbildender Traditionsbestand oder offene, bearbeitungsbedürftige und -fähige Leerstelle keine Rolle spielt, wird das Verständnis der Religion stark von der jeweiligen religiösen Primärsozialisation geprägt; und die kindliche Erfahrung von Religion ist eine der Narrationen und eingeübten religiösen Praktiken, nicht aber der theologischen Reflexion - woraus sich eine starke Kultfixierung sich als Agnostiker begreifender Verfassungsinterpreten im Religionsverständnis erklären könnte. So legitim ein solcher persönlicher Zugang zur Religion ist, so sehr sei doch davor gewarnt, mit den eigenen unerfüllten oder ungelebten religiösen Sehnsüchten und/oder kulturkritischen Emphasen den Verfassungsbegriff von „Religion" zu rekonstruieren und sie auf ihn zu projizieren. Jedes Mitglied der Gemeinschaft der Verfassungsinterpreten bleibt insoweit aufgefordert, die notwendigen Reflexionsschleifen beim Transfer des eigenen Religionsverständnisses in eine Verfassungsinterpretation einzubauen. Wie schnell hierbei wiederum trotz des Vorsatzes der wissenschaftlichen Redlichkeit die Grenzen erreicht sind, erkennt der Autor aus eigener Anschauung beim Verfassen dieser Zeilen. Ende der Randbemerkung. (4) Verfassungsgeschichtliche Argumente. Für ein Verständnis der Religionsausübungsfreiheit als eine streng begrenzte kollektive Kultusfreiheit werden ferner verfassungshistorische Gründe geltend gemacht. 3 2 Allerdings scheinen die religiösen und religionsrechtlichen Traditionen in Fragen der Religionsausübung vielschichtiger als es auf den ersten Blick wirkt, auch wenn dem überkommenen Schutz des exercitium religionis als Kultusfreiheit hier ein bedeutender Einfluß zuzuschreiben ist. Zudem wäre i m Falle einer Begrenzung der Religionsausübungsfreiheit auf kollektive Handlungen zu fragen, welcher verfassungsrechtliche Schutz traditionellen individuellen Frömmigkeitsübungen zukommen soll und ob 30

Die mit dem Begriff zuweilen verbundene Pejoration teilt der Autor ausdrücklich nicht. 31 So M. Heckel, ZevKR 44 (1999), 340 (354 f.). 32 A. Hense, Glockenläuten und Uhrenschlag, 1998, S. 211 ff.; s.a. U. Mager, in: v. Münch/Kunig, GG I, 5. Aufl. 2000, Art. 4 Rdnr. 54.

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3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

nicht dann das Merkmal der Bekenntnisfreiheit sehr weitgehend zu verstehen wäre. Ferner ist gerade i m Religionsverfassungsrecht das Argument vorkonstitutioneller Übungen nur in bedächtigen Dosierungen zulässig. Die verfassungstraditionelle Bedeutung eines Begriffs kann nur eine von mehreren gleichberechtigten Annäherungen an den Verfassungstext darstellen. Auch hat die langjährige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit einer extensiven Interpretation des Art. 4 I I GG inzwischen einen selbständigen Traditionsstrang ausgebildet, so daß zu fragen wäre, ob bei widersprüchlichen Überlieferungen Ancienität oder „gute" verfassungsrechtliche Argumente (wozu Alter an sich nicht zu zählen ist) den Ausschlag geben. Maßgeblich spricht gegen eine Verkürzung der Religionsausübung auf Kultusfragen aber, daß diese die gebotene und genealogisch erstrebte Offenheit des grundgesetzlichen Schutzes für neue religiöse Ausdrucks- und Lebensformen verhindert. 3 3 Nur weit verstanden genügt die Religionsausübungsfreiheit der geforderten Pluralismustauglichkeit religiöser Freiheit, die grundlegende Anforderung eines angemessenen Religionsverfassungsrechts ist (cf. oben 1. Kap.). Diese Bedenken werden auch nicht dadurch aufgehoben, indem man auf die formale Offenheit der Kultusfreiheit verweist, also darauf, daß alle religiöse Gruppierungen ihren Kultus ausüben können. Denn dies vermindert nicht die Gefahr, durch ein zu restriktives Verständnis von Art. 4 I I GG bestimmte (und wie gezeigt auch wohletablierte) Religionsformen von der maßgeblichen religionsfreiheitlichen Gewährleistung effektiv auszuschließen. (5) Kompensation durch Gewissensfreiheit? Das hier hervorgehobene Argument einer Verkürzung des grundrechtlichen Religionsschutzes bei einer restriktiven Lesart des Art. 4 I I GG wird in der Literatur u. a. durch einen Verweis auf den Schutz einer religiösen Lebensausrichtung durch die Gewissensfreiheit zu entkräften versucht. 34 Freilich ist der erforderliche Grad innerer Verpflichtung i m Rahmen der Gewissensfreiheit deutlich höher. Religionskulturell geprägte Handlungen würden deshalb nach einem solchen Konzept als kultische in den Schutzbereich des Art. 4 I I GG fallen, als nichtkultische dagegen nicht. Ein Anwendungsfall der Gewissensfreiheit wären letztere nur i m Falle unbedingter Verpflichtung. 3 5 Ein solcher Ansatz liefe - überspitzt gesagt - in der Sache auf eine verfassungsrechtliche Privilegierung religiösen Fundamentalismus hinaus, die i m religiösweltanschaulich neutralen Staat eine merkwürdige Schräglage aufwiese. Dem Grundgesetz angemessen scheint, daß Art. 4 I, I I GG seine Protektion der religiösen Orientierung unabhängig vom Ausmaß der „Festigkeit i m Glauben" gewährt. 3 6 Sowohl religiöser Zweifel wie starke religiöse Überzeugungen und Überwältigun-

33 M. Heckel, ZevKR 44 (1999), 340 (355 f.). 34 S. Mückl, Der Staat 40 (2001), 96 (115); S. Huster, Merkur 2001, 424 (429); ders., Neutralität, S. 404 ff.; hiergegen C. Walter, Religions- und Gewissensfreiheit, Rdnr. 39. 35 Worin S. Huster, Merkur 2001, 424 (429) gerade den Vorteil eines solchen dogmatischen Modells sieht. 36 Kritisch zu solchen Versuchen auch W. Bock, AöR 122 (1997), 444 (449 ff.).

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

127

gen sind als typische Erscheinungen religiösen Lebens von der Verfassung als Religion in den Blick genommen und als gleich berechtigte Erscheinungen grundgesetzlich geschützt. Modernitäts- und rationalisierungsoffene religiöse Deutungsmuster sollen von Verfassungs wegen i m Ansatz nicht schlechter gestellt werden als hermetisch-rigoristische religiöse Sinnsysteme. Nichtkultische Handlungen, die einem „aufgeklärten" Gläubigen religiös erwünscht, aber nicht unverzichtbar erscheinen, sind ungeachtet des fehlenden inneren Zwangs von Art. 4 I, I I GG zu schützen. Der funktional angemessen Ort für die Berücksichtigung „ermäßigter" Präferenz ist deshalb nicht der Schutzbereich eines Grundrechts, sondern die Abwägung i m Zusammenhang der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. (6) Kohärenz einer restriktiven Interpretation? Folgte man den Kritikern einer Interpretation des Art. 4 I, I I GG als Recht zu einem religionsgemäßen Leben, wären ferner Inkohärenzen in ihrer Gesamtkonzeption zu erklären. Neben einer Restriktion des Schutzbereiches reden diese nämlich zumeist zugleich der Anwendung des Art. 136 I W R V als Gesetzesvorbehalt das W o r t . 3 7 Dieser würde für die Gewissensfreiheit ausweislich des Wortlautes von Art. 136 I W R V („Religionsfreiheit") nicht greifen mit der Konsequenz, daß als unbedingt verpflichtend erlebte religiös motivierte Handlungen keinem Gesetzesvorbehalt unterfallen, Fragen des Kultus und der inneren Glaubensvorgänge hingehen schon. Angesichts der erklärten Intention einer „Enthypertrophierung" des Grundrechts auf Religionsfreiheit und einer Betonung der staatlichen Letztentscheidungskompetenz muten diese Konsequenzen nichtintendiert an und führen i m Ergebnis zu Wertungswidersprüchen. Denn es fragt sich dann, wieso der Staat in die Freiheit des Kultus und Glaubens unter tendenziell erleichterten Bedingungen eingreifen können soll als in die Gewissensfreiheit. 38 (7) Das Mißbrauchsargument. Auch die Beschwörung einer mißbräuchlichen Berufung auf das Grundrecht der Religionsfreiheit als Gegenargument einer selbstverständnisbasierten Bestimmung ihres Schutzbereichs 39 verfängt in der Sache nicht. Selbstredend sind bloß vorgeschobene Inanspruchnahmen eines Grundrechts zu scheiden von anzuerkennenden Fällen. Hierzu genügt es jedoch, das Vorliegen einer Religionsausübung einem „Codierungstest" i m oben (1. Kap. V.) dargestellten Sinne zu unterwerfen. Gefordert ist also eine Plausibilisierung des vorgebrachten religiösen Selbstverständnisses. 40

37 Etwa K-H. Kästner, JZ 1998, 974 (981 f.); F. Schoch, FS Hollerbach, 2001, S. 150 (165 f.); ausdrücklich die Annahme eines Gesetzesvorbehalts ablehnend dagegen S. Huster, Merkur 2001,424 (426 ff.). 38 Siehe zur Bedeutung des Gesetzesvorbehaltes für die Valabilität eines Grundrechtes sogleich. 39 K -Η. Kästner, JZ 1998, 974 (975). 40 Cf. 1. Kap. V.; in diesem Sinne auch V. Neumann, GS Jeand'Heur, 1999, S. 247 ff., insb. 256 ff.

1 2 8 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen (8) Selbstverständnis und Religionsausübung. Das Religionsverfassungsrecht als „säkulares Rahmenrecht" kann es deshalb nur dem religiösen Selbstverständnis der Grundrechtsträger überlassen zu bestimmen, was Religionsausübung für sie bedeutet und welche Handlungen hierfür von Relevanz sind. 4 1 Die verfassungsgeschützten Selbst- und Weltdeutungskapazitäten von Religion bedürfen dieser Offenheit für das religiöse Selbstverständnis. Maßgeblich zur Füllung der Tatbestandsmerkmale des Art. 4 I, I I GG sind notwendig die jeweiligen religiösen Überzeugungen. Die Möglichkeiten der wirksame Entfaltung dieser Überzeugungen gegenüber staatlichen Restriktionen soll Art. 4 I I GG gerade sichern. Wieso dabei handlungsorientierte Glaubensvorstellungen gegenüber kultusfixierten Glaubensvorstellungen von Verfassungs wegen weniger geschützt sein sollen, ist in der Sache nicht einsichtig und mit dem interpretationsanleitenden Grundsatz der religiös-weltanschaulichen Neutralität kaum vereinbar. (9) Privilegierung der Religion? Bedenkenswert gegen die hier präferierte Interpretation des Art. 4 I I GG als religiöse Handlungsfreiheit bleibt der Einwand, daß es unplausibel sei, wenn die Verfassung religiös geprägte kulturelle Handlungsmuster etwa gegenüber ästhetisch oder politisch inspirierten Verhaltensweisen stärker vor staatlichen Restriktionen schützen sollte. Ein solcher höherer Schutz sei aber Resultat einer extensiven Interpretation des Art. 4 I I GG. Vor allem das Fehlen eines Gesetzesvorbehaltes (hierzu sogleich) wirke sich dann privilegierend für religiöse Handlungen aus. Dies könnte für den Schutz areligiöser und religionsindifferenter Grundrechtsträger gleichbehandlungswidrige und die staatliche Neutralitätspflicht verletzende Folgen zeitigen. 4 2 Dieser Argumentation könnte man mit dem Verweis darauf zu entgegnen versuchen, daß Kunst und Politik unterhalb der Schwelle zur Weltanschauung bloß partikulare Orientierungsmarken menschlichen Handelns darstellen, Religion dagegen „den ganzen Menschen anspricht". 4 3 Gerade das identitätsbildende Potential der Religion wird verfassungsrechtlich durch Art. 4 GG geschützt (1. Kap. III. und V.). Soweit sich deshalb ästhetische oder politische Präferenzen nicht zur Weltanschauung verdichtet haben, ist ihr Beitrag zur auf sinnhafte Selbst- und Weltdeutung basierenden personalen Identität deutlich geringer zu veranschlagen. Die Verfassung sieht deshalb für bestimmte ästhetische oder politisch motivierte Handlungen eigene grundrechtliche Gewährleistungen durch Art. 5 I und III, Art. 8 GG und Art. 9 GG vor und schützt den darüber hinausweisenden Bereich i m Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG. Zonen sich politische und ästhetische Überzeugungen dagegen zu einer Weltanschauung hoch, garantiert Art. 4 I I GG auch die Ausrichtung des eigenen Lebens an ihnen.

41 M. Heckel, FS BVerfG, Bd. II, 2001, S. 379 (400 ff.) und öfter. 42 S. Huster, Neutralität, S. 374 ff. 43 Cf. a. BVerfGE 32, 98 (108).

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

129

Dabei ist die Bedeutung unterschiedlicher religiös motivierter Handlungen für die Identitätsbildung durchaus divergent. 4 4 Doch gebietet dies nicht Restriktionen in der dogmatischen Aufarbeitung des Art. 4 I I GG dergestalt, daß weniger identitätsprägende Handlungen aus dem Schutzbereich des Art. 4 I, I I GG herausfallen. Der Schutz freier Identitätsbildung fordert geradezu, daß die Ersteinschätzung der Relevanz einer Handlung i m Gesamtensemble religiöser Überzeugungen dem Grundrechtsträger obliegt. Der funktionalrechtlich richtige Ort für die Berücksichtigung von gegenläufigen Interessen und in ihrer Bedeutung vom Grundrechtsträger selbst niedrig skalierten religiösen Handlungen ist nicht der Schutzbereich, sondern die dogmatische Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs (1. Kap. V.). (10) Zur (Nicht)Unterscheidbarkeit von Religion und Weltanschauung. Die Überzeugungskraft der vorstehenden Argumentation bedingt allerdings, daß Art. 4 I I GG auch eine weltanschauliche Handlungsfreiheit impliziert. Der Wortlaut der Norm weist dagegen auf eine religionsbezogene Exklusivität des Schutzbereiches h i n 4 5 Die freie Ausübung der Weltanschauung wird dort nicht ausdrücklich genannt. Doch darf bezweifelt werden, daß „tragfähige Kriterien für eine Unterscheidung von Religion und Weltanschauung" zur Verfügung stehen. 46 Der traditionelle rechtswissenschaftliche Rekurs auf die antithetische Differenz von Transzendenz- und Immanenzorientierung der Sinnsysteme 47 verfängt angesichts der theologischen und religionsphilosophischen Auflösung einer solchen Unterscheidung kaum mehr. 4 8 Weltanschauungen können transzendierende Elemente aufweisen, Religion die Transzendenz in die Immanenz (zurück)verlagert sehen. Alle Unterscheidungsversuche wirken eingedenk dessen w i l l k ü r l i c h . 4 9 Der oben eingeführte allgemein gefaßte und soziologisch geprägte Religionsbegriff umfaßt sowohl seitens der funktionalen Bestimmung wie der Codierung auch Weltanschauungen (cf. supra 1. Kap. V. 2.). W i l l man überhaupt verfassungsrechtlich zwischen Religion und Weltanschauung differenzieren, gilt es wiederum nach dem jeweiligen Selbstverständnis zu fragen, 5 0 ohne daß dies auf den Gewährleistungs-

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Wie S. Husten Der Merkur 2001, 424 (428); ders., Neutralität, S. 378 ff. einwendet. 5 R. Zippelius, BK, Art. 4 (Drittbearb. 1989) Rdnr. 104. 4 6 S. Muckel, Freiheit, S. 148; cf. a. Κ. Obermayer, BK, Art. 140 GG (Zweitbearb. 1971) Rdnr. 42; ders., ZevKR 27 (1982), 253 (258). 4 7 Cf. S. Muckel, Freiheit, S. 136, Fn. 71; zur Problematik auch H. Wilms, FS Maurer, 2001, S. 493 ff.; in historischer wie verfassungssystematischer Perspektive W. Heun, ZRG KA 86 (2000), 334 ff. 4

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S. Muckel, Freiheit, S. 136 f.; K. Obermayer, BK, Art. 140 (Zweitb. 1971) Rdnr. 42; W Kluth, Jura 1993, 137 (138) m. w. N. 49 S. Muckel, Freiheit, S. 137; dagegen will W Heun, ZRG KA 86 (2000), 334 (361) an einer grundlegenden Differenzierung zwischen Religion und Weltanschauung festhalten, ohne freilich seinerseits markante und praktikable Unterscheidungskriterien herausarbeiten zu können; so gleichfalls U. Mager, in: v. Münch/Kunig, GG I, 5. Aufl. 2000, Art. 4 Rdnr. 14. 50 s. Muckel, Freiheit, S. 137. 9 Heinig

1 3 0 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen gehalt durchschlagen würde. So wie das Verbot einer Diskriminierung wegen „religiöser . . . Anschauung" in Art. 3 I I I GG auch weltanschauungsbezogene Ungleichbehandlungen erfaßt, 51 so gewährleistet Art. 4 I I GG auch die Weltanschauungsausübungsfreiheit. Dies gilt schon deshalb, weil zwischen der Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses (Art. 4 I GG) und der freien Religionsausübung (Art. 4 I I GG) nicht trennscharf unterschieden werden kann. Zieht man schließlich die Rechtsvergleichung auslegungsanleitend heran, 5 2 fundiert Art. 9 I E M R K die hier präferierte Interpretation. Während Art. 9 I S. 1 Hs. 1 E M R K nur von Religionsfreiheit spricht, erläutern der Hs. 2 und S. 2, daß hierunter auch die Weltanschauung zu verstehen ist. Zwischenergebnis: Art. 4 I I GG läßt sich als Recht auf ein religions- oder weltanschauungsgemäßes Leben oder als religiös-weltanschauliche Handlungsfreiheit verstehen. A u f korporativer Ebene bedeutet dies, sowohl die organisatorischen Spezifika gemäß der eigenen religiös weltanschaulichen Lehre ausrichten zu können als auch entsprechend in der Welt wirken zu dürfen (etwa durch Mission, Lehre und Verkündigung, „Sorge um den Nächsten" etc.). Art. 4 I, I I GG schützt darüber hinaus das Recht der Individuen, ihr religiöses Leben auch zu verkorporieren: die Gründungsfreiheit religiöser Organisationen (Vereinigungsfreiheit) und dann auch der Organisation zustehend - das Recht auf Bestand eben dieser. Eine Explikation erfährt dieses Recht durch Art. 137 I I W R V . 5 3 Die verfassungstheoretische Rechtfertigung dieser besonderen religionsbezogenen Form individueller und korporativer Handlungsfreiheit liegt in der normativen Anerkennung religiöser Selbstzweckhaftigkeit, die die gesellschaftliche Funktion und das Leistungsvermögen der Religion schützen soll (, ohne sie garantieren zu können). 5 4

2. Art. 1361 WRV als Gesetzesvorbehalt des Art. 4 I, I I GG In letzter Zeit mehren sich die Stimmen i m staatskirchenrechtlichen Schrifttum, die für ein Verständnis von Art. 136 I W R V als Gesetzesvorbehalt des Art. 4 I, I I GG plädieren. 55 Auch der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts folgt nun die-

si W. Rüfner, in: BK, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rdnr. 847. 52 Hierfür plädiert grds. R Häberle, Gemeineuropäisches Verfassungsrecht (1991), in: ders., Europäische Rechtskultur, 1997, S. 33 (64 f.). 53 Das Verhältnis von Art. 137 II WRV zu Art. 4 GG entspricht dem zu Art. 137 III WRV - dazu sogleich. Cf. auch M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 24. 54 Cf. 1. Kap. IV. 55 Bereits M. Stolleis, Jus 1974, 770 (772 f.); A. v. Campenhausen, HStR VI, § 136 Rdnr. 82; aus neuerer Zeit etwa S. Muckel, Freiheit, S. 224 ff.; ders., Berliner Kommentar, Art. 4 Rdnr. 47 ff.; W. Bock, AöR 123 (1998), 444 (462 ff. m. w. N. in Fn. 70); K.-H. Kästner, JZ 1998, 974 (982); M. Heckel, ZevKR 44 (1999), 340 (353); ders., FS BVerfG, Bd, II, 2001, S. 374 (408); C. Hillgruber, DVB1. 1999, 1155 (1173); C. Starck, in: Mangoldt/ Klein / Starck, GG, 4. Aufl. 1999, Art. 4 Rdnr. 75 ff.; ders., JZ 2000, 1 (7 f.); A. v. Campenhausen,

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

131

sem Ansatz. 5 6 Allerdings wird dieser Vorschlag nie auch in Bezug auf den korporativen Freiheitsgehalt des Art. 4 GG durchdekliniert, sondern in dieser Hinsicht einzig das Verhältnis von Art. 4 GG zu Art. 137 I I I W R V beleuchtet. Dies wirkt inkonsequent. Grundsätzlich müßte Art. 136 I WRV, soweit man darin einen Gesetzesvorbehalt sehen kann, auch die korporative Religionsfreiheit des Art. 4 I, I I GG beschränken. Ggf. mag Art. 136 I W R V dann (in dogmatischer Sicht in einem zweiten Schritt) hinter Art. 137 I I I W R V als potentiell speziellerer Gewährleistung zurücktreten.

a) Vorbemerkung: Grundrechtsdignität

und Gesetzesvorbehalt

Die Behandlung der Frage nach einem Gesetzesvorbehalt des Art. 4 GG verlangt zunächst eine Vorbemerkung grundsätzlicherer Art. Insbesondere der soeben (1. a.) skizzierte Einwand gegen ein weites Verständnis des Begriffs „Religionsausübung" mittels eines Vergleichs religiös motivierter Handlungen mit ästhetisch oder politisch motivierten Handlungen und einer Komparation des verfassungsrechtlichen Schutzes der religiösen Handlungsfreiheit durch Art. 4 GG ohne Gesetzesvorbehalt einerseits, der anderen Handlungen durch Art. 2 I GG mit seiner Schrankentrias andererseits gibt Anlaß zu betonen, daß Grundrechte ohne Gesetzesvorbehalt von keiner höheren „Dignität" sind. „Das Fehlen eines Gesetzesvorbehaltes deutet nicht ohne weiteres auf eine erhöhte Schutzwürdigkeit des gewährleisteten Rechts h i n . " 5 7 Auch bei Grundrechten ohne Gesetzesvorbehalt begrenzt kollidierendes Verfassungsrecht die Inanspruchnahme des Schutzbereiches. 58 Ein Eingriff in diesen kann verfassungsrechtlich durch Grundrechte und andere Verfassungsrechte gerechtfertigt sein und bedarf hierzu funktional-rechtlich auch einer gesetzlichen Grundlage (Gesetzes- und Parlaments vorbehält). 5 9 Vorbehaltlos gewährten Grundrechten wohnt damit lediglich ein tendenziell erhöhter Schutz inne, insoweit hier Eingriffe stets von einem kollidierenden Verfassungsrecht gedeckt sein müssen. 60

in: Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 136 WRV Rdnr. 6 ff.; F. Schoch, FS Hollerbach, 2001, S. 150 (165 ff.); H. Weber, ZevKR 45 (2000), 109 (120 f.); ders., Religions - Staat- Gesellschaft 1 (2000), 233 (242 ff.); Th. Giegerich, Religionsfreiheit als Gleichheitsanspruch und Gleichheitsproblem, in: R. Grote/T. Marauhn, Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, 2001, S. 241 (255). 56 BVerwGE 112, 227 ff.; ohne Rückgriff auf Art. 136 I WRV dagegen BVerwGE 112, 314 ff. (gleichfalls 3. Senat) sowie das Urteil des 2. Senats zum Kopftuch bei Lehrerinnen vom 04. 07. 2002 (Az. 2 C 21.01) = NJW 2002, 3344 ff. 57 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, S. 141. 58 Cf. H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Vorb. Rdnr. 78 ff.; K. Stern, StaatsR III/2, S. 10 ff.; W. Höfling, Jura 1994, 169 ff.; R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 2. Aufl. 1994, S. 249 ff. 59 Speziell zum Religionsverfassungsrecht hierzu M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (705 f.); M. Morlok/M.H. Müller, JZ 1997, 549 (553).

132

3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

Ob mit oder ohne Gesetzesvorbehalt verstanden, gilt für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 4 I, I I GG gleichermaßen der als sog. Wechselwirkungslehre anhand des Art. 5 I I GG entwickelte Grundsatz, 61 daß das einschränkende Gesetz i m Lichte der Bedeutung des eingeschränkten Grundrechts zu deuten ist, also ein möglichst schonender Ausgleich der einschlägigen Rechtsgüter zu gewährleisten i s t . 6 2 Eingedenk dessen führt weder die Annahme der Einschränkbarkeit der Religionsfreiheit aufgrund eines Gesetzesvorbehaltes (in Form des Art. 136 I W R V ) zu einer weitgehenden Entbindung staatlicher Religionspolitik von den grundrechtlichen Vorgaben noch umgekehrt die Ablehnung dieser Lesart zu rechtlich nicht zu verhindernden Ritualmorden und Witwenverbrennungen. Die reale religionsbezogene „Netto"freiheit 6 3 erweist sich in beiden Fällen erst in concreto bei der durch den Gesetzgeber vorstrukturierten und i m Einzelfall vollzogenen Zuordnung der einschlägigen tangierten Rechtspositionen.

b) Art. 1361 WRV - Gleichheitsrecht

oder Freiheitsschranke?

Art. 136 I WRV besagt, daß die „bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten . . . durch die Ausübung der Religionsfreiheit weder bedingt noch beschränkt werden". Diese Norm wird teilweise dahingehend verstanden, daß sie einen Gesetzesvorbehalt des Grundrechts auf Religionsfreiheit bilde, da nach ihr Rechtspflichten durch Art. 4 I, I I GG nicht beschränkt seien. I m Anschluß an diese Annahme werden die Adjektive des (Staats-)Bürgerlichen als Verweis auf die „Bürger ohne Rücksicht ihrer Besonderheiten betreffend" gedeutet. Damit sei eine Qualifikation des Vorbehaltes gemeint, erforderlich sei ein allgemeines Gesetz. 6 4 Nach gegenteiliger Ansicht ist in Art. 136 I W R V lediglich ein Diskriminierungsverbot aus Gründen der Religion oder Weltanschauung zu sehen. 65 Das Merkmal der Bürgerlichkeit und Staatsbürgerlichkeit der Rechte und Pflichten stellt nach dieser Lesart Umschreibungen für die Rechtssphären des Z i v i l - und Öffentlichen Rechts dar 6 6 60 G. Lübbe-Wolff, Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, S. 97; K. Hesse, Grundzüge, S. 141: „Gewiss ist damit auch eine Differenzierung in der Intensität des Schutzes der einzelnen Grundrechte verbunden"; M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (705). 61 BVerfGE 7, 198 (209), st.Rspr.; cf. auch H Schulze-Fielitz, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 5 I, II Rdnr. 126 ff. 62 So auch D. Ehlers, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 136 WRV Rdnr. 4; W. Bock, AöR 123 (1998), 444 (473); J. Müller-Volbehr, DÖV 1995, 301 (309). 63 Aus neuerer Zeit M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 4 Rdnr. 89 und Art. 136 WRV Rdnr. 12;. J. Winter, Staatskirchenrecht, 2001, S. 75 ff.; P. Pieroth/T. Kingreen, NVwZ 2001, 841 (844 f.); S. Huster, Neutralität, S. 380 Fn. 525; C. Walter, Religions- und Gewissensfreiheit, Rdnr. 94 f.; M. Wenckstern, in: D.C. Umbach/C. Clemens (Hrsg.), GG, Art. 4 Rdnr. 23. 64 W. Bock, AöR 123 (1997), 444 (472) m. w. N. 65 BVerfGE 102, 370 (387); J. Winter, Staatskirchenrecht, S. 76 m. w. N. 66 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 136 WRV Rdnr. 14.

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

133

Art. 136 I W R V als Gesetzesvorbehalt zu lesen, wirft zahlreiche Fragen zur Auslegung von Art. 4 I, I I GG und Art. 136 I W R V auf. Insbesondere ist zuzugestehen, daß das Bundesverfassungsgericht sich mißverständlich ausdrückt, wenn es ausführt, daß Art. 136 I W R V von Art. 4 GG nach Bedeutung und innerem Gewicht überlagert werde. 6 7 Die durch Art. 140 GG inkorporierten Normen der Weimarer Reichsverfassung sind - wie auch das Bundesverfassungsgericht immer wieder betont wird - vollgültiges Verfassungsrecht und keineswegs von niederem Rang. 6 8 Allerdings wird seitens der Kritiker auf den wesentlichen Aspekt der einschlägigen Entscheidung aus Karlsruhe nicht eingegangen. Diese unterstreicht, daß sich aus Art. 136 I W R V nicht ergebe, „welche staatsbürgerlichen Pflichten i m Sinne des Art. 136 I WRV gegenüber dem Freiheitsrecht des Art. 4 I GG mit staatlichem Zwang durchgesetzt werden dürfen." 6 9 Auch bei Anerkennung der vollen und gleichrangigen Geltung des Art. 136 I W R V ist noch keine Aussage über den Gehalt der Norm gemacht. W i l l man sich nicht auf juristische Tautologien (Art. 136 I W R V bildet [k]einen Gesetzesvorbehalt, weil Art. 136 I W R V [kjeinen Gesetzesvorbehalt bildet) als Argumentationsersatz beschränken, sind diese in historisch-genetischer, grammatischer, systematischer und teleologischer Hinsicht zu entfalten.

aa) Wortlaut Zum Wortlaut ist zunächst festzuhalten, daß Art. 4 I, I I GG selbst - anders als dies bei Art. 135 WRV der Fall war - keine Eingriffsmöglichkeit durch oder aufgrund eines Gesetzes vorsieht. Auch Art. 136 I W R V ist vom Wortlaut her nicht ohne weiteres dahingehend zu verstehen. In wesentlichen Teilen statuiert die Norm - unbestritten - ein Gleichheitsrecht: Staatsbürgerliche und bürgerliche „Rechte" werden durch die Religionsausübung nicht bedingt, heißt: unabhängig von einer bestimmten Religionszugehörigkeit und -praxis gewährt. Insoweit begründet Art. 136 I W R V vom Wortlaut her ein dem Art. 3 I I I GG und anderen besonderen Gleichheitssätzen ähnliches Diskriminierungsverbot. 7 0 Dies soll nach teilweise vertretener Auffassung jedoch nicht in Bezug auf die bürgerlichen und staatsbürgerlichen „Pflichten" gelten. 7 1 In dieser Hinsicht sei in Art. 136 I W R V ein Gesetzesvorbehalt zu sehen, da sonst die „Pflichten" durch Art. 4 I, I I GG gerade beschränkt würden. 67 So BVerfGE 33, 23 (30 f.). Hierzu skeptisch M. Stolleis, JuS 1974, 770 (774); A. Hollerbach, AöR 106 (1981), 218 (231 ff.); W. Bock, AöR 123 (1998), 444 (470); S. Muckel, Freiheit, S. 226. 68 BVerfGE 19, 206 (219); A. v. Campenhausen, HStR VI, § 136 Rdnr. 35; S. Magen, in: D. C. Umbach/Th. Clemens (Hrsg.), GG, Art 140 Rdnr. 19. 69 BVerfGE 33, 23 (30 f.). 70 H. M. Heinig, Art. Diskriminierung, in: Ev. Soziallexikon, Neuausgabe 2001, Sp. 283 (287). 71 Etwa W. Bock, AöR 123 (1998), 444 (471).

1 3 4 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen Einen derart aus einem Umkehrschluß konstruierten Gesetzesvorbehalt gibt der Wortlaut des Art. 1361 WRV jedoch nicht zwingend vor: vielmehr legt die grammatikalisch einheitliche Bezugnahme der Adjektive „bürgerlich" und „staatsbürgerlich" auf „Rechte" und „Pflichten" und die Verknüpfung beider Worte durch ein „und" nahe anzunehmen, daß Art. 136 I W R V auch hinsichtlich der Pflichten eine religionsbezogene Gleichbehandlung sichern soll. Nichtdiskriminierung ist schließlich nicht nur für rechtliche Vorteile, sondern gerade für rechtliche Belastungen (wie etwa der Steuerpflicht oder der Wehrpflicht) von hoher Relevanz. Art. 136 I W R V würde so verstanden sowohl hinsichtlich der Rechte wie der Pflichten ein religionsspezifisches Diskriminierungsverbot darstellen. In welcher Weise die Gleichheit der Rechte und Pflichten mit dem Grundrecht auf Religionsfreiheit abzugleichen ist, läßt sich Art. 136 I WRV dann ebensowenig eine Aussage entnehmen wie Art. 3 I I I GG. Daß das selbe Wort („Pflichten") zugleich einen Gesetzesvorbehalt und ein Gleichheitsrecht begründen kann, legt der Wortlaut des Art. 136 I WRV nicht nahe. Ein Gleichheitsrecht bildet in verfassungsdogmatischer Hinsicht jedenfalls keinen Gesetzes vorbehält, sondern allenfalls eine verfassungsrechtliche Kollisionsnorm für die Inanspruchnahme von Freiheitsrechten (s. u.).

bb) Genese Betrachtet man die Entstehungsgeschichte des Art. 4 I, I I GG, muß man feststellen, daß die Frage eines Gesetzesvorbehaltes i m Parlamentarischen Rat kontrovers diskutiert wurde. Ursprünglich sollte Art. 4 GG selbst einen Vorbehalt ( „ i m Rahmen der allgemeinen Gesetze" bzw. „ D i e allgemeinen Gesetze bleiben unber ü h r t " ) 7 2 enthalten. Dieser wurde i m Laufe der Verhandlungen gestrichen, weil man die durch einen Gesetzesvorbehalt eröffnete Zugriffsmöglichkeit des Gesetzgebers etwa auf Fragen der religiösen Lehre und des Bekenntnisses, aber auch auf die Formen der kultischen Religionsausübung für unerwünscht hielt. Der Abgeordnete Süsterhenn begründete seine ablehnende Haltung gegenüber einem Gesetzesvorbehalt der Religionsfreiheit in der entscheidenden 24. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 23. 11. 1948 damit, daß mit „Hilfe dieses Gesetzes Vorbehaltes i m Rahmen der allgemeinen Gesetze . . . es möglich [wäre], durch einfaches Gesetz das Recht auf ungestörte Religionsausübung zu beseitigen". 7 3 Auch wurde teilweise betont, daß die Schranke des Art. 2 I GG Anwendung finden würde und deshalb seuchen- und baupolizeiliche Vorschriften als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung weiterhin zu beachten seien. 7 4 Über die gegen eine solche Schrankenübertragung geltend gemachten - wie man heute sagen muß: begründeten - verfassungsdogmatischen Bedenken setzte sich der Parlamentari-

72 K.-B. Doemming/R.W. 73 K.-B. Doemming/R.W. 74 K.-B. Doemming/R.W.

Füsslein/W. Füsslein/W. Füsslein/W.

Matz, JöR n.F. 1 (1951), 73 (73 f.). Matz, JöR n.F. 1 (1951), 73 (74). Matz, JöR n.F. 1 (1951), 73 (74).

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

135

sehe Rat bewußt hinweg. 7 5 Die Verfechter einer Interpretation von Art. 136 I WRV als Gesetzesvorbehalt sehen gerade hierin ein Argument für ihre Ansicht: der wahre Wille des Verfassungsgebers würde nur so zur Geltung kommen; der dogmatische Mißgriff der Streichung des Vorbehaltes in Art. 4 GG müsse durch eine entsprechende Interpretation des Art. 136 I W R V revidiert werden. 7 6 Hierbei verkennt man jedoch, daß sich der Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung aus der Schrankentrias des Art. 2 I GG, die ein Teil des Parlamentarischen Rates für anwendbar hielt, noch nicht i m heutigen Sinne verfestigt hatte. Die Extension dieser Schranke auf die gesamte ansonsten verfassungsgemäß zustande gekommene Rechtsordnung ist dem weiten Verständnis des Schutzbereichs von Art. 2 I GG durch das Bundesverfassungsgericht geschuldet. I m Laufe der Verhandlungen des Parlamentarischen Rates wurde die vorgesehene allgemeine Eingriffsmöglichkeit „ i m Rahmen" oder „auf Grund der Rechtsordnung", die der heutigen Interpretation der „verfassungsmäßigen Ordnung" entspricht, in Art. 2 I GG gestrichen. 77 Der Verfassungsgeber zielte mit dem Merkmal der „verfassungsmäßigen Ordnung" eher auf ein enges Verständnis. Die Notwendigkeit der Beschränkungsmöglichkeit des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in Fällen wie dem Reiten i m W a l d 7 8 und Taubenfüttern i m Park 7 9 stand dem Verfassungsgeber bei der Formulierung der Schrankentrias wohl nicht vor Augen stand. Die Einlassung Süsterhenns in den Verhandlungen des Parlamentarischen Rates zur Religionsfreiheit, daß ohne Gesetzes vorbehält die Seuchen- und Bauvorschriften als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung i m Rahmen des Art. 4 I, I I GG zu achten sind, 8 0 läßt sich in der Sache deshalb so verstehen, daß hinter beiden Rechtsmaterien kollidierendes Verfassungsrecht steht, das eine entsprechende Restriktion der Religionsfreiheit rechtfertigen kann. W i l l man die Entstehungsgeschichte des Art. 4 GG interpretationsleitend fruchtbar machen, muß man konstatieren, daß der zunächst wie in Art. 135 W R V vorgesehene Gesetzesvorbehalt durch Mehrheitsbeschluß i m Grundsatzausschuß gestrichen wurde. 8 1 Eine Inkorporation des Art. 136 I W R V war zu dieser Zeit nicht vorgesehen. 82 Art. 4 I, I I GG sollte demnach keinen Gesetzesvorbehalt enthalten. Vorgesehen waren i m damaligen Textentwurf des Grundrechts auf Religionsfreiheit allerdings zwei Absätze, die dem Textbestand des Art. 136 I I I und I V WRV ent-

75 K.-B. Doemming/R.W.

Füsslein/W.

Matz, JöR n.F. 1 (1951), 73 (75). Die Bedenken

wurden insb. artikuliert seitens des Abg. v. Mangoldt; U m b a c h / C . Clemens (Hrsg.), GG, Art. 4 Rdnr. 11.

76 77 78 79 so

siehe auch M. Wenckstern, in: D.C.

S. Muckel Freiheit, S. 227. H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 2 Rdnr. 6. BVerfGE 80, 137 ff. mit Sondervotum Grimm E 80, 164 ff. BVerfGE 54, 143. K-B. Doemming/R.W. Füsslein/W. Matz, JöR n.F. 1 (1951), 73 (75).

81 K.-B. Doemming/R.W. Füsslein/W. Matz, JöR n.F. 1 (1951), 73 (75). 82 Hierauf verweist auch W Bock, AöR 123 (1998), 444 (467 Fn. 81).

1 3 6 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen sprachen. 83 Nachdem man sich i m Parlamentarischen Rat auf die Inkorporation der religionsgesellschaftsrelevanten Normen der Weimarer Reichsverfassung verständigt hatte, schlug der Allgemeine Redaktionsausschuß vor der abschließenden vierten Lesung des Hauptausschusses vor, aus Gründen der Praktikabilität auch Art. 136 W R V zu übernehmen und die mit Abs. 3 und 4 korrelierenden, in Art. 4 GG vorgesehenen Absätze zu streichen. 84 Der Vorschlag der Inkorporation des gesamten Artikels und nicht nur der Absätze 3 und 4 entsprach dabei der redaktionellen Gesamtlinie, nicht nur Teilartikel des Weimarer Religionsverfassungsrechts zu übernehmen 85 - so etwa auch bei der umstrittenen Einfügung von Art. 138 I WRV.86 Art. 136 W R V wurde also aus Gründen der redaktionellen Straffung und Glättung in den Katalog der inkorporierten Normen aufgenommen. Dabei mag dem einen oder anderem Abgeordneten, insbesondere v. Mangoldt als einem der drei Mitglieder des Allgemeinen Redaktionsausschusses und entschiedenem Gegner einer Streichung des ursprünglich vorgesehenen Gesetzesvorbehaltes auch vor Augen gestanden haben, daß die Kommentatoren der Weimarer Reichsverfassung in Art. 136 I WRV neben einer gleichheitsrechtlichen Verbürgung auch eine Wiederholung des in Art. 135 S. 3 WRV für die Religionsfreiheit vorgesehenen Vorbehaltes der allgemeinen Staatsgesetze sahen. 87 Daß aber die Mehrheit mit der Aufnahme des Art. 136 WRV in das Grundgesetz die Grundsatzentscheidung der Streichung eines Gesetzesvorbehaltes revidieren wollte, läßt sich anhand der Dokumente der Verfassungsberatung in keiner Weise belegen. Es wäre zu vermuten, daß ein solcher Neuzuschnitt der Religionsfreiheit in deutlicher Abkehr von den vorangegangenen Beschlüssen zumindest der Diskussion bedurft hätte. Die Entstehungsgeschichte spricht deshalb eher dagegen, in Art. 136 I W R V einen Gesetzesvorbehalt zu sehen. 88

cc) Zwecke und Ziele Für die Deutung des Art. 136 I WRV als Gesetzesvorbehalt werden insbesondere teleologische Gesichtspunkte ins Feld geführt. Nur so sei einer ausufernden Berufung auf das Grundrecht der Religionsfreiheit Einhalt zu gebieten, nur so der dem «3 K.-B. Doemming/R.W. Füsslein/W. Matz, JöR n.F. 1 (1951), 73 (73 f.). 84 K-B. Doemming/R.W. Füsslein/W. Matz, JöR n.F. 1 (1951), 73 (78 f.); M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 136 WRV Rdnr. 4. 85 Cf. a. BVerfGE 102, 370 (389). 86 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), Art. 138 WRV Rdnr. 6. 87 Cf. G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, 14. Aufl. 1933, Art. 136 Anm. 1; G. J. Ebers, Staat und Kirche im neuen Deutschland, 1930, S. 165 f.; S. Magen, in: D.C. Umbach/Th. Clemens, GG, Art. 140 Rdnr. 41. 88 C. Walter, Religions- und Gewissensfreiheit, Rdnr. 95: „die eher zufällige Aufnahme ohne Sachdiskussion im Rahmen der Schlußredaktion" kann „nur als Redaktionsversehen gedeutet werden".

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

137

Souveränitätsanspruch des Staates entstammenden Pflicht zur staatlichen Letztentscheidung Genüge getan. 8 9 Sei die bisherige Interpretation des Art. 4 I, I I GG seitens des Bundesverfassungsgerichts und des Großteils der Lehre als Grundrecht ohne Gesetzesvorbehalt unter den Bedingungen relativer religiöser Homogenität in der Bundesrepublik der 50er und 60er Jahre noch hinnehmbar, forderten die „veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse" 90 eine Neuausrichtung der religionsfreiheitlichen Schrankendogmatik. Diese Argumentation wirft Fragen auf mehreren Ebenen auf. Ganz grundsätzlich ist die Eruierung der normativen Bedeutung eines faktischen gesellschaftlichen Wandels eine überaus diffizile Sache, die eines behutsamen und methodisch aufgeklärten Vorgehens bedarf, welches die Differenzen und Interdependenzen von Verfassungstheorie, Rechtsphilosophie und Verfassungsdogmatik reflexiv einbezieht, soll der normative und damit auch immer kontrafaktisch angelegte Charakter der Verfassung bewahrt bleiben. 9 1 Konkret wäre zu fragen, ob die Prozesse des Strukturwandels der Religion und die vermehrte Präsenz der dem hiesigen Kulturkreis bisher wenig vertrauten Religionen wie dem Islam durch Migrationsbewegungen in den zurückliegenden Jahrzehnten tatsächlich für die Verfassungsdogmatik relevant sind. Die Grundkonzeption des deutschen Religionsverfassungsrechts wurde schon für die Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung pluralitätskompatibel gestaltet, 92 die erhöhte numerische Signifikanz religiöser Ausdifferenzierung stellt die gängige Verfassungsdogmatik deshalb nicht ohne weiteres in Frage. Betrachtet man die geltend gemachten Problemfelder genauer, die die Neuausrichtung der Schrankendogmatik argumentativ tragen sollen, ist der Befund ernüchternd: auch auf Grundlage der bisher von der Rechtsprechung verfolgten Konzeption der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Eingriffen in das Grundrecht auf Religionsfreiheit durch kollidierendes Verfassungsrecht lassen sich in nahezu allen Konstellationen angemessene und befriedigende Ergebnisse erzielen. 9 3 Keineswegs ist ohne Gesetzesvorbehalt die Religionsfreiheit immer in der Vorderhand - müssen gegenläufige Gemeinwohlinteressen per se zurücktreten. Soweit Abwägungsergebnisse der Rechtsprechung von den Fürsprechern eines Gesetzesvorbehaltes kritisiert werden, darf nicht unbeachtet bleiben, daß auch bei Zugrundelegung ihrer Interpretation des Art. 136 I WRV das rechtsstaatliche Erfordernis eines schonenden Ausgleichs der einschlägigen Rechtsgüter in Anlehnung an die Wechselwirkungslehre des Bundesverfassungsgerichts weiterhin unumgänglich i s t . 9 4 89 S. Muckel, Freiheit, S. 224 ff. 90 S. Muckel, Freiheit, im Untertitel; in der Sache so auch F. Schoch, FS Hollerbach, 2001, S. 150 (165 ff.); K -Η Kästner, JZ 1998, 974 (981 f.). 91 M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (698). 92 Siehe oben 2. Kap. III. 93 C. Walter, Religions- und Gewissensfreiheit, Rdnr. 96; s. a. D. Grimm, Multikulturalität und Grundrechte, in: R. Wahl / J. Wieland (Hrsg.), Das Recht des Menschen in der Welt, 2002, S. 135 (144 ff.). 94 So auch S. Muckel, Freiheit, S. 235 ff.

1 3 8 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen Wenig überzeugend scheint es deshalb, wenn als Problembestand eines vorbehaltlosen Grundrechts auf Religionsfreiheit die verfassungsrechtliche Haltbarkeit des straßenrechtlichen Erfordernisses einer Sondernutzungsgenehmigung für den Fall der Religionsausübung thematisiert w i r d . 9 5 Gerade die straßenrechtliche Konstruktion eines kommunikativen Verkehrsbegriffs unter Rückgriff auf Art. 5 G G 9 6 zeigt, daß ein allgemeiner Gesetzesvorbehalt (dort Art. 5 I I GG) etwaig bestehende Unsicherheiten über die grundrechtliche Angreifbarkeit von Genehmigungsvorbehalten nicht zu beseitigen vermag, sondern allenfalls auf ein anderes dogmatisches Feld verschiebt. Da erscheint es hinsichtlich der selbstgesetzten Zielsetzung der Apologeten einer Restriktion der Religionsfreiheit angemessener, sich nicht auf die Frage des Gesetzesvorbehaltes zu kaprizieren, sondern eine Verfeinerung des Abwägungsprogramms zu fordern. Soweit dagegen kein kollidierendes Verfassungsgut ausgemacht werden kann, das den Eingriff in Art. 4 I, I I GG zu rechtfertigen vermag, stellt sich die Frage, ob dem rechtspolitischen Regelungsbegehren wirklich Vorrang vor den grundrechtlich geschützten „religiösen Interessen" 97 zu verschaffen ist. Insgesamt ist hier deshalb der Argumentationslast, die demjenigen obliegt, der einer dogmatischen Neuausrichtung das Wort redet, nicht Genüge getan. Einige der ins Feld geführten Probleme besteht auch unter Zugrundelegung eines Gesetzesvorbehaltes, andere vermeintliche Aporien der bisherigen Rechtsprechung weisen sich bei näherem Hinsehen nicht als solche aus. Daß auch der Religionsfreiheit wie jedem Grundrecht eine Dimension des Minoritätsschutzes innewohnt und diese gerade in Glaubensfragen auch in Anspruch genommen wird, spricht teleologisch eher gegen denn für einen Gesetzesvorbehalt. Die Integrationsleistungen des Rechts entfalten sich in Art. 4 I, I I GG wegen der Berücksichtigung pluraler religiöser Selbstverständnisse i m Rahmen eines weit verstandenen Art. 4 I, I I GG als religiöse Handlungsfreiheit auch oder gerade ohne Gesetzesvorbehalt. Die Entlassung der Bürger von einer Rechtspflicht i m begrenzten Einzelfall aus Gründen der Religionsfreiheit, wenn nicht andere Verfassungsgüter höher zu werten sind, führt nicht zu einer flächendeckenden faktischen Erosion der für alle gleichen Rechtsunterworfenheit, sondern dürfte i m Endeffekt gerade den Rechtsgehorsam verstärken. Anthropologisch sprechen gute Gründe für die Annahme, daß die anerkannte Relevanz neuralgischer „religiöser Interessen" die Wahrscheinlichkeit der Rechtsloyalität i m übrigen erhöht. Die partielle Öffnung der Rechtsordnung für grundrechtlich geschützte religiöse Belange dient gerade der Effektivität der formalen Rechtsgleichheit im übrigen. Damit stellt Art. 136 I W R V zugleich eine deutliche Absage an einen vollständigen Rechtsplu-

95 S. Muckel, Freiheit, S. 18. 96 BVerfG, NVwZ 1992, 53 ff.; BVerwGE 56, 63 (66); VGH Mannheim, VB1BW. 1997, 64 (65) m. w. N. 97 R Mikat, Zur rechtlichen Bedeutung religiöser Interessen, 1973 = in: ders., Religionsrechtliche Schriften, 1. Halbbd. 1974, S. 303 ff.

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

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ralismus in Abhängigkeit zur religiösen Pluralisierung. 98 Ein solches Modell bedeutete die umfassende Aufgliederung der Rechtsordnung in jeweilig religiös geprägte, von dem religiösen Selbstverständnis abhängige Partikularrechtsordnungen. Art. 136 I W R V als Diskriminierungsverbot zu verstehen, führt deshalb dazu, die Balance zu suchen zwischen den Extremen eines rigoristisch verstandenen Gesetzesvorbehaltes und Konzepten des Rechtspluralismus. Auch übergeordnete verfassungstheoretische und -politische Gesichtspunke sprechen gegen einen interpretativen Umbau des bisherigen Systems des religionsfreiheitlichen Grundrechtsschutzes. Denn dieser berührt zentrale religionspolitische Fragen, die zu beantworten zuvörderst der demokratisch legitimierte verfassungsändernde Gesetzgeber berufen ist. Der Gesetzgeber hat aber bisher unter dem Eindruck forcierter religiöser Pluralisierung keinen Bedarf für eine weitergehende Einschränkbarkeit der Religionsfreiheit durch oder aufgrund eines Gesetzes gesehen und von entsprechenden Novellierungen abgesehen.

dd) Systematik Entgegen der Annahme des Bundesverfassungsgerichts - darauf wurde eingangs dieses Abschnitt bereits hingewiesen - lassen sich aus der systematischen Stellung des Art. 136 I W R V keine verfassungsdogmatischen Konsequenzen ziehen. Dies gilt für die Inkorporationstechnik des Grundgesetzes wie für die Zuordnung zum X I . Abschnitt (Übergangs- und Schlußbestimmungen). Systematisch sind die durch Art. 140 GG in die Verfassung aufgenommenen Artikel der Weimarer Reichsverfassung zu lesen, als ob sie dem Art. 4 GG nachfolgten. 99 Die systematische Stellung des Art. 136 W R V spricht deshalb weder für noch gegen ihre Interpretation als Gesetzesvorbehalt. Auch die Verankerung des Verbots religiöser Diskriminierung in Art. 3 I I I GG streitet nicht für ein Verständnis des Art. 136 I W R V als Gesetzesvorbehalt. Identische Gewährleistungen in unterschiedlichen Normen sind i m Bereich der besonderen Gleichheitsrechte nicht ungewöhnlich. So gebietet Art. 33 GG, daß jeder Deutsche in jedem Lande „die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten" hat. Dies versteht sich aus dem Zusammenspiel von Art. 3 GG und 31 GG von selbst, gleichwohl hat der Verfassungsgeber eine repetierende Sondervorschrift aufgenommen.

98

Dazu K. Wähler, Interreligiöses Kollisionsrecht im Bereich privatrechtlicher Rechtsbeziehungen, 1978. 99 A. Hollerbach, VVDStRL 26 (1968), S. 57 (60); A. v. Campenhausen, HStR VI, § 136 Rdnr. 35

140

3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen ee) Schrankenloser Kernbereich des Art. 4 GG?

Teilweise wird in der Literatur zwischen einem schrankenlosen Kernbereich der Religionsfreiheit und einem mit Art. 136 I W R V als Gesetzesvorbehalt versehenen weiteren Bereich unterschieden. 100 Neben den bisher geltend gemachten generellen Bedenken gegen eine Deutung des Art. 136 I WRV als Gesetzesvorbehalt wirft dieser Interpretationsvorschlag ähnlich wie die Restriktionsbemühungen bei der Auslegung des Merkmals „Religionsausübung" in Art. 4 I I GG (s. o.) die Frage auf, wie der religiös-weltanschaulich neutrale Staat Kernbereich und Peripherie der Religionsfreiheit unterscheiden soll. Maßgeblich kann für eine solche Unterscheidung nur das Selbstverständnis des Betroffenen sein. 1 0 1 Soweit eine Person aber eine einfachgesetzliche Ausgestaltung unter Bemühung der Religionsfreiheit nicht hinnimmt, spricht viel dafür, daß sie nach ihrem Selbstverständnis nicht nur einen Randbereich ihres Grundrechts auf Religionsfreiheit gesichert sehen will, sondern einen ihr wesentlich erscheinenden Garantiebestand. Deshalb stellt sich die Frage nach der Relevanz der vorgeschlagenen Zweiteilung i m juristischen A l l tag wie nach ihrem dogmatischen Mehrwert.

ff) Das Gleichheitsrecht des Art. 136 I W R V als kollidierendes Verfassungsrecht Deutet man Art. 136 I W R V als besonderes Gleichheitsrecht, gilt es immer noch abzuklären, ob die Norm nicht als kollidierendes Verfassungsrecht eine geeignete verfassungsrechtliche Rechtfertigung für einen Eingriff in Art. 4 I, I I GG abgeben kann. Art. 136 I W R V wirkte faktisch wie ein Gesetzesvorbehalt, wenn er jede einfachgesetzlich begründete Pflicht zu einem kollidierenden Verfassungsgut hochzonen würde. Hierzu ist zunächst festzuhalten, daß ein Gleichheitsrecht in seiner Wirkung durch ein Freiheitsrecht eingeschränkt werden kann, wie dies für Art. 136 I WRV etwa hinsichtlich des verfassungsrechtlich zulässigen konfessionsgebundenen Staatsamtes von Religionslehrern (Art. 7 I I I GG i.V.m. Art. 4 GG /137 I I I WRV) gilt - hierzu unten III. Doch ist überaus fraglich, ob auch der umgekehrte Weg verfassungsrechtlich sinnvoll beschritten werden kann und ein besonderes Gleichheitsrecht die Grundlage einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung für einen Eingriff in ein besonderes Freiheitsrecht bildet. Diesbezüglich sind insoweit Zweifel angemeldet, als bereits das Freiheitsrecht antidiskriminierend durch die Garantie gleicher Freiheit wirkt. Freiheitsrechten ist - kantisch gesprochen - notwendig die Garantie gleicher Freiheit eingezeichnet; sie wirken hierüber immer auch

•oo S. Magen, in: D.C. Umbach/Th. Clemens, GG, Art. 140 Rdnr. 44; A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 68 f. m. w. N. 101 Siehe oben 1. Kap. V. und öfter.

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

141

gleichheitsrechtlich. 1 0 2 Besonderen Ausdruck findet dies in Art. 14 E M R K ; der Diskriminierungsschutz der Europäischen Menschenrechtskonvention beschränkt sich auf die Garantie gleicher Freiheit. Weicht der Textbestand des Grundgesetzes hiervon auch ab und begründet eine eigenständige Gleichheitsgarantie, so ist das Verhältnis von Gleichheit und Freiheit i m Grundgesetz - in den Worten Günter Dürigs - doch geprägt durch eine „Präponderanz der Freiheit". 1 0 3 Gleichheit hat von Verfassungs wegen freiheitsdienenden Charakter, während gleiche Unfreiheit den grundrechtlichen Vorgaben nicht genügt. Deshalb ist auch bei Zugrundelegung der grundsätzlichen Kollisionstauglichkeit des Art. 136 I WRV mit Art. 4 GG i m Rahmen der nach wie vor anzustellenden Abwägung zwischen beiden Rechtsgütern ein Vorrang des Art. 136 I W R V tendenziell ausgeschlossen. Denn ein Abgleich zwischen dem gleichheitsrechtlichen Gebot gleicher Bindung an das einfache Recht und der freiheitsrechtlich fundierten Modifikation und partiellen Freistellung i m Einzelfall hat dem Gebot der maximalen Schonung beider Rechtsgüter zu dienen. Konrad Hesse hat diesen Vorgang als Herstellung praktischer Konkordanz i m verfassungsrechtlichen Sprachgebrauch prominent gemacht. 1 0 4 Ein größtmögliches Zurgeltungkommen von Art. 4 I, I I GG wie Art. 136 I WRV wird gewährleistet, indem man ein Ausgleichverhältnis zwischen beiden Normen dahingehend annimmt, daß sich jedermann in gleicher Weise unabhängig von der individuellen Religionszugehörigkeit und -praxis (im Sinne einer Nichtbegrenzung auf eine spezifische Religion) gegen eine bestimmte, in die Religionsfreiheit eingreifende Rechtspflicht unter Berufung auf Art. 4 I, I I GG wenden kann. Art. 136 I W R V würde damit selbst als kollidierendes Verfassungsrecht aus Gründen praktischer Konkordanz nur die schon Art. 4 I, I I GG inhärente Garantie gleicher Freiheit verstärken, jedoch nicht das unbedingte Eingreifen einer Rechtspflicht gegenüber anderen effektiv garantieren. Weiterhin läßt sich fragen, ob nicht die spezifische Struktur des grundgesetzlichen Paritätsprinzips als Recht offener Vielfalt abwägungsprägend in Ansatz zu bringen ist. Hierunter ist - wie i m Kontext der Darstellung des religionsbezogenen Gleichheitsrechts gezeigt werden soll (III.) - zu verstehen, daß das Religionsverfassungsrecht des Grundgesetzes auch hinsichtlich seiner gleichheitsrechtlichen Gehalte das freiheitliche Recht auf Differenz unberührt läßt und für religiöse Korporationen deshalb mannigfache unterschiedliche Organisations- und Betätigungsmöglichkeiten anbietet. Gleiche Berechtigung wird dann dadurch gesichert, daß die jeweiligen Angebote allen offenstehen. Diese Vorstellung gleicher Berechtigung unterschiedlicher Religionen durch gleiche Differenzierungschancen unter-

102 ρ Kirchhof, FS Lerche, 1993, S. 133 (137 f.); H M. Heinig, Art. Diskriminierung, in: Ev. Soziallexikon, Neuaufl. 2001, Sp. 283 (283 ff.); D. Suhr, Gleiche Freiheit, 1988; W. Rohloff, Zusammenwirken von allgemeinem Gleichheitssatz und Freiheitsgewährleistungen, Diss. jur. Augsburg, 1992, S. 28 ff. 103 G. Dürig, in: MDHS, Art. 3 GG Rdnr. 135. 104 K. Hesse, Grundzüge, S. 142 ff.

142

3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

streicht den skizzierten tendenziellen Vorrang der religiösen Freiheit vor rigoroser Gleichheit, da gleiche Freiheit die egalitären Interessen freiheitsschonend hinreichend zur Geltung bringt. Schließlich ist zu beachten, daß bei der Frage der Rechtspflichtengleichheit nicht zwei Personen jeweils ihnen zustehende kollidierende Verfassungsgüter gegenüber dem Staat geltend machen (schlichtes Dreiecksverhältnis), sondern die Pflichtengleichheit gegenüber der gesamten Bevölkerung in Ansatz zu bringen ist, also ein Vielzahlpersonenverhältnis begründet. Tritt die Religionsausübungsfreiheit i m Einzelfall gegenüber der Rechtspflichtengleichheit stets zurück, bleibt von der Freiheit nichts übrig, tritt die Pflichtengleichheit eines einzelnen zurück, bleibt sie gegenüber allen, die sich hinsichtlich der konkreten Rechtspflicht nicht auf Art. 4 I, I I GG berufen, aber gleichwohl berufen könnten, bestehen. Eine Engführung auf ein Zwei- bzw. (unter Einschluß des Staates als eigentlichem Adressaten) Dreipersonenverhältnis ist i m Falle des Art. 136 I W R V wegen dessen egalitärem normativem Gehalt gerade, anders als bei der klassischen Kollision zweier Freiheitsrechte, nicht möglich.

gg) Zwischenergebnis Das Grundrecht auf Religionsfreiheit wird demnach durch Art. 4 I, I I GG ohne Gesetzesvorbehalt gewährleistet. Für eine Revision dieser staatskirchenrechtlichen Grundentscheidung des Bonner Verfassungsgebers durch Auslegung besteht weder Anlaß in der Sache noch methodisch abgesicherter Spielraum.

3. Art. 137 I I I WRV als Schranke der korporativen Religionsfreiheit I m Gegensatz zu Art. 136 I W R V kennt Art. 137 I I I W R V eine unzweifelhafte Schrankenregelung, nämlich die „des für alle geltenden Gesetzes", die sich auf das Recht der Ordnung und Verwaltung der eigenen Angelegenheiten von Religionsgesellschaften bezieht. I m Zusammenhang mit dem Grundrecht auf korporative Religionsfreiheit nach Art. 4 I, I I GG stellt sich die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis der beiden Normen sowohl auf Ebene des Schutzbereichs als auch auf der Ebene der Schrankenziehung. Die Rechtsprechung gibt auf beide Fragen keine rechte A n t w o r t , 1 0 5 die Literatur gleich eine Fülle von Antworten. Letzteres ist insoweit nicht weiter verwunderlich, als bei der Verhältnisbestimmung von Art. 4 I, I I GG zu Art. 137 I I I W R V generelle Überlegungen zum Thema Staat und Kir105

Das BVerfG sieht in st. Rspr. in Art. 137 III WRV eine eigenständige, die korporative Religionsfreiheit nach Art. 4 I, II GG ergänzende Regelung, BVerfGE 72, 278 (289). „Ungeachtet der unterschiedlichen Schranken spricht sich das BVerfG nicht deutlich dazu aus, was aus diesem ,Ergänzungsverhältnis' für die Konkurrenz der Bestimmungen folgt" S. Magen, in: D.C. Umbach/Th. Clemens (Hrsg.), GG, Art. 140 Rdnr. 64.

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

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chen eine bedeutende Rolle spielen und die Interpretation der Garantie zur freien Ordnung und Verwaltung eigener Angelegenheiten anleiten. I m folgenden soll deshalb mit Bezugnahme auf staatskirchenrechtliche Grundverständnisse der Frage nachgegangen werden, ob Art. 137 I I I W R V eine grundrechtsartige Freiheitsnorm oder die besondere Anerkennung vorverfassungsrechtlicher Eigengewalt darstellt (a.). Hieran anschließend ist das Verhältnis der Schutzbereiche von Art. 4 I, I I GG und Art. 137 I I I WRV zu beleuchten (b.). Ferner ist auf die Bedeutung der Schranke des für alle geltenden Gesetzes in Art. 137 I I I WRV einzugehen (c.). Schließlich soll das Wechselspiel von (selbstverständnisgeprägtem) Schutzbereich und (die Rechte Dritter und sonstige Gemeinwohlbelange in den Blick nehmender) Schranken der korporativen Religionsfreiheit am Beispiel des sog. kirchlichen Arbeitsrechts anschaulich gemacht werden.

a) Art. 137III

WRV - Kollisionsnorm

oder Freiheitsrecht?

Das Recht von Religionsgesellschaften auf Selbstordnung und -Verwaltung ist historisch geprägt durch die Emanzipation der organisierten Religion von Kirchenhoheit und besonderer Kirchenaufsicht (2. Kap. I.). Diese genetische Imprägnierung schlägt sich bis heute in der Interpretation der Vorschrift nieder, wenn Art. 137 I I I W R V gedeutet wird als Ausdruck der staatlichen Anerkennung originärer Kirchengewalt und originärer Rechtsmacht. Die weltliche Rechtsordnung erkenne auf diese Weise die Kirchen als dem Staate vorgängige und vorgegebene Institutionen an, „deren geistlicher Auftrag in keiner Weise vom Staat abgeleitet i s t ' 4 . 1 0 6 Diese Betonung der Existenz und freien Aktivität von Religionsgesellschaften aus eigenem Recht, die Unterstreichung des Fehlens irgendwelcher rechtlichen Ableitungsverhältnisse steht ganz i m Zeichen der durch Art. 137 I I I W R V und seine Vorgänger erfolgenden Absage an traditionelle Versuche der Unterwerfung und Dienstbarmachung der Kirchen durch die staatliche Gewalt. Religion wird durch die Selbstordnungs- und -Verwaltungsgarantie der staatlichen Sorge zu einem Gutteil entzogen und der Selbstorganisation überantwortet. Insoweit garantiert Art. 137 I I I WRV die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Kirchen vom Staat und läßt so ihre normative Anerkennung sozialer Selbstzweckhaftigkeit (s. o. 1. Kap. IV.) effektiv werden. Doch zugleich ist mit der Herausstellung der Vorgängigkeit der Kirchen und einer bloß anerkannten Eigenrechtsmacht 1 0 7 ein z.T. i m freiheitlichen Verfassungsstaat unangemessener Beiklang einer der Verfassung entzogenen Parallelmacht verbunden. Die Formierungsphase der Selbstordnungs- und -Verwaltungsgarantie ist geprägt durch ein deutlich anderes Staats-, Kirchen-, Verfassungs- und Grund106

A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 108. 107 A. v. Campenhausen, ZevKR 46 (2001), 165 (166); A. Janssen, FS Hollerbach, 2001, S. 707 ff.

1 4 4 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen rechtsverständnis als wir es heute kennen. Insoweit ist zu fragen, wie der durch Art. 140 GG inkorporierte Art. 137 I I I W R V i m Gesamtkontext des Grundgesetzes zu verstehen ist und welche Bedeutung dabei den theoretischen Paradigmen der Entstehungsphase noch zukommt. Entscheidend für eine am Grundgesetz orientierte verfassungstheoretische Annäherung an Art. 137 I I I W R V dürfte seine emanzipative Dimension sein, die darauf abzielt, Kirchen und andere Religionsgesellschaften als freie Akteure der und in der Gesellschaft anzuerkennen. Die in diesem Sinne verstandene Nichtableitbarkeit des religiösen Auftrags vom Staat wird im freiheitlichen Verfassungsstaat des Grundgesetzes primär grundrechtlich gewährleistet. Die Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte bedienen deshalb nach dem Grundgesetz die Funktion, die auch Art. 137 I I I WRV zugrunde l i e g t . 1 0 8 Insoweit liegt es nahe, das traditionell stark institutionell geprägte Verständnis des Art. 137 I I I WRV in ein grundrechtsbasiertes zu überführen. Nach der hier eingenommenen Perspektive (vgl. 1. Kap. II.-IV.) sind Religionsgesellschaften der zivilgesellschaftlichen Sphäre zuzuordnen, also wie alle anderen Bürger und ihre Vereinigungen verfassungsbegründet der öffentlichen Gewalt unterworfen, wobei sich die Subordination der religiösen Organisationen unter das Grundgesetz wie die anderer gesellschaftlicher Lebensbereiche, etwa der Kunst, der Medien, der Wirtschaft oder der Wissenschaft, als eine durch die Verfassungsgewährleistungen selbst gemäßigte darstellt. 1 0 9 Ein Verständnis von Art. 137 I I I WRV als Koordinations- und Kollisionsnorm zweier Gewalten „auf Augenhöhe" muß damit ausscheiden. 110 Konrad Hesse schärfte schon 1965 den Blick für die konstitutive Verwurzelung der Kirche innerhalb der Gesellschaft 111 und löste sich damit von einem verfassungsrechtlich verfehlten Verständnis des Art. 137 I I I W R V als institutionellem Arrangement aus der vermeintlichen Notwendigkeit, daß Staat und Kirche mit demselben Bürger zu tun haben (idem civis et christianus). Unter den Bedingungen der freiheitlich-pluralen Verfaßtheit der grundgesetzlichen Ordnung ist das institutionell geprägte historische Ursprungsverständnis des Staatskirchenrechts, das Kirchen als staatsanaloge Ordnungsmächte erfaßte, zu transformieren in eine grundrechtlich geprägte Lesart der religionsbezogenen Grundgesetzartikel, die man programmatisch „Religionsverfassungsrecht" titulieren k a n n . 1 1 2 In verfassungstheoretischer Perspektive tritt anstelle des Gegenübers los Cf. a. Λ. Hollerbach JZ 1997, 1117 (1119). 109 Für eine solche Lesart spricht auch die aus der Justizgewährungspflicht abzuleitende Unterwerfung von Religionsgemeinschaften unter die staatliche Gerichtsbarkeit bei Streitigkeiten über staatliches Recht; cf. hierzu BGH, NJW 2000, 1555 ff.; A. Nolte, NJW 2000, 1844 ff.; H Maurer, JZ 2000, 1113 ff.; K.-H. Kästner, NVwZ 2000, 889 ff.; A. v. Campenhausen, ZevKR 45 (2000), 622 ff.; vorher bereits C. Kirchberg, NVwZ 1999, 734 ff.; nun 5. Magen, NVwZ 2002, 897 ff.; BVerwG, NVwZ 2002, 987 ff. 110 So freilich die mehrfach erwähnte Koordinationslehre, aber auch J. Wieland, Der Staat 25 (1986), 321 ff. m Λ:. Hesse, ZevKR 11 (1964/65), 337 ff.

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von Kirchen und Staat gleichermaßen zum Individuum die Betonung, daß die freiheitlich geschützten und gleichberechtigten Religionsgesellschaften selbst einen essentiellen Teil des in seinem politischen System demokratisch verfaßten Gemeinwesens bilden. Ausfluß dieser Neuorientierung ist auch, Art. 4 GG als „lex r e g i a " , 1 1 3 als Interpretament des Staatskirchenrechts zu begreifen. Die durch Art. 140 GG inkorporierten Normen lassen sich nur unter Berücksichtigung der von Art. 4 GG geschützten „religiösen Interessen" 1 1 4 angemessen interpretieren. Zahlreiche Weimarer Religionsartikel stellen dann in ihren Überschneidungen und Überlappungen zu Art. 4 GG bloße Konkretisierungen des Grundrechts auf Religionsfreiheit dar. Aber auch die nicht schon von Art. 4 I, I I GG erfaßten Rechtsgarantien sind nicht von diesem losgelöst, sondern in ihrer grundrechtsdienenden und die effektive Ausübung der Religionsfreiheit ermöglichenden Funktion zu versteh e n . 1 1 5 Art. 137 I I I WRV stellt in dieser dem Grundgesetz angemesseneren Perspektive eine materiale Freiheitsnorm dar, die das Tun und Unterlassen von Religionsgesellschaften als Teil der Zivilgesellschaft i m Sinne der normativen Anerkennung religiöser Selbstzweckhaftigkeit von Religion schützt und deshalb die Selbststeuerung von Religion absichert. Eine Lesart von Art. 137 I I I WRV dagegen, die hierin die bloße Anerkennung einer originären Eigengewalt religiöser Vereinigungen sieht, die die grundgesetzlich verfaßte Staatlichkeit vorfinde, jedoch nicht begründe, 1 1 6 kollidiert mit den aufgezeigten verfassungstheoretischen Erwägungen. Die Rede von der Kirchengewalt impliziert Augenhöhe und Strukturanalogie mit staatlicher Gewalt. Dies ist zur Beschreibung des religionsverfassungsrechtlichen Arrangements des Grundgesetzes nicht angemessen. Der grundgesetzliche Schutz des kirchlichen Wirkens markiert Freiheitsräume, keine Eigengewalten. Solche verfassungsrechtliche Freiheit wird begriffsnotwendig nicht vorgefunden, sondern verfassungsrechtlich begründet. 1 1 7 „Vorverfassungsrechtlich" läßt sich als Kirchengewalt nur die soziale Wirkmächtigkeit religiöser Organisationen ausmachen. Diese ist „nachverfassungs-

112 P. Häberle, „Staatskirchenrecht" als Religionsrecht der verfaßten Gesellschaft (1976/ 1978), in: Verfassung als öffentlicher Prozeß, 3. Aufl. 1998, S. 337 ff.; zu diesem Ansatz einer Übersetzung des institutionellen Staatskirchenrechts in ein grundrechtsbasiertes Religionsverfassungsrecht auch C. Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht?, in: R. Grote/T. Marauhn (Hrsg.), Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, 2001, S. 215 ff.; ders., Säkularisierung des Staates - Individualisierung der Religion, in: H. Lehmann (Hrsg.), Probleme der Multireligiösität in Europa am Beginn des 21. Jahrhunderts, 2003, i.E. sowie infra 4. Kap. 113 M. Heckel, ZevKR 12 (1966/67), 1 (35).

i ' 4 P. Mikat, Interessen. us Zuletzt BVerfGE 102, 370 (387, 393) zum Körperschaftsstatus; cf. 4. Kap. •16 Zuletzt G. Neureither, Recht und Freiheit im Staatskirchenrecht, 2002, S. 125 ff. m. w. N. ι 1 7 Dieses Argument wird gleich bei der Einordnung von Kirchenrecht noch näher entfaltet. 10 Heinig

1 4 6 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen rechtlich" jedoch nicht mit der Rechtsmacht des verfaßten Staates auf eine Stufe zu stellen. Jede „vor-" oder genauer: „nichtverfassungsrechtliche", soziale Freiheit als durch soziale Normen anerkannte Freiheit oder durch faktische Machtposition und Nichthinderung bestehende Freiheit ist stets „originäre" Freiheit. Außerrechtlichen und damit auch vorrechtlichen Begebenheiten kommt als solchen jedoch stets keine Verfassungsqualität zu - dies gilt für Individuen wie Gruppierungen wie Institutionen. Dies hat bereits Ernst Friesenhahn treffend formuliert: „Der Staat schafft nicht die Religionsgesellschaften, sondern er findet sie als organisatorische Zusammenschlüsse der Anhänger eines bestimmten Bekenntnisses auf seinem Territorium vor. Da aber alles gesellschaftliche Leben innerhalb eines Staates den vom Staat gesetzten Rechtsnormen unterworfen ist, bestimmt das staatliche Recht, wer Träger von Rechten und Pflichten sein kann." 118 Die argumentative Bezugnahme auf die soziale Vorgängigkeit der Religion dient auch in diesem Zitat (lediglich) der Markierung einer Emanzipation von Staat und Kirche - der freiheitliche und neutrale Staat hat keine religionsgründende Funktion (mehr). Dies heißt jedoch - so wiederum Friesenhahn - nicht, „daß den Kirchen . . . ein vorstaatlicher Rechtsstatus zukommt, den der Staat als ihm gleichwertig . . . hinnehmen m u ß " . 1 1 9 Eine Sonderstellung der Religionsgesellschaften gegenüber anderen Trägern grundgesetzlicher Freiheitsrechte gewährt die religionsbezogene Freiheitsgarantie des Art. 137 I I I WRV deshalb nicht. Insoweit ist es zumindest mißverständlich, hier überhaupt von „Gewalt" zu sprechen, ist ein solcher Gebrauch doch auch bei individuellen Selbstbestimmungsrechten wie sonstigen korporativen Freiheitsrechten (etwa in der Form einer verfassungsrechtlich anerkannten, vorgängigen Gewerkschaftsgewalt, Parteiengewalt, Vereinsgewalt, . . . ) nicht üblich. Die in der bundesrepublikanischen Staatskirchenrechtslehre zunächst koordinationsrechtlich fundierte besondere Herausstreichung vermeintlich originärer Kirchengewalt, die verfassungsrechtlich nicht verliehen, sondern nur anerkannt werde, läßt sich auch durch eine Anbindung an Art. 137 I I I W R V nicht aufrecht erhalten. Als verfassungsrechtliche Freiheit wird die individuelle, kollektive und korporative Freiheit zu religiöser Betätigung erst durch das Grundgesetz statuiert und aktiviert; dasselbe Grundgesetz konstituiert aber auch im Rechtssinne den als „Staat" zu verstehenden Teil der Gesellschaft. Eine Vorgängigkeit kirchlicher Freiheit vor dem Staat scheidet mithin unter dem Grundgesetz verfassungsrechtslogisch aus. Vielmehr ist die kirchliche Freiheit i m Rechtssinne verfassungsbegründet und als solche durch die öffentliche Gewalt zu achten. Auch aus der „Unverfügbarkeit und Unerbringbarkeit . . . der religiösen Aufgaben" für die „weltliche Staatsgewalt" folgt keineswegs „zwangsläufig" die Originarität religionsgesellschaftlicher Eigengewalt. 1 2 0 Versuche, dieses Ergebnis aus us E. Friesenhahn, HdbStKirchR 1 I, S. 545 (553). 119 E. Friesenhahn, HdbStKirchR 1 I, S. 545 (562). 120 So K.-H. Kästner, Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, 1991, S. 141.

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

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einer normativen Wendung historischer Differenzierungsprozesse, die gemeinhin als Säkularisierung bezeichnet werden, abzuleiten, gehen an einer angemessenen kulturgeschichtlichen, kulturphilosophischen und verfassungstheoretischen Aufarbeitung des Säkularisierungstheorems vorbei (cf. 1. Kap. II.). Zwar ist es richtig, daß dem religiös-weltanschaulich neutralen Staat Religionsstiftung untersagt ist. Doch wird das Gebot der Neutralität erst durch die Verfassung begründet, die zugleich den Freiheitsstatus der Religionsgesellschaften schafft. Religionsfreiheit (Art. 4 I, I I G G / Art. 137 I I I WRV), das Verbot der Staatskirche (Art. 137 I WRV) und die Parität (Art. 3 I, I I I GG u. a.) begründen ein Wechselspiel der Freiheit, Gleichheit und Differenz, das den Zugriff des Staates auf die religiöse Semantik und religiöse Organisationen begrenzt, nicht aber eine von sonstiger grundrechtlicher Freiheit abgesetzte Ursprünglichkeit kirchlicher Selbstordnungs- und -Verwaltungsfreiheit impliziert. Diese Beobachtung bestätigt sich in verbändeverfassungstheoretischer Perspektive: Eine freiheitliche, durch den Modus der Repräsentation gekennzeichnete parlamentarische Demokratie bedarf der Parteien; zugleich und deshalb sind Staatsparteien in einem solchen politischen System normativ verbannt. Die Angewiesenheit des Staates auf ein funktionierendes Parteienwesen führt nun aber nicht dazu, diesen Organisationen eine Eigengewalt zuzuschreiben. Vielmehr werden sie in ihrer Funktion durch die Gewährleistungen der Parteienfreiheit, -gleichheit und -öffentlichkeit gestärkt und auch in sonstiger Weise (direkte und indirekte staatliche Parteienfinanzierung) gefördert. Ihr Status ist geprägt als einer der fundamentalen Bürgerrechte. Freilich kennt auch die Parteirechtswissenschaft mit der Leibholzschen Parteienstaatslehre eine gewisse Parallelkonstruktion zur Eigenrechtsthese im Staatskirchenrecht. 121 Schließlich ließe sich noch die Einbindung des deutschen Religionsverfassungsrechts in den sich sukzessiv ausbildenden europäischen Verfassungsverbund als Argument gegen eine allzu extensive Interpretation des Art. 137 I I I W R V als Kollisionsnorm in Ansatz bringen. Eine grundrechtsorientierte Lesart der Norm steigert die Kompatibilitätspotentiale, stellt somit eine europarechtsfreundliche Auslegung dar. Freilich ist eine solche keine Einbahnstraße, i m Gegenverkehr finden wir das europarechtliche Gebot der Rücksichtnahme auf staatskirchenrechtliche Spezifika (cf. infra 5. Kap. IV.).

b) Einheitlichkeit

des Schutzbereiches

Greift man den skizzierten grundrechtsfundierten Ansatz eines Verständnisses der durch Art. 140 GG inkorporierten Normen auf, zeitigt dies die dogmatische Konsequenz, daß sich die Schutzbereiche von Art. 4 I, I I GG und Art. 137 I I I W R V decken. Die Differenzen des Wortlautes sind dem Umstand unterschiedlicher Textstufen 1 2 2 geschuldet, durch die dogmatische Entwicklung aber mit guten 121 122

10*

Cf. insg. m. w. N. M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 21, passim. Im Sinne der Textstufenanalysen von P. Häberle.

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3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

Gründen eingeebnet. Die Formulierung des Art. 137 I I I W R V lehnt sich an § 147 der Paulskirchenverfassung an („Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig' 4 ) 1 2 3 und ist dabei noch ganz von der Loslösung der Religionsgesellschaften von Staatskirchentum und Staatskirchenhoheit i m Zuge der allgemeinen bürgerlichen Emanzipationsbewegung gekennzeichnet. „Diese Stoßrichtung tritt heute deutlich zurück; die Gewährleistung der Selbstverwaltung ist zur Spezialgarantie einer verallgemeinerten grundrechtlichen Freiheit geworden 4 4 . 1 2 4 In der Sache weisen Art. 4 I, I I GG und Art. 137 I I I W R V in korporativer Hinsicht damit eine „Identität des Schutzgegenstandes44 auf, wie i m folgenden näher dargelegt werden s o l l . 1 2 5

aa) Verfassungsprozessuale Erwägungen Als wesentliches Argument für eine solche Annahme der Schutzbereichsdekkung findet man in der Literatur den Verweis auf die ansonsten fehlende Beschwerdemöglichkeit vor dem Bundesverfassungsgericht i m Falle einer Verletzung von Art. 137 I I I W R V . 1 2 6 Art. 137 W R V sei kein „Grundrecht 44 i. S. d. Art. 93 I Nr. 4a GG, da hiermit nur Rechte des ersten Abschnitts des Grundgesetzes umschrieben seien; die inkorporierte Weimarer Norm sei aber auch nicht als grundrechtsgleiches Recht erwähnt. Ohne eine Schutzbereichsdeckung von Art. 4 I, I I GG und Art. 137 I I I WRV fehle es deshalb an einer verfassungsprozessualen Bewehrung der Garantie freier Selbstordnung und -Verwaltung von Religionsgesellschaften. Zwingend ist dieser Schluß jedoch nicht. Z u m einen kommt die verfassungsgerichtliche Praxis ohne eine solche Konstruktion zu einer umfänglichen Prüfung von Verstößen gegen das Weimarer Religionsverfassungsrecht, indem i m Rahmen der Zulässigkeit einzig auf die Möglichkeit einer Verletzung des Art. 4 GG abgestellt wird, das Bundesverfassungsgericht dann aber i m Kontext der Begründetheit vollumfänglich das Vorliegen einer Verletzung des Grundgesetzes p r ü f t . 1 2 7 Zum anderen könnte man alternativ der grundgesetzlichen Regelung zur Verfassungsbeschwerde ein materielles Grundrechtsverständnis zugrundelegen. 1 2 8 Ein solches Vorgehen ist auch für die Bestimmung des durch Art. 23 I GG von der Eu123 Näher H. Zwirnen ZRG KA 73 (1987), 210 ff.; J.-D. Kühne, Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. Aufl. 1998, S. 479 ff. 124 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 44. 125 J. Listi, Das Grundrecht auf Religionsfreiheit in der Rechtsprechung der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland, 1971, 372 ff. 126 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 4 Rdnr. 74, Art. 137 WRV Rdnr. 100; J. Lücke, EuGRZ 1995, 651 (653 ff.). 127 BVerfGE 99, 100 (119) - st. Rspr. 128

Die gesonderte Aufführung der sog. grundrechtsgleichen Rechte hätte dann klarstellende, nicht aber konstitutive Bedeutung.

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

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ropäischen Union geforderten Grundrechtsschutzes probat (cf. 5. Kap. IV.). Grundrechte in diesem Sinne sind dann die von Verfassungs wegen bestehenden Freiheits-, Gleichheits-, Verfahrens- und Teilhaberechte der Menschen und Bürger und der aus und von ihnen gebildeten Kollektive und Korporationen gegenüber dem Staat. Art. 137 I I I W R V ist dieser Definition zuzuordnen. 1 2 9 Für eine solche extensive Deutung des Begriffs „Grundrechte" i m Zuständigkeitskatalog des Art. 93 GG spricht die Zwecksetzung der Verfassungsbeschwerde, die die durch die Verfassung garantierten fundamentalen Menschen- und Bürgerrechte justitiell effektiv absichern soll. Ein grundrechtliches Verständnis der durch Art. 140 GG inkorporierten Freiheitsbestimmungen würde auch die Deutung der Normen als voll- und gleichgültiges Verfassungsrecht ernst nehmen. Angesichts der „Grundrechtshausse" des Grundgesetzes überzeugt es nicht, daß ausgerechnet die Art. 136 ff. W R V durch die Aufnahme in das Grundgesetz ihren Charakter als Grundrechte verloren haben sollen, der ihnen nach der W R V zukam, statuierten die Art. 1 3 5 - 1 4 1 W R V doch als dritter Abschnitt des zweiten Hauptteils der Verfassung die „Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen". Zwar divergierte das Grundrechtsverständnis in Weimar von dem unserer Verfassung(sauslegung), 130 doch dürfte ein grundrechtstheoretisches „Upgrade" der Weimarer Religionsartikel zu Grundrechten i m Sinne des Bonner Grundgesetzes angesichts der Bedeutungssteigerung der Grundrechte in der Verfassung insgesamt erheblich plausibeler erscheinen als der Verlust dieses Charakters durch die Aufnahme in die neue Verfassung. Auch teleologische Gründe sprechen hierfür: Sinnvoller Weise sind die Art. 136 ff. W R V so zu lesen, als ob sie Art. 4 I, I I GG direkt nachfolgen würd e n . 1 3 1 Sie bilden mit dem Grundgesetz ein „organisches Ganzes", 1 3 2 konkretisieren und ergänzen die Freiheits- und Gleichheitsgarantien der Art. 3 I, I I I GG und 4 I, I I GG in spezifischen Hinsichten. Für die Frage der Bewehrung durch die Verfassungsbeschwerde sind die inkorporierten Normen deshalb jeweilig auf ihren materiellen Grundrechtsgehalt hin zu untersuchen. 133

129 D. Ehlers, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 140 Rdnr 3. 130 C. Gusy, Die Weimarer Reichsverfassung, 1997, S. 275 ff. 131 A. v. Campenhausen, HdbStKirchR 2 I, S. 47 (53); ders., HStR VI, § 136 Rdnr. 35; A. Hollerbach, VVDStRL 26 (1968), S. 57 (60) 132 BVerfGE 53, 366 (400); 66, 1 (22); 70, 138 (167). 133 So insb. D. Ehlers, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 140 Rdnr. 3; A. Hollerbach, HStR V I § 138 Rdnr. 143 ff.; J. Isensee, HdbStKirchR 2 II, S. 665 (725); Th. Maunz, in: MDHS, Art. 137 WRV Rdnr. 2; S. Magen, in: D.C. Umbach/C. Clemens (Hrsg.), GG, Art. 140 Rdnr. 21.

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3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen bb) Schutzbereichsidentität durch Selbst Verständnisprägung

Entscheidender als das Rechtsschutzargument dürften deshalb folgende Erwägungen sein: (J) Doppelte Prägung durch das Selbstverständnis. Die Schutzbereiche von Art. 137 I I I W R V und Art. 4 I, I I GG lassen sich - bei aller Berechtigung einer möglichst eigenbereichsschonenden Auslegung der religionsspezifischen Artikel des Grundgesetzes - letztendlich nicht sinnvoll voneinander abgrenzen. Sowohl die Bestimmung der korporativen Religionsausübung als auch die der eigenen Angelegenheiten von Religionsgesellschaften ist notwenig selbstverständnisgeprägt. Ohne Rückgriff auf das jeweilige religiöse Selbstverständnis ist der Schutzbereich beider Normen nicht zu bestimmen. 1 3 4 Deshalb kann das Recht der Religionsgesellschaft, sich gemäß der eigenen religiösen Vorstellungen zu organisieren und entsprechend zu agieren als Teilgewährleistung der Religionsausübungsfreiheit (Art. 4 I, I I G G ) 1 3 5 vom Ordnen und Verwalten der eigenen Angelegenheiten (Art. 137 I I I WRV) sachlich nicht abgeschichtet werden. (2) Kernbereichsmodell? Die dogmatische Notwendigkeit, auf das Selbstverständnis bei der Bestimmung des Schutzbereichs religiöser Freiheitsrechte abzustellen, gebietet es auch, gegenüber jeglichen Versuchen der Bildung von Kernbereichen von freiheitsrechtlichen Normen auf Schutzbereichsebene Skepsis anzumelden. Diese Versuche gehen dahin, mit Blick auf die Schrankenregelung des Art. 137 I I I W R V einen „unbeschränkten" Kernbereich der Eigenverwaltung dem Art. 4 GG zuzuordnen, darüber hinaus aber die Schranke des Art. 137 I I I W R V zur Geltung kommen zu lassen. Die „objektive" Bestimmung eines solchen Kernbereichs der Religionsausübung verbietet sich aus allgemeinen wie religionsspezifischen grundrechtsdogmatischen Gründen (cf. supra 1. Kap. V.). Versuche, ausgehend von einem substantialistischen Religionsbegriff die Differenzierung zwischen Kern und Akzidenz der Religion zur Scheide zwischen Art. 4 GG und Art. 137 I I I W R V zu m a c h e n 1 3 6 und den Kernbereich an Fragen des religiösen Kultes anzubinden, laufen in eine „Nostrifizierungs„falle. Sie brechen die für alle religiösen Erscheinungen offenen Rechtsgarantien des Grundgesetzes in neutralitätswidriger Weise über den Leisten der eigenen religiösen Kulturmuster. Insbesondere bleibt dabei unberücksichtigt, daß in zahlreichen Religionen weniger der Kult eines Hochamtes als vielmehr rituelle Alltagsvollzüge und durch einen religiösen Ethos inspirierte Handlungen die religiöse Lebens weit prägen. Die Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Fragen der Religi134 Siehe M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 42, 46 m. w. N. 135 Zur Gebotenheit einer solchen extensiven Auslegung s. o.; Versuche, die Bedeutung des Art. 4 I, II GG in korporativer Hinsicht auf Fragen der Glaubenslehre zu beschränken und die organisatorischen Belange einzig von Art. 137 III WRV abgedeckt zu sehen (so etwa R. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 3. Aufl. 2000, S. 4) negieren die Extension des Art. 4 I, II GG als religiöse Handlungsfreiheit in korporativer Hinsicht. 136 So J. Lücke, EuGRZ 1995, 651 (654); ders., JZ 1998, 534 (541).

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

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onsausübung obliegt in korporativer Hinsicht einzig den Religionsgesellschaften und kann deshalb nicht verfassungsdogmatisches Fundament einer Verhältnisbestimmung von Art. 4 I, I I GG zu Art. 137 I I I W R V sein. Die Freiheit zur Selbstbestimmung und Gewichtung religiöser Fragen ist j a gerade Sinn der korporativen Religionsfreiheit. (3) Überschießender Gehalt des Art 137 III WRV? Eine Identität von Art. 4 I, I I GG und Art. 137 I I I W R V auf der ersten Stufe der Grundrechtsdogmatik, dem Schutzbereich, wird insbesondere bestritten unter Verweis darauf, daß die Weimarer Norm auch religionsneutrale, religionsindifferente Betätigungen von Religionsgesellschaften schütze, etwa die Liegenschafts- und Vermögensverwaltung, die von der korporativen Religionsfreiheit nicht erfaßt s e i . 1 3 7 Die prima facie bestehende Plausibilität dieser Überlegung verflüchtigt sich, wenn man bedenkt, daß historisch staatliche Beeinträchtigungen der Autonomie kirchlicher Vermögensverwaltung und ähnlicher Angelegenheiten der Religionsgesellschaften indirekt auf die inhaltliche Steuerung in Religionsdingen zielten (2. Kap. I.). Genau vor solchen Versuchen der staatlichen Fremdsteuerung von Religion schützt Art. 4 I, I I GG. Ferner bildet das vermeintlich religionsneutrale Vermögen einer Religionsgesellschaft das materielle Substrat deren religiösen Wirkens gemäß dem religiösen Selbstverständnis und ist dergestalt auch von der Garantie korporativer Religionsfreiheit umfaßt. Eigene Angelegenheiten von Religionsgesellschaften weisen per se eine religiöse „Überpuderung" auf, geht es doch stets um die zumindest mittelbare Grundlage der Religionsausübung sowie um die religionsgemäße Ordnung und Verwaltung dieser. (4) Zur Bedeutung des modernen Eingriffsbegriffs. Auch wenn man ein restriktives Verständnis von Art. 4 I, I I GG und eine präzise Unterscheidung der Schutzbereiche der beiden korporativen Freiheitsgewährleistungen von Religionsgesellschaften zugrundelegt, wird man unter Berücksichtigung der Stufe I I juristischer Dogmatik der Freiheitsrechte, dem Eingriff, einen (zumindest weitgehenden) Parallellauf der Beeinträchtigung beider Rechte konzedieren müssen. Die Garantie der Verwaltung eigener Angelegenheiten bewirkte verfassungsrechtsgeschichtlich betrachtet bei einer Verengung der korporativen Religionsfreiheit auf Glaubensfragen eine wichtige funktionale Flankierung, soweit nur ein klassischer Eingriffsbegriff (Eingriff als finaler, unmittelbarer, mit Befehl und Zwang vollziehbarer Rechtsakt) dogmatisch anerkannt war. M i t der Ausbildung einer erweiterten Eingriffsdogmatik 1 3 8 führen die klassischen Versuche mittelbarer Einflußnahme auf Religionsgesellschaften durch die Regulierung vermeintlich religionsneutraler Materien i m Umkreis der Organisationen regelmäßig zu einem unter dem Gesichtspunkt der Schutzzwecke der Normen wie der Intensitäten der Beeinträchtigungen relevanten Eingriff sowohl in Art. 4 I, I I GG als auch in Art. 137 I I I WRV. 137 A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 106 ff.; J. Isensee, HdbStKirchR 2 II, S. 665 (725 ff.); B. Jeand'Heur /S. Korioth, S. 135; G. Neureither, Recht, S. 134 f. 138 Cf. H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Vorb. Rdnr. 82 m. w. N.

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3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

Der Versuch einer Schutzbereichsdifferenzierung zum eigentlichen Zwecke einer Schrankendifferenzierung ist damit so oder so zum Scheitern verurteilt. Zwischenergebnis: Das Grundrecht auf korporative Religionsfreiheit findet seine normative Radizierung sowohl in Art. 4 I, I I GG als auch in Art. 137 I I I WRV. Die Divergenzen in den Formulierungen vermögen unter Zugrundelegung heutiger verfassungsrechtsdogmatischer Standards keine fixe Scheidung der Schutzbereiche beider Normen zu tragen. Sowohl unter der Perspektive der Selbstverständnisberücksichtigung des Grundrechtsträgers als auch unter dem Gesichtspunkt des modernen Eingriffsbegriffs ist das Verhältnis von Art. 4 I, I I GG und Art. 137 I I I WRV als eines der Schutzbereichsidentität zu bestimmen.

cc) Eigene Angelegenheiten Art. 4 I, I I G G / A r t . 137 I I I WRV schützen das Recht auf umfassende Selbstorganisation von Religion als eigene Angelegenheit. Unter Selbstorganisation fallen sowohl organisationsbezogene wie zielbezogene A k t i v i t ä t e n . 1 3 9 Während die Bestimmung eigener Angelegenheiten früher trennscharf in Abgrenzung zu den Angelegenheiten des Staates erfolgte, lassen sich unter der Freiheitsordnung des Grundgesetzes solche historisch aus der Phase der sukzessiven Entflechtung von Staat und Kirchen stammenden Typisierungen nicht mehr aufrecht erhalten. Was als eigene Angelegenheit einer Religionsgesellschaft nach ihren Vorstellungen zu ordnen und verwalten ist, definiert sie von Verfassungs wegen selbst. 1 4 0 Welche Angelegenheiten der Staat zu den seinen machen darf, ergibt sich i m Kontext der Religion aus den einschlägigen Verfassungsnormen; insb. Art. 137 I W R V setzt hier Grenzen (s. u.). Soweit sich Überschneidungen der eigenen Angelegenheiten von Religionsgesellschaften mit denen des Staates ergeben, folgt hieraus kein „ K o n d o m i n i u m " . 1 4 1 Auch verflüchtigt sich die Selbstverwaltungsgarantie nicht i m Falle einer Koinzidenz staatlicher und religionsgesellschaftlicher Belange. Soweit Angelegenheiten so strukturiert sind, daß ein Zusammenwirken des Staates mit Religionsgesellschaften notwendig ist, um die von beiden Seiten jeweilig verfolgten Zwecke umzusetzen, kann man deskriptiv von gemeinsamen Angelegenheiten sprechen. 1 4 2 Dogmatische Bedeutung kommt dem Begriff nicht z u . 1 4 3 Deshalb geht auch die Rede von den res mixtae fehl, verwischt sie doch, daß es

139 Vgl. M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 46. 140 BVerfGE 70, 138 (139, 168); M. Heckel, FS BVerfG, Bd. II, 2001, S. 374 (411); G. Neureither, Recht, S. 175 ff.; a.A. J. Wieland, Der Staat 25 (1986), 321 ff. 141 D. Ehlers, ZevKR 32 (1987), 158 (181); H. Weber, ZevKR 33 (1988), 15 (24); J. Müller-Volbehr, HdbStKirchR 2 I, S. 289 (299). 142 Cf. zu Begriff und Bedeutung im klassischen Zuschnitt B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 200 ff.; Λ. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 220 ff. 143 D. Ehlers, ZevKR 32 (1987), 158 (171 ff.).

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

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weiterhin einen nur in der Verantwortung des Staates und einen nur in der Verantwortung der Religionsgesellschaft liegenden Teilaspekt sog. gemeinsamer Angelegenheiten gibt, arg. ex Art. 137 I WRV. Das Vorliegen gemeinsamer Angelegenheiten begründet normativ weder eine staatliche Eingriffsermächtigung in Art. 137 I I I WRV, zu beachten sind vielmehr die Grenzen der für alle geltenden Gesetze, noch ein umfassendes Mitspracherecht der Religionsgesellschaften auch in den Fragen, die in staatlicher Verantwortung stehen. 1 4 4 Für die Umschreibung dessen, was unter eigenen Angelegenheiten verstanden wird, lassen sich gewisse Typisierungen vornehmen, denen aber keine normative Prägekraft zukommt; der Begriff der eigenen Angelegenheiten ist - wie alle Begriffe des Religionsverfassungsrechts - für religiöse Neuformierungen offen. Zum Traditionsbestand eigener Angelegenheiten der beiden großen Kirchen zählt insbesondere die Aus- und Weiterbildung einer Glaubenslehre in Form von kirchlicher Dogmatik und die Etablierung einer liturgischen Ordnung. Auch zahlreiche administrative Belange lassen sich klassischerweise den eigenen Angelegenheiten zuordnen, so die der Organisation i.e.S., Fragen der Mitgliedschaft, der Vermögensverwaltung und Haushaltsführung. Eine besondere Form der eigenen Angelegenheiten wird durch Satz 2 expliziert: die Vergabe von Ämtern. Auch diese ist von der Schranke des Art. 137 I I I WRV erfaßt, was teilweise bestritten w i r d . 1 4 5 Eine per se erfolgende vollständige Freihaltung von religionsindifferenten arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen i m Rahmen der Ämtervergabe (die weit zu verstehen ist) ist verfassungsrechtlich jedoch nicht intendiert. Auch die Satzstellung führt, ähnlich wie bei der Berufswahl in Art. 12 I S. 1 GG in Hinsicht auf die Schranke des Art. 12 I S. 2 G G , 1 4 6 zu keinem anderen Ergebnis. Ort für die Berücksichtigung der besonderen Bedeutung der Ämtervergabe für die Religionsgesellschaften ist die Schrankenregelung, nicht die Bestimmung des Schutzbereiches. 147

dd) Ordnen und Verwalten Wie der Begriff der „eigenen Angelegenheiten" ist auch die Formulierung „Ordnen und Verwalten" stark durch den historischen Kontext seiner Entstehung geprägt. Unter dem Recht auf Ordnung versteht man die Freiheit zur eigenen normativen Prägung des organisatorischen Binnenbereichs. 1 4 8

>44 Cf. näher D. Ehlers, ZevKR 32 (1987), 158 (171 ff.); M. Morlok/H.M. 1997, 549 ff.; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 22. 145 j. Lücke, EuGRZ 1995, 651 (654). 146 BVerfGE 7, 377 (397 ff.). 147 E.-L. Solle, HdbStKirchR 2 I, S. 561 (562 f.). 148 K. Hesse, HdbStKirchR 2 I, S. 521 (535).

Müller,

JZ

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3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

( 1) Ordnen durch Kirchenrecht. Dies veranlaßt zu einigen kursorischen Bemerkungen zum Status des „Kirchenrechts 4 ' als Ausdruck des Ordnens eigener Angelegenheiten. Die religionsgesellschaftliche Bezeichnung eines auf Art. 4 I, I I G G / Art. 137 I I I W R V basierenden Normgefiiges als Kirchenrecht ist für den Staat nicht i m Sinne eines selbständigen Rechts eigener Art mit Wirkung i m allgemeinen Rechtsverkehr bindend. Maßgeblich für die Typisierung der internen Normierung von Religionsgesellschaften i m staatlichen Recht ist alleine die verfassungsrechtlich statuierte Rechtsordnung. Rechtsrelevanz i m Sinne staatlichen Rechts kommt den aufgrund von Art. 137 I I I WRV erlassenen Regelungen von Religionsgesellschaften nur durch Anerkennung i m staatlichen Recht zu; maßgebliche Bezugsgröße für die Bestimmung der Zugehörigkeit zum Recht i m Sinne staatlichen Rechts ist das Recht i m Sinne staatlichen Rechts. 1 4 9 Diese tautologisch anmutende, systemtheoretisch als operative Schließung des Rechtssystems beschriebene Systemlogik des R e c h t s 1 5 0 wird durch Art. 137 I I I W R V nicht durchbrochen. Wie beschrieben ist Art. 137 I I I W R V ein Gleichordnungsverhältnis nicht zu entnehmen; das Recht auf Selbstordnung und -Verwaltung modifiziert lediglich freiheitsrechtlich die von Verfassungs wegen bestehende Subordination der Religionsgesellschaften unter die rechtliche Verfaßtheit der Gesellschaft. Ob die i m Rahmen dieser verfassungsmäßigen Rechte zugestandene normative Selbstprogrammierung der Religionsgesellschaften im Kontext eines allgemeinen Verbändeverfassungsrechts wie die auf der Grundlage des Art. 9 GG ergangenen internen Regelungen anderer Organisationen als privates Verbandsrecht oder als Ordnung eigener Art bezeichnet wird, ist deshalb weniger eine Frage normativer Relevanz, als eine heuristische und argumentationsstrategische. In der Sache ist Art. 137 I I I W R V eine besondere Ausformung allgemeiner bürgerlicher Freiheit in religionsorganisatorischer Hinsicht. Sie umfaßt auch das Recht, die Statuierung von (rechtlicher) Relevanz religionsorganisationsinterner Regelungen als Vorgang der Anerkennung von der staatlichen Rechtsordnung immer schon vorgängigen eigenen Gewalt der Religionsgesellschaften zu deuten. Der Verfassung selbst liegt diese Annahme jedoch nicht zugrunde, weshalb eine Einordnung des Kirchenrechts in die Rechtstypologie des privaten Verbandsrechts durchaus nahe liegt. Der beschriebene Charakter des Kirchenrechts spiegelt sich auch i m durch Art. 137 I I I W R V garantierten Umfang der Selbstordnung wider. Die Norm garantiert nicht die staatliche Anerkennung einer umfassenden kirchlichen Parallelnormierung i m staatlichen Rechtsverkehr. Wenn eine Religionsgesellschaft, wie die katholische Kirche mit dem CIC, eine ausdifferenzierte normative Binnenordnung verabschiedet, führt Art. 137 I I I WRV nicht zu einem Geltungstransfer dieser 149 Cf. zum rechtwissenschaftlichen Mehrwert eines derartigen monistischen Rechtsbegriffs K. F. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 2. Aufl. 2001, S. 185 f. 150 N. Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 38 ff. insb. zum Verhältnis von Recht und Moral. Die von Luhmann hierzu entwickelte Argumentation läßt sich nahtlos auf die Problematik des „Kirchenrechts" übertragen.

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

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Regelsysteme in das staatliche Recht, sondern nur zu einer Achtung der durch das Kirchenrecht ausgestalteten Freiheitssphäre. Dies hat etwa beim sog. kirchlichen Arbeitsrecht Konsequenzen. (2) Verwalten. Der neben dem Begriff des Ordnens genannte Vorgang des Verwaltens beschränkt sich nicht auf administrative Vorgänge i m klassischen Sinne. Die Merkmale der Ordnung und Verwaltung sind vielmehr w e i t 1 5 1 und vor allem auch losgelöst von ihren Formierungskontexten des 19. Jahrhunderts religionsplural, also offen für den religiösen Strukturwandel in Form von Transformationen und Innovationen, und damit aus ihrer Funktion zu verstehen. Diese Funktion besteht verfassungstheoretisch formuliert in der Sicherung autonomer Kommunikationsgenerierung von Religion, verfassungsdogmatisch ausgedrückt in der Freiheit der Religionsgesellschaften vor staatlicher Vereinnahmung, Steuerung und Einmischung.

c) Schrankenspezialität Die unter aa) gemachten Ausführungen stellen den Norminterpreten vor die Alternative, die Schranke des für alle geltenden Gesetzes entweder umfassend auf die korporative Freiheit von Religionsgesellschaften anzuwenden oder sie durch die Gesetzesvorbehaltslosigkeit des Art. 4 I, I I GG als überspielt anzusehen. Wortlaut und Genese geben keine Anhaltspunkte für eine angemessene Lösung dieser Auslegungsfrage. Aus der systematischen Stellung des Art. 137 W R V als inkorporierte Norm folgt ähnlich wie bei Art. 136 I W R V kein Nachstehenmüssen der Weimarer Bestimmung gegenüber den originären Schaffungen des Parlamentarischen Rates (s. o.). Soweit Art. 137 I I I W R V dann aber über eine Explizierung des Art. 4 I, I I GG hinaus normativ in Funktion treten soll, ist von einer Spezialität des Art. 137 I I I W R V auf Ebene der Schranke auszugehen. Nur so verbleibt für die der Weimarer Reichsverfassung entnommenen Norm ein über Art. 4 I, I I GG hinausgehender Regelungsbereich. Dies ist auch teleologisch fundierbar. Hierzu sei in Erinnerung gerufen (cf. supra 1. Kap. V.), daß sich Religion als gesellschaftliche Erscheinung nach unterschiedlichen Aggregierungs- und Komplexitätsgraden auf Mikro-, Meso- und Makroebene gliedern l ä ß t 1 5 2 und sich die vom Recht als Religionsgesellschaften wahrgenommenen formalen religiösen Organisationen durch ein spezifisches Programm, spezifisches Personal (Mitglieder) und spezifische Kommunikationsstrukturen (etwa Hierarchie, Arbeitsteiligkeit) auszeichnen. 153 Formalen religiösen Organisationen kommt eine besondere kommunikative Vermittlungsfunktion zwischen Makround Mikroebene der Gesellschaft sowie eine Brückenfunktion zu anderen Funkti151 Κ Hesse, HdbStKirchR 2 I, S. 521 (537). 152 Ι/ Krech, Religionssoziologie, 1999, S. 36. 153 V. Krech, Religionssoziologie, S. 51, 54.

1 5 6 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen onsbereichen der Gesellschaft zu. Aus dieser Spezifik formaler religiöser Organisationen, aus ihrer vermehrten gesellschaftlichen Einflußstruktur ergibt sich für das Recht ein gegenüber der (Inter)Aktionsebene eines einzelnen oder einer Gruppe als unmittelbar Anwesenden erhöhter Regulierungsbedarf. Die durch den Gesetzesvorbehalt des Art. 137 I I I W R V i m Vergleich zur Religionsfreiheit von Individuen und Kollektiven tendenziell höhere Einschränkbarkeit der Freiheit von formal organisierten religiösen Aktivitäten spiegelt den „größeren Ordnungs- und Steuerungsbedarf' ihnen gegenüber w i d e r . 1 5 4 In der Semantik des Verfassungsrechts spielt dabei insbesondere eine Rolle, daß das Persönlichkeitsrecht, welches das Individuum als letzte Bezugsgröße der Freiheitsrechte schützt, i m Bereich der korporativen Religionsfreiheit nicht unmittelbar berührt ist. Die Schranke des für alle geltenden Gesetzes ermöglicht dem Gesetzgeber deshalb in angemessener Form, gegenläufige Rechte Dritter und aus diesen extrahierte Gemeinwohlbelange gegenüber der Freiheit der Organisation auf Ordnung und Verwaltung eigener Angelegenheiten in Ansatz zu bringen und beide Belange praktisch-konkordär zuzuordnen. 1 5 5

d) Der Schrankengehalt des Art. 137 III WRV Für die dogmatische Ausgestaltung dieser Zuordnungsleistung der Schranke des Art. 137 I I I W R V lassen sich drei unterschiedliche Ansätze skizzieren: die sog. Heckeische Formel, die Bereichslehre und die Abwägungslehre. Allen drei Auslegungsvorschlägen ist die Vorstellung gemein, daß das für alle geltende Gesetz auf die Allgemeinheit des Gesetzes, auf seine Generalität, auf die Rechtsgeltung für jedermann verweist. Dieses war in einem ganz formalen Verständnis auch die in Weimar vorherrschende Lesart. 1 5 6 Heute herrscht Konsens, daß sich die Bedeutung der Schrankenregelung des Art. 137 I I I W R V in ihrer Konditionierung für die Rechtfertigung von Eingriffen aber nicht auf rein formale Aspekte begrenzen läßt. Die eigentlichen Probleme bei der Auslegung der Schrankenklausel des Art. 137 I I I W R V fangen bei der Bestimmung der materiellen Anreicherung des für alle geltenden Gesetzes an.

aa) Heckeische Formel Einen ersten Ansatz für ein material aufgeladenes Verständnis des „für alle geltenden Gesetzes" bietet die nach Johannes Heckel benannte Formel, die darauf abstellt, ob das Gesetz „für die Gesamtnation als politische Kultur- und Rechtsge154 m. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 4 Rdnr. 75. 155 Zur Zuordnungsfunktion des Art. 137 III WRV vgl. K. Hesse, HdbStKirchR 2 I, S. 521 (529 ff.). 156 G. Anschütz, Verfassung, Art. 137 WRV Anm. 5.

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

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meinschaft unentbehrlich" i s t . 1 5 7 Diese Bestimmung sieht sich heute durchgreifenden Einwänden ausgesetzt: sie wird als zu unstrukturiert, zu unmethodisch und in den Prämissen der Gleichordnung von Staat und Kirche als verfehlt bewertet. 1 5 8 Deshalb soll sie hier nicht näher behandelt werden. Ein wesentlicher Aspekt dieses Ansatzes wird heute in der auf Art. 137 I I I W R V zugeschnittenen Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes berücksichtigt.

bb) Bereichslehre Die Bereichslehre stellt streng genommen eine Bestimmung des Schutzbereiches dar, die dabei einen uneinschränkbaren Bereich der Selbstordnungs- und -Verwaltungsgarantie ausmachen w i l l (und deshalb unter dem Gesichtspunkt der Schranken des Grundrechts sinnvoll verhandelt werden kann). Nach diesem Ansatz ist der Innenbereich einer Religionsgesellschaft, das forum internum, von jeder staatlichen Ingerenz freigestellt. 1 5 9 „ I n diesem Bereich gibt es kein ,für alle geltendes G e s e t z ' " . 1 6 0 Anders verhalte es sich, wenn der reine Innenbereich verlassen werde und Aktivitäten des Rechts nach außen wirkten. I m Rahmen der dann zur Anwendung kommenden Schranke des Art. 137 I I I W R V wird in einer revidierten Variante der Bereichslehre nun eine Abwägung für erforderlich gehalten. 1 6 1 Vertreter der Bereichslehre verweisen insbesondere darauf, daß bestimmte wesentliche Fragen der Lehre und inneren Strukturiertheit von Religionsgesellschaften i m religiös neutralen Staat dessen Zugriff vollständig entzogen sein müssen, etwa Aspekte der maßgeblichen religiösen Lehre, der religiösen Pflichten der Mitglieder, der Ämterordnung, der religiösen Amtshandlungen. 1 6 2 Die Bereichslehre steht jedoch in deutlichem Widerspruch zum Wortlaut des Art. 137 I I I WRV. Ausdrücklich werden dort die eigenen Angelegenheiten dem für alle geltenden Gesetz unterstellt und nicht davon freigestellt. Fraglich bleibt auch, wer festlegen sollte, welche Sachverhalte dem inneren Kreis der Religionsgesellschaft unterfallen. Aus Gründen der religiös-weltanschaulichen Neutralität stünde 157 j, Heckel VerwArch 37 (1932), 280 (282). 158 A. Isak, Selbstverständnis, S. 231 ff.; B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 145 ff.; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 56; K. Hesse, HdbStKirchR 2 I, S. 521 (544 f.); A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 115 f.; W. Bock, Das für alle geltende Gesetz und die kirchliche Selbstbestimmung, 1996, S. 207 f. 159 H. Weber, Grundprobleme des Staatskirchenrechts, 1970, S. 43 ff.; ders., NJW 1983, 2541 (2551 f.); für die Rspr. etwa BVerfGE 18, 385 (387 f.); 42, 312 (334); 66, 1 (20); BVerwGE 25, 226 (230 f.); 28, 345 (349); 66, 241 (243 f.); 68, 62 (63); 95, 379 (380); BAG NJW 1990, 2082 (2083). 160 H. Weber, HdbStKirchR 2 I, S. 573 (576). 161 H. Weber, HdbStKirchR 2 I, S. 573 (576, insb. in und bei Fn. 9); auch schon ders., NJW 1989, 2217 (2221, 2224); ähnlich für eine Kombination von Bereichs- und Abwägungslehre W. Leisner, DÖV 1977, 475 (482 ff.). 162 So die beispielhafte Aufzählung bei H. Weber, HdbStKirchR 2 I, S. 573 (576).

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3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

dies ausschließlich den Religionsgesellschaften selbst zu mit der Folge, daß etwaig kollidierende Rechtspositionen nicht mehr in den Blick kommen. Dies widerspräche dem allgemeinen grundrechtlichen Zuordnungsprinzip jeweiliger Rechtssphären der Bürger und ihrer Organisationen, das in Art. 137 I I I W R V seinen Ausdruck findet. Die Bereichslehre stellt i m Ergebnis durch die vorgenommene Typisierung und die als Begründung hierfür eingeführte besondere Bedeutung von Fragen der religiösen Lehre etc. eine „verkappte Abwägungslehre" d a r . 1 6 3 Demgegenüber scheint eine rational strukturierte, offengelegte und ergebnisoffene Abwägung vorzugswürdig. Das auch von der Bereichslehre angestrebte Ziel der Sicherung religiösweltanschaulicher Neutralität bei der Schrankenziehung der korporativen Religionsfreiheit wird dabei durch die egalitäre Komponente der Allgemeinheit des Gesetzes gesichert. Das Anliegen der Bereichslehre, eine Gewichtung von ausgezeichneten Belangen der Religionsgesellschaft (wie dem theologischen Dogma etc.) bei der Bestimmung der „Netto"freiheit der Religionsgesellschaften in Ansatz zu bringen, findet i m spezifischen Abwägungsprogramm des Art. 137 I I I W R V dann seinen funktional angemessenen Ort.

cc) Egalitär strukturierte Abwägungslehre Das Schrankenprogramm des Art. 137 I I I W R V erweist sich damit als ein den „allgemeinen Gesetzen" in Art. 5 I I GG nicht unähnliches durch Generalitätsgesichtspunkte angereichertes Abwägungsgebot zur Bestimmung zulässiger Eingriffe in das Abwehrrecht der korporativen Religionsfreiheit. 1 6 4 Die Qualifikation der Schranke korporativer Religionsfreiheit in Form eines für alle geltenden Gesetzes stellt das Verbot eines religionsspezifischen Sonderrechts dar. Dem genügt jedoch nicht schon jede abstrakt-generelle Formulierung; maßgeblich für die geforderte Neutralität ist das „von der Verfassung durch das Verbot von Sonderrecht geschützte Rechtsgut". 1 6 5 Ausgehend von diesem Gesichtspunkt hat Wolfgang Bock unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu 163 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 59. 164 W. Bock, Gesetz, S. 279 ff.; ders., Der kirchliche Dienst und das staatliche Recht, in: G. Rau/H.-R. Reuter/K. Schiaich (Hrsg.), Das Recht der Kirche, Bd. III, 1994, S. 531 (538); B. Jeand'Heur/ S. Korioth, S. 144 ff.; für ein Verständnis der Schrankenklausel des Art. 137 III WRV als Abwägungsgebot auch A Hollerbach, VVDStRL 26 (1968), S. 57 (62); ders., AöR 106 (1981), 216 (238, 241, 245); M. Heckel, VVDStRL 26 (1968), S. 5 (42 ff., 54 f.); ders., Staat Kirche Kunst, 1968, S. 225 ff.; ders., FS BVerfG, Bd. II, 2001, S. 374 (414); K. Hesse, HdbStKirchR 2 I, S. 521 (549 ff.); K. Schiaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, S. 174 ff.; P. Badura, Schutz, S. 76 ff.; ders., HdbStKirchR 2,1, 211 (244); A v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 118 ff.; D. Ehlers, ZevKR 32 (1987), 158 (170); ders., in: M. Sachs (Hg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 137 WRV Rdnr. 11; A Isak, Selbstverständnis, S. 245 ff.; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 Rdnr. 58 ff.; G. Neureither, Recht, S. 237 ff. 165 W. Bock, Gesetz, S. 279.

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

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Art. 5 I I GG eine mehrgliedrige Prüfungsstruktur vorgestellt, die gleichermaßen dem Egalitäts- wie dem Abwägungsgebot der Schrankenklausel gerecht wird. Demnach darf unter dem Gesichtspunkt des Verbots eines rechtsgutbezogenen Eingriffs ein für alle geltendes Gesetz 1.) nicht bezwecken, zu einem ganz bestimmten religionsbezogenen Verhalten oder religiösen Inhalt zu beeinflussen. Ferner (2.) kann die Bewertung bestimmter Religionsinhalte und religionsbezogener Verhaltensweisen nicht zu einer tatbestandlichen Voraussetzung oder einem tatbestandlichen Mittel eines Eingriffs gemacht werden. Bock nennt dies das „Verbot rechtsgutbezogener Eingriffsvoraussetzungen und Eingriffsmittel". Des weiteren (3.) ist zu prüfen, ob das die korporative Religionsfreiheit einschränkende Gesetz ein legitimes Ziel verfolgt und hierzu geeignet, erforderlich und angemessen ist, ohne daß zur hierfür vorgenommenen Begründung Religionsspezifika eingeführt werden dürfen („Legitimität des Gesetzeszwecks und Neutralität der Gesetzesbegründung' 4 ). 1 6 6 Schließlich bzw. im Rahmen der Angemessenheitsprüfung ist die sog. Wechselwirkungslehre zu bemühen, d. h. das schrankenziehende Gesetz ist seinerseits i m Lichte der Bedeutung des Grundrechts auf korporative Religionsfreiheit auszulegen. Im Rahmen der so strukturiert vorzunehmenden „Zuordnung" ist das relative Gewicht des betroffenen Aspekts der Selbstordnungs- und -verwaltungsgarantie festzustellen. Die Bereichslehre hat hier auf der Grundlage des Wirkens der beiden großen Kirchen gewichtige Typisierungen erfaßt. 1 6 7 Ein für alle geltendes Gesetz darf sich demnach nicht gegen religiöses Denken, Reden oder Handeln als solches, nicht gegen die Selbstbestimmung von Religionsgesellschaften als solche richten oder von ihr umfaßte Handlungen und Verhaltensweisen verbieten. Es muß „dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Religion zu schützenden Rechtsguts dienen; es muß die Abwehr von Gefahren für ein Rechtsgut bezwecken, dessen Schutz der Religionsfreiheit und dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften vorgehen d a r f . " 1 6 8 Der Gehalt des Art. 137 I I I WRV ist auf dieser Grundlage allerdings in zweierlei Hinsichten weiter zu konkretisieren: 169 Die Schranke des für alle geltenden Gesetzes unterbindet in seiner Funktion als Verbot von religionsspezifischem Sonderrecht nicht sich auf organisierte Religion auswirkende indirekte Lenkungseffekte des Rechts (so etwa das allgemeine Tötungsverbot hinsichtlich religiös motivierter Witwenverbrennungen und Ritualtötungen). Derartige mittelbare Betroffenheiten machen aber den eigentlichen Kernpunkt des Problems der Bestimmung des für alle geltenden Gesetzes aus. Keine gegenwärtige Regelung des Bau-, Arbeits-, Handels-, Nahrungsmittelrechts u.s.w. richtet sich - soweit ersichtlich - gezielt 166 W.Bock, Gesetz, S. 281. 167 Für eine dergestalte Kombination von Abwägungs- und Sonderrechtskomponente auch B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 144 ff., insb. 149 f. 168 w. Bock, Gesetz, S. 281 ; ausdrücklich so auch B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 149. 169 H. M. Heinig, Art. 13 EGV und die korporative Religionsfreiheit, in: A. Haratsch u. a. (Hrsg.), Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, 2001, S. 215 (229 f.).

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3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

gegen eine bestimmte Religionsgesellschaft; derartige rechtliche Folgewirkungen des Kulturkampfes sind vollständig abgewickelt, ein neuer nicht existent. Darüber hinaus bezieht sich kaum eine dieser Regelungen überhaupt auf Religionsgesellschaften als solche (im Sinne von: zielt einzig auf). Gleichwohl können von diesen Normen regelmäßig Steuerungseffekte ausgehen, die die korporative Religionsfreiheit unbotmäßig einschränken. Der systematisch richtige Ort für die Ausfilterung solcher Effekte ist jedoch nicht das Sonderrechtsverbot i.e.S., sondern die vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angeleitete Interessen- und Rechtsgüterabwägung auf den jeweiligen aufgezeigten Stufen der Prüfung. Hinsichtlich des Sonderrechts Verbots gilt es weiter zu beachten, daß ausweislich des Art. 137 V I I I W R V von Verfassungs wegen allgemeine, also von einzelnen Religionsgesellschaften abstrahierende, die Gesamtheit der Religionsgesellschaften unspezifisch in den Blick nehmende Rahmenregelungen für Religionsgesellschaften getroffen werden können. Auch Regelungen des Kirchenaustritts oder des Kirchensteuerrechts stellen solche auf Religionsgesellschaften allgemein und nicht auf eine besondere Gesellschaft bezogene und deshalb mit dem Sonderrechtsverbot des Art. 137 I I I W R V vereinbare Regelungen dar. Das Verbot von religionsgemeinschaftsbezogenem Sonderrecht markiert deshalb zwar eine wichtige, nicht aber die einzige Bedeutung des Art. 137 I I I WRV. Die Religionsgesellschaftsspezifik bezieht sich nur auf direkte und/oder finale Eingriffe gegenüber einer ganz bestimmten Religionsgesellschaft. Inwieweit dem genügende Gesetze Eingriffe in die korporative Religionsfreiheit zu rechtfertigen vermögen, ist dagegen eine Frage der Abwägung, die auf den jeweiligen, oben herausgearbeiteten Stufen der Prüfung vorzunehmen ist. Maßgeblich für die Gewichtung der Betroffenheit der Religionsfreiheit ist dabei in einem ersten Zugang das Selbstverständnis der Religionsgesellschaft. 170 Dieses macht jedoch keine Aussage über den eigentlichen Abgleich mit kollidierenden Rechtsgütern und Gemeinwohlbelangen. Dem religiös-weltanschaulich neutralen Staat ist der Zugriff auf die Selbstgewichtung religionsgesellschaftlicher Belange auf der Ebene der Schranke der korporativen Religionsfreiheit verwehrt, der Abgleich dieser Selbsteinschätzung mit den konfligierenden Rechtspositionen dagegen n i c h t . 1 7 1 Denn in der Festlegung der Reichweite des für alle geltenden Gesetzes i m Einzellfall sind die hinter dem Eingriff in die Religionsfreiheit stehenden Rechte Dritter und rechtlich geschützten Gemeinwohlinteressen - wie bereits bei der Auseinandersetzung mit der Bereichslehre skizziert wurde - strukturell 170

Im Rahmen der Abwägung komme dem Selbstverständnis der Religionsgesellschaft ein besonderes Gewicht zu, so BVerfGE 53, 366 (401 f.); 66, 1 (22); 70, 138 (167); 72, 278 (289). 171 Dies verkennen die Kritiker der Abwägungslehre, wenn sie behaupten, diese würde „dem staatlichen Richter eine Kompetenz zuweisen, die ihn letztlich zum Herrn über das Grundverhältnis von Staat und Kirche macht und deshalb mit der Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts nicht vereinbar ist" - so R. Richardi, Arbeitsrecht, S. 27 im Anschluß an W. Geiger, ZevKR 26 (1981), 156 ff.

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

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gleichberechtigt zu berücksichtigen. Anders als bei der Bestimmung des Schutzbereichs der Religionsfreiheit kommt dem religiösen Selbstverständnis bei der Bestimmung ihrer Grenzen keine dominante Bedeutung zu. Andernfalls würde es zum Abgleich konfligierender rechtlich geschützter Interessen gar nicht komm e n . 1 7 2 Religionsgesellschaften die Grenzen ihrer Freiheitsrechte selbst bestimmen zu lassen, widerspräche der Zuordnungsfunktion des Verfassungsrechts von gleichberechtigten Freiheitssphären. 173 Diese verlangt eine staatliche „Letztentscheidungskompetenz 4 '. 1 7 4 Deshalb sieht sich auch die ältere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Schranke des Art. 137 I I I W R V in Form der Jedermann-Formel durchgreifenden Bedenken ausgesetzt. Diese lautete: „Trifft das Gesetz die Kirche nicht wie den Jedermann, sondern in ihrer Besonderheit als Kirche härter, ihr Selbstverständnis, insbesondere ihren geistig-religiösen Auftrag beschränkend, also anders als den normalen Adressaten, dann bildet es insoweit keine Schranke." 1 7 5 Ein Gesetz verliert nicht schon dadurch den Charakter der Geltung für alle, wenn eine Religionsgesellschaft ihre Tangierung in besonderer Weise behauptet. Zur Bewertung der Religions(gesellschafts)spezifik ist vielmehr i m Abgleich mit dem Regelungszweck eine typisierend-objektivierende Betrachtungsweise geboten. Dabei liefert das religiöse Selbstverständnis der Religionsgesellschaft den Datenbestand, mit dem die Begründung und Wirkung des Gesetzes verglichen wird. Gleiches gilt für die eigentliche Abwägung. Die Skalierung der Selbstbetroffenheit durch die Religionsgesellschaft bietet entscheidendes „Rohmaterial bei der Erarbeitung einer für beide Seiten verbindlichen Entscheidung". 1 7 6 Eine probate Methode für die notwendige Zuordnung von Rechtssphären bietet dabei die Übersetzung der einschlägigen Rechtsgüter einschließlich der selbstverständnisgemäßen Gewichtungen in ein Prinzipienmodell. 1 7 7

dd) Art. 137 I I I W R V als eigenständiges Gleichheitsrecht? Ungeachtet der egalisierend-neutralisierenden Struktur der Schranke des für alle geltenden Gesetzes stellt Art. 137 I I I W R V kein selbständiges Gleichheitsrecht d a r . 1 7 8 Das Gleichheitsmoment in Art. 137 I I I WRV beschränkt sich ausweislich 172 Cf. insg. M. Morlok, Selbstverständnis, S. 423 ff., insb. 431 ff. zu Fragen des Staatskirchenrechts; a. H. M. Heinig, Art. 13 EGV, S. 230 ff. «73 B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 149; A. Isak, Selbstverständnis, S. 238, 242. 174

S. Muckel, Freiheit, passim. 175 BVerfGE 42, 312(334). i™ M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 60; ders., Selbstverständnis, S. 438. 177 Hierzu M. Borowski, Der Grundrechtsschutz des religiösen Selbstverständnisses, in: A. Haratsch u. a. (Hrsg.), Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, 2001, S. 49 (63 ff.) im Anschluß an R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 2. Aufl. 1994, S. 71 ff. und m. w. N.

11 Heinig

1 6 2 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen des Wortlautes auf die Qualifikation des Gesetzesvorbehaltes, gebietet aber nicht darüber hinausgehend eine Gleichbehandlung unterschiedlicher Religionsgesellschaften. Diese wird vielmehr durch die zahlreichen paritätsrechtlichen Vorschriften gewährleistet (s. u.). Deshalb besteht auch kein systematisch oder teleologisch motivierter Bedarf für eine gleichheitsrechtliche Umformung der korporativen Religionsfreiheit.

e) Korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken am Beispiel des „kirchlichen " Arbeitsrechts Sozialempirisch ist die korporative Religionsfreiheit als Garantie der Selbstordnung- und -Verwaltung von Religionsgesellschaften im Bereich der Beschäftigung ihrer Mitarbeiter besonders bedeutungsvoll. Die Kirchen sind bekanntlich einer der größten privaten Arbeitgeber in Deutschland. Die Problematik der Religionsfreiheit und religiösen Prägung der Rechtsbeziehungen im Arbeitsverhältnis in Religionsgesellschaften ist zudem gerade i m Zusammenspiel von mitgliedstaatlicher und europäischer Ebene von Relevanz (cf. infra 5. Kap. V I . 1.). Aus beiden Erwägungen heraus sei dieser Aspekt der korporativen Religionsfreiheit an dieser Stelle gesondert herausgegriffen und näher betrachtet. Dies mag auch dem Zweck dienen, die bis hierhin sehr abstrakten Ausführungen mit dem „wahren Leben" zu konfrontieren und so plastisch werden zu lassen. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich dabei auf die beiden großen Kirchen; auf andere Religionsgemeinschaften sind die Überlegungen entsprechend zu übertragen. Sowohl das Individual- wie das kollektive Arbeitsrecht sind bei Arbeitsverhältnissen in Religionsgesellschaften von Verfassungs wegen Modifikationen unterworfen. Art. 137 I I I W R V schützt auf beiden Ebenen das Recht der Religionsgesellschaft, über religiös geprägte Komponenten der Arbeitsbeziehungen nach eigenem Selbstverständnis zu entscheiden. Welchen Zuschnitt dieser Schutz i m Einzelnen hat, soll im folgenden näher betrachtet werden.

aa) Zur Anwendbarkeit des staatlichen Arbeitsrechts auf Kirchen und sonstige Religionsgesellschaften Im Rechtsverkehr sind die Religionsgesellschaften grundsätzlich an die staatlicherseits bereitgestellten Rechtsformen gebunden. 1 7 9 Das Gros der in den Religionsgesellschaften hauptamtlich Tätigen befindet sich in einem regulären Arbeitsverhältnis i m Sinne der §§ 611 ff. BGB und der einschlägigen arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Die Statuierung eines i m allgemeinen Rechtsverkehr anzuerken178 So aber W. Bock, Gesetz, S. 284 f.; ders., Dienst, S. 538 im Anschluß an M. Heckel, FS Dürig, 1990, S. 241 (265 f.). 179 w. Rüfner, HdbStKirchR 2 II, S. 877 (879 ff.).

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

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nenden kircheneigenen Arbeitsrechts ist den Religionsgesellschaften in Deutschland von Verfassungs wegen nicht zugestanden. Art. 4 G G / A r t . 137 I I I W R V ermächtigt - wie aufgezeigt - nicht zum Erlaß einer „parallelen Vollrechtsordnung", die zur staatlichen in einem ähnlichen Verhältnis stünde wie eine ausländische. 1 8 0 Dies wird weitgehend auch von den Vertretern eines institutionellen statt grundrechtlichen Verständnisses von Art. 137 I I I W R V so gesehen. 181 Nämliches gilt - unbestritten - für ein kircheneigenes Miet-, Kauf- oder Schadensersatzrecht. Art. 4 G G / A r t . 137 I I I WRV gebietet als Abwehrrecht der Religionsgesellschaften gegenüber dem Staat vielmehr, daß i m Rahmen der Ausgestaltung der staatlichen Rechtsordnung die Garantie der Selbstordnung und -Verwaltung geachtet wird. Darüber hinaus steht Religionsgesellschaften wie allen anderen Vereinen die Möglichkeit offen, normative Regelungen in Satzungsform auch mit gewisser Außenwirkung zu treffen. 1 8 2 Lediglich Art. 137 V W R V eröffnet für öffentlich-rechtlich korporierte Religionsgesellschaften eine begrenzte Rechtssetzungskompetenz, etwa zur Ausgestaltung ihrer öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse (cf. infra 4. Kap.). Diese Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf das Arbeitsrecht i m engeren Sinne. Soweit die nach Art. 137 V W R V organisierten Religionsgesellschaften von der Begründung öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse absehen wollen, sind sie bei der abhängigen Beschäftigung von Personen ebenso an das staatliche Arbeitsrecht gebunden wie zivilrechtlich organisierte Religionsgesellschaften. 183 Zivil- und Arbeitsrecht stellen insoweit für alle geltende Gesetze nach Art. 137 I I I W R V d a r . 1 8 4

bb) Das kirchliche Selbstverständnis als Dienstgemeinschaft Dem Selbstverständnis der beiden großen Kirchen in Deutschland entspricht es, das Leitbild einer sowohl die kollektiven wie die individuellen Arbeitsrechtskomponenten prägenden besonderen Dienstgemeinschaft zugrunde zu legen. 1 8 5 Das Eigenverständnis der Kirchen als Dienstgemeinschaft ist Ausdruck ihrer glaubensgeprägten Betätigung. Ihre „Gesamtleistung soll Zeugnis für die Kirche und für 180

Solche Anklänge aber bei C. C. Jürgens, Die normative Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts für die Regelungen des „Dritten Weges" im Bereich der kirchlichen Wohlfahrtspflege, 1991, S. 124. 181 W. Rüfner, HdbStKirchR 2 II, S. 877 (878 m. w. N. in Fn. 1). 182 M. Heckel, FS Lerche, 1993, S. 213 (227). 183 Eine Ausnahme bildet das durch die Mitgliedschaft in einem Orden oder einer ähnlichen geistlichen Kommunität begründete Rechtsverhältnis sui generis. Cf. hierzu J. Listi, HdbStKirchR 2 I, S. 841 (857 ff.). 184 BVerfGE 70, 138 (165); BAG NJW 1981, 1228; NJW 1984, 2596; A. Schilberg, Rechtsschutz und Arbeitsrecht in der evangelischen Kirche, 1992, S. 19; W. Bock, Dienst, S. 569. 185 R. Richardi, ZfA 1984, 109 ff.; A. Schilberg, Rechtsschutz, S. 70 ff.; J. Jurina, ZevKR 29(1984), 171 ff. 11

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3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

Christus ablegen." 1 8 6 Der Auftrag Jesu Christi, „ i h m i m Dienst der Versöhnung zu folgen", beschränke „sich nicht auf die dienende Nachfolge des einzelnen", sondern erfordere auch „ein Zusammenstehen vieler in einer,Gemeinschaft des Diens t e s ' " . 1 8 7 Das Leitbild der Dienstgemeinschaft „ist gekennzeichnet von vertrauensvollem Miteinander, Rücksichtnahme und dem Gedanken konziliarer Konfliktlös u n g " 1 8 8 und setzt sich damit vom auf der Annahme der Gegnerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern beruhenden Grundmodell des kollektiven Arbeitsrechts ab. Z u m Eigen Verständnis als Dienstgemeinschaft gehört es u. a., den Abschluß eines Arbeitsvertrages generell von der Zugehörigkeit zur jeweiligen Kirche abhängig zu machen, wobei in minderem Ausmaß gleichwohl auch Konfessionsverschiedene und Nichtchristen beschäftigt werden. Ferner werden bestimmte Loyalitätsobliegenheiten vereinbart, die über die allgemeinen Leistungspflichten des Arbeitnehmers hinaus das außerdienstliche Verhalten umgreifen. In der katholischen Kirche werden diese Pflichten in einer Grundordnung näher skizziert. Laut Art. 4 GrOkathK wird von den katholischen Mitarbeitern erwartet, daß sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten; pastoral, katechetisch, erzieherisch oder leitend wirkende Mitarbeiter werden besonders auf ein persönliches Lebenszeugnis i m Sinne der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre verpflichtet; allen Mitarbeitern wird auferlegt, kirchenfeindliches Verhalten zu unterlassen und in ihrer persönlichen Lebensführung und ihrem kirchlichen Dienst die Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtung, für die sie beschäftigt sind, nicht zu gefährden. 1 8 9 Nach dem Selbstverständnis der beiden christlichen Kirchen ist das Leitbild der Dienstgemeinschaft funktionsunspezifrsch konzipiert; jeder ist an seinem Platz aber gleichwertig - i m „kirchlichen Heils- und Verkündigungsauftrag" t ä t i g . 1 9 0 M i t einem solchen Eigenverständnis ist die Vorstellung von notwendigen Abstufungen der Loyalitätsbindungen nach den eingenommenen Funktionen der Arbeitnehmer unter dem Gesichtspunkt der Sicherung der Glaubwürdigkeit nach außen nicht vereinbar.

186 w. Rüfner, HdbStKirchR 2 II, S. 877 (892). 187 R. Richardi, Arbeitsrecht, S. 46. Cf. a. zu den theologischen und kirchenrechtlichen Divergenzen zwischen der katholischen und evangelischen Kirche, ebenda, S. 46 ff. 188 w. Rüfner, HdbStKirchR 2 II, S. 877 (892 f.). 189 Näher R. Richardi, Arbeitsrecht, S. 78 f., allgemein zur Grundordnung ebd. S. 54 ff.; 190 Art. 1 der kathGrO; vgl. W. Rüfner, HdbStKirchR 2 II, S. 877 (892).

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

165

cc) Rechtsgrundlagen und rechtliche Grenzen für die arbeitsrechtliche Implementierung des kirchlichen Selbstverständnisses als Dienstgemeinschaft (im Überblick) Die besondere religiöse Prägung des Arbeitsverhältnisses gemäß dem Selbstverständnis der Religionsgesellschaft wird maßgeblich durch das Mittel des Arbeitsvertrages durchgesetzt. In diesen werden durch Individualabsprache bestimmte Bindungen und Verweisungen aufgenommen, die den besonderen Charakter des Arbeitsrechts in den Kirchen ausmachen. Die Nichteinhaltung dieser Vereinbarungen durch den Arbeitnehmer wird kirchlicherseits zumeist mit Abmahnung und Kündigung sanktioniert. 1 9 1 Klassische Beispiele für Verstöße gegen solche Pflichten sind etwa das Eintreten für die Streichung des § 218 S t G B , 1 9 2 die Wiederverheiratung nach Scheidung, 1 9 3 praktizierte Homosexualität, 1 9 4 Werbung für eine andere Religionsgemeinschaft 195 oder Kirchenaustritt. 1 9 6 (1) Grundlagen. Verfassungsrechtliche Grundlage für die kirchlich aufgestellte Bedingung der Glaubenszugehörigkeit für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses und die vertragliche Verpflichtung besonderer arbeitsrechtlicher Rahmenregelungen und Verhaltenspflichten sind gleichermaßen und sich ergänzend die Privatautonomie als Ausfluß von Art. 12 1 GG, 14 I GG und 2 I GG sowie die korporative Religionsfreiheit nach Art. 4 I, I I G G / A r t . 137 I I I WRV. Ein vom staatlichen Arbeitsrecht unabhängiges kirchliches Arbeitsrecht gewähren diese Verfassungsbestimmungen dagegen nicht (s. o. aa). (2) Grenzen. Bei der Auswahl des Personals und der Vereinbarung bzw. Durchsetzung besonderer Loyalitätspflichten sind die Religionsgesellschaften freilich an die verfassungsgemäßen gesetzlichen Vorgaben gebunden. Grenzen ergeben sich aus dem für alle geltenden Gesetz bzw. i m Rahmen der Privatautonomie aus nichtdispositiven Vorschriften des Zivil- und Arbeitsrechts. Der Grundsatz des volenti non fit iniuria gilt gerade i m Bereich des Arbeitsrechts nur beschränkt. Insbesondere beeinflußt die sog. Drittwirkung der Grundrechte 1 9 7 die Frage der zulässigen Vertragsgestaltung. Auch bei der Auslegung der einschlägigen arbeitsrechtlichen Vorschriften ist die sog. Ausstrahlungswirkung der Grundrechte zu beachten. Hierbei kommt Art. 4 I, I I GG / 137 I I I WRV eine zentrale Bedeutung zu.

191 R. Richardi, Arbeitsrecht, S. 74 ff.; D. Ehlers, in: M. Sachs (Hg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 137 WRV Rn. 9a. 192 BVerfGE 138 (170 ff.); BAG, KirchE 20, 160 ff. = NJW 1984, 826 ff. 193 BAGE 30, 247 ff.; 34, 195 ff.; 47, 144 ff. 194 BAG, NJW 1984, 1917 ff.; anders dagegen bei bloß homosexueller Neigung LAG Stuttgart, NZA 1994, 416 ff. 195 BAG, NZA, 2001, 1136 ff. 196 BVerfGE 70, 138 (172); BAGE 45, 250 ff.; 47, 292 ff. 197 BVerfGE 7, 198 (204 ff.); H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Vorb. Rdnr. 59 ff.

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3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

Dies bedeutet i m einzelnen:

dd) Kontrahierungsfreiheit und ihre Grenzen Religionsgesellschaften steht wie allen anderen Privatpersonen das Recht zu, die eigenen Lebensverhältnisse durch Vertragsschluß frei zu gestalten. Diese Freiheit umfaßt u. a. die freie Wahl der Vertragspartner. Dieser Aspekt der Privatautonomie erstreckt sich auch auf die Begründung von Arbeitsverhältnissen. Die Auswahlfreiheit wird durchbrochen durch einige wenige Fälle des gesetzlichen Kontrahierungszwangs. Auch gibt es indirekten Einfluß auf die Auswahl der Vertragspartner, so billigt § 611a I I BGB i m Falle einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung einer Person wegen ihres Geschlechts bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses Schadensersatzansprüche zu. Ein mittelbarer, aber echter Abschlußzwang wird schließlich außer für Fallgruppen der marktbeherrschenden Stellung und der Versorgung von Verbrauchern mit lebenswichtigen Gütern in Fällen rassistischer Diskriminierung diskutiert. 1 9 8 Dahinter steckt jeweils die Idee, einem Mißbrauch der Vertragsfreiheit mittels der Drittwirkung der Grundrechte entgegenzuwirken. Weitreichende Änderungen sollte diese Rechtslage, die sich dadurch auszeichnet, daß nur i m Ausnahmefall Ungleichbehandlungen i m Privatrechtsverkehr als rechtlich unerwünscht markiert werden, nach Plänen des Bundesjustizministeriums erfahren. Das Regelungsvorhaben hätte teils antidiskriminierungsbezogenes EURecht umsetzen, teils aber auch hierüber hinaus geführt. Die Pläne wurden 2001 zunächst zurückgestellt. Die folgende Darstellung erfolgt deshalb auf der Grundlage des bisher geltenden Rechts; auf die für Religionsgesellschaften relevanten Novellierungsentwürfe wird dann i m Kontext des Europarechts eingegangen (5. Kap. VI. 1.). Man könnte nun auf die Idee kommen, Ungleichbehandlungen aus Gründen der Religion ebenfalls für die Konstruktion eines Kontrahierungszwangs fruchtbar zu machen. Hiergegen bestehen generelle Bedenken: Diskriminierungen aus ethnischen und rassistischen Gründen sprechen den Betroffenen in deutlich anderer Qualität als solche aus religiös-weltanschaulichen Gründen die gleiche Achtung und Würde der betroffenen Person ab und berühren damit den Schutzzweck des Art. 3 I I I GG (cf. infra III.). Deshalb sind rassistische und ethnische Diskriminierungen nur unter weit höheren Voraussetzungen zu rechtfertigen und fordern auch eher von Verfassungs wegen eine Korrektur i m Privatrechtsverkehr. 199 Auch ist im 198 C. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 1999, Art. 3 Rdnr. 341 199 Auch in Fällen rassistisch motivierter Ungleichbehandlungen bei der Auswahl von Vertragspartnern wird grundsätzlich für die Statuierung eines Abschlußzwangs eine gewisse Öffnung der Privatsphäre hin zur Öffentlichkeit verlangt wie sie etwa für Gaststätten und Diskotheken üblich ist. Neben dieser Öffnung des Rechtsverkehrs zur Allgemeinheit muß auch die konkrete Ablehnung eines Vertragsschlusses sittenwidrig sein, was typischerweise nur im Falle der ethnischen oder rassischen Diskriminierung der Fall ist.

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

167

Bereich der Religionsgesellschaften die Ungleichbehandlung aus Gründen der Religion im Falle der Begründung von Arbeitsverhältnissen durch die Religionsfreiheit grundsätzlich gerechtfertigt. Dies wird später i m Abschnitt zur Parität näher zu erläutern sein (cf. III.). Die von der Religionszugehörigkeit geleitete Personalauswahl von Religionsgesellschaften ist also bereits durch die Privatautonomie gewährleistet und wird dergestalt verstärkt und ergänzt durch Art. 4 I, I I G G / A r t . 137 I I I WRV, daß i m Falle einer einfach-gesetzlichen Einschränkung der Auswahlfreiheit der Vertragspartner die korporative Religionsfreiheit besonders zu berücksichtigen und damit eine weitgehende Ausnahmeklausel vorzusehen wäre.

ee) Generelle Treuepflicht eines Arbeitnehmers M i t jedem Arbeitsvertrag gehen generelle Treuepflichten einher. Stets hat der Arbeitnehmer „seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen, seine Rechte so auszulegen und die i m Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitsgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung i m Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebes nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden k a n n . " 2 0 0 Umfang und Grenzen dieser Nebenpflicht ergeben sich aus den jeweiligen Umständen des einzelnen Arbeitsvertrages unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung. Allen Arbeitsvertragsverhältnissen gemein ist das Verbot, den Arbeitgeber öffentlich herabzuwürdigen. Soweit auch Religionsgemeinschaften gegenüber ihren Arbeitnehmern darauf bestehen, gegen die Korporation gerichtete verbale Aggressivakte coram publico zu unterlassen, nehmen sie also ganz allgemein bestehende Arbeitgeberrechte in Anspruch. Für kirchliche Arbeitsverhältnisse spezifiziert bedeutet die allgemeine Treuepflicht des Arbeitnehmers, die nach dem Arbeitsvertrag übernommene Arbeit so zu leisten, „daß die Kirche ihren bekenntnismäßig geprägten Auftrag zu erfüllen vermag". 2 0 1 Für den konkreten Inhalt dieser Treuepflicht ist deshalb jeweils auf die genaue Tätigkeit abzustellen; daraus „können sich Abstufungen zum Auftrag der Kirche ergeben". 2 0 2

200 G. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 8. Aufl. 1996, S. 374. 201 R. Richardi, Arbeitsrecht, S. 72. 202 R. Richardi, Arbeitsrecht, S. 72; so auch A. v. Campenhausen, Essener Gespräche 18 (1984), S. 9 (25). Auch diese Abstufung der allgemeinen Treuepflichten von Arbeitnehmern bewegt sich in den normalen Bahnen des Arbeitsrechts. Diese Treuepflichten divergieren nach Dienst (öffentlich/privat), nach besonderer Vertrauensstellung qua Tätigkeit, Arbeitsumfeld (etwa häusliche Gemeinschaft), Dauer der Arbeitsbeziehung etc.; cf. G. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, S. 375 f.

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3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen ff) Besondere tendenzrechtliche Treuepflichten von Arbeitnehmern in Religionsgesellschaften

(1) Verfassungsrechtlicher Tendenzschutz und arbeitsvertragliche Lebensführungspflichten. Von den normalen arbeitsvertraglichen Treuepflichten zu unterscheiden ist eine besondere Tendenzprägung des Arbeitsverhältnisses, die die private Lebensführung des Arbeitnehmers erfaßt. 2 0 3 Dergestalte besondere Loyalitätsobliegenheiten sind grundsätzlich i m Arbeitsrecht unzulässig. 2 0 4 Dies gebietet der Drittwirkungsschutz der Persönlichkeits- und sonstigen Freiheitsrechte von Arbeitnehmern. Anders sind die Dinge gelagert, wenn die Tätigkeit der arbeitgebenden Organisation unabdingbar verlangt, daß ihre Arbeitnehmer bestimmte Verhaltensformen auch i m nichtdienstlichen Umgang pflegen und dieses Organisationsinteresse besonders verfassungsrechtlich geschützt ist. Bestimmte Freiheitsrechte gewähren in ihrer organisationsbezogenen Seite ein solches Recht auf Tendenzfreiheit und Tendenzreinheit. Maßgeblich zu nennen sind hierbei das Recht auf korporative Religionsfreiheit (Art. 4 I, I I G G / A r t . 137 I I I W R V ) , 2 0 5 das Recht auf Presse- und Rundfunkfreiheit (Art. 5 I GG), das Recht auf freie Betätigung von Koalitionen (Art. 9 I I I GG) sowie das Recht auf Parteienfreiheit (Art. 21 I 1 GG). Entsprechend achten neben den Religionsgemeinschaften z. B. Parteien, Gewerkschaften oder Medienbetriebe darauf, daß ihre Glaubwürdigkeit nicht durch das private Agieren der Mitarbeiter Schaden nimmt; entsprechend wird den Arbeitnehmern, die durch ihre Tätigkeit die Tendenz der Organisation prägen und verwirklichen, arbeitsvertraglich auferlegt, ihr Privatleben „tendenzschonend" einzurichten. Ein leitender Parteiangestellter dürfte sich nicht für eine konkurrierende politische Bewegung engagieren oder gar für sie kandidieren; ein leitender Angestellter einer Gewerkschaft hat sich mit öffentlichen Äußerungen, die Sympathie für klassische Arbeitgeberpositionen erkennen lassen, zurückzuhalten usw. Dagegen entspricht es etwa weder dem Selbstverständnis von Schlachthöfen und Metzgereibetrieben, daß ihre Mitarbeiter carnophil zu sein haben, noch wäre eine solche arbeitsvertraglich vereinbarte Nebenpflicht zum Nichtvegetarierdasein von Schlachtern und Metzgern freiheitsrechtlich besonders geschützt. (2) Reichweite des Tendenzschutzes auf der Ebene des Schutzbereichs. Der effektive Tendenzschutz einer Organisation bemißt sich dabei am sachlichen Betätigungsschutz des jeweils einschlägigen Grundrechts, dem die organisationsbezogene Seite des Freiheitsrechts folgt. Er wird weiterhin bestimmt durch die 203 Cf. zum folgenden H M. Heinig, Art. 13 EGV, S. 225 ff. 204 w Rüfner, HdbStKirchR 2 II, S. 901. 205 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 46; M. Droege, Der religionsverfassungsrechtliche Tendenzschutz im Arbeitsrecht, in: G. Klinkhammer/T. Frick (Hrsg.), Religionen und Recht, 2002, S. 203 ff.; ohne Einstellung in ein allgemeines Tendenzrecht J. Isensee, FS Obermayer, 1986, S. 203 (206); J. Jurina, Das Dienst- und Arbeitsrecht im Bereich der Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, 1979, S. 59, 117 f.; A. v. Campenhausen, Essener Gespräche 18 (1984), S. 9 (27).

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

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Schranken des jeweiligen Grundrechts, auch diese sind unterschiedlich ausgestaltet. Zunächst sei die Ebene der Schutzbereiche betrachtet. Für die Medien zielt die in der Pressefreiheit verankerte Tendenzfreiheit gewährleistungsspezifisch auf die Sicherung des Medienproduktes, für Parteien (Art. 2 1 1 1 GG) auf ihre politische Betätigung, für Gewerkschaften (Art. 9 I I I GG) auf ihre Koalitionstätigkeit. Vom Schutzbereich des jeweiligen Grundrechts eifaßt wird in diesen drei Fallgruppen, daß die Glaubwürdigkeit der Organisation als Bedingung ihrer Betätigung durch das private Agieren der Mitarbeiter keinen Schaden nimmt. Die zulässige Reichweite der tendenzbezogenen „Gefahrenabwehr" bemißt sich hier deshalb nach der Nähe der Arbeitnehmer zum grundrechtsgeschützten „Produkt" der Organisation; die Funktionseliten sind weit mehr betroffen als die anderen Ebenen. Grundrechtsbedingt geht die vom Schutzbereich der Art. 4 I, I I G G / A r t . 137 I I I W R V eingeräumte Möglichkeit der Religionsgesellschaften, die von ihr begründeten Arbeitsverhältnisse mit besonderen, religiös geprägten verhaltensbezogenen Loyalitätsobliegenheiten zu versehen, über diesen klassischen Tendenzschutz hinaus. Denn Art. 4 G G / Art. 137 I I I W R V beinhaltet das Recht, die gesamte Organisationstätigkeit vollständig an der eigenen religiösen Lehre auszurichten. 206 Der grundrechtliche Tendenzschutz steht hier zum sachlichen Betätigungsschutz nicht nur in einem funktionalen Verhältnis, sondern ist mit ihm identisch, während Art. 5 I, 9 I I I oder 21 GG die Organisationstätigkeit nur flankierend in einer bestimmten sachbezogenen Hinsicht schützt. Deshalb wird in der staatskirchenrechtlichen Literatur zumeist abgelehnt, in Bezug von Religionsgesellschaften überhaupt von Tendenzbetrieben zu sprec h e n . 2 0 7 Die vorgetragenen Bedenken greifen aber dann nicht durch, wenn man berücksichtigt, daß die Reichweite der Tendenzfreiheit abhängig vom jeweiligen Grundrecht zu ermitteln ist. In der dogmatischen Konstruktion bestehen dagegen deutliche Parallelen zwischen dem klassischen und dem religionsorganisatorischen Schutz der arbeitsvertraglichen Absicherung einer Tendenzausrichtung: 208 jeweils handelt es sich um ein Mittel der Grundrechtssicherung und -effektivierung. 2 0 9

206 im Anschluß an BVerfGE 32, 98 (106); cf. supra I. 207 w Rüfner, HdbStKirchR 2 II, S. 901 (905) m. w. N.; A. Hollerbach, HStR VI, § 139 Rn. 44. Freilich wird häufig mit der Einordnung von Kirchen und anderen Religionsgesellschaften in das Tendenzrecht ein spezifisches Restriktionsprogramm gegenüber dem religionsorganisatorischen Wirken verfolgt, demgegenüber von Verfassungs wegen die umfassende Bedeutung der korporativen Religionsfreiheit in Erinnerung zu rufen ist. 208 M. Morlok, Selbstverständnis, S. 161 ff. 209 Grundsätzlich R Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43 (69 ff.).

1 7 0 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen gg) Grenzen für tendenzrechtliche Treuepflichten in Religionsgesellschaften Der grundsätzliche grundrechtliche Schutz der korporativen Religionsfreiheit für die Vereinbarung besonderer Treuepflichten bedeutet jedoch nicht, daß entsprechende arbeitsrechtliche Vertragsklauseln stets einer verfassungsrechtlichen Würdigung standhalten würden. Schließlich sind die Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu beachten. (1) Grenzen in der Rechtsprechung. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht zu Kündigungen aus Gründen der Verletzung besonderer religiös geprägter Treuepflichten geht davon aus, daß von Verfassungs wegen eine sehr weite Freiheit der Religionsgesellschaften für die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zu ihren Arbeitnehmern besteht. Gleiches muß dann - argumentum a fortiori für das Merkmal der Religionszugehörigkeit als Auswahlkriterium für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses gelten. Laut Karlsruhe sind die verfassungsrechtlichen Grenzen der Religionsfreiheit erst erreicht, wenn das vertraglich Vereinbarte in Widerspruch zu den „Grundprinzipien der Rechtsordnung" steht, „wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 I GG) sowie in dem Begriff der ,guten Sitten' (§ 138 I BGB) und des ordre public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden h a b e n " . 2 1 0 Ausdrücklich verwirft das Bundesverfassungsgericht damit die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die Zulässigkeit der Loyalitätspflichten vom Bestehen eines „Näheverhältnisses" zu den „spezifisch kirchlichen Aufgaben" abhängig zu machen. 2 1 1 (2) Modell der differenzierten Abwägung. Greift man auf das oben entwickelte Schrankenmodell einer egalitär strukturierten Abwägung zur Bestimmung des „für alle geltenden Gesetzes" i. S. d. Art. 137 I I I WRV zurück, gilt es freilich, die Grenzen für besondere kirchliche Loyalitätspflichten gegenüber ihren Arbeitnehmern detaillierter zu zeichnen. Die Freiheit der Selbstordnung und -Verwaltung und gegenläufige Rechte Dritter sind dann in ein Zuordnungsverhältnis zu bringen, das sich als Ergebnis von Abwägungsprozessen niederschlägt. I m Rahmen der gebotenen Abwägung dürfen gegenläufige (verfassungsrechtliche Positionen nicht per se strukturell vernachlässigt werden. 2 1 2 Vielmehr hat die vorzunehmende Abwägung eine vielgestaltige Gemengelage rechtlich geschützter Interessen im Eingang als mit der korporativen Religionsfreiheit gleichwertig abzuarbeiten. Auch kann hier-

2,0 BVerfGE 70, 138 (168), diese Grenze wird auch als „unannehmbare Anforderungen" gekennzeichnet; die Person des Arbeitnehmers dürfe von den arbeitsvertraglichen Pflichten nicht total ergriffen und seine private Lebensführung vollständig umfaßt werden (166). 211 So etwa BAGE 34, 195 ff. = KirchE 18, 296 ff.; E 45, 250 ff. = KirchE 22, 53 ff.; E 47, 144 ff. = KirchE 22, 209 (213); E 47, 292 ff. = KirchE 22, 259 ff.; BAG, NJW 1984, 826 ff. = KirchE 20, 160 ff. 212 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 62: M.. Droege, Tendenzschutz, S. 208 f.

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

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bei das Selbstverständnis der Religionsgesellschaft nicht letztentscheidend sei, ohne die kollidierenden Rechtsgüter überhaupt in den Blick zu nehmen. 2 1 3 Die in Fragen des religionsgesellschaftlich geprägten Arbeitsrechts relevanten, mit der Selbstordnungs- und -Verwaltungsgarantie potentiell kollidierenden Rechtspositionen der Arbeitnehmer sind vielfältig. Religiöse Nichtdiskriminierung (Art. 3 I I I G G / A r t . 136 I, I I GG) und Religionsfreiheit (Art. 4 I, I I GG) sind zunächst zu nennen, ferner vom Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I, 28 I GG) und das diese konkretisierende einfache Recht geschützte Arbeitsnehmerinteressen auf soziale Sicherheit und dann kontextabhängig etwa das Recht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 I GG) i m Falle des Kundtuns der Religionsgesellschaft unliebsamer Ansichten oder der besondere verfassungsrechtliche Schutz der Ehe und Familie (Art. 6 I GG) i m Falle der von einer Religionsgesellschaft mißbilligten Wiederverheiratung. I m Rahmen des gebotenen Abgleichs der Arbeitnehmerrechte mit dem geschützten Arbeitgeberinteresse auf religiöse Prägung der Rechtsbeziehungen zur gesamten Arbeitnehmerschaft sind abhängig von den jeweiligen Verstößen und den konkreten Umständen Lösungen zu finden. 214 Die typischen Konstellationen des Kirchenaustritts, der Wiederverheiratung und der öffentlichen Stellungnahme in Abweichung zu kirchenamtlichen Positionen bieten dabei, schaut man sich die einzelnen gerichtlich verhandelten Fälle an, eine erhebliche Varianz i m Detail und in den Fallgruppen sowie an zu berücksichtigenden rechtlich geschützten Interessen. Diese Unterschiede können nicht umfassend durch das dienstgemeinschaftliche Selbstverständnis der Religionsgesellschaften nivelliert werden. (3) Individuelle vs. korporative Religionsfreiheit Dabei tritt das Verbot individueller religiöser Diskriminierung ebenso wie das Recht auf individuelle Religionsfreiheit in einer Religionsgesellschaft gegen die Religionsgesellschaft i.d.R. hinter die korporative Religionsfreiheit zurück. 2 1 5 Dies ist zum einen (in Bezug auf das Diskriminierungsverbot) dem oben dargestellten Effekt geschuldet, daß bereits die Garantie gleicher Freiheit Egalitätsinteressen bedient und sich dies in der Abwägung niederschlägt, grundgesetzlich also eine Präponderanz der Freiheit besteht. Darüber hinaus gibt es einen religionsspezifischen Grund für einen abwägungsprägenden Vorrang der Freiheit. Religionsfreiheit umfaßt immer auch das Recht auf Organisation von Differenz und damit von Exklusion, das Recht auf tendenziöse Ausrichtung religiöser Organisationen - dazu ist Ungleichbehandlung aus Gründen der Religion unabdingbar. Deshalb stehen die religionsbezogenen Grundrechte der einzelnen Arbeitnehmer in aller Regel nach. Denn das Abwägungspro213 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 62; H. M. Heinig, Art. 13 EGV, S. 230; V. Neumann, GS Jeand'Heur, 1999, 247 (257 ff.). 214 In diese Richtung auf der Grundlage von BVerfGE 70, 138 ff. auch B. Rüthers, NJW 1986, 356 ff. 215 H. M. Heinig, Art. 13 EGV, S. 231 f.

1 7 2 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen gramm des Art. 137 I I I W R V zielt i m Sinne Konrad Hesses praktischer Konk o r d a n z 2 1 6 auf ein möglichstes Zurgeltungkommen der i m Widerstreit stehenden Rechte. Das individuumsbezogene Verbot religiöser Diskriminierung oder die individuelle Religionsfreiheit in einer Religionsgesellschaft gegen die Religionsgesellschaft durchdringen zu lassen, würde aber die korporative Religionsfreiheit als Freiheit zur Pflege einer spezifischen Religion vollständig erodieren lassen. Besonders deutlich wird ein solches Zuordnungsverhältnis der Verfassungsrechte bei Streitigkeiten einer Religionsgesellschaft gegen ein dissentierendes M i t glied: Die religionsspezifischen Individualrechte werden gegenüber organisierter Religion nur durch eine staatliche e x i t - O p t i o n 2 1 7 garantiert - als gesetzlich garantierte Austrittsfreiheit. Abweichlern steht es frei, sich ihrerseits zu organisieren und Glaubensfremde zu exkludieren. Dieser Gedanke wird später unter der Überschrift „Freiheitliche Parität als offene Vielfalt" noch näher entfaltet. Die dort skizzierten grundsätzlichen Überlegungen zu religionsspezifischem Ausschluß und Einschluß von und in religiöse Organisationen sind sachgemäß auch auf die hier zu verhandelnde Fragestellung des religionsgesellschaftlich geprägten Arbeitsrechts zu übertragen. (4) Andere Rechtsgüter vs. korporative Religionsfreiheit. Teilt man dieses Verständnis eines typischerweise bestehenden grundsätzlichen Abwägungsvorrangs der korporativen Religionsfreiheit vor den individuellen Religionsrechten bei Rechtskollisionen in Religionsgesellschaften, ist damit aber noch keine Aussage gemacht über das Zuordnungsverhältnis zu den anderen oben benannten Rechtspositionen der Arbeitnehmer. Dabei ist der Gefahr zu begegnen, die Bedeutung der korporativen Religionsfreiheit und die von ihr geschützten jeweiligen religiösen Besonderheiten aus dem Blick zu verlieren. Zugleich ist aber zu betonen, daß es von Verfassungs wegen geboten ist, in den in Frage stehenden Fallgruppen überhaupt in einen Abwägungsprozeß einzutreten und diesen nicht - wie die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - faktisch für alle denkbaren Konstellationen auszublenden. Das Schrankenprogramm des Art. 137 I I I W R V fordert hier zu behutsamen Restriktionen gegenüber der bisherigen verfassungsgerichtlichen Praxis; die kollidierenden Rechtsgüter der Arbeitnehmer sind als solche jeweilig zu berücksichtigen. Hierzu bedarf es einer strukturierten typologischen Abwägungsdogmatik in Verfeinerung und Konkretion analog zu den obigen Ausführungen zum Verhältnis von religionsbezogenen Individualrechten und korporativen Freiheitsrechten der Religionsgesellschaften. Entgegen dem Bundesverfassungsgericht ist Konkretisierung der Schrankenziehung des Art. alten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gen, ob die Glaubwürdigkeit des kirchlichen

dabei i m Abwägungsprozeß als 137 I I I W R V auch, entgegen der aber nicht nur zu berücksichtiWirkens durch ein bestimmtes

216 K. Hesse, Grundzüge, S. 142 ff. 217 Im Sinne von A. O. Hirschman, Exit, voice and loyality, 1970.

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

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außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers beschädigt ist. In manchen Konstellationen dürfte die Frage des Glaubwürdigkeitsverlustes als Infragestellung der Tendenzausrichtung der Religionsgesellschaft sogar abwägungsrelevant sein, etwa wenn ein Vorrang Verhältnis und konkordärer Ausgleich i m Einzelfall anderweitig nicht herausgearbeitet werden kann. Dazu ist die externe Wirkung zu berücksichtigen, aber auch die Effekte für den innerbetrieblichen Zusammenhang, die dort bestehenden Erosionsgefahren für das Verständnis als Dienstgemeinschaft sind in den Blick zu nehmen. Wie bei klassischen Tendenzbetrieben ist dann grundsätzlich auch bei Religionsgesellschaften eine Störung der Tendenzausrichtung um so eher zu besorgen, je enger der Mitarbeiter an einer Glaubensverkündigung i m weiteren Sinne mitwirkt, wobei Grundlage für die Bestimmung des Bereichs der Glaubensverkündigung aus Gründen der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates nur das Selbstverständnis der Religionsgesellschaft sein kann; die Feststellung der Gefahr für die Tendenzprägung erfolgt jedoch „objektiv", also staatlich. Gleiches gilt für die endgültige Gewichtung der kollidierenden Rechtsgüter auf der Grundlage der Präferenzskalen der betroffenen Akteure. Ein jedweder Stufung der Loyalitätspflichten entgegenstehendes, durch die korporative Religionsfreiheit geschütztes Selbstverständnis von Religionsgesellschaften tritt i m durch Art. 137 I I I WRV strukturierten Abwägungsprozeß auf Schrankenebene gegebenenfalls insoweit hinter die gleichfalls verfassungsrechtlich in Ansatz zu bringenden Rechtspositionen der Arbeitnehmer zurück. Dabei dürfte aber i m Detail nochmals nach einzelnen Treuepflichten zu unterscheiden sein. Manche Loyalitätsverletzungen sind i m Ergebnis eher einer Stufung zugänglich als andere. So berührt die vollständige Lossagung von einer Religionsgesellschaft durch einen Mitarbeiter die Tendenzreinheit der Religionsgemeinschaft i.d.R. erheblicher als Verfehlungen gegen einzelne religiöse Verhaltensgebote und zeitigt entsprechende weiterreichende Innen- und Außen Wirkungen. Der Austritt aus der Kirche wiegt deshalb i m Abwägungsvorgang sowohl bei kirchenleitenden und mit der Verkündigung i m weiteren Sinne beauftragten Mitarbeitern als auch bei Personen ohne Führungsaufgaben, ζ. B. aus dem Bereich der Buchhaltung, Reinigung und Instandhaltung, besonders schwer. Dagegen ist etwa bei einer standesamtlichen Eheschließung mit einem geschiedenen Partner (in der katholischen Kirche) oder i m Falle eines Verstoßes gegen ähnliche partielle religionsgesellschaftliche Loyalitätspflichten eher Raum dafür, hinsichtlich der betroffenen Personen funktional zu differenzieren. I m Falle eines untergeordneten Mitarbeiters ohne Einbezug in das „religiös-operative Geschäft" dürften die faktischen Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der Organisation nach innen und außen dann geringer sein als bei einem Geistlichen, dem leitenden administrativen Personal, den pädagogischen und diakonischen Mitarbeitern. (5) Zur Bedeutung des einfach-gesetzlichen Arbeitsrechts. Der rechtsfunktionell richtige Ort für die Instellungbringung der dargestellten Berücksichtigungs- und Abwägungserfordernisse ist nicht eine vom Arbeitsrecht losgelöste abstrakte

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3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

Ebene, sondern sind drei i m einfach-rechtlichen Arbeitsrecht selbst vorgesehene Prüfungsschritte. Dies gebietet der verfassungsrechtliche Grundsatz vom Anwendungsvorrang des einfachen Rechts, soweit es eine abschließende Konkretion des Verfassungsrechts darstellt und deshalb den Geltungsvorrang des Verfassungsrechts in seiner Reservefunktion beläßt. 2 1 8 Die Schritte bestehen zum einen in einer Inhaltskontrolle des Arbeitsvertrages und der durch ihn statuierten Loyalitätsobliegenheiten. Hier dürfen - wie es das Bundesverfassungsgericht ausgedrückt hat - keine unannehmbaren Anforderungen an die Loyalität der Mitarbeiter gestellt werden. Da Loyalitätspflichten nicht selbständig gerichtlich durchsetzbar sind, sondern nur arbeitsrechtliche Sanktionen verhängt werden können, sind die verfassungsrechtlichen Wertungsgesichtspunkte weiter i m Rahmen der unbestimmten Rechtsbegriffe des Kündigungsrechts zu berücksichtigen. Die kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften der §§ 1 KSchG, 626 BGB unterliegen als für alle geltende Gesetze insoweit einer umfassenden arbeitsgerichtlichen Anwendungskompetenz. 2 1 9 Einschlägig sind insbesondere die Merkmale der „Person" und des „Verhaltens" des Arbeitnehmers nach § 1 I I KSchG. Schließlich erfolgt i m Rahmen der rechtlichen Überprüfung einer Kündigung eine umfassende Interessenabwägung, die die Berücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalls ermöglicht. 2 2 0 Die Frage, ob die Verletzung einer generell rechtmäßigen Loyalitätsobliegenheit eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses sachlich rechtfertigt, bemißt sich deshalb auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nach den einschlägigen arbeitsrechtlichen Vorschriften „(und damit nicht nach kirchlichem Selbstverständnis)". 221

hh) Die korporative Religionsfreiheit und das kirchliche Kollektivarbeitsrecht Die dergestalten Grundsätze der Wirkung der korporativen Religionsfreiheit sind entsprechend auch auf Fragen des kollektiven Arbeitsrechts zu übertragen. Rechtstechnisch wird dessen religionsgemäße Prägung wiederum durch die arbeitsvertragliche Einbeziehungsabrede durchgesetzt. 222 Dabei konkurrieren drei Modelle: die dynamische Verweisung i m Arbeitsvertrag zur Festlegung von Lohn- und Arbeitsbedingungen auf einseitige Vorgaben durch kirchliche Rechtssetzung, auf die tarifvertragliche Ausgestaltung und als sog. Dritter Weg auf paritätisch besetzte Kom-

218 Hierzu m.N. VII. 1. 219 BVerfGE 70, 138 (168 f.).

220 w. Dütz, NJW 1990, 2025 ff. 221 H. Weber, NJW 1986, 370 (371). 222 w. Rüfner, HdbStKirchR 2 II, S. 877 (888 f.).

I. Die korporative Religionsfreiheit und ihre Schranken

175

missionen. 2 2 3 Vor dem Hintergrund des Leitbildes einer Dienstgemeinschaft präferieren die großen christlichen Kirchen weitestgehend den Dritten W e g . 2 2 4 Die Orientierung an einem der jeweiligen Modelle ist grundsätzlich durch Art. 4 I, I I G G / Art. 137 I I I W R V geschützt. In Ausfluß dessen sind Religionsgesellschaften und ihre Einrichtungen vom Geltungsbereich der Gesetze über die Betriebsverfassung, die Personalvertretung und Unternehmensmitbestimmung ausgenommen (§ 118 I BetrVG, § 1 I I I Nr. 2 SprAuG, § 112 BPersVG, § 1 I V 2 MitbestG). 2 2 5 Aber auch ohne eine ausdrückliche Exemtion der Religionsgesellschaften wäre deren Selbstordnungs- und -verwaltungsrecht i m Bereich des kollektiven Arbeitsrechts zu achten. Dies gilt freilich wie i m Bereich des Individualarbeitsrechts nur in den Grenzen des für alle geltenden Gesetzes. Zu diesen Grenzen ist insbesondere das Recht auf Koalitionsfreiheit aus Art. 9 I I I GG zu zählen, wobei dieses als Ergebnis der Wechselwirkung zwischen korporativer Religionsfreiheit und dem diese einschränkenden Recht - „unter Wahrung der Zweckbestimmung des kirchlichen Dienstes" auszuüben i s t . 2 2 6 Von daher bestehen etwa Modifikationen beim Zutrittsrecht von Gewerkschaften zu sowie der gewerkschaftlichen Mitgliederwerbung und Informationstätigkeit in religionsgesellschaftlichen Betrieben. 2 2 7 I m Rahmen der funktionalen Äquivalenz der kirchlichen Verfahren zur kollektiven Arbeitsrechtssetzung i m Dritten Weg mit den sonstigen gesetzlichen Tarifvertragsystemen genügen erstere i m Zusammenhang mit Art. 4 I, I I GG / Art. 137 I I I W R V den Anforderungen an eine einfachrechtliche Konkretisierung des Art. 9 I I I G G . 2 2 8 Eine durchgehende einseitige Vorgabe der Lohn- und Arbeitsbedingungen durch die Religionsgesellschaften sähe sich dagegen wohl verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt.

Zwischenresümee zum grundgesetzlichen Status der Freiheit von und für Religionsgesellschaften Der grundgesetzliche Status der Freiheit von Religionsgesellschaften wird unabhängig von deren Rechtsform - maßgeblich durch das Grundrecht auf korpo223 R, Richardi, HdbStKirchR 2 II, S. 927 ff.; ders. Arbeitsrecht, S. 121 ff.; A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 137 WRV Rdnr. 86 ff. jeweils m. w. N. zur umfangreichen Literatur zu diesem Thema. 224 Zu diesem speziell auch A. Pahlke, Kirche und Koalitionsrecht, 1983; A. v. Campenhausen, Essener Gespräche 18 (1984), S. 9 (29 ff.); W. Dütz, ebenda, S. 67 ff.; A. Schilberg, ZevKR 41 (1996), 40 ff.; G. Thüsing, RdA 1997, 163 ff.; K. Schiaich, JZ 1980, 209 ff.; A. Janssen, Das Streikrecht der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst und der „Dritte Weg" der Kirchen", 1982, S. 16 ff. und öfter. 225 BVerfGE 46, 73 (94). 226 R. Richardi, HdbStKirchR 2 II, S. 927 (931). 227 BVerfGE 57, 220 ff.; cf. W Dütz, Essener Gespräche 18 (1984), S. 67 (76 ff.); R. Richardi, Arbeitsrecht, S. 146 ff. 228 R. Richardi, Arbeitsrecht, S. 121 ff.

1 7 6 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen rative Religionsfreiheit als Recht auf freie Selbstordnung und -Verwaltung (Art. 4 I, I I G G / A r t . 137 I I I W R V in Schutzbereichsidentität) bestimmt. Diese Freiheit findet ihre Grenze in den „für alle geltenden 4 ' Gesetzen (Art. 137 I I I W R V in Schrankenspezialität), ergibt sich also aus einer mit Egalitätsgesichtspunkten angereicherten Abwägung zwischen der korporativen Religionsfreiheit einerseits und den kollidierenden Rechten Dritter und anderen Gemeinwohlbelangen andererseits. Die korporative Religionsfreiheit als Freiheit auf Selbstordnung und -Verwaltung sichert eine weitgehende, dem religiösen Selbstverständnis entsprechende Entfaltung organisierter Religion, die sich sowohl auf die innerorganisatorische Ausgestaltung (etwa eine besondere religiöse Prägung des Arbeitsrechts in der Kirche) als auch auf das „Wirken in der Welt" erstreckt.

I I . Das Verbot der Staatskirche 1. Dimensionen des Staatskirchenverbots Religionsrecht ist apodiktisches Recht. Art. 137 I W R V besagt knapp: „Es besteht keine Staatskirche". Hinter dem dergestalt schlichten Wortlaut gilt es aber, einen mehrschichtigen dogmatischen Geltungsgehalt zu rekonstruieren. „Art. 137 I W R V ist zwar prägnant, aber nicht p r ä z i s . " 2 2 9 Art. 137 I W R V schreibt das Skript einer dreidimensionalen Emanzipationsgeschichte: der Befreiung der Individuen von einer ihre Glaubensfreiheit einschneidenden Staatskirche, die Entlassung der Religionsgemeinschaften aus staatlicher Bevormundung und die Freiheit des Staates von maßgeblichen politischen Vorgaben der vorherrschenden Religionsgesellschaft(en). 230 Vor dem geschichtlichen Hintergrund des schrittweisen Übergangs vom Staatskirchentum zur Staatskirchenhoheit i m Laufe des 19. Jahrhunderts (2. Kap. I.) mutet die Klausel des Art. 137 I WRV zunächst befremdlich an. Die konstitutionelle Monarchie des Deutschen Reiches von 1871 kannte gar keine Staatskirche, sondern nur eine von Land zu Land unterschiedlich ausgestaltete Kirchenhoheit bzw. eine kirchenrechtliche Sonderstellung des Landesherrn. 2 3 1 Dieser Befund deutet darauf hin, daß Art. 137 I WRV aus historischen, systematischen und teleologischen Gründen über den direkten Wortsinn der Untersagung einer Staatskirche hinaus zu verstehen i s t . 2 3 2 Entsprechend lassen sich eine institutionelle und eine ideelle Regelungsebene neben dem unmittelbaren Verbot einer Staatskirche erkennen. 229 s. Magen, in: D. C. Umbach/C. Clemens (Hrsg.), GG., Art. 140 Rdnr. 54. 230 M. Heckel, ZevKR 44 (1999), 341 (374 f.); gerade der Individualbezug des Art. 137 I WRV wird zumeist außer acht gelassen und seine Bedeutung auf die Bipolarität von Staat und Kirchen reduziert. 231 Ρ Radura, HdbStKirchR 2 I, S. 211 (232); B. Jeand'Heur, (447 ff.); M. Heinig, ZEE 43 (1999), 294 (297). 232 u.K. Preuß, AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 140 Rdnr. 41.

Der Staat 30 (1991), 442

II. Das Verbot der Staatskirche

177

In institutioneller Hinsicht zielt Art. 137 I WRV neben der präventiven Verhinderung einer zukünftigen Einrichtung einer Staatskirche durch den Gesetzgeber auf die Abschaffung des (spezifisch protestantischen) landesherrlichen Kirchenregiments und der bestehenden kirchenhoheitlichen Aufsichts- und Interventionsrechte. Jede Form spezifischer Religionsaufsicht durch den Staat sollte von Verfassungs wegen unterbunden werden. Art. 137 I W R V arbeitete jedoch nicht nur Teile des überlieferten religionsrechtlichen Bestandes ab, sondern entfaltet auch prospektive Wirkung. Unter Zugrundelegung der Zielsetzung beidseitiger Emanzipation statuiert Art. 137 I W R V das Gebot der grundsätzlichen institutionellen Trennung von Staat und Kirche, resp. Religionsgemeinschaften. 233 Die gebotene organisatorische Differenz sichert zugleich die zweite Bedeutungsdimension des Art. 137 I W R V ab: die inhaltlich-semantische Abschichtung von Staat und Religion. Historisch richtete sich Art. 137 I W R V nicht nur gegen die organisatorischen Verflechtungen von Staat und Kirche, sondern auch gegen die ideell-religiöse Fundierung von Staatlichkeit, wie sie etwa Art. 14 der preußischen Verfassungsurkunde von 1850 vorsah. 2 3 4 Nicht nur die Staatskirche, sondern auch „der christlich-religiöse Charakter der deutschen Staaten, der ,Christliche Staat'" war mit Art. 137 I WRV aufgehoben. „Art. 137 Abs. 1 muß deshalb noch heute gelesen werden: ,Es besteht keine Staatsreligion'". 2 3 5 I m Kern bedeutet dies ein Identifikationsverbot des Staates mit einer bestimmten, bestehenden Religion, zugleich aber auch das Verbot der Kreierung einer eigenen Staatsreligion. 2 3 6 Art. 137 I WRV ist in seiner emanzipativen Bedeutung Komplement zur Religionsfreiheit 2 3 7 und entfaltet auch eine egalisierende Ebene durch das Gebot der Äquidistanz des Staates von allen religiösen Erscheinungen. Sowohl als institutionelles Trennungsgebot als auch als Identifikationsverbot des Staates prägt Art. 137 I WRV die Rechtstellung von Religionsgemeinschaften nach dem Grundgesetz. Die Norm ist wesentlich grundrechtlich unterfüttert, indem sie die staatliche Sphäre in der Weise religionsfrei hält, als nicht der Staat selbst, sondern seine Bür-

233 Cf. A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 95; K. Hesse, JöR n.F. 10 (1961), 3 (24); A. Höllerbach, HStR VI, § 138 Rdnr. 112; S. Magen, in: D. C. Umbach/C. Clemens (Hrsg.), GG, Art. 140 Rdnr. 53. 234 „Die christliche Religion wird bei denjenigen Einrichtungen des Staates, welche mit der Religionsübung im Zusammenhange stehen, unbeschadet der im Art. 12 gewaehrleisteten Religionsfreiheit, zum Grunde gelegt." 235 K. Schiaich, Essener Gespräche 4 (1970), S. 40 m. w. N.; auch etwa ders., Neutralität, S. 172; A. Hollerbach, HStR VI, § 138 Rdnr. 46 und 113. 236 K. Schiaich, Neutralität, S. 236 ff.; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 18; D. Ehlers, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 137 WRV Rdnr. 2. 237 A. v. Campenhausen, HdbStKirchR 2 I, S. 47 (72); M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 15. Gerade das Verbot der Staatsaufsicht über religiöse Organisationen verdeutlicht das Ergänzungsverhältnis von Art. 137 I WRV und Art. 4 GG/137 III WRV. 12 Heinig

1 7 8 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen ger die Präsenz von Religion i m Bereich der Öffentlichkeit bestimmen können. Dies ist einerseits Bedingung für effektive Religionsfreiheit: der Staat verfolgt keine eigenen religiösen Interessen, sondern berücksichtigt freiheitlich nur die seiner Bürger. Andererseits sichert Art. 137 I W R V die Bedingung der religiösen Gleichheit der Bürger und seiner Organisationen: der Staat vermag durch seine eigene religiöse Farbenblindheit Rechte und Pflichten gleich und ohne Privilegierung einer bestimmten Religion einzuräumen. In verfassungstheoretischer Perspektive ist Art. 137 I WRV deshalb wesentlicher Bestandteil des Programms normativer Anerkennung sozialer Selbstzweckhaftigkeit von Religion (1. Kap. IV.). Die Norm soll aber umgekehrt auch die Spezifik staatlichen Handelns schützen. Politische und religiöse Semantiken sollen in ihrer Differenz bewahrt werden, weshalb auch eine institutionelle Entflechtung geboten ist: weder sollen religiöse Aufgaben durch staatliche Organisationen noch staatliche Aufgaben durch religiöse Organisationen wahrgenommen werden. 2 3 8 Der ideelle und institutionelle Trennungsgehalt von Art. 137 I WRV zusammengenommen deckt sich i m wesentlichen mit dem Gebot der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates, welches die religiöse Indifferenz des Staates i m Sinne eines Bevorzugungs- und Benachteiligungsverbotes, das Identifikationsverbot, die Säkularität des Staates i m Sinne einer fehlenden normativen religiösen Prägung des Staates und seines Rechts sowie ein institutionelles Trennungsgebot umfaßt. 2 3 9

2. Art. 137 I WRV zwischen Laizitäts- und Kooperationsverbot Art. 137 I W R V unterbindet jedoch nicht jedwede Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften. Das Verbot der institutionellen Berührung kennt verfassungsrechtliche Ausnahmen:240 durch die vorgeschriebene Einbindung der Religionsgesellschaften i m Bereich des staatlichen Religionsunterrichts (Art. 7 I I I GG), durch die Übertragung von Handlungsformen des Staates an Religionsgesellschaften mittels des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 137 V, V I WRV), durch die Öffnung staatlicher Einrichtungen zum Zwecke der Seelsorge (Art. 141 WRV), durch die verfassungsrechtlich gestatteten theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten (Art. 4 I, I I G G / 1 3 7 I I I WRV, 5 I I I GG, 7 I I I G G ) . 2 4 1 Stets berühren sich inhaltliche und institutionelle Verantwortungsbereiche

238 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 16. 239 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 140 Rdnr. 35. 240 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 21; G. Czermak, KJ 2000, 229 (234 ff.). 241 Str. - für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit M. Heckel, Die theologischen Fakultäten im weltlichen Verfassungsstaat, 1986; H. Mussinghoff, Theologische Fakultäten im Spannungsfeld von Staat und Kirche, 1979; J. Kriewitz, Die Errichtung theologischer Hochschuleinrichtungen durch den Staat, 1992; A. Hollerbach, HdbStKirchR 2 II, S. 549 ff.; E.-L.

II. Das Verbot der Staatskirche

179

des Staates mit denen von Religionsgesellschaften. Mißverständlich und durch die Tradition geprägt spricht man dabei von gemeinsamen Angelegenheiten - s. ο. I. Auch andere Rechtsgüter von Verfassungsrang können eine die institutionelle Verflechtung bewirkende Kooperation von Staat und Religionsgesellschaften rechtfertigen, etwa i m Falle der auf Repräsentanz gesellschaftlicher Großakteure angelegten Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Art. 5 I GG oder i m Falle der Indizierungsstellen nach dem GjS durch Art. 5 I I I GG i.V.m. weiteren Verfassungsrechten (s. u.). Ferner sind punktuelle Kooperationen, etwa i m Rahmen jeweiliger gesellschaftspolitischer Bemühungen in Form sog. Aktionsbündnisse, die keine organisatorische Verwebung bewirken, von Art. 137 I W R V nicht berührt. Die Norm stellt die Religionsfreundlichkeit und -Offenheit des Grundgesetzes somit nicht in Frage Dagegen läßt sich dem Grundgesetz kein allgemeiner Kooperationsgrundsatz i m Sinne einer Überlagerung des Verflechtungs- und Identifikationsverbotes des Art. 137 I W R V entnehmen. Über die benannten Ausnahmen hinaus sind Durchbrechungen von Art. 137 I W R V nur begrenzt zulässig. Rechtstechnisch müssen die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion vorliegen, die da wären: die Kooperation muß allen Religionsgesellschaften offen stehen (Paritätsaspekt); Staat und Religionsgesellschaften dürfen sich nicht unbotmäßig gegenseitig inhaltlich beeinflussen; die aufgezeigten Zwecke des Art. 137 I W R V dürfen durch die institutionelle und inhaltliche Verzahnung an einzelnen Punkten nicht insgesamt in Frage gestellt werden. Zugleich bezeugen die skizzierten verfassungsrechtlichen Ausnahmen von Art. 137 I WRV ein Konzept offener Neutralität des Grundgesetzes, der Permeabilität des staatlichen Raumes für den Faktor Religion. In diesem Sinne statuiert das Verbot der Staatskirche keinen Laizismus. 242 Vielmehr gilt i m Gegenteil, daß die Laizität jedenfalls in ihrer prononcierten Ausprägung als Staatsweltanschaung durch Art. 137 I WRV selbst untersagt ist. Insoweit sind auch Charakterisierungen des deutschen Religionsverfassungsrechts als „hinkende", „abgemilderte", „positive" oder „Trennung eigener A r t " 2 4 3 irreführend, indizieren sie doch, daß nur eine Trennung i m laizistischen Verständnis vollständig wäre. Das grundgesetzliche System freier, offener, differenzwahrender und pluralistischer Zugewandtheit stellt i m Gegenteil unter dem Gesichtspunkt „praktischer Konkordanz" wohl die kohäSollte, Theologie an der Universität, 1971; H. Weber, Theologische Fakultäten und Professuren im weltanschaulich-neutralen Staat. Staatskirchenrechtliche und rechtspolitische Aspekte, in: H.-R. Reuter (HrsgJ Theologie in der Universität, Heidelberg 1999, S. 123 ff. = NVwZ 2000, 848 ff.; a.A. U. K. Preuß, AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 140 Rdnr. 43 hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung; ferner M. Sachs, HStR V, § 126 Rdnr. 133; ders., ZBR 1994, 133 (136). 242 BVerfGE 41, 29 (46 ff.); 52, 223 (238 ff.); M. Brenner, VVDStRL 59 (2000), S. 264 (270 ff.); A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 140 Rdnr. 20 ff.; D. Ehlers, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 140 Rdnr. 7; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 20. 243 M. Heckel, VVDStRL 26 (1968), S. 5 (27 m.N.). 12*

1 8 0 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen renteste Form der Trennung von Staat und Religionsgesellschaften dar. Die vollständige Verbannung von Religion aus dem staatlichen und öffentlichen Leben liefe dagegen auf eine Bevorzugung einer areligiösen oder religionsindifferenten Weltanschauung hinaus und widerspräche dem unter dem Eindruck von Art. 137 I WRV durch das Bundesverfassungsgericht formulierten Postulat des Staates als „Heimstatt aller Bürger" (cf. supra 1. Kap. IV. I . ) . 2 4 4 Exemplarisch für die durch Art. 137 I WRV gesicherte Pluralität religiöser Offenheit des Staates läßt sich etwa die Frage des Kruzifixes in Klassenräumen heranziehen. Ein unkonditionierter staatlicher Befehl zur Anbringung eines einzelnen religiösen Symbols in staatlichen Schulen ist schwerlich mit dem Identifikationsverbot aus Art. 137 I W R V zu vereinbaren. 2 4 5 Dagegen kann der Staat einem Begehren von Eltern und Schülern zur Anbringung eines Schulkreuzes nicht Art. 137 I W R V und die davon ausgehende Neutralitätsverpflichtung des Staates entgegenhalten. Der Staat darf sogar das religiöse Interesse am Kreuz i m Klassenzimmer antizipieren. Das Verbot der Staatskirche schließt das Verbot einer Identifikation des Staates mit einer antireligiösen Weltanschauung ein. Die Trennung von Staat und Religionsgesellschaften soll die Entfaltungsmöglichkeiten von Religion - auch in den staatlichen Bereich hinein - erweitern, nicht restriktivieren. Art. 137 I W R V bildet deshalb keine maßgebliche Grenze für das bürgerschaftliche Hineintragen von Religion in die Sphäre des Staates. Insoweit sind allenfalls fiskalische Interessen, vor allem aber die Grundrechtspositionen anderer Bürger zu beachten.

I I I . Der Grundsatz der Parität 1. Grundlagen und Zwecke der Parität Religionsrecht ist gleichheitsbegründendes und gleichheitssicherndes Recht. Verfassungstheoretisch garantiert die gleiche staatliche Berechtigung aller Religionen die Inklusionseffekte der Verfassung (s. o. 1. Kap.). Religionsrechtliche Gleichheit (Parität), Religionsfreiheit und staatliche Neutralität speisen sich wechselseitig; ihre Interdependenzen ließen sich in Form eines gleichschenkligen Dreiecks abbild e n . 2 4 6 Damit hat sich der Grundsatz der Parität von seinen historischen Ursprüngen der andere Religionen ausschließenden Gleichstellung von katholischer und lutherischer Konfession durch den Augsburger Religionsfrieden (s. o. 2. Kap. I.) abgelöst. Die Garantie der Parität begründet keine Privilegierung einiger Religionen gegenüber anderen, nur geduldeten mehr. Sie ist auch „nicht mehr Ausdruck für 244 BVerfGE 19, 206 (216). 245 Cf. zu dem Gesamtkomplex statt aller m. w. N. S. Huster, Neutralität, S. 127 ff. 246 M. Heckel, Gleichheit oder Privilegien?, 1993, S. 41 betont den Bezug der Parität zu den Grundsätzen „der weltanschaulich-religiösen Neutralität, der Nichtidentifikation, der Toleranz, des Pluralismus" unter Verweis auf BVerfGE 19, 1 (8); 30, 415 (422); 41, 29 (50 ff.); 46, 73 (92).

III. Der Grundsatz der Parität

181

die konfessionelle Aufspaltung des weltlichen Rechts", 2 4 7 also einer Rechtspluralität in Abhängigkeit von religiöser Pluralität (s. hierzu ο. I. 2. b) cc.). Nunmehr ist das Prinzip der Parität wesentlich freiheitsrechtlich unterfüttert. Indem Parität gleiche Freiheit gewährleistet, steht sie in engem Bezug zu Art. 41, I I GG. Ohne grundlegenden Unterschied in der verfassungsrechtlichen Relevanz und dogmatischen Struktur läßt sich zwischen einem individualbezogenen („staatsbürgerlichen") und einem organisationsbezogenen („staatskirchenrechtlichen") religiösen Gleichheitsgebot differenzieren. 2 4 8 Jeweils garantiert die Parität die von Staats wegen gleiche Berechtigung unterschiedlicher Religionen. Rechte und Pflichten werden ohne Anschauung der Religion, d. h. ohne inhaltliche Bewertung von Religion gewährt. Für die Individualebene sind als einschlägige konkrete Normierungen insbesondere Art. 3 I und III, 33 I I und I I I GG und Art. 136 W R V zu nennen, für die korporative Ebene daneben Art. 137 V 2 (gleicher Zugang zum Körperschaftsstatus) und V I I W R V (generelle Gleichstellung von Weltanschauungs- mit Religionsgesellschaften). Ausdruck von Parität ist aber auch, daß das Grundgesetz i m Textbestand nicht zwischen den überkommenen, historisch besonders wirkmächtigen Kirchen und anderen, minoritären religiösen Organisationen unterscheidet. Art. 137, 138 und 141 W R V sprechen generell von Religionsgesellschaften, Art. 7 I I I GG von Religionsgemeinschaften. Hier indiziert der inkludierende Wortlaut die Gleichstellungskomponente; der Kirchenbegriff wird dagegen nur zwei mal und dort ex negativo benutzt: Art. 137 I WRV verbietet eine Staatskirche und Art. 136 I V W R V untersagt den Zwang zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit (cf. a. Einleitung). 2 4 9 Die Intention des Abbaus von Privilegien der Kirchen und die Gleichberechtigung aller Religionsgesellschaften bildete bei der Formulierung der entsprechenden Artikel in der Weimarer Nationalversammlung ein starkes historisches Motiv (s. o. 2. Kap. I I I . ) . 2 5 0 Das Ergebnis dieser „Entprivilegierung" der Kirchen durch „Hochzonung" der anderen religiösen Gruppierungen wurde durch den Parlamentarischen Rat übernommen. Das Recht auf religiös-weltanschauliche Nichtdiskriminierung ist in mancherlei Hinsicht ein schwieriges Recht. Z u m einen gestaltet sich seine dogmatische Verarbeitung überaus diffizil; zum anderen wird dieses Recht gerne i m religionspolitischen „ K a m p f 4 in Anspruch genommen. Hierbei gewinnt das politische Anliegen häufig gegenüber einer juristisch haltbaren Argumentation einen - aus rechtswissenschaftlicher Sicht - unangemessenen Überhang. Deshalb seien eingangs einige grundsätzliche Anmerkungen zum Leistungsspektrum der Parität gemacht. 2 5 1 247 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 140 Rdnr. 28. 248 M. Heckel, Gleichheit, S. 6; A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 140 Rdnr. 26. 249 in beiden Fällen sind freilich auch nicht-kirchliche Religionen einbezogen, so daß den beiden Normen auch kein kircheninkriminierender Charakter entnommen werden kann; cf. C. Görisch, NVwZ 2001, 885 (886). 250 Cf. auch M. Heckel, Gleichheit, S. 39.

1 8 2 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen Die Parität des Religionsverfassungsrechts bedeutet in korporativer Hinsicht gleichen Zugang zu den vom Staat bereitgestellten rechtlichen Organisations- und Betätigungsformen, wie dem Körperschaftsstatus und den damit verbundenen Einzelrechten (cf. infra 4. Kap.), der Anstaltsseelsorge (Art. 141 WRV) oder dem Religionsunterricht (Art. 7 I I I GG). Inwieweit die einzelnen Religionsgesellschaften auf dieses Angebot eingehen wollen, ist ihnen gemäß ihrem Selbstverständnis in ihr Belieben gestellt. Parität als gleich offenes, vielgefächertes Angebot des Staates ermöglicht so gerade faktische Differenz. Ob z. B. eine privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Organisationsform angestrebt werden soll, ist Sache der Religionsgesellschaft. A u f die eine Glaubenslehre (etwa mit stark hierarchischen Elementen in der Leitungsstruktur) paßt der öffentlich-rechtliche Körperschaftsstatus besser, auf die andere (etwa als Symbolisierung ihrer Weitabgewandtheit) die schwache Organisation des nichtrechtsfähigen Vereins (Art. 137 I V W R V i.V.m. § 54 BGB). Parität bedeutet jedoch nicht eine Verpflichtung des Staates, gänzlich neue, für eine einzelne Religionsgemeinschaft selbstverständnisadäquate Organisations- und Bestätigungsformen zu kreieren, nur weil andere Religionsgesellschaften sich mit dem religionsrechtlichen Status quo gut arrangieren können. Insoweit greift lediglich das religionsfreiheitliche Recht auf Verwaltung der eigenen Angelegenheiten (Art. 4 I, I I G G / A r t . 137 I I I WRV), das fordert und ermöglicht, ggf. interpretative, freiheitsrechtlich motivierte Modifikationen am staatlichen Vereinsrecht gemäß dem jeweiligen religiösen Selbstverständnis vorzunehmen. 2 5 2 Parität zielt nicht auf frgebmsgleichheit, sondern auf Gleichheit in den Chancen der Verwirklichung religiöser Interessen. Ergebnisgleichheit i m Religionsrecht anzustreben, bedeutete Religionsfreiheit zu negieren. Gleichbehandlungsgebote müssen zwangsläufig ungleiche Resultate bewirken können, wenn gleiche Freiheitsnormen ausgehend von ungleichen Voraussetzungen genutzt werden. 2 5 3 Angesichts der Diversifizität organisierter Religion wird jedes Religionsrecht ungleiche Effekte für unterschiedliche Religionsgemeinschaften zeitigen. Die staatlich vorgehaltenen Rechtsformen und Handlungsmöglichkeiten können per se nicht allen religiösen Erscheinungen in gleichem Maße entgegenkommen. Weiterhin ist aus gleichheitsrechtlicher Sicht das Faktum einer religionsrechtlichen Durchformung und Ausgestaltung religiöser Lebenswelten seitens des Staates als solches nicht in Frage zu stellen. Daß überhaupt ein staatliches Religionsrecht besteht und damit Aussagen über organisatorische und individuelle religiöse Entfaltungsmöglichkeiten getroffen werden, ist notwenige Folge der staatlichen Aufgabe zur Stiftung und Mittlung des religiösen Friedens der Bürger. Paritätsrechtlich kann es also allenfalls um die Frage der Modalitäten des Religionsrechts gehen.

251 Cf. a. M. Heckel, FS BVerfG, Bd. II, 2001, S. 379 (415 ff.); A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Rdnr. 26 ff.; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 140 Rdnr. 37 ff. 252 BVerfGE 83, 341 ff. 253 M. Heckel, Gleichheit, S. 23 ff.

III. Der Grundsatz der Parität

183

Dabei ist zu beachten, daß Parität und Freiheit in einem Wechselverhältnis stehen, welches es in praktischer Konkordanz zu meliorisieren gilt. Hierbei kommt der religiösen Freiheit ein relativer Vorrang zu, der sich insbesondere in Abwägungsentscheidungen auswirkt (s.a. supra I. 2.b. ff.). Ferner gebietet Parität nicht, die allen Gruppierungen offenstehende Mannigfaltigkeit staatlicher Organisationsformen und Handlungsmöglichkeiten einzuebnen, weil das durch das jeweilige religiöse Selbstverständnis geprägte Nutzungsinteresse differiert. Wenn einige Religionsgemeinschaften keinen Körperschaftsstatus anstreben, keinen Religionsunterricht anbieten wollen und keine Anstaltsseelsorge zu betreiben gedenken oder - eine Rechtsebene tiefer - Kirchensteuer nicht durch staatliche Finanzbehörden einziehen lassen wollen, keine Präsenz i m Rundfunk anstreben oder keine staatlich geförderte soziale Wohlfahrt betreiben, kann dies gleichheitsrechtlich nicht dazu nötigen, derartige Angebote aus dem religionsrechtlichen Tableau streichen zu müssen. Denn das grundgesetzliche Konzept gleicher Berechtigung aller Religionen in offener Vielfalt staatlich vorgegebener Organisationsformen und Handlungsräume stellt die religionsfreiheitsschonendere Variante i m Vergleich zu einem „hermetisch-unitarischen" Religionsrecht d a r . 2 5 4 Wenn etwa für alle Religionsgesellschaften die Vorschriften des Vereinsgesetzes strikt und ohne Modifikation nach dem religiösen Selbstverständnis einzuhalten und Art. 7 I I I GG, Art. 137 und Art. 141 W R V fernerhin gestrichen wären, würde die Gleichbehandlung nur in einem unvollkommen verstandenen Sinne stärker verwirklicht als in einem Modell offener Vielfalt: als gleiche Unfreiheit für die Mehrzahl der Religionsgesellschaften, die nach ihrem religiösen Selbstverständnis über diesen Rahmen hinaus wirken wollen. Dies ist nicht die Gleichheitskonzeption des Grundgesetzes. Paritätsverpflichtet ist schließlich der Staat, nicht der Bürger. Eine Bindungswirkung der gesellschaftlichen Kräfte und damit auch der Religionsgesellschaften an den allgemeinen Gleichheitssatz und seine besonderen Ausgestaltungen erfolgt nur i m Rahmen der mittelbaren Grundrechts Wirkung.

2. Die dogmatische Aufbereitung der Parität a) Vorüberlegung: Einheitsmodell

oder dogmatische Vielfalt?

Die dogmatische Strukturierung des grundgesetzlichen Verbots von Diskriminierungen aus Gründen der Religion fordert zunächst, das Verhältnis des allgemeinen Gleichheitssatzes zu seinen besonderen Ausprägungen zu klären. Dieses läßt sich 254 Womit nicht in Abrede gestellt werden soll, daß für bestimmte Gruppierungen im Ergebnis die Bedingungen weniger kommod sind als für andere. Dies läßt sich im einzelnen schwerlich vermeiden. Entscheidend ist deshalb die Optimierung von Freiheitsräumen in der Gesamtschau.

1 8 4 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen entweder als eines der Spezialität oder der Komplementarität bestimmen. Letzteres bedeutete Art. 3 I I I GG und die anderen konkreten Ausgestaltungen des Paritätsgebotes als Ergänzungen ex negativo zum allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) zu verstehen. 255 Dies birgt den Vorteil in sich, die bestehende verfassungsdogmatische Durchdringung des Art. 3 I GG für die Parität fruchtbar machen zu können und erweist sich damit als vorzugswürdig. 2 5 6 M i t diesem Verständnis von Normen wie Art. 3 I I I GG, Art. 33 I I I GG und Art. 136 I WRV scheint es möglich, eine einheitliche dogmatische Grundstruktur aller Diskriminierungstatbestände zu etablieren, zugleich jedoch bereichsspezifische - für die Parität etwa religions verfassungsrechtliche - Besonderheiten und Ausnahmen zu berücksichtigen. Eine solche für alle grundrechtlichen Gleichheitsrechte einheitliche dogmatische Struktur verspricht gegenüber Sonderdogmatiken für einzelne Diskriminierungsverbote einen erheblichen Gewinn an Rationalität und Vorhersehbarkeit sowie einen Verlust an ideologischem Überschuß bei der rechtswissenschaftlichen Aufarbeitung des Normmaterials. Die Einbindung der Parität in eine generelle grundrechtliche Gleichheitsdogmatik erweist sich freilich wegen mancher Besonderheiten der staatskirchenrechtlichen Materie als tückische Angelegenheit. Schließlich muß das dogmatische Modell in allen Konstellationen zu sinnvollen und das heißt: mit der Gesamtverfassung nicht kollidierenden Ergebnissen kommen. Etwa sind in der Verfassung ausdrücklich vorgesehene konfessionelle Staatsämter in Hinblick auf das Verbot religiöser Diskriminierung gleichheitsdogmatisch adäquat zu verarbeiten. Zuweilen wird dagegen betont, daß das Staatskirchenrecht „das Verständnis des Art. 3 I I I GG . . . weder beherrschen noch maßgeblich bestimmen" d a r f , 2 5 7 soll heißen: auf die religionsverfassungsrechtlichen Spezifika bei der dogmatischen Aufbereitung der Diskriminierungsverbote keine besondere Rücksicht zu nehmen sei. Dann aber begäbe man sich einerseits der Vorteile eines dogmatischen Einheitsmodells der egalitären Grundrechte, andererseits stünde man letztlich doch vor der Herausforderung einer Zuordnung von religionsspezifischen und sonstigen Gleichheitssätzen. Deshalb erscheint es Vorzugs würdig, ein auch das Religionsverfassungsrecht umfassendes dogmatisches Modell des Gleichheitssatzes zu entwickeln. Dieses bedingt eine dogmatische Aufbereitung der Gleichheitsnormen aus dem Gesamtzusammenhang der Verfassung. 258 Zum interpretationsleitenden Rahmen gehört dann auch das Religionsverfassungsrecht mit seinen freiheitsrechtlichen und - wie zu zeigen sein wird - auch differenzierungsoffenen Rechtskategorien. 255 s. Huster, Rechte und Ziele, 1993, S. 313 ff. 256 Die Vorteile einer Einpassung in die gängige Gleichheitsdogmatik betont auch W. Heun, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 3 Rdnr. 110. In der Sache bestehen freilich keine wesentlichen Differenzen zu einer - richtig verstandenen - Lesart der einzelnen Paritätsnormen als Spezialbestimmungen zu Art. 3 I GG. 257 w. Heun, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 3 Rdnr. 104. 258 M. Heckel, Gleichheit, S. 71 f.; C. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 2000, Art. 3 passim, insb. Rdnr. 16.

III. Der Grundsatz der Parität

185

Ob ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vorliegt, wird üblicherweise in differenzierten Schritten untersucht: Man fragt sich zumeist zunächst, ob eine für die Frage der Gleichbehandlung maßgebliche Vergleichbarkeit zweier Sachverhalte vorliegt, sodann, ob zwischen diesen eine Ungleichbehandlung besteht und schließlich, ob diese möglicherweise verfassungsrechtlich zu rechtfertigen i s t . 2 5 9 I m Sinne eines Ergänzungsverhältnisses kann man Art. 3 I I I GG und die anderen Diskriminierungsverbote so verstehen, daß sie auf den skizzierten Ebenen in die Prüfung eines Verstoßes gegen das allgemeine Verbot der Ungleichbehandlung einwirken und besondere Prüfungsaspekte aufwerfen.

b) Wesentlich Gleiches aa) Vergleichbarkeit Art. 3 I GG statuiert die Gleichheit aller Menschen „vor dem Gesetz". Dem entnimmt man gängigerweise das Gebot, Gleiches gleich zu behandeln. Freilich stellt sich dann sofort die Frage, was denn angesichts ubiquitär zu beobachtender Differenz als „gleich" zu gelten h a t . 2 6 0 Die Antwort des Rechts darauf lautet: was sich als vergleichbar darstellt. Die Anwendbarkeit des Art. 3 I GG ist also abhängig von der Vergleichbarkeit von Fallgruppen. Von Verfassungs wegen ist wesentlich Gleiches gleich zu behandeln. 2 6 1 Das Gebot der Gleichbehandlung bedeutet deshalb zunächst eine Konstruktion relativer Gleichartigkeit (wesentlich gleich) bei normativer Ignorierung der bestehenden Ungleichheiten. Oder in den Worten v. Hayeks: „Es ist das wesentliche an der Forderung nach Gleichheit vor dem Gesetz, daß die Menschen gleich behandelt werden sollen, obwohl sie ungleich s i n d . " 2 6 2

bb) Normativer Gleichheitsbegriff Deshalb gilt es, auf einen normativen Begriff der Gleichheit abzustellen. 2 6 3 Dieser fordert in verfassungstheoretischer Anknüpfung an Ronald Dworkin, daß alle 25

9 Die Kategorie der Vergleichbarkeit mag man dabei für entbehrlich halten, weil sie in der Sache nichts austrägt. Jeder Sachverhalt ist irgendwie mit einem anderen vergleichbar, die Gründe für eine postulierte Unvergleichbarkeit sind eigentlich verschleierte Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung - für diese Kritik danke ich Prof. Dr. Stefan Huster; reserviert auch W. Heun, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 3 Rdnr. 22. Der Prüfungspunkt der Vergleichbarkeit im Kontext von gleichheitsrechtlichen Problemen ist jedoch so im alltäglichen juristischen Sprachgebrauch etabliert, daß er hier „prophylaktisch" zugrundegelegt werden soll. 260 κ. Hesse, FS P. Lerche, 1993, S. 121. 261 BVerfGE 1, 14 (52), st. Rspr. 262 F. A. v. Hayek, Verfassung der Freiheit, 3. Aufl. 1991, S. 106. 263 s. Huster, Rechte, S. 41 ff.

1 8 6 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen Personen „ ,als Gleiche 4 (,as equals') behandelt werden, d. h. daß jeder auf dieselbe Weise mit Achtung und Rücksicht (,with equal concern and respect') zu behandeln i s t " 2 6 4 Diese Forderung einer Behandlung als Gleiche als Grundlage für einen normativen Gleichheitsbegriff zeitigt einerseits für die Bestimmung von Fallgruppen, die sich vergleichen lassen, Konsequenzen, bietet aber auch Argumentationsmaterial für eine mögliche verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung. Im Ergebnis kann die Forderung einer Behandlung als Gleiche, d. h. in gleicher Achtung und Rücksicht in manchen Konstellationen eine streng formale Gleichbehandlung verlangen, in anderen dagegen gerade eine Differenzierung gebieten. Das Gleichbehandlungsgebot schließt faktische Ungleichbehandlung - wie noch an Beispielen zu zeigen sein wird nicht per se aus, sondern kann diese gerade fordern. Entscheidend für die jeweilig maßgebliche Gleichheitsdichte ist dabei die Gesamtverfassung, in die der inhaltlich relativ unbestimmte Art. 3 GG eingebettet ist und aus der er maßgebliche Anreicherungen seiner normativen Direktiven erfährt, insb. hinsichtlich zu berücksichtigender Differenzierungsverbote, Differenzierungsgebote und Differenzierungserlaubnisse. 265 Die Annahme eines normativen Gleichheitsverständnisses auf der Grundlage einer Forderung nach Behandlung als Gleiche führt zu dem Folgeproblem, bestimmen zu müssen, unter welchen Umständen nun wesentliche Gleichheit i m Sinne eines normativen Begriffs der Gleichheit vorliegt. Soweit normative Gleichheit verfassungsrechtliche Gleichheit meint, verlangen die Kriterien für die Festlegung von Vergleichsgruppen eine verfassungsrechtliche Fundierung. Hierbei erfüllen die besonderen Gleichheitsrechte eine besondere Funktion (siehe sogleich cc.). Sozialphilosophische wie theologische Impulse dieses Diskurses dagegen bedürfen einer verfassungstheoretischen Konvertierung, um in der Frage, wann eine wesentliche Gleichheit vorliegt, als zulässige Argumente Berücksichtigung erfahren zu können.

cc) Diskriminierungsverbote und die Bildung von Vergleichsgruppen Art. 3 I I I GG und die anderen Diskriminierungsverbote bezeugen in spezifischer Form den Gedanken des Rechts auf Behandlung als Gleiche, zielen die Fälle der durch Art. 3 I I I GG erfaßten typischen Diskriminierungen doch gerade darauf, die gleiche Achtung und Würde von Menschen in Frage zu stellen. Diskriminierungsverbote sättigen die normative Gleichheit in besonders ungleichbe264

5. Huster, Rechte, S. 42 mit Verweis auf R. Dworkin, Bürgerrechte ernstgenommen, 1984, S. 298 ff., 370, 439 ff. 265 c. Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/ Starck, GG, 4. Aufl. 1999, Art. 3 Rdnr. 13 ff.; L. Osterloh, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 3 Rdnr. 38 ff.; W. Heun, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 3 Rdnr. 24 ff.; R Kirchhof HStR V, § 124 Rdnr. 93 ff.; Κ Hesse, AöR 77 (1951/52), 167 (219).

187

III. Der Grundsatz der Parität

handlungsaffinen Fällen positivrechtlich an. Art. 3 I I I GG, 33 I I I GG, Art. 136 W R V fingieren damit explizit wesentliche Gleichheit i m normativen Sinne trotz faktischer Differenz. Bezogen auf die Parität bedeutet dies für die Frage nach Vergleichbarkeit religionsgeprägter Sachverhalte: Die tatsächlichen Unterschiede hinsichtlich religiös und weltanschaulich geprägter Überzeugungen, Handlungsformen und Organisationsstrukturen hindern nicht die Vergleichbarkeit unterschiedlicher religiös-weltanschaulicher Bezugsgruppen. Unterschiedlichkeiten in religiös-weltanschaulichen Belangen (etwa der Glaubenslehren einer evangelischen Landeskirche und des Landesverbandes der Bahai'-Religion) hindern nicht daran, von wesentlich gleichen Sachverhalten hinsichtlich ihrer religiösen Entität zu sprechen. Intuitiv könnte man es für banal halten, daß verschiedene Religionen wesentlich Gleiches darstellen. „Evidente" Vergleichbarkeiten in der juristischen Lebens weit - etwa zwischen den Religionen - sind jedoch Produkt der Wirkungsgeschichte von Diskriminierungsverboten wie Art. 3 I I I GG, nicht diesen vorgelagert. Diskriminierungen sind wesentlich ein Produkt kultureller Konstruktionen, vielfältiger und voraussetzungsdivergenter symbolischer Zuschreibungen. 2 6 6 Das Verbot der Ungleichbehandlung aus religiös-weltanschaulichen Gründen ist wesentlicher Motor der verfassungsrechtlichen Gegensteuerung und Vorprägung solcher Zuschreibungspraktiken.

c) Verfassungsrechtliche

Rechtfertigung

einer

Ungleichbehandlung

aa) Maßstäbe einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung: Begründungsgebot oder Übermaßverbot? Soweit eine Ungleichbehandlung zu diagnostizieren ist, folgt auf einer zweiten dogmatischen Stufe die Prüfung einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Während die Rechtsprechung früher Art. 3 I GG als Willkürverbot verstand - die Norm demnach ein bloßes Begründungsgebot für Ungleichbehandlungen statuierte - , prägte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in Reaktion auf anhaltende Kritik i m Schrifttum die sog. „neue Formel", die eine Art modifizierte Verhältnismäßigkeitsprüfung in die Gleichheitsdogmatik implementierte. Art. 3 I GG sei dann verletzt, wenn „eine Gruppe von Normadressaten i m Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen k ö n n t e n . " 2 6 7 Gleichheitsdogmatisch stellt sich dabei die Frage, in welchem Verhältnis „alte" und „neue 266

(286).

H. M. Heinig, Art. Diskriminierung, in: Ev. Soziallexikon, Neuausgabe 2001, Sp. 283 BVerfGE 55, 72 (88); st. Rspr.

188

3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

Former' stehen und wann welcher Prüfungsmaßstab anzuwenden i s t . 2 6 8 Hier sind Typisierungen und die Bildung von Fallgruppen unabdingbar. 2 6 9

bb) Typisierende Bestimmung der für eine Rechtfertigung geforderten Maßstäbe: Interne und externe Zwecke I m Rahmen einer solchen Kasuistik kann zunächst differenziert werden zwischen sog. internen und externen Zwecken, die mit der Ungleichbehandlung verfolgt werden. Wenn mit einer unterschiedlichen Behandlung externe Zwecke verfolgt werden, 2 7 0 d. h., wenn die Gründe für die Ungleichbehandlung nicht i m angewandten Maßstab selbst liegen, sondern außerhalb, kann die Annahme eines W i l l kürverbotes als reines Begründungsgebot per se nicht hinreichen. Die Verwirklichung solcher Zwecke ist „nicht eine Eigenschaft der Ungleichbehandlung, sondern deren Folge oder W i r k u n g " . 2 7 1 Gesamtgesellschaftliche Nutzen- und Zwekkerwägungen motivieren diese Fälle von Unterscheidungen, weshalb stets ein Grund für diese anzuführen ist. Die Willkürformel muß hier scheitern. Anders dagegen sind Differenzierungen zu beurteilen, die relevanten Eigenschaften der Vergleichsgruppen selbst entspringen und deshalb Gerechtigkeit zu verwirklichen beanspruchen. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Besteuerung nach Leistungsfäh i g k e i t . 2 7 2 Dabei gestalten sich die Übergänge zwischen beiden Konstellationen freilich fließend. 2 7 3 cc) Typisierende Bestimmung der für eine Rechtfertigung geforderten Maßstäbe: Gleichheit i m Kontext der Freiheit Neben der Typisierung durch interne und externe Zwecke ist für die Frage der Maßstäbe bei einer verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen die grundgesetzliche Verzahnung von Freiheits- und Gleichheitsrechten zu beachten. 2 7 4 Differenzierungen sind um so engere Grenzen gesetzt, je stärker sich 268 K. Hesse, FS. Ρ Lerche, 1993, S. 121 ff.; M. Sachs, JuS 1997, 124 ff.; S. Huster, JZ 1994, 541 ff.; L. Osterloh, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 3 Rdnr. 8 ff.; dies., EuGRZ 2002, 309 (310 ff.); C. Starck, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, 4. Aufl. 1999, Art. 3 Rdnr. 10 ff.; W. Heun, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 3 Rdnr. 17 ff. 269 H. D. Jarass, NJW 1997, 2545 ff. 270 s. Huster, Rechte, S. 165 ff.; ders., JZ 1994, 541 (544). 271 S. Huster, Rechte, S. 174. 272 BVerfGE 8, 51 (68 f.); s. S. Huster, JZ 1994, 541 (544). 273 w. Heun, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 3 Rdnr. 27 ff., der deshalb den Ansatz gestufter Prüfung in Gänze ablehnt, sich so aber des Vorteils einer gewissen Strukturierung begibt. 274 L. Osterloh, in. M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 3 Rdnr. 15, 18, 32; W. Rohlojf, Zusammenwirken, S. 28 ff.

III. Der Grundsatz der Parität

189

die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Die freiheitlichen Grundrechtsgewährleistungen fließen somit in die Bestimmung des Prüfungsmaßstabes ein. Die Beachtlichkeit der Freiheitsrechte i m Rahmen des Art. 3 GG negiert jedoch nicht, daß das grundrechtliche Gleichbehandlungsgebot einen eigenen egalitären Abwägungsgehalt transportiert. Deshalb ist es mißverständlich, wenn Christian Starck schreibt, daß aus „der Verhältnismäßigkeit einer Regelung unter dem Gesichtspunkt eines Freiheitsrechts . . . die Legitimität der entsprechenden Gattungsbildung unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes" f o l g t . 2 7 5 Dies gilt jedenfalls nicht a limine, sondern i m Rahmen des Art. 3 GG nur als Ergebnis eines Abwägungsprozesses, der den egalitären Eigenwert der Norm berücksichtigt. Dieser Eigenwert ist zwar wiederum durch die freiheitsrechtliche Ausgangslage mit strukturiert, doch sollte i m Falle des Zusammenspiels von Freiheits- und Gleichheitsrechten nicht vorschnell und per se auf eine abwägungsrelevante Egalitätskomponente verzichtet werden. 2 7 6 Ebenso ist zu bedenken, daß das Zusammenspiel von Freiheits- und Gleichheitsrechten für die Bestimmung des gleichheitsrechtlichen Prüfungsmaßstabs von besonderer Bedeutung ist, wenn freiheitsrechtlich begründete Differenzierungserlaubnisse in Ansatz gebracht werden (hierzu sogleich). Auch hier liegt - wie bei der Verfolgung externer Zwecke - i m Freiheitsrecht stets ein Grund für die Differenzierung vor, weshalb eine Prüfungsbeschränkung auf ein Willkürverbot gleichheitsrechtlich zu kurz greifen muß.

dd) Diskriminierungsverbote als Begründungs verböte Das oben entwickelte Verständnis der Diskriminierungsverbote ex negativo zum allgemeinen Gleichheitssatz zeitigt nicht nur Folgen für die Bildung von Vergleichsgruppen, sondern auch für die Zulässigkeit von Argumenten i m Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung. A u f dieser Ebene reichern die einzelnen Paritätsnormen des Art. 3 I I I und 33 I I I GG sowie Art. 136 W R V den allgemeinen Gleichheitssatz so an, daß bestimmte Begründungsmuster von vorneherein für eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung ausgeschlossen werden. 2 7 7 Die Vorschriften stellen auf dieser dogmatischen Stufe Be-

ns C. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 2000, Art. 3 Rdnr. 275. 276 Umgekehrt wirft auch der Vorschlag von Th. Giegerich, Religionsfreiheit, S. 241 ff., religionsrechtliche Freiheits- und Gleichheitsrechte einer unverbundenen Parallelprüfung zuzuführen, Folgeprobleme auf. Hier bleiben die von Verfassungs wegen bestehenden Wechselwirkungen zwischen Freiheits- und Gleichheitsrechten unbeachtet. 277 Ein Ausschluß bestimmter Begründungen ist in Art. 3 I GG nicht enthalten. Der Vorwurf von M. Sachs, das Begründungsmodell gehe über die allgemeinen Sachlichkeitsanforderungen des Art. 3 I GG nicht hinaus, entbehrt nach der hier vorgeschlagenen Lesart deshalb der Grundlage. So auch W. Heun, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 3 Rdnr. 110.

1 9 0 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen gründungsverbote dar: Die Ungleichbehandlung kann nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden, indem auf einzelne Diskriminierungsmerkmale abgestellt wird. Bestimmte Begründungen staatlicher Differenzierung (wie das Geschlecht, die Abstammung, der Glaube, die Rasse) werden von Verfassungs wegen ausgeschlossen, weil (und soweit) sie eine Negierung des Anspruchs auf Gleichheit als Ausdruck gleicher Achtung der Menschen implizieren. Der Gedanke läßt sich mit folgendem Beispiel veranschaulichen: die Einstellung eines Bewerbers um ein öffentliches A m t darf nicht mit der gegenüber seinem Konkurrenten „vorzugswürdigeren" Religionszugehörigkeit legitimiert werden (wohl aber mit dessen besserer Qualifikation). Die Religionszugehörigkeit ist kein zulässiges Rechtfertigungsmerkmal für eine Ungleichbehandlung (hier: Einstellung/Nichteinstellung).

ee) Verfassungsrechtliche Ausnahmen von diskriminierungsrechtlichen Begründungs verboten (1) Suspension des Begründungsverbotes. Dieses Beispiel führt zugleich zur verfassungsrechtlichen Ausnahme von diskriminierungsrechtlichen Begründungsverboten: in einigen Fällen sieht die Verfassung selbst die Begründung einer Ungleichbehandlung mit diskriminierungsrelevanten Merkmalen des Art. 3 I I I GG vor, wie i m Falle der Wehrpflicht für Männer (Art. 12 a GG), oder ermöglicht sie, so bei konfessionellen Staatsämtern (Art. 7 I I I GG). Nach dem hier vorgeschlagenen Modell werden dann Art. 3 I I I GG und die anderen einschlägigen Diskriminierungsverbote von Verfassungs wegen in ihrer Funktion als Begründungsverbote suspendiert. Eine Ungleichbehandlung kann dann in den von der Verfassung vorgesehenen Fällen ausnahmsweise auch aus Gründen des Geschlechts oder der Religion erfolgen. Allerdings wird dabei, dies ist Konsequenz des Ergänzungsmodells, nicht das allgemeine Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 I GG aufgehoben. Die Tragfähigkeit der Begründung für eine Ungleichbehandlung hat sich deshalb auch dann gleichheitsrechtlich von j e zu je auch unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Begründungsbedürftigkeit und ggf. der Verhältnismäßigkeit zu erweisen. (2) Zur Unterscheidung zwischen Differenzierungsgebot und -ermöglichung. Beim Erfordernis einer Abwägung ist dabei zwischen einzelnen Konstellationen zu unterscheiden. Für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung ist dort kein Raum mehr, wo die Verfassung selbst ein Gebot der staatlichen Ungleichbehandlung als unbedingtes Differenzierungsgebot begründet. 2 7 8 In der Dienstpflicht für Männer nach Art. 12 a GG ist zwar eine Ungleichbehandlung von Männern gegenüber Frauen zu sehen, i m Rahmen des Art. 3 GG genügt für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung jedoch die kollidierende Verfassungsnorm, ohne daß in eine Verhältnismäßigkeitsprüfung einzutreten w ä r e . 2 7 9 278 So auch unter Zugrundelegung der Kasuistik der Rspr. Jarass / Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Art. 3 Rdnr. 23: Eine reduzierte Prüfung ist weiterhin angebracht, „wenn die ... Differenzierung im Grundgesetz angelegt ist".

III. Der Grundsatz der Parität

191

Dagegen greift das Abwägungsgebot als Maßstab der verfassungsrechtlichen Begründungspflicht einer Ungleichbehandlung dann, wenn die Verfassung eine Ungleichbehandlung durch ein bestimmtes Freiheitsrecht Dritter nur ermöglicht, aber nicht verbindlich vorschreibt" (Differenzierungsermöglichung). In den Fällen liegt wie bei externen Zwecken stets ein Grund für die Ungleichbehandlung in der Möglichkeit zur Freiheitsverwirklichung vor. Der Anspruch auf Gleichbehandlung müßte also ohne Abwägung, bei einer reinen Willkürprüfung, per se vollständig hinter das Freiheitsrecht zurücktreten. Eine solche Lösung vermag deshalb nicht zu überzeugen, weil sie dem generellen Verhältnis der Freiheitsrechte zu den Gleichheitsrechten widerspräche. Der potentielle Antagonismus zwischen beiden Gruppen von Rechten läßt sich nicht normstrukturell i m Sinne eines abschließenden eindeutigen Vorrangverhältnisses auflösen, sondern ist eine Frage der Gewichtung i m Einzelfall. Dabei ist das Freiheitsrecht tendenziell deshalb in der Vorderhand, weil ihm als Garantie gleicher Freiheit bereits eine egalitäre Dimension eigen ist (s. ο. I. 2. b) ff.). Dies verstärkt sich i m Bereich der Parität dadurch, daß das Religionsverfassungsrecht in bestimmten Bereichen eine Behandlung als Gleiche durch funktionale Äquivalente zum Begründungs verbot sicherstellt (hierzu sogleich). Doch suspendiert dies nicht von der Abwägungsbedürftigkeit; die Reichweite des freiheitlich motivierten Rechts zur Ungleichbehandlung ist deshalb i m Einzelfall durch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zu bestimmen. Dies gilt insbesondere, wo das mit dem Gleichbehandlungsgebot kollidierende Freiheitsrecht wie Art. 137 I I I W R V schon in sich ein Abwägungserfordernis in Form der Schrankenklausel des für alle geltenden Gesetzes begründet.

ff) Diskriminierungsverbote als Anknüpfungsverbote? In der Literatur werden Diskriminierungsverbote häufig als absolute Anknüpfungsverbote (und gerade nicht als Begründungs verböte) verstanden. 2 8 0 Dieses Modell hat den Charme der Schlichtheit in der Handhabung wie vermeintlichen Konsequenz. Doch ist es ohne Friktionen nicht durchzuhalten. 2 8 1 So ist bei Zugrundelegung eines strikten Anknüpfungsverbots zu überlegen, wie in der Verfassung ausdrücklich vorgesehene oder durch sie freiheitsrechtlich ermöglichte Differenzierungen aufgrund der Religionszugehörigkeit gleichheitsrechtlich verarbeitet werden sollen. Ein rigoristisches Verdikt der Verfassungswidrigkeit vermag hier 279 Die Typisierung erfolgt hier auf Verfassungsebene selbst: Frauen tragen die familienund bevölkerungspolitisch beachtliche soziale und biologische Last der Austragung von Kindern und sollen nicht zusätzlich mit der Wehrpflicht belegt werden. Ohne die Verfassungsvorschrift des Art. 12 a GG wäre eine solche Typisierung auf ihre Angemessenheit hinsichtlich von Frauen, die keine Kinder bekommen, auszuloten. 2 80 M. Sachs, Grenzen des Diskriminierungsverbotes, 1987, S. 421 ff.; ders., HStR V, § 126 Rdnr. 66. 2 81 S. Huster, Rechte, S. 316; W. Heun, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 3 Rdnr. 108.

1 9 2 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen nicht zu befriedigen. Unbestritten sind auch einige gesetzliche Anknüpfungen an das Geschlechtsmerkmal zulässig und richtig. Zudem ist die Verarbeitung bestimmter Teilbereiche mittelbarer Diskriminierungen in der gleichheitsrechtlichen Dogmatik gefordert, wenn man das Recht auf Gleichheit dergestalt versteht, daß es eine Behandlung „als Gleiche" verlangt. I m Religionsrecht zielt eine Behandlung auf der Grundlage gleicher Achtung und gleichen Respekts auf die Chance zur Verwirklichung religiöser Interessen. U m diese zu sichern, sind auch intendierte religiöse Diskriminierungen in neutraler Verkleidung als Teilbereich mittelbarer Diskriminierungen zu unterbinden. Denn die Differenzierung zwischen Diskriminierungen durch Anknüpfung an ein entsprechendes Merkmal oder dessen Verschleierung durch eine vermeintlich merkmalsneutrale Formulierung ist in dieser Hinsicht unerheblich. Solche mittelbaren Diskriminierungen lassen sich durch ein Verständnis der Diskriminierungsverbote als Begründungsverbote herausfiltern. Gegen eine Konzeption von Art. 3 I I I GG u. a. vor Diskriminierung schützenden Normen des Grundgesetzes als Begründungsverbote läßt sich nun einwenden, daß dieser Ansatz gerade mittelbare Diskriminierungen nicht vollständig erfasse und damit i m Ergebnis jedweden Diskriminierungen Tür und Tor öffne. Tatsächlich ist nach dem Begründungsmodell eine Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn sie ohne Rückgriff auf die einschlägigen Diskriminierungsmerkmale begründet werden k a n n 2 8 2 und sich auch - je nach anzuwendendem Maßstab - als verhältnismäßig ausweist. Allerdings ist die Begründung umfassend auf die in der Differenzierung möglicherweise zu Tage tretenden Unwerturteile hin zu untersuchen. 283 Die diskriminierungsmerkmalsneutrale Begründung darf nicht bloß vorgeschoben, muß „ i m Hinblick auf die Auswirkungen hinreichend tragfähig s e i n " . 2 8 4 A u f diesem Wege können jedenfalls gezielt, aber indirekt wirkende Diskriminierungen extrahiert werden. Eine faktische Gleichstellung ist i m Religionsrecht dagegen - und darauf liefe die Forderung der vollständigen Pönalisierung aller Erscheinungsformen mittelbarer Diskriminierungen hinaus, nicht angestrebt und nicht anzustreben, da sie die Bedeutung der Religionsfreiheit verkennte. Zur Rekapitulation sei die hier vorgeschlagene dogmatische Struktur der Parität als Ergänzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nochmals i m Überblick skizziert:

282 So insb. A. Podlech, Gehalt und Funktionen des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes, 1971, S. 91 ff. 28 3 S. Huster, Rechte, S. 314 f. 2 «4 w. Heun, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 3 Rdnr. 110.

193

III. Der Grundsatz der Parität

II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung trotz wesentlich gleicher Sachverhalte:

Art. 3 I GG als Willkürverbot (insb. Verfolgung interner Zwecke)

w

w Art. 3 I GG als Übermaßverbot (insb. Verfolgung externer Zwecke/ Konnex mit Freiheitsrechten)

y

Art. 3 I I I GG und die anderen Paritätsnormen verbieten auf den Faktor Religion abstellende Begründungen zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen (Begründungsverbot). Ausnahmen vom Begründungsverbot: • Verfassungsrechtliche Differenzierungsgebote kein Übermaßverbot)

(kein Begründungsverbot und

• Verfassungsrechtliche Differenzierungsmöglichkeiten durch Freiheitsrechte (kein Begründungsverbot, aber Fortbestand des ggf. anzuwendenden allgemeinen gleichheitsrechtlichen Übermaßverbots)

13 Heinig

194

3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

Im folgenden soll nunmehr gezeigt werden, daß die hier vorgeschlagene dogmatische Struktur in der Lage ist, die einschlägigen paritätsrechtlichen Probleme angemessen zu bearbeiten. Als solche wären konfessionsgebundene Staatsämter, divergierende Rechte für unterschiedliche religionsgesellschaftliche Rechtsformen sowie Differenzierungen zwischen unterschiedlichen, aber in gleicher Rechtsform organisierten Religionsgesellschaften zu behandeln. d) Das Grundmodell Plastisch wird der vorgestellte Ansatz der Parität vielleicht an folgendem Beispiel: Nehmen wir an, der Gesetzgeber wollte zwischen einzelnen Religionen differenzieren, weil er die religiöse Lehre der A-Religion besonders schätzt. Ζ. B. sollen die Angehörigen dieser Religion als Ausdruck der religiösen Präferenz des Staates grundsätzlich 10% weniger Steuern zahlen als alle anderen Steuerschuldner. Der Verstoß gegen das Verbot religiöser Diskriminierung ist offensichtlich. (1) Auf der ersten Stufe besteht zwischen den Angehörigen der A-Religion und anderer Religionen wesentliche Gleichheit, mithin Vergleichbarkeit, weil Art. 3 III GG dies als Gebot normativer Gleichheit vorgibt; die Unterschiede zwischen den Religionen sind insoweit irrelevant. (2) Angehörige der A-Religion und anderer Religionen werden unterschiedlich behandelt. (3) Es ist keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung ersichtlich. Die vorgebrachte besondere Wertschätzung der A-Religion durch den Gesetzgeber wird als rechtfertigende Begründung für die Ungleichbehandlung durch Art. 3 III GG, Art. 136 I WRV (als Gebot der gleichen Berechtigung aller Religionen) gerade ausgeschlossen. Insoweit wirken die paritätsrechtlichen Normen als Begründungsverbote. e) Konfessions gebundene Staatsämter Konfessionsgebundene Staatsämter stellen prima vista einen Verstoß gegen Art. 3 I GG i.V.m. Art. 33 III GG dar. Gleichwohl können sie verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, wenn die Verfassung eine Option für sie enthält. Typische Beispiele hierfür sind die Ämter staatlicher Religionslehrer und theologischer Professuren an staatlichen Universitäten. Das Gebot der Übereinstimmung des Religionsunterrichts mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaft in Art. 7 III GG erfaßt auch die erforderliche persönliche Qualifikation des Lehrpersonals. Ähnlich gelagert sind die Dinge im Bereich theologischer Professuren. Theologische Fakultäten sind zwar anders als in der Weimarer Reichsverfassung im Grundgesetz nicht als Einrichtung in ihrem Bestand geschützt sind, 285 aber Art. 7 III GG setzt konfessi285

Art. 141 III WRV: „Die theologischen Fakultäten an den Hochschulen bleiben erhalten."

III. Der Grundsatz der Parität

195

onsgebundene Studiengänge an staatlichen Hochschulen voraus. Auch Art. 4 I und II sowie 5 III GG sprechen für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit universitärer betriebener Theologie als wissenschaftlicher Disziplin. 286 Art. 4 I, II GG/Art. 137 III WRV ermöglicht dann grundsätzlich, daß eine bestimmte Religionszugehörigkeit und ein religiöser Lebenswandel auf Verlangen der zuständigen Religionsgesellschaft zu verfassungsrechtlich zulässigen Differenzierungskriterien für Staatsbeamte werden (zu den Modifikationen und Wechselwirkungen zwischen Art. 137 III WRV und dem Diskriminierungsverbot s. u. ) . 2 8 7 Sowohl im Falle der Religionslehrer wie im Fall theologischer Professuren eröffnet das freiheitsrechtlich motivierte religionsgesellschaftliche Bestimmungsrecht also die Möglichkeit, konfessionelle Bindungen für die Besetzung entsprechender staatlicher Ämter zu verlangen. Diese Konfessionsbindung ist von der Verfassung nicht zwingend festgeschrieben, sondern in das Belieben der jeweiligen Religionsgesellschaft gestellt (diese kann auch glaubensfremde Lehrpersonen zulassen). Es handelt sich damit bei den entsprechenden Verfassungsbestimmungen nicht um Differenzierungsgebote, sondern um differenzierungsermöglichende Freiheitsrechte (s. o. zur Terminologie und Systematik). Art. 3 III und 33 III GG sowie Art. 136 I WRV, aber auch Art. 137 I WRV stehen freilich konfessionsgebundenen Staatsämtern ohne solche verfassungsunmittelbare Rechtfertigung entgegen. Insbesondere rein konfessionspolitisch motivierte sog. Konkordatslehrstühle sind heutzutage mit dem Grundgesetz schwerlich vereinbar. 288

286 Cf. supra II. 2. 287 Dagegen vermag die umgekehrte Begründungsfigur - Art. 3 III, 33 III GG verbiete gerade theologische Fakultäten, da es nach ihnen konfessionsgebundene Staatsämter nicht geben dürfe, nicht zu überzeugen, da Art. 7 III GG eine universitäre theologische Ausbildung voraussetzt. Anders aberM. Sachs, HStR V, § 126 Rdnr. 133; ders., ZBR 1994, 133 (136). 288 Mag ihr Aufkommen historisch unter den Bedingungen des Bikonfessionalismus auch verständlichen - paritätischen - Motiven entsprungen sein: diese Konkordatsprofessuren stellen damit eine frühe Form sog. positiver Maßnahmen dar, wie sie heute insbesondere im Kontext der Gleichstellung der Geschlechter diskutiert werden. Die Erlaubnis zur Differenzierung wird bei positiven Maßnahmen entweder explizit formuliert oder ist den Gleichheitsrechten und den die gleichen Entfaltungschancen sichernden Freiheitsrechten zu entnehmen. Wie geschlechtsspezifische positive Maßnahmen heute begründeten die Konkordatsprofessuren freilich zugleich ein Gefahrenpotential für die Gleichheitsrechte. Eine zunächst gleichheitsrechtlich gestattete Maßnahme ist hinsichtlich ihres diskriminierenden Potentials unter Kontrolle zu halten. Die Legitimation positiver Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Übermaßverbotes hängt von der konkreten sozio-historischen Situation ab. Positive Maßnahmen sind darauf gerichtet, sich selbst obsolet zu machen. Dies ist bei Konkordatslehrstühlen inzwischen der Fall: die diskriminierenden Effekte überwiegen bei weitem den heute wohl nahezu verflüchtigten Gleichstellungseffekt. Ein solcher Befund zeugt von der Erfolgsgeschichte der Parität im umfassenderen Sinne. Das Gebot gleicher Berechtigung in religiösweltanschaulicher Hinsicht hat sich als effektiv erwiesen. Cf. zur Unzulässigkeit auch M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 136 WRV Rdnr. 18.

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1 9 6 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

aa) Vergleichbarkeit konfessionsverschiedener Bewerber bei konfessionsgebundenen Staatsämtern? Dekliniert man die Frage der verfassungsrechtlich unzulässigen Ungleichbehandlung in den von der Verfassung durch die religiösen Freiheitsrechte eröffneten Fällen eines konfessionellen Staatsamtes im einzelnen durch, stellt sich wiederum zunächst die Frage der wesentlichen Gleichheit zwischen einem Angehörigen der geforderten Konfession und einem anderen Bewerber. Grundsätzlich verhindert auf dieser dogmatischen Ebene das Verbot religiöser Diskriminierung, die Vergleichbarkeit von Bewerbern unterschiedlicher Religionszugehörigkeit unter Rückgriff auf das Religionsmerkmal zu verneinen.

bb) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung bei konfessionsgebundenen Staatsämtern Maßgeblich für die gleichheitsrechtliche Zulässigkeit konfessioneller Staatsämter ist somit die Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Die die Parität speisenden Normen statuieren kein Begründungs verbot, wenn die Verfassung eine Argumentation mit dem Religionsmerkmal selbst freiheitsrechtlich ermöglicht, wie dies für Religionslehrer und theologische Professuren wie gesehen der Fall ist. Mit der Suspendierung des religionsbezogenen Begründungsverbotes entfällt jedoch nicht die ggf. gleichheitsrechtlich indizierte Untersuchung, ob Art und Gewicht der Unterscheidung die Ungleichbehandlung rechtfertigen. Ein solches Übermaßverbot ist, wie beschrieben, zu prüfen, wenn externe Zwecke mit der Unterscheidung verbunden werden bzw. wenn der Konnex mit Freiheitsrechten eine solche Abwägung gebietet. Beide Konstellationen greifen im Falle konfessionsgebundener Staatsämter: Der Staat verfolgt mit der Unterscheidung externe Zwecke, nämlich den Zweck, den Anforderungen der maßgeblichen Religionsgemeinschaft zu genügen. Der freiheitsrechtliche Konnex liegt zumindest darin, daß die verfassungsrechtliche Differenzierungserlaubnis nicht die sonstigen Grundrechtspositionen der Betroffenen, etwa Art. 12 GG und 5 III GG, überlagert. Diese sind vielmehr mit der freiheitsrechtlich geschützten Bestimmungsmacht der Religionsgesellschaft in Abgleich zu bringen. Die Schranke des Art. 137 III WRV bzw. die Kollisionslage der entsprechenden Grundrechte der Betroffenen mit Art. 7 III GG führen hier zum Erfordernis einer Abwägung. Zudem wäre auf die Bedeutung der individuellen Religionsfreiheit zu verweisen. Die vorzunehmende Abwägung soll im Kontext dieser Arbeit nicht im Detail durchbuchstabiert werden, ein abwägungsleitender Gesichtspunkt wird mit der grundgesetzlichen Konzeption der Parität als gleiche Berechtigung in offener Vielfalt aber gleich noch näher skizziert. Maßgeblich ist an dieser Stelle nur der Nachweis, daß die Problematik konfessionsgebundener Staatsämter mit der hier vorgeschlagenen dogmatischen Struktur der Parität adäquat bewältigt werden kann.

197

III. Der Grundsatz der Parität

Die soeben entwickelte Argumentationsstruktur greift grundsätzlich auch in den Fällen, in denen eine Entfernung aus einem konfessionsgebundenen Staatsamt von einer Religionsgesellschaft wegen des Entzugs des nihil obstat bzw. der missio verlangt wird. In der egalitätsrechtlichen Abwägung unterliegt die Entfernung aus einem konfessionellen Staatsamt freilich restriktiveren Maßstäben als im Falle des Eintrittsbegehrens. 289 f) Parität als gleiche Berechtigung in offener

Vielfalt

Sachlicher Hintergrund ist in den beiden skizzierten Fällen (Religionslehrer und theologische Professuren) einer verfassungsrechtlichen Durchbrechung des von Art. 3 III, 33 III GG, Art. 136 I WRV ausgehenden Begründungsverbots, daß das verfassungsrechtliche System gleicher Berechtigung in offener Vielfalt funktionale Äquivalente bereit hält, die eine Behandlung als Gleiche sichern. Die Gleichheit der Achtung und Rücksicht wird von der Parität als gleiche Offenheit des „säkularen Rahmenrechts" 290 des Staates für die jeweilige individuelle wie korporative religiös-weltanschauliche Entfaltung garantiert. Jeder Religion ermöglicht das Konzept offener Gleichheit, jeweilig in „ihrem" Religionsunterricht und „ihren" Fakultäten Angehörige anderer Religionen auszuschließen. Die Verfassung gestattet im Bereich der zulässigen konfessionellen Staatsämter jeweilige „Diskriminierungen", die sich gegenseitig aufwiegen. Religionsgemeinschaften dürfen sich anders als der Staat - vom Grundsatz des „separate but equal" leiten lassen. Die Abwägung wird in den Fällen der von der Verfassung ermöglichten konfessionellen Staatsämtern deshalb in der Regel so aussehen, daß Gleichbehandlungsgebot gegenüber dem Freiheitsrecht zurückzutreten hat, da die Parität auf einer zweiten Ebene in Form gleicher Freiheit und gleicher Zugangschancen zu staatlich angebotenen Entfaltungsmöglichkeiten gesichert bleibt. Soweit eine Religionsgesellschaft diese Möglichkeit nicht in Anspruch nimmt oder eine Einzelperson sich keiner Religion oder Weltanschauung zugehörig wissen will, sieht die Verfassung einen Rest an Nachstehen vor, um die Freiheitsentfaltung insgesamt zu optimieren. Dies ist durchaus kohärent. Um ein bereits eingeführtes Argument nochmals aufzunehmen: Wenn die Religionsgesellschaft A den Religionsunterricht in staatlichen Schulen und bekenntnisgebundene Professuren und Fakultäten ablehnt, ist der Staat - auch in Absehung der besonderen Problematik verfassungswidrigen Verfassungsrechts - nicht gehindert, für sie wie andere Religionsgemeinschaften entsprechende Angebote vorzuhalten. Gleiches gilt für die Individualperspektive. Andernfalls würde eine spezifische Religion die säkulare rahmenrechtliche Gleichheit des staatlichen Angebotes auflösen können zugunsten eines Vorbehaltes der Kompatibilität mit ihren Lehren. Dies wäre gerade die Eliminierung von freiheitli289 Cf. hierzu etwa E.-W. Böckenförde, NJW 1981, 2101 ff.; aber auch R. Mainusch, DÖV 1999, 677 ff.; aus der Rspr. OVG Lüneburg, NVwZ 2000, 954 ff. m. w. N. 290 Zuletzt M. Heckel, FS BVerfG, Bd. II, 2001, S. 379 (382).

1 9 8 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

eher Parität. Die zulässige Grenze ist aber dort erreicht, wo mittelbare Diskriminierungen intendiert sind, also das religionsrechtliche Arrangement darauf zielt, für bestimmte Religionen benachteiligende Effekte zu evozieren.

g) Differenzierungen nach Organisationsformen von Religionsgesellschaften bei der staatlichen Ausgestaltung des Religionsverfassungsrechts Ein weiteres Problemfeld der Parität stellt die Frage dar, inwieweit der Staat bei der Ausgestaltung des Religionsrechts an eine bestimmte Organisationsform zumeist die öffentlich-rechtliche - anknüpfen darf. Die privatrechtliche (Art. 137 II, IV WRV) und öffentlich-rechtliche Korporationsform stehen von Verfassungs wegen in keinem Rangverhältnis, sie stellen zwei gleich wertige, gleich „ehrenhafte" Angebote des Staates zur weltlichen Strukturierung von Religionsgesellschaften dar (s. u. 4. Kap.), deren jeweilige Vorteilhaftigkeit sich nach dem religiösen Selbstverständnis der entsprechenden Organisationen richtet. 291

aa) Wesentliche Gleichheit? Paritätsrechtlich stellt sich die Frage, ob die verfassungsrechtliche Vorhaltung zweier Organisationsformen rechtfertigt, bestimmte Rechte nur einer der beiden Rechtsformen zuzugestehen. Im Brennpunkt steht hier das sog. Privilegienbündel öffentlich-rechtlich korporierter Religionsgesellschaften (s. u. 4. Kap. II. 2.). Im Rahmen der Prüfung einer paritätswidrigen Ungleichbehandlung sollte nicht bereits die Komparatibilität von öffentlich-rechtlich und privatrechtlich organisierten Religionsgesellschaften mit der Begründung, die Verfassung führe diese Unterscheidung selbst ein, in Abrede gestellt werden. Gerade die verfassungsrechtliche Gleichrangigkeit beider Rechtsformen spricht für ihre Vergleichbarkeit als wesentlich gleiche Sachverhalte. Zudem sind religiöse Motivlagen für die Wahl einer bestimmten Rechtsform von hoher Relevanz. Dies eröffnet Raum für mittelbare Diskriminierungen. Bestimmte Rechte könnten mit einer spezifischen Rechtsform verbunden werden, weil man bestimmte Religionsgesellschaften, deren Selbstverständnis zur Wahl der anderen Rechtsform führt, ausschließen will. Um solchen intendierten Effekten der Diskriminierung bei der religionsrechtlichen Ausgestaltung begegnen zu können, bedarf es der Feinsteuerung des Begründungs Verbotes des Art. 3 III GG.

291 Wobei zu konzidieren ist, daß für die meisten Religionsgemeinschaften die Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts die vorteilhaftere ist.

III. Der Grundsatz der Parität

199

bb) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung (1) Dies- und jenseits eines Differenzierungsverbots. Die Einräumung unterschiedlicher Rechte in Abhängigkeit von der Rechtsform ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn die Verfassung selbst die Ungleichheit festlegt. Dies gilt jedenfalls mit Art. 137 V I WRV für das Kirchensteuerwesen, welches von Verfassungs wegen ausschließlich öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften offensteht. Da hierbei von Verfassungs wegen zu differenzieren ist (also ein Differenzierungsgebot vorliegt), erfolgt keine Verhältnismäßigkeitsprüfung. Gleiches gilt für die sonstigen unmittelbar mit dem Körperschaftsstatus verbundenen Rechte. Anders gestaltet sich die Situation im Rahmen des sonstigen Religionsrechts. Da einfach-gesetzliche Differenzierungen zwischen den beiden Rechtsformen nicht von der Verfassung konstituiert werden, sind solche grundsätzlich voll begründungspflichtig. Beispielhaft seien Mitwirkungen in staatlichen Gremien oder Gebührenbefreiungen genannt (cf. infra 4. Kap II. 2.). Hier wäre im Einzelfall einerseits ein Grund für die Unterscheidung einzuführen, andererseits die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Differenzierung nachzuweisen. 292 Häufig hängt die Praktikabilität der Ausübung bestimmter Rechte, die einfach-gesetzlich vom öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus abhängig gemacht werden, von der organisatorischen Dauerhaftigkeit ab. Gerade diese ist nach Art. 137 V 2 WRV Voraussetzung für die Verleihung - insoweit liegt für die Unterscheidung nach Rechtsformen in der Regel bereits hierin ein sachlicher Grund vor. (2) Modifikationen. Für die Verhältnismäßigkeit modifiziert das grundgesetzliche Konzept der Parität als gleiche Berechtigung in offener Vielfalt freilich wiederum die Begründungsmaßstäbe. Wie oben dargelegt verwirklicht die vielfältige Ausgestaltung des staatlichen Religionsrechts den Grundsatz freiheitlicher Parität besser als ein rigides Homogenitätsmodell für alle Religionsgesellschaften. Ein Modell der Rechtsvielfalt kann sich dabei typisierend auch auf unterschiedliche Rechtsformen stützen, soweit der offene Zugang zu den einzelnen Rechtsformen garantiert ist. 2 9 3 Dies ist mit der religionsneutralen und niedrigschwelligen Zugangsvoraussetzung der Gewähr der Dauer durch Art. 137 V 2 WRV bei angemessener Interpretation für den öffentlich-rechtlichen Organisationsstatus der Fall. Insoweit ist die Offenheit des Körperschaftsstatus für alle Religionsgesellschaften in die Prüfung der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung zwischen privatrechtlich und öffentlich-rechtlich organisierten Religionsgesellschaften einzustellen. Im Ergebnis darf sich die Differenzierung nach Rechtsformen nicht als von vorneherein unzweckmäßig oder als mißbräuchlich erweisen. In letzterem

292 w Weiß, KritV 2000, 104 (128 ff.). 293 So i.E. BVerfGE 19, 129 ff. zur Steuerbefreiung von Religionsgesellschaften in Abhängigkeit von der öffentlich-rechtlichen Rechtsform; a.A. W Weiß, KritV 2000, 104 ff., der dabei die freiheitsdienenden Typologisierungsmöglichkeiten des Gesetzgebers übermäßig begrenzt.

2 0 0 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

liegt wohl die eigentliche Bedeutung des Diskriminierungsverbots auf der Ebene der Ausgestaltung des Religionsrechts in Abhängigkeit von Rechtsformen. Eine Zuschneidung des jeweiligen religionsrechtlichen Ensembles zum gezielten Voroder Nachteil bestimmter Religionsgesellschaften trotz vordergründig neutraler Ausgestaltungen ist verfassungswidrig. Der Gesetzgeber darf etwa bestimmte Verpflichtungen mit dem Körperschaftsstatus nicht deshalb verbinden, gerade weil solche für eine spezifische Religionsgesellschaft nach ihrem religiösen Selbstverständnis unannehmbar sind, damit diese den Status trotz formaler Offenheit nicht anstrebt. Hinsichtlich solcher intendierten mittelbaren Diskriminierungen wird Art. 3 III GG, Art. 136 I WRV dann als Begründungsverbot wirksam.

h) Differenzierungen zwischen einzelnen öffentlich-rechtlich organisierten Religionsgesellschaften Eine weitere Fallgruppe im paritätischen Gesamttableau bildet die unterschiedliche Behandlung einzelner öffentlich-rechtlich organisierter Religionsgesellschaften. Hinsichtlich der verfassungsunmittelbar gewährleisteten Korporationsrechte ordnet Art. 137 V 2 WRV („gleiche Rechte") eine „schematische Parität" 294 an. 2 9 5 Darüber hinaus besteht durchaus Raum für Differenzierungen. Das grundgesetzliche Paritätsrecht kennt kein Gebot, durch eine omniformale Gleichbehandlung von in gleicher Rechtsform organisierten Religionsgesellschaften die vorgefundenen lebensweltlichen Ungleichheiten etwa in puncto Größe und Rückhalt in der Bevölkerung umfassend zu ignorieren und damit im Effekt zu verfälschen. 296 Bei der Verfolgung externer Zwecke durch die unterschiedliche Behandlung einzelner öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften - interne Zwecke sind wegen Art. 3 III GG, Art. 136 I WRV ausgeschlossen - sind freilich strengere Maßstäbe als bei einer Unterscheidung nach Rechtsformen vorzunehmen, da die Modifikation der Abwägung qua offener Vielfalt nunmehr wegfällt. Jeweils ist der sachliche Grund der Ungleichbehandlung herauszuarbeiten und auf seine Verhältnismäßigkeit hin zu befragen. 297 Im Bereich des staatlichen Kirchensteuereinzugs etwa vermag der staatliche Verwaltungsaufwand im Zeitalter der elektronischen Datenverwaltung den Ausschluß kleinerer öffentlich-rechtlich korporierter Religionsgesellschaften nicht mehr zu decken, da kein unverhältnismäßiger Aufwand im Steuereinzug für alle öffentlich-rechtlich korporierten Gemeinschaften 294 K. Hesse, ZevKR 3 (1953/54), 188 ff. 295 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 97; s.a. unten 4. Kap. VI. 296 In Anlehnung an die klassische Argumentation zur Chancengleichheit von Parteien; cf. M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 21 Rdnr. 75. 297 w. Weiß, KritV 2000, 104 (130 ff.), dessen konkrete Beispiele aber auf Bedenken stoßen. So kann das Neubegründungsverbot von Staatsleistungen nach Art. 138 I WRV nicht paritätsrechtlich überwunden werden.

III. Der Grundsatz der Parität

201

auszumachen ist. 2 9 8 Die Anforderungen an die Zahl der Mitglieder durch Art. 137 V 2 WRV gewährt hier hinlänglichen Funktionsschutz der Steuerverwaltung. Dagegen bildet das Abstellen auf eine gewisse Repräsentanz der Bevölkerung für die Mitwirkung in staatlichen und öffentlichen Gremien ein beachtliches Argument, da die Quantität der Religionsgesellschaft die Arbeitsfähigkeit der Gremien sichert (s. u. 4. Kap. II. 2.). Die Mitgliedschaft einer Religionsgesellschaft in solchen Kollegialorganen begründet sich gerade aus der jeweiligen Relevanz als gesellschaftliche Gruppierung. Für kleinere Religionsgesellschaften könnte man hier allenfalls an ein Rotationsverfahren in Ergänzung zu den bestehenden Vertretungen der beiden großen Kirchen denken.

i) Exkurs: Das Individualrecht auf religiöse Nichtdiskriminierung und die korporative Religionsfreiheit bei Konflikten in einer Religionsgesellschaft Paritätsverpflichtet sind staatliche Organisationen, nicht die Religionsgesellschaften (zur Grundrechtsbindung öffentlich-rechtlicher Korporationen unten 4. Kap.). Das Verbot religiöser Diskriminierungen wirkt jedoch auch über die unbestimmten Rechtsbegriffe des Zivilrechts, dem sich gemeinhin die Religionsgesellschaften nicht entziehen können. Für diese greift das Zivilrecht und damit auch die Drittwirkung der Grundrechte in der Schranke des für alle geltenden Gesetzes. Wie oben rekonstruiert (3. Kap. I.) läuft die Schrankenklausel des Art. 137 III WRV auf ein Gebot der Abwägung mit egalisierender Komponente hinaus. Dies führt zu der Frage, inwieweit die drittwirkende Dimension des Verbots religiöser Diskriminierungen bei (religiös geprägten) Rechtskonflikten innerhalb einer Religionsgesellschaft einen abwägungsrelevanten Posten einnimmt. Diese Thematik ist im Kontext des sog. kirchlichen Arbeitsrechts bereits angerissen worden und soll hier nochmals unter spezifisch gleichheitsrechtlicher Perspektive vertieft werden. Im Rahmen der Drittwirkung wird Art. 3 III GG im Bereich der Verwaltung eigener Angelegenheiten von Religionsgesellschaften mit der Garantie des Art. 137 III WRV auf Tendenzfreiheit und Tendenzreinheit sowie der für alle geltenden Privatautonomie konfrontiert. Art. 137 III WRV suspendiert als freiheitsrechtliche Differenzierungsermöglichung die Funktion der Art. 3 III GG, Art. 136 I WRV als Begründungsverbot (s. o.). Ungleichbehandlungen in einer Religionsgesellschaft können also durchaus religiös begründet werden. Das Religionskriterium muß sich dann ggf. auch als verhältnismäßig erweisen. Das für die Bestimmung der Verhältnismäßigkeit in Ansatz zu bringende Abwägungsprogramm modifiziert sich aber im Rahmen der Drittwirkung von Diskriminierungsverboten innerhalb der Religionsgesellschaften durch das Verfassungskonzept freiheitlicher Parität in offener 298 M. Heinig , ZEE 43 (1999), 294 (297); M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 118.

202

3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

Vielfalt (s. o.). Diese Modifikation fällt wegen der bloßen Drittwirkung sogar extensiver aus als im Falle konfessioneller Staatsämter. Die Sicherung gleicher Achtung wird auch in der staatlichen Ausgestaltung der bürgerlichen Rechtsverhältnisse in Religionsdingen durch ein freiheitliches funktionales Äquivalent zum strikten Begründungsverbot sichergestellt. Individuelle Gleichheitsrechte bieten im Ergebnis in der Regel keine taugliche Grundlage für Beeinträchtigungen der religiösen Freiheitsrechte von Korporationen und den dahinter stehenden Individuen, da bereits die egalisierende Wirkung der Garantie gleicher Freiheit besteht. Dieser Effekt verstärkt sich im Bereich der Drittwirkung. Umgekehrt wird ein religiöses Freiheitsrecht ein Verbot religiöser Diskriminierung im Bereich der Drittwirkung von Grundrechten grundsätzlich überlagern, da durch die Garantie gleicher Freiheit das Zurücktreten der Gleichheitsdimension jeweilig erfolgt und damit die Egalität auf einer zweiten Ebene gesichert bleibt. Die jeweiligen Ausschlußmöglichkeiten führen dazu, daß die Achtung als Gleiche gerade ungeschmälert bleibt. Dies gilt jedenfalls, soweit Gleichheits- und Freiheitsrecht thematisch korrespondieren wie das Verbot religiöser Diskriminierung und die Religionsfreiheit. Anders verhält es sich freilich im Falle der Diskriminierung aus Gründen der Rasse, einer Behinderung oder - religionsrechtlich brisant - des Geschlechts. Die paritätsbegründeten Modifikationen offener Vielfalt stellen hier nur bedingt ein funktionales Äquivalent für individuell-formale Gleichheit im Verhältnis der Bürger untereinander dar. Etwaigen religiös motivierten Inkriminierungsinteressen steht in diesen Fällen auch im Rahmen der Drittwirkung der Grundrechte das Recht auf Gleichbehandlung als Ausdruck gleicher Achtung und Würde entgegen und führt zu einer Überprüfung en detail. Jedoch können die religionsfreiheitlichen Gewährleistungen andere, nicht religiöse Diskriminierungsmerkmale dann überlagern, wenn eine entsprechende religiöse Motivation zur Ungleichbehandlung im Hintergrund steht. Die Religionsfreiheit gebietet, auch im Rahmen der anderen Begründungsverbote religiöse Interessen dergestalt zu berücksichtigen, daß zu prüfen ist, ob eine Behandlung als Gleiche - im Sinne gleicher Achtung und Würde - durch die Ungleichbehandlung seitens einer Religionsgesellschaft in Frage gestellt wird. Zur Illustration: Während der Ausschluß von Frauen vom Priesteramt in einigen Religionen letztlich nicht wegen des Geschlechts, sondern aus religiösen Gründen erfolgt und dies einer Abwägung standhalten kann, dürfte gleiches für den Ausschluß von ethnischen Minderheiten nicht ohne weiteres gelten. Dies dürfte sogar dann gelten, wenn der darin zu Tage tretende Rassismus religiös-weltanschaulich motiviert ist. Die Annahme eines Ausschlusses der Achtung als Gleiche ist bei unterschiedlichen Diskriminierungstatbeständen auch unterschiedlich kulturell ausgeformt, wofür die Verfassung durchaus offen ist. 2 9 9

IV. Das Angebot eines Status der Öffentlichkeit

203

IV. Das verfassungsrechtliche Angebot eines Status der Öffentlichkeit (jenseits des Art. 137 V WRV) 1. Öffentlichkeit von Religion: Gebot an den Staat und Angebot des Staates Religionsrecht (aner)kennt die Öffentlichkeit von Religion. Dabei deckt sich der Begriff des Öffentlichen nicht mit dem des öffentlichen Rechts. Ein maßgeblicher Bereich der Öffentlichkeit statuiert sich zivilgesellschaftlich. 300 Historisch bergen das öffentliche Recht und die „Öffentlichkeit" sowohl Tendenzen des Verweises aufeinander wie der schroffen Gegensätzlichkeit in sich. Die Entwicklung des Bürgertums vom 18. bis ins 21. Jahrhundert hat beide Seiten hervorgebracht. Mit dem Schlagwort „Emanzipation" ist eine Tendenz zur Gegenüberstellung von bürgerlicher Öffentlichkeit und Staat [srecht] einhergegangen, mit dem Schlagwort „Partizipation" dagegen deren Realisierung auch in öffentlich-rechtlicher Form. 301 Derartige Teilhaben bestehen etwa im Wirtschaftsverwaltungsrecht. Das verfassungsrechtliche Angebot eines Status der Öffentlichkeit für Religionsgesellschaften ist von beiden historischen Ausprägungen gekennzeichnet und umfaßt einerseits Freiheiten zum Wirken in der zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit als auch den Zugang zu Handlungsformen und Institutionen des Staates.302 Die Deutung des staatskirchenrechtlichen Normgefüges als Angebot eines Status der Öffentlichkeit, wie sie hier vorgeschlagen wird, ist eine dezidiert verfassungstheoretische. Einem so verstandenen Status sollen keine eigenständigen normativen Leistungen und Rechtsgehalte zukommen. Solche können sich nur aus den Verfassungsnormen selbst ergeben. An dieser Stelle finden lediglich einige verfassungsrechtliche Normen und darauf aufbauende verfassungsdogmatische Begriffe eine abstrahierend-zuordnende Aufarbeitung. Da der Begriff der Öffentlichkeit deshalb nur als analytische Kategorie einzuführen ist, bietet es sich an, eine definitori sehe Umschreibung in Anlehnung an das systemtheoretische Begriffsin29 9 Das gegenläufige Selbstverständnis der betroffenen Organisation hat dann gemäß dem aufgezeigten Modell der Selbstverständnisberücksichtigung von Verfassungs wegen zurückzutreten. Erst auf der Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung wird die „Netto"freiheit bzw. „Netto"gleichheit bestimmt. Dabei kommt dem Selbstverständnis, anders als auf der Ebene des Schutzbereichs, keine dominierende Bedeutung zu; cf. M. Morlok, Selbstverständnis, S. 423 ff. 300 Cf. zum Begriff und zur Bedeutung von Öffentlichkeit a. L. Hölscher, Art. Öffentlichkeit, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4, 1978, S. 413 ff.; J. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, (1962), 1990; J. Dewey, Die Öffentlichkeit und ihre Probleme (1927), 2001; auch P. Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozeß, 3. Aufl. 1998, passim. 301 D. Grimm, Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft, 1987, S. 11 ff., 84 ff., 138 ff. 302 Zu den unterschiedlichen staatskirchenrechtlichen Konstruktionen eines Status der Öffentlichkeit vgl. a. H. Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts im System des Grundgesetzes, 1966, S. 59 ff.; W. Bock, Gesetz, S. 74 ff. und 212 ff. jeweils m. w. N.

2 0 4 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen strumentarium zu wagen. Als Öffentlichkeit wird dort - basierend auf dem Theorem operativer Schließungen autopoietischer Systeme - die Reflexion, genauer die Beobachtung der Beobachtung gesellschaftsinterner Systemgrenzen verstanden. 303 Für den hiesigen juristischen Kontext reicht eine daran angelehnte „abgerüstete" und modifizierte Variante, die dahin geht, daß Öffentlichkeit eine auf spezifische soziale Inklusion angelegte Kommunikation markiert, die die Systemgrenzen transzendiert und Repräsentationen in anderen Systemen b e w i r k t . 3 0 4 Öffentlichkeit von Religion bedeutet deshalb etwa Präsenz von Religion i m Erziehungssystem (Religionsunterricht), in den Massenmedien (Berichterstattung über religiöse Verlautbarungen, Feiern und Entscheidungen sowie das Bestehen von Drittsenderechten) oder i m Wissenschaftssystem (theologische Fakultäten und Professuren). I m juristischen Diskurs zeichnet sich dabei Öffentlichkeit dadurch aus, daß entsprechende Kommunikation für jedermann zugänglich, offen und ohne normative Zugangskontrollen wahrnehmbar ist. Öffentlichkeit ist dann der gesellschaftliche Bereich, der nicht dezidiert der Beobachtung und Erörterung durch potentiell alle Bürger - auch i m staatlich verfaßten Bereich der Gesellschaft - normativ oder faktisch entzogen ist. Und in diesem Sinne ist Religion unter dem Grundgesetz eben keine Privatsache. 305 303 Cf. Ν. Luhmann, Die Realität der Massenmedien, 2. Aufl. 1996, S. 184: „Nach wie vor gilt, daß Systemgrenzen operativ nicht überschritten werden können. Aber ebenso gilt auch, daß jedes beobachtende System dies reflektieren kann. Es sieht auf der Innenseite seiner Grenze, daß es eine Außenseite geben muß, denn sonst wäre die Grenze keine Grenze. Wenn intern spezifische Irritationserfahrungen wiederholt anfallen, kann das System andere Systeme in der Umwelt voraussetzen, die dafür verantwortlich sind. Wenn das System dagegen reflektiert, daß es von außen beobachtet wird, ohne daß schon feststünde, wie und durch wen, begreift es sich selbst als beobachtbar im Medium der Öffentlichkeit. Das kann, muß aber nicht, zur Orientierung an generalisierbaren (öffentlich vertretbaren) Gesichtspunkten führen. Funktional äquivalente Strategien sind solche der Geheimhaltung und solche der Heuchelei."; ähnlich (lesenswert) N. Luhmann, Die Politik der Gesellschaft, 2000, S. 284 f.: Ein System „operiert immer nur an der Innenseite der Systemgrenzen, gleichviel ob es sich um Interaktionssysteme, Organisationssysteme oder um Funktionssysteme der Gesellschaft handelt. Aber die Innenseite setzt eine Außenseite voraus. Anders könnte das System seine Grenzen nicht als Grenzen erfahren und könnte auch nicht die eigenen Operationen als eigene erkennen. Auf der Außenseite mag das System, wenn es sich wiederholt in bestimmter Weise irritiert findet, andere Systeme »identifizieren' und dies innerhalb der Gesellschaft auch durch Organisation-zu-Organisation-Kommunikation verifizieren. Das ist jedoch nur möglich, wenn die innergesellschaftliche Umwelt insgesamt in Frage steht; denn als interne Umwelt ihrer Teilsysteme hat die Gesellschaft weder eine Adresse, noch ist sie handlungsfähig. Genau diese generalisierte andere Seite aller innergesellschaftlichen Sozialsysteme kann man als Öffentlichkeit bezeichnen. Damit bleibt das Merkmal der Unvorhersehbarkeit erhalten. Selbst die Massenmedien erzeugen in dem, was sie kommunizieren, zwar Transparenz. Aber wie andere gesellschaftliche Teilsysteme darauf reagieren, bleibt einer prinzipiell intransparenten Zukunft vorbehalten. Entgegen allen Erwartungen der Tradition garantiert Öffentlichkeit kein validiertes und als solches bekanntes Wissen, geschweige denn eine Art Vernunftauslese. Vielmehr ist Öffentlichkeit geradezu ein Symbol für die durch Transparenz erzeugte Intransparenz." 304 Diese Repräsentationsfigur im Kontext der Öffentlichkeit begrenzt N. Luhmann, Realität, S. 188, auf die Massenmedien, konsequenterweise wäre sie aber zu generalisieren.

IV. Das Angebot eines Status der Öffentlichkeit

205

Damit soll keine Absage an eine stärker affirmative Fassung von Öffentlichkeit im Anschluß an die politische Philosophie des Liberalismus, der Diskurstheorie oder auch des Kommunitarismus für religionsverfassungsrechtliche und -theoretische Zwecke verbunden sein; im Kontext des Religionsverfassungsrechts sorgen diese Ansätze jedoch zuweilen für Irritationen, da sie auf Fragestellungen politischer Legitimität zugeschnitten sind und erst für den Kontext der gesellschaftlichen und rechtlichen Verortung von Religion angepaßt werden müssen.306 a) Öffentlichkeit

und Religionsfreiheit

Das öffentliche Wirken und die öffentliche Wirkung von organisierter Religion staatlicherseits zu respektieren, ist zunächst schlicht ein Gebot des Grundrechts auf Religionsfreiheit. Die NichtStaatlichkeit von Teilbereichen der Öffentlichkeit wird von Verfassungs wegen durch die Abwehrdimension der Grundrechte geschützt. Dies gilt auch für das Religionsverfassungsrecht. Prägnanten Ausdruck findet dies in Art. 9 EMRK, Art. 10 EU-Grundrechscharta, wonach Religionsfreiheit das Recht mitumfaßt, „seine Religion oder Weltanschauung ... öffentlich ... auszuüben". Zugleich sieht das Grundgesetz für die Anerkennung der öffentlichen Dimension von Religion auch eine Organisationsform des öffentlichen Rechts als einer partizipativen Form der Grundrechtseffektivierung vor. 3 0 7 Die religionsfreiheitliche Dimension der Öffentlichkeit führt somit - scheinbar paradox - sowohl zu einem Schutz vor staatlicher Beeinträchtigung als auch zu einer staatlichen Organisationsform. Der Widerspruch löst sich freilich auf, wenn man bedenkt, daß die öffentlich-rechtliche Rechtsform nicht mit einer Inkorporierung in die allgemeine Staatsverwaltung und einer Verpflichtung auf die Verfolgung staatlicher Zwecke einhergeht (s. u. 4. Kap. I.). Doch Art. 137 V WRV ist nur ein Teilaspekt der grundgesetzlichen Statuierung eines Angebots der Öffentlichkeit, bedient auch die anderen Status der Freiheit, Gleichheit und Trennung und soll im nächsten Kapitel näher betrachtet werden. Hier seien dagegen einige Überlegungen zum öffentlichen Status von Religionsgesellschaften angestellt, wie er sich gerade unabhängig von der Organisationsform darlegt. Im Lichte des Art. 4 I, II GG gilt es hierbei zunächst zu betonen, daß das Grundgesetz gegenüber Religionsgesellschaften nur das Angebot, kein Gebot eines Status der Öffentlichkeit bereithält. Das Grundrecht auf Religionsfreiheit schützt auch ein auf Arkanität abstellendes Selbstverständnis von Religionsgesellschaften, wie 305 In Anlehnung an die Sentenz „Religion ist Privatsache" aus dem Erfurter Programm der SPD. Cf. hierzu heute W. Thierse (Hrsg.), Religion ist keine Privatsache, 2000. 306 Dies führt etwa in der Debatte um die Einstellung des Religionsverfassungsrechts in ein allgemeines Verbändeverfassungsrecht zu mancherlei Problemen, cf. W. Bock, Gesetz, S. 243 zu einem neokorporatistischen Angang an die Öffentlichkeit von Religion. 507 BVerfGE 102, 370 (387); M Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (700 f.).

206

3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

es sich etwa in Geheimlogen und Geheimlehren ausdrückt. Religionsorganisationen unterscheiden sich insoweit - in verbändeverfassungstheoretischer Hinsicht von Parteien, denen qua Art. 21 I 3, 4 GG und dem PartG eine besondere Pflicht zur Publizität auferlegt wird. 3 0 8 Die fehlende Verpflichtung zur Öffentlichkeit und damit das Recht auf Selbstbestimmung über das Maß an Öffentlichkeit von Religionsgesellschaften spiegelt sich etwa in § 5 III Rundfunkstaatsvertrag wider, der das Recht auf Kurzberichterstattung bei Veranstaltungen von Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften ausschließt.

b) Öffentlichkeit

und religiös-weltanschauliche

Neutralität

Neben der grundrechtlichen Perspektive ist die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates wirkmächtig für das verfassungsrechtliche Angebot zur Öffentlichkeit von (organisierter) Religion. Die religiös-weltanschauliche Neutralität nach dem Grundgesetz fordert die Permeabilität des Staates für den Faktor Religion und Weltanschauung (s. ο. II.). Das nämliche Prinzip verlangt aber zugleich, daß Religion und Weltanschauung Sache des Bürgers und nicht des Staates ist. 3 0 9 Eine eigene religiös-weltanschauliche „Daseinsvorsorge 4' ist dem Staat deshalb verwehrt. Die derart gebotene Offenheit des Staates für Religion bei gleichzeitigem Verbot des Zugriffs des Staates auf Religion generiert zwangsläufig Aspekte eines Status der Öffentlichkeit von Religionsgesellschaften. Mit dem grundgesetzlichen Status der Öffentlichkeit korrespondiert ein theologisch-kirchliches Selbstverständnis vom „ Öffentlichkeitsauftrag " der Kirchen. 310 Ohne ausdrückliche Rezeption durch die Verfassung (wie in Art. 36 III 1 Brand.Verf.) oder durch andere Rechtsquellen (wie in der sog. Loccumer Formel) 311 handelt es sich dabei allerdings weder um einen Rechtsbegriff noch um eine dogmatische Figur des (Verfassungs-)Rechts. 312 Die Mitwirkung an der freien geistigen Auseinandersetzung in der Gesellschaft ist den Religionsgesellschaften durch Art. 4 I, II GG / Art. 137 III WRV garantiert; ein darüber hinausgehendes, umfassendes „Wächteramt" mit rechtlich bindenden Einspruchs- und Mitwirkungsrechten von Religionsgesellschaften bei staatlichen Entscheidungen besteht dagegen außerhalb der verfassungsrechtlich festgelegten oder zulässigen Fälle selbstredend nicht. Und auch dann sind jeweils die vom Grundgesetz gesetzten Grenzen, etwa 308 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 21 Rdnr. 105 ff.; H. M. Heinig/T. Jura 2000, 393 ff. 309 H. M. Heinig, Grundierungen, S. 118.

Streit,

310 Hierzu W Conrad, Der Öffentlichkeitsauftrag der Kirche, 1964; Κ Schiaich, HdbStKirchR 2 II, S. 131 ff.; W. Huber, Kirche und Öffentlichkeit, 2. Aufl. 1991, passim, insb. S. 628 ff.; G. Klostermann, Der Öffentlichkeitsauftrag der Kirchen, 2000, S. 129 ff.; C. Thiele, ZevKR 46 (2001), 179 ff. 311 Zur Loccumer Formel etwa G. Klostermann, S. 13 ff. 312 B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 157; cf. a. H Weber, Religionsgemeinschaften, S. 79 ff.

IV. Das Angebot eines Status der Öffentlichkeit

207

die Religionsfreiheit Dritter, die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates oder das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip zu achten.

2. Besondere religionsrechtliche Ausformungen des öffentlichen Status a) Anstaltsseelsorge Die Bedeutung der Religionsfreiheit für das religionsverfassungsrechtliche Angebot eines Status der Öffentlichkeit von organisierter Religion realisiert sich in besonderer Form, wenn Bürger einem gegenüber dem normalen status civitatis erhöhten staatlichen Zwang unterworfen werden, also im Militär, in Gefängnissen, abgeschwächt auch in Schulen. Damit sind Bereiche benannt, die früher unter dem Stichwort „besondere Gewaltverhältnisse" firmierten. 313 In solchen „totalen Institutionen" 314 ist die Grundrechtsausübung qua institutioneller Zwänge stark eingeschränkt. 315 Kompensatorisch zu diesem Verlust an grundrechtsgeprägter Handlungsfreiheit wirkt im Hinblick auf Art. 4 I, II GG die Etablierung von zeitlichen und organisatorischen „Korridoren" der freien Religionsausübung. Derartige Ausgleiche bestehen in der Garantie des Zugangs für Religionsgesellschaften zu ihren Mitgliedern, die in staatliche Anstalten integriert sind. Die Garantie öffentlicher Anstaltsseelsorge in Art. 141 W R V 3 1 6 und z.T. auch der Religionsunterricht in staatlichen Schulen nach Art. 7 III GG sind in dieser Linie zu sehen. Auch zu öffentlichen Krankenhäusern und sonstigen Heilanstalten wird durch Art. 141 WRV der Zugang für Religionsgesellschaften garantiert. Hier wirkt nicht die mit Befehl und Zwang durchsetzbare gesteigerte Vereinnahmung in staatliche Organisationen, sondern die faktische Begrenzung der Handlungsmöglichkeiten der Patienten zwanghaft der grundrechtlich geschützten religiösen Entfaltung entgegen. Die verfassungsrechtliche Absicherung der Anstaltsseelsorge versucht auch diese Form des nicht-staatlich verursachten Verlustes effektiver Möglichkeiten der Grundrechts Verwirklichung aufzufangen. Die religiösen Organisationen fungieren in diesem Bereich der Zugangsrechte metaphorisch, nicht rechtstechnisch gesprochen - als Treuhänder der Grundrechte ihrer Mitglieder. Maßgebliche Bezugsgröße bleibt das Individuum in der totalen Institution. Dies kommt in Art. 141 WRV durch das Merkmal des „Bedürfnisses" 313 Cf. Κ . Hesse, Grundzüge, S. 144 f.; Η Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Vorb. Rdnr. 84. m. w. N. 314 Cf. E. Goffman, Asyle, 1974. 315 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 141 WRV Rdnr. 5; M. Bock, Religion im Militär, 1994, S. 101 ff. m. w. N. 316 Näher J. Ennuschat, Militärseelsorge, 1996; S. Eick-Wildgans, Anstaltsseelsorge, 1993; dies., HdbStKirchR 2 II, S. 995 ff.; R. Seiler, ebenda, S. 961 ff.; M. Heintzen, ebenda, S. 985 ff.; D. Pirson, Essener Gespräche 23 (1989), S. 4 ff.

2 0 8 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

der Betroffenen wie dem Verbot von Zwang zum Ausdruck. Der aus der individuellen Religionsfreiheit sich speisende Anspruch des in die Institutionen Eingegliederten auf freie Religionsausübung, insb. auf seelsorgerliche Betreuung, droht durch die besonderen Sachzwänge der Anstalten und auch durch mißbräuchliche Verweigerung seitens der Anstaltsleitung ausgehöhlt zu werden. Durch die selbständige Berechtigung von Religionsgesellschaften in Art. 141 WRV wird diesen deshalb eine Art partielles „Wächteramt" für die religiösen Interessen ihrer Mitglieder zugebilligt. Hierdurch soll das tatsächliche Inanspruchnehmenkönnen der religionsfreiheitlich fundierten Rechte durch die Anstaltsinsassen sichergestellt werden. b) Religionsunterricht Gewisse Parallelen hierzu bestehen bei der Garantie der Einrichtung eines Religionsunterrichtes in öffentlichen Schulen nach Art. 7 III GG. Diese ist historisch vor dem Hintergrund ehemals in gesellschaftlicher Eigenregie betriebener Angelegenheiten zu sehen, wozu vor Einführung der allgemeinen staatlichen Schulpflicht das Betreiben von Schulen durch Kirchen zählte. Die Etablierung eines Religionsunterrichts als ordentliches Unterrichtsfach stellte damit (auch) ein schul- und religionspolitisches Kompensationsgeschäft dar. Heute freilich dominiert eine verfassungstheoretische Perspektive auf Art. 7 III GG, die den von Art. 4 I, II GG und Art. 6 GG gespeisten Grundrechtsschutz einer religiösen Prägung der individuellen Bildungsbiographie fokussiert. Entscheidende Bezugsgröße des in staatlicher „Unternehmerschaft" 317 betriebenen Religionsunterrichts ist, ähnlich der Anstaltsseelsorge, der in die öffentliche Schule zwangsweise eingegliederte Grundrechtsträger. 318 Diesen wird von Verfassungs wegen ein Recht auf ein religiöses Element in der schulischen Sozialisation eingeräumt. Durch eine solche Lesart ist zugleich einer Verkürzung des Art. 7 III GG auf ein Missionsrecht der Kirchen „im Windschatten staatlicher Autorität" entgegengewirkt. 319 Ungeachtet dieser Individualkomponente in Art. 7 III GG kommt den Religionsgesellschaften insoweit eine wichtige Mittlerrolle zu, als unter den Bedingungen des religiös-weltanschaulichen Staates nur sie für die Inhalte des Religionsunterrichts verantwortlich zeichnen können. Dem Staat ist nämliches von Rechts wegen untersagt, einem direkten inhaltlichen Direktivrecht der Eltern und Schüler selbst stehen vor allem pragmatische Gesichtspunkte entgegen. Art. 7 III GG begründet gleichwohl kein ursprüngliches Recht der Religionsgesellschaften auf Erziehung, sondern ist von den religiösen Interessen der Schüler und ihrer Erziehungsberechtigten her zu sehen. Dies schlägt sich systematisch etwa in der Voranstellung des Art. 7 II GG nieder. Bevor das Grundgesetz weitere Aussagen über das Ob eines 317 c. Link, HdbStKirchR 2 II, S. 439 (472). 318 A. Hollerbach, HStR VI, § 140 Rdnr. 42. 319 So aber der Vorwurf von L. Renck, NVwZ 1992, 1171.

IV. Das Angebot eines Status der Öffentlichkeit

209

Religionsunterrichts in Art. 7 I I I GG trifft, wird klargestellt, daß die Bestimmungsmacht über die Teilnahme zunächst den Eltern (und den religionsmündigen Schül e r n ) 3 2 0 zukommt. In Fortführung dessen ist in Art. 7 I I I GG eine subjektiv-rechtliche Berechtigung der Eltern und Schüler 3 2 1 dahingehend zu sehen, daß der Staat einerseits die organisatorischen und materiellen Voraussetzungen für die Erteilung eines Religionsunterrichts schafft und damit seiner Verpflichtung zur „Unternehmerschaft" 3 2 2 des Religionsunterrichts gerecht w i r d , 3 2 3 sowie andererseits die Teilnahme Glaubenszugehöriger an einem bestehenden Religionsunterricht ermögl i c h t . 3 2 4 Die nämlichen subjektiven Rechte stehen zugleich den Religionsgesell320 Art. 7 II GG legt nicht weiter fest, bis zu welchem Alter den Erziehungsberechtigten das Bestimmungsrecht zur Teilnahme am Religionsunterricht zukommt. Dieses zu konkretisieren ist Aufgabe des Gesetzgebers. Grundsätzlich wird in der Rechtspraxis deshalb auf die Altersgrenze von 14 Jahren aus § 5 des Reichsgesetzes über die religiöse Kindererziehung zurückgegriffen. Probleme bereitet dies aber in Bayern und dem Saarland. In deren Verfassungen ist die Altersgrenze für eine eigene Abmeldungsbefugnis der Schüler auf das 18. Lebensjahr hochgesetzt. In der Literatur findet man den Vorschlag, hier § 5 RKEG insg. als von Art. 137 I Bay.Verf., Art. 29 II Saarl.Verf. überlagert anzusehen (eingehend: C. Link, HdbStKirchR 2 II, S. 439 [474 ff.] m. w. N. zum gesamten Fragenkreis; A. Hollerbach, HStR VI, § 138 Rn. 36). Dies vermag nicht zu überzeugen: Die Austrittsfreiheit des Minderjährigen aus Religionsgesellschaften, die in der negativen Religionsfreiheit wurzelt und durch das RKEG bundesrechtlich verfassungsgemäß konkretisiert wurde, kann nicht landesrechtlich verkürzt werden, denn: Bundesrecht bricht Landesrecht (Art. 31 GG) und Art. 125 GG findet auf die genannten bayerischen und saarländischen Vorschriften nur insoweit Anwendung, als sie die Abmeldung vom Religionsunterricht, nicht aber die sonstige Austrittsfreiheit Minderjähriger regeln. Deshalb ist in der Religionsmündigkeit nach dem RKEG auch in Bayern und dem Saarland das Austrittsrecht aus Religionsgesellschaften ab dem 14. Lebensjahr zu sehen. A maiore ad minus ist hieraus aber auch die bundesrechtlich garantierte Abmeldungsfreiheit vom Religionsunterricht im gleichen Alter zu schließen. Denn es wäre „wenig plausibel, ... daß sich der ,religionsmündige' Jugendliche dem Religionsunterricht nur durch Kirchenaustritt entziehen könnte." (Link, a. a. O., S. 476). Art. 137 I Bay.Verf. und Art. 29 II Saarl.Verf. werden somit funktional durch § 5 RKEG überlagert. 321 Str. wie hier bejahen eine subjektiv-rechtliche Berechtigung der Eltern und Schüler durch Art. 7 III GG etwa M. Heckel, JZ 1999, 741 (750); H. de Wall, NVwZ 1997, 465 ff.; ders., ZevKR 1997, 353 (361 ff.); S. Mückl, AöR 122 (1997), 513 ff.; S. Huster, Neutralität, S. 349 ff.; U. Hildebrandt, Das Grundrecht auf Religionsunterricht, 2000, S. 177 ff.; a.A. dezidiert B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 213 ff. m. w. N.; cf. im Überblick a. J. Oebbecke, DVB1. 1996, 336 (339). 322 C. Link, HdbStKirchR 2 II, S. 439 (472). 323 Zum Umfang dieser Verpflichtung wiederum C. Link, HdbStKirchR 2 II, S. 439 (459 ff.) m. w. N.; aus der Rspr. etwa BVerfGE 74, 244 ff.; BVerwGE 42, 346 ff. 324 Zurecht wird darauf hingewiesen, daß es irreführend ist, von einem „Grundrecht auf Religionsunterricht" im engeren Sinne zu sprechen; ein originärer Leistungsanspruch der Eltern und Schüler auf Religionsunterricht gegen den Staat kann es nicht geben, da die Mitwirkung der Religionsgesellschaft für die Realisierung eines solches Rechtes unabdingbar ist. Dies heißt jedoch nicht, daß es keinen subjektiv-rechtlichen Anspruch gegenüber dem Staat gibt, daß dieser das Seine zur Realisierung des Art. 7 III GG pflichtgemäß beiträgt; so aber B. Jeand'Heur/B. Korioth, S. 213 f.; 5. Korioth, NVwZ 1997, 1041 (1044 ff.); L. Renck, NVwZ 1992, 1171. Die Bereitschaft der Religionsgesellschaft zu erreichen, den notwendigen Part zur Erteilung eines Religionsunterrichts einzunehmen, ist Sache der Eltern in ihrer Rolle als

14 Heinig

2 1 0 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

Schäften als zur inhaltlichen Prägung des Unterrichts Berechtigten zu. 3 2 5 In verfassungstheoretischer Perspektive kommt den Religionsgesellschaften insoweit wiederum die Rolle des „Treuhänders" der religiösen Interessen ihrer Mitglieder zu. c) Parität und Öffentlichkeit

bei Art. 7 III GG und Art. 141 WRV

Sowohl Art. 7 III GG als auch Art. 141 WRV stellen ein staatliches Angebot an alle Religionsgesellschaften - unabhängig von ihrer Organisationsform - dar, innerhalb staatlich organisierter und beaufsichtigter Strukturen gemäß dem religiösen Selbstverständnis unterweisend und seelsorgerisch zu wirken. Der Status der Parität und der Status der Öffentlichkeit sind insoweit verschränkt, als das in Art. 7 III GG und Art. 141 WRV zum Ausdruck kommende Angebot zur Öffentlichkeit nur von organisatorischen Minima der technischen Abwicklung, nicht aber von einer besonderen staatlichen Anerkennung, dem Testat einer besonderen gesellschaftlichen Nützlichkeit und religiösen Werthaftigkeit oder dem öffentlich-rechtlichen Korporationsstatus abhängt. 326 d) Sonstige religionsrechtliche

Formen der Öffentlichkeit

Das Religionsrecht kennt neben dem Religionsunterricht und der Anstaltsseelsorge noch weitere Angebote des öffentlichen Wirkens religiöser Organisationen. Während etwa Art. 7 III GG ein Recht zur Präsenz von Religion im staatlichen Schulwesen begründet, garantiert Art. 7 IV GG - in gewisser Weise unter dem Gesichtspunkt der Zwangseingliederung funktional äquivalent - eine Möglichkeit, sich der staatlichen Schulorganisation durch die Gründung konfessioneller Privatschulen zu entziehen. Zwar stehen Art. 7 I und damit III GG und Art. 7 IV GG in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis. 327 Die Zulassung von religionsgesellschafts-

Mitglieder der Religionsgemeinschaft, nicht des Staates; die Imperfektion eines „Grundrechts auf Religionsunterricht" ist insoweit zwangsläufig. Die Doppelperspektive der Eltern und Schüler gegenüber dem Staat (grundrechtlich) wie gegenüber der Religionsgesellschaft (mitgliedschaftlich - religionsfreiheitlich, insb. organisationsfreiheitlich geschützt) gilt es hinreichend zu würdigen. 325 u. Hildebrandt, S. 196 ff. m. w. N. 326 Der Körperschaftsstatus nach Art. 137 V WRV ist somit ein für die Inanspruchnahme der Rechte aus Art. 7 III GG und Art. 141 WRV hinreichender, nicht aber notweniger Organisationsgrad; vgl. C. Link, HdbStKirchR 2 II, S. 500 ff.; A. v. Campenhausen, ZevKR 25 (1980), 134 (146); M. Heckel, Gleichheit, S. 41; A. Hollerbach, HStR VI, § 140 Rdnr. 41; J. Winter, NVwZ 1991, 753 (755); S. Huster, Neutralität, S. 354 ff.; a.A. 5. Korioth, NVwZ 1997, 1041 (1046 ff.); cf. a. H. M. Heimann, Materielle Anforderungen an Religionsgemeinschaften für die Erteilung schulischen Religionsunterrichts, in: A. Haratsch u. a. (Hrsg.), Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, 2001, S. 81 ff. zur Diskussion um weitere Voraussetzungen. 327 R. Gröschner, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 7 Rdnr. 90.

IV. Das Angebot eines Status der Öffentlichkeit

211

eigenen Schulen stellt gleichwohl eine verfassungsrechtlich garantierte Möglichkeit organisierter Religion zum öffentlichen Wirken dar. Das Angebot eines Status der Öffentlichkeit schlägt sich auch nieder in den rundfunkrechtlich vorgesehenen Formen der Bestimmungsteilhabe im Rundfunk und der medialen Präsenz von Religion in besonderen Sendeformaten. 328 Diese sind maßgeblich auf öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften zugeschnitten (cf. 4. Kap. II.), beschränken sich jedoch nicht darauf. Hier prägt insbesondere die Vorstellung von Repräsentanz und Bedeutung der Religionsgesellschaften in der Gesellschaft das rechtliche Instrumentarium. Deshalb steht das Verflechtungsverbot des Art. 137 I WRV auch solcher Teilhabe nicht entgegen; im Gegenteil würde unter dem Gesichtspunkt der religiös-weltanschaulichen Neutralität eine merkwürdige Schieflage entstehen, wenn allen möglichen intermediären Institutionen der Zivilgesellschaft eine Mitgliedschaft in öffentlich-rechtlich organisierten gesellschaftlichen Repräsentativorganen eingeräumt würde, nur Religions- und Weltanschauungsgesellschaften nicht. 329 Wenn aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen in einem öffentlich-rechtlich organisierten Entscheidungsgremium gesellschaftliche Repräsentanz angestrebt wird, stehen weder das Verbot der Staatskirche noch der Grundsatz der religiös-weltanschaulichen Neutralität einer Mitpräsenz von organisierter Religion entgegen, da die Zwecke des Verflechtungsverbotes hier nicht beeinträchtigt werden. Die durch Art. 5 I GG ermöglichte spezifische Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks rechtfertigt die Mitgliedschaft von Kirchen und anderen Religionsgesellschaften in systembedingten Vertretungs- und Verantwortungsgremien wie den Rundfunkräten. Freilich ist dem Prinzip der Parität genüge zu tun (was unter dem verfolgten Zweck nicht formale Parität heißt cf. supra III.). Einem Status der Öffentlichkeit ist ferner auch die rechtliche Möglichkeit von Religionsgesellschaften, als Rundfunkbetreiber zu agieren, zuzuordnen. 330 Zu einem Status der Öffentlichkeit lassen sich daneben in einem weiteren Sinne auch theologische Fakultäten bzw. Fachbereiche und Professuren bzw. Lehrstühle rechnen. In gewissem Zusammenhang hiermit - nämlich der Zusammenführung von Art. 4 I, II/Art. 137 III WRV und Art. 5 III GG - steht auch die religionsrechtliche Flankierung der kirchlichen Hochschulen und sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen von Religionsgesellschaften. Für die öffentliche Wahrnehmung von Kirche ist schließlich ihr diakonisches Wirken von zentraler Bedeutung; seine rechtlichen Garantien, 331 insbesondere die

328 c. Link, HdbStKirchR 2 II, S. 251 ff.; ders., ebenda, S. 285 ff. m. w. N. 329 Gleichwohl läßt sich nicht ohne weiteres aus diesem Gedanken ein subjektiv-rechtlicher Anspruch einer bestimmten Religionsgesellschaft auf Präsenz in einem Aufsichtsgremium ableiten. 330 Cf. infra 4. Kap. II. 2. b). 14*

212

3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

rechtlichen Einbindungen in die das Sozialstaatsprinzip konkretisierenden wohlfahrtsstaatlichen Strukturen nach SGB I-XI, dem BSHG, dem KJHG etc. 3 3 2 sind auch Teilelemente des hier verhandelten Öffentlichkeitsstatus. Ähnlich sind weitere punktuelle Kooperationen zwischen Staat und Religionsgesellschaften einzuordnen. Schließlich sei noch auf das Sonn- und Feiertagsrecht verwiesen, daß das öffentliche Wirken von Religionsgesellschaften indirekt tangiert, indem Zeitressourcen der Mitglieder für religiöse Geselligkeit 333 abgesichert und Störungsverbote statuiert werden (s. u. V.).

V. Religionsverfassungsrechtliche Statusflankierung Das Grundgesetz kennt neben den bisher behandelten, einem Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz zuzuordnenden Bestimmungen mit dem Gebot der Ablösung von Staatsleistungen (Art. 138 I WRV), einer besonderen Vermögensgarantie (Art. 138 II WRV) sowie dem Schutz von Sonn- und Feiertagen (Art. 139 WRV) rechtsformunabhängige Gewährleistungen für Religionsgesellschaften, die diesen vierfältigen Status flankieren und effektvieren, ohne einer der Dimensionen direkt zugeordnet werden zu können. Sie seien im folgenden näher skizziert. Dabei sei etwas näher auf die Frage eingegangen, welcher verfassungsrechtliche Schutz staatlichen Subventionen zukommt. Diese Problematik wird dann im 5. Kapitel wieder aufgenommen, wenn die europarechtliche Zulässigkeit von Beihilfen an religiöse Organisationen thematisiert wird. Soweit Subventionen durch Art. 138 WRV geschützt wären, drohte ein Verfassungskonflikt, sollten sich diese als mit europäischem Wettbewerbsrecht unvereinbar erweisen.

1. Religionsbezogener Vermögensschutz nach Art. 138 WRV Der religionsspezifische Vermögensschutz nach Art. 138 WRV weist Bezüge zu allen vier Aspekten des organisationsbezogenen Religionsverfassungsrechts auf. Mit dem Schutz des Vermögens von Religionsgesellschaften zielt die Bestimmung auf das materielle Substrat ihrer Tätigkeit, auf die Sicherung der vermögensspezifischen Grundlagen als Bedingung weltlichen Wirkens von Religion. 334 Die freiheit331 Cf. J. Isensee, HdbStKirchR 2 II, S. 665 ff.; O. Depenheuer, ebenda, S. 757 ff.; B. Kämper, ebenda, S. 831 ff.; ders., Kindergärten in kirchlicher Trägerschaft, 1991; A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 179 ff.; ders., FS Zacher, 1998, S. 95 ff. jeweils m. w. N. 332 Cf. etwa § 17 III SGB I; §§ 2 III, 11 II, 73 III 2 SGB XI; § 4 I, II, III, § 5 V, § 9 Nr. 1 SGB VIII; § 10 I, II BSHG; näher und ferner 7. Isensee, HdbStKirchR 2 II, S. 665 (752 ff.). 333 Gemeint ist religiöse Geselligkeit im Sinne F.D. Schleiermachers. 334 j. Hechel, FS Smend, 1952, S. 103 (105); Κ Hesse, ZevKR 5 (1956), 62 (72 ff.); M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 138 WRV Rdnr. 11.

V. Religionsverfassungsrechtliche Statusflankierung

213

liehe Betätigung von Religionsgesellschaften bedarf der Aufdauerstellung finanzieller Unabhängigkeit, der unbeschränkten Verfügungsgewalt über das eigene Vermögen und der Abwesenheit indirekter inhaltlicher staatlicher Steuerung durch das generalisierte Medium Geld. Die religiöse Gleichheit kommt in Art. 138 WRV dergestalt zum Ausdruck, daß alle Religionsgesellschaften (und Weltanschauungsgesellschaften) in die Regelungen einbezogen sind. 335 Die Öffentlichkeit von Religion wird besonders durch die Zweckbestimmungs- und - beständigkeitsgarantie des Art. 138 II WRV unterstrichen, 336 während das Ablösegebot des Art. 138 I WRV eine Spezifizierung der Trennung von Staat und Kirche (Art. 137 I WRV) und damit des Differenzprinzips darstellt. 337

a) Die Religionsgutsgarantie

nach Art. 138 II WRV

Art. 138 II WRV gewährleistet das „Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen". Während die Auslegung dieser Norm in der Weimarer Zeit maßgeblich unter dem Eindruck der Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit entschädigungsloser Enteignungen stand, 338 hat sich spätestens mit der Inkorporation der Norm in das Grundgesetz der Akzent wieder auf die tradierte Bedeutung des Säkularisationsverbotes als spezifischem Schutz der Bestimmungsmacht von religiösen Organisationen über die religionsdienenden Vermögenspositionen verlegt. Denn eine Vermögenswerte Rechtsposition als solche erfährt nunmehr unter dem Grundgesetz ihre Bestands- und - anders als unter Art. 153 II 2 WRV - Wertsicherung durch Art. 14 GG. Art. 138 II WRV konkretisiert deshalb vor allem zwei sich bereits aus der Selbstordnungs- und -Verwaltungsgarantie ergebende religionsspezifische Rechte, nämlich das Recht der religiösen Zweckbestimmungsfreiheit und das Recht der Zweckbestimmungsbeständigkeit für Vermögenswerte Rechtspositionen von Religionsgesellschaften: Deren religionsdienende Funktion soll staatlicherseits nicht leichterhand ausgehebelt werden können, insbesondere soll vor den historisch wirkmächtigen staatlichen Umwidmungen kirchlichen Vermögens zu anderen, öffentlichen Zwecken Schutz gewährt werden. 339

335 BVerfGE 99, 100 (120); BVerwGE 87, 115 (122 ff.) zur Irrelevanz der Organisationsform, cf. D. Ehlers, in: M. Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 138 WRV Rdnr. 8; K.-H. Kästner, HdbStKirchR 2 I, S. 891 (897); J. Lücke, JZ 1998, 534 (538 f.). 336 j m Heckel, FS Smend, 1952, S. 103 ff.; K. Hesse, ZevKR 5 (1956), 62 (72 ff.). 337 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 138 WRV Rdnr. 13. 338 G. Anschütz, Verfassung, Art. 138 Anm. 7; cf. a. T. P. Wehdeking, Die Kirchengutsgarantien, 1971, S. 23 ff.. 339 K.-H. Kästner, HdbStKirchR 2 II, S. 891 (892); M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 138 WRV Rdnr. 27; A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 316 f.; ders., BayVBl. 1971, 336 ff.

2 1 4 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

Neben Religionsgesellschaften sind auch religiöse Vereine, also religiöse Partialzwecke verfolgende Vereinigungen, selbst Begünstigte, ohne daß es der Ableitung dieser Rechte von einer Religionsgesellschaft bedarf.

aa) Eigentum und andere Rechte Der Wortlaut des Art. 138 II WRV zeugt von einer Verfassungstextstufe mit einem gegenüber heutiger Verfassungsinterpretation eingeschränkten Eigentumsverständnis. Unter Eigentum wurde zunächst nur solches im Sinne der §§ 903 ff. BGB verstanden. Jegliche darüber hinausgehende Rechte wurden in Art. 138 II WRV als „andere Rechte" erfaßt. An dieses Verständnis des verfassungsrechtlichen Terminus „Eigentum" ist der Interpret der in das Grundgesetz inkorporierten Norm nicht gebunden.340 Der weit interpretierte Eigentumsbegriff in Art. 14 GG deckt sich vielmehr mit dem in Art. 138 II WRV. 341 Gleichwohl verbleibt ein eigenständiger Bedeutungsbereich des Merkmals „andere Rechte" dort, wo Vermögenswerte öffentliche Rechtspositionen von Religionsgesellschaften und religiösen Vereinen nicht auf Vorleistungen beruhen und deshalb von Art. 14 GG nicht erfaßt sind, 342 etwa öffentlich-rechtliche Nutzungsrechte 343 oder - praktisch bedeutsam - Kirchenbaulasten.344 Geschützt wird durch Art. 138 II WRV jedoch nur der nach Maßgabe von Verfassung und einfachem Recht begründete Bestand und Gehalt der Rechte; 345 die Norm erweitert sie nicht. Etwaige immanente Beschränkungen sind an einer Aktualisierung durch Art. 138 II WRV nicht gehindert. 346

bb) Zwecke Die Aufzählungen der religiösen Zweckbestimmungen des Kultus, Unterrichts und der Wohltätigkeit in Art. 138 II WRV sind nur beispielhaft; maßgeblich ist letztlich das religiöse Selbstverständnis des Rechtsträgers, welches im Streitfall zu plausibilisieren ist. 3 4 7 Die Nennung von edukativen und sozialen Aktivitäten liefert jedoch einen Indikator für die Intensität der religiösen Zweckbezüge der geschütz340 Klassisch: „Wenn zwei Grundgesetze dasselbe sagen, so ist es nicht dasselbe", R. Smend, ZevKR 1 (1951), 4 (4). 341 D. Ehlers, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 138 Rdnr. 7. 342 a. Endrös, ZevKR 33 (1988), 285 (290); K.-H. Kästner, HdbStKirchR 2 II, S. 891 (898). 343 A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 312. 344 Speziell zu Kirchenbaulasten BVerwGE 28, 179 (183); 38, 76 (81 ff.); cf. a. Α. ν. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 312 ff. 345 Dies wirkt sich auf den Schutz von Staatsleistungen i. S. d. Art. 138 I WRV aus, die zwar grundsätzlich auch den Schutz des Art. 138 II WRV genießen, jedoch nur unter dem Ablösevorbehalt aus Abs. 1. 346 BVerfGE 99, 100 ff. 347 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 138 Rdnr. 29.

V. Religionsverfassungsrechtliche Statusflankierung

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ten Objekte: eine aus der Perspektive eines Beobachters mittelbar religionsdienende Funktion reicht aus. 348 Dieses Ergebnis ist auch deshalb überzeugend, weil es der allgemeinen Selbstverständnisdogmatik entspricht, wenn der Verfassung zwar gewisse Typisierungen, aber keine abschließenden Kriterien für die erforderliche Unmittelbarkeit der Religionsdienlichkeit entnommen werden: diese hängt maßgeblich von der jeweiligen religiösen Lehre ab. Deshalb vermögen auch zahlreiche Versuche der Schutzbereichseinschränkung bei Art. 138 II WRV nicht zu überzeugen, etwa eine Begrenzung der Verfassungsgarantie auf Rechte öffentlichrechtlich organisierter Religionsgesellschaften 349 oder auf von diesem Rechtsstatus unabhängig definierte res sacrae. 350

cc) Arten abgewehrten Verhaltens durch Art. 14 GG und Art. 138 II WRV Gemäß dem Telos der Norm, einen Art. 14 GG ergänzenden, speziellen Schutz der religiösen Funktion von Vermögenswerten Rechten zu gewährleisten, wehrt Art. 138 II WRV jede Beeinträchtigung in „Besitz und ungestörtem Genuß" (Art. 15 Verf.Preußen 1850) der benannten religionsdienenden Rechte ab. Eine trennscharfe Abgrenzung zu Art. 14 GG kann und braucht dabei nicht erfolgen, da die Freiheit der Art und Weise der Nutzung von Eigentum grundsätzlich auch vom generellen Eigentumsschutz erfaßt ist. Ein weitgehender Parallellauf zwischen beiden Normen besteht bei Inhalts- und Schrankenbestimmungen. Eine Abschichtung beider Normen kann immerhin insoweit erfolgen, als die Enteignung als solche als eine Form des Eigentumseingriffs von Art. 14 III GG abschließend geregelt wird und Art. 138 II WRV hier nur eine Schutzverstärkung durch den Aspekt der Religionsbestimmung enthält. Nur Art. 138 II WRV ist dagegen einschlägig, wenn andere Rechte im Sinne der Norm betroffen sind, die kein Eigentum nach Art. 14 GG darstellen, also öffentlich-rechtliche Vermögenswerte Rechte ohne eigene Vorleistungen der religiösen Organisation. In diesem Fall erfolgt keine „Auffüllung" des Funktionsschutzes durch einen mit Art. 14 III GG identischen Enteignungsschutz, sondern es bleibt bei der Religionszwecksicherung durch Art. 138 II WRV. Dies führt in der Sache auch unter dem Gesichtspunkt der Entschädigungspflicht zu keinen anderen Ergebnissen. Maßgeblich für die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Enteignung sind die ver-

348 j, Lücke, JZ 1998, 534 (540); M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 138 Rdnr. 30. 349 Cf. BVerfGE 99, 100 Ls. 2: „Die Kirchengutsgarantie schützt alle Religionsgesellschaften unabhängig von ihrer Organisationsform". 350 Die altherkömmlichen Rechte, die mit res sacrae verbunden sind, können allerdings sonstiges Recht i. S. d. Art. 138 II WRV bilden; cf. Α. Hense, Glockenläuten und Uhrenschlag, 1998, S. 285 ff.; daneben tritt der besondere öffentlich-rechtliche Sachenrechtsschutz aus Art. 137 V WRV, wenn eine öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft vorliegt (cf. infra 4. Kap. II. l.d.).

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3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

fassungsrechtlichen Grenzen des Art. 138 II WRV, also Art. 137 III WRV, wie sogleich anzusprechen ist. Die Entschädigung ist aber in aller Regel Vorraussetzung für einen dem Schrankenprogramm des Art. 137 III WRV gerecht werdenden Entzug der öffentlich-rechtlichen Vermögenswerten Rechtsposition. Zur Veranschaulichung der möglichen Konstellationen: Der klassische Fall eines Doppeleingriffs in Art. 14 I GG und Art. 138 II WRV wäre die Enteignung eines in kirchlichem Eigentum befindlichen Grundstücks mit einem darauf gebauten Kirchengebäude, um es abzureißen und das Grundstück anderweitig, „weltlich" zu nutzen. Bleibt das Grundstück dagegen Eigentum der Religionsgesellschaft mit der staatlichen Auflage einer rein profanen Benutzung, stünde Art. 138 II WRV im Vordergrund, zugleich wäre aber durch die Inhalts- und Schrankenbestimmung auch Art. 14 I, II GG berührt. Wird umgekehrt zwar die Kirche enteignet, behält aber die vollen Nutzungsrechte für religiöse Zwecke, bemißt sich die Verfassungswidrigkeit der staatlichen Handlung nach Art. 14 GG; Art. 138 II WRV träte demgegenüber zurück.

dd) Die Schranke des für alle geltenden Gesetzes Die Religionsgutsgarantie des Art. 138 II WRV unterliegt den Schranken des für alle geltenden Gesetzes nach Art. 137 III WRV, 351 was vor allem Inhalts- und Schrankenbestimmungen im notwendigen Ausmaß ermöglicht. „Die Ordnung und Verwaltung des Kirchenguts, dessen Funktion und Widmung durch Art. 138 Abs. II WV speziell gesichert ist, ist Bestandteil des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und unterliegt seinen Schranken. Wie man den positiven Sinn der Kirchengutsgarantie in der Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen, ihrer Eigenständigkeit und freien Autorität ,nach der Seite ihres materiellen Substrats' gesehen hat - also durch die Beziehung auf die Kirchenfreiheitsgarantie des Art. 137 Abs. III WV/Art. 140 GG - , so muß dies auch im Negativen für ihre Grenzen gelten." 352 Die Bindung des für alle geltenden Gesetzes aus Art. 137 III WRV soll sich auch auf den Umgang von religiösen Verbänden mit dem religionsbezogenen Vermögen, dessen freiheitlicher Schutz durch Art. 138 II WRV eine besondere Reformulierung erfahren hat, erstrecken. 353 Dies erscheint insoweit problematisch, als die Schranke des Art. 137 III WRV auf religiöse Vereine keine Anwendung findet. Freilich ist festzuhalten, daß solche religiösen Vereine, die aus Religionsgesellschaften organisatorisch ausgegliedert sind, aber von diesen abgeleitet die korporative Religionsfreiheit des Art. 137 III WRV in Anspruch nehmen (s. ο. I. 1. a.), auch der 351 BVerwGE 87, 115 (125 f.); K -Η. Kästner, HdbStKirchR 2 II, S. 891 (903); M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 138 Rdnr. 34; a.A. D. Pirson, FS Listi, 1999, S. 611 (621). 352 M. Heckel, Staat, S. 244 f. 353 K.-H. Kästner, HdbStKirchR 2 I, S. 891 (903); Κ Hesse, ZevKR 5 (1956), (76).

V. Religionsverfassungsrechtliche Statusflankierung

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Schranke des für alle geltenden Gesetzes unterliegen. Dies ist zugleich Ausdruck des dem grundgesetzlichen Staatskirchenrecht zu entnehmenden Gedanken, daß die Freiheiten der Religionsgesellschaften tendenziell strikteren verfassungsrechtlichen Begrenzungen unterliegen als die individuelle Religionsfreiheit. Soweit kein organisatorisches Klammerverhältnis zwischen dem religiösen Verein und einer Religionsgesellschaft besteht, findet die Schrankenklausel selbst dagegen keine unmittelbare Anwendung. Doch ergeben sich dann verfassungsrechtliche Rechtfertigungen in Eingriffe des Art. 138 WRV wie in die Religionsausübungsfreiheit der Vereinigung nach Art. 4 II GG über die Figur des kollidierenden Verfassungsrechts. Auch hier bedarf es der Zuordnung der Rechtspositionen durch ein Gesetz, welches - aus gleichheitsrechtlichen Gründen - dem Sonderrechtsverbot des Art. 137 III WRV ebenso zu genügen hat wie - aus freiheitsrechtsdogmatischen Gründen - dessen Abwägungsgebot.

b) Bestandsschutz durch Ablöse gebot: die Paradoxie des Art. 1381 WRV Staatsleistungen an Religionsgesellschaften sind nach der Maßgabe des Art. 138 I WRV abzulösen, d. h. als Rechtsinstitut gegen finanziellen Ausgleich zu liquidieren. 354 Der Begriff der Staatsleistungen ist dabei von seinem historischen Herkommen aus zu interpretieren: 355 nach zahlreichen Enteignungsschüben, insbesondere dem Reichsdeputationshauptschluß von 1803, wurden die materiellen Grundlagen der Kirchen maßgeblich durch staatliche Finanztransfers gesichert. Diese auf den in Art. 138 I WRV genannten Rechtsgrundlagen beruhenden, durch den Entschädigungs- und Pflichtübergangsgedanken geprägten, historisch bedingten, wiederkehrenden Vermögenswerten Zuwendungen356 sollen bei finanzieller Schadlosstellung aufgehoben werden. Dem Ablösegebot ist ein Begründungsverbot von neuen entsprechenden Leistungen inhärent. 357 Voraussetzung für die Ablösung von Staatsleistungen ist die Festlegung von Grundsätzen durch das Reich bzw. den Bund. Ohne den Erlaß einer derartigen Grundlage können die durch Art. 138 I WRV zur Ablösung verpflichteten Träger von Staatsgewalt (das sind der Bund selbst, die Länder und nach Inkorporation des 354

Zur „Institutsliquidation" H.-J. Brauns, Staatsleistungen an die Kirchen und ihre Ablösung, 1970, S. 88 ff. 355 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 138 Rdnr. 15; W. Weber, Die Ablösung der Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften, 1948, S. 47; A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 325 f.; J. Isensee, HdbStKirchR 2 I, S. (1018). 356 Cf. J. Isensee, HdbStKirchR 2 I, S. 1009 (1018 ff.); M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 138 Rdnr. 15 f. 357 H.-J. Brauns, S. 82 ff.; 91 ff.; U. K. Preuß, AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 140 Rdnr. 63; anders etwa J. Isensee, HdbStKirchR 2 I, S. 1009 (1057 ff.) m. w. N., der seine unter cc) skizzierte Abgrenzung von Staatsleistungen und Subventionen nicht konsequent für die Auslegung des Art. 138 WRV heranzieht.

2 1 8 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

Art. 138 I WRV in das Grundgesetz auch die Kommunen) dem Verfassungsgebot nicht nachkommen. Dies wurde in der Weimarer Reichsverfassung in Art. 173 ausdrücklich formuliert, ergibt sich aber bereits aus dem Wortlaut des Art. 138 I WRV selbst. Damit werden durch die Norm zwei gegenläufige Effekte evoziert. Einerseits fordert Art. 138 I WRV eine Neuordnung der finanziellen Beziehungen der Religionsgesellschaften zum Staat auf einem Teilgebiet, andererseits wird deren Realisierung einstweilen mangels der erforderlichen gesetzgeberischen Schritte von einem Einvernehmen der Beteiligten abhängig gemacht und damit faktisch ein Bestandsschutz ausgesprochen.

c) Sonderfall Subventionen aa) Begriffliche Unterscheidungen In verfassungsXtrminoXogischzx Hinsicht sind Staatsleistungen und Subventionen klar voneinander zu scheiden, wie Josef Isensee markant herausgearbeitet hat: Erstere beruhen auf in der Vergangenheit liegenden Rechtsgrundlagen, bewältigen „Altlasten4' in Form von Entschädigungen und mit Enteignungen einhergehende Überleitungen von Rechtspflichten, sind deshalb „kausal legitimiert", begründen sich aus einem „Opfer" der Kirchen für den Staat; letztere rechtfertigen sich aus einem in die Zukunft gerichteten öffentlichen Interesse, es geht (teilweise) um die Erfüllung von heutigen Staatsaufgaben, womit eine finale Legitimation besteht. Subventionen zielen auf die „Dienste" der Religionsgesellschaften für das staatliche Gemeinwesen.358 Typische Subventionsfälle sind Zuwendungen an Religionsgesellschaften im Bereich der Sozial- und Jugendhilfe, des Privatschulwesens, der Erwachsenenbildung oder des Denkmalschutzes. bb) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Subventionen für Religionsgesellschaften Die Beteiligung der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften an der ausgebildeten wohlfahrts- und kulturstaatlichen Subventionspraxis ist Gebot der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates, nicht Zeichen einer besonderen Bevorzugung von Religion. Religionsgesellschaften sind gegenüber anderen zivilgesellschaftlichen Trägern des sozialen, pädagogischen und kulturellen Engagements in gleichem Maße zu fördern, dürfen also nicht wegen ihrer religiösen Komponente benachteiligt werden. 359 Subventionen werden vom Neubegründungsver358 j. Isensee, HdbStKirchR 2 I, S. 1009 (1020 f.). 359 Zum Gesamtkomplex staatlicher Förderung a. G. Robbers, HdbStKirchR 2 I, S. 867 ff.; W. Kewenig, Essener Gespräche 6 (1972), S. 14 ff.; D. Pirson, Essener Gespräche 28 (1994), S. 83 ff.; W. Clement, ebenda, S. 41 ff.; H. R. Rupp, ebenda, S. 5 ff.; H. Marré, FS Hollerbach, 2001, S. 879 ff.; J. Müller-Volbehr, ZRG KA 86 (2000), 367 ff.

V. Religionsverfassungsrechtliche Statusflankierung

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bot für Staatsleistungen aus Art. 138 I WRV nicht erfaßt, ebensowenig wie ein fiskalischer Finanztransfer zwischen Religionsgesellschaften und staatlichen Einrichtungen durch Art. 138 I WRV gehindert ist. 3 6 0

cc) Abgabenprivilegien Per se keine Staatsleistungen sind die nicht vom Alimentationsgrundsatz historisch geprägten zahlreichen Abgabenprivilegierungen, die an den Status einer Religionsgesellschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts anknüpfen. 361 Sie bilden aber auch keine Subventionen in aufgezeigtem stricto sensu, sondern stellen eine besondere Form der grundrechtsdienenden Religionsförderung als Subvention sui generis dar. Sie sind als solche weder ablösebedürftig, noch unterliegen sie dem einstweiligen Bestandsschutz des Art. 138 I WRV. Ihre Abänderbarkeit bemißt sich vielmehr nach Art. 137 V WRV (s. u.) und Art. 138 II WRV (sogleich).

dd) Historisch: Staatsleistung/funktional: Subvention Daneben haben sich manche staatlichen Leistungen an Religionsgesellschaften historisch als Staatsleistungen herausgebildet, die heute zugleich die aufgezeigten Funktionen einer Subvention bedienen. Dies gilt insbesondere im Bereich der sog. negativen Staatsleistungen, also Gebühren- und Steuerbefreiungen, wenn sie ursprünglich vom Entschädigungs- und Rechtsnachfolgegrundsatz getragen waren. 362 Soweit Staatsleistungen in gleicher Form zugleich wieder als Subventionen begründet werden könnten, greift das Ablösegebot nicht, ist insoweit also teleologisch zu reduzieren. Allerdings sind hier die Prinzipien der Neutralität und Parität zu beachten.363 So ist beispielsweise fraglich, ob die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an Religionsgesellschaften eine Staatsleistung i. S. d. Art. 138 I WRV darstellt. Dies kann hinsichtlich ihrer Ablösebedürftigkeit offenbleiben, da die steuerliche Begünstigung von Spenden an „gemeinnützige" Organisationen dem allgemeinen Steuerrecht entspricht und sich als indirekte Subvention rechtfertigt. Eine Entscheidung ist jedoch dann geboten, wenn eine Ablösung ohne vorhergehende Grundsatzgesetzgebung, also ihre Ablösefähigkeit im Lichte des Art. 138 I WRV, 360 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 138 WRV Rdnr. 22 361 Die Befreiung von Gerichtsgebühren für öffentlich-rechtlich korporierte Religionsgesellschaften ist folglich keine Staatsleistung; cf. BVerfGE 19, 1 (13 f.); H.-J. Brauns, S. 41 ff.; J. Isensee, HdbStKirchR 2 I, S. 1009 (1024 ff.); U. K. Preuß, AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 140 Rdnr. 60. 362 Cf. BVerfGE 19, 1 (13 ff.) zu Gebühren und Steuerbefreiungen. 363 Hierzu bereits P. Häberle, AöR 97 (1972), 325 (327 f.).

2 2 0 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

in Frage steht. 364 Letztlich spricht die Mittelbarkeit der Förderung, also das Erfordernis des Dazwischentretens Dritter, der Spender, dagegen, daß hier der Alimentationsgedanke im Vordergrund stand, mithin liegt keine Staatsleistung vor. Vielmehr ist eine bloße Nutzen Wirkung bei den Religionsgesellschaften zu verzeichnen.

ee) Subventionen und Art. 138 II WRV Grundsätzlich können Subventionen andere Rechte i. S. d. Art. 138 II WRV darstellen und dem dadurch gewährten besonderen Funktionsschutz unterfallen. Dazu ist jedoch eine irgendwie geartete Bestimmungsmacht oder wie es teilweise heißt: Verfügungsgewalt der Religionsgesellschaften erforderlich. Denn diese zu schützen bezweckt Art. 138 II WRV. Erst mit dem Gewinn einer Rechtsposition, die zu einer eigenständigen Entscheidung über den religionsdienenden Einsatz von Vermögenspositionen berechtigt, greift Art. 138 II WRV. Dies ist bei der „subventionsartigen" Überlassung von Sachen, etwa staatlichen Gebäuden zum religiösen Gebrauch, ab Überlassung der Fall: die genauere Art und Weise der Nutzung ist dem Selbstverständnis der Religionsgesellschaft anheimgestellt. Dagegen fehlt es an einer solchen Zweckbestimmungsmacht seitens der Religionsgesellschaften in weiten Bereichen des gesetzlichen Sozialrechts, bevor ein konkreter Leistungsanspruch entstanden ist, auch wenn die generell gesetzlich vorgesehenen Leistungstransfers den Wohltätigkeitszwecken der Religionsgesellschaften dienen. Zumeist mangelt es hier bereits an einer eigentumsrelevanten Rechtsposition. Aber selbst wenn man diese für einen gesetzlichen Leistungsanspruch ohne Ermessenseinräumung bejahen würde, fehlt es bis zur Konkretisierung des Anspruchs durch einen Verwaltungsakt an einer hinreichend verdichteten zweckbestimmungsrelevanten Verfügungsgewalt. Auch danach ist zu überlegen, ob angesichts der staatlichen Zweckbindungen der Subventionen noch Raum für die Anwendung des Art. 138 II WRV besteht. Zudem gilt es gerade bei Subventionen zu bedenken, daß Art. 138 II WRV die Vermögensrechte nicht erweitert, sondern nur in ihrer vorhandenen Qualität schützt, also von Verfassungs wegen die Wirksamkeit etwaiger Änderungsvorbehalte, Bedingungen und Befristungen etc. nicht hindert. Solche Konditionen bestehen bei gesetzlichen Leistungsansprüchen etwa in Haushalts vorbehalten; die Subventionskompetenz steht dem Parlament zu. Jedenfalls für die Zukunft ist das Parlament als Haushaltsgesetzgeber deshalb grundsätzlich frei, Subventionen zu reduzieren, einzustellen oder umzuwidmen. 365

364

Eine solche Ablösebedürftigkeit könnte sich etwa theoretisch aus dem europäischen Wettbewerbsrecht ergeben; cf. infra 5. Kap. V. 6. 365 Cf. VGH Mannheim, NVwZ 2001, 1428 ff. zur Kürzung von Subventionen an kirchliche Träger.

V. Religionsverfassungsrechtliche Statusflankierung

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2. Der Sonn- und Feiertagsschutz (Art. 139 WRV) als religionsdienende Verfassungsgarantie Eine Statusflankierung erfahren die Religionsgesellschaften schließlich durch den in Art. 139 WRV verankerten Schutz von Sonn- und gesetzlich anerkannten Feiertagen als Tage der Arbeitsruhe und seelischen Erhebung. Ausweislich des Zweckprogramms ist Art. 139 WRV sowohl dem Staatskirchenrecht wie auch dem Wirtschafts- und Sozialverfassungsrecht zuzuordnen. In religionsverfassungstheoretischer Dimension stehen die Freiheit und Öffentlichkeit von Religion im Vordergrund. Art. 139 WRV garantiert die Institution der Sonn- und Feiertage, also einen durch feste Phasen der Arbeitsruhe geprägten bestimmten Zeitrhythmus, vor allem die Sieben-Tage-Woche mit einem grundsätzlich der Ruhe gewidmetem Sonntag. 3 6 6 Das Regel-Ausnahme-Verhältnis von sonntäglicher Arbeitsruhe und möglichen Ausnahmen hiervon ist staatlicherseits schützend auszugestalten. Dies dient einem ganzen Bündel an Verfassungsgütern, 367 etwa dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 II GG), der Ehe und Familie (Art. 6 GG), 3 6 8 der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (Art. 8 und 9 GG) 3 6 9 und - was für Religionsgesellschaften von Belang ist - der ungehinderten Religionsausübung (Art. 4 II GG). 3 7 0 Auch ließen sich eingedenk der Selbstzweckhaftigkeit freier Zeit Bezüge zur Würde des Menschen herstellen (Art. 1 I GG). 3 7 1 Aus diesem grundrechtsdienenden und -effektivierenden Charakter der Garantie des Art. 139 WRV sind, ebenso wie aus dem teilweise subjektiv-rechtlichen Gehalt der einfach-gesetzlichen sonn- und feiertagsschützenden Normen, für Art. 139 WRV subjektiv-rechtliche Abwehransprüche gegen Eingriffe in den veränderungsfesten „Kern" der Institution des Sonn- und Feiertagsschutzes zu extrahieren. 372 Weiterhin garantiert Art. 139 WRV einen subjektiven verfassungsrechtlichen Anspruch auf gesetzliche Ausgestaltung des Schutzes der Sonn- und gesetzlich aner366 BVerfG (K), NJW 1995, 3378 (3379); BVerwGE 79, 118 (122 ff.); 236 (238); 90, 337 (341 ff.); W. Rüfner, FS Heckel, 1999, S. 447 (448); K.-H. Kästner, HdbStKirchR 2 II, S. 337 (339 ff.); D. Ehlers, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 139 WRV Rdnr. 1; P. Häberle, Der Sonntag als Verfassungsprinzip, 1988, S. 21; A. Pahlke, Essener Gespräche 24 (1990), S. 53 (57); s.a. R. A. Lorz, JA 1992, 125 ff.. 367 cf. insg. M. Morloki H M. Heinig, NVwZ 2001, 846 (847). 368 s. Kirste, NJW 2001, 790 (791) - auch zu den folgenden (Verfassungs-)Rechtsgütern. 369 K.-H. Kästner, DÖV 1994, 464 (468). 370 w. Rüfner, FS Heckel, 1999, S. 447 (452); K.H. Kästner, HdbStKirchR 2 II, S. 337 (341 f.). 371 R. Richardi, Essener Gespräche 24 (1990), S. 117 (149); P. Häberle, Der Sonntag als Verfassungsprinzip, 1988, S. 65 f.; K.-H. Kästner, DÖV 1994, 464 (469). 372 M. Morloki H. M. Heinig, NVwZ 2001, 846 (850 f.). Der „Kern" der Einrichtungsgarantie bestimmt sich dabei durch die tradierte Typizität, nicht durch das Selbstverständnis des einzelnen Begünstigten. Da es sich bei Art. 139 WRV nicht um ein klassisches Freiheitsrecht handelt, sondern um ein Recht auf staatliche Schutzmaßnahmen, nimmt das Selbstverständnis keine dominierende Rolle bei der Schutzbereichsbestimmung ein.

2 2 2 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

kannten Feiertage. In Anlehnung an die verwaltungsrechtliche Ermessensfehlerlehre könnte man dabei sagen, daß staatlicher Schutz- oder Ausgestaltungsnichtgebrauch oder -fehlgebrauch zu einer Verletzung des Art. 139 WRV führt. 373 Art. 139 WRV zielt vorrangig auf die personale Integrität des Individuums, berechtigt also Einzelpersonen. Ebenfalls in Betracht kommt eine wesensmäßige Anwendung des Schutzgehaltes (Art. 19 III GG) auf Religionsgemeinschaften, ist die mögliche Anknüpfung an allgemein arbeitsfreie Sonn- und Feiertage für die Durchführung kirchlicher Veranstaltungen doch intendiert. Religionsgesellschaften sind zudem Träger von der Einrichtungsgarantie zuzuordnenden einfachgesetzlichen Sonn- und Feiertags Vorschriften. 374

VI. Staatskirchenrecht als Landesverfassungsrecht 1. Bundes- und Landesreligionsverfassungsrecht zwischen Kohärenz und Divergenz Religionsrecht ist föderal aufgefächertes Recht. In diesem Sinne fügt es sich in ein durch die Etablierung des Europarechts begründetes Mehrebenenreligionsrecht ein (cf. infra 5. Kap. IV.). Das deutsche Staatskirchenrecht ist im Rahmen der grundgesetzlichen Ordnung maßgeblich Landes(verfassungs)recht. Dies gründet sich einerseits, wie im nächstfolgenden Abschnitt (VII.) kurz angerissen werden soll, in den Kompetenzen der Länder zur gesetzlichen Konkretisierung des Religionsverfassungsrechts des Bundes. Andererseits statuieren die Verfassungen der meisten Länder spezifische Religionsbestimmungen, die die Rechtsstellung der öffentlich-rechtlichen und privatrechtlich organisierten Religionsgesellschaften in Deutschland mit prägen. Dieses Landesreligionsverfassungsrecht sei im folgenden näher betrachtet. Dreierlei Erwägungen führen zu einer gewissen Ausführlichkeit der Darstellung. Zum einen konkretisieren, reformulieren und transformieren die landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen den grundgesetzlichen Status der Freiheit, Parität, Publizität und Differenz von Religionsgesellschaften, so daß es lohnenswert erscheint, diese Wirkungen nachzuzeichnen. Dies gilt insbesondere, weil das Wechselspiel von Bundes- und Landesreligionsverfassungsrecht nicht gerade im Zentrum der Aufmerksamkeiten bisheriger staatskirchenrechtlicher Forschung steht. Schließlich soll in dieser Arbeit im 5. Kapitel der Einfluß des Europarechts auf die Rechtsstellung öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften betrachtet werden, so daß es naheliegt, vergleichend hierzu die Techniken des innerstaatlichen Rechtsebenenabgleichs zu betrachten. 373 M. Morlok/ H. M. Heinig, NVwZ 2001, 846 (850 f.). 374 M. Morlok/ H. M. Heinig, NVwZ 2001, 846 (851).

VI. Staatskirchenrecht als Landesverfassungsrecht

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a) Formierungsphasen und andere Unterschiede Betrachtet man die religionsbezogenen Normtexte der Länderverfassungen, ist dieses Länderverfassungsrecht durch eine gewisse Heterogenität gekennzeichnet, 375 die maßgeblich drei Umständen geschuldet ist: Zum einen wurden einige geltende Länderverfassungen noch vor der Verabschiedung des Grundgesetzes erlassen (so in Bayern, Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland). Zum anderen orientieren sich einige nach 1949 verabschiedete Verfassungen angesichts der bestehenden grundrechtlichen (und sonstigen staatskirchenrechtlichen) Bindungen der Länder durch das Grundgesetzes am Leitbild eines reinen Staatsorganisationsstatuts und verzichten auf Normierungen des Staat-Bürger- und damit auch des Staat-Kirchen-Verhältnisses (Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg). 376 Schließlich stehen die Verfassungen der fünf neueren Länder auch im Zeichen der DDR- und Wendeerfahrungen und der dabei jeweilig eingenommenen Rolle der beiden christlichen Kirchen. Die historischen Entstehungsbedingungen prägen die bestehenden Differenzen der länderverfassungsrechtlichen Bestimmungen für Religionsgesellschaften also maßgeblich. Diese Unterschiede bestehen zum einen inhaltlich, wie sogleich genauer nachzuzeichnen ist, damit Hand in Hand gehend aber auch in der Regelungstechnik. Neben dem Verzicht auf spezifische Normierungen des Verhältnisses der Länder zu Kirchen und anderen Religionsgesellschaften 377 kennen zahlreiche Länderverfassungen eine Inkorporation der 375 K. Obermayer, in: BK, Art. 140 GG (Zweitb. 1971) Rdnr. 100 spricht von einer Reihe „föderalistischer Friktionen", die u. a. wesentlich unterschiedlichen Bestimmungen der Landesverfassungen geschuldet seien, welche „zum Teil mit dem grundgesetzlichen Staatskirchenrecht kaum vereinbare Konzepte enthalten." 376 Cf. P. Badura, HdbStKirchR 2 I, S. 211 (247); A. Hollerbach, HdbStKirchR 1 I, S. 215 (232); M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 140 Rdnr. 23. Dies galt zumindest für die vorläufigen Verfassungen der genannten Länder; cf. für Niedersachsen nunmehr die nachfolgende Fn. 377 So der Logik des Organisationsstatuts folgend Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg; ferner hinsichtlich eines spezifischen korporationsbezogenen Religionsverfassungsrechts Berlin. In Niedersachsen änderte sich diese Situation freilich durch die 1993 verabschiedete endgültige Verfassung. Für einige Aufmerksamkeit sorgte dabei die nachträgliche Einfügung einer Präambel in die Verfassung vom 19. 05. 1993, die die vorläufige Landesverfassung ablöste. Die Novellierung vom 06. 06. 1994 erfolgte maßgeblich mit dem Ziel der Etablierung einer nominatio dei; cf. H.-G. Aschoff, (Hrsg.), Gott in der Verfassung, 1995. Unmittelbare staatskirchenrechtliche Rechtsfolgen sind hieraus nicht abzuleiten, aber in Zusammenschau mit den religionsverfassungsrechtlichen Angeboten eines Status der Öffentlichkeit signalisiert auch diese Präambel eine gewisse „Unbefangenheit" gegenüber dem Faktor Religion. Näher zur „Gottes"nennung in Verfassungstexten insg. H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Präambel Rdnr. 15; M. H Müller, ThürVBl. 1994, 176 ff.; J. Ennuschat, NJW 1998, 953 ff.; H. M. Heinig, ZevKR 46 (2001), 440 (456) m. w. N. Art. 3 II 1 Nds.Verf. bestimmt zudem, daß die Grundrechte des Grundgesetzes Bestandteil der Niedersächsischen Verfassung sind, mithin auch Art. 4 GG und, soweit man sie im einzelnen grundrechtlich versteht, die durch Art. 140 GG inkorporierten Weimarer Religionsnormen. Art. 3 III 1 Nds.Verf. statuiert schließlich ein Art. 3 III 1 GG entsprechendes Diskriminierungsverbot unter Einschluß der Glaubenskomponente. Damit kennt Niedersachsen im Gegensatz zu Hamburg und

2 2 4 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

Weimarer sog. Kirchenartikel - sei es direkt 378 oder durch Verweis auf die grundgesetzliche Inkorporationsnorm. 379 Zugleich kennen diese Landesverfassungen flankierende detaillierte Regelungen.380 Die aus der Sicht des Grundgesetzes vorkonstitutionellen Länderverfassungen enthalten völlig eigenständige staatskirchenrechtliche Normierungen, ebenso Brandenburg. 381 Bemerkenswert scheint auch, daß die Verfassungen der neueren Länder durchweg staatskirchenrechtliche Bestimmungen treffen, 382 die revidierten westdeutschen Landesverfassungen dagegen nicht. Doch nicht nur die zeitgeschichtlichen Umstände der Formierung, sondern auch Differenzen in den religionsverfassungspolitischen Vorstellungen prägen die Landesverfassungen. So wird den Verfassungen in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland nachgesagt, sie zeichneten sich durch eine besondere Religionsfreundlichkeit aus, während die Hessische und die Bremer Verfassung im Ruf stehen, einer stärker laizistisch orientierten Religionspolitik Ausdruck zu verleihen. 383

b) Techniken des grundgesetzlichen Ebenenabgleichs Zugleich sind die inhaltlichen und technischen Unterschiede nicht überzubewerten. Die vor 1949 verabschiedeten Länderverfassungen orientierten sich in ihren staatskirchenrechtlichen Regelungsgehalten weitgehend an der Weimarer Reichsverfassung, ergo just an den durch Art. 140 GG auch in das Grundgesetz inkorporierten Bestimmungen.384 Vor allem aber hat das Grundgesetz mit Art. 1 III, 28 I, 31, 70 ff., 83 ff., 142 GG eine Form des „unitarischen" Mehrebenenabgleichs Schleswig-Holstein ein gewisses Religionsverfassungsrecht. Für Berlin ist zudem zu konstatieren, daß die Berl.Verf. in Art. 29 die Garantie der Religionsfreiheit und - wie Niedersachsen - in Art. 10 II Berl.Verf. ein Diskriminierungsverbot u. a. aus Gründen der Religion kennt. Beiden Normierungen ist - auch ohne eine Art. 19 III GG entsprechende Bestimmung - eine korporative Dimension eingezeichnet. 378 So Art. 9 I M.-V.Verf.; Art. 109 IV Sächs.Verf.; Art. 32 V Sa.-Anh.Verf. 379 Cf. Art. 5 B.-W.Verf.; Art. 22 N.-W.Verf.; Art. 40 Thür.Verf. 380 Art. 3 I, 4, 6 ff., 12 II, 18 B.-W.Verf.; Art. 9 II, III M.-V.Verf.; Art. 14, 16 II, 17, 1921, 23, 25 N.-W.Verf.; Art. 105 11,109 ff. Sächs.Verf.; Art. 27 III 2, 32 I-IV Sa.-Anh.Verf.; Art. 28 III, 39, 41 Thür.Verf. 381 Cf. Art. 107, l i l a II 2 und 4, 136, 142 ff. Bay.Verf.; Art. 32 III, 59 ff. Brem.Verf.; Art. 48 ff., 57, 60 II, III Hess.Verf.; Art. 26, 34, 41 ff. Rh.-Pf.Verf.; Art. 29 I, 35 ff. Saarl.Verf.; Art. 32 IV, 36 ff. Brand.Verf. 382 Cf. insb. Art. 36 ff. Brand.Verf.; Art. 9 M.-V.Verf.; Art. 109 ff. Sächs.Verf.; Art. 32 Sa.Anh.Verf.; Art. 28 III, 39 ff. Thür.Verf. 383 Zur einer solchen Einschätzung des Landesverfassungsrechts in Bremen und Hessen etwa A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 140 Rdnr. 42; A. Hollerbach, HdbStKirchR 1 I, S. 215 (233); ders., HStR VI, § 138 Rdnr. 32.; K. Hesse, JöRn.F. 10(1962), 3 (15). 384 A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 50 f.; P. Badura, HdbStKirchR 2 I, S. 211 (245);

VI. Staatskirchenrecht als Landesverfassungsrecht

225

begründet, 385 die den Gestaltungsfreiraum auf Länderebene in deutlichen Grenzen hält und einen relativ hohen Homogenitätsdruck erzeugt - jedenfalls im Vergleich zum europäischen Mehrebenensystem, das weit mehr auf Diversifizität angelegt ist (s. u. 5. Kap. IV.).

aa) Mehrebenenabgleich durch Bindung an Bundesgrundrechte (Art. 1 III GG) Dabei bindet die „Durchgriffsnorm' 4 des Art. 1 III GG die gesamte Landesstaatsgewalt unmittelbar an die Bundesgrundrechte, 386 worunter auch zahlreiche durch Art. 140 GG inkorporierte Normen wegen ihres materiell subjektiv-rechtlichen Gehaltes gefaßt werden können. Durch Art. 1 III GG gelten die maßgeblichen grundgesetzlichen Verbürgungen der Freiheit, Gleichheit und Öffentlichkeit organisierter Religion somit unabhängig von ihrer landesverfassungsrechtlichen Rezeption auch auf Länderebene.

bb) Mehrebenenabgleich durch die Kompetenzordnung Daneben erfolgt der Rechtsebenenabgleich zwischen Bundes- und Landesrecht durch die Kompetenzordnung des Grundgesetzes. Kompetenzwidrig erlassenes Religionsrecht des Bundes oder eines Landes ist formell verfassungswidrig und aus diesem Grunde nichtig. 387 Ein Rückgriff auf die Rangordnungs- und Kollisionsnorm des Art. 31 GG, wonach Bundesrecht Landesrecht bricht, ist für die Herbeiführung der Nichtigkeitsrechtsfolge nicht erforderlich. 388 Art. 31 GG ist also hinsichtlich seines Anwendungsbereiches so zu lesen, daß „kompetenzgemäßes Bundesrecht... entgegenstehendes kompetenzgemäßes Landesrecht" bricht. 389 385 Grundsätzlich Κ . Hesse, Grundzüge, S. 98 ff. m. w. N. 386 H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 31 Rdnr. 22; ders., Einheit und Vielfalt der Verfassungsordnungen im Bundesstaat, in: K. Schmidt (Hrsg.), Vielfalt des Rechts - Einheit der Rechtsordnung?, 1994, S. 113 (134); R. Bernhardt/U. Sacksofsky, in: BK, Art 31 GG (Drittb. 1998), Rdnr. 88 ff.; W. März, Bundesrecht bricht Landesrecht, 1989, S. 200. 387 Cf. BVerfGE 36, 342 (364) für kompetenzwidriges Landesrecht; J. Pietzcker, HStR IV, § 99 Rdnr. 26 für kompetenzwidriges Bundesrecht; insg. H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 31 Rdnr. 23. 388 E.-W. Böckenförde/R. Grawert, DÖV 1971, 119 (122); W. März, S. 116 ff.; R. Uerpmann, Der Staat 35 (1996), 428 (429 ff.); anders die Weimarer Staatsrechtslehre zum mit Art. 31 GG gleichlautenden Art. 13 I WRV in der Annahme, Art. 13 I WRV sei notwendig als „Sanktionsnorm" zu verstehen, um kompetenzwidriges Landesrecht außer Kraft zu setzen, cf. hierzu W. März, S. 68 ff.; E. Wiederin, Bundesrecht und Landesrecht, 1995, S. 272 ff. Diese Vorstellung war maßgeblich auf die Dogmatik zur richterlichen Überprüfbarkeit von Reichsrecht hinsichtlich seiner formellen und materiellen Verfassungsmäßigkeit zurückzuführen; cf. H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 31 Rdnr. 7. 389 H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 31 Rdnr. 19. 15 Heinig

226

3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen cc) Mehrebenenabgleich durch Art. 31 GG und Art. 141 GG

Die zuletzt skizzierte Kompetenzlösung ist freilich nur für das einfache Bundes- und Landesreligionsrecht bedeutend, nicht für das Landesverfassungsrecht. Denn dieses ist von der Gesetzgebungsverteilung nach Art. 70 ff. GG nicht erfaßt. Vielmehr finden hier Art. 28 I, 31 und 142 GG A n w e n d u n g ; 3 9 0 statt einer Kompetenzlösung ist in diesen Fällen eine Kollisionslösung zu suchen. Dafür muß aber überhaupt eine Kollision vorliegen. Dies ist i m Rahmen der Art. 31, 142 GG nur dann der Fall, wenn ein Normwiderspruch gegeben ist, also die Anwendung einer Landes- und einer Bundesnorm zu „verschiedenen Ergebnissen" f ü h r t , 3 9 1 ergo die Normen unvereinbare Normbefehle enthalten. 3 9 2 Das Kollisionserfordernis wird zwar nur in Art. 142 GG für Grundrechte explizit ausgesprochen, gilt aber gleichermaßen für sonstiges Landes(verfassungs)recht i m Rahmen des Art. 31 GG. M i t Bundesrecht identisches Landes(verfassungs)recht bleibt also von Art. 31 GG unberührt, was aus dem Kollisionscharakter der Norm f o l g t . 3 9 3 Dabei ist i m Rahmen der Überprüfung einer Landesverfassungsnorm auf eine Kollision mit dem Grundgesetz hin vorrangig unter Rückgriff auf die klassischen Canones und die sonstigen Grundsätze der Verfassungsausleg u n g 3 9 4 die Möglichkeit eines Gleichlaufs der beiden Normen - auch bei diver-

390 Denn aus der Eigenstaatlichkeit der Länder folgt das Recht zu einer angemessenen eigenen Verfassungsgebung und diese erfolgt notwendigerweise quer zu den grundgesetzlichen Kompetenztiteln. Dies unterstreicht Art. 142 GG, der eine landesverfassungsrechtliche Grundrechtsgewährleistung ausdrücklich vorsieht. Cf. S. Jutzi, Landesverfassungsrecht und Bundesrecht, 1982, S. 21; T. Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, 1994, S. 255, 429; J. Pietzcker, HStR IV, § 99 Rdnr. 35; J. Dietlein, Die Grundrechte in den Verfassungen der neuen Länder, 1993, S. 44 f., 48; H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 31 Rdnr. 29 m. w. N. auch zur Gegenansicht, die die Kompetenznormen ausnahmslos anwenden will, insb. R. Uerpmann, Der Staat 35 (1996), 428 (431 ff.) und P. M. Huber, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 31 Rdnr. 9. 391 BVerfGE 36, 342 (363); K. Stern, StaatsR2 I, S. 721. 3 92 BVerfGE 96, 345 (365); BVerfG (K), NJW 1996, 2497 (2498); R. Bernhardt/U. Sacksofsky, in: BK, Art. 31 GG (Drittb. 1998) Rdnr. 53; 7. Pietzcker, HStR IV, § 99 Rdnr. 34; H Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 31 Rdnr. 39. 393 Der Parlamentarische Rat hatte freilich ein anderes Verständnis von der Norm auf der Grundlage der Weimarer Staatsrechtslehre. Dieses Verständnis ist jedoch nicht bindend, sondern kann von anderen zulässigen Auslegungsgesichtspunkten überlagert werden. Die heutige Interpretation hat die Differenzen des Grundgesetzes zur Weimarer Reichsverfassung zu gegenwärtigen, etwa ist ein Verständnis des Art. 31 GG als „Sanktionsnorm" wegen des möglichen Rückgriffs auf die Kompetenznormen überholt, cf. H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 31 Rdnr. 7, 28, 40 m. w. N. Dem grundsätzlichen Geltungsbestand inhaltsgleichen Landesrechts steht auch Art. 142 GG nicht entgegen, der nicht nur als arg. e contrario in Ansatz gebracht (so Ρ M. Huber, in: M. Sachs [Hrsg.], GG, 3. Aufl. 2003, Art. 31 Rdnr. 11 f.), sondern auch als „Ausdruck einer Regel" verstanden werden kann (H. Dreier, a. a. O., Rdnr. 41; W. März, S. 195). Wie hier für den Bestand gleichlautenden Landesverfassungsrechts auch außerhalb des Art. 142 GG ausdrücklich BVerfGE 36, 342 (365 ff.); 40, 296 (327). Cf. ferner Th. Maunz, in: MDHS, Art. 31 GG Rdnr. 14.

VI. Staatskirchenrecht als Landesverfassungsrecht

227

gierendem Wortlaut - auszuloten, um die einschneidende Rechtsfolge des Art. 31 GG - Derogation der Landesnorm - soweit es geht zu vermeiden. 395 Der grundgesetzliche Rechtsebenenabgleich folgt damit dem Prinzip der Autonomieschonung der Länderebene, was Art. 28 I und 142 GG in besonderer Weise zum Ausdruck bringen. Ein besonders markantes Beispiel für eine solche die Länderverfassungsautonomie schonende Auslegung aus dem Bereich des Religionsverfassungsrechts bilden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur landesverfassungsrechtlichen Festlegung auf den Regelschultypus der christlichen Gemeinschaftsschule. Hier wurde versucht, einerseits die landesverfassungspolitische Entscheidung für eine bestimmte, religiös geprägte Schulform möglichst unangetastet zu lassen, andererseits aber den grundgesetzlich garantierten Verfassungsrechtspositionen wie der sog. negativen Religionsfreiheit und dem religiösen Erziehungsrecht der Eltern gleichwohl zur Durchsetzung in derartigen Schulsystemen zu verhelfen. 396

dd) Zum Anwendungsrahmen des Art. 142 GG Soweit auf Landesverfassungsebene Grundrechte garantiert werden, findet Art. 142 GG Anwendung, der seinerseits aus telelogischen Gründen extensiv interpretiert wird. 3 9 7 Über die Bestimmungen der „Art. 1 bis 18" hinaus sind sämtliche materielle Grundrechte des Grundgesetzes im Rahmen des Art. 142 GG in Ansatz zu bringen. Letztlich ist diese Ausweitung über den Wortlaut hinaus aber entbehrlich, wenn man Art. 142 GG so versteht, daß er keine Ausnahme zu Art. 31 GG enthält, sondern nur eine Explikation. Im Falle der Übereinstimmung mit im Grundgesetz gewährten Grundrechten bleiben die Landesgrundrechte nach Art. 142 GG in ihrem Rang als Landesverfassungsrechte unberührt, was insb. verfassungsprozessuale Folgen hat. 3 9 8 So weit dagegen keine Übereinstimmung von Landesund Bundesgrundrechten festgestellt werden kann, ist in Bezug auf die Rechtsfolgen zwischen landesverfassungsrechtlichen Minder- und Mehrgewährleistungen zu unterscheiden. Im Falle des hinter dem grundgesetzlichen Standard zurückbleibenden Grundrechtsschutzes auf Landesebene ist mangels konfligierender Normbefehle keine 394 Cf. etwa H. Ehmke, VVDStRL 20 (1963), S. 53 (61 ff.); E.-W. Böckenförde, Die Methoden der Verfassungsinterpretation (1976), in: ders., Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, S. 53 ff. und die w.N. dort. 395 H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 31 Rdnr. 37; für das Religionsverfassungsrecht etwa B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 62 f. 396 BVerfGE 41, 29 (44 ff.), 65 (77 ff.), 89 (106 ff.). 397 BVerfGE 22, 267 (271); 96, 345 (364); Th. Maunz, in: MDHS, Art. 142 GG Rdnr. 5; P. M. Huber, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 142 Rdnr. 6. 398 H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 142 Rdnr. 69 ff. 15*

2 2 8 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

Derogation erforderlich, da die weitergehenden bundesrechtlichen Garantien über Art. 1 III GG auch das Land binden. 399 Ein Grundrechtsdefizit besteht deshalb nicht. Ferner werden so problematische Abgrenzungsfragen vermieden und die Zuständigkeit der Landesverfassungsgerichte gewahrt. Schließlich schont diese Lesart die Verfassungshoheit der Länder. Auf das deutsche Religionsverfassungsrecht angewandt, führt dies dazu, daß in Fälle, in denen das Religionsverfassungsrecht der Länder subjektiv-rechtlich geschützte grundgesetzliche Betätigungsmöglichkeiten von Religionsgesellschaften nicht oder in geringerem Maße gewährt, die weitergehenden bundesverfassungsrechtlichen Grundrechtsstandards über Art. 1 III GG direkt auf Länderebene gelten. Art. 31 GG findet keine Anwendung. Im Falle der sog. überschießenden Gewährleistung besteht prima facie kein Problem, als man meinen könnte, daß das Grundgesetz lediglich grundrechtliche Minima festlege, die Länder jedoch frei darin seien, höhere Standards zu gewähren. 4 0 0 Dieser Anschein des „mehr Grundrechtsschutz ist immer gut" verflüchtigt sich jedoch, wenn man Mehrpersonenverhältnisse, also zusätzlich Grundrechtspositionen Dritter betrachtet. 401 Die Extension der Rechte des einen können hier zur Einschränkung der Rechte des anderen führen. Soweit bestimmte grundrechtliche Betätigungsmöglichkeiten, etwa für Religionsgesellschaften, durch die Landesverfassung unter erleichterten Bedingungen gewährt werden, ist zu prüfen, ob die grundgesetzlichen Bedingungen nicht als abschließend zu bewerten sind und deshalb die Derogationswirkung des Art. 31 GG einschlägig ist. Keineswegs kann man folglich von einer generellen Zulässigkeit landesverfassungsrechtlicher Mehrgewährleistungen sprechen. 402

ee) Mehrebenenabgleich außerhalb der Grundrechte Diese Grundzüge des Ebenenabgleichs im Verfassungsrecht gelten auch jenseits grundrechtlicher Kollisionskonstellationen, also außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 142 GG. Hinsichtlich der Staatsorganisation im engeren Sinne ist Art. 28 I GG als lex specialis maßgeblich. Die grundgesetzlichen Grundsätze des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates sind damit auch für das Landesverfassungsrecht unverrückbar. Soweit Art. 28 I GG nicht greift, regelt Art. 31 GG auch die Geltung von landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen, die jenseits der Grundrechte spezifische Regelungen treffen und die aufgrund ihres Konkretisierungsgrades Bundesrecht, 399 BVerfGE 96, 345 (365 f., 368); H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 142 Rdnr. 47 f. m. w. N. auch zu der lange Zeit überwiegenden Gegenansicht, die die aufgezeigte Begründung jedoch nicht entkräften kann. 400 H. Holtkotten, in: BK, Art. 142 GG (Erstb. 1952) Anm. II. 4; /. v. Münch, in: ders./P. Kunig, GG, 3. Aufl. 1996, Art. 142 Rdnr. 7. 401 E.-W. Böckenförde/R. Grawert, DÖV 1971, 119 (121); H. Dreier, Einheit, S. 139 ff. 402 H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 142 Rdnr. 49 ff.

VI. Staatskirchenrecht als Landesverfassungsrecht

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insbesondere dem Grundgesetz zuwiderlaufen. 403 Denkbar wäre eine solche Konstellation im Religionsverfassungsrecht bei landesverfassungsrechtlichen Abweichungen von Art. 137 I WRV, ζ. B. durch eine landesverfassungsrechtliche Bestimmung, die die Kirchenführung seitens des jeweiligen Ministerpräsidenten qua Amt, also eine Wiederauflage des landesherrlichen Kirchenregiments, für zulässig erklärt. 404 Ebenso hat das Verdikt des Art. 31 GG auf Art. 143 II 2 Bay.Verf. Anwendung zu finden, soweit der in Abweichung von Art. 137 V 2 WRV statt der Gewähr der Dauer eine Bestandszeit von fünf Jahren als Voraussetzung für die Verleihung des öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus vorsieht. Sieht man in Art. 137 V 2 WRV freilich - wie hier im 4. Kapitel vertreten - eine grundrechtsartige Gewährleistung, hat der Ebenenabgleich an dieser Stelle nach den unter dd) skizzierten Maßstäben zu erfolgen. Rein programmatische Bestimmungen und allgemein gehaltene Staatszielbestimmungen der Landesverfassungen ohne konkrete Rechtsfolgen bleiben dagegen mangels kollidierender Normbefehle stets in Geltung, finden in der Umsetzung aber ihre Grenzen im entgegenstehenden Bundesrecht und in der Kompetenzordnung des Grundgesetzes 4 0 5 Dogmatische Probleme werfen ferner solche Bestimmungen der Landesverfassungen auf, die besondere rechtliche Betätigungsmöglichkeiten oder verfassungsrechtliche Anerkennungen auf gewisse Religionsgesellschaften begrenzen. Hier droht ein Verstoß gegen das bundesverfassungsrechtliche Diskriminierungsverbot aus Gründen der Religion. Dabei ist zunächst zu klären, inwieweit nach den oben aufgezeigten Grundsätzen (cf. III.) derartige Ungleichbehandlungen grundgesetzlich gerechtfertigt sind. In diesem Zusammenhang ist auch die Möglichkeit einer bundesverfassungskonformen Auslegung auszuloten, wobei zu berücksichtigen ist, daß das religions verfassungsrechtliche Prinzip der Parität auch die Landesgewalt verpflichtet. Soweit eine interpretatori sehe Kompatibilisierung ausscheidet, ist die landesverfassungsrechtliche Bestimmung wegen Verstoßes gegen das Gebot der religiös-weltanschaulichen Gleichbehandlung bundesverfassungswidrig (Art. 31 GG).

403 Cf. allgemein H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 31 Rdnr. 30 und 59 f.; speziell zum Staatskirchenrecht BVerfGE 42, 312 (324 f.) zu landesrechtlichen Regelungen der Inkompatibilität von Parlamentsmandat und kirchlichem Amt (allerdings ohne Verweis auf Art. 31 GG) mit dem Ls. 1 „Durch Art. 140 GG sind die Länder gehindert, die Kirchen in ihrer Freiheit stärker zu beschränken, als es nach Bundesverfassungsrecht zulässig ist". Nach der hier vertretenen Ansicht zum Grundrechtsgehalt von Art. 137 III WRV wäre übrigens Art. 1 III GG einschlägig gewesen und der Verweis auf Art. 31 GG unnötig. 404 Wobei das Beispiel so zu konstruieren wäre, daß Art. 4 GG/Art. 137 III WRV nicht verletzt wären. 405 H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 31 Rdnr. 59 f.; ein Beispiel für das Religionsverfassungsrecht wären Landesverfassungsbestimmungen, die die kulturelle Bedeutung des Christentums besonders hervorheben.

2 3 0 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

2. Landesverfassungsrechtliche Bestimmungen zum Status der Freiheit Einen mit dem Grundgesetz korrespondierenden Status der Freiheit kennen alle Landesverfassungen, die den lebensweltlichen Komplex der Religion überhaupt regeln. Zu diesem Status der Freiheit ist in korporativer Dimension insbesondere die Freiheit zur Innehabung eines Bekenntnisses und zur Pflege dieses durch die freie Religionsausübung sowie die Garantie der Selbstordnung und -Verwaltung zu zählen 4 0 6 Die in dieser Arbeit mehrfach benannte Notwendigkeit einer Berücksichtigung des religiösen Selbstverständnisses im Rahmen des grundgesetzlichen Religionsverfassungsrechts ist entsprechend auf die Landesverfassungen zu übertragen, weshalb auch hier ein Modell der Schutzbereichsidentität von Religionsfreiheit und Selbstordnungs- und -Verwaltungsgarantie entwickelt werden kann. Kollisionsprobleme zwischen grundgesetzlichem und landesverfassungsrechtlichem Religionsrecht liegen deshalb weniger auf der Ebene der Schutzbereiche denn auf Schrankenebene, wenn in manchen Ländern nicht die Grenze des für alle geltenden Gesetzes verfassungsrechtlich statuiert ist. Hier greift, wie oben aufgezeigt, das Gebot der bundesverfassungsfreundlichen Auslegung vor einer Anwendung der Art. 31 und 142 GG. Etwa dürfte Art. 35 II 2 Saarl.Verf. („Die Pflichten, die sich aus den Grundsätzen der Verfassung für den einzelnen, für Personengemeinschaften und Körperschaften ergeben, bleiben hiervon unberührt") im Sinne der Schrankenregelung des Art. 137 III 1 WRV auszulegen sein, gleiches gilt für Art. 41 III Rh.-Pf.Verf („Die für alle geltenden verfassungsmäßigen Pflichten bleiben unberührt"). 407 Art. 4 I B.-W.Verf. sieht zwar in der Regelung, daß „Kirchen und die anerkannten Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ... sich in der Erfüllung ihrer religiösen Aufgaben frei von staatlichen Eingriffen" entfalten, keine Schrankenregelung vor, eine solche ergibt sich aber aus Art. 5 B.-W.Verf. i.V.m. Art. 137 III WRV.

3. Landesverfassungsrechtliche Bestimmungen zum Status der Gleichheit Der Status der Gleichheit ist auf Länderebene relativ schwach ausgebildet; die dadurch auftretenden Kollisionsprobleme zum Religionsverfassungsrecht des 406 Art. 4 I B.-W.Verf., Art. 5 B.-W.Verf. i.V.m. Art. 140 GG, 137 III WRV; Art. 107 I, II, Art. 142 III Bay.Verf.; Art. 29 I Berl.Verf.; Art. 13 I, Art. 36 II Brand.Verf.; Art. 4, Art. 59 II Brem.Verf.; Art. 9, Art. 48 I, Art. 49 Hess.Verf.; Art. 5 III M.-V.Verf. i.V.m. Art. 4 GG, 9 M.-V.Verf. i.V.m. Art. 137 III WRV; Art. 3 Nds.Verf. i.V.m. Art. 4 GG und Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 III WRV; Art. 19 III N.-W.Verf.; Art. 41 II, III Rh.-Pf. Verf.; Art. 35 Saarl.Verf.; Art. 19 II, Art. 109 II 2 Sächs.Verf., Art. 109 Sächs.Verf. i.V.m. Art. 137 III WRV; Art. 9 I, II, Art. 32 Sa.-Anh.Verf.; Art. 39 Thür.Verf., Art. 40 Thür.Verf. i.V.m. Art. 140 GG, Art. 137 III WRV. 407 A. Hollerbach, HdbStKirchR 1 I, S. 215 (235).

VI. Staatskirchenrecht als Landesverfassungsrecht

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Grundgesetzes lassen sich jedoch sämtlich im Wege der Auslegung beheben. Die Gleichstellung von Kirchen und anderen Religionsgesellschaften sehen die meisten Landesverfassungen mit einem expliziten staatskirchenrechtlichen Abschnitt vor. Art. 137 VII WRV hat dagegen, außer in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt, wo Weltanschauungsgemeinschaften in Art. 4 - 6 B.-W.Verf. bzw. Art. 32 Sa.Anh.Verf. ausdrücklich neben Kirchen und Religionsgemeinschaften genannt sind, keine textimmanente landesverfassungsrechtliche Nachahmung erfahren, sondern wird nur durch Verweis auf Art. 137 WRV in einigen Landesverfassungen rezipiert. Gleichwohl sind wegen der UnUnterscheidbarkeit von Religion und Weltanschauung (cf. supra I. 1.) auch die übrigen Landesverfassungen so zu lesen, als ob Weltanschauungsgesellschaften von den religionskorporativen Gewährleistungen mit erfaßt sind. Dies gilt auch vice versa in Bayern, wo in Art. I l l a II 2 und 4 Bay.Verf. bei der Beteiligung an der Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nur von weltanschaulichen Gruppen die Rede ist, aber Kirchen und andere Religionsgesellschaften ebenfalls einbezogen werden sollten. Als problematisch stellt sich die teilweise vorzufindende Charakterisierung von Religionsgesellschaften als „anerkannte" dar. 408 Von (Bundes-)Verfassungs wegen ist ein besonderes Anerkennungsverfahren oder Konzessionssystem für Religionsgesellschaften durch Art. 137 II, IV WRV ausgeschlossen,409 auch wenn grundsätzlich ein Anerkennungserfordernis als allgemeine zivilrechtliche Bestimmung (Art. 137 IV WRV) denkbar wäre, also auf Korporationen nach bürgerlichem Recht insgesamt Anwendung finden müßte. 410 Eine bundesverfassungsrechtskonforme Auslegung könnte dahin gehen, in diesen Fällen das Merkmal der Anerkennung nicht als für die Gewährung der Landesverfassungsrechte konstitutiven Verleihungsakt, sondern konsekutiv den bundesrechtlichen Vorgaben zu verstehen. „Anerkannt" nach bayerischem und baden-württembergischem Verfassungsrecht ist dann jede Religionsgesellschaft im Sinne des Art. 137 II - VI WRV. Im Lichte des Paritätsprinzips vermag auch die teilweise vorzufindende Hervorhebung der gesellschaftlichen Rolle der Kirchen unter ausdrücklicher Weglassung anderer Religionsgesellschaften und ähnlicher nicht paritätisch strukturierter Normen Bedenken zu wecken. 411 Soweit hieraus konkrete Rechte und Pflichten abzuleiten sind 4 1 2 und das Derogationsverdikt des Art. 31 GG vermieden werden soll, ist in diesen Fällen gleichfalls eine verfassungskonforme Auslegung von Nöten und möglich. Denn eine interpretationsgeleitete paritätskompatibilisierende „Hochzonung" anderer Religionsgesellschaften als der beiden großen christlichen Kir408 So Art. 4 ff. B.-W.Verf. und 142 ff. Bay.Verf. 409 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 30. 410 Zur rechtspolitischen Zweckmäßigkeit eines Anerkennungsverfahrens cf. näher A. Kupke, KuR 2000, 157 ff. = 220, 11 ff. unter Darlegung der österreichischen Rechtslage. 411 Art. 35 II Saarl.Verf. etwa nennt in der Garantie der Selbständigkeit nur die Kirchen. 412 Bei rein unverbindlichen, programmatischen Aussagen der Landesverfassungen findet Art. 31 GG keine Anwendung; hier ist nur Art. 28 I GG als Grenze einschlägig; cf. supra.

2 3 2 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

chen in den entsprechenden Normierungen dürfte der Intention der Landesverfassungsgeber weit mehr entsprechen als die Anwendung des Art. 31 GG. Auf diese Weise wird man auch den Zwecken der Vorschriften eher gerecht und genügt zudem dem Grundsatz der Schonung der Länderautonomie im Rahmen des Art. 31 GG. So ist das Recht nach Art. 9 B.-W.Verf., für die Ausbildung von Geistlichen Konvikte und Seminare zu errichten und zu führen, nicht auf „Kirchen" im Sinne der beiden großen christlichen Kirchen beschränkt, sondern allen Religions- und Weltanschauungsgesellschaften gewährt, was sich bereits aus Art. 4 B.-W.Verf., Art. 5 B.-W.Verf. i.V.m. Art. 140 GG/Art. 137 III ergibt. Art. 9 B.-W.Verf. ist somit nur eine Explizierung ohne eigenen Regelungsgehalt. Zudem ließe sich das Merkmal der „Kirchen" in der Vorschrift im Lichte des grundgesetzlichen Paritätsprinzips auch als „Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften" verstehen. Gleiches gilt etwa für Art. 150 Bay.Verf. zur Garantie von kirchlichen Ausbildungsstätten.413 Deshalb ist ζ. B. der Israelitischen Kultusgemeinde auch durch die baden-württembergische und bayerische Verfassung garantiert, Ausbildungsstätten für Rabbiner zu betreiben und diese „Seminare" zu nennen oder eine eigene jüdische Hochschule zu betreiben, wie sie etwa in Heidelberg besteht. In ähnlicher Weise sind paritätsneuralgische Normen in anderen Landesverfassungen zu behandeln. Das Gebot der Abgrenzung von staatlichem und kirchlichem Bereich in Art. 50 Hess.Verf. (zur Reichweite s. u.) betrifft auch andere Religionsgesellschaften. Wenn gemäß Art. 41 Rh.-Pf.Verf. „Kirchen ... anerkannte Einrichtungen für die Wahrung und Festigung der religiösen und sittlichen Grundlagen des menschlichen Lebens" sind, so wird eine solche Funktion anderen Religionsgesellschaften nicht verfassungsrechtlich abgesprochen. Auch ist hier zu fragen, inwieweit unter „Kirchen" im Sinne einer solchen Norm nicht alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu verstehen sind, wie teilweise in paritätsbetonender Weise in anderen Landesverfassungen ausdrücklich hervorgehoben. 414 Nämliches gilt für die Selbständigkeitsgarantie des Art. 35 II Saarl.Verf. Normativer Ansatzpunkt solcher paritätskompatibeler Interpretationsbemühungen sind auch die landesverfassungsrechtlichen besonderen Gleichbehandlungsbestimmungen, die teils eigenständig bestehen,415 teils sich daraus ergeben, daß auf den Grundrechtsteil des Grundgesetzes 416 und auf das durch Art. 140 GG inkorporierte Staatskirchenrecht - und damit auf die das Paritätsprinzip speisenden Normen wie Art. 3 III GG, Art. 136 f. WRV - verwiesen wird.

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Cf. ausdrücklich paritätisch formuliert Art. 16 II N.-W.Verf. 414 Cf. Art. 36 III Brand.Verf.; Art. 109 I Sächs.Verf. 415 Cf. Art. 107 III, IV Bay.Verf.; Art. 17 ff. Rh.-Pf.Verf. 416 Cf. Art. 2 I B.-W.Verf.; Art. 4 I N.-W.Verf.

VI. Staatskirchenrecht als Landesverfassungsrecht

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4. Landesverfassungsrechtliche Bestimmungen zur Trennung von Staat und Religionsgesellschaften Das Trennungsprinzip des Art. 137 I WRV spiegelt sich auch in den Länderverfassungen wider und findet hier teilweise Reformulierungen. Art. 5 B.-W.Verf. oder Art. 9 I M.-V.Verf., Art. 22 N.-W.Verf., Art. 109 IV Sächs.Verf., Art. 32 V Sa.-Anh.Verf. und Art. 40 Thür.Verf. verweisen direkt oder über Art. 140 GG auf Art. 137 I WRV; Art. 142 I Bay.Verf. gibt diesen wortlautgleich wieder; nämliches gilt für Art. 36 I Brand.Verf. Art. 59 I Brem.Verf. faßt den Regelungsgehalt in die Formulierung „Die Kirchen und Religionsgesellschaften sind vom Staate getrennt", ohne daß sich in der Sache daraus Abweichungen zum oben skizzierten „gemäßigten" Neutralitätsgrundsatz des Grundgesetzes ergäben. Der staatliche Bereich ist auch in Bremen für den Faktor Religion geöffnet, wie sich an Art. 61-63 Brem.Verf., insbesondere an der landesverfassungsrechtlichen Garantie der Anstaltsseelsorge ablesen läßt. Gemäß Art. 141 GG findet in Bremen zwar Art. 7 III GG keine Anwendung, doch sieht Art. 32 III Brem.Verf. einen Religionsunterricht in staatlichen Schulen außerhalb der normalen Unterrichtsschiene vor, woraus sich ebenfalls zwangsläufig organisatorische Berührungspunkte zwischen Staat und Religionsgesellschaften ergeben. Daß aus der Bremer Formulierung nicht ohne weiteres auf ein verschärftes Laizitätsprogramm geschlossen werden kann, zeigt auch Art. 109 II 1 Sächs.Verf., der mit Art. 59 I Brem.Verf. im Wortlaut übereinstimmt - wiewohl die Sächsische Verfassung ihr religionsverfassungsrechtliches Ideal sicherlich nicht im Laizismus findet. 417 Eine ähnliche Interpretation wie der Sächsischen und Bremer Trennungsklausel ist den Hessischen Bestimmungen zur Trennung von Staat und Kirche angedeihen zu lassen, in denen es heißt: „(1) Es ist Aufgabe von Gesetz oder Vereinbarung, die staatlichen und kirchlichen Bereiche klar gegeneinander abzugrenzen. (2) Die Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften haben sich, wie der Staat, jeder Einmischung in die Angelegenheiten des anderen Teils zu enthalten" 4 1 8 Dieser Art. 50 Hess.Verf. verdrängt weder die korporative Religionsfreiheit, noch berührt er Körperschaftsstatus, Staatsleistungen, Anstaltsseelsorge, theologische Fakultäten an staatlichen Hochschulen oder den Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach (Art. 48 f., 51 ff., 57, 60 II Hess.Verf.). Damit geht Art. 50 Hess.Verf. nicht über das Verflechtungsverbot des Art. 137 I WRV hinaus, verbietet insbesondere den Religionsgesellschaften nicht, sich zu Fragen des öffentlichen Lebens zu äußern. Die Norm expliziert aber, daß gemeinsame Angelegenheiten, also von Verfassungs wegen notwendigerweise von Staat und Religionsgesellschaften gemeinsam zu betreibende Institutionen, nicht zu einer durchmischten 417 In Bremen fehlt es freilich an einer landesverfassungsrechtlichen Garantie der Staatsleistungen. 418 R Badura, HdbStKirchR 2 I, S. 211 (246) nennt Art. 50 Hess.Verf. eine unklare und schiefe „Formulierung des Trennungsprinzips"; ihm folgend etwa A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 52.

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Verantwortung jeder Partei für alles führen. „Res mixtae" im Sinne einer doppelt ubiquitären Zuständigkeit haben nicht nur unter der Hess.Verf., sondern auch vor dem Grundgesetz keinen Bestand (cf. supra I.). Soweit einzelne Landesverfassungen keine mit Art. 137 I WRV korrespondierenden Vorschriften kennen, wie etwa in Berlin, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, aber auch in den staatskirchenrechtlichen Katalogen in Rheinland-Pfalz und im Saarland, ergibt sich das entsprechende Trennungsgebot aus der Inkorporation der Norm in das Grundgesetz.

5. Landesverfassungsrechtliche Bestimmungen zum Angebot eines Status der Öffentlichkeit Das religionsverfassungsrechtliche Angebot eines Status der Öffentlichkeit wird durch die Ebene der Landesverfassungen in besonderer Weise angereichert und spezifiziert. Hinsichtlich dieses Status ist das Landesverfassungsrecht aussagefreudig und weist an manchen Stellen über den grundgesetzlichen Rahmen hinaus. Eine erste Rechtsschicht erweist sich dabei als „symbolisches Recht" 419 im Sinne einer programmatischen Heraus- und Hervorhebung ohne unmittelbare Rechtsfolgen, die eine besondere normative Anerkennung des gesellschaftlichen Wirkens organisierter Religion darstellt. 420 Zu einem solchen Teilgehalt des Angebots eines öffentlichen Status von Religionsgesellschaften sind etwa Art. 4 II B.-W.Verf. und Art. 109 I Sächs.Verf. zu zählen, die die Bedeutung der Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften „für die Bewahrung und Festigung der religiösen und sittlichen Grundlagen des menschlichen Lebens" anerkennen. Art. 41 Rh.-Pf.Verf. kennt eine nahezu identische Formulierung ohne Herausstreichung des paritätischen Charakters („Die Kirchen ..."). Art. 36 III 1 Brand.Verf. „anerkennt den Öffentlichkeitsauftrag der Kirchen und Religionsgemeinschaften", ohne das damit wohl mehr gemeint ist, als die durch die religionsfreiheitlichen Garantien schon bestehende Mitwirkungsmöglichkeit an der freien geistigen Auseinandersetzung in der Gesellschaft. Direktionsrechte oder etwa Vetorechte gegenüber staatlichen Entscheidungen begründen sich aus Art. 36 III 1 Brand.Verf. nicht. Hiergegen steht nicht nur Art. 36 I Brand.Verf. (Verbot der Staatskirche), sondern auch das Demokratieprinzip. Die verfassungsrechtliche 419 Cf. zur symbolischen Bedeutung des Religionsrechts auch G. Robbers, VVDStRL 59 (2000), S. 323 und S. 361 sowie M. Morlok, Diskussionsbeitrag, in: VVDStRL 59 (2000), S. 341 (342). 420 Die sozialen Wirkungen derartiger symbolischer Rechtssetzung sollten nicht unterschätzt und vorschnell mit dem Zusatz „nur" versehen werden. Typischerweise läßt sie sich aber nicht in Form von Konditionalprogrammen juristisch verarbeiten, was ihr gegenüber zu Skepsis seitens der Rechtswissenschaft führt.

VI. Staatskirchenrecht als Landesverfassungsrecht

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Rezeption des theologisch geprägten „Öffentlichkeitsauftrages" 421 ist maßgeblich vor dem Hintergrund der repressiven Kirchenpolitik der DDR zu sehen. Eine besondere Erwähnung finden in zahlreichen landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen theologische Fakultäten an staatlichen Universitäten 422 sowie kirchliche Hochschulen und Aus- und Weiterbildungsstätten 423 als Faktoren des öffentlichen Wirkens und der öffentlichen Wirkung von Religionsgesellschaften. 4 2 4 Der öffentliche Bildungsfaktor Religion steht ebenso bei der Garantie des Religionsunterrichts nach den Grundsätzen der Religionsgesellschaften im Vordergrund; 425 gleiches gilt für Art. 12 II B.-W.Verf., der Religionsgemeinschaften neben den Eltern, dem Staat, den Gemeinden und der „ihn ihren Bünden gegliederten Jugend" zu verantwortlichen Trägern der Erziehung erklärt, ähnlich Art. 133 I 3 Bay.Verf., Art. 17 N.-W.Verf. (für die Erwachsenenbildung) oder Art. 26 Rh.Pf.Verf. Diese Vorschriften sind ebenfalls dem Bereich der symbolischen Gesetzgebung zuzuschreiben, können aber auch eine Rolle bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung von Finanztransfers und punktuellen Kooperationen zwischen Staat und Religionsgesellschaften spielen. Auf Ebene der Länderverfassungen ist ferner die Anstaltsseelsorge als eine Säule des Öffentlichkeitsstatus von Religionsgesellschaften garantiert. 426 Die Beteiligung von Religions- und Weltanschauungsgesellschaften an der Kontrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist in Art. l i l a II 2 und 4 Bay.Verf. festgeschrieben. Weiter wird das diakonische Wirken der Religionsgesellschaften in zahlreichen Landesverfassungen anerkannt und staatliche Förderung und Schutz angeboten.427

421 Cf. supra IV. 422 Cf. Art. 10 B.-W.Verf.; Art. 150 II Bay.Verf.; Art. 32 IV 3 Brand.Verf.; Art. 60 II Hess.Verf.; Art. 9 III M.-V.Verf.; Art. 39 I 2 Rh.-Pf.Verf.; Art. 36 II Saarl.Verf.; Art. I l l II Sächs.Verf.; Art. 28 III 1 Thür.Verf. 423 Cf. Art. 9 B.-W.Verf.; Art. 150 I Bay.Verf.; Art. 32 IV 1 und 2; Art. 60 III Hess.Verf.; Art. 16 II N.-W.Verf.; Art. 42 Rh.-Pf.Verf.; Art. 36 I Saarl.Verf.; Art. I l l I Sächs.Verf.; Art. 28 III 1 Thür.Verf. 424 Cf. Λ. Hollerbach, HStR VI, § 138 Rdnr. 37 f. 425 Cf. Art. 18 B.-W.Verf.; Art. 136 Bay.Verf.; Art. 57 Hess.Verf.; Art. 14 N.-W.Verf.; Art. 34 Rh.-Pf.Verf.; Art. 29 Saarl.Verf.; Art. 105 Sächs.Verf.; Art. 27 III Sa.-Anh.Verf.; Art. 25 I Thür.Verf. 426 Cf. Art. 5 B.-W.Verf. i.V.m. Art. 140 GG/Art. 141 WRV; Art. 148 Bay.Verf.; Art. 38 Brand.Verf.; Art. 62 Brem.Verf.; Art. 54 Hess.Verf.; Art. 9 I M.-V.Verf. i.V.m. Art. 141 WRV; Art. 20 N.-W.Verf.; Art. 48 Rh.-Pf.Verf.; Art. 42 Saarl.Verf.; Art. 109 IV Sächs.Verf. i.V.m. Art. 141 WRV; Art. 32 V Sa.-Anh.Verf. i.V.m. Art. 141 WRV; Art. 41 Thür.Verf. i.V.m. Art. 141 WRV. 427 Cf. Art. 6 B.-W.Verf.; Art. 63 Brem.Verf.; Art. 46 Rh.-Pf.Verf.; Art. 40 Saarl.Verf.; Art. 109 III, 110 Sächs.Verf.; Art. 32 III Sa.-Anh.Verf.; Art. 41 S. 1 Thür.Verf.

2 3 6 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

6. Landesverfassungsrechtliche Statusflankierung von Religionsgesellschaften Schließlich kennt auch das Landesverfassungsrecht eine Flankierung des „vierfältigen" Status der Religionsgesellschaften. Hierzu gehört zum einen der Schutz von Staatsleistungen428 und die Garantie der Religionsdienlichkeit des kirchlichen Eigentums. 429 Dabei findet auf die Normierungen, die das Ablösegebot von Staatsleistungen nach Art. 138 I WRV unterlaufen, indem eine Bestandsgarantie der Staatsleistungen ausgesprochen430 oder die Ablösung von Bedingungen wie der Einvernehmlichkeit abhängig gemacht wird, 4 3 1 Art. 31 GG Anwendung mit der Rechtsfolge, daß diese Bestimmungen nichtig sind. Dann ist alleine Art. 138 I WRV maßgeblich. Gleiches gilt, wenn es an staatsleistungsbezogenen Bestimmungen mangelt. 432 Fehlt bei der Statuierung eines Ablösegebotes der Vorbehalt einer Rahmengesetzgebung des Bundes, ergibt sich dieser aus Art. 138 I WRV. 433 Ebenso wird die religiöse Zweckbestimmungsfreiheit und -beständigkeit für religionsgesellschaftliches Eigentum nach Art. 138 II WRV garantiert, wenn die Landesverfassungen keine entsprechende Regelung enthalten. Zahlreiche Landesverfassungen kennen ferner eine besondere Verpflichtung zum Sonn- und Feiertagsschutz, der den Status der Freiheit und das Angebot der Öffentlichkeit von Religion flankiert. 434 Teilweise entfällt die Nennung des Zweckprogramms der „seelischen Erhebung" aus Art. 139 WRV. 4 3 5 Die Bindung an dieses ergibt sich dann aus dem Bundesverfassungsrecht. Der Sonn- und Feiertagsschutz hat auch auf Länderebene gemäß Art. 139 WRV stets der Arbeitsruhe und seelischen Erhebung zu dienen. Soweit keine Kollisionen hiermit bestehen, steht es dem Landesverfassungsgeber frei, weitere Zwecke hinzuzufügen (etwa soziale Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit und Völkerfreundschaft für den 1. Mai durch 428 Art. 4 B.-W.Verf. i.V.m. Art. 138 I WRV, Art. 7 B.-W.Verf.; Art. 145 Bay.Verf.; Art. 37 II Brand.Verf.; Art. 9 I M.-V.Verf. i.V.m. Art. 138 I WRV; Art. 21 N.-W.Verf.; Art. 45 Rh.Pf.Verf.; Art. 39 Saarl.Verf.; Art. 112 Sächs.Verf.; Art. 32 V Sa.-Anh.Verf. i.V.m. Art. 138 I WRV; Art. 40 Thür.Verf. i.V.m. Art. 138 I WRV. 429 Art. 4 B.-W.Verf, i.V.m. Art. 138 II WRV; Art. 146 Bay.Verf.; Art. 37 I Brand.Verf.; Art. 9 I M.-V.Verf. i.V.m. Art. 138 II WRV; Art. 22 N.-W.Verf. i.V.m. Art. 138 II WRV; Art. 44 Rh.-Pf.Verf.; Art. 38 Saarl.Verf.; Art. 109 IV Sächs.Verf. i.V.m. Art. 138 II WRV; Art. 32 V Sa.-Anh.Verf. i.V.m. Art. 138 II WRV; Art. 40 Thür.Verf. i.V.m. Art. 138 II WRV. 430 Art. 7 B.-W.Verf.; Art. 145 Bay.Verf.; Art. 45 Rh.-Pf.Verf.; Art. 39 Saarl.Verf.; Art. 112 Sächs.Verf. 431 Art. 37 II Brand.Verf.; Art. 21 N.-W.Verf. 432 So neben den Verfassungen ohne staatskirchenrechtliche Regelungen in Bremen. 433 So in Art. 52 Hess.Verf. 434 Neben den Landesverfassungen, die Art. 139 WRV inkorporieren ferner Art. 3 I B.W.Verf. (mit dem Zusatz, daß bei der gesetzlichen Bestimmung der Feiertage die christliche Überlieferung zu wahren ist); Art. 147 Bay.Verf.; Art. 53 Hess.Verf. und die Nachweise in der folgenden Fn. 435 So in Art. 35 Berl.Verf.; Art. 14 Brand.Verf. und Art. 55 I, III Brem.Verf.

VII. Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Direktiven

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Art. 3 II B.-W.Verf.; ähnlich Art. 55 I Brem.Verf., Art. 32 Hess.Verf. oder Art. 25 N.-W.Verf.) oder die Weimarer Formulierung durch andere Umschreibungen zu konkretisieren (wie in Art. 25 N.-W.Verf., Art. 41 Saarl.Verf. und Art. 47 Rh.Pf.Verf.). Teilweise beschreiben die Landesverfassungen den Sonn- und Feiertagsschutz sowohl in den Kapiteln, die der Wirtschafts- und Arbeitsordnung als auch in denen, die der Beziehung des Staates zu den Religionsgesellschaften gewidmet sind (Art. 31 und 53 Hess.Verf. und Art. 57 I 2 Rh.-Pf.Verf.), in ersteren dann beschränkt auf den Aspekt der Arbeitsfreiheit. Daneben sehen einige Landesverfassungen weitere Detailregelungen vor, etwa hinsichtlich von Friedhöfen (Art. 149 Bay.Verf.) und eines besonderen Geistlichenschutz (Art. 144 Bay.Verf.).

Zwischenresümee zum Staatskirchenrecht als Landesverfassungsrecht Bundes- und Landesreligionsverfassungsrecht koexistieren somit in einem Wechselspiel der gegenseitigen Durchdringung, Beeinflussung und interpretatorischen Wechselwirkung. Aufgrund der grundgesetzlichen Technik des „unitarischen" Abgleichs der Rechtsebenen vermag das Landesreligionsverfassungsrecht den „vierfältigen" Staut von privat- und öffentlich-rechtlich organisierten Religionsgemeinschaften nicht in Frage zu stellen. Er wird vielmehr durch landesverfassungsrechtliche Regelungen in vielfältiger Weise angereichert. Das Phänomen der Interdependenzen von Rechtsebenen tritt bei Hinzunahme der Europäischen Ebene in die Betrachtung ebenfalls und weit verstärkter als Mehrebeneneffekt auf (s. u. 5. Kap. IV.). Aber auch für das Grundgesetz läßt sich einstweilen mit Axel Frhr. v. Campenhausen festhalten, daß „sich die Gesamtheit der staatskirchenrechtlichen Grundlagen erst aus dem Zusammenklang von Grundgesetz und Landesverfassung" ergibt. 436 Und in eben diesem Sinne ist Religionsrecht Mehrebenenrecht.

VII. Einfachgesetzliche Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Direktiven Wenn man die These verfolgt, daß Religionsrecht als Mehrebenenrecht zu verstehen ist, kann dies nicht nur auf das Verhältnis von mitgliedstaatlicher und europäischer Rechtsebene und nicht nur auf unterschiedliche Staatsgewalt ausübende Verbände (Bund /Land) zielen, sondern hat sich auch auf Typen von Rechtsnormen zu erstrecken. Auch der Verbund von Verfassungsrecht und sog. einfachem Recht 436

A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 54.

2 3 8 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

ist deshalb als Erscheinungsform eines Mehrebenenrechts zu begreifen. Dabei läßt sich zeigen, daß sich die religionsverfassungsrechtlichen Direktiven der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Trennung auf der einfachgesetzlichen Ebene wieder abbilden. 1. Verfassungsdogmatische Aspekte zum Verhältnis von einfachgesetzlichem Religionsrecht und Religionsverfassungsrecht Religionsrecht bedarf eines hinreichenden Grades der Konkretion. Nur so kann es den Anforderungen an eine rechtliche Steuerung, die aus der staatlichen Aufgabe der Stiftung und Mittlung des religiösen Friedens erwachsen, genügen. Die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz verlangen aufgrund ihrer notwendigen Vagheit nach einer Verdichtung und problembezogenen Zuschneidung durch den Gesetzgeber, um lebenspraktisch effektiv werden zu können. Es gilt, die Wechselbezüglichkeit zwischen der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze und der Gesetzmäßigkeit der Verfassung nachzuzeichnen. Im Lichte der deutschen Verfassungsdogmatik lassen sich dabei drei Bedeutungsfelder der einfachgesetzlichen Ausgestaltung verfassungsrechtlicher Direktiven entfalten. a) Staatsadressierung

des Religionsverfassungsrechts

Zum einen ist die Adressierung von Verfassungsnormen anzusprechen. Der überwiegende Teil des Grundgesetzes verpflichtet ausschließlich die Staatsgewalt; dies gilt einerseits für Normen der Staatsorganisation, im Religionsverfassungsrecht etwa das Verbot der Staatskirche nach Art. 137 I WRV, andererseits aber auch für Grundrechte als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat, wie die individuelle und korporative Religionsfreiheit nach Art. 4 I, II GG und Art. 137 III WRV. Dieses klassische, liberale Grundrechtsverständnis wird in Verfassungslehre und Rechtsprechung zwar ergänzt durch prozedurale und - selten - partizipative Grundrechtsdimensionen, auch diese aber fokussieren den Staat als ausschließlichen Anspruchsgegner. 437 Daneben lassen sich zahlreiche Verfassungsnormen unter Einschluß der Grundrechte reformulieren als Vërfassungsprinzipien 438 oder - in der Terminologie des Bundesverfassungsgerichts - als „objektive Werteordnung". 439 Doch auch hier437 M.w.N. H Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Vorb. Rdnr. 50 ff. 438 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 2. Aufl. 1994, S. 71 ff. 439 BVerfGE 10, 59 (81); 12, 45 (50); 19, 394 (396); 30, 1 (19); cf. a. H Goerlich, Wertordnung und Grundgesetz, 1973; E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation (1974), in: ders., Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, S. 115 (129 ff.); H M. Heinig, Grundierungen, S. 108 f.

VII. Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Direktiven

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durch wird die Staatsadressierung der Grundrechte nicht aufgehoben. Der Prinzipiencharakter von Verfassungsnormen zeitigt nicht eine unmittelbare Rechtsbindung des Bürgers an dergestalte „Werte", sondern fordert die Beachtung der Verfassungsprinzipien bei der Gestaltung der Rechtsordnung durch den Gesetzgeber sowie ihre Einstellung bei der Auslegung und Anwendung des dergestalten Rechts durch Exekutive und Judikative (Drittwirkung der Grundrechte), wobei auch dies im Einzelnen näher zu strukturieren wäre. Für ein Praktischwerden des Religionsverfassungsrechts im Bürger-Bürger-Verhältnis bedarf es deshalb des Tätigwerdens des Gesetzgebers. Nicht die Verfassung selbst, sondern das unterhalb dieser Stufe liegende, vom Gesetzgeber verabschiedete Recht bewältigt die konkreten Fragen der Freiheit, Gleichheit und Öffentlichkeit von Religion und dadurch aufgeworfene Probleme und Konflikte zwischen den Bürgern.

b) Anwendungsvorrang

des einfaches Rechts

Damit eng einher geht die noch wenig ausgearbeitete verfassungsdogmatische Figur des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts in Korrelation zum Geltungsvorrang der Verfassungsrechts. 440 Beansprucht das Verfassungsrecht - gemäß der Vorstellung eines Stufenbaus der Rechtsordnung 441 - den Anspruch eines Geltungsvorrangs, so gilt zugleich, daß, soweit einfaches Recht eine zulässige Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Vorgaben darstellt, für einen weitergehenden Rückgriff auf Verfassungsrecht im Rahmen einer bestimmten Rechtsstreitigkeit kein Raum mehr ist. Hierdurch wird nicht nur der in einer parlamentarischen Demokratie unerläßliche Handlungsspielraum der Politik gegenüber einer in dieser Hinsicht allzu restriktiven Verfassungsinterpretation und damit die von der ersten Gewalt wahrzunehmende politische Bestimmungsmacht des Volkes gegenüber der dritten Gewalt gesichert, sondern auch die rechtsstaatlich erforderliche Berechenbarkeit und Gleichförmigkeit juristischer Entscheidungen in Verwaltung und Rechtsprechung gestützt. Der permanente durchgreifende Rückgriff auf das Verfassungsrecht im Rahmen der alltäglichen Gesetzesanwendung würde wegen der notwendigen Vagheit und Weitmaschigkeit der verfassungsrechtlichen Bestimmungen die Gefahr einer Dominanz subjektiver Wertungen statt eines rationalen, methodisch angeleiteten Gesetzesvollzuges heraufbeschwören. Eine Dogmatik des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts sichert damit das erforderliche, durch den parlamentarischen Gesetzgeber demokratisch legitimierte Produkt der Verfassungsspezifizierung in Form des Gesetzes vor einer vorschnellen, sich des Verfas-

440 Siehe hierzu für den Bereich des Baurechts BVerwGE 84, 322 (334); für das Parteienrecht OVG Münster, NVwZ 2000, 336 (337); allg. H. Sodan, in: ders./J. Ziekow (Hrsg.), Nomos-Kommentar zur VwGO, § 42 Rdnr. 383 m. w. N.; s.a. R. Wahl, NVwZ 1984, 401 ff.; ders., Der Staat 20 (1981), 485 ff. 441 Grundlegend A. J. Merkl, Lehre von der Rechtskraft, 1923, S. 181 ff.; H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 228 ff.

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3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

sungsrechts bedienenden EntSpezifizierung durch die zweite und dritte Gewalt. Die Beachtlichkeit des Verfassungsrechts für den staatlichen Gesetzesanwender ist dadurch ungeschmälert, etwa in der Verpflichtung, im Rahmen von gesetzlich eingeräumten Beurteilungs- und Ermessensspielräumen die von der Verfassung ausgehenden Vorgaben zu berücksichtigen. c) Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt Schließlich führen die verfassungsdogmatischen Figuren vom Gesetzesvorbehalt und Parlaments vorbehält 442 zu einer zentralen Bedeutung des Religionsrechts in Form von Gesetzesrecht. Eingriffe in Grundrechte bedürfen zu ihrer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines Gesetzes. Dies gilt einerseits selbstredend für Grundrechte mit einem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt, also nach der hier vorgeschlagenen Verfassungsinterpretation etwa Art. 4 GG / Art. 137 III WRV als korporative Religionsfreiheit mit dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt des für alle geltenden Gesetzes. Die Erforderlichkeit eines Gesetzes ist aber auch zu beachten, wenn kollidierende Verfassungsgüter den Eingriff in ein vorbehaltlos gewährtes Grundrecht wie die individuelle Religionsfreiheit verfassungsrechtlich rechtfertigen sollen. 443 Denn mit der Ausmachung eines einschlägigen, gegenläufigen Grundrechts oder sonstigen Rechtsgutes mit Verfassungsrang ist noch keine Aussage über das Zuordnungsverhältnis beider Rechtskreise gemacht. Die hierbei erforderlichen Abwägungsentscheidungen haben einerseits dem Gebot praktischer Konkordanz zu folgen, also die maßgeblichen Verfassungsgüter bestmöglich zur Geltung kommen zu lassen, sind andererseits aber auch maßgeblich politisch präfiguriert. Funktionalrechtlich ist deshalb hierzu primär der Gesetzgeber aufgerufen und erst sekundär die Verwaltung oder ein Gericht. Ansonsten drohte eine Selbstentledigung der Exekutive von den Verfassungsbindungen im Rahmen des Rechtsvollzuges. Dabei hat im Kontext der Grundrechte die Festlegung der wesentlichen Grundlinien einer zu treffenden Abwägungsentscheidung durch das direkt demokratisch legitimierte Parlament selbst zu erfolgen (Parlamentsvorbehalt). 444

2. Gesetzgebungskompetenzen Die Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen in Religionsdingen zwischen Bund und Ländern folgt der allgemeinen Zuständigkeitszuweisung nach Art. 30 442 Cf. G. Hermes, Der Bereich des Parlamentsgesetzes, 1988, insb. S. 103 ff. 443 Cf. H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Vorb. Rdnr. 89; G. Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 94 ff.; Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Vorb. Art. 1 Rdnr. 48; R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 2. Aufl. 1994, S. 262 f.; K. Misera-Lang, S. 384 ff. 444 Cf. in religionsrechtlicher Perspektive M. Morlok/ M. H. Müller, JZ 1997, 549 (553); M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (705 f.); s.a. E. D. Bohl, Der öffentlich-rechtliche Körperschaftsstatus der Religionsgemeinschaften, 2001, S. 171 ff.

VII. Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Direktiven

241

GG, Art. 70 ff. GG, d. h. die Länder sind zur Gesetzgebung befugt, soweit nicht das Grundgesetz dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht (Art. 70 I GG). Die in Art. 10 Nr. 1 WRV statuierte Kompetenz des Reiches zu einer Grundsatzgesetzgebung hinsichtlich der Rechte und Pflichten von Religionsgesellschaften (s. o. 1. Kap. III.) entfiel im Bonner Grundgesetz. Sie wurde jedoch in Art. 138 I WRV vorausgesetzt, weshalb die Norm nach ihrer Inkorporation in das Grundgesetz zugleich als Kompetenznorm des Bundes für den Erlaß von Grundsätzen zur Ablösung von Staatsleistungen zu lesen ist. Daneben kennt das durch Art. 140 GG inkorporierte Staatskirchenrecht eine ausdrückliche Zuständigkeitsnorm für den Erlaß von das Religionsverfassungsrecht konkretisierende Regelungen zugunsten der Länder in Art. 137 VIII WRV. Diese Bestimmung ist nicht als ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder in allen die Religionsgesellschaften berührende Angelegenheiten zu verstehen, 445 sondern als expliziter Ausdruck einer sich sonst auch aus der allgemeinen Systematik ergebenden Zuständigkeit. Deshalb hindert Art. 137 VIII WRV den Bund nicht, im Rahmen der ihm zugewiesenen Gesetzgebungsmöglichkeiten etwa nach Art. 72, 74, 74a GG in den enumerativ aufgeführten Gebieten konkurrierender Gesetzgebung auch in Bezug auf Religionsgesellschaften Regelungen zu treffen. Gleiches gilt für die bestehenden Zuständigkeiten zur ausschließlichen und Rahmengesetzgebung (Art. 71, 73 GG; 75 GG). Art. 137 VIII WRV hebt freilich die Bedeutung der Länder bei der Religionsgesetzgebung besonders hervor und ruft damit auch verfassungskulturell geprägte Grenzen bundesgesetzgeberischer Aktivitäten auf diesem Felde ins Gedächtnis. Vor allem ist das als „Kulturhoheit der Länder" bezeichnete Erfordernis der Rücksichtnahme des Bundes auf die in langer Verfassungstradition durch die Länder ausgeübte, durch das Grundgesetz weitgehend nicht explizit dem Bund zugewiesene und deshalb nach Art. 30, 70 I GG den Ländern zukommende gesetzgeberische Bestimmungsmacht im Bereich des Kultur-, Religions- und Schulwesens zu nennen. Dabei führt die Systematik der Zuständigkeitsverteilung nach Art. 70 ff. GG, die alle unbenannten Bereiche den Ländern zuweist, zu einer zunehmenden Infragestellung substantieller Gesetzgebungskompetenzen der Ländern, kann doch nahezu jeder lebensweltliche Bereich den Enumerationskatalogen des Achten Abschnitts des Grundgesetzes irgendwie (mehr oder weniger) zugeordnet werden. Einer ähnlichen Konstellation werden wir im Kontext des Europarechts hinsichtlich mittelbarer Folgewirkungen des Europarechts auf die Rechstellung von Religionsgesellschaften nach nationalem Recht begegnen (5. Kap. I.). Der Verbleib einer maßgeblichen Möglichkeit zur legislativen Entfaltung der Länder ist jedoch vom Bundesstaatsprinzip unverzichtbar geschützt (Art. 20 I, 28 I GG - Art. 79 III GG). Deshalb ist ein Maßhalten des Bundes bei der Nutzung der grundgesetzlichen Gesetzgebungsbefugnisse auf den traditionellen Gebieten der „Länderkulturho445 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 137 WRV Rdnr. 306. 16 Heinig

2 4 2 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

heit" nicht nur eine Frage der verfassungspolitischen Klugheit, sondern auch eine in der Bundestreue begründete verfassungsrechtliche Verpflichtung. 446 Eine Blockade Wirkung gegenüber gesetzgeberischen Aktivitäten des Bundes wird durch Art. 137 V I WRV ausgelöst, der bestimmt, daß der Einzug der Kirchensteuern „nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen" zu erfolgen hat. Die hierin enthaltene verfassungsrechtliche Gesetzgebungspflicht der Länder, die subjektiv-rechtlich zugunsten der steuereinzugsberechtigten Religionsgesellschaften bewehrt ist, kann sinnvollerweise nur ausgeübt werden, wenn der Bund diese Verpflichtungen nicht unterlaufen oder ihre Einlösung in seinem Sinne umgestalten könnte. Art. 137 V I WRV stellt deshalb gegenüber Art. 105 II, 72 II GG die speziellere Vorschrift dar und begründet insoweit eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder. 447 Dies tangiert im Falle eines staatlichen Kirchensteuereinzugs freilich nicht die Bundeskompetenzen nach Art. 108 II 2 und VII GG. 4 4 8

3. Ttypen religionsgesetzlicher Bestimmungen Die dem Religionsrecht zuzuordnenden gesetzlichen Regelungen lassen sich in verschiedener Hinsicht typologisieren. Etwa könnte man unterscheiden zwischen Vorschriften, die Religionsgesellschaften ausdrücklich als Adressaten ausweisen (z. B. Kirchensteuergesetze) und Normen, die ohne Benennung von Religionsgesellschaften wirken, aber diese in besonderer Weise tangieren, so manche Bestimmungen des Arbeits- und Sozialrechts, des Privatschulrechts, des Hochschulrechts oder des Sozialrechts. Für beide Fälle sei auf die Bedeutung der Schrankenklausel des für alle geltenden Gesetzes nach Art. 137 III WRV hingewiesen: eine ausdrückliche Bezugnahme auf Religionsgesellschaften führt noch nicht per se zu einem verbotenen Sondergesetz; die fehlende Bezugnahme aber umgekehrt auch noch nicht zu einer der Schrankenqualifikation hinreichenden Jedermann-Bindung (cf. supra I. 3.). Zahlreiche Gesetze kennen spezielle Berücksichtigungsklauseln, die die Bedingungen von Religionsgesellschaften besonders in den Blick nehmen und entweder Ausnahmetatbestände statuieren oder in Ermessensentscheidungen die Einstellung der religionsgesellschaftlichen Belange in die Entscheidungsfindung verlangen. Schließlich entstehen etliche religionsrechtlichen Normierungen im Konsens mit Religionsgesellschaften, sei es, daß durch sie eine vertragliche Übereinkunft in Gesetzesform gegossen wurde, sei es, daß schlichtes Einvernehmen vor dem Tätigwerden der Legislative hergestellt wurde (sog. paktiertes Gesetz).449 446

Zur Bundestreue näher H. Bauer, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 26 ff. m. w. N. 447 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/ Klein /Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 137 WRV Rdnr. 277. 448 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/ Klein/ Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 137 WRV Rdnr. 306. 449 Cf. umfassend zu dieser Typologie J. Müller-Volbehr, HdbStKirchR 2 I, S. 289 (291 ff.).

VII. Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Direktiven

243

4. Beispiele für die religionsrechtliche Bundesgesetzgebung Der Bundesgesetzgeber wurde auf einer Fülle von Gebieten religionsrechtlich aktiv. Dies gilt zum einen auf öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften zugeschnitten, diese Bestimmungen sollen im folgenden Kapitel ausführlicher behandelt werden. Zum anderen sind aber auch die allgemeinen Rahmenbedingungen der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz für Religionsgesellschaften bundesgesetzlich ausgestaltet. Den besonderen freiheitlichen Garantien der Religionsgesellschaften werden im Bereich des kollektiven Arbeitsrechts die §§ 118 BetrVG, 112 BPersVG, 1 IV 2 MitbestG gerecht, zu denen dem Bund aus Art. 74 I Nr. 12 GG die Gesetzgebungskompetenz erwächst. Auf Art. 74 I Nr. 7 GG stützen sich die §§ 10 und 93 BSHG, die die Tätigkeit der kirchlichen und der anderen Verbände der freien Wohlfahrtspflege sichern. Das auf Art. 74 I Nr. 19a GG basierende KrankenhausfinanzierungsG zeitigt für Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft weitreichende Folgen. Die Art. 74 I Nr. 1 GG zu entnehmende Gesetzgebungskompetenz des Bundes in strafrechtlichen Angelegenheiten deckt die formale Verfassungsmäßigkeit der §§ 166 f. StGB als besondere strafrechtliche Bewehrung des religiösen Friedens; daneben finden natürlich die eigentums- und vermögensbezogenen oder etwa ehrschützenden Strafrechtsnormen auch zugunsten von Religionsgesellschaften Anwendung. Die Grundsatzgesetzgebung des Bundes zum Hochschulwesen (Art. 75 I Nr. la GG) wirkt sich auch auf theologische Fakultäten aus; gleiches gilt für die gesetzgeberischen Aktivitäten des Bundes im Rahmen der als Gemeinschaftsaufgaben begründeten Fragen des Hochschulaus- und -neubaus sowie der Bildungsplanung und Forschung (Art. 91a und 91b GG). Zahlreiche einschlägige Bestimmungen des Personenstandswesens sowie des Ehe- und Familienrechts tangieren Religionsgesellschaften mehr oder weniger unmittelbar; am bekanntesten ist wohl das Verbot der kirchlichen Voraustrauung. 4 5 0 § 383 I Nr. 4 ZPO und § 53 I Nr. 1 StPO begründen Zeugnisverweigerungsrechte für Geistliche. Im Verteidigungswesen sind die §§111 Nr. 1-3, 12 II WPflG (Geistlichenprivileg) als für Religionsgesellschaften erhebliche bundesgesetzliche Vorschriften zu nennen, ferner die für die Militär- und Bundesgrenzschutzseelsorge relevanten in § 36 SoldatenG, § 59 I BundesgrenzschutzG wie im MilitärseelsorgeG enthalten Vorschriften.

5. Beispiele für die religionsrechtliche Landesgesetzgebung Die Schulgesetze der Länder, die in der Regel Bestimmungen zum Schultypus und damit zur Frage der Bekenntnisschule oder christlichen Gemeinschaftsschule und zum Religionsunterricht enthalten, stellen wohl die, was die Zahl der davon unmittelbar Betroffenen angeht, bedeutsamsten religionsrechtlichen Bestimmun450

Hierzu - insb. zur Frage der Verfassungsmäßigkeit - D. Ehlers, FS Hollerbach, 2001, S. 811 ff. 16*

244

3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

gen dar. Die Privatschulgesetze und das Hochschulrecht der Länder berühren ferner die Bildungsarbeit von Religionsgesellschaften. Die organisatorische und redaktionelle Präsenz von Religion im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist in den Rundfunkgesetzen der Länder normiert (s.a. supra IV. 2.). Landesgesetzliches Stiftungs-, Sammlungs- und Friedhofsrecht berührt traditionelle kirchliche Aktivitäten. 451 Schließlich gilt es, das Denkmalschutzrecht der Länder im Blick zu behalten, das im Lichte von Art. 4 GG/Art. 137 III WRV die Belange des Denkmalschutzes mit denen der korporativen Religionsfreiheit abzugleichen hat. 4 5 2 Die Aufzählung ließe sich noch beliebig fortführen, die benannten Felder mögen aber dem Zweck der Veranschaulichung genügen.453

VIII. Vertragliche Beziehungen zwischen Staat und Religionsgesellschaften 1. Funktionen und Zwecke vertraglicher Vereinbarungen Religionsrecht ist kontraktgeprägt. Neben dem Verfassungsrecht und dem Gesetzesrecht nehmen vertragliche Vereinbarungen zwischen dem Staat und den Kirchen sowie kleineren Religionsgesellschaften eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der Rechtsverhältnisse ein. 4 5 4 Ob dieser Relevanz für die Konstituierung und Konkretisierung eines Rechtsstatus der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Trennung von Religionsgesellschaften seien die vertraglichen Beziehungen näher umschrieben. Die Vertragsproblematik wird uns ferner im Kontext des Europarechts wieder begegnen. In der frühen Bundesrepublik stellte zunächst die sog. Koordinationslehre mit dem Postulat, daß Staat und Kirchen sich rechtlich gleichrangig begegneten und deshalb der Vertrag das probate Instrument der Koordination beider sei, maßgeblich zur verfassungstheoretischen Legitimation und zum Verständnis der Staat-Kirche-Verträge bereit. In der Logik dieser Argumentation lag es, einen verfassungs451 Cf. wiederum ausführlich J. Müller-Volbehr, HdbStKirchR 2 I, S. 289 (310 ff.). 452 Als Vorbild mag § 11 DenkmalschutzG Bad.-Württ. dienen; hierzu auch M. Heckel, Staat. 453 Für einen weiteren Überblick über gesetzliches Religionsrecht cf. H.-W. Strätz, FS Maurer, 2001, S. 445 ff. 454 Cf. J. Listi, Konkordate und Kirchenverträge, in: ders. (Hrsg.), Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 1987, S. 3 ff.; A. Hollerbach, HdbStKirchR 2 I, S. 253 ff.; B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 189 ff.; A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art 140 Rdnr. 68 ff.; S. Muckel, Der Staatskirchenvertrag als Instrument zur Regelung des Verhältnisses von Staat und Kirche, in: R. Tillmanns (Hrsg.), Staatskirchen Verträge in Sachsen, 2001, S. 23 ff.; im Überblick auch M. Germann, Art. Kirchenverträge, in: RGG 4 , Bd. 4, Sp. 1360 ff. Textdokumentationen bieten etwa H. Weber (Hrsg.), Staatskirchenverträge, 1967; J. Listi (Hrsg.), Die Konkordate und Kirchenverträge in der Bundesrepublik Deutschland, 2 Bde. 1987.

VIII. Staat und Religionsgesellschaften

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rechtlichen Vorrang der vertraglichen Vereinbarung gegenüber gesetzlichen Regelungen zu postulieren. 455 Lehnt man mit der heute nahezu einhelligen Ansicht im Schrifttum die Koordinationslehre ab, sind hieraus die entsprechenden verfassungstheoretischen und -dogmatischen Konsequenzen für das Religionsverfassungsrecht auch auf dem Gebiet der vertraglichen Übereinkünfte zwischen Staat und Religionsgesellschaften zu ziehen. Dies heißt aber nicht, Staatskirchenverträge zu einem „Auslaufmodell" zu erklären, im Gegenteil. Nicht von ungefähr etablierte sich nach der Vereinigung Deutschlands in den fünf neueren Ländern ein ausgeprägtes Geflecht an entsprechenden Übereinkünften; das Vertragsstaatskirchenrecht erlebte eine regelrechte Renaissance.456 Für die theoretische Grundierung der Staat-Kirche-Verträge ist dabei auf das Schlagwort vom „kooperativen Staat" 457 zu verweisen, das die (Re-)Organisation der Exekutive auf allen Ebenen im letzten Jahrzehnt geprägt hat. Kooperation, so ein vorläufiger Ertrag der Debatten, stellt eine intelligente und freiheitsschonende Form der Subordination dar, nicht aber ihr Surrogat. Neudeutsch würde man von der „win-win-Situation" der Kooperation sprechen. Diese legitimiert sich freilich, so auch im Religionsverfassungsrecht, nur, wenn keine Rechte Dritter verletzt werden. 458 Der anvisierte „Gewinn" der Kooperation läßt sich für Staat und Religionsgesellschaften in vier Grundmotiven zum Vertragsschluß skizzieren: 459 Für die Religionsgesellschaften steht die Vorstellung einer besonderen Rechtssicherheit und Verläßlichkeit staatlicher Gewährleistungen im Vordergrund (Absicherungs- und Perpetuierungsfunktion). 460 Für den Staat dagegen ist das Interesse an konsensualen Verpflichtungen von Religionsgesellschaften zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen zu nennen, etwa der Berücksichtigung staatlicher Belange im Rahmen des kirchlichen Wirkens oder die Einwirkung über die durch Art. 137 III WRV limitierten Möglichkeiten der Gesetzgebung hinaus (Verpflichtungs- und Einwir455 P. Mikat, Das Verhältnis von Staat und Kirche in der Bundesrepublik (1964), in: ders., Religionsrechtliche Schriften, 1. Halbbd., 1974, S. 163 (180). 456 Cf. H. U. Anke, Die Neubestimmung des Staat-Kircheverhältnisses in den neuen Ländern durch Staatskirchenvertrag, 2000; A. v. Campenhausen, NVwZ 1995, 757 ff.; H. Weber, FS Heckel, 1999, S. 463 ff.; H. Weber, FS Kriele, 1997, S. 1009 ff. jeweils m. w. N. 4 57 E.-H. Ritter, AöR 104 (1979), 389 ff. 458 Skeptisch gegenüber vertraglichen Regelungen von Staat und Kirchen zeigen sich H. Weber, Grundprobleme, 1970, S. 50 f. (der seine Kritik in dieser Form freilich nicht mehr aufrecht erhält, [da sich das Verständnis von Staatskirchenverträgen auch entsprechend gewandelt hat]); G. Czermak, Der Staat 39 (2000), 69 ff.; L. Renck, DÖV 1997, 929 ff. 4 59 Nach H. U. Anke, Neubestimmung, S. 39 ff., 65 ff., 218 ff., 316 ff. und 353 ff. 460 Ein Beispiel für die Berechtigung dieser Erwartung aus neuerer Zeit bietet der staatskirchenvertragliche Schutz der kirchlichen Feiertage und des Sonntags in Anlehnung an die Bestimmung des Art. 139 WRV. Diese vertraglichen Garantien führten zu einer klagefähigen Rechtsposition im Streit um die Rechtmäßigkeit einer rechtsformmißbräuchlichen weitgehenden Aushebelung der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten in M.-V; cf. hierzu H. M. Heinig/M. Morlok, KuR 2001, 25 ff. = 160, 13 ff. m. w. N.

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3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

kungsfunktion). Im Vertrag werden die beiden zunächst konträr erscheinenden Vertragsschlußinteressen zusammengeführt und die jeweiligen Belange zu einem Ausgleich gebracht (Kooperationsfunktion). Zahlreiche Bestimmungen beinhalten zudem eine besondere staatliche Förderung des religionsgesellschaftlichen Vertragspartners (Förderfunktion).

2. Bestandsaufnahmen: Vertragsschließende, Vertragsinhalte, Rechtsprobleme a) Vertragsschließende Neben dem Bund kennen auch alle Länder bis auf Bremen vertragliche Vereinbarungen mit Religionsgesellschaften. 461 Diese stammen z.T. noch aus vorkonstitutioneller Zeit, wobei Fortgeltung und Umfang der Bindung streckenweise in Frage stehen.462 Vertragspartner sind der sog. „Heilige Stuhl" als eigenständiges Völkerrechtssubjekt 4 6 3 einzelne katholische Diözesen, die Evangelische Kirche in Deutschland oder einzelne evangelische Landeskirchen, aber auch kleinere Religionsgesellschaften wie die altkatholische Kirche in Bayern, die russisch-orthodoxe Diözese des orthodoxen Bischofs von Berlin und Deutschland, Jüdische Gemeinden und ihre Landesverbände oder die griechisch-orthodoxe Metropolie von Deutschland. Für die Verträge mit dem Heiligen Stuhl hat sich die Bezeichnung „Konkordat" eingebürgert, ansonsten spricht man von Staatskirchenverträgen, Kirchenverträgen oder religionsrechtlichen Verträgen. Neben „Grundlagenverträgen", die durch Parlamentsbeschluß als formale Gesetze verabschiedet wurden, finden sich zahlreiche weitere Vereinbarungen, die zumeist eine staatliche Rechtsverordnung oder einen Runderlaß nach sich zogen, so insbesondere in Rechtsfragen des konfessionellen Religionsunterrichts. 464

b) Vertragsinhalte Die einzelnen Bestimmungen der zahlreichen bestehenden vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Staat und den Religionsgesellschaften lassen sich jeweils den vier einzelnen Funktionen zuordnen: die verfassungsrechtliche Gewährleistungen wiederholenden Freiheits- und Öffentlichkeitsgarantien sind ebenso enthal461 In Berlin wurden vor der Vereinigung sog. Abschließende Protokolle bzw. Vereinbarungen getroffen; cf. J. Listi (Hrsg.), Konkordate, S. 625 ff. An einem neue Vertragskonstrukt wird anhaltend gearbeitet. 462 Cf. insg. K. Hesse, JöR n.F. 10 (1961), 3 ff.; J. Listi, Konkordate und Kirchenverträge, S. 17 f.; als problematisch erweist sich insbesondere das vor allem politisch-moralisch „anrüchige" Reichskonkordat vom 20. Juli 1933. 463 Im folgenden kurz als Heiliger Stuhl bezeichnet. 464 Cf. die Dokumentation bei J. Listi (Hrsg.), Konkordate.

VIII. Staat und Religionsgesellschaften

247

ten, wie etwa besondere Regelungen und Verfahren bei der Besetzung von kirchenleitenden Positionen und zum kirchlichen Organisationsrecht, Bestimmungen zu Rechtsfragen des Religionsunterrichts und theologischer Fakultäten, zu vermögensrechtlichen Problematiken, Normierungen der Anstaltsseelsorge, insbesondere der Militär- und Polizeiseelsorge, zum Sonn- und Feiertagsschutz, zur Denkmalspflege, etc. Die einzelnen Verträge einer genaueren Analyse zu unterziehen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, insoweit sei auf die einschlägigen Arbeiten verwiesen.

465

c) Rechtsfragen Die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Religionsgesellschaften und dem Staat werfen drei miteinander verzahnte Fragenkreise auf, die eine anhaltend lebhafte publizistische Beschäftigung mit diesem Gegenstand stimulieren: zum einen ist klärungsbedürftig, ob und welche vertragliche Rechtsgestaltung zwischen Staat und Kirchen überhaupt zulässig ist. Die Beantwortung dieser Frage läßt sich schwerlich lösen von der nach den Β indungsWirkungen derartiger Übereinkommen. Diese wiederum ist gekoppelt an die Frage nach der Rechtsnatur von Konkordaten und anderen Verträgen des Staates mit Religionsgesellschaften. Zu den jeweils diffizilen Problemkreisen kann hier nur skizzenhaft Position bezogen werden, wobei insbesondere im Hinblick auf den europarechtlichen Abschnitt dieser Arbeit die Konkordatsproblematik zur Sprache gebracht werden sollte, also die Einordnung von Verträgen des Staats mit dem Heiligen Stuhl.

3. Verfassungsrechtliche Grundlagen Maßgebliche Grundlage für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfragen kann in der Bundesrepublik Deutschland einzig die durch das Grundgesetz und die Landesverfassungen begründete verfassungsrechtliche Ordnung sein. Außerrechtliche oder vermeintlich „zwischenrechtliche" Argumente sind insoweit als unzulässig zurückzuweisen. 466 Das Grundgesetz selbst enthält keine ausdrückliche Bestimmung zu den Staatskirchenverträgen, setzt solche jedoch an zwei Stellen voraus. Zum einen erwähnt Art. 138 I WRV auf Vertrag beruhende Staatsleistungen,467 zum anderen spielte bei den Beratungen zu Art. 123 II GG die Frage nach der Zukunft des Reichskonkordats vom 20. Juli 1933 eine maßgebliche Rolle 4 6 8 Art. 123 II GG regelt das Pro465 Näher etwa H. U. Anke, Neubestimmung, S. 68 ff.; A. Hollerbach, Verträge zwischen Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, 1965, S. 74 ff.; J. Listi, Konkordate, S. 9 f. 4 66 Cf. H.-U. Anke, Neubestimmung, S. 137 ff.; D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), 286 (292 ff.). 4 67 D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), 286 (289), ders., FS Maurer, 2001, S. 333 (334); A. Hollerbach, HdbStKirchR 2 I, S. 253 (267).

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3. Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

blem der Weitergeltung der durch das Deutsche Reich abgeschlossenen „Staatsverträge", die Gegenstände zum Vertragsinhalt haben, die heute der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterfallen. Der Begriff des Staatsvertrages ist dabei mißverständlich, gemeint sind nach einhelliger Ansicht in Art. 123 II auch völkerrechtliche Verträge, 469 während sich in der staatskirchenrechtlichen Diskussion terminologische Differenzierungen zwischen völkerrechtlichen und (inner)staatsrechtlichen Vertragstypen etabliert haben. Aus Art. 138 I WRV und Art. 123 II GG ist zunächst zu schließen, daß das Grundgesetz Staatskirchenverträgen als solchen nicht entgegensteht, sie vielmehr als staatskirchenrechtliche Selbstverständlichkeit ansieht. Entsprechend wird die grundsätzliche Zulässigkeit von Staat-Kirche-Verträgen denn auch in der Literatur nicht in Frage gestellt. 470 Ihre verfassungsrechtliche Ermöglichung gilt als „gemeindeutsches Verfassungsrecht." 471 Die Entstehungsgeschichte des Art. 123 II GG läßt aber auch einen Rückschluß auf die Frage der Rechtsnatur bestimmter Verträge zu, nämlich die des Staates mit dem Heiligen Stuhl: für die verfassungsrechtliche Anerkennung ihrer aus der Stellung des Heiligen Stuhls als Völkerrechtssubjekt abgeleiteten völkerrechtlichen Qualität gibt es in der Entstehungsgeschichte des Art. 123 II GG starke Anhaltspunkte. In zahlreichen Landesverfassungen finden sich gegenüber dem Grundgesetz konkretere Bestimmungen zu Staatskirchenverträgen. 472 Aufschluß über die Rechtsqualität der Kontrakte erlaubt Art. 182 Bay.Verf., der besagt, daß „die früher geschlossenen Staatsverträge, insbesondere die Verträge mit den christlichen Kirchen vom 24. Januar 1925", in Kraft bleiben, während die vorhergehende Verfassungsbestimmung die zukünftige Kompetenz zum Abschluß von Staatsverträgen allgemein gestattet. Die Bay.Verf. erstreckt die Staatsvertragsqualität damit auch auf die Kontrakte zwischen Freistaat und Evangelischer Kirche. Art. 50 Hess.Verf. sieht die „Vereinbarung" neben dem Gesetz als probates Mittel vor, den staatlichen vom kirchlichen Bereich abzugrenzen. Nach Art. 23 N.-W.Verf. werden bestimmte preußische Kirchenverträge als geltendes Recht anerkannt und zudem ihre Abänderung und die Begründung neuer Kirchenverträge von der Zustimmung der Vertragspartner und der Verabschiedung eines Landesgesetzes abhängig gemacht. Nach Art. 35 I 3 Saarl.Verf. erkennt der Staat die „zu Recht bestehenden Verträge und Vereinbarungen mit den Kirchen an." Art. 109 Sächs.Verf. sieht vor, daß die „Beziehungen des Landes zu den Kirchen und Religionsgesellschaften" im übrigen, d. h. unbeschadet der Trennung von Staat und Kirchen und der korporativen Religionsfreiheit in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes, „durch Vertrag" geregelt 468 D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), 286 (288); cf. a. BVerfGE 6, 309 (330 ff.). 469 Cf. etwa R. Stettner, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 123 Rdnr. 25. 470 G. Czermak, Der Staat 39 (2000), 69 (73); S. Muckel, Staatskirchen vertrag, S. 27 f. 471 A. Hollerbach, HdbStKirchR 2 I, S. 253 (267). 472 Cf. Α. Hollerbach, HdbStKirchR 2 I, S. 253 (263, 267); D. Ehlers, ZevKR 46 (2001),

286 (288).

VIII. Staat und Religionsgesellschaften

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werden. Daß das „Land und die Kirchen sowie ihnen gleichgestellte Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ... Fragen von gemeinsamen Belangen durch Vertrag regeln können", bestimmen Art. 32IV Sa.-An.Verf. und Art. 9 II M.-V.Verf. Schließlich gilt es als besonders bemerkenswerte Norm Art. 8 B.-W.Verf. hervorzuheben, wonach die „Rechte und Pflichten, die sich aus Verträgen mit der evangelischen und katholischen Kirche ergeben, ... von dieser Verfassung unberührt" bleiben. Insbesondere mit Blick auf die letztgenannte Bestimmung ist freilich Art. 28 I GG in Erinnerung zu rufen, d. h. auch die Bestimmungen der Landesverfassungen zu Fragen des Staatskirchenvertragswesens müssen den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates genügen, wobei der rechtsstaatliche Grundsatz des pacta sunt servanda und die dem Demokratiegebot entspringende Vorstellung von der Reversibilität politischer Entscheidungen durch neue politische Mehrheiten in eine gewisse Spannung treten.

4. Rechtsnatur und Bindungswirkung Die Palette vorgeschlagener Rechtsnaturen der religionsrechtlichen Verträge ist groß: Völkerrechtlicher Vertrag, quasi-völkerrechtlicher Vertrag, innerstaatsrechtlicher Staatsvertrag, koordinationsrechtlicher Verwaltungsvertrag, subordinationsrechtlicher Verwaltungsvertrag oder Vertrag sui generis sind zu nennen.473 Hintergrund der Problematik einer Typisierung ist zum einen die Bindungswirkung des Gesetzgebers durch den Vertrag, zum anderen aber ist mit der Völker- oder staatsrechtlichen Zuordnung auch ein rhetorischer Mehrwert besonderer Dignität verbunden (und intendiert). a) Konkordate als Völkerrecht

besonderer Art

Analysiert man die einzelnen durch Staatskirchenverträge aufgeworfenen Rechtsfragen genauer, ist festzustellen, daß keine der Einordnungen vollständig befriedigen kann. Die Bestimmung der Konkordate als Völkerrecht oder QuasiVölkerrecht wirft paritätsrechtliche Fragen auf und hat zudem zu bedenken, daß Völker- und verfassungsrechtliche Abweichungen gegenüber „klassischen" völkerrechtlichen Verträgen bestehen:474 Zwar ist der Heilige Stuhl als solcher (neben dem durch die Lateralverträge begründeten Staat Vatikanstadt) anerkanntes Völkerrechtssubjekt; 475 auch spricht gegen die Einordnung der Konkordate als Völkerrecht nicht, daß der Heilige Stuhl nicht wie „im normalen Völkerrechtsverkehr" auftritt, „sondern es ... um Vereinbarungen rein innerstaatlicher religionsrecht473 cf. im Überblick D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), 287 (292 ff.). 474 Hierauf stellen maßgeblich L Renck, DÖV 1997, 929 (931 f.); G. Czermak, Der Staat 39 (2000), 69 (73 f.) ab. 475 o. Kimminich, HdbStKirchR 2 II, S. 217 (226 ff.).

2 5 0 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

licher Materien" für die deutschen Katholiken geht; 476 dies ist vielmehr notwendige Konsequenz des nicht territorial verankerten Völkerrechtsstatus des Heiligen Stuhls, also des Papstes als geistlichem und administrativem Oberhaupt der katholischen Kirche. 477 Aber die Wiener Vertragskonvention findet auf Konkordate keine Anwendung. Konkordate stellen insgesamt in ihrer Geltung wie hinsichtlich der Materien der Verträge eine Abweichung vom völkerrechtlichen Normalfall dar. Auch die verfassungsrechtliche Verarbeitung der völkerrechtlichen Qualität der Konkordate weist Besonderheiten auf: Art. 32 GG findet keine Anwendung, da der Heilige Stuhl kein auswärtiger Staat i. S. d. Norm ist, 4 7 8 Art. 59 I GG (völkerrechtliche Vertretung des Bundes durch den Bundespräsidenten) greift deshalb ebenfalls nicht. Die Verbandkompetenz zum Abschluß von Konkordaten folgt der allgemeinen Kompetenzverteilung zur Religionsgesetzgebung zwischen Bund und Ländern (cf. supra VII.). Gleichwohl soll Art. 87 I GG diplomatischen Vertretungen der Länder beim Heiligen Stuhl entgegenstehen.479 Bei Verträgen des Bundes mit dem Heiligen Stuhl ist zudem das Gesetzeserfordernis nach Art. 59 II 1 GG zu beachten.

b) Staatskirchenverträge

als Verwaltungsverträge

Auch die auf den ersten Blick konzise wirkende Einordnung der Staatskirchenverträge als Verwaltungsverträge kennt Folgeprobleme, die es zu bearbeiten gilt. Zum einen läßt sich für Konkordate die (ggf. modifizierte) Anwendbarkeit völkerrechtlicher und völkerrechtsbezogener verfassungsrechtlicher Regeln nicht ausblenden. Zudem wird die Frage des Entzuges vertraglich geregelter Materien gegenüber späteren Gesetzesänderungen durch die Zuweisung von Staatskirchenverträgen in das Verwaltungsrecht nicht hinlänglich beantwortet - wie aber die Befürworter einer solchen Lösung geltend machen. Denn auch bei ursprünglich nach Form und Inhalt rechtmäßigen Verwaltungsverträgen gibt es einen Bestandsschutz als Erscheinung des Vertrauensschutzes, § 59 I VwVfG i.V.m. § 134 BGB findet dann auf nachträgliche Gesetzesänderungen nicht ohne Abstriche Anwendung, zudem man im Verwaltungsrecht sogar in Fällen anfänglicher Rechtswidrigkeit von öffentlich-rechtlichen Verträgen Abwägungsbedarf zwischen dem öffentlichen Interesse am Bestand der Vereinbarung und der Erheblichkeit des Rechtsverstoßes unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der einschlägigen Verbotsnorm sieht. Vor allem aber geht die Einordnung als reine Verwaltungsverträge an der Vertragsmaterie, dem Willen der Vertragsschließenden und den einschlägigen landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen vorbei. 480 476 477 478 479 480

So G. Czermak, Der Staat 39 (2000), 69 (74). H. U. Anke, Neubestimmung, S. 129 f. BVerfGE 6, 309 (362). Λ. Hollerbach HdbStKirchR 2 I, S. 253 (278). D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), 286 (296 ff.).

VIII. Staat und Religionsgesellschaften

c) Staatskirchenverträge

251

und Staatsverträge

Schließlich weist die Einordnung von Staatskirchenverträgen als Staatsverträge Defizite hinsichtlich einer kohärenten dogmatischen Aufarbeitung auf. Maßgebliches Argument einer solchen Einordnung ist die „Eigenrechtsmacht" der Kirchen, die Vorstellung, daß Religionsgesellschaften „nach eigenem, unabgeleitetem Recht leben". 481 Diese teilweise in Art. 137 III WRV normativ als verfassungsrechtlich anerkannt (wohlgemerkt: nicht begründet) verortete „außerweltliche rechtliche Eigenexistenz" sei der von Bund und Ländern vergleichbar, weshalb vertragliche Übereinkünfte zwischen den Religionsgesellschaften und Bund oder Ländern wie solche zwischen Bund und Ländern oder zwischen Ländern einzuordnen seien, also als innerstaatsrechtliche Staatsverträge. Hiergegen ist zu bedenken, daß Art. 4 GG/Art. 137 III WRV eine spezifische verfassungsrechtliche Freiheitssphäre für Religionsgesellschaften begründet, sie jedoch nicht als vorverfassungsrechtliche „Eigenmächte" anerkennt. Art. 137 III WRV ist keine Koordinationsnorm zweier gleichrangiger Rechtsordnungen, sondern die religionskorporationsspezifische, verfassungsrechtliche, freiheitliche Mäßigung der allgemeinen verfassungsrechtlichen Subordination der Bürger und ihrer Organisationen unter die verfassungsbegründete öffentliche Gewalt (cf. supra I. 3. a.) 4 8 2 Die Charakterisierung der Staatskirchenverträge als Staatsverträge stellt deshalb ein Residuum der Koordinationslehre dar.

d) Sui-generis-Lösung Am plausibelsten dürfte es deshalb sein, bei den Staatskirchenverträgen von einer verfassungsgewohnheitsrechtlich 483 anerkannten, vom Grundgesetz vorausgesetzten und in einigen Länderverfassungen ausdrücklich hervorgehobenen Gestaltungsform sui generis religionsrechtlicher Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Religionsgesellschaften auszugehen.484 Diese eigene Kategorie ist keineswegs eine juristische Verlegenheitslösung, sondern in der Sache aus den Spezifika der Materie berechtigt. Zum einen lassen sich so paritätsrechtliche Probleme hinreichend bearbeiten, zum anderen die Frage der vertraglichen Bindungswirkung des 481 H. U. Anke, Neubestimmung, S. 151 ff. 482 So auch D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), 286 ff., der gleichwohl im Ausschlußverfahren Staatskirchenverträge als Staatsverträge begreift, weil keine andere Kategorie passe. 483 Zu den Anforderungen für die Annahme von Gewohnheitsrecht („dauernde, gleichmäßige und allgemeine und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannte Übung") BVerfGE 22, 114 (121); 57, 121 (134)) m. w. N.; zum Gewohnheitsrechts im staatskirchenrechtlichen Kontext P. Landau, HdbStKirchR 2 I, S. 334 (340 ff.). 484 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 140 Rdnr. 47; anders im Verständnis der sui-generis-Kategorie A. Hollerbach, HdbStKirchR2 I, S. 253 (273 ff.), der diese zwischen Völkerrecht und Verfassungsrecht ansiedelt; hiergegen D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), 286 (295 f.).

2 5 2 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

Gesetzgebers angemessen lösen. Bei Konkordaten tritt der verfassungsrechtliche Status neben den des Völkerrechts, wobei ein weitgehender Parallellauf zu verzeichnen ist. Die Grundzüge dieses staatskirchenvertraglichen Verfassungsgewohnheitsrechts lassen sich wie folgt benennen: Tauglicher Gegenstand vertraglicher Vereinbarungen zwischen Staat und Kirchen sind alle Fragen, die auch durch Gesetz einseitig staatlich geregelt werden könnten. Zugleich können Religionsgesellschaften auch staatliche Einflüsse in den durch Art. 4 GG / Art. 137 III WRV markierten Bereich der Selbstordnung und -Verwaltung zulassen, schützen diese Normen doch auch ein religiöses Selbstverständnis, daß eine besondere Staatsnähe beinhaltet. Maßgeblich ist insoweit nicht der Grundsatz des volenti non fit iniuria oder die Kategorie des Grundrechtsverzichts, sondern die Schutzgarantie des Grundrechts selbst. 485 Freilich hat der Staat hierbei das sonstige Verfassungsrecht, etwa Grundrechte Dritter sowie Art. 137 I WRV zu achten, über den weder er noch die vertragsschließende Religionsgesellschaft disponieren kann. Insoweit stehen insbesondere vertraglich vereinbarte staatliche Mitspracherechte bei der Besetzung von Bischofsämtern und von ähnlichen kirchenleitenden Positionen wegen der daraus erwachsenden institutionellen Verknüpfung in ihrer Verfassungsmäßigkeit in Frage. Auch das Neubegründungsverbot von Staatsleistungen aus Art. 138 I WRV läßt sich nicht vertraglich überwinden; erlaubt sind insoweit nur Bündelungen und Zusammenführungen bisheriger, verstreut begründeter Leistungen bis zu ihrer endgültigen Ablösung. Im Falle der zulässigen Einräumung staatlicher Mitwirkungsbefugnisse in religionsgesellschaftliche Angelegenheiten stellt sich die Frage, was passiert, wenn sich das religionsgesellschaftliche Selbstverständnis ändert, nicht mehr mit den Vereinbarungen übereinstimmt und eine Religionsgesellschaft sich gegen den Vertag auf Art. 4 GG/Art. 137 III WRV beruft. Dies ist jedoch keine Frage zulässiger Regelungsgegenstände, sondern eine der Bindungswirkung des Vertrages und seiner Änderbarkeit, und zwar seitens beider Vertragspartner (hierzu sogleich). Qua Verfassungsgewohnheitsrecht nimmt die (in der Regel unbefristete und ohne Kündigungsklausel versehene) vertragliche Vereinbarung an einer erhöhten Bestandskraft auch gegenüber zukünftigen Gesetzesänderungen teil. 4 8 6 Diese Kontinuitätsgewährleistung ist jedoch nicht absolut, sondern schlägt sich in Rücksichtnahme- und Verfahrensgeboten nieder. Um in diesen Schutz zu erwachsen, ist eine Transformation des Vertrages in ein förmliches Gesetz erforderlich. Vereinbarungen ohne Transformation durch den parlamentarischen Gesetzgeber in staatliches Recht stellen keine Staatskirchenverträge im verfassungsrechtlichen Sinne dar, sondern Verwaltungsverträge und unterliegen den dafür geltenden Bestimmungen. Die Bundesregierung und die Landesregierungen sind dann allerdings nicht gehin485

Beispiele für Vertragsbestimmungen mit Verpflichtungsfunktionen bei H. U. Anke, Neubestimmung, S. 371 ff. 4 »6 Cf. a. D. Ehlers, ZevKR 46 (2001), 286 (302 ff.); ders., FS Maurer, 2001, S. 333 (338 ff.); A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art 140 Rdnr. 57 f.

VIII. Staat und Religionsgesellschaften

253

dert, Vereinbarungen mit Religionsgesellschaften im Rahmen der gouvernementalen Kompetenzen zum Erlaß von Verordnungen und Verwaltungsvorschriften in materielles Recht umzusetzen. Der parlamentarische Gesetzgeber kann sich hier freilich ohne weiteres über den Willen der Regierung hinwegsetzen. Ausdrücklich erwähnt wird das Gesetzesgebot für die volle verfassungsrechtliche Wirksamkeit eines Staatskirchenvertrages in Art. 23 II N.-W.Verf., für Konkordate ist ferner auf Art. 59 II 1 GG zu verweisen. Erst durch das Parlamentsgesetz wird die Vereinbarung über den Rechtskreis der Vertragspartner hinaus Bestandteil der Rechtsordnung im Rang eines formalen Gesetzes und bekommt allgemeine Bindungswirkung. Insoweit besteht auch kein Unterschied zwischen Konkordaten als völkerrechtlichen und sonstigen religionsrechtlichen Verträgen: jeweils ist ein Transformationsgesetz erforderlich. Angesichts der notwendigen Beteiligung des Parlamentes ist ferner dem Demokratieprinzip beim Zustandekommen des Staatskirchenvertrages genüge getan; zwar handeln in der Regel auf staatlicher Seite Regierungsvertreter die Vereinbarung mit den Religionsgesellschaften aus, doch ist die Letztentscheidung des Parlamentes durch den Gesetzesvorbehalt garantiert. Zudem kann sich das Parlament eine Beteiligung an den Verhandlungen ausbedingen (Konventslösung). Durch das Transformationsgesetz entledigt sich das Parlament jedoch nicht seiner zukünftigen gesetzgeberischen Kompetenzen im Bereich der Vertragsinhalte. Ein solche Wirkung der Staatskirchenverträge wird, soweit ersichtlich, auch von niemandem uneingeschränkt postuliert. Sie ist mit dem Demokratieprinzip (Art. 20 I, II, 28 I 1 GG) und der verfassungsrechtlichen Funktion des Parlamentes als Garanten eines sich prozedural und damit revisionsoffen herausbildenden Gemeinwohls unvereinbar. 487 Zugleich aber entspricht es nicht nur dem Willen der vertragsschließenden Parteien, durch die Vereinbarung und ihre gesetzliche Umsetzung eine gegenüber den einfach-gesetzlichen Garantien erhöhte Schutzwirkung zu entfalten, sondern auch der verfassungsrechtliches Gewohnheitsrecht begründenden Praxis. Änderungen der gemeinsamen Beschlüsse haben deshalb primär im Einverständnis unter Berücksichtigung der durch den Vertrag anerkannten gegenseitigen Interessen zu erfolgen. 488 Aus der verfassungsrechtlichen Anerkennung des staatskirchenvertragsrechtlichen Instrumentariums folgt eine primäre Verhandlungspflicht bei politisch motiviertem Begehren, vom konsensualen Status quo künftig abzuweichen; hierbei ergibt sich aus den „Freundschaftsklauseln" der Verträge und dem Grundsatz der compositio amicabilis eine Verpflichtung der wohlwollenden Prüfung des Novellierungsbegehrens. Ist eine einvernehmliche Lösung nicht zu erreichen, bietet das Vertragsrecht mit der clausula rebus sie stantibus ein sekundäres Element der Beendigung oder Änderung des Vertrages durch Kündigung. 487 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 140 Rdnr. 46. 488 A. Hollerbach, HdbStKirchR 2 I, S. 253 (279 ff.).

2 5 4 3 . Kap.: Die allgemeinen staatskirchenrechtlichen Rahmenbedingungen

Schließlich ist beiden Vertragspartnern auf jeweilige Weise von Verfassungs wegen die Möglichkeit eingeräumt, sich der vertraglichen Bindungen zu entledigen: die Religionsgesellschaft kann im äußersten Fall ihre verfassungsrechtlichen Freiheitsgewährleistungen gegenüber Verpflichtungs- und Einwirkungsklauseln geltend machen (Art. 4 GG/Art. 137 III GG) und wird hierdurch auch vertraglicherseits nicht gehindert. Der Gesetzgeber kann andererseits gegebenenfalls Gesetze entgegen vertraglicher Abmachungen verabschieden und dadurch zwar vertragsbrüchig werden, doch das Transformationsgesetz derogierendes, geltendes Recht setzen. Dies gilt auch für Konkordate als völkerrechtliche Übereinkünfte. 489 Anderslautende Verfassungsbestimmungen der Länder sind im Lichte des Art. 28 I GG (Demokratiegebot) entsprechend verfassungskonform auszulegen oder nichtig.

Zwischenresümee zu den vertraglichen Beziehungen zwischen Staat und Religionsgesellschaften Vertraglich vereinbartes Religionsrecht stellt deshalb für die Mehrebenenhaftigkeit des Religionsrechts, dies soll abschließend nochmals hervorgehoben werden, keine rechtliche Sonderebene dar, sondern paßt sich in die gängigen innerstaatlichen Rechtsebenen des Verfassungs-, Gesetzes-, und sonstigen Rechts ein. Die Einordnung der Konkordate als Völkerrecht verweist jedoch auf die Bedeutung jenseits der klassischen Strukturen von Staatlichkeit liegenden rechtlichen Ordnungen als eigener Rechtsebene. In inhaltlicher Hinsicht stellen religionsrechtliche Verträge den verfassungsrechtlichen Status von Religionsgesellschaften als einen der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Trennung vom Staat nicht in Frage, sondern sind markanter Ausdruck und Konkretisierung dieses Status. Die Freiheits-, Gleichheits-, Trennungs- und Öffentlichkeitsgarantien erfahren durch die Verträge Bekräftigung und Spezifizierung. Ihr Abschluß beschränkt sich nicht auf die beiden großen christlichen Kirchen, sondern folgt den paritätsrechtlichen Vorgaben. Durch die individuelle Vereinbarung mit der einzelnen Religionsgesellschaft kann der Staat zu selbstverständnisschonenden Übereinkünften im Bereich der verfassungsrechtlich eröffneten besonderen Begegnungsräume von Staat und Religionsgesellschaften als sog. gemeinsame Angelegenheiten kommen. Das Staatskirchenvertragswesen erweist sich in dieser Hinsicht ebenso wie die übrigen religionsverfassungsrechtlichen Bestimmungen als den sachlichen Anforderungen angemessen und dem Strukturwandel der Religion gegenüber hinreichend flexibel. 490

489 BVerfGE 6, 309 (330 ff.). 490 Wie das Religionsverfassungsrecht überhaupt im Zeichen „flexibeler Kontinuität" steht, so A. Hense, Herder Korrespondenz 1997, 136 ff.

VIII. Staat und Religionsgesellschaften

255

Resümee des 3. Kapitels Der allgemeine verfassungsrechtliche Status von Religionsgemeinschaften als einer der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz ist multidimensional. Er läßt sich auf bundes- und landesverfassungsrechtlicher Ebene nachzeichnen, er eröffnet Raum für vertragsrechtliche Ausgestaltungen und er ist einfach-gesetzlich konkretisiert. Religionsfreiheit zielt im grundgesetzlich verfaßten Gemeinwesen auf religiöse Selbstverwirklichung, auf das Effektivwerdenlassen der Selbst- und Weltdeutungspotentiale der Religion. Maßgebliche verfassungsdogmatische Kategorie hierfür ist die Berücksichtigung des religiösen Selbstverständnisses. Dieser Ansatz führt konsequent durchdekliniert - zu einer extensiven Interpretation des grundgesetzlichen Schutzbereichs der Religionsfreiheit und einer Schutzbereichsidentität der korporativen Religionsfreiheit mit der Garantie freier Selbstordnung und -Verwaltung (Art. 137 III WRV). Gegenläufige, rechtlich legitime Interessen sind grundrechtsdogmatisch auf der Ebene der Grundrechtsschranken in Ansatz zu bringen, für die korporative Religionsfreiheit als Schranke des „für alle geltenden Gesetzes" i. S.d. Art. 137 III WRV. Der Status der Gleichheit von Religionsgesellschaften nach dem Grundgesetz zeichnet sich durch freiheitliche Parität in offener Vielfalt aus. Diese Konzeption steht im Dienst der religiösen Freiheit und läßt einerseits Raum für unterschiedliche religiöse Selbstverständnisse, verhindert andererseits aber staatliche Exklusionen gegen den Willen einer religiösen Gruppierung. Das öffentliche Wirken und die öffentliche Wirkung sind der Religion wesentlich; ein freiheitliches Religionsverfassungsrecht hat diese Dimensionen religionsgesellschaftlichen Wirkens anzuerkennen und kann sie auch fördern, soweit dies nicht mit einer Identifikation mit einer bestimmten Religion oder inopportunen institutionellen Verknüpfungen von Staat und Religionsgemeinschaft einhergeht.

4. Kapitel

Der verfassungsrechtliche Status der öffentlich-rechtlichen Körperschaft für Religionsgesellschaften nach dem Grundgesetz I. Die rechtliche und verfassungstheoretische Bedeutung des Körperschaftsstatus für Religionsgesellschaften 1. Körperschaftsstatus für Religionsgemeinschaften Bestandsaufnahme und Rechtsfragen Religionsrecht kennt „rätselhafte Ehrentitel", wie Rudolf Smend den Organisationsstatus einer Körperschaft des öffentlichen Rechts für Religionsgesellschaften nach Art. 137 V WRV bezeichnete.1 Freilich läßt sich so manches Rätsel rund um den Status lösen, wenn man einerseits den Normtext des Art. 137 V und V I WRV näher betrachtet, ferner die einfach-gesetzlichen Regelungen benennt, die an den Rechtsstatus anknüpfen, und sich schließlich der Organisationsform verfassungstheoretisch angemessen und das heißt: umfassend nähert. Hilfreich ist aber auch eine tatsächliche Bestandsaufnahmee als Hintergrund der aufgeworfenen Rechtsfragen. a) Lebensweltliches Religionsrecht ist praktisch relevantes Recht. Sozialempirisch bildet Religion einen markanten Faktor im gesellschaftlichen Leben der Bundesrepublik Deutschland. Dies gilt gerade für in Körperschaften des öffentlichen Rechts organisierte Religionsgesellschaften. Die Mitglieder der nach Art. 137 V WRV konstituierten Religionsgemeinschaften bilden nicht nur die weit überwiegende Mehrzahl der religiös-organisatorisch gebundenen Bevölkerung, sondern auch absolut den größten Teil der Gesellschaft: Allein die christlichen Großkirchen machten 1998 mit zusammen 54.253.000 Mitgliedern (27.099.000 ev./27.154.000 kath.) zwei Drittel der Bevölkerung aus.2

ι R. Smend, ZevKR 1 (1951), 4 (9). Statistisches Bundesamt Deutschland, bevoetab5.htm, login: 05. 09. 2001. 2

http://www.statistik-bund.de/basis/d/bevoe/

I. Die Bedeutung des Körperschaftsstatus

257

Ein weiteres Realdatum, das es zu vergegenwärtigen gilt, soll die soziale Relevanz des Körperschaftsstatus von Religionsgesellschaften anschaulich werden, ist die Vielzahl von Organisationen, die mit dieser Rechtsform versehen sind. Die mitgliederstärksten öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften sind sicherlich die Gliederungen der beiden großen Kirchen in Deutschland. Doch die Liste der darüber hinaus öffentlich-rechtlich korporierten religiösen Organisationen ist lang: Baden-Württemberg kennt insgesamt mindestens 28 solcher Vereinigungen, Bayern 17, hinzu kommen 97 Ordensgemeinschaften und Klöster, für Berlin sind 22 Organisationen verzeichnet, Nordrhein-Westfalen weist 20 auf, Schleswig-Holstein 27.3 Die Gesamtheit der mit dem Körperschaftsstatus versehenen Religionsgemeinschaften bildet ein veritables Kompendium religiöser Pluralität: neben den Landeskirchen und den einschlägigen Gliederungen der katholischen Kirche ist der Rechtsstatus Herrnhutern, den jüdischen Kultusgemeinden sowie weiteren jüdischen Gemeinden wie Adass Jisroel in Berlin, außerdem Altkatholiken, den unterschiedlichen Formen von protestantischen Freikirchen, je nach landeskirchlicher Ausrichtung ggf. selbständigen Lutheranern und Reformierten, Christengemeinschaften und anderen Brüdergemeinden, Methodisten, Sieben-Tages-Adventisten, Neuapostolischen, Mennoniten, Pfingstlern, ferner Freireligiösen, Unitariern und Humanisten, Griechisch- und Russisch-Orthodoxen oder Mormonen eigen. Vergleicht man diese Aufzählung mit den in Deutschland durch relevantes religiöses Leben präsenten Strömungen, fällt vor allem das Fehlen von zweien auf: nämlich solchen islamischen und fernöstlichen Ursprungs. 4 Die Abwesenheit letzter läßt sich religionssoziologisch plausibel erklären. Zwar hat im Rahmen des Strukturwandels der Religion die Affinität zu fernöstlichen Religionen zugenommen, doch ist diese eingebunden in einen starken Individualisierungsschub5, so daß es an einer markanten Organisierung in juristischen Personen fehlt. Die Mitgliedschaftsrolle paßt anscheinend nicht in dieses in Europa relativ neue Religionsdesign. Komplexer gestalten sich dagegen die Dinge hinsichtlich des Islams, wo konkrete Initiativen bestanden und bestehen, sich in öffentlich-rechtlichen Körper3

Eine aktuelle - aber nicht abschließende Liste - findet man im Angebot staatskirchenrechtlicher Materialien des IEVR an der Universität Trier, http://www.uni-trier/~ievr/ religionsgemeinschaften.htm, login: 01. August 2001; aus der älteren Literatur ist auf die Aufstellung von G. Held, Die kleinen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften im Staatskirchenrecht der Bundesrepublik, 1974, S. 149 ff. zu verweisen. 4 Einen gewissen Sonderfall bildet Scientology. Diese Organisation ist durch ihre Aktivitäten durchaus auffällig, es ist jedoch streitig, ob hierbei überhaupt eine Religionsgesellschaft vorliegt; cf. 1. Kap. V. 4.; s. a. J. Winter, ZevKR 42 (1997), 372 ff.; M.-D. Dostmann, DÖV 1999, 993 ff.; M. H. Müller, Probleme mit der Scientology-Church im öffentlichen Recht, Hagen 1999; G. Thüsing, ZevKR 45 (2000), 592 ff. 5 Cf. theoretisch U. Beck, Risikogesellschaft, 1986, S. 205 ff.; ders., Die Erfindung des Politischen, 1993, S. 149 ff. m. w. N.; a. H. van der Loo/W. van Reijen, Modernisierung, 1992, S. 159 ff.; besonders auf die Religion bezogen P. L. Berger, Der Zwang zur Häresie, 1992, S. 14 ff. 17 Heinig

258

4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

Schäften zu vereinigen.6 Hier steht vor allem die in der staatskirchenrechtlichen Praxis zu beobachtende Orientierung an den prägnanten großkirchlichen Strukturen des Christentums der bisherigen „Anerkennung" einer juristischen Person, die sich als islamische Religionsgemeinschaft versteht, entgegen.7 Allerdings wird es wohl bei rechter Handhabung des Art. 137 V 2 WRV als Verfassungsanspruch auf Verleihung des Körperschaftsstatus nur eine Frage der Zeit sein, bis auch die erste dem Islam zuzurechende Gemeinschaft öffentlich-rechtlich organisiert ist. Zu einer tatsächlichen Bestandsaufnahme gehört es auch, darauf zu verweisen, daß das Streben nach dem Körperschaftsstatus keineswegs auf islamische Gruppierungen beschränkt ist. Vielmehr ist aus einer Reihe etablierter, sich als christlich verstehender Strömungen zu vernehmen, daß sie einen Rechtsformwechsel anstreben.8 Prominentestes Beispiel sind wohl die Zeugen Jehovas, die seit Anfang der 90er Jahre den Status nach Art. 137 V 2 WRV avisieren und im Gefolge der Ablehnung einer Verleihung durch die Berliner Senatsverwaltung Rechtsschutz im verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug und vor dem Bundesverfassungsgericht gesucht haben.9 Bereits aufgrund dieser tatsächlichen Bestandsaufnahme kann man sagen: Die demographische wie die organisatorische Verbreitung sowie die Pluralität öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften zeugen grundsätzlich von der praktischen Bewährung der Rechtsform. Die Begehren weiterer Gesellschaften, den Rechtsstatus zu erwerben, belegen seine Attraktivität. Der Körperschaftsstatus erweist sich damit - vor einer vertieften rechtlichen Analyse - keineswegs als Fossil des Verfassungsrechts des 19. Jahrhunderts, als „Liquidationsrest vergangenen Staatskirchentums", 10 sondern als virulenter Faktor des heute praktizierten Religions Verfassungsrechts . 6 Α. v. Campenhausen, ZevKR 25 (1980), 135 (143); S. Muckel, DÖV 1995, 311; A. Albrecht, KuR 1995,25 = 210,1 ; eine umfassende Aufstellung nun in BT-Dr. 14/4530, S. 34 f. ι Cf. etwa BVerwGE 112, 227 (235 ff.). 8 Beispielhaft genannt werden kann die Evangelische Gesellschaft - Neukirchner Mission, die sowohl freikirchlich wie landeskirchlich gebundene Mitglieder in sich vereinigt. 9 Cf. BVerfGE 102, 370 ff.; BVerwGE 105, 117 ff.; BVerwG, NVwZ 2001, 924 ff.; OVG Berlin, NVwZ 1006, 478 ff.; VG Berlin, NVwZ 1994, 609 ff.; aus der Fülle der Literatur etwa H. Weber, ZevKR 41 (1996), 172 ff.; ders., NJW 1998, 197 ff.; ders., Religion - Staat Gesellschaft 2 (2001), 47 ff.; C. Pageis, JuS 1996, 790; A. Hollerbach, JZ 1997, 1117 ff.; J. Müller-Volbehr, NJW 1997, 3358 ff.; R. Abel, NJW 1998, 2370 ff.; 5. Huster, JuS 1998, 117 ff.; C. Link, ZevKR 43 (1998), 1 ff.; G. Thüsing, DÖV 1998, 25 ff.; R. Tillmanns, DÖV 1999, 441 ff.; M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 ff.; G. Robbers, FS Heckel, 1999, S. 411 ff.; S. Korioth, GS Jeand'Heur, 1999, 221 ff.; S. Muckel, Der Staat 38 (1999), 569 ff.; ders., Jura 2001, 456 ff.; ders., Stimmen der Zeit 2001, 463 ff.; M. Brenner, VVDStRL 59 (2000), S. 264 (284 ff.); E. D. Bohl, Der öffentlich-rechtliche Körperschaftsstatus der Religionsgemeinschaften, 2001; A. Janssen, FS Hollerbach, 2001, S. 707 ff.; A. v. Campenhausen, ZevKR 46 (2001), 165 ff.; S. Magen, NVwZ 2001, 888 f.; C. Hillgruber, NVwZ 2001, 1347 ff.; D. Zacharias, KuR 2001, 33 ff. = 210, 21 ff. sowie die Dokumentation Religionsgemeinschaft der Zeugen Jevohas (Hrsg.) Anerkennungsverfahren der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland, Bd. 1 1999; Bd. 2 2001.

I. Die

e e n

des Körperschaftsstatus

259

b) Bestandsaufnahme normativer Grundlagen und Grundaussagen Den drei Sätzen des fünften Absatzes von Art. 137 WRV lassen sich zunächst relativ schlicht anmutende verfassungsrechtliche Anordnungen entnehmen: Religionsgesellschaften, die bis dato, also 1919, Körperschaften des öffentlichen Rechts waren, bleiben solche. Anderen, also nicht öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgesellschaften werden auf Antrag „gleiche Rechte gewährt". Voraussetzung laut Verfassungstext ist hierfür, daß sie „durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten." Schließlich nimmt der Zusammenschluß mehrerer öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften zu einem Verband an der Rechtsqualität der Einzelgesellschaften teil. Daneben hat Art. 137 V I WRV Erwähnung zu finden, der das Besteuerungsrecht von öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgesellschaften „nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen" statuiert. Außerhalb dieser verfassungsrechtlichen Ebene ist ferner das einfache Religionsrecht für die Bestimmung der Bedeutung des Körperschaftsstatus erheblich. Zahlreiche gesetzliche Bestimmungen knüpfen an diese Organisationsform an. Für das Gros der Religionsgesellschaften werden hierdurch rechtliche und finanzwirksame Vorteile gewährt (sog. Privilegienbündel). c) Bestandsaufnahme maßgeblicher Rechtsfragen In Verfassungspraxis wie -dogmatik schließen sich an die insoweit unstreitige Bestandsaufnahme diffizile Rechtsfragen an, die in den letzten Jahren (auch wegen des Rechtsstreits des Landes Berlin mit den Zeugen Jehovas und wegen der Frage nach der Körperschaftsfähigkeit islamischer Gruppierungen) vermehrte Aufmerksamkeit gefunden haben. Einer von „Evidenzen" geleiteten Beantwortung entziehen sich die Probleme weitgehend. Allein das Abstellen auf den Wortlaut reicht zu ihrer Bewältigung nicht aus. Gerade dieses Bündel an Fragen und Konflikten rund um den Körperschaftsstatus für Religionsgemeinschaften läßt die öffentliche Rechtsform immer wieder als „Crux der staatskirchenrechtlichen Problematik der Gegenwart" 11 erscheinen. Im Mittelpunkt stehen dabei folgende Fragen: • Garantiert Art. 137 V WRV selbst nur die bloße Rechtsform als eine öffentlichrechtliche Hülle oder geht mit ihm verfassungsunmittelbar ein nicht ausdrücklich erwähnter Bestand an korporationsspezifischen Rechten einher? Kandidaten für solche Rechte sind die Dienstherrenfähigkeit, die Rechtssetzungskompetenz, das Parochiairecht, die Organisationsgewalt und die Möglichkeit, Sachen einem besonderen öffentlich-rechtlichen Schutz zu unterstellen. io R. Smend, ZevKR 2 (1952/53), 374 (376). h So bereits K. Hesse, ZevKR 11 (1964/65), 337 (357). 1

260

4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

• Bestehen über die in Art. 137 V 2 WRV genannten Voraussetzungen weitere, „ungeschriebene" Tatbestandsmerkmale für die Verleihung? Läßt sich eine Ablehnung der Verleihung des Körperschaftsstatus möglicherweise unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Verfassung begründen oder ist Art. 137 V 2 WRV definitiv abschließend zu verstehen? • Unter welchen Voraussetzungen kann eine öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft ihren Körperschaftsstatus verlieren und wie ist ein Verlust ggf. rechtstechnisch zu realisieren? • Was ist unter „gleiche Rechte" in Art. 137 V 2 WRV zu verstehen - nur die Rechtsform, die möglicherweise bestehenden, direkt aus Art. 137 V WRV herrührenden weiteren Rechte oder eine vollumfängliche Gleichstellung mit den altkorporierten Religionsgesellschaften und damit ein umfassendes Differenzierungsverbot, welches sich auch auf die einfachgesetzlich gewährten Rechte bezieht? • Abgearbeitet erscheinen im Vergleich dazu die früher stärker im Vordergrund stehenden Fragen nach der Einbindung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften in den Staat, ihr „Staatscharakter" und ihre Unterwerfung unter staatliche Aufsicht sowie nach der Grundrechtsbindung von öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgesellschaften. Beide Fragenkreise stellen sich jedoch erneut auf europäischer Ebene und haben schon deshalb zumindest kursorische Erwähnung zu finden. In verfassungsgenetischer Perspektive wurden einige Aspekte, die für die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen entscheidend sind, eingangs (2. Kap. III.) bereits behandelt. Dabei ließ sich herausarbeiten, daß in der Weimarer Nationalversammlung die Motive zur und Vorstellungen bei der Verabschiedung des Art. 137 V WRV recht divergent waren. Religionsförderung und symbolische Auszeichnung standen halbwegs konsensual im Vordergrund. Darüber hinaus offen zu Tage getretene Dissense und die daraus resultierenden ungeklärten Rechtsfragen nahm man sehenden Auges in Kauf. 12 Als auslegungsanleitendes Kriterium scheidet die Entstehungsgeschichte des Art. 137 V WRV damit an entscheidenden Punkten aus.13 12 Cf. a. S. Korioth, GS Jeand'Heur, 1999, 221 (226 ff.). 13 Deshalb führt auch Axel v. Campenhausens - wie immer scharf und geschmeidig formuliertes - Diktum, daß „Unkenntnis über den geschichtlichen Kontext der Verfassung" dazu verführt, „in konkretem historischem Zusammenhang ergangene Rechtsnormen wie Grundrechte auszulegen, ohne die historische Intention und rechtliche Funktion der Regelung zu berücksichtigen" (ZevKR 46 [2001], 165 [170]), am eigentlichen Problem der heutigen Auslegung des Art. 137 V WRV vorbei. Zum einen muß man als so Gescholtener sich natürlich des Vorwurfs der Ignoranz gegenüber der historischen Situiertheit der Weimarer Religionsnormen verwahren - Kap. 2 dieser Arbeit bezeugt vielleicht hinlänglich das Gegenteil. Zum anderen aber trägt eben das historische Argument nur begrenzt, wenn es um den Rechtsgehalt des heutigen Verfassungsrechts geht. Der Körperschaftsstatus läßt sich zwar auf Rechtsschichten des Territorialismus zurückführen, doch kann man wohl nicht ernstlich angesichts gänzlich geänderter tatsächlicher und verfassungsrechtlicher Umstände deshalb eine Konservierung der Rechtsbedeutung annehmen.

I. Die

e e n

des Körperschaftsstatus

261

Doch auch die Heranziehung von Wortlaut und Systematik erweist sich bei der verfassungsdogmatischen Aufarbeitung der aufgeworfenen Problemkreise bloß als begrenzt hilfreich; sie bieten meist nur schwache Indizien für eine tragbare Lösung. Wesentliche Bedeutung kommt deshalb einer präzisen Bestimmung und Verarbeitung der Zwecke, des Sinns der verfassungsrechtlichen Bereithaltung eines religionsgesellschaftlichen Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu. Dabei zeigt sich die historisch wirkmächtige Motivlage, soweit sie parteiübergreifend bestand, als immer noch relativ tragfähig.

2. Zwecke des Körperschaftsstatus α) Β e stands schütz Mit der Bleibensklausel des Art. 137 V 1 WRV werden zunächst historisch gewachsene Interessen der beiden großen christlichen Kirchen an der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. 14 Deren in langer Zeit und manchen Varianten bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts herausgebildeter Organisationsstatus (cf. supra 2. Kap. II.) sollte aufrechterhalten bleiben. Er wurde von den Betroffenen als vorteilhaft erachtet, da bestimmte erstrebte Rechte als damit (untrennbar) verbunden angesehen wurden - vor allem das Recht auf Kirchensteuererhebung spielte hierbei eine Rolle. Außerdem wurde die Überführung in eine zivilrechtliche Rechtsform seitens der Kirchen und der ihnen nahestehenden und wohlgesonnenen Volksvertreter in der Weimarer Nationalversammlung und im Parlamentarischen Rat als Herabstufung empfunden (cf. 2. Kap. III.). Art. 137 V 1 WRV ist deshalb zu deuten als Teilgehalt des (begrenzten) Prinzips des Bestandsschutzes im Religionsverfassungsrecht des Grundgesetzes.15 Als „geborene Körperschaften" wurden gerade die Gliederungen der christlichen Kirchen in Deutschland nach der Vorstellung eines Teils der verfassungsgebenden Organe um ihrer selbst willen gefördert. Zwar ist dieser Strang des Zwecks von Art. 137 V WRV isoliert betrachtet unter den Vorzeichen eines beschleunigten pluralisierenden Strukturwandels der Religion verfassungspolitisch strapaziert, de constitutione lata aber nicht zu ignorieren.

14 M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (700, 702); M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 74; S. Korioth, GS Jeand'Heur, 221 (224 f.); A. v. Campenhausen, ZevKR 46 (2001), 165(166 f.). 15

Cf. grundsätzlich zum Prinzip des Bestandsschutzes M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 140 Rdnr. 41 ff.; speziell zum Körperschaftsstatus ders., ebd., Art. 137 WRV Rdnr. 74.

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

b) Gemeinwohldienlichkeit

von organisierter

Religion

aa) Gemeinwohl als Teilzweck des Art. 137 V WRV Neben dem Zweck des Bestandsschutzes wird in Literatur 16 und Rechtsprechung 17 eingeführt, daß sich religiöse Körperschaften des öffentlichen Rechts durch eine besondere Gemeinwohldienlichkeit auszeichnen. Religion sei von hoher sozialer Nützlichkeit - so der Grundtenor - und werde deshalb durch einen besonderen Status und durch materielle, ideelle und institutionelle Vorteile gewährende Rechte ausgezeichnet. Die einzelnen Erscheinungen angesonnener gesellschaftlicher „Wertschöpfung" erstrecken sich von karitativen Tätigkeiten über die Bereitstellung nichtrechtlicher Normenressourcen und damit einhergehender sozialer Verbindlichkeiten bis zur Bedienung menschlicher Grundbedürfnisse nach individueller Kontingenzbewältigung und gemeinschaftsvermittelter Sinnstiftung (cf. Kap. 1 III. I.). 1 8 Aus den Dokumentationen der Verfassungsverhandlungen ergibt sich, daß diese Vorstellungen parteiübergreifend kompromißmotivierende Hintergrundannahmen bildeten.

bb) Gemeinwohl als Anreizprodukt oder Statusbedingung? So bedeutsam der Gesichtspunkt der Gemeinwohldienlichkeit religiöser Betätigung für die Erfassung der Normzwecke des Art. 137 V WRV auch ist, so problematisch gestaltet sich jedoch seine verfassungsdogmatische Inansatzbringung, wenn sie derart erfolgt, daß eine enge Konnexität oder gar ein Synallagma zwischen Gemeinwohldienlichkeit und Körperschaftsstatus hergestellt wird. 19 Unter 16 Cf. P. Kirchhof, HdbStKirchR 2 I, S. 651 (658, 667); Muckel, Jura 2001, 456 (461); W Loschelder, Essener Gespräche 20 (1986), S. 149 (166) m. w. Ν.; A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht 3. Aufl. 1996, S. 145 und öfter; C. Link, ZevKR 43 (1998), 1 (13); S. Korioth, GS Jeand'Heur, 1999, 221 (141); M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (700); M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 73; C. Hillgruber, NVwZ 2001, 1347 (1350); grundsätzlich auch E. D. Bohl, S. 143 ff., die daneben die religionsfreiheitlichen Interessen herausarbeitet, diese jedoch vorrangig den Religionsgesellschaften, nicht dem Staat selbst zuschreibt; cf. a. Κ Meyer-Teschendorf, AöR 103 (1978), 289 (318). 17

BVerwGE 105, 117 (120, 125) mit der Annahme, die Verfassung setze stillschweigend die „die Förderung rechtfertigende Gemeinwohldienlichkeit" voraus. ι» S. a. C. Starck, JZ 2000, 1 (5); G. Robbers, FS Heckel, 1999, S. 411 (418). 19 So aber P. Kirchhof, HdbStKirchR 2 I, S. 661 (667 f.); S. Muckel, DÖV 1995, 311 ff.; ders., Stimmen der Zeit 2001, 463 (471 ff.); R. Tillmanns, DÖV 1999, 441 (449 f.); ders., DVB1. 2002, 336 (338 f.); A. v. Campenhausen, ZevKR 46 (2001), 165 (177). Dagegen S. Huster, JuS 1998, 117 (120); nachdrücklich S. Korioth, GS Jeand'Heur, 1999, 221 (242): Religionsgesellschaften seien „keine verfassungsrechtlich institutionalisierte Fabrikanten und Lieferanten der Wertfundamente". Ausdrücklich beipflichtend E. D. Bohl, S. 143 Fn. 138. Skeptisch zur Begründung des Art. 137 V WRV aus der Sittlichkeitsfunktion von Religion und Weltanschauung heraus auch R. Mainusch, Die öffentlichen Sachen der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, 1995, S. 59 f. m. w. N.; cf. im zurückhaltenden Duktus

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solchen Vorzeichen drohte man die Zielsetzung der öffentlich-rechtlichen Rechtsform für Religionsgesellschaften zu verfehlen. Religion zeichnet sich stets durch soziale Ambivalenz aus. Ihr wohnt sowohl das Moment der Sozialproduktivität wie Sozialdestruktivität inné (s. o. 1. Kap. III. 1.). Dabei kann man die in Deutschland real vorhandenen, kulturell agilen Religionen schwerlich ausschließlich einer Seite zuordnen. Die soziale Ambivalenz dürfte gerade eine phänomenologische Konstante von Religion darstellen. Auch setzte eine Sortierung der einzelnen Gruppierungen nach dem Kriterium der sozialen „Werthaltigkeit" umfassende sozialwissenschaftlich basierte Evaluierungsprozesse voraus. Diese wiederum sähen sich gravierenden praktischen und methodischen Problemen ausgesetzt. Auch stünden ihrer unmittelbaren Rezeption durch das Recht mit den Geboten der religiösen Freiheit, Gleichheit und Neutralität rechtsinterne Hinder20

nisse entgegen. Schließlich lassen sich die erhofften Sozialeffekte von Religion - unter Bedingungen religiös-weltanschaulicher Neutralität - nur sehr begrenzt, nämlich mittelbar staatlicherseits evozieren (cf. 1. Kap. III. und IV.). Verengt man das Telos von Art. 137 V WRV auf einen körperschaftsstatusbegründenden (wie -auflösenden) staatlich erwarteten Mehrwert an greifbarem sozialem Nutzen durch organisierte Religion, 21 besteht die Gefahr, entgegen der Verfassungsintention bei der Verleihung des Körperschaftsstatus Raum für eine tiefgreifende staatliche Steuerung religiöser Inhalte zu eröffnen. 22 Die Interpretation des Art. 137 V WRV kann deshalb nicht auf material definierte Eigeninteressen des Staates isoliert werden. Die Kriterien, nach denen die Gemeinwohlproduktion einer Religionsgesellschaft zu bemessen wären, ließen sich kaum verfassungsrechtlich unter Kontrolle halten. Nicht von ungefähr gilt für die (verfassungsrechtlichen Bestimmungen zur Organisation politischer Willensbildung, aber auch für das Verfassungsrecht insgesamt, daß, was von Verfassungs wegen als „gemeinwohldienlich" anerkannt werden kann, nicht vorgängig, statisch, materiell oder deduktiv bestimmbar ist. Die Vermutung der Gemeinwohlhaftigkeit für Entscheidungen und Handlungen ergibt sich vielmehr daraus, daß diese aus einem in bestimmter, bereits E. G. Mahrenholz, Die Kirchen in der Gesellschaft der Bundesrepublik, 2. Aufl. 1972, S. 25 ff.; ders., ZevKR 20 (1975), 43 ff. Auf die Relativität der Gemeinwohlperspektiven macht schließlich auch J. Isensee, Essener Gespräche 15 (1991), S. 104 (114 f.) aufmerksam. 20 Damit ist nicht ausgeschlossen, das Handeln einer Religionsgemeinschaft juridisch nach gesetzlich definierten rechtlichen Kriterien zu bewerten. Dies erweist sich in der Praxis als schwierig genug, läßt sich aber grundsätzlich durchaus bewerkstelligen. Cf. hierzu näher im Kontext der Verleihungsvoraussetzungen infra IV. 1. 21 So BVerwGE 105, 117 (123), nach dem die in der Verfassung „stillschweigend vorausgesetzte" und die Förderung durch den Körperschaftsstatus rechtfertigende Gemeinwohldienlichkeit durch ihr tatsächliches Wirken widerlegt werden kann mit der Folge eines Verlustes des Anspruchs auf Verleihung des Körperschaftsstatus aus Art. 137 V 2 WRV. 22 Cf. J. Isensee, Essener Gespräche 25 (1991), S. 104 (118 ff.); G. Robbers, FS Heckel, 1999, S. 411 (419 ff.); 5. Magen, NVwZ 2001, 888 (889).

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

nämlich freiheits- und gleichheitssichemder Weise konditionierten Verfahren sultieren. 23 Die Erwartung eines gesellschaftlich wirksamen Mehrwertes einer Religionsgesellschaft ist deshalb rechtstechnisch weder konstitutiv für den verfassungsrechtlichen Anspruch einer Religionsgesellschaft auf Verleihung des Körperschaftsstatus noch wirkt die Nichterfüllung dieser Erwartung anspruchsvernichtend. 24 Sozialer Nutzen folgt vielmehr als möglicher und auch als typisch prognostizierbarer Reflex auf die statusinhärenten Freiheits- und Förderungsgewährleistungen des Religions(verfassungs)rechts, ohne daß Gewißheiten in dieser Hinsicht bestünden. So wird man auch das Bundesverfassungsgericht zu verstehen haben, wenn es im Anschluß an die Herausarbeitung des religionsfreiheitsdienenden Charakters des Körperschaftsstatus, und bevor das Erfordernis einer besonderen Staatsloyalität verworfen wird, formuliert: „Dass sie (die Religionsgemeinschaften mit öffentlichrechtlichem Status; H.M.H.) ihre Tätigkeit frei von staatlicher Bevormundung und Einflussnahme entfalten können, schafft die Voraussetzung und den Rahmen, in dem Religionsgemeinschaften das Ihre zu den Grundlagen von Staat und Gesellschaft beitragen können." 25 „Das Wirken und der Status einer korporierten Religionsgemeinschaft bleiben ... von der grundrechtlichen Freiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geprägt. Dem Träger dieser Freiheit ist es überlassen, ob und wie er seinen Freiheitsraum ausfüllt. Grundrechtliche Freiheit ist, vom Staat aus betrachtet, formale Freiheit. Der Grundrechtsträger muss sein Handeln nicht an den Interessen des Staates orientieren." Damit erweist es sich als „halbiertes" Verständnis des Körperschaftsstatus, wenn man dessen Sinn allein in der Förderung des Gemeinwohls und der sozialen Nützlichkeit sieht. Die grundgesetzlichen Freiheitsrechte werden wie die sie flankierenden Leistungs- und Organisationsrechte unter den Bedingungen moderner - und das heißt: ausdifferenzierter - Gesellschaften vorrangig um ihrer Freiheitlichkeit selbst willen gewährt. 26 Art. 137 V WRV stellt deshalb ein hervorragendes Moment der verfassungsrechtlichen Anerkennung sozialer Selbstzweckhaftigkeit von Religion dar, auf dessen Grundlage überhaupt erst Stimulationen für die - affirmativ gewendet - Freiheitlichkeit, Stabilität und Humanität einer Gesellschaft unter Bedingungen gesellschaftlicher Komplexität zugelassen und hervorgebracht werden können (cf. 1. Kap. IV.). 27

23

Zur Gemeinwohlerzeugung durch Verfahren näher P. Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, 1970; ders., Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, 2. Aufl. 1998, S. 815 ff., Η. Η v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, 1977, S. 17 ff., 37 ff., 349 ff.; M. Morlok, FS BVerfG, Bd. II, 2001, S. 559 (578 f. und öfter); ders., NJW 2001, 2931 (2932); ferner die Beiträge in W. Brugger/S. Kirste/M. Anderheiden (Hrsg.), Gemeinwohl in Deutschland, Europa und der Welt, 2002. 2 4 S. Korioth, GS Jeand'Heur, 1999, 221 (243); M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (700 ff.). 2 5 BVerfGE 102,370(387). 2 6 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 75; W Bock, Das für alle geltende Gesetz und die kirchliche Selbstbestimmung, 1996, S. 243 f., 247 f.

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Dies führt zu einer deutlichen Reserviertheit gegenüber einer extensiven Konstruktion ungeschriebener Verleihungsvoraussetzungen, nennt man sie nun Staatsloyalität, Hoheitswürdigkeit oder die Erwartung der Mitgestaltung des Kultur- und Sozialauftrags. Die bloße Enttäuschung von Gemeinwohlerwartungen ist für die verfassungstheoretische wie verfassungsdogmatische Gesamtkonstruktion des Körperschaftsstatus von Religionsgemeinschaften unschädlich. Verfassungsrechtlich erheblich wird die Gemeinwohlrelevanz für den Rechtsstatus einer öffentlichrechtlichen Religionsgemeinschaft erst auf indirekte, auch nur auf der Beschreibungsebene (und nicht auf der Normgeltungsebene unmittelbar) formulierbare Weise, nämlich dann, wenn öffentlich korporierte Religionsgesellschaften Grundrechte Dritter oder andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgüter anhaltend und nachhaltig verletzen. Ein solches Verhalten könnte man zugleich - deskriptiv - als dem Gemeinwohl abträglich begreifen. Rechtlich dagegen ist dieses als Verletzung der normativ, nämlich grundgesetzlich konkretisierten Rahmenbedingungen zur Generierung von Gemeinwohl zu fassen und verfassungsrechtlich zu operationalisieren (s. u. IV. 1. b.).

c) Grundrechtseffektivierung aa) Grundrechtsverwirklichung durch Organisation Deshalb ist last but not least der religionsfreiheitsdienende Charakter des Art. 137 V WRV hervorzuheben. Während Tradition wie Sozialnützlichkeit auf jeweilige Weise nur begrenzte verfassungstheoretische Legitimationseffekte zugunsten des Rechtsstatus einer Körperschaft des öffentlichen Rechts für Religionsgesellschaften zu entfalten vermögen, fügt sich die elementar grundrechtliche Prägung des Art. 137 V WRV als Kernstück staatlich-säkularer Religionspflege in die gängige grundgesetzliche Verfassungslehre unmittelbar ein. Indem der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Religionsgemeinschaften unterstützt, erweist er sich als „Mittel zur Entfaltung der Religionsfreiheit". 28 Wie im Kontext des Art. 137 III WRV (3. Kap. I. 3. a.) ist auch im Zusammenhang des Körperschaftsstatus die bezweckte „Eigenständigkeit und Unabhängigkeit" der Religionsgesellschaften im Lichte des Grundrechts auf Religionsfreiheit zu sehen. Art. 137 V WRV dient der religiösen Selbstverwirklichung der Bürger, 29 indem er in mehrfacher Hinsicht die organisationsrechtlichen Bedingungen zur Aktualisierung von Chancen zur Grundrechtsver27 Cf. H. M. Heinig, Das Religions verfassungsrecht des Grundgesetzes und die europäische Integration, in: G. Klinkhammer/T. Frick (Hrsg.), Religionen und Recht, 2002, S. 91 (104 f.). 28 BVerfGE 102, 370 (387 und 393); dies anerkannte bereits BVerwGE 105, 117 (127), ohne hieraus freilich dogmatische Konsequenzen zu ziehen. 29

K. Schiaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, S. 243.

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

wirklichung schafft und effektiviert. 3 0 Der Schutz von Freiheiten, die in und durch Vereinigungen ausgeübt werden, braucht adäquate Rechtsformen für die korporative Betätigung dieser Freiheiten. Entsprechend hat sich die staatliche Ausgestaltung der Organisationsfreiheit durch die Bereitstellung von Rechtsformen für Vereinigungen am jeweiligen Schutzgut zu orientieren - die religiöse Vereinigungsfreiheit also an der korporativen Religionsfreiheit als Organisations- und Betätigungsfreiheit. 31 Damit entfaltet sich das Näheverhältnis von Art. 137 V W R V und Art. 4 I, I I GG. Der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und die damit einhergehenden spezifischen Rechte stellen eine den Bedürfnissen und Strukturen mancher Religionsgesellschaften in besonderem Maße gerecht werdende Organisations- und Betätigungsform dar. 3 2 Den Religionsgemeinschaften ist auf diese Weise die Möglichkeit zu einem „bene, j a optime esse ecclesiae in re publica gewährt". 3 3

bb) Religionsfreiheit und Körperschaftsstatus: Schnittmenge, nicht Teilmenge M i t dieser Betrachtung des Körperschaftsstatus - dies sei ausdrücklich betont, da es hier Mißverständnisse zu geben scheint - geht nicht die Behauptung einher, 30 P. Häberle, „Staatskirchenrecht" als Religionsrecht der verfaßten Gesellschaft, in: ders., Verfassung als öffentlicher Prozeß, 3. Aufl. 1998, S. 329 (337 ff.); Κ Meyer-Teschendorf, AöR 103 (1978), 289 (301); ders., Staat und Kirche im pluralistischen Gemeinwesen, 1979, passim; G. Held, S. 40 ff.; S. Huster, JuS 1997, 117 (118); M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (700); M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 75; S. Korioth, GS Jeand'Heur, 1999, S. 221 (231); E. D. Bohl, S. 129 ff.; H. Weber, Religion - Staat Gesellschaft 2 (2001), 47 (53 und öfter); S. Magen, NVwZ 2001, 888 f.; s.a. J. Isensee, Essener Gespräche 25 (1991), S. 104 (112); A. Hollerbach, HStR VI, § 138 Rdnr. 130, der den die religiösen Freiheitsrechte optimierenden Charakter des Körperschaftsstatus betont und M. Heckel, VVDStRL 26 (1968), S. 5 (38). Ablehnend dagegen A. Janssen, FS Hollerbach, 2001, S. 707 ff., der den Sinn des Art. 137 V WRV in seinem Charakter als Kollisionsrecht sieht. Die dem zugrundeliegende Annahme einer originären Eigenrechtsmacht ist jedoch schon im Ansatz verfehlt (cf. supra 3. Kap. I. 3.). Sehr skeptisch gegenüber einer grundrechtsgeprägten Lesart des Art. 137 V WRV auch S. Muckel, Jura 2001, 456 (458); ders., Stimmen der Zeit 2001, 463 (473 ff.); D. Zacharias, KuR 2001, 33 (37) = 210, 21 (25); R. Tillmanns, DÖV 1999, 441 (447); C. Hillgruber, NVwZ 2001, 1347 ff.; ders., Über den Sinn und Zweck des staatskirchenrechtlichen Körperschaftsstatus, in: C. Grabenwarter/N. Lüdecke (Hrsg.), Standpunkte im Kirchen- und Staatskirchenrecht, 2002, S. 79 ff. 3 > M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (701); S. Magen, NVwZ 2001, 888 f. cf. a. rechtsvergleichend Th. Marauhn, Bedürfnis- und Bedeutungsadäquanz rechtlicher Organisationsformen von Religionsgemeinschaften, in: R. Grote/Th. Marauhn (Hrsg.), Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, 2001, S. 413 ff. 32 BVerfGE 102, 370 (386); 83, 341 (357); A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 143 f.; A. Hollerbach, VVDStRL 26 (1968), S. 57 (87); ders., Essener Gespräche 1 (1969), S. 46 (56 f.); ders., HStR VI, § 138 Rdnr. 131. 33

A. Hollerbach, Essener Gespräche 1 (1969), S. 46 (61).

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die Vereinigungsfreiheit als Teilgewährleistung der Religionsfreiheit (Art. 4 I, II GG / Art. 137 II WRV) enthalte eo ipso das Recht auf eine öffentlich-rechtliche Organisationsform. Die religiöse Vereinigungsfreiheit garantiert verfassungsrechtlich wie Art. 9 I GG überhaupt keine spezifische Rechtsform, sondern begründet eine subjektiv-rechtlich bewehrte Pflicht zur sachangemessenen Ausgestaltung durch den Gesetzgeber sowie das Recht, irgendwie geartet am staatlichen Rechtsverkehr teilnehmen zu können.34 Weder die öffentliche Korporation noch aber der eingetragene Verein werden als Rechtsformen durch das grundrechtliche religiöse Assoziierungsrecht garantiert; der verfassungsgestützte Anspruch auf erstere ergibt sich erst aus Art. 137 V WRV, der Zugriff auf letzteren erst durch den Verweis auf das allgemeine bürgerliche Recht in Art. 137 IV WRV. Weder die Streichung des Art. 137 V WRV noch die des Art. 137 IV WRV durch den verfassungsändernden Gesetzgeber würden also per se die religiöse Vereinigungsfreiheit schmälern. Entscheidend für eine NichtVerletzung letzterer ist lediglich, ob hinreichend sinnvolle,

den Bedürfnissen nach innerer Organisationsstruktur und äußerer Betätigung angemessene Rechtsformen vorgehalten werden. Ob diese sich in den Bahnen des allgemeinen Zivilrechts, des öffentlichen Körperschaftsrechts, in religionsrechtlichen Spezialerscheinungen oder in Mischformen präsentieren, ist für die Frage der religiösen Vereinigungsfreiheit unerheblich. 35 Freilich führt letztlich das Abstellen auf die hypothetische Streichung von Art. 137 IV oder V WRV für eine verfassungsdogmatische Annäherung an ihr Verhältnis zur religiösen Vereinigungsfreiheit in die Irre, da der rechtliche Status quo maßgeblich ist. Beide Bestimmungen - Art. 137 IV WRV wie Art. 137 V WRV sind geltendes Verfassungsrecht und man wird sagen können, daß sowohl die Organisationsformen des allgemeinen bürgerlichen Vereinsrechts wie Art. 137 V WRV den Vorgaben der religiösen Vereinigungsfreiheit genügen. Nicht die Eliminierung einer der beiden Organisationsalternativen ist deshalb an dieser Stelle von Bedeutung, sondern das von der Verfassung selbst vorgesehene Wahlrecht der Religionsgesellschaften, auf welche Weise sie ihr Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit verwirklichen wollen. Maßgeblich für diese Entscheidung ist das religiöse Selbstverständnis und die dadurch bestimmte Bedürfnisstruktur. In Bezug auf die privatwie die öffentlichrechtliche Organisationsform gilt der Grundsatz gleicher Berechtigung in freiheitlicher und offener Vielfalt: die beiden Rechtsstatus bieten unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten bei gleicher Anerkennung und „gleicher Würde" der Organisationen. Schon wegen dieses gleich berechtigten Wahlrechts wird die Erfüllung des Anspruchs auf den Körperschaftsstatus von der grundrechtlich gestützten Vereinigungsfreiheit erfaßt.

34 BVerfGE 83, 341 (355 f.); hierzu auch B. Jeand'Heur, JuS 1992, 830 ff. 35

Cf. in diesem Zusammenhang rechtsvergleichend zu den diversen Rechtsformen von religiösen Vereinigungen in Europa die Länderberichte in G. Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in der Europäische Union, 1995.

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

Hinzu kommt noch folgendes: Die Verfassungsbestimmungen zur öffentlichrechtlichen Körperschaft für Religionsgemeinschaften weisen einen dreifachen, ineinander verflochtenen grundrechtsdienenden Zug auf: Zum einen konkretisieren sie wie beschrieben die Vereinigungsfreiheit dadurch, daß sie eine Möglichkeit der Organisation bereit halten.36 Daneben optimiert Art. 137 V WRV die korporative Religionsfreiheit als Organisationsfreiheit, indem er zusätzliche Möglichkeiten der Binnenstrukturierung der Vereinigung eröffnet, die dem Selbstverständnis zahlreicher Religionsgesellschaften entgegenkommt.37 Schließlich flankiert die Körperschaftsform die Betätigungsfreiheit, da sie die organisatorischen Grundlagen des religionsgesellschaftlichen Engagements fundiert und die Handlungsmöglichkeiten erweitert. Auf diese dreifach grundrechtsdienende, den Anforderungen religionsgesellschaftlicher Organisation und Aktion besonders entgegenkommende Rechtsform gewährt das Grundgesetz ein unmittelbares subjektives Recht. Die religiöse Vereinigungs- und Betätigungsfreiheit wird also verfassungsunmittelbar durch Art. 137 V WRV spezifiziert. Dies bewirkt eine deutliche Verschränkung von Religionsfreiheit und Körperschaftsstatus. Die grundrechtsdienende Funktion von Art. 137 V WRV verfassungsdogmatisch herauszuarbeiten bedeutet dabei nicht, ihn zur Teilmenge von Art. 4 I, II GG zu reduzieren, sondern die normative Schnittmenge beider Vorschriften zu bestimmen, ohne den jeweilig überschießenden rechtlichen Gehalt zu ignorieren. 38 Aus dem bisher Gesagten folgt, daß der Entzug des Körperschaftsstatus bei den altkorporierten Kirchen und die Vorenthaltung der Rechtsform trotz Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nicht nur einen Eingriff in Art. 137 V WRV darstellt, sondern zugleich auch in Art. 4 I, II GG/Art. 137 II WRV eingriffe. 39 Dies könnte man einerseits direkt annehmen, weil Art. 137 V WRV die religiöse Vereinigungsfreiheit verfassungsunmittelbar spezifiziert und damit in Verlängerung ihres Schutzbereiches steht. Lehnt man mit dem klassischen staatskirchenrechtlichen Verständnis eine solche dogmatische Nahstrukturierung von Art. 4 I, II / Art. 137 II WRV und Art. 137 V WRV im Sinne einer Schutzbereichsschnittmenge ab, ist gleichwohl ein mittelbarer Grundrechtseingriff im Falle der Verweigerung oder des Entzugs der öffentlich-rechtlichen Rechtsform einer Religionsgemeinschaft zu gegenwärtigen. Dies gilt jedenfalls, wenn und weil eine hinreichende Intensität der Beeinträchtigung der Freiheit zur Betätigung und inneren Gestaltung von religiö36 R. Zippelius, BK, Art. 4 Rdnr. 112. 37 BVerfGE 83, 341 (357); A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 295 ff.; S. Magen, NVwZ 2001,888 (889). 38 Deshalb bedeutet eine solche Interpretation auch nicht, die inkorporierten Bestimmungen der WRV zu „staatskirchenrechtlichem softlaw" zu degradieren, so 5". Muckel, Der Staat 38(1999), 569 (591). 39 H. Weber, Religion - Staat - Gesellschaft 2 (2001), 47 (59 f.); mit anderer Begründung auch G. Robbers, FS Heckel, 1999, S. 411 (420); a.A. BVerwGE 105, 117 (127); A. v. Campenhausen, ZevKR 46 (2001), 165 (171); A. Hollerbach, JZ 1997, 1117 (1119).

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sen Organisationen vorläge und dabei der Schutzzweck der Norm die Eingriffsqualität begründete. Anders wäre die Lage verfassungsrechtlich erst zu beurteilen, wenn tatsächlich Art. 137 V WRV gestrichen wäre; dann wäre am Maßstab des Art. 4 I, II GG/Art. 137 II WRV zu prüfen, ob der Staat noch hinreichende Organisationsformen vorhalten würde.

cc) Verbändeverfassungsrechtliche Ergänzungen Schließlich sei betont, daß Art. 137 V WRV als grundrechtsdienende Bestimmung keine staatskirchenrechtliche Einzelerscheinung im korporationsbezogenen Gesamtgefüge der Verfassung darstellt. Auch auf anderem Gebiet als dem der Religion sieht das Grundgesetz eine Förderung der korporativen Ausübung von Freiheiten durch die Verleihung besonderer Rechte und Status an Vereinigungen vor. 40 Zu nennen wären der öffentlich-rechtliche Rundfunk in einem dual strukturierten Rundfunkwesen (Art. 5 I GG), 41 die Universitäten (Art. 5 III GG), 42 der besondere verfassungsrechtliche Status der Parteien nach Art. 21 GG, 43 die verfassungsspezifischen Gewährleistungen für Arbeitsgebervereinigungen und Gewerkschaften über die klassische Freiheitsdimension hinaus durch Art. 9 III GG. 44 Diese Erscheinungen sind jeweils in grundrechtlichem Lichte, also in ihrer Bedeutung für die Sicherung und Effektivierung gleicher Bedingungen der Möglichkeit von Grundrechtsausübungen zu sehen. Eine solche Einstellung des Art. 137 V WRV in ein verfassungstheoretisches Konzept des Verbändeverfassungsrechts 45 (cf. 1. Kap. IV.) bedeutet jedoch nicht, einer „Statuseinebnung"46 das Wort zu reden. Denn die Unterschiedlichkeiten der Gewährleistungen rechtfertigen sich durch die divergierenden Funktionen und Eigengesetzlichkeiten, die gerade durch die besonderen Ausformungen in ihren Jeweiligkeiten Anerkennung finden. 47 40 Cf. grds. zur Grundrechtssicherung und -förderung durch grundgesetzliche Organisationskomponenten E. Denninger, HStR V, § 113 Rdnr. 5 ff.; D. Murswiek, HStR V, § 112 Rdnr. 66 ff.; H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Vorb. Rdnr. 66 f. 4 1 BVerfGE 90, 60 (87 ff.); 87, 181 (197 ff.); 83, 238 (295 ff.); 74, 297 (322 ff.); 73, 118 (152 ff.); 57, 295 (318 ff.); cf. a. H. Schultze-Fielitz, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 5 I, II Rdnr. 76 ff. m. w. N. 42 BVerfGE 15, 256 (263 ff.); 35, 79 (109 ff.); 47, 327 (367 ff.); 51, 369, (378 ff.); /. Pernice, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 5 III Rdnr. 17, 29 m. w. N. 43 D. Grimm, HdbVerfR 2, S. 599 ff.; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 21 Rdnr. 19 ff. m. w. N. auch zur sehr wechselhaften Rspr. 44

H. Bauer, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 9 Rdnr. 61 ff. m. w. N. 5 Cf. a. K. G. Meyer-Teschendorf, AöR 103 (1978), 289 (306); Κ . Schiaich, Neutralität, S. 178 ff. 4 6 So mißverständlich E. G. Mahrenholz, Kirchen, S. 133; ders., ZevKR 20 (1975), 43 (43, 50 ff.); hiergegen R. Smend, ZevKR 16 (1971), 241 ff. In diesem Sinne wird Mahrenholz in M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 694 (701 Fn. 54) zitiert. Es sei ausdrücklich klargestellt, daß Mahrenholz nicht die Eliminierung des Körperschaftsstatus verlangt, ihn aber interpretativ entleert. 4

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

Durch die Fokussierung der grundrechtseffektivierenden Funktion besonderer Status läßt sich wiederum auch (abermals) die Relation zu gemeinwohldienenden Effekten der Tätigkeit einer Religionsgemeinschaft präziser bestimmen: wie bei anderen Zweigen des Verbändeverfassungsrechts ist der gesamtgesellschaftliche Nutzen auch im korporationsbezogenen Religionsverfassungsrecht nicht im engeren Sinne Voraussetzung, also primärer Zweck zur Gewährung der jeweiligen Rechte, sondern eher kalkulierte Folgewirkung: Typischerweise kann man damit rechnen, daß durch die Gewährung von bestimmten Freiheits-, Gleichheits- und partizipativen Rechten sozial erwünschte Effekte angereizt werden. Eine Garantie oder Notwendigkeit dieser Wirkungen bestehen dagegen von Verfassungs wegen für Religionsgesellschaften ebensowenig wie für Hochschulen, den Rundfunk, Parteien oder Gewerkschaften.

d) Signalfunktion

und Mantelbegriff

Neben den drei genannten Zwecken des Art. 137 V WRV lassen sich noch zwei weitere, in ihrer Bedeutung allerdings nachrangige ausmachen. Der eine ist rechtstechnischer Natur: Art. 137 V WRV begründet einen „Mantelbegriff 4 , 48 an den der Gesetzgeber im Rahmen bestimmter religionsrechtlicher Regelungen anknüpfen kann. Mit der Schaffung dieses Organisationstypus ist der religionsrechtlichen Ausgestaltung ein Ordnungs- und Systematisierungskriterium an die Hand gegeben, das freiheitliche Gleichheit in offener Vielfalt ermöglicht. Das Spezifikum des grundgesetzlichen Staatskirchenrechts ist es, nicht minimalistisch einen einheitlichen Rechtsstatus als niedrigsten gemeinsamen Nenner im Sinne eines Programms der Laizität vorzuhalten - wie (jedenfalls in den „großen religionsverfassungsrechtlichen Erzählungen" 49) in Frankreich praktiziert. Vielmehr sollen Varianzen an Organisations- und Betätigungsformen ermöglicht werden, die grundsätzlich allen Religionsgemeinschaften offenstehen oder jedenfalls für alle via Rechtsformerwerb erreichbar und nicht auf einige privilegierte Religionsgesellschaften limitiert sind. Ferner wird man die Symbolik des Körperschaftsstatus hervorheben müssen. Art. 137 V WRV läßt sich so verstehen, daß hierdurch Religionsgesellschaften über den Status des Privatrechts hinausgehoben werden, 50 eine besondere Aner47 M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (701); in diesem Sinne auch E. G. Mahrenholz, ZevKR 20 (1975), 43 (47, 50 ff.). 48 BVerfGE 102, 370, (388); 83, 341 (357); P. Kirchhof, HdbStKirchR 2 I, S. 651 (670). 49 Deren Ende ebenso auf sich warten läßt wie das prognostizierte Finale aller großen Erzählungen (Lyotard). 50 BVerfGE 18, 385 (387); 19, 129 (133); 66, 1 (20); BVerwGE 68, 62 (64); 105, 117 (120); BGH, NJW 2001, 3537 (3538), dessen Wortwahl und rechtliche Konsequenzen aber heutzutage befremden, so wenn festgestellt wird, daß der Staat die Kirchen „nicht dem Kampffeld liberaler Selbstbehauptung' überlassen, sondern als Teil der öffentlichen Ordnung

I. Die

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des Körperschaftsstatus

271

kennung erfahren und dadurch symbolisch prämiert werden. 5 1 Diese Signalfunktion des Körperschaftsstatus war eine der Motivationen für den Verfassungsgeber 1919 wie 1949, den Rechtsformbestand unangetastet zu lassen (cf. supra 2. Kap. III.). Das „öffentlich-rechtliche Kleid" verschafft den Religionsgesellschaften „ i n der Wahrnehmung der Gesellschaft eine besondere Stellung". 5 2 Allerdings gilt es hervorzuheben, daß ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Zugang zu dieser symbolischen „Heraushebung" besteht, der den Charakter einer Auszeichnung doch deutlich relativiert. Auch beinhaltet die Verleihung des Status keine staatliche Begutachtung der religiösen Programmatik, der Heilsversprechen und religiösen Gebote. Der Körperschaftsstatus stellt somit kein „religiöses Gütesigel" des Staates dar, sondern bietet allenfalls eine gewisse Gewähr für die Seriosität des äußeren, tatsächlichen Verhaltens der Gruppierung (s. u.).

3. Der Begriff der Religionsgesellschaft als Körperschaft i. S. d. Art. 137 V W R V Nach inzwischen nahezu einhelliger Auffassung begründet Art. 137 V WRV einen Körperschaftsstatus sui generis, der nicht mit seinem allgemeinen verwaltungsorganisatorischen Pendant zu vergleichen i s t . 5 3 Die Kirchen und anderen in dem verfassungsrechtlichen Status der Körperschaft zur Wirkung kommen lassen" wolle und sie deshalb am Meinungsbildungsprozeß nicht „auf der Ebene staatsbürgerlicher Gleichordnung" teilnähmen. Man muß sich ernsthaft fragen, wie denn Religionsgemeinschaften sonst am Meinungsbildungsprozeß im freiheitlichen, religiös-weltanschaulich neutralen Gemeinwesen teilnehmen sollen - doch wohl kaum im Gestus der Subordination der Bürger (nicht der Gläubigen) unter kirchliche Gewalt, cf. insoweit unhintergehbar Κ Hesse, ZevKR 11 (1964/65), 337 ff. Aus der Literatur zur Symbolfunktion der öffentlich-rechtlichen statt zivilrechtlichen Rechtsform W. Hassemer/D. Hömig, EuGRZ 1999, 525 (532); S. Muckel, DÖV 1995, 311 (313); A. v. Campenhausen, ZevKR 46 (2001), 165 (166 f.); D. Ehlers, in: M. Sachs (Hrsg,), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 137 WRV Rdnr. 17; R. Tillmanns, DVB1. 2002, 336 (338). 51

S. Muckel, Stimmen der Zeit 2001, 463 (467): „erheblicher Prestigegewinn". 52 BVerfGE 102, 370 (388); A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 139 ff.; A. Hollerbach, HStR VI, § 138 Rdnr. 130; R Kirchhof, HdbStKirchR 2 I, S. 651 (651 ff.). 53 BVerfGE 102, 370 (387 f.); bereits H. Liermann, Deutsches Evangelisches Kirchenrecht, 1933, S. 187 ff.; ferner H. Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts im System des Grundgesetzes, 1966, S. 56 ff.; E. Friesenhahn, HdbStKirchR 1 I, S. 545 (549 f.); K -Η. Kästner, JöR n.F. 27 (1978), 239 (280); D. Ehlers, ZevKR 44 (1999), 4 (18 f.); Β. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 160; S. Muckel, Der Staat 38 (1999), 569 (579); ders., DÖV 1995, 311 (313); ders., Stimmen der Zeit 2001, 463 (465 f.); G. Thüsing, DÖV 1998, 25 (26); H. Zilles/B. Kämper, NVwZ 1994, 109 (110); P. Kirchhof, HdbStKirchR 2 I, S. 651 (657); A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 143; J. Winter, ÖARR 47 (2000), 202 (206); W. Weiß, KritV 2000, 104 (112 ff.); zum verwaltungsrechtlichen Körperschaftsbegriff etwa grundlegend E. Forsthoff, Die öffentliche Körperschaft im Bundesstaat, 1931; aus der neueren Literatur//. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl. 1999, S. 577 ff. m. w. N.; im Überblick auch M. Germann, Art. Körperschaft des öffentlichen Rechts, RGG4, Bd. 4, 2001, Sp. 1696 f.

272

4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgesellschaften sind nicht wie sonstige öffentlich-rechtliche Körperschaften organisatorisch in den Staat eingegliedert. Sie nehmen qua Status keine öffentlichen Aufgaben unter staatlicher Aufsicht wahr, sondern autonom eigene Aufgaben. 54 Hierbei bedienen sie sich teilweise der staatlich verliehenen Hoheitsbefugnisse. 55 Gleichwohl stehen sie dem Staat als Teil der Gesellschaft gegenüber.56 Deshalb sind sie ungeachtet ihrer Organisationsform grundrechtsberechtigt und können damit auf das Recht der korporativen Religionsfreiheit (Art. 4 GG / Art. 137 III WRV) zurückgreifen. Mit dem Körperschaftsstatus korreliert deshalb auch keine besondere staatliche Aufsicht. 57 Die Errichtung der Religionsgesellschaft als solche erfolgt, anders als bei sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts, nicht durch staatlichen Hoheitsakt, sondern durch Willen der Mitglieder. Nur die Rechtsform selbst wird staatlich vermittelt. Vom derart gesondert zu verstehenden Begriff der Körperschaft des öffentlichen Rechts i. S. d. Art. 137 V WRVerfaßt sind Religionsgesellschaften als juristische Personen, die verbandsmäßig auf der Mitgliedschaft der ihnen zugehörenden Personen aufbauen, von einem konkreten Wechsel der Mitglieder aber unabhängig bestehen. Entscheidendes Charakteristikum ist folglich für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften - wie für sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts auch - die Kategorie der Mitgliedschaft. Das Element personaler Partizipation zeichnet jedoch grundsätzlich alle Religionsgesellschaften im Verfassungssinne aus (s. o. 1. Kap. V. 4.). Durch das Merkmal der Mitgliedschaft als Konstitutivum einer Religionsgemeinschaft i. S. d. Art. 137 V WRV kann das innerkirchenrechtliche und das staatskirchenrechtliche Organisationsstatut auseinanderfallen, so bei einem anstaltsbezogenen Selbstverständnis einer Religionsgemeinschaft. 58 Anderen religionsbezogenen juristischen Personen, die, wie Anstalten und Stiftungen, des Elementes der Mitgliedschaft entbehren, kann ein öffentlich-rechtlicher Status nur im Rahmen der Organisationsgewalt der Körperschaft, also nur von einer öffent54 D. Ehlers, in: M. Sachs (Hrsg,), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 137 WRV Rdnr. 19. 55 BVerfGE 102, 370 (388); 66, 1 (19 f.); 42, 312 (332); 30, 415 (428); 19, 1 (5); 18, 385 (386). 56 BVerfGE 102, 370 (387); 70, 138 (160 f.); 53, 366 (387); 5. Korioth, GS Jeand'Heur, 1999, 221 (231). 57 BVerfGE 102, 370 (387); 53, 366 (387); 42, 312 (321, 332); 30, 415 (428); 19, 1 (5); 18, 385 (386 f.); A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 143; B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 158; H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 139 ff. m. w. N.; a.A. heute G. Schmidt-Eichstaedt, Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts?, 1975, S. 41 f., 54 ff., 107 ff., 128 ff.; ders., Der Staat 21 (1982), 423 (431 f.); Th. Maunz, in: MDHS, Art. 137 WRV Rdnr. 25; A. Janssen, FS Hollerbach, S. 707 (722); cf. auch zur teilweise abweichenden Auffassung während der Verhandlungen in der Weimarer Nationalversammlung und dann auch in der Weimarer Rechtslehre 2. Kap. III. Zur Staatsaufsicht über nichtkirchliche formelle Körperschaften des öffentlichen Rechts U. Di Fabio, BayVwBl. 1999, 449 ff. 58 Cf. zu diesem Fragenkreis, insb. zum Anstaltsverständnis im kanonischen Recht H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 102 ff.

I. Die Bedeutung des Körperschaftsstatus

273

lich-rechtlichen Religionsgesellschaft abgeleitet zukommen. Art. 137 V WRV erfaßt diese nicht unmittelbar. Unverzichtbares Eingangstor in die öffentlichrechtliche Rechtsform ist somit das Vorliegen einer Religionsgesellschaft im Sinne des Grundgesetzes.

4. Die Dimensionen der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz des Körperschaftsstatus a) Vierdimensionalität

des Art. 137 V WRV

Der Körperschaftsstatus weist Bezüge zu allen vier Dimensionen des korporativen Religionsverfassungsrechts des Grundgesetzes auf. Zumeist wird nur der Öffentlichkeitscharakter betont. Doch neben Elementen eines Angebots der Öffentlichkeit ist Art. 137 V WRV auch, dies klang in den bisherigen Ausführungen bereits an, eine Angebotskomponente der Freiheit, Gleichheit und Trennung 59

eigen. Ausdruck für das Trennungsprinzip ist die dezidierte Staatsunabhängigkeit der öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaften, die fehlende Eingliederung in die mittelbare Staatsverwaltung und der Mangel an Staatsaufsicht. 60 Eine staatliche Identifikation mit den korporierten Religionsgesellschaften findet ebensowenig statt wie eine nennenswerte organisatorische Verschränkung zwischen beiden Institutionen. Einzige notwendige Berührungsfläche zwischen Staat und den entsprechenden Religionsgesellschaften ist die Beleihung letzterer mit bestimmten Rechten durch den Staat. Der Status der Gleichheit kommt in Art. 137 V 2 WRV zum Ausdruck, der die „einzige explizite Paritätsnorm des Grundgesetzes" bildet. 61 Der Körperschaftsstatus steht einerseits allen Religionsgesellschaften offen, soweit sie die Gewähr der Dauer bieten (s. u.). Zum anderen werden einer Religionsgemeinschaft mit dem Körperschaftsstatus „gleiche Rechte" verliehen (s. u.). Der Status der Freiheit ergibt sich in Art. 137 V WRV aus seiner freiheitsdienenden Funktion, durch die im Körperschaftsstatus gesicherte Unabhängigkeit und Eigenständigkeit gegenüber dem Staat. Er schlägt sich nieder in besonderen Handlungsmöglichkeiten des öffentlichen Rechts - also einer besonderen organisatorischen Freiheit wie der Dienstherrenfähigkeit, der Rechtssetzungsgewalt, der Organisationsgewalt, dem Parochialrecht, dem öffentlichen Sachenrecht und dem Be59 Zum Angebotscharakter des Art. 137 V WRV auch BVerfGE 102, 117 (121); H Weber, Religionsgemeinschaften, S. 95 ff.; M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (702); P. Kirchhof, HdbStKirchR 2 I, S. 651 (651 ff.). 60 Cf. a. G. Robbers, FS Heckel, 1999, S. 411 (418). 61 M. Heckel, HdbStKirchR 2 I, S. 589 (605); ders., Gleichheit oder Privilegien?, 1993, S. 36; cf. a. C. Link, ZevKR 43 (1998), 1(12). 18 Heinig

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

steuerungsrecht (s. u. II. 1. und III.), die der korporativen Religionsfreiheit an sich nicht zu entnehmen sind. Doch auch weitere Rechte aus dem Privilegienbündel begünstigen die freie Entfaltung und Wirkung der korporierten Religionsgesellschaften, etwa Berücksichtigungs-, Begünstigungs- und Befreiungsregelungen (cf. infra II. 2. a.). Man kann insoweit von einer religionsfreiheitsdienenden „Subventionierung" durch die dem Körperschaftsstatus folgenden Rechte sprechen.62 Die freiheitliche Komponente des Körperschaftsstatus führt schließlich dazu, daß religionsgesellschaftliches Handeln auch im Status einer öffentlich-rechtlichen Korporation 63 und sogar im Rahmen der hoheitlich fundierten Korporationsrechte religionsfreiheitlich überlagert ist. 64 Der grundrechtliche Schutz korporativer Religionsfreiheit wird durch die öffentlich-rechtliche Organisationsform ebensowenig verdrängt wie durch die Nutzung besonderer öffentlich-rechtlicher Handlungsformen. Vielmehr findet hier eine Amalgamierung von freiheitlichem Selbstbestimmungsrecht und Gebrauch öffentlich-rechtlicher Handlungsmöglichkeiten statt, die den Körperschaftsstatus in besonderer Weise prägt und von anderen Formen der Beleihung unterscheidet (cf. a. infra IV. 1. b.). 65

b) Insb.: der Status der Öffentlichkeit Neben den Status der Freiheit, Gleichheit und Trennung nach Art. 137 V WRV korporierter Religionsgemeinschaften tritt der der Öffentlichkeit (cf. grundlegend 3. Kap. IV.). Wie die anderen organisationsformunabhängigen Erscheinungen des religionsverfassungsrechtlichen Angebots eines Status der Öffentlichkeit indiziert auch Art. 137 V WRV das verfassungsrechtliche Leitbild einer Präsenz von (organisierter) Religion im öffentlichen und im öffentlich-rechtlich verfaßten Raum. Religionsgesellschaften werden durch Art. 137 V WRV als Akteure des öffentlichen Lebens in besonderer Weise anerkannt; 66 ihre Rechte auf öffentliches Wirken und öffentliche Wirkung werden hierdurch in besonderer Weise unterstrichen. 67 Die vom Verfassungsgeber intendierte Signalfunktion des Körperschaftsbegriffs 62 G. Held, S. 40; C. Pageis, JuS 1996, 790 (793); M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (698). 63 BVerfG, NVwZ 2001, 908; BGH, NJW 2001, 3537. 64 BVerfGE 102, 370 (395); P. Kirchhof, HdbStKirchR 2 I, S. 651 (677); Η Weber, HdbStKirchR 2 I, S. 573 (578); M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (702 f.). 65 M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (702 f.). 66 A. Hollerbach, Essener Gespräche 1 (1969), S. 46 (59). 67 Ein solcher „Status soziologischer Öffentlichkeit" ist „wenig rechtlich Faßbares", wie E. D. Bohl, S. 80, meint, die deshalb die Kategorie des öffentlichen Status insgesamt verwirft. Verfassungsdogmatische Figuren und verfassungstheoretische Erläuterungen und Umhegungen dieser verlangen jedoch notwendig mehr als fest umschriebene Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen. Jede theoretisch inspirierte Annäherung muß sich freilich am konkreten Textmaterial bewähren und darf dieses nicht ersetzen. Insoweit ist den Ausführungen Böhls, ebenda, S. 73 ff. ausdrücklich beizupflichten.

I. Die

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des Körperschaftsstatus

275

zielt auf die Wahrnehmung der öffentlichen Potenz organisierter Religion. 68 Eine spezifische Verdichtung findet diese Anerkennung einerseits in der öffentlichrechtlichen Rechtsform selbst, zum anderen in den öffentlich-rechtlichen Einzelrechten (s. u. II. und III.), die mit dem Status als öffentlich-rechtliche Körperschaft staatlicherseits verliehen werden. 69 Der Körperschaftsstatus und die damit einhergehenden Rechte sind nun für einen weiter gefaßten Status der Öffentlichkeit insgesamt nicht notwenig, die Öffentlichkeit organisierter Religion kann sich auch ohne diese Rechtsform und die damit verbundenen Einzelrechte entfalten, ist sie doch wesentlich religionsfreiheitlich fundamentiert. Doch scheint es zugleich evident, daß das Religionsverfassungsrecht mit den korporationsgebundenen Rechten ein wirksames und auf breiter Front angenommenes Angebot öffentlichkeitsprägender und -effektivierender Instrumentarien für Religionsgesellschaften bereithält. Insoweit ist es indiziert, Art. 137 V WRV dem grundgesetzlichen Status der Öffentlichkeit von Religion zuzuordnen. Damit geht nicht einher, daß öffentlich-rechtlich korporierte Religionsgesellschaften qua Rechtsstatus als besondere, parallel neben dem Staat wirkende Ordnungs- und Gestaltungsfaktoren anerkannt werden. 70 Ein solcher „Status normativer Öffentlichkeit" 71 , der Kirchen als staatsanaloge Institutionen in ihrer vermeintlichen Besonderheit als normsetzende Instanzen zu fassen sucht, verfehlt das verfassungsrechtliche Charakteristikum der durch die Verfassung begründeten und durch die freiheitlichen Gewährleistungen der Verfassung selbst gemäßigten Subordination aller Bürger und ihrer Organisationen unter die öffentliche Gewalt des grundgesetzlich verfaßten Staates.72 Weder bei den konkreten öffentlich-rechtlichen Einzelbefugnissen noch bei der Rechtsform selbst handelt es sich deshalb auch um Erscheinungen einer allgemeinen öffentlichen Gewalt der korporierten Religionsgesellschaften. 73 Auch die ge68 Cf. H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 78 f.; S. Korioth, GS Jeand'Heur, 1999, S. 221 (241). 69 Zur Klarstellung sei abermals darauf verwiesen, daß keine Kongruenz zwischen öffentlichem Status und öffentlich-rechtlicher Organisations- und Handlungsform besteht, cf. a. E. D. Bohl, S. 72. Dies heißt jedoch nicht, daß keine Schnittmengen zwischen einer eher verfassungstheoretischen Beschreibung eines Status der Öffentlichkeit und einer dogmatisch parzellenscharfen Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlichen und zivilrechtlichen Organisationen und Rechten auszumachen ist; in diesem Sinne bereits H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 73 ff. 70 Cf. hierzu R. Smend, ZevKR 1 (1951), 4 (13 f.); G. Robbers, FS Heckel, 1999, S. 411 (416 f.); Anklänge auch bei BVerwGE 105, 117 (120): „gewisse Parallelen zur Herrschaftsordnung des Staates". 71 H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 63 ff.; H Quarisch, NJW 1967, 764 (765); nunmehr auch E. D. Bohl, S. 74 ff. m. w. N. 72

Siehe insg. bereits oben 3. Kap. I. 3. 73 So aber G. Robbers, FS Heckel, 1999, S. 411 (415 ff.); Κ Hesse, Grundrechtsbindung der Kirchen?, in: P. Mikat (Hrsg.), Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, 1980, S. 287 (300) = FS W. Weber, 1974, S. 447 ff.; A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 143 1

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

meinsame Zuordnung von staatlicher und kirchlicher zu einer beide Bereiche übergreifenden öffentlichen Gewalt - möglicherweise angereichert durch weitere Sektoren, wie Handwerkskammern etc. 74 - sieht sich durchgreifenden Bedenken ausgesetzt. Mit der vollständigen Entlassung der Kirchen in die Selbstverwaltung durch die Weimarer Reichsverfassung verloren diese die Insignien originärer rechtlicher Hoheitsgewalt.75 Öffentliche Gewalt im Rechtssinne ist unter dem Grundgesetz stets durch die von der Verfassung statuierte staatliche Ordnung vermittelt. 76 Private werden nur durch Akte staatlicher Beleihung Inhaber der für die öffentliche Gewalt spezifischen Rechts- und Handlungsformen. Die Korporationsrechte sind deshalb auch kein Ausfluß originärer, durch Art. 137 V WRV lediglich anerkannter kirchlicher Gewalt. 77 Eine Gleichordnung von Staat und Religionsgemeinschaften erfolgt durch den fünften Absatz des Art. 137 WRV ebenso wenig wie durch dessen dritten. Auch ein öffentlich-rechtlicher Gesamtstatus in dem Sinne, daß das Handeln von öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgesellschaften stets dem öffentlichen Recht zuzuordnen sei, kann Art. 137 V WRV nicht entnommen werden. 78 Dies gilt schon deshalb, weil auch sonstigen öffentlich-rechtlichen Personen von Verfassungs wegen die Fähigkeit zu fiskalischem und damit in den Formen des Privatrechts einhergehendem Handeln eingeräumt ist. Eine notwendige Verbindung von öffentlich-rechtlicher Organisationsform und öffentlich-rechtlicher Handlungsform besteht nicht (und zwar in beide Richtungen, wie das Beispiel des Verwaltungshelfers zeigt). Können schon staatliche Aktivitäten nicht per se als öffentbezeichnet einerseits die durch kirchliche Körperschaften des öffentlichen Rechts ausgeübte öffentliche Gewalt als eine sui generis, andererseits werden die einzelnen Korporationsrechte als staatlich abgeleitete begriffen; die Rspr. des BVerfG ist gleichfalls uneinheitlich, cf. einerseits BVerfGE 19, 1 (12) und 42, 312 (332), andererseits BVerfGE 18, 385 (387), s. näher E. D. Bohl, S. 71 f. 74 G. Robhers, FS Heckel, 1999, S. 411 (415 f.). 75 Die Ausübung von „Kirchengewalt", etwa die Verhängung von Kirchenstrafen (Ausschluß vom Abendmahl, Exkommunikation), ist dagegen religionsfreiheitlich geschützt. 76 H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 60 f.; S. Muckel, DÖV 1995, 311 (313); M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 Rdnr. 79; E. D. Bohl, S. 71 unter Verweis auf H. Quaritsch, Der Staat 1 (1962), 175 und 289 (305 ff.); auch W. Rüfner, Essener Gespräche 7 (1972), S. 9 (12). 77 So aber H Peters, VVDStRL 11 (1952), S. 177 (187); G. Thüsing, DÖV 1998, 25 (26). 78 H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 85 ff.; ders., Religion - Staat - Gesellschaft 2 (2001), 47 (53); H. Quarisch, NJW 1967, 764 (765); D. Ehlers, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 137 WRV Rdnr. 18, ders., ZevKR 44 (1999), 4 (12 ff.); 5. Magen, in D. C. Umbach/Th. Clemens (Hrsg.), GG, Art. 140 Rdnr. 100; R. Tillmanns, DVB1. 2002, 336 (338); S. Muckel, JZ 2002, 192 (193); A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 288 m. w. N.; kritisch auch bereits A. Hollerbach, 92 (1967), 99 (110 f.); a.A. J. Isensee, GS Constantinesco, 1983, 301 (314 ff.); D. Reupke, KuR 1997, 91 (104) = 210, 7 (20): „öffentlichrechtlich geprägter Gesamtsstatus"; H. Marré/K.-E. Schlief, NJW 1965, 1514 (1516); H. Peters, VVDStRL 11 (1952), S. 177 (187); aus der Rspr. zuletzt BVerwGE 105, 117 (119); BVerwG, NJW 1984, 3538 ff.; BGH, NJW 2001, 3537 (3538 f.) m. w. N.; in Bezug auf Meinungsäußerungen offengelassen in BVerfG, NVwZ 2001, 908.

I. Die

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lich-rechtlich bewertet werden, gilt dies erst recht für Kirchen und andere nach Art. 137 V WRV organisierte Religionsgesellschaften. Bei öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaften ist darüber hinaus zu beachten, daß sie als grundrechtsberechtigt der Sphäre der Zivilgesellschaft verhaftet bleiben. Dies legt es nahe, ihr gesamtes rechtserhebliches Handeln außerhalb der einzelnen Korporationsrechte grundsätzlich dem Privatrecht zuzuordnen. 79 Schließlich sei abermals (cf. supra 3. Kap. IV.) darauf hingewiesen, daß - wie heute auch weitgehend anerkannt - aus dem Angebot eines Status der Öffentlichkeit für Religionsgesellschaften nicht auf die Anerkennung eines Öffentlichkeitsanspruchs der Kirchen geschlossen werden kann. Grundgesetzlich ist aber auch nicht unterbunden, analytisch auf eine gewisse Korrespondenz zwischen Öffentlichkeitsstatus und dem kirchlichen Verständnis eines Öffentlichkeitsauftrags hinzuweisen. Die Verwirklichung dieses theologischen Topos ist religionsfreiheitlich geschützt und in diesem Rahmen steht es den Religionsgesellschaften auch frei, die verfassungsrechtlich angebotenen Zugänge zur Öffentlichkeit und zum Öffentlichen Recht als eingeräumtes Wächteramt zu verstehen. Art. 137 V WRV gebietet dies jedoch von Verfassungs wegen nicht.

5. Grundrechtsbindung und Grundrechtsberechtigung öffentlich-rechtlich organisierter Religionsgesellschaften a) Berücksichtigung des sui-generis-Charakters

der Rechtsform

Die sui-generis-Eigenschaft des öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus für Religionsgesellschaften schlägt sich - wie bisher mehrfach angeklungen - sowohl hinsichtlich ihrer Grundrechtsbindung wie ihrer Grundrechtsberechtigung nieder. 80 Grundsätzlich sind juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht grundrechtsberechtigt, sondern ausschließlich Adressaten der Grundrechte als Abwehrrechte der Bürger gegenüber der öffentlichen Gewalt.81 Da die in Art. 137 V WRV geregelte Rechtsform sich aber grundlegend von den Körperschaften des öffentlichen Rechts im verwaltungs- und staatsorganisatorischen Sinne unterscheidet, ist auch die Frage ihrer Grundrechtsbindung und -berechtigung besonders zu bestimmen. Wenn die so strukturierten Religionsgesellschaften nicht qua Rechtsstatus und Kor79 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 80. so Cf. zum Gesamtkomplex der Grundrechtsbindung H. Säcker, DVB1. 1969, 5 ff.; W. Rüfner, Essener Gespräche 7 (1972), S. 9 ff.; H. Weber, ZevKR 17 (1972), 386 ff.; K. Hesse, Grundrechtsbindung, S. 447 ff.; K.-H. Kästner, JuS 1977, 715 ff. (alle vier Beiträge auch in: P. Mikat [Hrsg.], Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, 1980, S. 174 ff.; 199 ff.; 287 ff.; 474 ff.); aus neuerer Zeit (mit Revisionen älterer Positionen) H. Weber, HdbStKirchR 2 I, S. 573 ff.; ders., ZevKR 42 (1997), 282 ff.; ferner M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 81 ff. 8i H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 19 III Rdnr. 38 m. w. N.

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

porationsrechte Staatsaufgaben wahrnehmen und sie nicht in die Staatsorganisation eingebunden sind, sondern die Rechtsform grundrechtsdienenden Charakter hat, erscheint es geboten, sie bezüglich ihrer verfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten im Ansatz wie andere Vereinigungen der Zivilgesellschaft zu behandeln. Schließlich stehen sie wie diese „dem Staat als Teile der Gesellschaft gegenüber". 82 Die Grundlinie wäre dementsprechend: öffentlich-rechtlich korporierte Religionsgesellschaften sind umfassend grundrechtsfähig, insbesondere kommen sie in den Genuß der korporativen Religionsfreiheit (Art. 4 GG/Art. 137 III WRV). 83 Öffentlich-rechtlich korporierte Religionsgesellschaften sind andererseits dann - wie andere Private - grundrechtsgebunden, wenn sie sich der durch Beleihung auf sie übergegangenen, besonderen staatlichen Handlungsformen bedienen.

b) Spezifizierungen Eine Stufe konkreter folgt daraus folgendes: aa) Drittwirkung der Grundrechte Der Grundrechtsschutz in und gegenüber Religionsgesellschaften gleich welcher Rechtsform ist primär eine Frage der allgemeinen Drittwirkung der Grundrechte. Demnach wirken Grundrechte auf die Rechtsverhältnisse zwischen Privaten durch die sog. Ausstrahlungswirkung, durch die Berücksichtigung ihrer Prinzipiengehalte für die gesamte Rechtsordnung. Im Modus der DrittWirkung sind Grundrechte bei der Auslegung des einfachen Rechts, insbesondere von unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln zu beachten.84 Unmittelbar können grundrechtliche Rechtspositionen im Zivilrechtsverkehr dagegen nicht in Anspruch genommen werden. Die Konsequenzen dieser Grundlinie wurden oben am Beispiel des kirchlichen Arbeitsrechts näher umrissen. bb) Grundrechtsbindung durch besondere Beleihung Wie jeder sonstige Private ist auch eine Religionsgesellschaft grundrechtsgebunden, wenn sie - aus Sicht des Beleihers (!) - zur Verfolgung staatlicher Zwecke ausnahmsweise mit staatlicher Hoheitsgewalt ausgestattet wird. Dies betrifft nur 82 BVerfGE 102, 370 (386); S. Magen, in D. C. Umbach / Th. Clemens (Hrsg.), GG, Art. 140 Rdnr. 97. 83 Cf. a. BVerfG, NVwZ 2001, 908. 84

Cf. hierzu bereits 3. Kap. I. 3. e. Im Kontext dieser Drittwirkung ist die Selbstverwaltungsgarantie umfassend zu berücksichtigen; cf. a. H. Weber, ZevKR 42 (1997), 282 (289 ff.). Im rein privatrechtlichen Rechtsverkehr sind Religionsgesellschaften auch nicht an Grundrechte als „für alle geltende Gesetze" i. S. d. Art. 137 III WRV gebunden, K. Hesse, Grundrechtsbindung, S. 287 (294 ff.) = S. 447 ff. gegen H Säcker, DVB1. 1969, 5 (6).

I. Die

e e n

des Körperschaftsstatus

279

die Beleihung außerhalb der Korporationsrechte, denn diese selbst dienen gerade ausschließlich der Verfolgung eigener Zwecke. 85 Typische Erscheinungen für die Verleihung besonderer staatlicher Befugnisse außerhalb der Korporationsrechte finden sich etwa im Privatschulwesen. Hier kann zunächst für Religionsgesellschaften nichts anderes gelten als für andere Beliehene: mit der Beleihung geht die Grundrechtsbindung auf den privaten Rechtsträger über. 86

cc) Beleihung durch Folgerechte der öffentlichen Rechtsform Auch die Korporationsrechte der öffentlich-rechtlichen Dienstherrenfähigkeit, der Rechtssetzungsgewalt, der Organisationsgewalt, der Widmungsbefugnis und der Parochie stellen rechtskonstitutiv eine echte staatliche Beleihung dar. 87 Sie bilden staatlich abgeleitete, besondere Befugnisse, die den selbstverständnisgeprägten organisatorischen Bedürfnissen von Religionsgesellschaften in besonderer Weise entgegenkommen, die Ausgestaltungsmöglichkeiten religiöser Organisationen stärken und die Unabhängigkeit vom Staat unterstreichen sollen. Wie herausgearbeitet handelt es sich dabei nicht um die staatliche Anerkennung originär kirchlicher öffentlicher Gewalt, sondern um den Transfer ursprünglich staatlicher Rechte. Nach Art. 1 III GG ist die gesamte durch das Grundgesetz konstituierte öffentliche Gewalt zur Einhaltung der Grundrechte verpflichtet. Weder durch Rechtsformwandel noch durch Beleihung Dritter kann sich der Staat dieser Bindung entledigen; ebenso wie es heißt: „keine Bucht vor der Grundrechtsbindung ins Privatrecht" gilt: „keine Flucht in die Beleihung". 88 Zugleich ist aber zu beachten, daß die mit Art. 137 V verbundenen Körperschaftsrechte, anders als sonstige Formen der Beleihung, freiheitsdienende Funktion haben. Wegen des daraus resultierenden besonderen Charakters der Beleihung bei Religionsgesellschaften gehen diese bei der Nutzung ihrer öffentlich-rechtlichen Befugnisse nicht des Schutzes durch Art. 4 85 H. Weber, ZevKR 42 (1997), 282 (288). 86 H. Weber, HdbStKirchR 2 I, S. 573 (578 ff.). 87 BVerfGE 102, 370 (398 ff.); P. Kirchhof, HdbStKirchR 2 I, S. 651 (676 und 668, 670 ff.); H. de Wall, ZevKR 43 (1998), 441 (447); M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 86 ff.; B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 171; C. Hillgruber, NVwZ 2001, 1347 (1351); S. Muckel, JZ 2002, 192 (193; a.A. G. Robbers, FS Heckel, 1999, S. 411 (415): „Sie sind nicht Beliehene des Staates"; D. Ehlers, ZevKR 44 (1999), 4 (8 f.; 17 ff.), der betont, es handele sich um eigene Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften. Dies steht jedoch nicht in einem Alternativverhältnis zur Beleihung. Die Beleihung erfolgt hier gerade zur Verfolgung religionsgesellschaftseigener Zwecke. 88 Cf. M. Morlok/ M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (702); a. H Weber, Religionsgemeinschaften, S. 149; ders., HdbStKirchR 2 I, S. 573 (585); a.A. K. Hesse, Grundrechtsbindung, S. 287 (300 ff.) = S. 447 ff.; H. Kästner, JuS 1977, 715 ff. = in: P. Mikat (Hrsg.), Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, 1980, S. 474 (486 ff.), die in den Körporationsrechten die Anerkennung kirchlicher öffentlicher Gewalt sehen, also keine delegierte staatliche Hoheitsgewalt und deshalb jede unmittelbare Bindung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften an die grundgesetzlichen Grundrechte ablehnen.

280

4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

GG/Art. 137 III WRV verlustig. 89 Der verbleibende eigene Grundrechtsschutz modifiziert die mit der Beleihung einhergehende Grundrechtsbindung in einer Art und Weise, die das Geflecht von Bindung und Berechtigung in eine gewisse Analogie zur mittelbaren Grundrechtswirkung setzt. Die Selbstordnungs- und -Verwaltungsgarantie überlagert die zunächst durch die Grundrechtspositionen Dritter bestimmte Begrenzung religionsgesellschaftlicher Handlungsmöglichkeiten innerhalb der Korporationsrechte. Das effektive Ausmaß dieser Überlagerung ergibt sich aus einer abwägenden Zuordnung zwischen den einschlägigen Grundrechtspositionen. Dabei ist ein schonender Ausgleich zwischen den Grundrechten Dritter und der verfassungsrechtlichen Garantie kirchlicher Eigenständigkeit zu suchen.90

dd) Kircheneigene Grundrechtsgewährleistung Die Bedeutung der Religionsfreiheit von öffentlich-rechtlich organisierten Religionsgesellschaften gilt es in Grundrechtsfragen noch in einer weiteren, der innerorganisatorischen Hinsicht zu entfalten: Die interne, also kirchenrechtliche Gewährung von grundlegenden Freiheits-, Gleichheits- und Teilhabeverbürgungen ist eine eigene Angelegenheit der Religionsgesellschaft und damit eine Frage der Selbstordnung gemäß dem religiösen Selbstverständnis.91 Deshalb ist mit der Rechtsform keine Verpflichtung verbunden, eigene Grundrechtsstandards auszubilden.

ee) Anwendungsvorrang des einfachen Rechts Keine Frage der Grundrechtsbindung, aber des Prüfungsmaßstabes ist schließlich, daß auch im hiesigen Fragenkreis der Grundsatz des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts92 zu beachten ist. Für einen Rückgriff auf Verfassungsrecht ist dort kein Raum mehr, wo Grundrechte und andere Verfassungsvorgaben einfachrechtlich zulässig konkretisiert wurden. Wenn etwa kircheneigene, aber durch die Rechtssetzungsgewalt mit öffentlich-rechtlicher Qualität versehene Regelun89 BVerfGE 102, 370 (395). Dies könnte man auch im Bereich des Privatschul- und Friedhofswesens annehmen - aus kirchlicher Sicht werden hier schließlich neben staatlichen Zwecken immer eigene, durch die korporative Religionsfreiheit geschützte Ziele verfolgt. 90 R Kirchhof, HdbStKirchR 2 I, S. 651 (677); H. Weber, ZevKR 42 (1997), 282 (288, 293 f.); M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 84.; dies verkennt C. Hillgruben NVwZ 2001, 1347 (1351). 91 Cf. hierzu hierzu insg. H Weber, ZevKR 42 (1997), 282 (294 ff.); W. Huber, Gerechtigkeit und Recht, 1996, S. 432 ff.; ders., Grundrechte in der Kirche, in: G. Rau/H.-R. Reuter/ K. Schiaich (Hrsg.), Das Recht der Kirche, Bd. I, 1997, S. 518 ff.; aus protestantischer Sicht D. Pirson, ZevKR 17 (1972), 358 ff.; W. Stolz, ZevKR 34 (1989), 238 ff.; H. Ehnes, ZevKR 34 (1989), 382 ff.; ders., Grundrechte in der Kirche, in: Rau u. a. (Hrsg.), a. a. O., S. 545 ff.; in katholischer Perspektive R. Ahlers, Die rechtliche Stellung der Christgläubigen, in: HdbkathKirchR, 2. Aufl. 1999, S. 200 ff. (223 ff.). 92 Cf. supra 3. Kap. VII l.b).

II. Die Rechtsfolgen des Körperschaftsstatus

281

gen im Dienst- und Disziplinarrecht die gebotenen sozialen Mindeststandards einhalten, bilden diese den abschließenden Prüfungsmaßstab, eine weitergehende Heranziehung von grundgesetzlichen Rechtspositionen darüber hinaus erfolgt nicht. 93

II. Die Rechtsfolgen des Körperschaftsstatus 1. Unmittelbare Folgerechte a) Subjektiv-rechtliche

Rechtsformgarantie

Die Innehabung des Rechtsstatus einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zeitigt Rechtsfolgen. So organisierte Religionsgesellschaften können etwa das Recht auf Steuererhebung gegenüber ihren Mitgliedern nutzen und ihnen stehen mannigfaltige einfachgesetzlich festgelegte Rechte zu. Doch auch der Verfassungsgewährleistung des Art. 137 V WRV selbst sind Rechtsfolgen zu entnehmen. Art. 137 V WRV garantiert zunächst in doppelter Weise, daß es öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften überhaupt gibt. Einerseits bildet Art. 137 V WRV die unter dem Gesichtspunkt der Trennung von Staat und Kirche (Art. 137 1 WRV) erforderliche verfassungsrechtliche Rechtfertigung für diese Rechtsform. 94 Darüber hinaus bestimmt Art. 137 V WRV, daß der Körperschaftsstatus für Religionsgemeinschaften nicht nur vorgesehen werden kann, sondern er auch im religionsrechtlichen Instrumentarium des Staates vorgehalten werden muß. Es muß auch tatsächlich die Möglichkeit zur Bildung öffentlich-rechtlich korporierter religiöser Vereinigungen geben. Insoweit stellt Art. 137 V WRV eine objektiv-rechtliche Verfassungsgarantie der Einrichtung „Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts" als solche dar. Doch betrachtet man den Wortlaut des Art. 137 V genauer und zieht seine Entstehungsgeschichte und das darin zum Ausdruck gebrachte Telos hinzu, wird man zu dem Ergebnis kommen müssen, daß Art. 137 V WRV nicht nur eine institutionelle Garantie, sondern auch ein subjektives Recht für Religionsgemeinschaften enthält, den Rechtsstatus einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft zu behalten bzw. verliehen zu bekommen.

93 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 85. 94 Zum Wechselbezug von Art. 137 I und V WRV auch R Mikat, HdbVerfR 2, S. 1424 (1444); anders G. Schmidt-Eichstaedt, Kirchen, S. 41 f., 54 ff., 107 ff., 128 ff., der Art. 137 V WRV mit Blick auf das Trennungsgebot für verfassungswidriges Verfassungsrecht hält nicht nur eine contradictio in adjecto, sondern auch verfehlt, da eine verfassungskonforme Interpretation (eben als Rechtfertigungstatbestand der Durchbrechung) möglich ist. Cf. a. H. Webet; ZevKR 24 (1979), 210 ff.; B. Jeand'Heur/S Korioth, S. 158 und allg. 129 mit Verweis auf ähnlich Anstrengungen von M. Kleine, Institutionalisierte Verfassungswidrigkeiten im Verhältnis von Staat und Kirche unter dem Grundgesetz, 1993, S. 212 ff. und E. Fischer, Volkskirche ade!, 4. Aufl. 1993, S. 117 ff., 137 ff., 141 ff., 151 ff.

282

4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

Dies könnte man in Hinblick auf die altkorporierten Gemeinschaften teilweise mit der Begründung abstreiten, die Verleihung des Körperschaftsstatus sei nicht durch Art. 137 V 1 WRV, sondern der Verfassung vorgängig durch Rechtsakte der Länder erfolgt. Einzig aus diesen, nicht aber aus der Weimarer Verfassungsbestimmung zum Körperschaftsstatus leite sich das subjektive Recht auf Innehabung der Organisationsform einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft ab. Eine solche Argumentation würde jedoch verkennen, daß Art. 137 V 1 WRV die Rechtsform der betroffenen Religionsgemeinschaften konstitutiv sichern sollte. Dies schlägt sich schon in der Formulierung des S. 1 nieder: „Die Religionsgemeinschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie solche bisher waren" - nicht: „können bleiben" oder „Der öffentlich-rechtliche Körperschaftsstatus bleibt unberührt". Schon der Wortlaut spricht deshalb durch die dezidierte Bezugnahme auf die vorhandenen korporierten Gesellschaften dafür, die Norm als subjektiv-rechtliche Zubilligung einer Status-quo-Garantie zu verstehen. Hinzu treten verfassungsgenetische und teleologische Gesichtspunkte: Nach dem Willen der Weimarer Nationalversammlung sollte den einzelnen Ländern der religionspolitische Spielraum in der Frage des Fortbestandes der korporierten Religionsgemeinschaften durch Art. 137 V 1 WRV gerade entzogen werden. Die Länder sollten zwar die korporativen Einzelrechte weiterhin ausgestalten, die Entscheidung über den Rechtsformerhalt aller altkorporierten Religionsgesellschaften dagegen wurde durch die Weimarer Reichsverfassung selbst getroffen. Diese Ausrichtung des Art. 137 V WRV als Blockade für religionspolitische Erwägungen hat sich durch die Inkorporierung der Norm in das Grundgesetz eher noch verstärkt. Denn in diesem spiegelt sich maßgeblich die Erfahrung mit dem Nationalsozialismus wider, in dem der Entzug des Körperschaftsstatus für altkorporierte jüdische Religionsgemeinschaften Bestandteil der auf Vernichtung ausgerichteten Politik gegenüber der jüdischen Bevölkerung war. 95 Art. 137 V WRV geht deshalb über den Charakter der Einrichtungsgarantie hinaus und begründet für die altkorporierten Religionsgesellschaften einen subjektiven, rechtsformalen Bestandsschutz, der weitere administrative oder legislative Maßnahmen zur Bewahrung des organisationsrechtlichen Status quo obsolet machen sollte. 96 Art. 137 V WRV geht freilich noch über den Charakter einer subjektiv-rechtlichen Bestandsgarantie (S. 1) bzw. eines subjekiv-rechtlichen Anspruchs auf diese Rechtsform (S. 2) hinaus. Die Norm begründet nicht nur einen rein formellen Status, sondern bildet auch die Grundlage seiner materiell-rechtlichen Anreicherung. Man könnte sagen: Der „Mantel" 97 besteht aus schon gewebtem Stoff, er kleidet,

95 R Kunig/R. Uerpmann, DVB1. 1997, 248 (249); zum weiteren Kontext R. Hilberg, Die Vernichtung der europäischen Juden (Org. 1961), Bd. 1, 1990, S. 56 ff. 96 A.A. OVG Berlin, NVwZ 1997, 396 (398); E. D. Bohl, S. 100: bloße Einrichtungsgarantie. 97 Die Mantelmetapher findet sich etwa in BVerfGE 102, 370 (388) und 83, 341 (357); s.a. A. Hollerbach, HStR VI, § 138 Rdnr. 125; A. v. Campenhausen, ZevKR 46 (2001), 165 (170).

283

II. Die Rechtsfolgen des Körperschaftsstatus

er wärmt, er verhüllt und ist nicht nur Garn, das erst noch zu einem Kleidungsstück verarbeitet werden muß. Diese These kann in drei Schritten dargelegt und begründet werden.

b) Reine Rechtshülle oder rechtsforminhärente

Folgerechte?

Wie oben (1. Kap. III.) herausgearbeitet, ging der Verfassungsgeber 1919 davon aus, daß die mit dem Körperschaftsstatus verbundenen Einzelrechte von der einfachrechtlichen Ausgestaltung des Gesetzgebers abhängen, wobei maßgeblich an den Landesgesetzgeber gedacht wurde. 98 Diese Annahme bestätigt sich im Grundsatz bis heute in dem gesetzlichen Rechtsbestand, der sich als Privilegienbündel beschreiben läßt. Art. 137 V WRV begründet insoweit die Fähigkeit, daß Religionsgemeinschaften Träger öffentlicher Rechte sein können. Zugleich ergibt sich aus der Systematik und Genese der Verfassung sowie dem Sinn und Zweck des Art. 137 V WRV aber auch, daß eine weitergehende reichs- bzw. bundeseinheitliche Komponente durch die Norm in den Körperschaftsstatus für Religionsgesellschaften eingezeichnet wurde. Denn nur auf dieser Grundlage kann allen öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgesellschaften Rechtsfähigkeit im zivilrechtlichen Sinne zugesprochen werden. In einigen süddeutschen Ländern sah der Begriff der öffentlichen Körperschaft diese Rechtsfolge qua Status - anders als das preußische ALR - nicht vor (cf. 2. Kap. II.). 9 9 Diese landesrechtliche Ausgangslage wurde durch die Verabschiedung der Weimarer Reichsverfassung dergestalt verändert, daß nunmehr gesamtdeutsch durch den Körperschaftsstatus Religionsgesellschaften nicht nur eine Teilrechtsfähigkeit für einzelne öffentliche Rechte, sondern zudem die privatrechtliche Vollrechtsfähigkeit zukommt. 100 Denn zwischen der rechtlichen Organisation einer Religionsgesellschaft nach Art. 137 V und der nach Art. 137 IV WRV, der bestimmt, daß Religionsgesellschaften die Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts erwerben, besteht ein Ausschlußverhältnis. 101 Die öffentlich-rechtliche ist eine Alternativrechtsform zur privatrechtlichen, nicht eine bloße Ergänzung. Ohne einen Rückgriff auf Art. 137 V WRV wäre dann aber den einschlägigen süddeutschen Korporationen der automatisch mit der Rechtsform verbundene Erwerb der Rechtsfähigkeit im zivilrechtlichen Rechtsverkehr verbaut.

98 Cf. a. W. Weiß, KritV 2000, 104 (120). 99 Dieser Sachverhalt war auch in den Verhandlungen der Weimarer Nationalversammlung präsent; cf. neben den Ausführungen oben 2. Kap. III. auch A. Endrös, ZevKR 33 (1988), 285 (293) mit Verweis auf die Äußerungen Gröbers (Zentrum), wiedergegeben in: Verhandlungen der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, Stenografische Berichte, Berlin 1919/1920, Bd. 326, S. 202. 100 H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 101 f.; ders., Religion - Staat - Gesellschaft 2 (2001), 47 (50); D. Ehlers, in. M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 137 WRV Rdnr. 17. ιοί Th. Maunz, in: MDHS, Art. 137 WRV Rdnr. 27.

284

4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

Dies wäre verfassungsrechtlich weder intendiert noch zweckmäßig. Vielmehr soll Art. 137 V WRV neben den Rechtsformen des Zivilrechts eine mindestens gleich effektive Möglichkeit zur Verwirklichung des Grundrechts auf Bildung religiöser Vereinigungen (Art. 4 I, II GG/Art. 137 II WRV) bieten. Entsprechend wird auch von Vertretern eines Verständnisses des Art. 137 V WRV als bloße Hülle die Rechtsfolge der Verleihung von Rechtsfähigkeit qua öffentlich-rechtlichem Status bejaht, ohne die Konsequenz zu sehen, daß damit die These von der bloße Hülle der Rechtsform 102 obsolet geworden ist. Die Rechtsfähigkeit ist bereits ein erstes Folgerecht aus der öffentlich-rechtlichen Rechtsform. Daraus ergibt sich: Art. 137 V WRV stellt die Grundlage für einen bundesreligionsverfassungsrechtlich eigenständig zu bestimmenden Rechtsstatus dar, an den das sonstige Bundes- und Landesrecht andockt, der sich jedoch nicht notwendig auf das einfache Recht beschränkt. Verfassungsgeschichtlich wird dieser Befund durch die Arbeiten von Alfred Endrös (s. o. 2. Kap. II.) bestätigt, der seinerseits zudem auf bisher nicht veröffentlichte Untersuchungen von Johannes Heckel verweist, der Endrös' Dissertation betreute. Sie belegen, daß der durch die Weimarer Reichsverfassung begründete Rechtsstatus nach Art. 137 V WRV einen „Mischtypus" darstellt. „Aus dem sächsischen Recht kommt der Ausdruck, sein Inhalt ist der spätkonstitutionellen Körperschaft hoheitlichen Gepräges entnommen, die vom Territorialismus her sich in Süddeutschland behauptet hat; von Preußen endlich rührt die Ausstattung mit bürgerlicher Rechtsfähigkeit und die Neigung zu freigiebiger Anwendung des Begriffs." 103 c) Art. 137 V WRV als institutionelle

Garantie von weiteren Folgerechten

aa) Entspricht das Vorhalten der bloßen Rechtsform der Garantie des Art. 137 V WRV? Ist bislang nachgewiesen, daß mit dem Status selbst zumindest zwei unmittelbare Rechtsfolgen außer der Garantie der Rechtsform selbst einhergehen, nämlich die der doppelten Rechtsfähigkeit im zivilrechtlichen wie öffentlich-rechtlichen Sinne, gilt es nunmehr, näher zu bestimmen, ob und welche rechtliche Bedeutung Art. 137 V WRVeo ipso ansonsten zukommt. Hilfreich ist dabei vielleicht ein Perspektivenwechsel gegenüber dem gängigen Vorgehen, sogleich konkrete Rechte zu benennen, die mit dem Körperschaftsstatus selbst unmittelbar verbunden sein sollen. Zunächst könnte man nämlich auch fragen, ob es der verfassungsrechtlichen Intention entspräche, wenn der Gesetzgeber auf eine nähere gesetzliche Ausgestal102 D. Ehlers, ZevKR 1987, 158 (166, 168); H. Quaritsch, Der Staat 1 (1962), 289 (318). 103 j. Heckel, Die Geschichte des Begriffs „Körperschaft des öffentlichen Rechts" - Vortrag vom 28./29. April 1939 vor dem Ausschuß für Religionsrecht der Akademie für deutsches Recht, zitiert nach A. Endrös, ZevKR 39 (1994), 45 (50).

II. Die Rechtsfolgen des Körperschaftsstatus

285

tung verzichtete und den nach Art. 137 V WRV korporierten Religionsgemeinschaften neben der nackten Rechtsform nur das Besteuerungsrecht nach Art. 137 VI WRV zukäme. Bereits mit Blick auf den Verhandlungsprozeß in der Weimarer Nationalversammlung kommen hier Zweifel. Einerseits gab es Vertreter, die eine solche Vorgehen s weise der Nichtausgestaltung goutiert hätten. Andererseits sah ein maßgeblicher Teil in dem Körperschaftsstatus für Religionsgesellschaften nicht nur eine zu erhaltende Rechtsform, weil sie den ansprechenden Titel des „Öffentlich-rechtlichen" bewahrt, sondern gerade weil damit landesrechtlich bestehende Befugnisse fortgeführt werden sollten. Der Nationalversammlung stand „bei der Schaffung der Kirchenartikel der konkret ausgeprägte Status vor Augen, den die Kirchen in der Zeit vor der Weimarer Republik in allen Ländern innehatten." 104 Die landesrechtliche Rechtlage divergierte dabei zwar im Einzelfall, doch war jeweilig ein vielfältiges Bündel an Einzelrechten vorgesehen, deren bedeutendste in allen Ländern anzutreffen waren. Diese Ausgestaltung sollte neben der Rechtsform selbst gleichfalls in die neue Verfassungsordnung überführt und - so jedenfalls die Vorstellung eines Teils der Nationalversammlung - durch Art. 137 V WRV gesichert werden. An diesem verfassungsgenetischen Befund hat sich durch die Inkorporation der Weimarer Kirchenartikel in das Grundgesetz nichts geändert.

bb) Argumente gegen eine Lesart von Art. 137 V WRV als Garantie weiterer Folgerechte Gegen die Annahme von über die bloße Rechtsform hinausgehenden, verfassungsunmittelbaren Rechtsfolgen durch Art. 137 V WRV sprechen im wesentlichen zwei Argumente: zum einen könnte man hinsichtlich des Wortlautes die Formulierung „bleiben Körperschaften" in Art. 137 V 1 WRV heranziehen und folgern: es wird gerade nicht auf die Rechte der Körperschaft, sondern nur auf den Status als solchen in der Bestandsgarantie Bezug genommen, ergo sind die an die Rechtsform anknüpfenden Rechte von der Verfassungsgarantie gar nicht berührt. Tatsächlich jedoch gibt der Wortlaut des Art. 137 V WRV für die Problematik des Umfangs an Rechtsfolgen des Art. 137 V WRV wenig her. Die ursprüngliche Formulierung „stehen die Rechte einer öffentlichen Körperschaft zu" (Hervorhebung H. M. H.) zugunsten der jetzigen Benennung des Status selbst („bleiben Körperschaften") zu verwerfen, war dem Umstand geschuldet, daß nicht sämtliche Einzelrechte verfassungsfest werden sollten, sondern Raum für Anpassungen, Modifikationen und auch Streichungen verbleiben sollte. Daraus läßt sich aber nicht der Umkehrschluß ziehen, daß diese Verfassungsgenese einer Annahme unmittelbarer Rechtsfolgen durch Art. 137 V WRV entgegenstehe.105

104 105

H. Weher, Religionsgemeinschaften, S. 93. H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 93 f. m. w. N.; ferner E. D. Bohl, S. 46.

286

4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

Gegen verfassungsunmittelbare Rechtsfolgen könnte ferner aus systematischer Perspektive die gesonderte Erwähnung eines Körperschaftsrechts in Art. 137 V I WRV sprechen. Jedoch ist auch hier die Rekonstruktion der Verfassungsgenese hilfreich und bewirkt eine Neutralisierung des Arguments: die ausdrückliche Bestimmung zum Besteuerungsrecht in Abs. 6 erklärt sich aus der hervorgehobenen Bedeutung, die dieser Frage von allen Parteien in der Weimarer Nationalversammlung zugesprochen wurde und daraus, daß über die Aufrechterhaltung dieser Finanzierungsform ein breiter Konsens von der SPD über DDP und Zentrum bis zur DNVP zu erzielen war, während die verunklarende Vagheit in Bezug auf die anderen Rechtsfolgen ja gerade Bedingung für den erzielten Kompromiß war. Eine Absage an weitere verfassungsunmittelbare Folgerechte ist hierin nicht zu sehen. Zugleich fehlt es aber auch bis hierhin an einem positiven Beleg für die Annahme solcher Rechte.

cc) Argumente für eine Lesart des Art. 137 V WRV als Einrichtungsgarantie weiterer Folgerechte Angesichts des Mangels hinreichender Anhaltspunkte bei einer historisch-genetischen, einer grammatischen und einer systematischen Auslegung für die Beantwortung der Rechtsfrage nach den Gehalten des Art. 137 V WRV ist schließlich auf den oben aufgefächerten Sinn und Zweck der Norm zurückzugreifen. Wie immer man diesen genau fassen mag und wo immer man den Schwerpunkt setzen will - Bestandsschutz, Gemeinwohlförderung, Grundrechtseffektivierung - , durch ein rein formales Verständnis des Körperschaftsstatus nach Art. 137 V WRV kann diesen Zwecken nicht genüge getan werden. Könnte der Gesetzgeber von Verfassungs wegen auf eine weitere Ausgestaltung des Status der öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgesellschaften mit für diesen typische Rechte verzichten, würden die Zielsetzungen der Norm leerlaufen. Deshalb ist es geboten, Art. 137 V WRV so zu verstehen, daß er neben dem subjektiven Recht einer Religionsgesellschaft auf Erhalt der Rechtsform selbst einen Mindestbestand an körperschaftsspezifischen Rechten garantiert; zumindest typusprägende Rechte sind durch die Weimarer Kirchennorm gesichert. 106 Folglich bildet Art. 137 V WRV neben einer Berechtigungs- und Anspruchsnorm auf die Rechtsform selbst auch eine institutionelle Garantie von mit dem Status verbundenen Folgerechten. Einrichtungsgaran106 fi. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 92; ders., Religion - Staat - Gesellschaft 2 (2001), 47 (50); i.E. ebenso G. Held, S. 38; H. Mayer-Scheu, Grundgesetz und Parität von Kirchen und Religionsgemeinschaften, 1970. S. 202; wohl auch A. v. Campenhausen, ÖAfKR 20 (1969), 173 (193 ff.); ders., Staatskirchenrecht, S. 288, 305; E. Friesenhahn, HdbStKirchR 1 I, S. 545 (555); P. Mikat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, in: K. A. Bettermann u. a. (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. IV, 1960, S. 111 (163 f.); E. D. Bohl, S. 55 f. Maßgeblich für die Art der Folgerechte ist dabei die tradierte Typizität, nicht das Selbstverständnis einer Religionsgemeinschaft, da es sich um ein freiheitsdienendes Leistungsrecht, nicht um ein Freiheitsrecht im engeren Sinne handelt.

II. Die Rechtsfolgen des Körperschaftsstatus

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tien sind notwendig rechtlich ausgestaltete Regelungskomplexe, die von der Verfassung vorausgesetzt werden und deren Kernbereiche im bisherigen Gepräge gewahrt werden sollen. 107 Genau eine solche Konservierungs- und Perpetuierungsfunktion hat Art. 137 V WRV von Verfassungs wegen zu erfüllen. Art. 137 V WRV knüpft an bestimmte vorverfassungsrechtliche subjektive Rechte öffentlichrechtlich korporierter Religionsgesellschaften an, die innerhalb eines bestimmten Rahmens der staatlichen Varianz ausgesetzt sind, darüber hinaus aber unangetastet zu bleiben haben. Dabei sind Einrichtungsgarantien typischerweise gekennzeichnet durch eine besondere Grundrechtsnähe, 108 wie sie auch für Art. 137 V WRV diagnostiziert werden kann. Auf dieser Basis sind institutionelle Garantien nicht bloß objektiv-rechtlich zu verstehen, sondern bilden zugleich die Basis für subjektive Verfassungsrechte. 109 Der subjektiv-rechtliche Schutzanspruch der Institutsgarantie zielt einerseits auf einen Anspruch auf Abwehr staatlicher Eingriff in den veränderungsfesten Kern der Institution, andererseits auf eine zweckmäßige staatliche Ausgestaltung.110 In diesem Rahmen kommen dem Gesetzgeber zwar weitreichende Kalkulations-, Wertungs- und Gestaltungsprärogativen zu, er hat jedoch bei der Ausgestaltung die Normzwecke sacheigen, also ohne sachfremde und zweckwidrige Erwägungen zu berücksichtigen. Insoweit begründet die Einrichtungsgarantie ein Untermaß verbot für die gebotenen gesetzgeberischen Mediatisierungsleistungen. 111 Dies bedeutet für Art. 137 V WRV konkret, daß die struktur- und typusprägenden Rechte öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften zwar in ihren einzelnen Ausprägungen und Varianten durch den Gesetzgeber bestimmt werden können, dieser jedoch nicht frei ist, solche Rechte insgesamt zu streichen. Der Kernbestand an Rechten religiöser öffentlich-rechtlicher Korporationen wird einerseits durch einen spezifisch öffentlich-rechtlichen Charakter bestimmt, er ist also an diesen Rechtstyp gebunden. Zum anderen ergibt er sich aus der mar107 Cf. näher H. de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 ff.; K. F. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 2. Aufl. 2001, S. 394 ff.; grundlegend C. Schmitt, Verfassungslehre (1928), 8. Aufl., 1993, S. 170 ff.; ders., Freiheitsrechte und institutionelle Garantien der Reichsverfassung (1931), in: ders., Verfassungsrechtliche Aufsätze, 2. Aufl. 1973, S. 140 ff., der zwischen Institutsgarantien und institutionellen Garantien geschieden zu wissen will (in Überwindung dieser Dichotomie insb. P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II GG, 3. Aufl. 1983; die Rspr. dagegen übt einen synonymen Sprachgebrauch); s. a. R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 2. Aufl. 1994, S. 442, 449 ff.; ders., Der Staat 29 (1990), 49 ff., der Institutsgarantien im Bereich der Grundrechte für eine dogmatisch überflüssige Kategorie hält, dafür freilich funktional äquivalent Grundrechte als Prinzipien in Ansatz bringt. 108 C. Steinbeiß-Winkelmann, Grundrechtliche Freiheit und staatliche Freiheitsordnung, 1986, S. 119. 109 H. de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 ff. no E. Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien der Verfassung, 1979, S. 38; K. Stern, StaatsR III/1, S. 751 (853 ff.). m Cf. insg. M. Morlok/H. M. Heinig, NVwZ 2001, 846 (847 ff., insb. 851) am Beispiel des Art. 139 WRV.

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

kanten historischen Prägung. Als der Einrichtung zugehörig sind solche Rechte zu sehen, die öffentlich-rechtlicher Natur sind und die öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in ihrer Eigenerscheinung traditionell ausgezeichnet haben. Unter diesen Voraussetzungen kristallisieren sich vor allem sechs Rechte heraus, von denen eines in Art. 137 VI WRV besondere Erwähnung fand: die Dienstherrenfähigkeit, die Rechtssetzungsgewalt, die Organisationsgewalt, das Parochialrecht, der Zugriff auf ein öffentliches Sachenrecht sowie schließlich das Recht auf Steuererhebung. 112 Im Bereich des darüber hinaus gehenden Privilegienbündels ist der Gesetzgeber in der jeweiligen Ausgestaltung relativ frei; auch hier sind jedoch von Verfassungs wegen qualitativ wie quantitativ angemessene Bestimmungen gesetzlich vorzuhalten.

d) Art. 137 V WRV als gesetzliche Grundlage bestimmter Hoheitsrechte Neben der Gewährleistung einer Einrichtungsgarantie für bestimmte statusverbundene Folgerechte ist Art. 137 V WRV im Bereich der als „Kernbestand" ausgemachten Rechte aber nicht nur von rechtssichernder, sondern auch von rechtsbegründender Bedeutung. Ein solcher Charakter kommt ihnen spätestens durch die Inkorporation in das Grundgesetz zu. Diese Ansicht entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 113 und einem Großteil des Schrifttums 114 , wonach der Körperschaftsstatus mehr als eine leere Form ist, sondern bestimmte hoheitliche Befugnisse mit ihm übertragen werden. Zumeist fehlt es freilich an einer näheren Erläuterung hierfür. Die These, daß Art. 137 V WRV selbst eine Rechtsgrundlage für bestimmte Korporationsrechte bildet, läßt sich durch eine viergliedrige Argumentationskette plausibilieren: 1.) Jede Beleihung, jede Übertragung von Hoheitsgewalt auf Private bedarf eines formalen Gesetzes als rechtlicher Grundlage. 115 Dieses Postulat bedeutet eine gegenüber dem Weimarer Verfassungsdenken aus verfassungsdogmatischen Gründen erfolgende Extension des Gesetzesvorbehaltes in seiner Spielart des Parlamentsvorbehaltes. 116 2.) Die als zentrale Folge112

H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 92 ff. 113 BVerfGE 102, 370 (388); anders wohl BVerwGE 105, 117 (120), wonach sich die einschlägigen Rechte aus „Herkommen" ergeben. 114 A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 288; J. Winter, Staatskirchenrecht, 137 f.; H. Weber, Religionsgemeinschaften S. 92 ff.; E. D. Bohl, S. 50 ff. m. w. N. "5 BVerfG, NJW 1987, 2501 (2502); BVerwG, NVwZ 1985, 48; BVerwGE 97, 117 (119); OVG Münster, NJW 1980, 1406 (1407); NJW 1983, 1390 (1391); BayObLG, DÖV 1997, 601 (602); AG Tiergarten, DAR 1996, 158 (158 f.); F. Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 137 (171 ff.); U. Steiner, JuS 1969, 69 (73 ff.) m. w. Ν.; H. Maurer, Verwaltungsrecht, S. 592 f. m. w. N. S. 597 f.; cf. a. M. Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 79 ff., 325 f. ι ' 6 Insoweit ist die Ablehnung der Rechtsbegründungsthese in Bezug auf Art. 137 V WRV in der Weimarer Verfassungsrechtslehre nicht verwunderlich, so etwa G. Anschütz, Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, Art. 137 S. 646. Mit dem hier entwickelten

II. Die Rechtsfolgen des Körperschaftsstatus

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rechte ausgemachten Fähigkeiten öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften (Dienstherrenfähigkeit, Parochie, Rechtssetzungsbefugnis, öffentliches Sachenrecht und Organisationsgewalt, Besteuerungsrecht) stellen Hoheitsrechte dar und beruhen auf staatlicher Beleihung. 3.) Für diese Kernrechte fehlt es häufig an einer parlamentsgesetzlichen Grundlage, da sie älteren rechtskulturellen Traditionen entstammen. Nur Art. 137 V I WRV trifft spezifische Anordnungen für das kirchliche Besteuerungsrecht und stellt für dieses eine über alle Zweifel erhabene verfassungsrechtliche Grundlage dar. 4.) Es widerspräche der Einrichtungsgarantie des Art. 137 V WRV für die Folgerechte, diese gegenwärtig im konkreten Rechtsbestand aufgrund der dogmatischen Neuanforderungen unter dem Grundgesetz für verfassungswidrig zu halten. Vielmehr liegt es in der Konsequenz der Verfassungsbestimmung, in ihr selbst die Rechtsgrundlage für die zentralen Folgerechte des Körperschaftsstatus zu sehen. Zur Erläuterung und Ergänzung: Während das Privilegienbündel zahlreiche von Bundes- und Landesparlamenten verabschiedete Normierungen in Gesetzesform enthält und damit den Anforderungen an gesetzliche Grundlagen für die Einräumung öffentlicher Rechte an nichtstaatliche Organisationen genügt, ist eine solche formal-rechtliche Fundierung ausgerechnet für den Kernbestand kirchlicher Körperschaftsrechte nur begrenzt ausmachbar. Denn diese wurden auf breiter Front landesgewohnheitsrechtlich, gemeinrechtlich oder partikularrechtlich gewährt. Deshalb waren und sind sie nicht durchgängig kodifiziert. 117 Eine solche Basierung hoheitsrechtlich geprägter Körperschaftsrechte genügte jedoch den grundgesetzlichen Anforderungen des Gesetzesvorbehaltes nicht. 118 Dienstherrenfähigkeit, Organisationsgewalt, Rechtssetzungsgewalt, Parochialrecht und das öffentliche Sachenrecht sind - soweit sie im staatlichen Recht gelten und Berücksichtigung finden sollen - Hoheitsrechte, also von der öffentlichen Gewalt abgeleitete, staatlich verliehene Rechte. 119 Sie stellen eine besondere Form der Beleihung der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften dar. Diese unterschiedet sich zwar in verschiedener Hinsicht von sonstigen Formen der Beleihung Privater, etwa dienen die übertragenen Rechte der Verfolgung eigener religionsgesellschaftlicher, nicht staatlicher Zwecke; auch besteht ein Wahlrecht, ob die verliehenen Befugnisse ausgeübt werden; ferner läßt die Beleihung auch innerhalb der von der öffentlichen Gewalt abgeleiteten Rechte die Grundrechtsberechtigung der Religionsgemeinschaften unberührt. Gleichwohl gilt auch hier der Grundsatz: keine Gedankengang konformgehend dagegen G. J. Ebers, Staat und Kirche im neuen Deutschland, 1930, S. 204; F. Giese, AöR n.F. 7 (1924), 1 (38 f.). 117 Cf. insb. für das öffentliche Sachenrecht bei nach Art. 137 V WRV organisierten Religionsgemeinschaften L. Renck, DÖV 1990, 333 ff.; ders., BayVBl. 1996, 264 (266 f.); ders., JZ 2001, 375 (377); B. Schlink, NVwZ 1987, 633 (637). us H. de Wall, ZevKR 43 (1998), 441 (450 ff.); L. Renck, JZ 2001, 375 (376); generell für das öffentliche Sachenrecht auch D. Ehlers, NWVB1. 1993, 327 (328 f.). 119 Cf. sogleich; ferner die Nachweise in Fn. 87; a. A. hinsichtlich des Hoheitscharakters S. Magen, in: D. C. Umbach / Th. Clemens (Hrsg.), GG, Art. 140 Rdnr. 99. 19 Heinig

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

Beleihung ohne Gesetz, genauer: eine Beleihung darf von Verfassungs wegen nur durch oder aufgrund eines Parlamentsgesetzes erfolgen. Fehlte es bei zentralen Korporationsrechten - zumindest in etlichen Ländern - an einer solchen Grundlage, blieben die bis dato begründeten Rechtsverhältnisse zwar unberührt, 120 neue dagegen könnten nicht mehr wirksam begründet werden. 121 Nun wird man bei genauer Analyse der jeweiligen Übergangs- und Überleitungsbestimmungen in der Weimarer Reichsverfassung und im Grundgesetz und bei „kreativer" Rechtsauslegung der bestehenden einfach-gesetzlichen, insb. auf Verträgen beruhenden Regelungen zu gangbaren Lösungen kommen können. So finden sich positiv-rechtliche Bestimmungen zur Dienstherrenfähigkeit in etlichen landesrechtlichen Bestimmungen aus der Zeit vor 1919 (vgl. etwa oben 1. Kap. I. und II.), deren heutiges rechtliches Schicksal genauer zu prüfen wäre. Nämliches gilt für den Bereich des öffentlich-rechtlichen Widmungsrechts. Auch ließen sich Normen wie § 135 S. 2 BRRG heranziehen, die ersichtlich die Dienstherrenfähigkeit von öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaften voraussetzen. Das von den Zielsetzungen des Art. 137 V WRV verlangte Maß an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit läßt sich aber nur dadurch erreichen, daß die fünf einschlägigen Korporationsrechte direkt aus Art. 137 V WRV als gesetzlicher Grundlage abgeleitet werden. Die Norm stellt dann als vom Parlamentarischen Rat verabschiedete Vorschrift zugleich das erforderliche Parlamentsgesetz für die Beleihung dar. 122 Der Gesetzgeber ist zwar befugt, innerhalb der durch die Einrichtungsgarantie gesetzten Grenzen ausgestaltend und einschränkend tätig zu werden. Die gesetzliche Grundlage der Dienstherrenfähigkeit, der Rechtssetzungsgewalt, der Organisationsgewalt, des Parochialrechts und des kirchenspezifischen öffentlichen Sachenrechts in Art. 137 V WRV zu sehen, führt somit nicht zu einer unabänderlichen Fixierung eines spezifischen Rechtsbestandes. Eine gänzliche Eliminierung dieser Rechte bedürfte aber - da sie zum Kernbestand der Einrichtung zu zählen sind - nach der hier vertretenen Rechtsansicht ohnehin einer Verfassungsänderung. Insoweit wird den korporierten Religionsgesellschaften durch die Annahme eines rechtsbegründenden Charakters von Art. 137 V WRV in der Sache nicht mehr zugestanden, als der Norm nicht schon vor der Inkorporation in das Grundgesetz zu entnehmen war, aber verhindert, daß ein nicht vom Parlamentarischen Rat beabsichtigtes Minus an zentralen Rechten entsteht. Diese Lösung entspricht den Intentionen des Verfassungsgebers wie den oben skizzierten Zielen des Art. 137 V WRV. Die Alternative wäre eine Verweisung der Kirchen und anderen korporierten Religionsgesellschaften auf den Rechtsweg zwecks Anmahnung derartiger einfach-gesetzlicher Rechtsgrundlagen aus dem Ausgestaltungsanspruch aus Art. 137 V WRV heraus. Angesichts der damit einhergehenden verfassungsprozessualen wie materiell-rechtlichen Unwägbarkeiten scheint die hier entwickelte Lösung demgegenüber vorzugswürdig. 120 L Renck, JZ 2001, 375 (378); cf. a. ders., BayVBl. 1996, 264 (267). 121 L. Renck, JZ 2001, 375 (378); ders., LKV 2002, 58 ff. 122 H. de Wall, ZevKR 43 (1998), 441 (450 ff.).

II. Die Rechtsfolgen des Körperschaftsstatus

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De lege ferenda mag man dann im Detail darüber diskutieren können, ob manche Körperschaftsrechte wie das öffentliche Sachenrecht für nach Art. 137 V WRV organisierte Religionsgesellschaften eine erforderliche Rechtskreiserweiterung gegenüber ihren zivilrechtlichen Pendants darstellt und ob der religionsfreiheitliche und statusflankierende Schutz nach Art. 41, II GG / Art. 137 III WRV und Art. 138 II WRV nicht hinreichend ist. Dies bedeutet jedoch nicht, daß man als Auslegungskriterium für die Bestimmung der geltenden Korporationsrechte auf die Kategorie der zwingenden Gebotenheit abstellen kann - wie Ludwig Renck hinsichtlich der res sacrae. 123 Dem Charakter der Rechte als Instrumentarien der staatlichen Förderung und Optimierung des religionsverfassungsrechtlichen Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Trennung organisierter Religion wird so nicht hinreichend Rechnung getragen. Wie die Rechtsform selbst, so sind auch die einzelnen Korporationsrechte des und im Anschluß an Art. 137 V WRV für ein demokratisches, plurales und freiheitliches Religionsverfassungsrecht nicht unverzichtbar. Einen Fremdkörper bilden sie andererseits unter gleichen Vorzeichen keineswegs.

e) Die einzelnen körperschaftsunmittelbaren

Folgerechte

Dienstherrenfähigkeit, Organisationsgewalt, Rechtssetzungsgewalt, Parochialrecht und die Bereitstellung des öffentliches Sachenrecht sind wie dargelegt unmittelbar mit dem Rechtsstatus der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft verbunden. Ohne auf jedes der Rechte hier näher eingehen zu können, seien doch grob Struktur und Zweck der Rechte skizziert, zumal sie im folgenden 5. Kapitel eine gewisse Rolle spielen. aa) Dienstherrenfähigkeit ( 1 ) Begriff. Im Wege der mit dem Rechtsstatus verbundenen Beleihung werden öffentlich-rechtlich organisierte Religionsgesellschaften dienstherrenfähig. 124 Unter Dienstherrenfähigkeit ist die Befugnis zu verstehen, Beamte zu haben, so die Umschreibung in § 121 BRRG, die auch für Art. 137 V WRV heranzuziehen ist. Die Dienstherrenfähigkeit ermöglicht es, Dienstverhältnisse öffentlich-rechtlicher Natur mit Wirkung für das staatliche Recht zu begründen, die nicht dem Arbeitsrecht und dem Sozialversicherungsrecht 125 unterliegen. 126 Wie entspre123 L. Renck, BayVBl. 1996, 264 (266). 124 H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 120 ff.; ders., Grundprobleme des Staatskirchenrechts, 1970, S. 40 f.; ders., NJW 1983, 2541 (2550); ders., NJW 1989, 2217 (2225). 125 Cf. § 27 I Nr. 2 SGB III; § 6 I Nr. 4 SGB V (Geistliche); § 5 I Nr. 2 SGB V I (sonstige Beschäftigte des öffentlichen Rechts ... ). 126 R Kirchhof, HdbStKirchR 2 I, S. 651 (671); Λ. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 137 WRV Rdnr. 237 ff.; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 87 ff. 19'

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

chende staatliche Dienstverhältnisse bilden auch die Dienstverhältnisse öffentlichrechtlich organisierter Religionsgesellschaften ein besonderes Dienst- und Treueverhältnis. Dieses wird durch mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt, nicht durch Vertrag begründet. Mit der Dienstherrenfähigkeit einher geht die Befugnis, einseitig Disziplinarmaßnahmen mit öffentlich-rechtlicher Wirkung zu verhängen. 127 Diese über die Sanktionsmöglichkeiten des Arbeitsrechts hinausgehenden Rechtsbefugnisse reichen bis hin zu Geldbußen und Strafversetzungen. (2) Art. 137 III WRV als Grundlage der Dienstherrenfähigkeit? Teilweise wird in der Dienstherrenfähigkeit eine rein formale Überlagerung der Befugnis zur Einrichtung, Verleihung und Entziehung kirchlicher Ämter aus Art. 137 III WRV gesehen oder ihre Verortung in Art. 137 V WRV gänzlich abgestritten. 128 Voraussetzung hierfür ist eine extensive Interpretation des Selbstordnungs- und -verwaltungsrechts weit über den Status eines Freiheitsrechts hinaus. Eine grundrechtsbasierte Interpretation des Art. 137 III WRV - wie sie oben näher begründet und skizziert wurde - kann dagegen hierin keine taugliche Grundlage für besondere Dienstverhältnisse außerhalb der staatlich vorgehaltenen Rechtsformen erkennen. 129 Ebensowenig wie Art. 137 III WRV zur Ausbildung eines vom Zivilrecht losgelösten, staatlich anzuerkennenden und anzuwendenden Arbeitsrechts oder zur kirchenrechtlichen Regelung sonstiger Lebensbereiche wie dem Kauf-, Miet- oder Schadensersatzrecht mit staatlicher Wirkung berechtigt, kann hierin eine Basis für ein besonderes Dienstrecht gesehen werden. Grundrechtlich besteht kein Anspruch auf öffentlich-rechtliche Handlungsformen und auch bei einer von Art. 4 GG isolierten Betrachtung kann die Freiheitsgewährleistung des Art. 137 III WRV kein Zugriffsrecht der Religionsgesellschaften auf originäre Gestaltungsrechte des Staates eröffnen. Dies gilt für die Begründung von öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen ebenso wie für die Disziplinargewalt mit öffentlich-rechtlicher Wirkung. Art. 4 GG/Art. 137 III WRV schützt die privatautonome Anpassung des staatlichen Arbeitsrechts gemäß dem religiösen Selbstverständnis im Lichte der korporativen Religionsfreiheit, geht jedoch nicht darüber hinaus. Wie andere grundgesetzliche Freiheitsgewährleistungen für juristische Personen garantiert auch Art. 137 III WRV keine umfassende staatliche Anerkennung einer korporationsinternen Ordnung im staatlich strukturierten Rechtsverkehr. Eine Interpretation von Art. 137 III WRV als generelle Freihaltung vom Verweis auf das Zivilrecht für die Rechtsgestaltung mit Wirkung für das staatliche Recht würde sowohl dem Charakter der Vorschrift als Freiheitsgarantie widersprechen und stattdessen Religionsgesellschaften eine staatsähnliche Eigenrechtsmacht 127 A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 294 f.; B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 172. 128 Cf. etwa W. Bock, Gesetz, S. 252 ff., insb. 265 m. w. Ν.; Κ Hesse, Grundrechtsbindung, S. 287 (300 ff.) = S. 447 (458 f.); H. Kästner, JuS 1977, 715 ff. = in: P. Mikat (Hrsg.), Kirche und Staat in der neueren Entwicklung, 1980, S. 474 (489); ders., Staatliche Justizhoheit und religiöse Freiheit, 1991, S. 120 ff. 129 Cf. a. H. de Wall, ZevKR 43 (1998), 441 (443 f.).

II. Die Rechtsfolgen des Körperschaftsstatus

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zugestehen wie auch die „Grenzen des allgemeinen Gesetzes" als Schrankenvorbehalt in Art. 137 III WRV unbeachtet lassen. Nämliches gilt für die besonderen Sanktionsmöglichkeiten bei öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen: das Zivilrecht ermöglicht Vertragsbeendigungen und Vertragsstrafen, die korporative Religionsfreiheit echte Kirchenstrafen, nicht jedoch das disziplinarrechtliche Instrumentarium des kirchlichen Dienstrechts. (3) Zwei Gestalten der Dienstherrenfähigkeit? Ein besonderes Problem wirft die Frage auf, ob es sich bei den durch Art. 137 V WRV eröffneten kirchlichen Dienstverhältnissen um einen „öffentlichen Dienst" im Sinne des staatlichen Rechts handelt. Hieran angebunden ist die Problematik, ob bei der Ausgestaltung des kirchlichen öffentlichen Dienstes ein „Typenzwang" besteht, also den Strukturvorgaben für den staatlichen öffentlichen Dienst - etwa aus Art. 33 GG - zu folgen ist. Für beide Fragenkreise sind die Spezifika des Körperschaftsstatus für Religionsgesellschaften, insbesondere seine grundrechtsdienende Funktion, hinreichend zu beachten. 1 3 0 Wie Art. 137 V WRV einen Körperschaftsstatus sui generis begründet, sind auch die damit verbundenen Einzelrechte in ihren Eigenheiten garantiert. Das Dienstverhältnis von Kirchenbeamten läßt sich deshalb wie die Rechtsform als eines sui generis begreifen, für das die Anwendbarkeit verfassungsrechtlicher Dienstrechts vorgaben nicht pauschal bejaht werden kann. Denn wenn auch die Dienstherrenfähigkeit ein originär staatliches Recht ist, daß nur in seiner verfassungsrechtlichen Bindung und Struktur auf die Kirchen übertragen werden kann, bleibt auch im Bereich der kirchlichen Dienstverhältnisse grundsätzlich die Selbstordnungs- und -Verwaltungsgarantie des Art. 137 III WRV unberührt. Schon wegen der hierdurch geschützten religionsbezogenen Personalauswahl kann Art. 33 GG keine pauschale Anwendung auf kirchliche Dienstverhältnisse finden. 131 Die korporativ-religiöse Freiheitsgewährleistung führt dazu, daß es den öffentlich-rechtlich organisierten Religionsgesellschaften frei steht, ihr Beamtenrecht an entsprechende staatliche Vorschriften anzulehnen (§ 135 S. 2 BRRG) oder kraft ihrer Rechtssetzungsgewalt ein gänzlich eigenes Regelungswerk zu erstellen. 132 Freilich verpflichtet auch im Rahmen der durch Art. 137 III und V WRV geschützten Ausgestaltungsfreiheit der Dienstherrenfähigkeit die Schranke des für alle geltenden Gesetzes zu einer angemessenen Berücksichtigung der etwaig kollidierenden, verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter. Insoweit wird man davon auszugehen

130 Cf. insg. BVerwGE 66, 241 (250); BVerwG, NJW 1983, 2582 (2583); BVerfG, NJW 1983, 2569 f.; A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 292 f.; ferner H. Weber, ZevKR 42 (1997), 282 (283). 131 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 137 WRV Rdnr. 239 m. w. N. 132 Damit korrespondiert, daß das BundesbesoldungsG nach § 1 V, das Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung nach dessen § 1 II oder das BeamtenversorgungsG nach dessen § 1 III nicht für öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften und ihre Verbände gilt; ähnliche Bestimmungen enthalten die beamtenrechtlichen Gesetze der Länder (vgl. etwa § 1 II LandesbeamtenG NW).

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

haben, daß die Grundsätze des Berufsbeamtentums ein Niveau des sozialen Interessenausgleichs darstellen, an denen sich auch die öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaften im wesentlichen zu orientieren haben. 133 Modifikationen bedürfen insoweit der Kompensation, Varianzen der funktionalen Äquivalenz.

bb) Organisationsgewalt Mit dem Körperschaftsstatus verbunden ist die sog. Organisationsgewalt, d.i. das Recht zur Bildung, Errichtung, Änderung und Aufhebung öffentlich-rechtlicher Untergliederungen. 134 Art. 137 V 1 WRV garantiert zwar zunächst nur den Bestand des Status quo an korporierten Organisationen. Doch ist darüber hinaus die Fähigkeit zur Neuorganisation von Gemeinden, Landeskirchen, Diözesen sowie deren Untergliederungen und Zusammenschlüssen überlieferter, mit dem Körperschaftsstatus verbundener Rechtsbestand, der durch Art. 137 V WRV prolongiert wird. Problematisch erscheint heute lediglich, inwieweit die Organisationsgewalt auch die Errichtung neuer Formen öffentlich-rechtsfähiger Gliederungen ermöglicht, die 1919 bzw. 1949 nicht vorgesehen waren, etwa im Bereich der Diakonie und der kirchlichen Bildungsarbeit. Hier gilt es wiederum die Amalgamierung des Körperschaftsrechts mit der korporativen Religionsfreiheit zu beachten, deren Effektivierung wesentlicher Zweck des Körperschaftsstatus ist. Im Lichte der durch Art. 4 I, II GG/Art. 137 II und III WRV geschützten Organisationsfreiheit der Religionsgesellschaften als Vereinigungsfreiheit und Freiheit zur innerorganisatorischen Strukturierung ist die durch Art. 137 V WRV begründete Organisationsgewalt extensiv auszulegen. Deshalb können öffentlich-rechtlich organisierte Religionsgesellschaften nicht darauf verwiesen werden, nur klassische Untergliederungen in öffentlich-rechtlicher Form zu begründen. Aus der grundrechtsdienenden Funktion des Art. 137 V WRV ergibt sich Raum für Neustrukturierungen und Anpassungen innerhalb der öffentlich-rechtlichen Organisationsform. 135 cc) Rechtssetzungsgewalt Dienstherrenfähigkeit und Organisationsgewalt, aber auch das Recht auf Kirchensteuererhebung bedingen die Befugnis der korporierten Religionsgesellschaft, abstrakte und einzelfallbezogene Regelungen mit öffentlich-rechtlicher Wirkung zu treffen. Dies ermöglicht die mit der öffentlich-rechtlichen Rechtsform verbun133 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 137 WRV Rdnr. 242 m. w. N. 134 p, Kirchhof, HdbStKirchR 2 I, S. 651 (670); A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 295; B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 173; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.) GG, Art. 137 WRV Rdnr. 91; a.A. G. Held, S. 66 ff., insb. 68. '35 A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 296 ff. m. w. N.

II. Die Rechtsfolgen des Körperschaftsstatus

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dene Rechtssetzungsgewalt. Sie beinhaltet die Kompetenz, über den durch Art. 4 I, II GG/Art. 137 III WRV geschützten Rahmen der normativen Strukturierung des religionsgesellschaftlichen Binnenbereichs (Kirchenrecht) hinaus religionsgesellschaftlichen Rechtssätzen Außenwirkung zukommen zu lassen, so daß sie gegenüber jedermann gelten und von den staatlichen Instanzen in dieser Weise zu beachten sind. Dadurch wird den öffentlich-rechtlichen Körperschaften nach Art. 137 V WRV die Möglichkeit der Ausgestaltung einzelner Korporationsrechte gemäß dem religiösen Selbstverständnis eröffnet, was wiederum von der Verzahnung von Art. 4 I, II GG/Art. 137 III WRV und Art. 137 V WRV zeugt. In der Sache ist die Rechtssetzungsgewalt für öffentlich-rechtlich korporierte Religionsgemeinschaften durch Art. 137 I WRV und die korporative Religionsfreiheit geradezu geboten, da andernfalls die detaillierte Ausgestaltung des Kirchensteuerrechts oder des kirchlichen Dienstrechts durch den Staat erfolgen müßte, was dem freiheitsdienenden Charakter des Status widerspräche und eine indirekte Staatsaufsicht begründete. Zudem sind auch bei Vereinigungen des Privatrechts gewisse Rechtssetzungsmöglichkeiten im Rahmen der Privatautonomie anerkannt. Demgegenüber sollten die nach Art. 137 V WRV organisierten Religionsgesellschaften nicht schlechter gestellt sein. 136

dd) Parochialrecht Die historische Situierung der verfassungsunmittelbaren Korporationsrechte läßt sich besonders am Parochialrecht (mlat. parochia = Kirchspiel, Amtsbezirk eines Pfarrers) ablesen, welches Ausdruck des überkommenen religionsrechtlichen Territorialprinzips ist. 1 3 7 Macht die Kirche von diesem Recht Gebrauch, werden alle Angehörigen der jeweiligen Konfession in einem Gebiet ipso iure als Mitglieder in Anspruch genommen - „qui est in parochia, est de parochia". 138 Durch den Wohnsitz bestimmt sich im Parochialsystem die zuständige (geistliche) Gemeinde. Ferner gewährleistet es im Falle des Zuzugs die automatische Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft auch für den staatlichen Rechtskreis. Signifikante Effekte zeitigt das Parochialrecht bei der Kirchensteuerpflicht als der in der Volkskirche markantesten Mitgliedschaftsverpflichtung. Das Parochialrecht bildet ein öffentliches Sonderrecht der nach Art. 137 V WRV organisierten Religionsgesellschaften; entsprechende Rechtsfolgen ließen sich auch nicht durch zivilrechtliche Mitgliedschaftsvereinbarungen zwischen zwei Vereinigungen erreichen. Etwa wird man als Mitglied im X e.V. in der Stadt A nicht qua Wohnsitzwechsel nach Β ohne weitere Willenserklärung Mitglied im Ζ e.V.

136 Cf. insg. M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.) GG, Art. 137 WRV Rdnr. 91. 137 B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 177. 138 O. Friedrich, Einführung in das Kirchenrecht, 1961, S. 281.

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

ee) Öffentliches Sachenrecht Mit dem Körperschaftsstatus nach Art. 137 V WRV geht schließlich verfassungsunmittelbar das Recht einher, Vermögensgegenstände zu öffentlichen Sachen „erklären" zu können. 139 Dadurch erfahren sie eine spezifische Absicherung des bezweckten religionsdienenden Gebrauchs gegenüber jedermann. Der Ursprung dieses Rechtes ist in alten gemein- und partikularrechtlichen Regelungen zu suchen, die die Möglichkeit eines besonderen öffentlich-rechtlichen Schutzes von Kultgegenständen durch Widmung vorsahen (sog. res sacrae). 140 Diese einfachrechtlichen Grundlagen würden grundsätzlich nach Art. 123 I GG fortbestehen können, wenn nicht anderweitige verfassungsrechtliche Bedenken bestünden. Solche sind unter dem Gesichtspunkt der Parität auszumachen141 als auch - wie oben beschrieben - unter dem Gesichtspunkt des Gesetzesvorbehaltes. Dabei ist bezüglich der Garantie religiöser Gleichheit zu beachten, daß eine gewisse Differenzierung nach Rechtsformen als Ausdruck freiheitlicher Gleichheit in offener Vielfalt verfassungsrechtlich zulässig ist (s. o. 3. Kap. III. c.). Entscheidend ist deshalb, daß die alten gemeinrechtlichen Bestimmungen den Anforderungen des Vorbehaltes eines Parlamentsgesetzes für Beleihungen nicht genügt. 142 Allerdings herrschte vor 1919 Einvernehmen, daß die Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts Gottesdienste als öffentliche Angelegenheiten veranstalteten und deshalb auch die dabei benötigten Gegenstände zu öffentlichen Sachen widmen könnten. 143 Dieses Recht sollte als Kernrecht der öffentlich-rechtlichen Korporationen unter den veränderten normativen Bedingungen der Weimarer und der Bonner Verfassung modifiziert bestehen bleiben. Die Angelegenheiten der Religionsgesellschaften sind nunmehr nicht mehr als staatliche zu bewerten; das Recht auf ein öffentliches Sachenrecht der Kirchen und korporierten Religionsgemeinschaften ist - wie die anderen einzelnen Körperschaftsrechte - in Zusammenhang mit den religionsfreiheitlichen Garantien des Grundgesetzes zu sehen. Die Einbeziehung von kirchlichen Vermögensgegenständen in das öffentliche Sachenrecht dient heute dem materiellen Substrat religiöser Freiheiten. Dabei geht der durch Art. 137 V WRV gewährte öffentlich-rechtliche Sachenstatus sowohl über den in Art. 4 I, II GG begründeten Mindeststandard rechtlichen Schutzes von der religiösen Praxis gewidmeten Gegenständen als ech139 w Weber, ZevKR 11 (1964/65), 111 (114, 119); D. Schütz, HdbStKirchR 2 I, S. 4 (9) m. w. N. 140 Im Überblick R. Mainusch, Sachen, S. 9 ff.; ferner D. Schütz, HdbStKirchR 2 I, S. 4 (9); L. Renck, JZ 2001, 375 (377) m. w. N. 141 R. Mainusch, ZevKR 38 (1993), 26 (31 ff.). 142 Siehe oben II. 1. c). Dieses Verdikt gilt auch, wenn man diese Rechte als „andere Rechte" im Sinne des Art. 138 II WRV versteht - wie A. Hense, Glockenläuten und Uhrenschlag, 1998, S. 295 - , da Art. 138 II WRV diese Rechte nicht erweitert, der inhärente Vorbehalt der Verfassungsmäßigkeit im übrigen also unberührt bleibt. 143 R. Mainusch, ZevKR 38 (1993), 26 (36) m. w. N.

II. Die Rechtsfolgen des Körperschaftsstatus

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ten res sacrae als auch über den allgemeinen Schutz des Art. 138 WRV (s. o. 3. Kap. V. 1.) hinaus. 144 Das öffentliche Sachenrecht für Religionsgemeinschaften zeichnet sich ebenso wie das öffentliche Sachenrecht im generellen 145 dadurch aus, daß mittels eines entsprechenden Widmungsakts eine Sache mit einer öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit belegt wird. Die privatrechtlichen Rechtsverhältnisse werden also nicht aufgehoben, sondern lediglich öffentlich-rechtlich überlagert. Die konstitutive Widmung muß hinreichend bestimmt durch die korporierte Religionsgemeinschaft erfolgen. Sie ist - ähnlich wie das kirchliche Dienst- und Amtsrecht - von doppeltem Charakter: innerkirchlich und mit der Wirkung bestimmter Rechtsfolgen im weltlichen Bereich gegen jedermann. Eine Entwidmung kann nicht staatlicherseits, sondern nur durch die betroffene Religionsgemeinschaft erfolgen. Auf eine Entwidmung können staatlicherseits jedoch Ansprüche bestehen. Nach den Vorstellungen des Weimarer Verfassungsgebers sollten nur unmittelbar dem Kultus dienende Gegenstände einem öffentlichen sachenrechtlichen Regime unterstellt werden können. 146 Aus verfassungsdogmatischen Gründen ist diese Begrenzung überholt. Maßgeblich für die religiöse Sensibilität des gemeinschaftlichen Eigentums kann wie bei Art. 138 II WRV nur das Selbstverständnis der korporierten Religionsgemeinschaft sein; eine Erweiterung folgt auch dem Sinn und Zweck der Norm, das für das religiöse Wirken besonders bedeutsame materielle Substrat zu schützen und damit die Freiheit religiöser Betätigung zu flankieren. Deshalb ist es öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften nicht verwehrt, auch rein dem Administrativgebrauch dienende Gegenstände zur Sicherung der organisatorischen Bedingungen von Religionsfreiheit in den besonderen Sachenschutz einzubeziehen.147

ff) Insolvenzunfähigkeit? Schließlich gilt es die Frage aufzuwerfen, ob öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften nicht qua Rechtsform generell konkurs- bzw. inzwischen insolvenzunfähig sind. An einer eine derartige Rechtsfolge explizit anordnenden Bestimmung des Grundgesetzes mangelt es. Auch sehen weder die Konkursordnung noch die heute geltende Insolvenzordnung einen expliziten Ausnahmetatbestand für diese Personengruppe vor; § 12 InsO beschränkt sich auf den Bund, die Länder sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht eines Landes unterstehen, worunter nach Art. 137 V WRV organisierte Gesellschaften gerade nicht zu zählen sind. Man könnte deshalb - arg. e contrario - die InsO auf öffentlich-recht144 Β. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 174. 145 Cf. D. Ehlers, NWVB1. 1993, 327 (328) m. w. Ν. 146 R. Mainusch, Sachen, S. 13 ff. 147 So R. Mainusch, ZevKR 38 (1993), 26 (51 f.).

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

liehe Religionsgemeinschaften für voll anwendbar halten. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in einer Entscheidung vom 13. Dezember 1983 judiziert, daß die Kirchen und ihre Organisationen, soweit sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind, konkursunfähig seien; dies folge unmittelbar aus dem Grundgesetz. 148 Auf den ersten Blick scheint deshalb die Insolvenzunfähigkeit öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften ein mit dem Körperschaftsstatus unmittelbar verbundenes Folgerecht zu sein. Analysiert man die Gründe der Entscheidung aber genauer, ist festzustellen, daß seitens des Bundesverfassungsgerichts maßgeblich nicht auf den Rechtsstatus als solchem, sondern auf die Garantie freier Selbstordnung und -Verwaltung nach Art. 137 III WRV abgestellt wird und der Körperschaftsstatus wie die damit einhergehenden Rechte nur im Kontext der Abwägungsentscheidung, ob das einfachgesetzliche Konkursrecht ein „für alle geltendes Gesetz" i. S. d. Schrankenregelung des Art. 137 III WRV darstellt, Beachtung fand. Dieser dogmatische Ansatz überzeugt. Eine Insolvenzunfähigkeit folgt demnach nicht, wie die Dienstherrenfähigkeit, das Parochialrecht u.s.w. dem Rechtsstatus der Körperschaft des öffentlichen Rechts selbst, sondern findet ihren zentralen verfassungsrechtlichen Anhalt in Art. 4 I, II GG / 137 III WRV. Deshalb besteht im Ausgangspunkt zwischen privatund öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften in dieser Frage kein Unterschied. Ein Insolvenzverfahren würde durch die Bestellung und die Aufgaben eines Insolvenzverwalters (§§ 56 ff. InsO), durch den Verlust des Verwaltungs- und Verfügungsrechts, durch die Verwertung der Insolvenzmasse als Entzug des materiellen Substrats für das religiöse Wirken (§§ 80 ff. InsO) oder etwa durch eine mögliche Postsperre (§ 99 InsO) in die Selbstordnung und -Verwaltung einer Religionsgemeinschaft in so gravierender Weise eingreifen, daß in Frage steht, ob die InsO insoweit als ein für alle geltendes Gesetz i. S. d. Art. 137 III WRV angesehen werden kann. Dies ist eine Frage der Abwägung, in die verschiedene Gesichtspunkte einzustellen sind: die legitimen Gläubigerinteressen auf Erfüllung rechtsverbindlicher Forderungen (grundrechtlich ggf. erfaßt von Art. 2 I, 12 und 14 GG), das staatliche Interesse an einer geregelten und „sachgerechten Verteilung des noch vorhandenen Vermögens bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Gemeinschuldners" 149 , die korporative Religionsfreiheit und schließlich für öffentlich-rechtlich organisierte Religionsgesellschaften auch die mit dem Status verbundene besondere Finanzierungsmöglichkeit der Kirchensteuer nach Art. 137 VI WRV sowie die „durch die Zahl der Mitglieder und die Verfassung" gewährleistete Dauerhaftigkeit (Art. 137 V 2 WRV) und die damit einhergehende langfristige Tilgungspotenz. Zu beachten ist dabei auch, daß die Durchführung eines Insolvenzverfahrens den Wirkungen eines Verbotes gleichkommt. Dieses unterliegt aber bei den altkorporierten Religionsgemeinschaften besonders hoher Anforderungen (s. u. V. 4.). 148 BVerfGE 66, 1 (Ls. und 18 ff.). 149 BVerfGE 66, 1 (22)

II. Die Rechtsfolgen des Körperschaftsstatus

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Alle aufgeführten Komponenten zusammengenommen führen letztlich dazu, daß sich die Anwendung der InsO auf öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften als unverhältnismäßig darstellen würde. 150 In den Worten des Bundesverfassungsgerichts: „Um einer Kirche ... auch im Konkurs die Möglichkeit zu erhalten, dem ihrem Status und ihrem Selbstverständnis entsprechenden Gesamtauftrag nachzukommen (§ 882a ZPO), müßten ihr von vornherein weite Teile ihres Vermögens belassen werden, und zwar nicht nur die Gegenstände, die sie zur Erfüllung ihres Auftrages im engeren Sinne (res sacrae) benötigt, sondern auch alle Mittel, die für ihre kirchliche Tätigkeit, für ihre Sendung insgesamt unentbehrlich sind (res circa sacrae). Es verbliebe bei einer Vielzahl kirchlicher Körperschaften nur ein verhältnismäßig kleiner Teil kirchlichen Vermögens, der für die Verteilung an Gläubigern zur Verfügung stünde, häufig aber nicht einmal die Massekosten dekken würde. Ein solches Konkursverfahren dürfte weder dem staatlichen Interesse noch dem der Gläubiger entsprechen, die, sollte das Konkursverfahren ein Erlöschen der kirchlichen Körperschaft tatsächlich zur Folge haben, auch jede Zugriffsmöglichkeit auf künftiges Vermögen, auf künftige Steuereinnahmen, verlören." 151

Hält man Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts aus solchen verfassungsrechtlichen Erwägungen heraus für insolvenzunfähig, heißt dies nicht, die Gläubiger schutzlos zu stellen. Denn den Gläubigerinteressen ist insoweit Genüge getan, als der sonstige zivilprozessuale Gerichtsschutz einschließlich der gesetzlich vorgesehenen Vollstreckungsmöglichkeiten zu Gebote steht. Der verfassungsrechtlichen Gewährleistung korporativer Religionsfreiheit wird dann durch die Klausel in § 882 a II ZPO (keine Vollstreckung, wenn die Sache für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben unentbehrlich ist oder deren Veräußerung ein öffentliches Interesse entgegensteht) entsprochen.

2. Mittelbare Folgerechte Neben den benannten Kernrechten sind mit dem Rechtsstatus nach Art. 137 V WRV eine Reihe weiterer, einfachgesetzlicher Rechte verbunden, die an den Körperschaftsstatus anknüpfen. Diese werden üblicherweise zusammenfassend „Privilegienbündel" genannt und bestehen aus Bundes- wie Ländernormen. 152 Sie stellen 150 Cf. BVerfGE 66, 1 (21 ff.): 151 BVerfGE 66 1 (23). 152 BVerfGE 102, 370 (371 f.); A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 307 ff.; R Kirchhhof, HdbStKirchR 2 I, S. 651 (674 f.); H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 125 ff.; D. Radtke, NdsVwBl. 1999, 32 (35 ff.); Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Vorteile aus der Anerkennung einer Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts, Bonn 1996; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 95; aktuell und umfangreich zuletzt E. D. Bohl, S. 58 ff., der ich für die Verfügungstellung der Arbeit des Wissenschaftlichen Dienstes herzlich danke. Ferner bietet die von G. Robbers in Zusammenarbeit mit A. Günzel und M. Beyer zusammengestellte Sammlung „Religionsrechtliche Bestimmungen in der Bundesrepublik Deutschland", im Internet eingestellt

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

die vom Weimarer Verfassungsgeber vorausgesetzte weitere einfachrechtliche Ausgestaltung des „Mantelbegriffs" Körperschaft des öffentlichen Rechts für Religionsgesellschaften dar (s. o. 2. Kap. III.). Teilweise handelt es sich um Rechtsvergünstigungen, an denen korporierte Religionsgesellschaften wie andere Körperschaften des öffentlichen Rechts partizipieren, die einen eher mittelbaren Religionsbezug aufweisen und vom früheren Parallellauf der kirchlichen und staatlichen Körperschaften und ihrer Rechte zeugen. Teilweise hat sich aber auch ein besonderes rechtsformbezogenes Religionsrecht ausgebildet. Beschreibt man den Status von Religionsgesellschaften unter dem Grundgesetz als einen der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Trennung und greift diese Umschreibung für eine „wenn nicht systematische, dann doch topische oder teleologische Ordnung dieses Ensembles von einzelnen Positionen" auf 1 5 3 , so dienen die meisten Rechte aus dem Privilegienbündel in besonderer Weise der freien Entfaltung von öffentlich korporierten Religionsgesellschaften sowie ihrem öffentlichen Wirken und ihrer öffentlichen Wirkung. Beide Aspekte gehen häufig Hand in Hand, so daß eine Differenzierung zwischen beiden Dimensionen teilweise schwierig erscheint, doch ist bei den meisten Regelungen zumindest auszumachen, ob eher die freiheitsstärkende Dimension oder das Angebot der Öffentlichkeit im Vordergrund steht. Der Trennungsgedanke steht dagegen - soweit er nicht auch den aufgeführten Freiheitseffektivierungen inhärent ist - zumeist nach. Er läßt sich aber ζ. B. den zahlreichen Klauseln entnehmen, die festlegen, daß ein verwaltungs- oder dienstrechtliches Regelungswerk nicht auf öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften Anwendung findet, so in § 2 VwVfG oder in § 135 S. 1 BRRG, § IV BundesbesoldungsG, § 1 II des Gesetzes über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung, § 6 des Gesetzes über vermögenswirksame Leistungen für Beamte, Richter, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit oder § 1 III BeamtenversorgungsG. Das Prinzip der Gleichheit prägt das Privilegienbündel dadurch, daß nahezu immer alle öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften in gleicher Weise berechtigt sind und dieser Rechtsstatus zugleich allen Religionsgesellschaften offensteht - Art. 137 V 2 WRV - hierzu insb. unten IV.

a) Freiheitsaspekte

des Privilegienbündels

aa) Freistellung von staatlicher Kontrolle Die freiheitsdienende Komponente des Körperschaftsstatus wird zunächst unterstrichen durch Klauseln, die eine Freistellung von staatlicher Kontrolle bewirken. unter http://www.uni-trier/ievr.de; login: 01. 08. 01, einen profunden Überblick, in dem jedoch nicht zwischen Körperschaftsrechten und sonstigem Religionsrecht unterschieden wird. •53 A. Hollerbach, Essener Gespräche 1 (1969), S. 46 (59).

II. Die Rechtsfolgen des Körperschaftsstatus

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Grundsätzlich führt bereits Art. 137 III WRV zu einer weitgehenden Abwesenheit staatlicher Interventionen in das Ordnungs- und Verwaltungsgebaren jeglicher Religionsgemeinschaften - unabhängig von der jeweils gewählten Rechtsform. Doch der Körperschaftsstatus bewirkt insbesondere in manchen vermögenssensiblen Bereichen ein freiheitseffektives Mehr: So bedarf die Teilung eines Grundstücks nach § 19 IV Nr. 4 BauGB keine Genehmigung, wenn eine öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft als Eigentümerin oder Erwerberin involviert ist; eine Genehmigungspflicht entfällt ferner bei einem Grundstückserwerb durch eine korporierte Religionsgemeinschaft nach § 4 Nr. 2 GrundstücksverkehrsG, was die freie Verwaltung des Immobiliarvermögens öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften stärkt. In gleicher Perspektive ist auch § 26 Nr. 2 b) BauGB zu sehen, der das gesetzliche Vorkaufsrecht der (staatlichen) Gemeinde ausschließt, wenn ein Grundstück durch eine Kirche oder sonstige Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechts für Zwecke des Gottesdienstes oder der Seelsorge gekauft wird. Finanzbezogener Kontroll verzieht geht aber über den Immobiliensektor hinaus: § 55 HaushaltsgrundsätzeG entzieht das Finanzgebaren öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften, die staatliche Zuschüsse erhalten haben, der Haushalts- und Wirtschaftsführungskontrolle durch den Bundesrechnungshof. 154 § 19 I des Gesetzes über den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung führt zu einer Exemtion der nach Art. 137 V WRV organisierten Religionsgesellschaften von staatlicher Kontrolle, wenn die Veräußerung von wertvollem Kultur- und Archivgut kircheneigen besonders überwacht wird. Gleichzeitig bleibt aber nach § 19 II die Möglichkeit bestehen, kirchliches Eigentum zur Aufnahme in das Verzeichnis national wertvoller Kulturgüter anzumelden und damit dem gesetzlichen Schutz zu unterstellen. bb) Freistellungen im Arbeits- und Sozialrecht Freistellungen als Freiheitssicherungen kennt auch das Arbeits- und Sozialrecht, das dabei einerseits die Dienstherrenfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften widerspiegelt, andererseits mit besonderen Entbindungen von gesetzlichen Pflichten darüber hinausgeht. So sieht § 27 I Nr. 1 SGB III eine Freistellung der Kirchenbeamten als echte Beamte einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft und darüber hinaus § 27 I Nr. 2 SGB III der formal nicht im Beamtenstatus rangierenden, aber gleichwertig versorgten Geistlichen öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften von der Arbeitslosenversicherung vor. 155 § 6 I Nr. 2 und 4 154 Zum Gesamtkomplex „staatliche Rechnungsprüfung gegenüber kirchlichen Einrichtungen" auch R. Mainusch, NVwZ 1994, 736 ff.; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), Art. 137 WRV Rdnr. 51 m. w. N. 155 Hintergrund der Sonderklausel für Geistliche ist, daß es dem religiösen Selbstverständnis mancher Religionsgesellschaften entspricht, mit diesen oder einem Teil dieser kein echtes Beamtenverhältnis zu begründen. Voraussetzung für die Versicherungsfreiheit ist dann aber die Gewährleistung einer den Sozialversicherungen gleichwertigen Risikovorsorge durch die

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

SGB V befreit diesen Personenkreis von der Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung und § 5 I Nr. 2 SGB V I von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung. Arbeitsrechtliche Freiräume schaffen etwa § 7 IV ArbeitszeitG und § 21a III JugendarbeitsschutzG, die vom Gesetz abweichende Regelungen auf eigenrechtsetzendem oder „Drittem" Weg (s. o. 3. Kap. I. 3. e.) ermöglichen. Nach § 7 II Nr. 2 SchwbG sind Geistliche öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften bei der Bestimmung der Beschäftigten i.S. des Gesetzes nicht mitzuzählen, was den durch das Gesetz intendierten indirekten Druck auf die Personalauswahl (zugunsten der Berücksichtigung Schwerbehinderter) für den Bereich der Religionsdiener aufhebt. § 84a BerufsbildungsG ermöglicht, die für die Berufsbildung zuständige Stelle seitens der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft selbst zu bestimmen. Der Freiheit der Ämterbesetzung (Art. 137 III 2 WRV) wird durch § 13 II S. 2 WPflG besonders gedient, der eine Unabkömmlichstellung von Bediensteten öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften durch diese vorsieht. Gleiches gilt für den Zivildienst nach § 16 II S. 2 ZDG. Das sog. Geistlichenprivileg dagegen wird unabhängig von der Rechtsform gewährt, § 11 I Nr. 3 WPflG, § 10 I ZDG. cc) Freistellungen für Staatsbeamte Nicht nur für Mitarbeiter der öffentlichen Religionsgesellschaften werden besondere freiheitsdienende Regelungen vorgehalten, sondern auch für die des staatlichen öffentlichen Dienstes, die Angehörige der Kirchen sind: Bundesbeamte können für die Teilnahme an Sitzungen der Verwaltungsgremien der korporierten Religionsgesellschaften nach § 7 Nr. 7 SonderurlaubsVO freigestellt werden. Nebentätigkeiten dieses Personenkreises für eine öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaft sind genehmigungsfrei, § 2 I BundesnebentätigkeitsVO.156 dd) Freistellung im Datenschutz Freiheit durch Freistellung öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften bewirkt ferner das Datenschutzrecht. Allerdings ergibt sich dies im BDSG nicht durch eine explizite Ausnahmeklausel - wie sie etwa in der europäischen Datenschutzrichtlinie für die religionsgesellschaftsinterne Datenverarbeitung enthalten ist, 1 5 7 sondern aus der Systematik des Gesetzes.158 An diesem Befund hat sich dem Beamtenrecht entstammenden Grundsätze der Fortzahlung der Bezüge und Beihilfen bei Krankheit, Alter etc. 156 E. D. Bohl, S. 60. 157 RL 95 /46 / EG, ABl. L 281 vom 23. 11. 1995, 31 ff. - Art. 8 II d); siehe nun auch VO 45/2001, ABl. L 008 vom 12. 01. 2001, 1 ff. - Art. 10 II e). Hierzu unten 5. Kap. III. 2.). 158 Siehe insg. A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 341 ff.; D. Lorenz, HdbStKirchR 2 I, S. 717 (734 ff.) m. w. N. auch zur Gegenansicht; a. Α. Hollerbach, HStR VI, § 139 Rdnr. 40.

II. Die Rechtsfolgen des Körperschaftsstatus

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durch die Novellierung des BDSG 2001 nichts geändert. 159 Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts sind weder öffentliche noch nicht-öffentliche Stellen im Sinne des § 2 BDSG und werden deshalb bezüglich der innerorganisatorischen Datenverarbeitung bewußt aus dem Regelungsbereich des BDSG herausgenommen. Der Datenschutz in den betroffenen Religionsgemeinschaften wird vielmehr durch interne Regelungen sichergestellt, die schon deshalb erfolgen, weil sie gesetzliche Voraussetzung für den kirchensteuer- und mitgliedschaftsrechtlich bedingten Datentransfers durch Dritte an die Kirchen sind. Auf diese Weise hat das BDSG eine intelligente Regulierung geschaffen, die einerseits den verfassungsrechtlich geschützten Freiheitsinteressen der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften entspricht, andererseits den grundrechtlich bewehrten Datenschutzbelangen der Bürger 160 genügt. Europarechtlich war diese Regelung zwischenzeitlich unter Druck geraten. Dies galt insbesondere für die Übermittlung religionsbezogener Daten durch staatliche Stellen an öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften. Man kann sogar sagen, daß diese Problematik überhaupt erst bewußtseinsbildend für die europarechtliche Dimension des Staatskirchenrechts wirkte (s. u. 5. Kap. V. 6. b.). Aber auch die Exemtion öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften als solche stand mit der Novellierung 2001 in Frage. Schließlich kennt die europäische Datenschutzrichtlinie, die durch die Neufassung umgesetzt werden sollte, keine Unterscheidung zwischen einem öffentlichen und einem nicht-öffentlichen Bereich. Jedoch sind die Mitgliedstaaten nicht gehindert, solche Differenzierungen einzuführen, wenn sie die Anforderungen an eine hinreichende Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben nicht unterlaufen. Solches ist bei der Herausnahme der nach Art. 137 V WRV organisierten Religionsgemeinschaften jedoch nicht zu besorgen, da durch indirekte Anreize ein effektiver kirchenrechtlicher Datenschutz gesichert ist und dieser zugleich grundsätzlich eine organisationsspezifische Umsetzung der Richtlinie darstellen kann (infra 5. Kap. V. 4. c.). Voraussetzung ist dafür freilich nunmehr, daß sich die Kirchen ihrerseits an die Richtlinienvorgaben binden. Exkurs: BDSG und die Kirchen - ein Lehrstück über den praktisch-konkordären Ausgleich von korporativer Religionsfreiheit und informationellem Selbstbestimmungsrecht durch die Einbeziehung des Körperschaftsstatus. Eine unmittelbare Bindung der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften an ein verfassungsrechtliches Datenschutzprinzip besteht mangels obligatorischer Grundrechtsbindung nicht; 161 die Pflicht zum Erlaß eines kircheninternen Datenschutzrechts ist mithin nicht schon qua öffentlich-rechtlichem Rechtsstatus verfassungsrechtlich vorgegeben. Ein Verfassungsprinzip „Datenschutz" ist deshalb für die Kirchen eigentlich nur auf dem Wege der Drittwirkung der Grundrechte mittels interpretati ver Berücksichtigung bei General159

A. Ziekow, Datenschutz und evangelisches Kirchenrecht, 2002, S. 247 ff. m. w. N. 160 Grundlegend BVerfGE 65, 1 (44 ff.). 161 So aber A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 342; D. Lorenz, HdbStKirchR 2 I, S. 717 (735); ders., Essener Gespräche 15 (1981), S. 90 ff.; W. Schatzschneider, Kirchenautonomie und Datenschutzrecht, 1984, S. 24 ff.

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

klausein des einfachen Rechts von Belang. Diese mittelbare Einwirkung des Verfassungsrechts auf rechtliche Vorgaben für die Datenverarbeitung durch nichtstaatliche Organisationen besteht jedoch bei öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften nicht, da sie durch die Legaldefinitionen in § 2 BDSG und den entsprechenden Landesbestimmungen von den bestehenden einfachgesetzlichen Regelungen ausgenommen sind. Eine Bindung an die grundgesetzlichen Vorgaben zum Datenschutz ist bei öffentlich korporierten Religionsgesellschaften allerdings dort gegeben, wo Datentransfers im Kontext echter Beleihungen erfolgen. Dies ist einerseits im Mitgliedschaftsbereich durch das Parochialrecht, andererseits im Kirchensteuerwesen durch Art. 137 V I WRV der Fall. Genau an diese beiden Komplexe knüpft der Gesetzgeber nun mit der gesetzlichen Bedingung organisationsinterner „ausreichender Datenschutzmaßnahmen" der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften für den Datentransfer in § 15 IV BDSG, § 19 III MelderechtsrahmenG sowie in den landesrechtlichen Melde- und Datenschutzgesetzen an. 1 6 2 Dritte dürfen öffentlichrechtlichen Religionsgemeinschaften nur dann Daten übermitteln, wenn diese hinreichende eigene Vorkehrungen für einen sensiblen, datenschützenden Umgang mit dem von dem Dritten gewonnenen Wissen getroffen haben. Die angesprochenen Religionsgemeinschaften haben sich dieser gesetzgeberischen Bedingung eines effektiven internen Datenschutzrechts wie der damit verbundenen Erwartung eines umfassenden kircheneigenen Datenschutzes nicht entzogen, wie die entsprechenden kirchenrechtlichen Kodifikationen belegen. Der Regelungskomplex zeigt besonders anschaulich, wie die qua Körperschaftsstatus erfolgende Beleihung und die damit einhergehende Grundrechtsbindung (hier: an das Recht auf informationelle Selbstbestimmung) mit der Garantie der freien Selbstordnung und -Verwaltung, die auch den kircheneigenen Umgang mit Daten erfaßt, amalgamiert (s. ο. I. 5.). Dieses Ineinandergreifen von Kirchenfreiheit und Körperschaftsstatus auch im Bereich der Beleihung berücksichtigt der Gesetzgeber, wenn er sich detaillierter Vorgaben für den kirchlichen Datenschutz bei dem Transfer staatlicher Melde- und Steuerdaten enthalten und statt dessen mit der Voraussetzung „ausreichender Datenschutzmaßnahmen" durch die Religionsgesellschaft einen geradezu lehrbuchhaften praktisch-konkordären Ausgleich der involvierten, verfassungsrechtlich geschützten Interessen zustandegebracht hat. Er reguliert den Binnenbereich der Religionsgesellschaft nicht selbst, arrangiert die Bestimmungen zugleich jedoch so, daß ein angemessener Schutz sichergestellt ist. Dadurch sind die widerstreitenden grundgesetzlichen Vorgaben für den kirchlichen Datenschutz bestmöglich, also in schutzeffektiver wie freiheitsschonender Weise, in Ansatz gebracht. Streitig ist dabei die Reichweite dieser Exemtion, genauer: ob auch die privatrechtlich organisierten Satelliten einer öffentlich korporierten Religionsgemeinschaft vom Datenschutzregiment des BDSG ausgenommen sind. 163 Ausgangspunkt für die Beantwortung 162 Die gleiche Klausel findet sich in § 2 II EGGVG, der im Zusammenhang mit der Übermittlung personenbezogener Daten nach § 141 EGGVG steht. 163 M. Stolleis, ZevKR 23 (1978), 233 (237 ff.) und Τ Hoeren, Kirchen und Datenschutz, 1986, S. 68 f. für die Regelung aus dem Jahre 1977; D. Lorenz, ZevKR 37 (1992), 27 (38 f.); A. Büllesbach, NJW 1991, 2593 (2596); Τ Hoeren, NVwZ 1993, 650 ff. für das 1990er Gesetz; dagegen ζ. B. H.-U. Gallwas, BayVBl. 1980, 423 ff.; G. Lehnguth, DVB1. 1986, 1085 f. zur Rechtslage 1977 und W. Heyde, FS Geiger, 1989, S. 642 ff. zur Regelung 1990; zur Novellierung 2001 D. Lorenz, DVB1. 2001, 428 ff.; A. Ziekow, S. 250 ff.

II. Die Rechtsfolgen des Körperschaftsstatus

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der Frage ist zunächst die Freiheit der Selbstordnung und -Verwaltung (Art. 4 I, II GG/ Art. 137 III WRV), die den öffentlich-rechtlichen Status von Religionsgemeinschaften überdeckt. Die korporative Religionsfreiheit gewährt als Garantie freier Ordnung und Verwaltung der eigenen Angelegenheiten neben der erwähnten Freiheit der eigenen Datenverwaltung auch die Organisationsfreiheit. Diese Freiheit soll durch den Körperschaftsstatus effektiviert, aber nicht eingeengt werden. Deshalb sind auch mittelbar wirkende Entscheidungsfaktoren hinsichtlich der Organisationsformen unter der Perspektive der religiösen Organisationsfreiheit zu berücksichtigen und ggf. interpretatorisch in Ansatz zu bringen. Eine Unterwerfung privatrechtlicher, aber zu einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft gehöriger juristischer Personen unter das staatliche Datenschutzregiment schafft einen Negativanreiz für die Privatrechtsform der Suborganisation und läuft damit mittelbar der Organisationsfreiheit zuwider. Insoweit kann auf die Paralleldiskussion zur Garantie freier Selbstordnung und -Verwaltung für kirchliche Umfeldorganisationen verwiesen werden (etwa im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts - s. o. 3. Kap. II. 1. a. und 3. e.). Eine Erfassung der privatrechtlich organisierten Satelliten nach Art. 137 V WRV korporierter Gesellschaften durch das BDSG und seine landesrechtlichen Pendants wäre auch in der Sache nicht geboten, da gesetzlich ja durch die Bedingung „ausreichender Datenschutzmaßnahmen" als Voraussetzung für die Datenübermittlung durch Dritte an öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften sichergestellt ist, daß den grundlegenden Prinzipen des Datenschutzes innerhalb dieser Organisationen durch interne Regelungen umfassend entsprochen wird. Deshalb waren die Datenschutzgesetze des Bundes und der Länder bis zur Novellierung 2001 unter dem Eindruck des Art. 137 III WRV so auszulegen, daß die Herausnahme der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften sich auch auf die durch das kirchliche Organisations- und Datenschutzrecht erfaßten Umfeldorganisationen erstreckt; das Merkmal der nicht-öffentlichen Stellen (z. B. § 2 IV BDSG) war insoweit also teleologisch zu reduzieren. Ob diese weitreichende Herausnahme religiöser Suborganisationen einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft nach der Neufassung des BDSG 2001 weiterhin angenommen werden kann, ist jedoch zweifelhaft. 164 Denn mit der Novellierung hat der Gesetzgeber in § 28 IX BDSG den Begriff der „religiös ausgerichteten Organisation" eingeführt und damit angezeigt, daß jedenfalls privatrechtliche religiöse Organisationen grundsätzlich dem Datenschutzregime für nicht-öffentliche Stellen unterworfen sind. Freilich ist der bundesdeutsche Gesetzgeber europarechtlich auch hier nicht gehindert, die bisherige Exemtion der Satellitenorganisationen öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften beizubehalten, wenn die Umsetzung der Richtlinienvorgaben anderweitig, d. h. religionsintern erfolgt (hierzu 3. Kap. V. 4. c.). Privatrechtlich organisierte Religionsgesellschaften dagegen unterliegen als nicht-öffentliche Stellen im Sinne des § 2 IV BDSG vollumfänglich dem staatlichen Datenschutzrecht. Diese Bindung findet auch als „für alle geltendes Gesetz" im Lichte des grundrechtlich verankerten, dem Staat als Schutzgut aufgegebenen Datenschutzprinzips ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Eine Freistellung von den staatlichen Datenschutzbestimmungen ist privatrechtlichen Religionsgemeinschaften de lege lata mithin nicht zuzubilligen. 165 Die Differenzierung im Datenschutzrecht zwischen privat- und öffentlich-recht164 A. Ziekow, S. 250 ff. einerseits; D. Lorenz, DVB1. 2001, 428 (431) andererseits. 165 So aber wohl etwa A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 344, der eine Überprüfung im Einzelfall fordert, ohne zu benennen, auf welcher rechtlichen Grundlage und durch Heinig

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

liehen Organisationsformen ist folgerichtig, weil nur korporierte Religionsgemeinschaften durch § 15 IV BDSG etc. zu einer kircheninternen, datenschützenden Regelung angeleitet werden (können). Exkurs Ende.

ee) Freiheit durch Erlaubnis Der Freiheit religiöser Betätigung zuzurechnen ist aber nicht nur die Freistellung, sondern auch die besondere Gestattung von Tätigkeiten, die grundsätzlich der öffentlichen Hand vorbehalten sind. Prominentestes Beispiel hierfür ist die Einräumung der Trägerschaft von Friedhöfen in den landesgesetzlichen Friedhofsund Bestattungsbestimmungen.166

ff) Freiheitssicherung durch das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht Einen besonderen Schutz der Selbstordnung und -Verwaltung von öffentlichrechtlichen Religionsgemeinschaften und damit ihrer Freiheitlichkeit kennt das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht. § 132a StGB schützt deren Amtsbezeichnungen und -kleidungen (Abs. 3), § 126 I Nr. 2 OWiG deren Berufstracht. Schriftstücke und Sachen in amtlicher Verwahrung einer öffentlichen Religionsgesellschaft sind nach § 133 II StGB Tatbestandsmerkmale des Verwahrungsbruchs. Das Wechselspiel von Art. 137 V WRV und Art. 137 III WRV spiegeln auch § 194 III, 230 II StGB wider: danach können Beleidigungen oder Körperverletzungen gegenüber einem Amtsträger einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft auch auf Antrag der aufsichtsführenden Stelle verfolgt werden.

gg) Freiheit durch materielle Vorteile In materieller Hinsicht führen diverse Bestimmungen im Abgabenrecht zu direkten oder indirekten Vorteilen und verbreitern auf diesem Wege die finanzielle Grundlage, das materielle Substrat für die freie religionsausübende Betätigung korporierter Religionsgemeinschaften. 167 Die Regelungen stellen damit eine rechtsformgebundene Subvention dar. Zu nennen wären etwa Befreiungen von der Körperschaftssteuer (§ 5 I Nr. 9 KStG 1999 i.V.m. § 54 I AO), von der Gewerbesteuer (§ 3 Nr. 6 GewStG 1999 i.V.m. § 54 I AO), von der Grundsteuer (§ 3 I Nr. 4 und 5, § 14 Nr. 1 GrStG) und nach Maßgabe der landesrechtlichen Vorschriften von der wen diese erfolgen soll; hierzu auch D. Lorenz, HdbStKirchR 2 I, S. 717 (737 f.); W. Schatzschneider, Kirchenautonomie und Datenschutzrecht, 1984, S. 58 ff. 166 Etwa § 2 des Hessischen Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen. 167 Im Überblick G. Hammer, HdbStKirchR 2 I, S. 1065 (1067 ff.). Zum besonderen religionsverfassungsrechtlichen Schutz dieser Befreiungen als Staatsleistungen und „sonstige Rechte" siehe oben 3. Kap. V. 1.

II. Die Rechtsfolgen des Körperschaftsstatus

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Grunderwerbssteuer, von Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichgesetz, von der Vergnügungssteuer nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen sowie, solange sie erhoben wurde, von der Vermögenssteuer. § 4a I UStG 1999 i.V.m. § 54 I AO regelt die Vergütung von durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften geleistete Umsatzsteuern. Auch im Kosten- und Gebührenrecht bestehen Befreiungen durch landesrechtliche Vorschriften (z. B. § 7 I LandesjustizkostenG B.-W.; § 1 Nr. 1 GerichtskostenbefreiungsG NW), was bundesrechtlich etwa für Gerichtskosten § 2 II GKG ermöglicht. § 133 des Gesetzes über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sieht eine Ermäßigung für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften bei bestimmten Notargebühren vor. Daneben werden bestimmte Finanztransfers Privater an religiöse Körperschaften privilegiert, etwa bei Zuwendungen durch den Verzicht auf Erbschafts- und Schenkungssteuer (§ 13 I Nr. 16 lit. a ErbStG) und durch die Anerkennung der Kirchensteuer und von Zuwendungen an öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften als Sonderausgaben (§ 10 I Nr. 4 EStG; § 10b I EStG i.V.m. § 54 I AO). Doch nicht nur spezielle Abgabenbefreiungen kommen öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften zugute, sondern auch positive finanzielle Förderungen. Etwa kennen die Sparkassengesetze der Länder besondere Körperschaftskredite (cf. § 25 SparkassenG NW), die nach Art. 137 V WRV organisierte Gemeinschaften in Anspruch nehmen können. Ihnen wird ferner über Art. 138 II WRV hinaus ein besonderer Eigentums- und Vermögensschutz gewährt: Einen spezifischen Ausschluß der Enteignung bewirken im Baurecht § 90 II Nr. 2 BauGB, im Recht des Verteidigungswesens § 16 Nr. 1 c) LandbeschaffungsG und § 4 II Nr. 4 BundesleistungsG. Bei der Anwendung des Gesetzes über die Beschränkung von Grundeigentum für die militärische Verteidigung ist auf Einrichtungen und Anstalten, die kirchlichen Zwecken dienen, besondere Rücksicht zu nehmen. Daneben besteht ein erhöhter Vollstreckungsschutz für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften als juristische Personen des öffentlichen Rechts nach § 882 a III ZPO, § 17 VwVG.

b) Öffentlichkeitsaspekte

des Privilegienbündels

Das Angebot der Öffentlichkeit für nach Art. 137 V WRV organisierte Religionsgesellschaften spiegelt sich im Privilegienbündel besonders auf zwei Feldern wider, nämlich im Medienrecht und im Sozialrecht.

aa) Öffentlichkeit sozialen Wirkens Besondere Anerkennung der öffentlichen Wirkung und des öffentlichen Wirkens von Religion erfahren öffentlich-rechtlich korporierte Religionsgesellschaften und ihre Einrichtungen und Verbände zunächst in Bezug auf ihr soziales Wirken. Nach § 75 II SGB VIII sind öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften anerkannte

308

4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

Träger der freien Jugendhilfe. § 10 I, II BSHG begründen eine besondere Anerkennung der eigenen sozialen Aufgabe der „Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts" und verpflichten den Träger der Sozialhilfe zur Zusammenarbeit mit ihnen bei Achtung der religiösen Selbständigkeit in Zielsetzung und Durchführung. Hervorgehobene Berücksichtigung finden öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften ferner bei Vertragsschlüssen mit den Trägern der Sozialversicherung, so etwa in § 132a SGB V, § 75 I S. 2 SGB X I oder § 93 II BSHG. Nach § l i l a S. 1 SGB V können die korporierten Religionsgemeinschaften Rahmenempfehlungen für Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen und nach § 132a S. 1 SGB V zur häuslichen Krankenpflege abgeben, soweit ihnen entsprechende Anbietereinrichtungen zuzuordnen sind. In weiterem Zusammenhang mit diesen Formen des religiös geprägten sozialen Wirkens steht auch der öffentliche Aspekt beratender Tätigkeit, anerkannt etwa durch § 11 II KDVG, der die Vertretung von Kriegsdienstverweigerern in den gesetzlich vorgesehenen Verfahren durch Repräsentanten öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften gestattet.

bb) Öffentlichkeit und Massenmedien Die besondere Öffentlichkeit von Massenmedien wird durch das Privilegienbündel einerseits durch Mitgliedschaften von Vertretern öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften in Aufsichtsgremien erfaßt, andererseits durch sog. Drittsenderechte. 168 Dabei wird zum Teil auf alle öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften Bezug genommen, zum Teil aber auch ein organisationsspezifischer Katalog der berechtigten Korporationen aufgestellt. Zum Komplex „Aufsichtsgremien" sind etwa § 9 II Nr. 8, § 9a I Nr. 8 GjSM zu zählen, die die Beteiligung der Kirchen, der jüdischen Kultusgemeinden (unabhängig von der Rechtsform) sowie anderer öffentlich-rechtlich korporierter Religionsgemeinschaften an der personellen Besetzung des Bundesprüfstelle jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte regeln. Die auf Repräsentation gesellschaftlich relevanter Gruppen zugeschnittenen Beratungs- und Überwachungsgremien des öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Rundfunks sehen dagegen i.d.R. nur eine Beteiligung der evangelischen und katholischen Kirche sowie zumeist der jüdischen Kultusgemeinde vor und kennen keinen generellen Verweis auf öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften. 169 Dies entspricht freilich der gewählten Regelungstechnik in diesen Gesetzen im übrigen; die mitgliedschaftsbestimmenden Kataloge nehmen jeweils auf konkrete juristische Personen Bezug und verweisen nicht pauschal auf „die Gewerkschaften" etc. 1 7 0 Auf Länderebene werden teilweise je nach Besonderhei168 C. Link, HdbStKirchR 2 I, S. 251 (273 ff.; 277 ff.). 169 C. Link, HdbStKirchR 2 I, S. 285 (299 ff.) m. w. N. Nur Vertreter der beiden großen Kirchen sind nach § 6 Nr. 12 FilmförderungsG etwa vorgesehen im Verwaltungsrat der Filmförderanstalt. 170

Zur Verfassungsmäßigkeit einer solchen Regelungstechnik oben 3. Kap. III. 2. und unten VI.

II. Die Rechtsfolgen des Körperschaftsstatus

309

ten des Landes weitere religiöse Gruppierungen in die Bestimmung aufgenommen, so etwa in § 14 II StaatsV SWR die Freikirchen aus Baden-Württemberg. 171 Gleiches gilt für Landesmedienanstalten (§ 65 Nr. 4 LandesmedienanstaltG B.-W. Freikirchen - und § 55 I Nr. 19 LRG Nds. - Humanistische Union). 172 In allen Rundfunkbestimmungen, also sowohl in Bezug auf den öffentlich-rechtlichen wie auch den privatrechtlichen Rundfunk, sind sog. Drittsenderechte für Religionsgesellschaften verankert, wobei teilweise wiederum nur die beiden großen Kirchen - und die Jüdischen Gemeinden - berücksichtigt sind (§ 42 I Rundfunkstaats V; § 8 III WDRG; § 19 IV LRG NW), teilweise eine obligatorische (§ 17 S. 2 Deutsche-Welle-Gesetz; § 9 III StaatsV SWR) oder fakultative (§ 11 III S. 2 ZDF-StaatsV; § 39 I LRG Rh.Pf.) 173 Erweiterung auf andere öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften erfolgt. 174 Mit den Drittsenderechten korrespondiert (teilweise alternativ) 175 die durch die Landesrundfunkgesetze eingeräumte Möglichkeit der Schaffung einer eigenen landesweiten176 oder lokalen 177 Rundfunköffentlichkeit für öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften als Veranstalter von Rundfunk. 178

cc) Sonstige öffentlichkeitsbezogene Bestimmungen Weitere Bestimmungen, die dem Privilegienbündel zuzurechnen sind und bei denen der Öffentlichkeitsaspekt des Wirkens öffentlich-rechtlich korporierter Religionsgesellschaften im Vordergrund stehen, sind weit verstreut zu finden und seien hier allenfalls exemplarisch kurz benannt: So sehen etwa die Sammlungsgesetze der Länder für öffentlich-rechtliche gegenüber privatrechtlich organisierten Religionsgesellschaften eine Erweiterung der zulässigen Räume für Sammlungen vor: ihnen stehen auch Kirch Vorplätze und sonstige der Vereinigung gehörende Grundstücke sowie jegliche Örtlichkeiten eigener religiöser Veranstaltungen zu diesem 171

Für die Mitglieder aus dem Land Rheinland-Pfalz sieht der StaatsV dagegen nur Repräsentanten der Katholischen Bistümer und der Evangelischen Kirchen in RheinlandPfalz vor (§ 14 III StaatsV SWR). 172 c. Link, HdbStKirchR 2 I, S. 285 (300) m.N. in Fn. 73. 1 73 Im Rahmen der vorgesehenen Ermessensentscheidung ist dem Grundsatz der Parität hinreichend Rechnung zu tragen. Ggf. kann eine Ermessensreduktion auf Null vorliegen. 174 Hierzu auch A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 357 f. einerseits und L. Renck, NVwZ 2000, 868 ff. andererseits jeweils m. w. N. 1 75 § 19 IV LRG NW: „wenn diese (die Kirchen und Kultusgemeinden; H.M.H.) nicht als Veranstalter eines landesweiten Rundfunkprogramms zugelassen sind". 1™ Explizit etwa § 6 I Nr. 1 b) LRG Rh.Pf. 1 77 Cf. ζ. Β. § 26 LRG NW, in dem die Evangelische und Katholische Kirche sowie die jüdische Kultusgemeinde als bestimmungsberechtigt für eine Veranstaltergemeinschaft benannt werden. 1 78 Cf. insg. umfassend R. Willenberg, Rundfunk in kirchlicher Trägerschaft, 2001.

310

4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

Zweck zur Verfügung, 179 während sich zivilrechtliche Gemeinschaften auf Gottesdiensträume und Haussammlungen bei den Mitgliedern zu begrenzen haben. 180 Das öffentliche zivilgesellschaftliche Engagement in und durch öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften wird etwa durch § 2 I Nr. 10 SGB VII anerkannt, der Personen für gesetzlich unfallversichert erklärt, die in diesen Vereinigungen ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen. Eine ganz andere Dimension von Öffentlichkeit ist berührt durch die Fähigkeit nach Art. 137 V WRV korporierter Religionsgesellschaften, amtliche Beglaubigungen i. S. d. § 65 BeurkundungsG auszustellen181 und öffentliche Urkunden i. S. d. § 29 GBO, § 415 ZPO herzustellen. Die öffentliche Dimension der Religion ist außerdem berührt durch § 67 PStG, der in Notfällen vom Verbot der religiösen Voraustrauung absieht, wenn die rechtfertigenden Umstände durch eine „religiöse Körperschaft des öffentlichen Rechts bestätigt ist". Schließlich sei auf § 1 V S. 2 Nr. 6 BauGB verwiesen, der die Berücksichtigung der von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge bei der Bauleitplanung vorschreibt. Die Bestimmung zeigt vielleicht besonders deutlich, wie stark letztlich die Freiheit religiöser Betätigung mit ihrer öffentlichen Wirkung einhergeht und wie sehr die freie organisatorische Entfaltung von Religionsgesellschaften auf die Anerkennung ihrer öffentlichen Dimension angewiesen ist.

c) Spezifische Folgenormierungen Neben den aufgeführten Beispielen kann man endlich noch Bestimmungen als mittelbare Folgerechte ausmachen, die in der Konsequenz der unmittelbar mit dem Körperschaftsstatus verbundenen Rechte stehen und diese ausgestalten und effektiv werden lassen. Zu diesem Komplex zählen etwa die oben bereits kurz genannten Melde- und Datenschutzbestimmungen, die die rechtstechnischen Voraussetzungen sowohl für ein effektives Parochialsystem wie für das Kirchensteuerwesen bilden (§ 15 IV BDSG und § 17 I Nr. 5, § 19 MRRG wie die entsprechenden Landesbestimmungen) . Da die Kirchensteuer eine echte Steuer im Sinne der AO ist (siehe sogleich), sind auch bei ihr berechtigte Interessen des Steuerschuldners und Dritter zu schützen. Deshalb erfaßt etwa der Tatbestand der Verletzung von Steuergeheimnissen (§ 355 StGB) auch Amtsträger der Kirchen und anderer Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts (Abs. 2 Nr. 3), während die sonstigen Vorschriften zu Straftaten im Amt auf diesen Personenkreis keine Anwendung finden. Entsprechend bestimmt § 30 AO, daß das Steuergeheimnis auch von den kirchlichen Amtsträgern zu achten ist. 179

So etwa in § 11 Nr. 1 und Nr. 2 SammlungsG Berlin. Was dem grundrechtlich geschützten Minimum entsprechen dürfte. 181 Hierzu insb. Λ. v. Campenhausen/ J. E. Christoph, DVB1. 1987, 984 ff. 180

III. Das Besteuerungsrecht

311

Spezifische Folgenormierungen ergeben sich ferner aus der Dienstherrenfähigkeit im staatlichen Dienstrecht an den Stellen, die die Beachtlichkeit von Dienstzeiten in und Leistungen von öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften behandeln, so etwa in § 28 II, § 40 V BundesbesoldungsG oder in § 11 Nr. 1 b) und § 105 Nr. 5 BeamtenversorgungsG. Das Beamtenrecht der Länder kennt entsprechende in der Sache freilich teilweise divergierende - Bestimmungen.182

III. Das Besteuerungsrecht 1. Zwecke und Begriff Während die Dienstherrenfähigkeit, das Parochialrecht, das kirchliche öffentliche Sachenrecht sowie die Rechtssetzungsbefugnis als mit dem Körperschaftsstatus einhergehende Rechte von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften in der Verfassung selbst keine direkte Erwähnung finden, sondern ihr durch Auslegung zu entnehmen sind, wird das Besteuerungsrecht in Art. 137 V I WRV eigens geregelt. Danach haben öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften die Berechtigung, „auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten" Steuern zu erheben. Diese ausdrückliche Hervorhebung entspricht der Intention des Verfassungsgebers, die Rechtsgrundlagen für eine dauerhafte und solide Finanzierungsmöglichkeit der Kirchen zu erhalten bzw. zu schaffen (s. o. 2. Kap. III. 1.). Diese Zielsetzung ist bis heute wirkmächtig und fügt sich, wie die Körperschaftsrechte insgesamt, in eine Konzeption des Korporationsstatus für Religionsgesellschaften als besondere Form der grundrechtseffektivierenden Förderung, genauer der Instandsetzung und Förderung der effektiven Ausübung von Religionsfreiheit der Korporationen und der in ihr vereinten Mitglieder, ein (s. ο. I. 2. c.). 1 8 3 Das Besteuerungsrecht ist eine hoheitliche Befugnis des Staates, die dieser den korporierten Religionsgemeinschaften durch Art. 137 V I WRV verleiht, 184 Kirchensteuern sind also echte Steuern i. S. d. § 3 I AO, mithin eine unabhängig von einer konkreten Gegenleistung zu erbringende Abgabe, die notfalls im Wege des Verwaltungszwangs beigetrieben werden kann. 185 Damit ist die Kirchensteuer rechtstypologisch zu unterscheiden von kirchlichen Beiträgen, die ihre verfassungsrechtliche Grundlage ausschließlich in Art. 4 I, II GG/Art. 137 III WRV finden. Im Rahmen des für alle geltenden Rechts sind Religionsgemeinschaften in 182 Zur Gesamtproblematik A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 290 ff. m. w. N. auch zu diesbezüglichen vertraglichen Vereinbarungen. 183 Siehe speziell zur Förderungsfunktion der Kirchensteuer insb. H. Marré, KuR 1995, 33 ff. = 410, 11 ff.; ders., HdbStKirchR 2 I, S. 1101 (1102) m. w. N. 184 £/. Hemmrich, in: v. Münch/Kunig, GG III, 3. Aufl. 1996 Art. 140 Rdnr. 26; F. Hammer, Rechtsfragen der Kirchensteuer, 2002, S. 140 ff.

•85 Th. Maunz, in: MDHS, Art. 137 WRV Rdnr. 42; H. Marré, HdbStKirchR 2 I, S. 1101

(1108).

4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

312

jedweder Rechtsform zur Erhebung eines autonomen Finanzierungssystems und der Auferlegung entsprechender Mitgliedschaftsbeiträge frei. 1 8 6 Diese Mitgliedschaftspflicht kann allerdings nur auf dem zivilrechtlichen Rechtswege (oder in Form von „Kirchenstrafen") durchgesetzt werden. In der Sache freilich handelt es sich beim Kirchensteuerwesen um ein modifiziertes Beitragsverfahren, da nur Angehörige einer Religionsgemeinschaft kirchensteuerpflichtig sind (s. u. 3. a.). Aufgrund der in den Regelungsgehalten des Art. 137 V I WRV angelegten notwendigen Verzahnung von staatlichem und kirchlichem Tätigwerden begreift man das Kirchensteuerwesen als „gemeinsame Angelegenheit". 187

2. Bestandsaufnahme: Rechtsgehalte a) Fünf Direktiven Die Rechtsgehalte des Art. 137 V I WRV lassen sich in fünf Hinsichten aufgliedern: aa) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Kirchensteuer Zunächst begründet Art. 137 V I WRV die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser Finanzierungsart in Hinblick auf das Verbot der Staatskirche und das Gebot der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates.

bb) Einrichtungsgarantie Sodann führt Art. 137 V I WRV dazu, daß der Gesetzgeber nicht frei über die Frage des Ob von Kirchensteuern entscheiden kann; diese Finanzierungsform ist von der Verfassung vorgegeben und damit dem Zugriff des Gesetzgebers entzogen. Insoweit handelt es sich bei Art. 137 V I WRV - wie bei Art. 137 V WRV für weitere Kernrechte - um eine Einrichtungsgarantie. 188

cc) Ausgestaltungspflicht des staatlichen Gesetzgebers Ferner statuiert Art. 137 VI WRV gegenüber dem staatlichen Gesetzgeber eine Verfassungspflicht der gesetzlichen Ausgestaltung des Kirchensteuerwesens sowie 186 BVerfGE 187 BVerfGE iss BVerfGE chensteuerrecht

19, 266 (217); 73, 388 (398 f.), 19, 206 (217); 73, 388 (399); H. Marré , HdbStKirchR 2 I, S. 1101 (1110 f.). 19, 206 (218): Dem Staat ist es durch Art. 137 V I WRV verwehrt, daß Kirabzuschaffen oder auszuhöhlen.

III. Das Besteuerungsrecht

313

zugleich einen Ausgestaltungsvorbehalt. 189 Art. 137 V I WRV selbst bildet keine hinreichende rechtliche Grundlage für die Erhebung von Kirchensteuern, sondern bedarf weiterer einfachrechtlicher Grundlagen. Diese zu erlassen ist der Staat verpflichtet. Kircheninterne Regelungen reichen von Verfassungs wegen trotz Rechtssetzungsgewalt der kirchensteuererhebenden Religionsgemeinschaft nicht aus; die in Art. 137 V I WRV statuierte Maßgeblichkeit der landesrechtlichen Bestimmungen begründet insoweit für die besonders grundrechtssensible Materie der Besteuerung einen Gesetzesvorbehalt.190 Damit wird zugleich das Kirchensteuerwesen den dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten entlehnten allgemeinen Anforderungen einer gesetzlichen Grundlage für jede Besteuerung unterworfen. Art. 137 VI WRV regelt alleine die Steuergesetzgebungshoheit und (konkretisierungsbedürftig) die Steuerertragshoheit. 191 Die Steuerberechnung und damit die Bestimmung der Steuerhöhe, sowie die Steuerschuldnerschaft sind dagegen einfach-rechtlich zu bestimmen. Die ausgestaltenden Normen sind also erforderlich, um den Inhalt und Umfang des den korporierten Religionsgemeinschaften verfassungsrechtlich verliehenen Hoheitsrechts der Besteuerung genauer zu bestimmen und dadurch das Kirchensteuerrecht erst praktikabel zu machen. 192 Den korporierten Religionsgemeinschaften steht dabei allerdings kein Recht auf eine bestimmte, ihren Vorstellungen entsprechende Gesetzesregelung zu, solange sich der Gesetzgeber im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung bewegt. 193

dd) Kompetenznorm für die Länder Des weiteren stellt Art. 137 V I WRV zugleich die Kompetenznorm für die konkretisierende Gesetzgebung dar; die ausschließliche Kompetenz zum Erlaß solcher Rechtsvorschriften weist Art. 137 VI WRV den Ländern zu. 1 9 4 189 Nach BVerfGE 19, 206 (217) schließt das in Art. 137 V I WRV verliehene Besteuerungsrecht die Verpflichtung des Staates ein, „die Voraussetzungen für die Steuererhebung durch den Erlaß von Landesgesetzen zu schaffen und dabei die Möglichkeit einer zwangsweisen Beitreibung vorzusehen." 190 Staatliche Behörden dürfen kirchliche Steuergesetze, die einer landesgesetzlichen Grundlage entbehren, nicht anwenden; BVerfGE 19, 248 (251 ff.); G. Leibholz/H.-J. Rinck/ D. Hesselberger, GG, Art. 140 Rdnr. 316. Die für die Kirchensteuer erheblichen innerkirchlichen Rechtsakte haben zwar mittels der Beleihung staatlichen Rechtscharakter, sind jedoch keine Rechtsverordnungen der staatlichen Exekutive. Die Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts werden nicht in die Staatsverwaltung integriert (s. o.). Art. 80 I 2 GG findet deshalb keine Anwendung; BVerfG 19, 253 (266 f.), 73, 388 (400); H. Marré, HdbStKirchR 2 I, S. 1101 (1117 Fn. 37 unten). Außerhalb des Besteuerungsrechts gilt dagegen, daß es aufgrund des freiheitlichen Charakters der öffentlich-rechtlichen Rechtsform keiner besonderen Ermächtigungsgrundlage für die Tätigkeit so korporierter Religionsgemeinschaften bedarf, cf. BVerfG, NVwZ 1994, 159 ff.; BVerfG, NVwZ 2001, 908 f. 191

C. Gusy, Die Weimarer Reichsverfassung, 1997, S. 327. ' 9 2 BVerfGE 19, 206 (218); 248 (251 f.); U. Hemmrich, in: v. Münch/Kunig, GG III, 3. Aufl. 1996, Art. 140 Rdnr. 26. >93 BVerfGE 73, 388 (401 f.).

314

4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

ee) Mitwirkungspflicht des Staates Schließlich legt Art. 137 V I WRV neben der gesetzlichen Konkretisierungspflicht das weitere Minimum staatlicher Mitwirkung am Kirchensteuereinzug fest: der öffentlichen Hand ist die Stellung bürgerlicher Steuerlisten als Grundlage der kirchlichen Steuererhebung aufgegeben. Unter bürgerlichen Steuerlisten i. S. d. Vorschrift verstand man amtliche Zusammenstellungen der Ergebnisse der Veranlagung zu den Bundes-, Landes- und Gemeindesteuern.195 Derartige Listen werden seit geraumer Zeit nicht mehr erstellt. Deshalb hat der Staat äquivalent geeignete Leistungen zur Realisierung des kirchlichen Besteuerungsrechts zu erbringen. Zweck der in Art. 137 V I WRV begründeten staatlichen Mitwirkungspflicht ist letztlich, die Effektivität des Kirchensteuerwesens, nicht aber die Existenz von spezifischen Steuerlisten zu sichern. Die verfassungsrechtliche Verpflichtung zielt insofern auf die Zurverfügungstellung erforderlicher Informationen. 196 Diesem Leistungsanspruch genügt etwa die Bereitstellung der zur Realisierung des Besteuerungsrechts geeigneten Unterlagen in Form von Meldedaten.197

b) Staatlicher Kirchensteuereinzug Die Kirchensteuerverwaltung durch staatliche Finanzämter - wie sie weitgehend praktiziert wird - ist durch Art. 137 V I WRV nicht geboten. Sie kann aber auch nicht als verfassungsrechtlich unzulässig bewertet werden. 198 Mangels typischer Gefährdungslage einer institutionellen Verknüpfung (s. o. 3. Kap. II.) steht die Einschaltung staatlicher Finanzämter im Einklang mit Art. 137 I WRV. Dies gilt um so mehr, als die Kontinuitätsgewährleistung des Art. 137 V I WRV auch in Bezug auf die kirchensteuerrechtlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten einen gewissen Bestandsschutz gewährt. Die Verwaltung der Kirchensteuer durch staatliche Steuerbehörden korreliert mit der nach Art. 137 V I WRV zulässigen Abhängigkeit der Kirchensteuer von der staatlichen Einkommensteuer 199 wie mit der institutionellen Berührung durch die Zurverfügungstellung staatlichen Verwaltungszwangs für die hoheitliche Beitreibung der Kirchensteuer. An der mit

194 Str. - A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 137 WRV Rdnr. 277 ff. m. w. N. 195 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/ Klein / Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 137 WRV Rdnr. 269. 196 D. Ehlers, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 137 WRV Rdnr. 21; K G. Meyer-Teschendorf, Essener Gespräche 15 (1981), S. 9 (22 ff.). 197 H. Marré, HdbStKirchR 2 I, S. 1101 (1112 f.) 198 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 137 WRV Rdnr. 293 ff.; a.A M. Kleine, S. 211 f., der allerdings Art. 137 VI WRV insgesamt für verfassungswidriges Verfassungsrecht hält; ferner J. Wasmuth/G. Schiller, NVwZ 2001. 852 (854). 199 BVerfGE 44, 103 (103 f.) unter Verweis auf 20, 40 (43).

III. Das Besteuerungsrecht

315

dem staatlichen Einzug verbundenen Förderung öffentlich-rechtlicher Körperschaften ist der „weltanschaulich neutrale Kultur- und Sozialstaat" deshalb verfassungsrechtlich nicht gehindert. 200

3. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Ausgestaltung Bei der Erfüllung der verfassungsrechtlichen Ausgestaltungspflicht hat der Gesetzgeber die Grundrechte Dritter sowie weitere grundlegende Verfassungsprinzipien zu achten. 201 Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Kirchensteuergesetze der Länder bewegen sich insoweit zwischen der korporativen Religionsfreiheit einerseits 202 und den Grundrechten der Steuerschuldner andererseits. Die erforderlichen Normierungen haben beiden Aspekten Rechnung zu tragen. 203 Zugleich aber sind auch die steuerberechtigten Religionsgemeinschaften selbst verpflichtet, das vom Staat abgeleitete und in den weltlichen Bereich hineinwirkende Hoheitsrecht 204 nur im Einklang mit dem Verfassungsrecht, vor allem den Grundrechten, auszuüben (s. ο. I. 5.). 2 0 5

a) Zur Konnexität von Mitgliedschaft

und Kirchensteuerpflicht

Die Grundrechtsbindung sowohl des staatlichen Gesetzgebers bei der legislativen Konkretisierungsleistung und der administrativen Beteiligung am Kirchensteuereinzug als auch der steuererhebenden Religionsgemeinschaft hat insbesondere Konsequenzen für den Kreis der möglichen Steuerschuldner.

aa) Religiöse Finanzierungsfreiheit Aus der Pflicht zur religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates folgt der Grundsatz, daß einer Religionsgesellschaft keine unmittelbaren Hoheitsbefugnisse 200 BVerfGE 44, 103 (104). Zu paritätsrechtlichen Gesichtspunkten im staatlichen Kirchensteuereinzug s. o. 3. Kap. III. und unten VI. 201 BVerfGE 19, 226 (236 f.); F. Hammer, Kirchensteuer, S. 249 ff. 202 A.A. Th. Maunz, in: MDHS, Art. 137 WRV Rdnr. 43. Auch im Rahmen der öffentlichrechtlichen Korporationsrechte gilt jedoch die Gewährleistung des Art. 4 GG/Art. 137 III WRV. 203 Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist es dabei dem Staat versagt, durch Übertragung hoheitlicher Befugnisse an der Vollziehung der aus der Kirchenmitgliedschaft erwachsenden Pflichten mitzuwirken, soweit ihm eine solche Einflußnahme durch das Grundgesetz verboten ist; BVerfGE 30, 415 (422 f.). 204 BVerfGE 19, 206 (218); 242 (251 f.); 205 G. Leibholz/H.-J. Rinck/D. Hesselberger, GG, Art. 140 Rdnr. 276.

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

über Personen verliehen werden dürfen, die ihr nicht angehören. 206 Nichtmitgliedern steht ferner aus Art. 4 I, II GG die Freiheit zu, keine Glaubensgemeinschaft finanziell unterstützen zu müssen (sog. negative Finanzierungsfreiheit). 207 Kirchensteuern können deshalb nur Angehörigen der steuerberechtigten Religionsgemeinschaft auferlegt werden. 208 Eine kirchliche Besteuerung juristischer Personen ist deshalb unter dem Grundgesetz unzulässig.209 Insoweit besteht gegenüber anderen europäischen Finanzierungssystemen eine markante restriktive Abweichung.

bb) Mitgliedschaft und Austritt Die Bestimmung der Mitgliedschaft ist Angelegenheit der Religionsgemeinschaft (Art. 137 III WRV). 2 1 0 Jedoch verbietet Art. 4 I, II GG, daß Personen ohne oder gegen ihren Willen mit Wirkung für den weltlichen Bereich als Angehörige einer Religionsgemeinschaft gelten. 211 Deren Mitgliedschaftsregelungen können deshalb staatlicherseits nur anerkannt werden, wenn sie für die Konstituierung der Mitgliedschaft eine freie Willensentscheidung vorsehen. 212 Wenn auch keine förmliche, zivilrechtliche Willenserklärung erforderlich sein mag, ist doch ein hinreichendes, dem Erfordernis der Rechtsklarheit genügendes Begründungsmerkmal gefordert. Die von Art. 4 GG geschützte Austrittsfreiheit garantiert weiterhin eine jederzeitige Beendbarkeit der Mitgliedschaft für die Wirkungen des staatlichen Rechts 213 206 BVerfGE 19, 206 (216); 226 (237); 242 (247); 268 (274). 207 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 4 Rdnr. 101. 208 BVerfGE 19, 226 (237); 242 (247); 30, 415 (421 f.); OVG Koblenz, NVwZ 2002, 1010 ff.; G. Leibholz/H.-J. Rinck/D. Hesselberger, GG, Art. 140 Rn. 336; H Marré, HdbStKirchR 2 I, S. 1101 (1118 ff.); siehe zur Begründung und Beendigung der Mitgliedschaft und ihrer Konnexität zur Kirchensteuerpflichtigkeit auch A. v. Campenhausen, DÖV 1970, 801 ff. = Kircheneintritt - Kirchenaustritt - Kirchensteuer nach staatlichem und kirchlichem Recht, in: ders., Gesammelte Schriften, 1995, S. 110 ff.; W. Bock, ZevKR 42 (1997), 319 (325 ff.). 209 BVerfGE 19, 206 (216); D. Ehlers, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 137 WRV Rdnr. 22. Anders in der Schweiz cf. H.-T. Conring, Korporative Religionsfreiheit in Europa, 1998, S. 205 ff.; D. Kraus, Schweizerisches Staatskirchenrecht, 1993, S. 117 ff.; gebilligt von der Rspr. des EKMR, DR 16, 85 ff.; hierzu H.-T. Conring, S. 342 f.; C. Walter, Religions- und Gewissensfreiheit, in: R. Grote/T. Marauhn (Hrsg.), Handbuch des Grundund Menschenrechtsschutzes, 2003, Rn. 45. 210 A. v. Campenhausen, HdbStKirchR 2 I, S. 755 (756). Siehe zur kirchenrechtlichen Ausgestaltung in der römisch-katholischen und evangelischen Kirche ebenda, S. 758-768; cf. ferner M. Haß, Der Erwerb der Kirchenmitgliedschaft nach evangelischem und katholischem Kirchenrecht, 1997, S. 22 ff.; W Bock, ZevKR 42 (1997), 319 ff. 211 G. Leibholz/H.-J. Rinck/D. Hesselberger, GG, Art. 140 Rn. 366. 212 BVerfGE 19, 206 (217); 30, 415 (423 ff.); D. Ehlers, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 137 WRV Rdnr. 22. 213 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 4 Rdnr. 125.

III. Das Besteuerungsrecht

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einschließlich der Kirchensteuerpflichtigkeit. 214 Von Verfassungs wegen ist jede Form der Nachbesteuerung nach dem Austritt untersagt. 215 Überlegungsfristen von einem Monat und Nachbesteuerungsfristen von drei Monaten, wie sie noch im preußischen KirchenaustrittsG von 1920 vorzufinden waren, sind grundgesetzwidrig. 2 1 6 Die negative religiöse Finanzierungsfreiheit läßt auch keine kürzere Nachbesteuerungsfrist zu. Die Erwartung der Kirchen und Religionsgemeinschaften in Hinblick auf stabile Finanzeinnahmen stellt kein kollidierendes Verfassungsrecht dar. Die hoheitlich auferlegte und beitreibbare Kirchensteuer unterscheidet sich insoweit durch die unmittelbare Grundrechtsbindung von der durch die Privatautonomie geschützten Vereinbarung von Kündigungsfristen. Aber auch sonstige im Steuerrecht in Hinsicht auf Art. 3 I GG generell zulässige Typisierungen und Pauschalierungen sehen sich im Bereich der Kirchensteuern wegen Art. 4 I, II GG für den Fall der Beendigung der Mitgliedschaft durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt.217

b) Art. 4 I, II GG/Art. 137 III WRV: Der gebotene Einfluß der Religionsgemeinschaften und seine Grenzen Grundsätzlich kann der Gesetzgeber nach Art. 137 V I WRV die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Kirchensteuer bis ins Detail regeln. Diese Kompetenz findet jedoch seine Grenze in Art. 4 I, II GG /137 III WRV. Auch im Bereich des Kirchensteuerwesens ist das Recht auf Selbstordnung und -Verwaltung zu achten; auch hier verweisen Körperschaftsrechte und Freiheitsgewährleistungen für religiöse Organisationen aufeinander. 218 Der Ausgestaltungsauftrag darf nicht zu einer Eingriffsermächtigung in innere Angelegenheiten umfunktioniert werden. So ist insbesondere die Höhe der Steuer von der steuerberechtigten Religionsgemeinschaft selbst festzulegen. Ein bewußt hoher Kirchensteuersatz würde sonst ein probates Mittel für eine kirchenfeindliche Politik darstellen. Art. 137 V I WRV zielt jedoch gerade darauf, das generalisierte Steuerungsmedium Geld der Politik ähnlich wie Art. 4 GG/Art. 137 III WRV das Steuerungsmedium Recht zu entziehen

214

Siehe zum Kirchenaustritt näher A. v. Campenhausen, HdbStKirchR 2 I, S. III ff.; ders., Staatskirchenrecht, S. 176 ff.; B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 179 ff.; zur Motivation zum Kirchenaustritt durch die finanziellen Belastungen der Kirchensteuer aus soziologischer Sicht auf der Grundlage eines rational-choice-Modells K. Birkelbach, ZfS 28 (1999), 136 ff., mit dem Ergebnis, daß zumeist ein indifferentes bis negatives Verhältnis zur Kirche Vorbedingung für ein ökonomisches Kalkül des Austritts ist. 215 Freizügiger BVerfGE 44, 37 (50); 59 (67), wo eine kurz bemessene Übergangsfrist für zulässig gehalten wird. 2 ·6 BVerfGE 44, 37 (53 f.). 217

Zur besonderen Problematik der Kirchensteuererhebung in Fällen der Lohnsteuerpauschalierung C. Meyer, FS Listi, 1999, S. 699 ff. 2 18 A.A. Th. Maunz, in: MDHS, Art. 137 WRV Rdnr. 43.

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

(s. o. 1. Kap. IV. 2.). Die Norm stellt insoweit ein Korrelat zum Selbstverwaltungsrecht von Religionsgemeinschaften dar. 219 c) Rechtsstaatsprinzip Die kirchlichen Kirchensteuernormen müssen den Mindestanforderungen rechtsstaatlicher Steuererhebung genügen.220 Hierzu zählt insbesondere die Bestimmbarkeit der Steuerschuld, die Festlegung der Höhe der Bemessung, die Voraussehbarkeit, also die Tatbestandsmäßigkeit.221 Diese Vorgaben sichert der Staat durch das Erfordernis einer Genehmigung oder Anerkennung der entsprechenden kirchlichen Rechtsakte (Kirchensteuerordnungen und -beschlüsse).222 d) Rechtsschutz Gegen Kirchensteuerentscheidungen ist wie gegen andere Maßnahmen der öffentlichen Gewalt der Rechtsweg nach Art. 19 IV GG garantiert. 223 Je nach landesrechtlicher Ausgestaltung divergiert der einschlägige Rechtsweg zwischen der Finanz- und Verwaltungsgerichtsbarkeit. 224 Die Prüfung durch die staatlichen Gerichte erstreckt sich dabei sowohl auf Fragen der Verfassungskonformität der Kirchensteuerordnungen und -beschlüsse wie der Einhaltung der kircheneigenen steuerrechtlichen Vorgaben.

4. Landesrechtliche Ausgestaltung Die in allen Ländern gemäß der verfassungsrechtlichen Verpflichtung ergangenen Kirchensteuergesetze und die dazugehörigen Durchführungsverordnungen ermächtigen die kirchensteuerberechtigten Religionsgesellschaften zum Erlaß eigener Steuerordnungen als Grundlagen der Steuererhebung und genügen damit sowohl dem Gebot einer Schaffung gesetzlicher Grundlagen wie der erforderlichen Achtung des Selbstordnungs- und -Verwaltungsrechts der steuererhebenden Religionsgesellschaften. Die zulässigen Besteuerungsarten in Form von Zuschlagsteuern 219 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/ Klein / Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 137 WRV Rdnr. 270. 220 BVerfGE 19, 248 (251); F. Hammer, Kirchensteuer, S. 390 f. 221 BVerwG, DÖV 1965, 769 f.; M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 116. 222 H. Marré, HdbStKirchR 2 I, S. 1101 (1116, insb. Fn. 37). 223 BVerfGE 19, 206 (218); 30, 415 (420); H. Schultze-Fielitz, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 19 IV Rdnr. 42. 224 A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/ Klein / Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 137 WRV Rdnr. 297.

IV. Der Neuerwerb des Körperschaftsstatus

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zu erhobenen staatlichen Steuern und in Form eines sog. Kirchgeldes 225 werden dabei abschließend normiert. Von praktischer Relevanz ist dabei insbesondere die Lohn- und Einkommensteuer als Maßstabsteuer für die Kirchensteuer. Die Steuerschuld bei Zuschlagsteuern wird mittels eines von den Kirchen festzulegenden Hebesatzes berechnet. 226 Die KStGe überlassen es den Körperschaften auch zu bestimmen, welche Gliederungsebene Gläubiger der Kirchensteuer sein soll. 2 2 7 Für die Evangelische und die Katholische Kirche besteht in der Regel ein Wahlrecht zwischen einer Begünstigung der lokalen Ebene (Ortskirchensteuer), der Diözese bzw. Landeskirche oder einer Kombination. 228 Auf andere Religionsgesellschaft findet diese Unterscheidung entsprechende Anwendung.

IV. Der Neuerwerb des Körperschaftsstatus Die Bestandsschutzgarantie der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts für altkorporierte Religionsgemeinschaften nach Art. 137 V 1 WRV wird durch zwei Möglichkeiten des Neuerwerbs des Körperschaftsstatus ergänzt. Diese Möglichkeiten stellen in verfassungstheoretischer und verfassungsgenealogischer Sicht wesentliche Ergänzungen des Art. 137 V 1 WRV dar. Zum einen ist nach Art. 137 V 3 WRV gesichert, daß, wenn sich mehrere öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften zu einem Verband zusammenschließen, auch dieser Verband Körperschaft des öffentlichen Rechts wird (cf. u. 2.). Dies war für die ehemals den landesherrlichen Regimenten unterstehenden protestantischen Landeskirchen in Deutschland erheblich und besitzt bis heute Bedeutung für Religionsgesellschaften, denen der Körperschaftsstatus neu verliehen wird. Die Norm unterstreicht maßgeblich den organisationsfreiheitsdienenden Charakter des Körperschaftsstatus. Zum anderen - und in der praktischen Relevanz wie im staatskirchenrechtlichen Diskurs erheblich bedeutsamer - sind anderen Religionsgesellschaften (als den altkorporierten) auf ihren Antrag hin „gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten" (cf. u. 1.). 1. VerleihungsVoraussetzungen nach Art. 137 V 2 WRV Der Neuerwerb des Körperschaftsstatus ist - anders als seine Beibehaltung nach Art. 137 V 1 WRV - durch die Verfassung selbst von bestimmten Voraus225 Cf. hierzu H. U. Anke, ZevKR 46 (2001), 191 ff.; zur Zulässigkeit a. VG Braunschweig, NVwZ 2001, 1447 f. 226 Siehe umfassend H. Marré, HdbStKirchR 2 I, S. 1101 (1113 ff.) m. w. N. 227 H. Marré, HdbStKirchR 2 I, S. 1101 (1117). 228 H. Marré, Kirchensteuerrecht, in: K. Tipke/J. Lang, Steuerrecht, 16. Aufl. 1998, § 10 Rz. 6.

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

Setzungen abhängig gemacht. Diese Voraussetzungen sind ausweislich des Wortlautes des Art. 137 V 2 WRV zunächst, daß überhaupt eine Religionsgemeinschaft vorliegt, daß diese einen Antrag auf Verleihung der öffentlich-rechtlichen Rechtsform stellt und daß sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bietet (a.). Darüber hinaus werden von Literatur und Rechtsprechung weitere, „ungeschriebene" Verleihungsvoraussetzungen ausgemacht. Dieses Vorgehen begegnet zum einen methodischen Bedenken (b.), zum anderen wird dadurch die Frage aufgeworfen, welche genaue Gestalt diese Voraussetzungen haben sollten: Reicht es zu verlangen, daß die übertragene Hoheitsgewalt rechts-, insbesondere grundrechtskonform ausgeübt wird oder können weitere Verfassungsprinzipien (etwa der Gesichtspunkt demokratischer Legitimität bei religiös motivierter Ablehnung der Teilnahme an staatlichen Wahlen) als Verleihungsvoraussetzungen Berücksichtigung finden? Ist darüber hinaus eine besondere affirmative Haltung zum Staat (etwa in Gestalt einer positiven Grundeinstellung oder einer Staatsloyalität) erforderlich? Läßt sich das Ensemble der ausgemachten ungeschriebenen Verleihungsvoraussetzungen als „Anerkennungswürdigkeit" verstehen? Ist ein gemeinwohlfördernder Effekt der antragstellenden Religionsgemeinschaft Voraussetzung für den Körperschaftsstatus? Läßt sich gar dem Grundgesetz ein „Kulturvorbehalt" dergestalt entnehmen, daß sich in der in Art. 137 V vorgesehenen Rechtsform nur als im abendländischen Kulturkreis beheimatet verstandene Religionen organisieren können, mit der Folge, daß insbesondere in Bezug auf den Islam die Körperschaftsfähigkeit entsprechender Gruppierungen in Frage gestellt wird (c.-e.)?

a) Geschriebene Verleihungsvoraussetzungen aa) Religionsgesellschaft Die in Art. 137 V 2 WRV formulierten Verleihungsvoraussetzungen entfalten sich in ihrer Bedeutung durch den Wortlaut und Sinnzusammenhang der Regelung relativ klar. Zunächst kann nur eine „Religionsgesellschaft" Begünstigte des Verleihungsaktes sein, 229 d. h. eine grundsätzlich in Struktur, Programm, Personal und Kommunikationsstrukturen von anderen sozialen Aggregationen wie Sinnsystemen zu unterscheidende Gruppierung (s. o. 1. Kap. V. 4.). Fokussiert man den gesellschaftlichen Charakter des Merkmals „Religionsgesellschaft", dann muß eine begriffliche Abgrenzung zum religiösen Verein und zum Kollektiv einer religiösen Versammlung erfolgen. Betont man den religiösen Charakter, dann ist das Erfordernis eines spezifisch religiösen Selbstverständnisses herauszustellen. Nicht erforderlich ist, daß die antragstellende Gemeinschaft bisher als Verein eingetragen 229 E. Bopp, DÖV 1952, 516 (517): H. Weber, ZevKR 34 (1989), 335 (345 ff.); 5. Muckel, DÖV 1995, 311 (312); C. Link, ZevKR 43 (1998), 1 (14 f.); R. Tillmanns, DÖV 1999, 441 (444 f.); F. Fechner, Jura 1999, 515 (516); B. Lindner, Entstehung und Untergang von Körperschaften des öffentlichen Rechts, 2002, S. 49 ff.

IV. Der Neuerwerb des Körperschaftsstatus

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war 2 3 0 - es bedarf nur der hinreichenden Organisiertheit überhaupt, wofür ebenso ein nichtrechtsfähiger Verein nach § 54 BGB in Frage kommt wie etwa eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 705 BGB).

bb) Antrag Sodann hat ein Antrag vorzuliegen. Eine Verleihung des Körperschaftsstatus von Amts wegen hat im religiös-weltanschaulich neutralen, auf Religionsfreiheit verpflichteten Staat auszuscheiden. Im Antragserfordernis kommt ebenso wie bei der Voraussetzung der Anmeldung zur Eintragung nach § 59 BGB der Angebotscharakter der staatlich vorgehaltenen Rechtsformen für Religionsgemeinschaften zum Ausdruck. Er „entspricht dem spezifisch liberalen Grundzug der staatskirchenrechtlichen Ordnung des Grundgesetzes, in der die den Religionsgemeinschaften zur Verfügung gestellten öffentlich-rechtlichen Organisationsformen den betroffenen Gruppierungen nicht aufgezwungen, sondern ihnen lediglich angeboten werden" 231 , wobei sich die emanzipatorische Tiefendimension dieser Rechtsformwahlfreiheit uns heute in Deutschland wohl nur noch in historischer Rückschau und Rechtsvergleichung erschließt. Nicht nur waren vordem kleinere, nichtkorporierte Religionsgemeinschaften auf Duldungen, Teilrechtsfähigkeiten etc. verwiesen und damit um Möglichkeiten freier Entfaltung gebracht. Auch die privilegierte öffentlich-rechtliche Rechtsform war bis 1919 nicht besonderer Ausdruck staatlich garantierter Religionsfreiheit, sondern eingebaut in variierende Systeme staatlicher Kirchenhoheit und Kirchenaufsicht, der durch Rechtsformwechsel sich zu entziehen den betroffenen Religionsgemeinschaften gleichfalls verwehrt war. Der Antrag ist von dem nach staatlichem Recht und eigenem Statut vertretungsbefugten Organ der Religionsgesellschaft zu stellen. Für die Vertretungsbefugnis ist darauf zu verweisen, daß ggf. das Recht auf freie Selbstbestimmung und -Verwaltung Modifikationen der vereinsrechtlichen Anforderungen verlangt. 232 Dem Antrag beizufügen oder auf Verlangen nachzureichen sind geeignete Unterlagen, die das Vorliegen der Verleihungsvoraussetzungen verifizieren. Näheres bestimmt sich nach den landesrechtlichen Vorgaben.

cc) Gewähr der Dauerhaftigkeit durch die Verfassung und die Zahl der Mitglieder Schließlich hat die Religionsgemeinschaft die Gewähr der Dauerhaftigkeit zu bieten, weil nach dem Willen des Verfassungsgebers der Staat nicht gezwungen sein soll, Ephemeriden den Status zu verleihen. Hintergrund des Erfordernisses 230 Anders K. Müller, ZevKR 2 (1952/53), 139 (151). 231 H. Weber, ZevKR 34 (1989), 337 (349). 232 BVerfGE 83, 341 (357 ff.). 21 Heinig

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

einer prognostizierbar stabilen Existenz der Gesellschaft sind vor allem Gesichtspunkte der Praktikabilität, der „administrativen Nachhaltigkeit". Finanzielle Begünstigungen, Interessenberücksichtigungen, sozialstaatliche Struktureinbindungen, Teilnahme an plural zusammengesetzten Organen - um nur einige an den Körperschaftsstatus gebundene Rechte zu nennen - sollen nicht alle Tage lang legislativ und administrativ neu justiert und strukturiert werden, nur weil sich eine kleine und junge religiöse Gruppierung in ihren Bindungswirkungen als relativ flüchtig erwiesen und wieder aufgelöst hat (s. o. 2. Kap. III. 1.). Als Indikatoren für die Dauerhaftigkeit nennt Art. 137 V 2 WRV die „Verfassung" der Religionsgemeinschaft und die „Zahl ihrer Mitglieder". Das Grundgesetz begründet durch diese Merkmale also keine zusätzlichen Verleihungsvoraussetzungen, sondern konkretisiert nur die Instrumente, die heranzuziehen sind, um die Dauerhaftigkeit einer Religionsgesellschaft zu prognostizieren. Diese nachgeordnete, dienende Funktion der beiden Merkmale spielt eine Rolle für die Bestimmung ihrer genauen Bedeutung und für ihre Anwendung. Weil maßgebliche Bezugsgröße der Verfassung und der Mitgliederzahl, also das entscheidende Interpretament, die Dauerhaftigkeit ist, stellen sie keine schematisch anzuwendenden, alternierenden Ausschlußtatbestände dar, sondern sind offen für eine die jeweiligen, genauen Umstände einbeziehende Gesamtprognose.233 (1) Verfassung. Die Eigenschaft als sekundäre, auf die Gewährleistung der Dauer bezogene Verleihungsvoraussetzung wirkt sich besonders auf die Interpretation des Merkmals der Verfassung aus: unter dieser wird nahezu einhellig der qualitative Gesamtzustand der Religionsgesellschaft verstanden. 234 Grundsätzlich ließe sich auch daran denken, unter „Verfassung" lediglich das Organisationsstatut einer religiösen Vereinigung zu fassen. Hierfür spräche, daß mit der gesonderten Erwähnung der Zahl der Mitglieder ein formelles Kriterium neben dem der Verfassung statuiert wurde, welches bei einem qualitativen Verständnis der „Verfassung" bereits in diesem Merkmal enthalten wäre. 235 Allerdings ist die Satzung einer 233 BVerfGE 102, 370 (385); allzu rabulistisch hiergegen D. Zacharia, KuR 2001, 33 (35) = 210,21 (23). 234 Näher A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 148 f.; ders., ZevKR 46 (2001), 165 (172); P. Kirchhof, HdbStKirchR 2 I, S. 651 (658); M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 Rdnr. 98; D. Ehlers, in: M. Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 137 Rdnr. 20; H. Weber, ZevKR 34 (1989), 337 (350); ders., Religion - Staat - Gesellschaft 2 (2001), 47 (56); S. Muckel, DÖV 1995, 311 (312); C. Link, ZevKR 43 (1998), 1 (16); S. Korioth, GS Jeand'Heur, 1999, 221 (235); R. Tillmanns, DÖV 1999, 441 (445); F. Fechner, Jura 1999, 515 (516 f.); B. Lindner, S. 52 ff. 235 Cf. G. Held, S. 120, 151; H. Weber, ZevKR 34 (1989), 337 (350), der zudem darauf verweist, daß manche Länderverfassungen an Stelle des Merkmals „Verfassung" ein Abstellen auf die „Satzung" kennen, ohne daß in der Sache von Art. 137 V 2 WRV abgewichen werden sollte; M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (699); das Hamburgerische Gesetz zur Verleihung des Körperschaftsstatus (abgedruckt bei H. Weber, a. a. Ο., 376 f.) geht ersichtlich von einem Verständnis der „Verfassung" als Organisationsstatut aus, wenn es bestimmt, daß Änderungen der Verfassung der Genehmigung bedürften und vorzulegen seien.

IV. Der Neuerwerb des Körperschaftsstatus

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Organisation im Vergleich zu ihrem konkreten lebensweltlichen Zustand kein aussagekräftiges Kriterium für die Dauerhaftigkeit eines organisatorischen Zusammenschlusses mehrerer Personen. Deshalb scheint es angezeigt, einer extensiven Interpretation des Merkmals „Verfassung' 4 zu folgen. Diese ist dann „die Summe der Lebensbedingungen, denen die Religionsgesellschaft unterworfen ist" 2 3 6 , soweit sie für eine Bestandsprognose relevant sind. 237 Dies entspricht auch der Genese in der verfassungsgebenden Versammlung, wie sie oben skizziert wurde (2. Kap. III. 1.). Das Merkmal der Verfassung wurde in der dritten Lesung in der Nationalversammlung - also in einer sehr späten Beratungsphase - in Art, 137 V 2 WRV aufgenommen, um die Verleihung nicht nur von einem zufälligen, äußeren Umstand abhängig zu machen, sondern auch „das tiefere Moment des Inhalts ihrer Verfassung" in den Blick zu nehmen. 238 Als leitende Gesichtspunkte einer so verstandenen Verfassung einer Religionsgemeinschaft nennt das Bundesverfassungsgericht eine ausreichende Finanzausstattung, eine Mindestbestandszeit oder eine gewisse Intensität des religiösen Lebens. 239 (a) Finanzausstattung. Ohne hinreichende pekunäre Grundlagen wird keine Religionsgesellschaft auf Dauer bestehen können. Mag auch nach Luther das Geld eine „unfruchtbare Sache" sein 240 und soll man auch nach biblischer Überlieferung dem Schätzesammeln entsagen und sich gleichwohl nicht um Kleidung und Nahrung sorgen müssen (Mt. 6, 19-34), so gilt für das Religionsverfassungsrecht doch, daß der Staat ohne Rücksicht auf derartigen religiösen Zuspruch einen nach rein weltlicher Prognose hinreichenden Anhalt für den zukünftigen Bestand auch in finanzieller Hinsicht verlangen kann. 241 Die finanzielle Leistungsfähigkeit wird immer wieder auch unter Berufung auf die oben dargestellte Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zur Insolvenzfähigkeit von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften als eigenständige Verleihungsvoraussetzung in Ansatz gebracht. 242 Dieser Vorgehens weise stehen einerseits die sogleich näher skizzierten verfassungsdogmatischen Bedenken gegen ungeschriebene Tatbestandsmerkmale entgegen. Zum anderen führt sie dazu, aus einem spezifischen, primär in Art. 4 I, II GG/Art. 137 III WRV begründeten Freiheitsschutz organisierter Religion Restriktionen hinsichtlich der organisatorischen 236 K. Müller, ZevKR 2 (1952/53), 139 (152); so auch R. Smend, ZevKR 2 (1952/53), 374 (378); ferner P. Mikat, Kirchen, S. 157. 237 BVerfGE 102, 370 (385). 238 w. Kahl (DVP), in: Verhandlungen der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 329, 1919/ 1920, S. 2159. 239 BVerfGE 102,370(385). 240 M. Luther, Tischreden, 1981, S. 269. 241 OVG Berlin, NVwZ-RR 2000, 604 ff.; Λ .ν. Campenhausen, ZevKR 46 (2001), 165 (173). 242 Zunächst BVerfGE 66, 1 (24); ferner BVerwGE 105, 117 (121); D. Radkte, NdsVwBl. 1999, 32 (43), J. Winter, ÖARR 47 (2000), 202 (209). 21*

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

Entfaltung einer Religionsgemeinschaft zu machen, die Schutzintentionen also gerade umzukehren. Vorzugswürdig erscheint demgegenüber die vom Bundesverfassungsgericht gewählte Form der Berücksichtigung der finanziellen Komponente im Gesamtzusammenhang der Verfaßtheit als Gewähr der Dauer. (b) Mindestbestandszeit. Wenn eine Religionsgemeinschaft bereits eine gewisse Zeit bestand, läßt dies in der Regel auch Rückschlüsse auf die Wahrscheinlichkeit ihre Fortexistenz zu. Deshalb ist die bisherige Bestandsdauer als geeignetes Prognosemerkmal im Kontext des Art. 137 V 2 WRV anerkannt. 243 Hierbei ist vor allem zu berücksichtigen, daß der soziologisch beschreibbare Überschritt von einer rechtlich schon als Religionsgesellschaft verfestigten religiösen Bewegung zur religiösen Institution eine für den Bestand einer Religionsgesellschaft prekäre rite de passage244 darstellt, in der ein gesteigertes Maß an Fragilität zu Tage tritt. Gerade vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Zielsetzung des Art. 137 V 2 WRV, spontane religiöse Erweckungsbewegungen, die häufig von der charismatischen Gestalt und Gewalt ihres Gründers leben, auf ihre organisatorische Stabilität hin zu befragen, erscheint je nach konkreten Umständen ein gewisses Zuwarten geboten, um zu sehen, ob die Gruppierung über den ersten Generationenwechsel hinaus Bestand hat. Deshalb wird in der Literatur häufig ein Mindestbestand von 25-30 Jahren genannt, damit eine Gemeinschaft in dieser Hinsicht die Gewähr der Dauer bietet. 245 Freilich kann diese Zahl lediglich eine Richtgröße bieten, die sich einpassen muß in den Regelungssinn und das Gesamtgefüge der Kriterien und Subkriterien. Etwa überzeugt es nicht, einer von Arbeitsmigranten gegründeten muslimischen Vereinigung, die sich als Religionsgesellschaft versteht, den Status nach Art. 137 V 2 WRV per se zu verweigern, wenn und weil sie nicht auf einen entsprechenden ca. 30jährigen Zeitraum an Aktivitäten zurückblicken kann. Verweilt der Kern des Mitgliederbestandes dauerhaft in Deutschland und bleibt der Gruppierung absehbar zugehörig, ist auch die Jahrhunderte dauernde kulturgeschichtliche Etabliertheit des Islam und seiner Einzelströmungen und ihre Bedeutung für die Gewähr der Dauer zu berücksichtigen. (c) Innere Organisation. Aussagen über die Dauerhaftigkeit einer Religionsgesellschaft lassen sich schließlich auch aus ihrer inneren Organisation ableiten. Ein gewisses Maß innerer rechtsartiger Verfaßtheit ist in dieser Hinsicht unabdingbar. Allerdings dürften hier in der Regel keine Hindernisse für die Verleihung liegen, ist ein Minimum an Organisationsstruktur doch erforderlich, damit überhaupt eine Religionsgemeinschaft und nicht bloß eine Versammlung oder lose Gruppierung vorliegt; auch bedarf es ihrer für die Stellung eines Antrags auf Verleihung des 243 OVG Berlin, NVwZ-RR, 2000, 604 (604 f.). 244 A. van Gennep, Rites de passage, 1909; cf. ritualtheoretisch P. Bahr, Praktische Theologie 33 (1998), 143 ff. m. w. N. 245 G. Held, S. 117 f.; D. Reupke, KuR 1997, 91 (94) = 210, 7 (10); A. v. Campenhausen, ZevKR 46 (2001), 165 (173).

IV. Der Neuerwerb des Körperschaftsstatus

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Körperschaftsstatus. 246 Gefordert ist insoweit eine Organisationsstruktur, die die Verfahren und Organe der Willensbildung erkennen läßt und Instanzen benennt, die dem Staat als Ansprechpartner zur Verfügung stehen und über die Lehre und Ordnung der Gemeinschaft entscheiden. In der Literatur wird diese Anforderung zumeist als gesonderte Verleihungsvoraussetzung begriffen. 247 Den Religionsgesellschaften wird man in jedem Fall einen weiten Ausgestaltungsspielraum gemäß ihrem religiösen Selbstverständnis zuzubilligen haben. Typisch kirchliche Administrativstrukturen können kaum verlangt werden, wenn auch anderweitig die Dauerhaftigkeit unter dem Gesichtspunkt des lebenspraktisch notwendigen Entscheidungsbedarfs einer Religionsgesellschaft - ζ. B. durch einen realisierbaren, religiös motivierten basisdemokratischen Ansatz - gesichert scheint. Verbindliche Lehre einer Religionsgemeinschaft kann es gerade sein, eine Vielzahl an Glaubensfragen und Verhaltensgeboten dem einzelnen anheimzustellen (s. o. 1. Kap. V. 4.). Auch droht sich unter der Perspektive des z.T. geforderten „Ansprechpartners" ein bestimmtes, auf ein besonderes Näheverhältnis und Kooperation abstellendes verfassungstheoretisches Verständnis des Körperschaftsstatus subkutan in die Auslegung des Art. 137 V 2 WRV einzuschleichen. Dies läuft der oben entfalteten und näher begründeten religionsfreiheitsbasierten Perspektive entgegen und ist deshalb abzulehnen. (d) Weitere Indikatoren. Die genannten Indikatoren für den Fortbestand einer Religionsgemeinschaft bilden einen numerus apertus, weitere Aspekte können also dazukommen. Das Bundesverfassungsgericht nennt etwa den Gesichtspunkt der „Intensität des religiösen Lebens", 248 betont zugleich aber, daß in die Beurteilung keine Umstände einfließen dürften, „deren Bewertung dem religiös-weltanschaulich neutralen Staat verwehrt ist". 2 4 9 Dies bedeutet, wie Karlsruhe in begrüßenswerter Klarheit herausgestellt hat, daß Religionsgemeinschaften, die den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts anstreben, seitens des Staates „nach ihrem Verhalten", „nicht nach ihrem Glauben" zu beurteilen sind. 250 Die Intensität des religiösen Lebens ist deshalb keine theologische Kategorie, sondern knüpft an sozialempirische Daten an, wie etwa der Regelmäßigkeit von und Teilnahme an Zusammenkünften und einer darauf zugeschnittenen geographischen Verteilungsstruktur organisatorischer Untereinheiten, so daß die Partizipation der Mitglieder gemäß den jeweiligen religiösen Vorstellungen sichergestellt ist. 2 5 1 246 Cf. H. Weber, ZevKR 34 (1989), 337 (349). 247 R. Tillmanns, DÖV 1999, 441 (445); S. Muckel, DÖV 1995, 311 (314); ders., Der Staat 38 (1999), 569 (590); D. Zacharia, KuR 2001, 33 (35) = 210, 21 (23). 248 Cf. BVerfGE 105, 370 (385); dito H. Weber, ZevKR 34 (1989), 337 (352); G. Held, S. 118; J. Müller-Volbehr, JZ 1981, 41 (47). 249 BVerfGE 105, 370 (385). 250 BVerfGE 105, 370 (394). 251 K. Müller, ZevKR 2 (1952/53), 139 (152 164 f.); J. Müller-Volbehr, JZ 1981, 41 (47); A. v. Campenhausen, ZevKR 25 (1980), 135 (145); H. Weber, ZevKR 34 (1989), 337 (352) mit Varianzen in den Konkretionen.

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

(e) Das Problem der Weltuntergangserwartung. Ein aus dem Prinzip der Neutralität abzuleitendes Abstellen auf das äußere Verhalten einer Religionsgemeinschaft schlägt schließlich auch zu Buche, wenn man bedenkt, welche Relevanz radikaleschatologische Aussagen über das bald oder unmittelbar bevorstehende Ende der uns gegenwärtigen Welt und Zeit für die Gewähr der Dauer einer Religionsgemeinschaft haben kann. Hier kollidieren das durch die Endzeiterwartung zum Ausdruck gebrachte Selbstverständnis mit der durch die Antragstellung artikulierten Erwartung, noch einen maßgeblichen Zeitraum in den Genuß der Körperschaftsrechte zu kommen. Dann kann es von Verfassungs wegen nicht Aufgabe des VerleihungsVerfahrens sein, Widersprüche zwischen den apokalyptisch-theologischen Aussagen einer Religionsgemeinschaft und ihrer Praxis zum Gegenstand staatlich gesteuerter gelehrter oder autoritativer Disputationen zu machen. Maßgeblich kann insoweit nur sein, ob trotz der potentiellen Enttäuschung über Fehlprophezeiungen die Gewähr der Dauerhaftigkeit besteht oder es nicht vielmehr wahrscheinlich ist, daß sich ein Großteil der Mitglieder enttäuscht abwendet. Im Falle der Zeugen Jehovas konnte dabei seitens des Bundesverfassungsgerichts nicht ohne einen gewissen süffisant-ironischen Unterton festgestellt werden, daß ihr „Mitgliederbestand ... unbeeinträchtigt" ist, obwohl „mehrmals ein von ihr konkret berechneter Weltuntergang nicht stattgefunden hat." 2 5 2 (f) Bedeutung im öffentlichen Leben. Die Bedeutung im öffentlichen Leben schließlich mag man gleichfalls als Indikator für den prospektiven Bestand einer Religionsgemeinschaft ansehen.253 Freilich sind hier keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Schon durch die sogleich behandelte Mindestanzahl an Mitgliedern dürfte eine ausreichende öffentliche Bedeutung gewährleistet sein. 254 (2) Zahl der Mitglieder. Eigens hervorgehoben ist in Art. 137 V 2 WRV neben der Verfassung die Zahl der Mitglieder als Kriterium für die Dauerhaftigkeit einer Religionsgemeinschaft. In der Praxis wird dabei dem Vernehmen nach 1 %o der Einwohnerzahl des statusverleihenden Landes als Maßstab zugrundegelegt, 255 wovon jedoch häufig nach unten abgewichen wurde. 256 Dies zeigt, daß die in der Verfassung genannten Indizien und die dazu durch Rechtsprechung, Verwaltungspraxis und Literatur entwickelten Konkretisierungen ein flexibles Raster der 252 BVerfGE 102, 370 (386); cf. bereits C. Link, ZevKR 43 (1998), 1 (18) mit Verweis auf die gegenteilige Ansicht von K. Müller, ZevKR 2 (1952 /1953), 139 (139); cf. ferner M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 694 (699 Fn. 17). 253 So BVerfGE 66, 1 (24); U. Doose, Die Rechstellung der evangelischen Freikirchen in Deutschland, Diss, jur Marburg 1963, S. 158; R. Smend, ZevKR 2 (1951/52), 374 (378); A. v. Campenhausen, ZevKR 25 (1980), 135 (168); ders., ZevKR 46 (2001), 165 (173); hiergegen bereits K. Müller, ZevKR 2 (1951 /52), 139 (159); E. Bopp, ZevKR 3 (1953/54), 184 ff.; G. Held, S. 122; J.Müller-Volbehr, JZ 1981,41 (47);//. Weber, ZevKR 34 (1989), 337 (353 f.). 254 E. D. Bohl, S. 32 f. 255 VG Berlin, NVwZ-RR 2000, 606 ff.; H. Weber, ZevKR 34 (1989), 337 (354 f.). 256 G. Held, S. 120; /. Storie, ZevKR 29 (1984), 632 (637); zu den Grenzen aber auch OVG Berlin, NVwZ-RR 2000, 604 ff.; B. Lindner, S. 56.

IV. Der Neuerwerb des Körperschaftsstatus

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Gesamtbetrachtung ergeben, das einen von der statusverleihenden Stelle zu füllenden, begrenzten Prognosespielraum eröffnet. Dabei markieren der Anspruchscharakter des Art. 137 V 2 WRV mit einer gebundenen Entscheidung als Rechtsfolge und die paritätische Stoßrichtung der Norm zugleich normative Rahmen vorgaben, die nicht quasi durch die Hintertür mittels einer exzessiven Interpretation der Merkmale der „Verfassung" und der „Zahl der Mitglieder" aufgeweicht werden dürfen. 257 b) Allgemeine Grundrechtsdogmatik statt ungeschriebener Tatbestandsmerkmale eine methodische Grundsatzfrage

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Literatur und Rechtsprechung machen über die in Artikel 137 V 2 WRV genannten Voraussetzungen weitere, ungeschriebene Bedingungen für den Erwerb des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts geltend. Genannt wird hierbei weitgehend einhellig das Merkmal der „Rechtstreue". 258 Hierunter wird insbesondere verstanden, daß die statusanstrebende Religionsgemeinschaft die durch die Verleihung des Körperschaftsstatus übertragenen Hoheitsrechte nur im Rahmen der mit ihnen verbundenen rechtlichen Bindungen ausübt, sich aber auch darüber hinaus in jeglicher Hinsicht generell im Rahmen der durch die Rechtsordnung gesetzten Grenzen zu bewegen hat. Nach weitergehenden Vorstellungen hat eine Religionsgesellschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts ferner grundlegende Verfassungsprinzipien sowie die grundrechtlich geschützten Rechtspositionen Dritter nicht zu gefährden, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Begehren der „Zeugen Jehovas", sich als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu organisieren, näher dargelegt hat. 2 5 9 Das Gericht spricht bezeichnenderweise insoweit nicht von „ungeschriebenen", sondern von in Art. 137 V 2 WRV nicht ausdrücklich „benannten" Voraussetzungen. Die Verpflichtung öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften, verfassungsund auch sonst rechtskonform zu agieren, läßt sich im Ergebnis schwerlich bestreiten und entspricht einer lebensweltlichen Intuition. Solche Inuitionen sind nicht zu unterschätzen: jedenfalls aus den faktischen Vollzügen heraus und unter den Rezeptionsbedingungen einer „Mediendemokratie" geben sie einen deutlichen 257 So aber etwa Κ Müller, ZevKR 2 (1952/53), 139 (157), der unter dem Merkmal der „Verfassung" die „Hoheitswürdigkeit" einer Religionsgesellschaft verhandelt wissen will; anders dagegen BVerwGE 105, 117 (121); OVG Berlin, NVwZ 1006, 478 ff.; VG Berlin, NVwZ 1994, 609 ff.; cf. M. Morlok/ M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (699). 258 BVerwGE 105, 117 (121 ff.); S. Mückel, DÖV 1995, 311 (315 f.); P. Kirchhof, HdbStKirchR 2 I, S. 651 (682 ff.) A. Hollerbach, JZ 1997, 1117 (1118); C. Link, ZevKR 43 (1998), 1 (20 ff.); G. Thüsing, DÖV 1998, 25 (26); R. Tillmanns, DÖV 1999,441 (447); J. Winter, ÖARR47 (2000), 202(211);//. Weber, Religion-Staat-Gesellschaft2(2001),47 (58);B. Lindner, S. 66 ff. 259 BVerfGE 102, 370 Ls. 1 b).

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

Hinweis für ein „richtiges" Ergebnis und eine Weisheit für sich in Anspruch nehmen könnende Verfassungsrechtsprechung. In dieser Hinsicht gilt es alleine die genaue verfassungsdogmatische Konstruktion einer solchen Anforderung zu analysieren. Problematisch und auch auf deutlichen Widerspruch gestoßen260 sind dagegen Versuche in der Rechtsprechung und in Teilen des Schrifttums, über die Anforderungen der Rechtstreue und der eher formal verstandenen Verfassungskonformität hinaus weitere, stärker affirmativ aufgeladene ungeschriebene Verleihungsvoraussetzungen zu postuliert. Dies bezieht sich sowohl auf das Erfordernis einer „Staatsloyalität" 261 wie auf jede Form von „AnerkennungsWürdigkeit", 262 „Dignität", „Qualitätskontrolle" 263 oder die Bedingung einer abendländisch geprägten kulturellen Verwurzelung der antragstellenden Religionsgemeinschaft. 264

aa) Dogmatische Einhegung des Erfordernisses der Rechtstreue zugleich eine Urteilsanmerkung zu BVerfGE 102, 370 (1) Rechtstreueerfordernis qua Beleihung? Die Rechtstreue einer antragstellenden Religionsgesellschaft wird in Literatur und Rechtsprechung als selbstverständliche VerleihungsVoraussetzung verstanden. 265 Grundtenor der entsprechenden Ausführungen ist, daß der Staat nicht verpflichtet sei, einer Religionsgesellschaft Körperschaftsrechte zu verleihen, die sich in erheblichem Umfang gegen die bestehende Rechtsordnung auflehne und deren Betätigung mit dem geltenden Recht unvereinbar sei. 266 Soweit man überhaupt Ausführungen zur möglichen dogmatischen Konstruktion dieses im Ergebnis selbstredend zunächst einmal einleuchtenden Ergebnisses findet, wird auf den Aspekt der Beleihung, die mit der Verleihung des Körperschaftsstatus einhergeht, abgestellt. Da eine öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft berechtigt sei, öffentliche Gewalt auszuüben, habe sie auch die damit einhergehenden rechtlichen Bindungen

260 Cf. J. Müller-Volbehr, NJW 1997, 3358 ff.; S. Huster, JuS 1998, 117 (120 f.); S.Korioth, GS Jeand'Heur, 1999, 221 (236 ff.); G. Robbers, FS Heckel, 1999, S. 411 (419 ff.); M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (699 ff.); H Weber, Religion - Staat - Gesellschaft 2 (2001), 47 (60 f.); B. Lindner, S. 76 ff. 261 BVerwGE 105, 117 (124 ff.); C. Pageis, JuS 1996, 790 ff.; in der Sache auch S. Muckel, Der Staat 38 (1999), 569 ff.; ders., Jura 2001, 456 ff.; ders., Stimmen der Zeit 2001, 463 ff.; G. Thüsing, DÖV 1998, 25 (26 ff.); kritisch zum Erfordernis einer solchen Loyalität A. v. Campenhausen, ZevKR 46 (2001), 165 (175 ff.); J. Winter, ÖARR 47 (2000), 201 (212). 262 R. Smend, ZevKR 2 (1951/52), 374 ff. 263 D. Reupke, KuR 1997, 91 (101) = 210, 7 (17); cf. a. Λ. ν. Campenhausen, ZevKR 25 (1980), 135 (169 f.); C Link, ZevKR 43 (1998), 1 (22). 264 A. Albrecht, KuR 1995, 25 (28 ff.) = 210, 1 (3 ff.). 265 Siehe Nachweise in Fn. 258. 266 OVG Berlin, NVwZ 1996, 478 (480).

IV. Der Neuerwerb des Körperschaftsstatus

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zu akzeptieren. 267 Die Rechtstreue des Beliehenen sei nach allgemeinen Grundsätzen Voraussetzung der Beleihung Privater und deshalb auch eine ungeschriebene Voraussetzung für die Vergabe des Körperschaftsstatus an eine Religionsgemeinschaft. Wie bereits oben ausgeführt, besteht freilich zwischen der Verleihung des Körperschaftsstatus und sonstigen Formen der Beleihung Privater eine derart signifikante Divergenz, daß hier von einem Rückgriff auf „allgemeine Grundsätze" nicht mehr sinnvoll gesprochen werden kann. 268 Denn in Artikel 137 V 2 WRV wird ein verfassungsrechtlicher Zwang zur Beleihung statuiert, der in dieser Weise eine singuläre Erscheinung im deutschen Recht darstellt. Hinzu kommt, daß den Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts ein ebenfalls subjektiv gewährleistetes Wahlrecht zukommt, ob und in welchem Maße sie die mit dem Körperschaftsstatus verbundenen Privilegien auch tatsächlich nutzen wollen. Auch insoweit ist eine deutliche Unterscheidung zu sonstigen Formen der Beleihung zu ziehen. Dies ist zugleich Ausdruck der Differenz des Zweckes, der mit dem Rückgriff auf hoheitliche Handlungsformen verbunden ist. Bei sonstigen Privaten, ζ. B. dem TÜV e.V., geht mit der Übertragung der Hoheitsgewalt zugleich eine Verpflichtung zur Erfüllung spezifisch öffentlicher Aufgaben einher. Religionsgesellschaften verfolgen in öffentlich-rechtlicher Rechtsform ausschließlich eigene, nämlich religiöse Zwecke. In welchem Umfang sich die religiöse Gruppierung dabei der besonderen, vom Staat mit dem Rechtsstatus verbundenen Mittel bedient, ist ausschließlich in ihr Belieben gestellt. 269 Schließlich liegen die Dinge bezüglich der Grundrechtsbindung anders. Bei der Beleihung Privater ist von Verfassungs wegen zu gewährleisten, daß die übertragene Staatsgewalt grundrechtskonform und rechtskonform (Artikel 20 III GG) ausgeübt wird. Der Staat soll sich unter keinen Umständen seiner grundrechtlichen Bindung entziehen können - weder durch die Flucht in die Rechtsform des Privatrechts noch durch die Einschaltung Privater. Im Falle der Beleihung einer Religionsgesellschaft infolge des Körperschaftsstatus ist dagegen keine umfassende Grundrechtsbindung der begünstigten Religionsgemeinschaft auszumachen. Unmittelbar grundrechtsgebunden ist allein die staatlich vermittelte Hoheitsgewalt, die sich auf eng begrenzte Einzelrechte der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft erstreckt. Im übrigen unterliegt die Religionsgemeinschaft qua Organisationsform, da sie Körperschaft sui generis ist und nicht in die allgemeine Staatsverwaltung inkorporiert wird, ohne besondere gesetzliche Grundlage keinen spezifisch öffentlichrechtlichen Bindungen. Und auch innerhalb der limitierten Grundrechtsbindung 267 BVerwGE 105, 117 (122); A. v. Campenhausen, ZevKR 46 (2001), 165 (174 ff.); S. Muckel, Jura 2001, 456 (459); H. Weber, ZevKR 34 (1989), 337 (357); ders., ZevKR 41 (1996), 172 (214); ders., Religion - Staat - Gesellschaft 2 (2001), 47 (59); C Link, ZevKR 43 (1998), 1 (20 f.); G. Thüsing, DÖV 1998, 25 (26). 268 s. Korioth, GS Jeand'Heur, 1999, 221 (237). 269 H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 95; S. Mückel, DÖV 1995, 311 (316).

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

unterscheiden sich Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts von sonstigen Beliehenen, denn sie bleiben auch in diesem Bereich, weil sie eigene, religionsfreiheitlich geschützte Zwecke verfolgen, Grundrechtsträger. 270 Die Grundrechtsbindung öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften wird also anders als bei sonstigen Beliehenen durch die Gewährleistung eigener Grundrechte transformiert. 271 Die in der Literatur und Rechtsprechung anzutreffende Bezugnahme auf die Beleihung einer Religionsgemeinschaft vermag also für sich alleine wegen der aufgezeigten Unterschiede zu sonstigen Formen der Beleihung nicht hinreichend die Verleihungsvoraussetzung der Rechtstreue stützen. Auch wenn im übrigen für Beleihungen Rechtstreue verlangt wird, läßt sich dieser Befund mangels Vergleichbarkeit auf die Verleihung des Körperschaftsstatus an Religionsgesellschaften nicht ohne weiteres übertragen. Allenfalls läßt sich insoweit sagen, daß korporierten Religionsgemeinschaften von Verfassungs wegen verpflichtend aufgegeben ist, die übertragenen, spezifisch öffentlich-rechtlichen Befugnisse verfassungs- und rechtskonform zu gebrauchen. Soweit sie diese Bindung hinreichend prognostizierbar nicht erfüllen werden, liegt es nahe, ihnen den Status a priori zu versagen. Zwingend ist auch dieser Überschritt gleichwohl nicht, jedenfalls läßt er sich nicht ohne weiteres in den Verfassungstext einzeichnen. (2) Analyse der Entscheidungsgründe BVerfGE 102, 370 ff. Einen auch in dogmatischer Hinsicht relativ ausführlichen Begründungsgang in Bezug auf nicht in Art. 137 V 2 WRV ausdrücklich benannte Verleihungsvoraussetzungen läßt sich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Anspruch auf Verleihung des Körperschaftsstatus der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas entnehmen. Auch sie ist dadurch gekennzeichnet, daß Rechtsbindungen der Beleihung qua Rechtsform nachgegangen wird, sie geht jedoch im weiteren Duktus darüber hinaus. Da die Entscheidung relativ jung ist und die erste ausführliche verfassungsgerichtliche Äußerung zum Komplex der Verleihungsvoraussetzungen darstellt, scheint es geboten, auf das Judikat näher einzugehen. Die Analyse der Entscheidung mag dabei pars pro toto für die Skepsis gegenüber der von weiten Teilen des Schrifttums geteilten Annahme ungeschriebener Verleihungsvoraussetzungen insgesamt stehen. (a) Einheit der Verfassung und Art. 9 II GG. Ausgangspunkt der Überlegungen des Gerichts ist der verfassungsdogmatische Topos von der Einheit der Verfassung: Die Auslegung der relevanten Normen habe sich leiten zu lassen von den Wertungen des Grundgesetzes insgesamt.272 Im Ansatz wird dabei der Körperschaftsstatus 270 Anders dagegen etwa Technische Überwachungsvereine; cf. BVerfG, NJW 1987, 2501 ff. 271 R Kirchhof HdbStKirchR 2 I, S. 651 (677). 272 BVerfGE 102, 370 (386).

IV. Der Neuerwerb des Körperschaftsstatus

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begriffen als Mittel zur Entfaltung der Religionsfreiheit. Dieses Instrument berge als Vergünstigung für die Religionsgemeinschaft zugleich aber die erhöhte Gefahr eines Mißbrauchs zum Nachteil der Religionsfreiheit der Mitglieder oder anderer Verfassungsgüter. Ein solches Potential gegenläufiger, in den Körperschaftsstatus eingetragener Interessen auf Freiheitsförderung einerseits und Freiheitsschutz Dritter und Berücksichtigung sonstiger Verfassungsprinzipien andererseits versucht das Bundesverfassungsgericht nun in mehreren Argumentationsschritten einander zuzuordnen, ohne aber, um eine Bewertung gleich vorweg zu nehmen, in den dogmatischen Strukturen vollends zu befriedigenden Ergebnissen zu kommen. Dabei betont das Gericht, das eingedenk der Inkorporation der Weimarer Kirchennormen in die neue Verfassung weitere Einschränkungen aus dem Gesamtzusammenhang des Grundgesetzes denkbar seien. So sei der Körperschaftsstatus jedenfalls dann zu versagen, wenn die Voraussetzungen erfüllt seien, unter denen private Vereinigungen nach Artikel 9 II GG verboten sind. Es sei nicht einsichtig, daß öffentlichrechtliche Religionsgemeinschaften weniger festen Bindungen unterliegen sollten als private Vereinigung. 273 (b) Art. 20 III GG. Neben dem auch in der Literatur häufig zu findenden Verweis auf Art. 9 II G G 2 7 4 zieht das Bundesverfassungsgericht zur Stützung der Annahme, daß die Rechtstreue einer Religionsgemeinschaft Voraussetzung zur Verleihung der Körperschaftsrechte sei, eine zweite Säule in seine Argumentation ein, indem es auf Art. 20 III GG zurückgreift. 275 In der Tat gebietet Art. 20 III GG, daß eine Religionsgemeinschaft die ihr übertragene Hoheitsgewalt in Einklang mit den verfassungsrechtlichen und den sonstigen gesetzlichen Vorgaben auszuüben hat. Doch Karlsruhe will das Gebot der Rechtskonformität als Verleihungsvoraussetzung über den Bereich des durch öffentliche Gewalt geprägten, spezifisch hoheitlichen Handelns einer Religionsgemeinschaft hinaus verstanden wissen. Es bestehe eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht zum Rechtsgehorsam. Eine Verletzung dieser sei zwar sonst nur an bestimmte, jeweils ausdrücklich durch Rechtsnormen gekennzeichnete Sanktionen gebunden; bei einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft sei aber zu erwarten, daß sie nicht erst durch Sanktionen zu rechtskonformem Handeln angehalten werden müsse. Denn sonst sei zu befürchten, daß auch die übertragenen Hoheitsrechte nicht rechts- und verfassungskonform ausgeübt würden. Auch müsse der Staat insgesamt Sorge tragen, daß durch das Handeln öffentlich-rechtlicher Gebilde Rechte Dritter nicht verletzt würden, selbst wenn diese Zuordnung zum öffentlich-rechtlichen Rechtskreis eine eher formale sei.

273 BVerfGE 102, 370 (390); cf. a. BVerwGE 105, 117 (121); OVG Berlin, NVwZ 1996, 478 (480); VG Berlin, NVwZ 1994, 609. 274 Cf. S. Korioth, GS Jeand'Heur, 1999, 221 (236); H. Weber, ZevKR 34 (1989), 337 (356); ders., Religion - Staat - Gesellschaft 2 (2001), 47 (59); J. Müller-Volbehr, NJW 1997, 3358; G. Robbers, FS Heckel, 1999, S. 411 (413); C. Link, ZevKR 43 (1998), 1 (21), der zgl. betont, daß die Rechtstreue über Art. 9 II GG hinausweist; a. G. Thüsing, DÖV 1998,25 (26). 275 BVerfGE 102, 370 (390); cf. a. BVerwGE 105, 117 (122).

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

Die so skizzierte Rechtstreuepflicht einer den Körperschaftsstatus anstrebenden Religionsgemeinschaft wird seitens des Bundesverfassungsgerichts in dreifacher Weise, als „insbesondere" zu erfüllende, aber in Art. 137 V 2 WRV nicht benannte Voraussetzung näher konkretisiert: die Religionsgemeinschaft müsse Gewähr dafür bieten, daß „ihr zukünftiges Verhalten die in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen Verfassungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts des Grundgesetzes nicht gefährdet." 276 (c) Rechtspflichten infolge der Verleihung als Verleihungsvoraussetzung? Im gesamten Argumentationsgang bemüht sich das Gericht, einen Mittelweg zu finden zwischen einem Körperschafts Verständnis, das die Rechtsform von einer besonderen Staatsnähe ausgezeichnet sehen will und einem Zugang zu Art. 137 V 2 WRV, der maßgeblich grundrechtlich, genauer: religionsfreiheitlich geprägt ist. 2 7 7 Bei einem solchen Vorgehen droht dadurch Ungemach, daß die jeweiligen dogmatischen Kompositionen und ihre jeweiligen ergebnisleitenden verfassungstheoretischen und pragmatischen Voraussetzungen ineinander geschoben werden, ohne daß sich eine produktive Synthese bilden ließe. Diese Gefahr hat sich im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zwar nicht hinsichtlich des Ergebnisses, aber doch im Detail der Begründungen und der rechtstechnischen Konstruktionen teilweise realisiert. Greift man den allgemein geteilten und auch vom Bundesverfassungsgericht favorisierten Ausgangspunkt auf, daß mit der durch den Körperschaftsstatus einhergehenden Beleihung zugleich gewisse Rechtsbindungen verknüpft sind, und beschränkt sich für einen Moment alleine auf diesen konsensfähigen Gesichtspunkt, so ist schon hierfür festzuhalten, daß eine wie auch immer geartete Rechtsbindung alleine rechtstechnisch keine Verleihungsvoraussetzung darstellt. 278 In der Sache wird hier einer staatskirchenrechtlichen Sonderdogmatik das Wort geredet, für die es weder verfassungsrechtlich noch in der Sache Anlaß und Bedürfnis gibt. Die für Art. 137 V 2 WRV weithin angenommene Metamorphose einer mit einer bestimmten (begünstigenden) Rechtsfolge einhergehenden, von dieser abhängigen, also sekundären Rechtspflicht in eine Voraussetzung dafür, überhaupt in den Genuß der Rechtsfolge zu kommen, ist bereits rechtslogisch verfehlt. Wie kann etwas Verleihungsvoraussetzung sein, an das der Antragsteller erst nach der Verleihung als Rechtsfolge 2. Ordnung überhaupt gebunden ist? Konsequent zu Ende gedacht, geböte eine solche Konstruktion, weite Teile unserer zivil- wie verwaltungsrechtlichen Dogmatik umzuschreiben. Die Geltung eines Vertragsschlusses hinge davon ab, ob zu prognostizieren ist, daß die durch den Vertrag erst begründeten Haupt- und Nebenpflichten eingehalten werden. Nebenbestimmungen determinierten die Wirksamkeit eines begünstigenden Verwaltungsaktes unabhängig von der gesetzlichen Bestimmung in § 36 VwVfG. 276 BVerfGE 102, 370 (393). 277 So auch die Einschätzung von S. Muckel, Jura 2001, 456 (459). 278 s. Korioth, GS Jeand'Heur, 1999, 221 (238).

IV. Der Neuerwerb des Körperschaftsstatus

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(d) Staatskirchenrechtliche Sonderdogmatik. Auch die von Karlsruhe herausgearbeitete besondere staatliche Einstandspflicht für die Rechtseinhaltung seitens aller öffentlich-rechtlichen Gebilde läßt sich zu Ende gedacht ad absurdum führen: eine solche Pflicht, in der gleichen Logik verfassungsrechtlich auf andere öffentlich-rechtliche Organisationen angewendet, würde darauf hinauslaufen, eine im Rang eines allgemeinen Verfassungsprinzips fungierende staatliche Interventionsbefugnis und Gefahrenabwehrpflicht zu statuieren, die das geschriebene Verfassungsrecht, die darin zum Ausdruck kommenden checks and balances, Kompetenzzuweisungen und Kompetenzblockaden überlagert und als nichtbenannte Rechtsgewährsvoraussetzungen ergänzt und die von (verfassungs-)gesetzlichen Vorgaben losgelöst fungiert. Hier droht eine dem Grundgesetz fremde Logik der pauschalen Verweigerung von Verfassungsrechten im Falle rechtsabweichenden Verhaltens. Diese Gefahr erkennt das Bundesverfassungsgericht im konkreten Fall jedenfalls insoweit, als es ihr dadurch zu begegnen sucht, daß ein partieller, religiös motivierter Dissens zwischen Staat und Religionsgemeinschaft über Verhaltensanforderungen unschädlich sein soll. Doch ist fraglich, ob dies genügt, die vom Bundesverfassungsgericht unspezifiziert „dem Staat" zuerkannte Sorgetragungspflicht zur Abwendung von Rechtsverletzungen Dritter durch „öffentlich-rechtliche Gebilde" verfassungsgemäß zu leiten. Man übertrage die potentiellen Konflikte um das Vorliegen von Rechtstreue auf andere öffentlich-rechtliche, verfassungsrechtlich geschützte Organisationen wie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder kommunale Körperschaften. In Bezug auf diese würden Rechtsprechung und Schrifttum unisono sagen, daß eine Konditionierung der Verfassungsrechte durch die Einhaltung der Rechtsordnung zwar einen beachtenswerten Rechtsgedanken zum Ausdruck bringt, aber in dieser Weise zu unspezifisch, zu wenig verfassungsdogmatisch durchformt sei. Gleiches hat aber erst recht für Religionsgemeinschaften zu gelten, die in öffentlich-rechtlicher Rechtsform eine Gestalt eigener Art einnehmen und im Vergleich zu den gleichfalls freiheits- wie organisationsrechtlich durch die Verfassung besonders geschützten Kommunalkörperschaften und Rundfunkanstalten entschieden einer zivilgesellschaftlichen, vom Staat gerade zu unterscheidenden Sphäre zuzuordnen sind. (e) Art. 79 III GG als Verleihungshemmnis? Dieses Manko der fehlenden verfassungsdogmatischen Durchdachtheit und auch bewußten Vagheit der Urteilsbegründung des Bundesverfassungsgerichts überträgt sich auch auf die darin hervorgehobenen drei Konkretionen der Rechtstreue (fundamentale Verfassungsprinzipien i. S. d. Art. 79 III GG, Grundrechte Dritter, Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts) 279. Auffällig ist an diesen zunächst, daß mit ihnen die verfassungsrechtliche Ebene wieder aufgesucht wird, nachdem das Erfordernis der Rechtstreue für sich sehr pauschal eingeführt und verhandelt wurde („von einer Vereinigung darf erwartet werden ...", „der Staat muß darauf bedacht sein ...").

279 BVerfGE 102, 370 (Ls. 1 b) und 392 ff.). Kritisch auch mit anderer Ausgangsposition S. Muckel, Jura 2001, 456 (459 f.).

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

Der Verweis auf Art. 79 III GG im Zusammenhang mit dem Erfordernis der Rechtstreue überrascht, ist Normadressat doch der verfassungsändernde Gesetzgeber. 280 Im Ergebnis ist wiederum gegen den Rückgriff auf die in Art. 79 III GG formulierten Verfassungsprinzipien mit „Höchstrelevanz" nicht zu erinnern. Soweit man darauf abstellt, daß der Verleihungsanspruch nach Art. 137 V 2 WRV unter Zugrundelegung eines prognostizierbaren Szenarios schwerwiegender Rechtsverletzungen einer Religionsgemeinschaft entfallen kann, 281 dann sind die in Art. 79 III GG formulierten Grundsätze erste Kandidaten für die Auslösung einer solchen Verlust Wirkung. Zugleich stellt sich aber eingedenk des Eingangsvotums der Urteilsbegründung, daß die Auslegung der Weimarer Staatskirchenartikel im Lichte des gesamten Grundgesetzes zu erfolgen habe, die Frage, warum neben der Menschenwürde sowie den Grundsätzen der Menschenrechte, der demokratischen und sozialen Bundesstaatlichkeit, der Volkssouveränität, der Verfassungsmäßigkeit der Gesetzgebung wie der Gesetzmäßigkeit von Verwaltung und Rechtsprechung nur noch die Verfassungsrechte Dritter und die Grundprinzipien des Religionsverfassungsrechts eine anspruchsenthebende Wirkung haben sollen. Ist etwa, greift man auf den Ausgangspunkt der Interpretation des Art. 137 V 2 WRV im Lichte der Gesamtverfassung auf, ein fundamentaler Gegensatz einer Religionsgemeinschaft zu den Leitprinzipien der grundgesetzlichen Wehrverfassung oder der Steuerverfassung per se unerheblich? Oder wäre dies im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht zwar außerhalb des „insbesondere"-Diktums, aber doch unter dem Gesichtspunkt der Rechtstreue anspruchshemmend zu berücksichtigen? Dann aber wäre der Verweis auf Art. 79 III GG lediglich Illustration zwecks Plausibilitätsgewinn. Die genannten, die Rechtstreue auf Verfassungsebene konkretisierenden Fundamentalprinzipien wären colorandi causa erwähnt, hätten jedoch keine begrenzende Funktion hinsichtlich der einzuhaltenden Verfassungselemente der antragstellenden Religionsgemeinschaft. Dies ist durchaus in der Logik der Instellungbringung des Art. 79 III GG konsequent, ohne daß dies in der Urteilsbegründung eine Behandlung erführe. Denn Art. 79 III GG wäre außerhalb der Frage nach Zulässigkeiten von Verfassungsänderungen nur als Markierung besonders relevanter Verfassungsgüter, konvertiert in ein Prinzipienprogramm, 282 nicht aber als strenge Abschichtung von Problem- und Rechtslagen heranzuziehen. Deshalb be280 Cf. a. S. Muckel, Jura 2001, 456 (459). 281 Was vernünftiger Weise (ganz im kantischen Sinne, für den das Recht der Inbegriff der Bedingungen ist, nach denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen vereinigt werden kann - I. Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre (1797), 1986, S. 38) verfassungstheoretisch ebenso angeraten ist wie die Annahme einer Begrenzung der Grundrechte allgemein durch die Grundrechte Dritter. 282 Grds. zum Prinzipienmodell im Verfassungsrecht R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 2, Aufl. 1994, S. 71 ff. u. a. im Anschluß an R. Dworkin, Bürgerrecht ernstgenommen, 1984, S. 54 ff. und öfter; cf. a. M. Morlok, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Verfassungstheorie, 1988, S. 110 ff. und Κ F. Röhl, Rechtslehre, S. 251 ff., 622 f.

IV. Der Neuerwerb des Körperschaftsstatus

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stünde auch Raum für eine abgestufte Relevanz nicht in Art. 79 III GG genannter Verfassungsrechte, soweit diese als Prinzipien des Grundgesetzes reformuliert werden können. Für eine Applikation auf konkrete Rechtskonflikte bedarf Art. 79 III GG als Katalog der Verfassungsprinzipien mit Höchstrelevanz aber ebenso wie sonstige Verfassungsprinzipien einer Respezifizierung, 283 die wiederum dogmatische Bahnen zur angemessenen, und das heißt unter rechtsstaatlichen Bedingungen: ergebnisoffenen Zielführung fordert. Dies läßt von einem direkten Zugriff auf entsprechend „ätherisch" gefaßte Rechtsgüter zurückschrecken; erforderlich ist vielmehr ein Wechsel ihres „Aggregatzustandes" durch verfassungsdogmatisch steuerbare „Energiezufuhr". (f) Grundrechtsachtung als Rechtstreue? Gleichfalls Verwunderung muß die nähere Ausführung des Bundesverfassungsgerichts zur Konstruktion einer Grundrechtsachtung öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften über den Bereich der Hoheitsrechte hinaus als Teilbestand der Verleihungsvoraussetzung „Rechtstreue" hervorrufen. Mit dem Schrifttum wird zunächst einer unmittelbaren Bindung der korporierten Religionsgemeinschaften an die Grundrechte des Grundgesetzes außerhalb der übertragenen hoheitlichen Befugnisse eine Absage erteilt. Statt dessen werden die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften in das grundrechtliche Schutzpflichtenprogramm des Staates einbezogen. Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts verfügten „über besondere Machtmittel und einen erhöhten Einfluss in Staat und Gesellschaft. Ihnen liegen deshalb die besonderen Pflichten des Grundgesetzes zum Schutz der Rechte Dritter näher als anderen Religionsgemeinschaften". 284 Diese Ausführungen erinnern mit ihrer Abstellung auf gesellschaftliche Machtpotentiale an die seit geraumer Zeit aufgegebene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte im Arbeitsrecht 285 und werfen damit die Frage auf, wie andere gesellschaftlich potente Akteure in Bezug auf ihre Bindung an Schutzpflichten zu bewerten sind - etwa Parteien i. S. d. Art. 21 GG. Darüber hinaus wird der Adressat grundgesetzlicher Schutzpflichten augenscheinlich verfehlt zugeordnet: denn nicht die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften als solche, sondern die durch die Verfassung konstituierte öffentliche Gewalt unterliegt den aus Grundrechten ableitbaren Schutzpflichten. 286 Die den Körperschaftsstatus innehabenden Religionsgesellschaften können diesen Bindungen höchstens vom Staat abgeleitet und damit nur im Bereich der spezifisch öffentlich-rechtlich ausgeformten Handlungsoptionen als Träger, als Subjekt der Verpflichtung unterliegen. Ansonsten ist die öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaft wie jede Privatperson und juristische Person des Privatrechts lediglich Objekt staatlicher Schutzpflichten, sei es,

283 Cf. grundsätzlich M. Morlok, Verfassungstheorie, S. 85 ff. 284 BVerfGE 102, 370 (393); BVerfG, NVwZ 2001, 908. 2S5 BAGE 1, 185 (193 f.); anders BAGE 48, 122 (138 f.), nun st. Rspr. 286 Insoweit skeptisch auch H. Weber, Religion - Staat - Gesellschaft 2 (2001), 47 (73 f.); C. Hillgruber, NVwZ 2001, 1347 (1352).

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

daß sie durch Dritte in der Ausübung der ihr religionsverfassungsrechtlich garantierten Freiheiten bedroht ist, sei es, daß sie selbst den Genuß der Grundrechte Dritter in Frage stellt und damit eine staatliche Schutzpflicht aktiviert. 287 Dies ergibt sich aus dem besonderen Charakter der Rechtsform „öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft". Diese sui-generis-Qualität wird vom Bundesverfassungsgericht zwar herausgestrichen, aber nicht konsequent verfolgt. Einerseits fühlte man sich offensichtlich einer traditionellen staatskirchenrechtlichen Linie verpflichtet, andererseits wollte man sich innovativen Lesarten des Art. 137 V 2 WRV nicht verschließen. Herausgekommen ist überspitzt gesagt - so begrüßenswert und eingängig das Urteil insgesamt ist - in den Begründungsstrukturen zuweilen dogmatische und rechtslogische Verwirrung auf hohem Niveau. Zudem ist folgendes zu bedenken: Soweit eine Religionsgesellschaft die Möglichkeit Dritter zur Inanspruchnahme von Grundrechten faktisch bedroht, läßt sich die verfassungsrechtliche Weisung an den Staat, für diese Grundrechte Dritter einzustehen, nicht in eine Eingriffsermächtigung umdeuten. Schutzpflichtige Aktivitäten des Staates sind der Gefahrenabwehr zuzuordnen. Dabei gilt der Grundsatz, daß Aufgabenzuweisungen nicht im Durchgriff zugleich als Kompetenznormen fungieren. Dem entspricht es, den verfassungsrechtlichen Auftrag zum Schutz der Grundrechte Dritter bei der Verleihung des Körperschaftsstatus nicht eins zu eins in eine Verleihungsbedingung umzusetzen.288 (g) Achtung der staatskirchenrechtlichen Prinzipien als Voraussetzung? Schließlich gilt es noch Einwendungen zu erheben gegen die Art und Weise, wie eine Verpflichtung öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften auf die Grundprinzipien der Freiheit, Gleichheit und Trennung von Staat und Kirche im Kontext nichtbenannter Verleihungsvoraussetzungen in Art. 137 V 2 WRV durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts erfolgt. Wenn man - richtigerweise - den Körperschaftsstatus als Mittel zur Entfaltung der Religionsfreiheit begreift, dann dürfe die mit einer öffentlich-rechtlichen Rechtsform versehene Religionsgemeinschaft - so Karlsruhe - nicht diese Freiheit und weiter die im Religionsverfassungsrecht des Grundgesetzes formulierte Balance von Freiheit, Gleichheit und Neutralität insgesamt in Frage stellen. Wiederum überzeugt der Begründungsgang in der Sache, aber nicht in der verfassungsrechtlichen Technik. Der Gedanke der „Wehrhaftigkeit" des Religionsverfassungsrechts erscheint in verfassungstheoretischer Perspektive überaus sinnvoll. Hierfür läßt sich der in der politischen Philosophie ausgeprägte Gedanke der Reziprozität von Anerkennungen als Gleiche und Freie fruchtbar machen (s. ο. 1. Kap. IV.). Zugleich läßt sich dies auf dogmatischer Ebene aber nicht einfach als Bedingungsverhältnis für die Inanspruchnahme von Freiheits-, Gleichheits- und Teilhaberechten durchdeklinieren. Hiergegen streiten insbesondere die expliziten Rege287 Insoweit präziser BVerfG, NVwZ 2001, 908 f., wo lediglich auf den Staat als Adressaten der Schutzpflicht abgestellt wird. 288 So aber auch BVerwGE 105, 117 (122 f.).

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lungen des Grundgesetzes, die allesamt Reaktionsmöglichkeiten auf die Verweigerung reziproker Anerkennung formulieren, also Art. 9 II GG, Art. 18 GG und Art. 21 II GG. Die „Wehrhaftigkeit" des Religions- und Staatskirchenrechts läßt sich deshalb nicht ohne weiteres den Verfassungsgewährleistungen im Durchgriff inskribieren. Hierfür bedarf es vielmehr einer rational-methodischen Steuerung, einer nachvollziehbaren verfassungsrechtlich-verfassungstextuellen Anbindung, einer Strukturierung, die die unterschiedlichen, jeweiligen legitimen Interessen und zu berücksichtigenden tatsächlichen Gegebenheiten zur Geltung bringt. Kurz: Es bedarf der Nutzbarmachung des etablierten verfassungsdogmatischen Instrumentariums der Rechtfertigung von Eingriffen in Verfassungsgarantien durch kollidierendes Verfassungsrecht, der Abwägung als Herstellung praktischer Konkordanz, der Sammlung und Zuordnung relevanter tatsächlicher und verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte durch die Bestimmung der Verhältnismäßigkeit einer Nichtverleihung des Körperschaftsstatus trotz Vorliegens der expliziten Verleihungsvoraussetzungen des Art. 137 V 2 WRV. (3) Generelle Bedenken gegen ungeschriebene Tatbestandsmerkmale. Die skizzierten Bedenken gegen das methodische Vorgehen, das der Annahme in Art. 137 V 2 WRV ungeschriebener Verleihungsvoraussetzungen zugrunde liegt, läßt sich auch auf einer abstrakteren Ebene nochmals formulieren. 289 Ungeschriebene Tatbestandsmerkmale stellen wegen der Bindung von Rechtsprechung und Verwaltung an die lex scripta generell ein methodisches Problem dar. Aus Gründen der Rationalitätsgewähr wie der Berechenbarkeit von Rechtsentscheidungen ist der Heranziehung allgemeiner dogmatischer Grundsätze gegenüber der Konstruktion bereichsspezifischer Lösungen grundsätzlich der Vorzug zu geben. Die Sparsamkeit der Dogmatik kann insoweit als allgemeines methodisches Bauprinzip gelten. Hierdurch wird einerseits der methodischen Willkür vorgebeugt, andererseits die Argumentationslast verteilt. Die Herausarbeitung neuer, bereichsspezifischer Topoi bedarf einer besonderen methodischen oder sachorientierten Begründung; sie muß sich für einen ausgemachten Problembestand der Verfassungsauslegung als leistungsfähiger erweisen. Im Falle der Postulierung weiterer, in Art. 137 V 2 WRV unbenannter Verleihungsvoraussetzungen fehlt es an einem solchen Nachweis. Wie am Beispiel des Urteils des Bundesverfassungsgerichts dargelegt, werden hier Inkonsistenzen, nicht tragfähige Hintergrundannahmen und nicht hinreichend kontrollierbare Öffnungen für religionspolitisch motivierte Dezisionismen evoziert, die der Zielsetzung des Art. 137 V WRV zuwiderlaufen. Es erscheint deshalb vorzugswürdig, auf die allgemeine Grundrechtsdogmatik zurückzugreifen, die zwischen Schutzbereich, Eingriff und verfassungsrechtlicher Rechtfertigung des Eingriffs unterscheidet. Die in der Sache unstrittig erforderliche Absicherung einer grundrechtskonformen Ausübung von mit dem Körperschaftsstatus verbundener Hoheitsgewalt wie die Berücksichtigung anderer kollidierender Rechtsgüter und dem

289 Cf. M. Morlok/ M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (703) m. w. N.; a. S. Korioth, GS Jeand'Heur, 1999, 221 (235 f. und öfter). 22 Heinig

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grundgesetzlichen Religionsverfassungsrecht inhärenter Leitentscheidungen kann sachgerechter und methodisch überzeugender auf der Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 137 V 2 WRV gewährleistet werden.

bb) Zur methodischen Zulässigkeit und Gebotenheit der Anwendung von grundrechtlichen Prüfungsstrukturen auf Art. 137 V 2 WRV (1) Grundrechtsprägung und -Charakter des Art. 137 V WRV. Gegen die Übertragung grundrechtsdogmatischer Prüfungsstrukturen auf Art. 137 V WRV ließe sich einwenden, daß die Norm gar kein Grundrecht darstelle, 290 also die Grundrechtsdogmatik gar keine Anwendung finden könnte, jedenfalls in diesem Fall auch eine Art Sonderdogmatik begründete. Dem ist zuzugestehen, daß Art. 137 V 2 WRV nicht den Charakter eines klassischen Abwehrrechts des Bürgers gegen den Staat zukommt, wie es den Kerntypus an Grundrechten bildet. Doch Art. 137 V 2 WRV fungiert, wie oben bereits herausgearbeitet, als fundamentale, religionsfreiheitsflankierende, die religiöse Vereinigungsfreiheit konkretisierende Teilhabeverbürgung, die deshalb jedenfalls Grundrechtsähnlichkeit aufweist und nicht umsonst in der Weimarer Reichsverfassung ihren systematischen Standort im den Grundrechten und Grundpflichten gewidmeten zweiten Hauptteil gefunden hat. Art. 137 V 2 WRV verweist in seiner ganzen Anlage auf das Grundrecht auf Religionsfreiheit und steht in funktionalem Zusammenhang mit diesem. Dies legt es nahe, auch Parallelen in der dogmatischen Aufarbeitung beider Normen zu bilden. 291 Ausdrücklich sei abermals betont, daß nach der hier vorgeschlagenen Interpretation Art. 137 V 2 WRV nicht als Teilmenge des Art. 4 I, II GG verstanden, sondern eine Schnittmenge des Schutzbereichs zwischen beiden Normen ausgemacht wird, der vor allem in der Konkretion der religiösen Vereinigungsfreiheit zu sehen ist. Daneben bestehen gute Gründe, Art. 137 V WRV als subjektiv-rechtliche Teilhabeverbürgung für die religiösen Organisationen der Bürger in einer spezifischen Rechtsform selbst Grundrechtsqualität zuzusprechen. 292 Schließlich läßt sich die grundrechtsdienende Funktion des Art. 137 V 2 WRV als Argument für seine grundrechtsartige dogmatische Aufarbeitung geltend machen. Art. 4 I, II GG wirkt in den Körperschaftsstatus dergestalt hinein, daß der Rückgriff auf öffentlichrechtliche Organisations- und Betätigungsmöglichkeiten zugleich Ausdruck der von Art. 4 I, II GG/Art. 137 III WRV geschützten freien Religionsausübung ist. 290 A. Janssen, FS Hollerbach, 2001, S. 707 ff.; A. v. Campenhausen, ZevKR 46 (2001), 165 (167); C. Hillgruber, NVwZ 2001, 1347 ff. 291 Die interpretationsleitende Funktion von Art. 4 I, II GG für die durch Art. 140 GG inkorporierten Weimarer Kirchennormen betont auch BVerfGE 83, 314 (355); cf. ferner R. Herzog, in: MDHS, Art. 4 GG Rdnr. 27. 292 H. Weber, Religion - Staat - Gesellschaft 2 (2001), 47 (53 f.); a.A. BVerfGE 19, 129 (135); 83, 341 (356 ff.); wie hier aber Th. Maunz, in: MDHS, Art. 137 WRV Rdnr. 2.

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Dabei soll nicht unterschlagen werden, daß für Art. 137 V WRV zwei weitere Teloi auszumachen sind, nämlich einerseits traditionell institutionell verstandene Bestandsschutzinteressen der Kirchen, andererseits gesellschaftspolitische Erwägungen eines sozialen Mehrwerts religiöser Betätigungen. Zumindest das spezifisch kirchliche, vom Verfassungsgeber als legitim anerkannte Streben nach einer Beibehaltung ihres organisatorischen Status quo läßt sich freilich unter dem Eindruck der Gewährleistungen eines Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Trennung adäquater in grundrechtlicher Perspektive als Bestandteil und Sättigung dieser vier Säulen fassen. Eine Deutung des Art. 137 V WRV als Anerkennung einer Ordnungsmacht „auf Augenhöhe" im Sinne der Koordinationslehre oder als nicht von dieser Welt anzuerkennende Lebenserscheinung nach eigenem Recht vermag unter dem Grundgesetz jedenfalls nicht zu überzeugen (s. ο. I. 4.). Dies sollte auch in der dogmatischen Annäherung dann Konsequenten zeitigen. 293 Der Potenz dogmatischer Fruchtbarmachung der Verzahnung von Art. 4 I, II GG und Art. 137 V 2 WRV entspricht es, wenn Jörg Müller-Volbehr die Grenzen des Art. 4 I, II GG auch für Art. 137 V 2 WRV in Ansatz bringt: „Wie bei einem ohne Gesetzesvorbehalt gewährleisteten Grundrecht findet das Recht aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 V 2 WRV dort seine Grenze, wo die Rechtsausübung zu Beeinträchtigungen der Grundrechte anderer oder sonstiger in der Verfassung geschützter Rechtsgüter führt. Insoweit haben die für Art. 4 I und II GG entwickelten Auslegungskriterien bei Art. 137 V 2 WRV entsprechend zu gelten. Daher kann der Staat aus seiner Verpflichtung zum Schutz bedrohter Rechtsgüter heraus Religionsgemeinschaften, deren Wirken die verfassungsrechtlich zulässigen Grenzen überschreitet, nur nach einer Rechtsgüterabwägung den privilegierenden Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts versagen." 294 Ähnlich setzt Stefan Korioth an, der betont, daß „der Körperschaftsstatus als Medium grundrechtlicher Freiheit in enger Beziehung zu der in Art, 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG vorbehaltlos gewährleisteten Religionsfreiheit steht. Die Schranken dieses Grundrechts, die auch im Rahmen des Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV von Bedeutung sind, ergeben sich aus den Grundrechten anderer und sonstigen in der Verfassung geschützten Rechtsgütern." 295 (2) Dreistufige Grundrechtsprüfung bei Gleichheits- und Leistungsrechten. Schrittfolge und Strukturierung der Prüfung, ob ein Grundrecht durch dem Staat zurechenbares Handeln verletzt ist, in der Abfolge der Bestimmung eines Schutzbereichs, der Eruierung eines Eingriffs und der Frage nach einer möglichen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung ist primär auf die Abwehrdimension von Grundrechten zugeschnitten. Doch zugleich ist anerkannt, daß das Eingriffsschema über finale, unmittelbare und imperative Zugriffe des Staates auf rechtlich gefaßte Frei293 M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (703 ff.); cf. a. E. D. Bohl, S. 134 ff., 148 ff., 161 ff., an diese sich anschließend J. Winter, ÖARR 47 (2000), 201 (213). 294 j, Müller-Volbehr, NJW 1997, 3358. 295 s. Korioth, GS Jeand'Heur, 1999, 211 (236). 22*

Die

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heits- und Eigentumssphären des Bürgers hinauszugreifen hat. In diesem Zusammenhang hat sich sukzessive gezeigt, daß die Aufarbeitung von grundgesetzlichen Leistungs- und Gleichheitsrechten - wie sie in beiderlei Dimension Art. 137 V 2 WRV darstellt - durch eine Orientierung am dreistufigen Prüfungsschema für „klassische" Grundrechte gewinnen kann. (a) Grundrechtsprüfung bei Leistungsrechten. Dabei ist zunächst zu betonen, daß in Bezug auf die Leistungsdimension des Art. 137 V 2 WRV die allgemeine Grundrechtsdogmatik ohne weiteres exekutiert werden kann, weil es sich hier um einen originären verfassungsrechtlichen Leistungsanspruch des Bürgers bzw. seiner religiösen Organisation gegen den Staat handelt. Im Falle derivativer Leistungsansprüche aus Grundrechten bereitet die genaue Bestimmung der aus Grundrechten abgeleiteten positiv-rechtlichen Gewährleistungsgehalte, des grundrechtsspezifrschen Eingriffs wie der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung gewisse Schwierigkeiten. Denn hier steht zumeist die grundrechtliche Bewehrung einer einfachrechtlich bestimmten Leistung im Vordergrund. Für diese Fälle gilt es, auf dogmatische Kategorien wie die eines grundrechtlichen „Normanwendungsschutzes" zurückzugreifen, um Schutzbereich und Eingriff spezifizieren zu können. 296 Soweit man den leistungsrechtlichen Gehalt eines Grundrechts im Zusammenspiel mit einfachem Recht dergestalt erfaßt hat, scheint eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung ausgeschlossen, ist die Nichtanwendung oder fehlerhafte Anwendung einer Norm qua definitionem nicht durch ein Gesetz gedeckt. 297 Anders gestalten sich die dogmatischen Annäherungen an ein originäres Leistungsrecht. Hier manifestiert sich die leistungsrechtliche Gewährleistung hinreichend konkret im Wortlaut, so daß „die Unterschreitung des ermittelten primafacie-Anspruchsniveaus als (im Prinzip rechtfertigungsfähiger) Eingriff in den Schutzbereich" 298 aufgefaßt werden kann. Der Schutzbereich ist durch die semantischen Vorgaben der Norm selbst ohne weiteres bestimmbar; die Verweigerung der gebotenen staatlichen Leistung stellt eo ipso einen Eingriff in die Leistungsgarantie dar; die Verweigerung der verfassungsrechtlich garantierten Leistung kann wegen der Gleichstufigkeit der anzuwendenden Normen durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt sein. (b) Grundrechtsprüfung bei Gleichheitsrechten. Art. 137 V 2 WRV stellt die „einzige explizite Paritätsnorm der Weimarer Reichsverfassung" 299 dar, ist also durch eine gleichheitsrechtliche Dimension gekennzeichnet. Auch für den allgemeinen und besonderen Gleichheitssatz wird seit der sog. „neuen" Formel durch das Bundesverfassungsgericht in Rechtsprechung und Schrifttum einer - modifizierten - Dreiteilung der Prüfung in die Bestimmung des gleichheitsrechtlichen Schutzgehaltes, die Bestimmung einer Ungleichbehandlung als Äquivalent eines 296 297 298 299

G. Lübbe-Wolff, Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, S. 227. G. Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 124. G. Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 227. M. Heckel, HdbStKirchR 2 I, S. 589 (605 f.); cf. a. C. Link, ZevKR 43 (1998), 1 (12).

IV. Der Neuerwerb des Körperschaftsstatus

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Eingriffs und eine mögliche verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Gründen das Wort geredet (s. o. 3. Kap. III.). Deshalb bereitet auch die gleichheitsrechtliche Dimension des Art. 137 V 2 WRV für die Einpassung in die allgemeine Grundrechtsdogmatik keine besonderen Schwierigkeiten. Die Norm gebietet eine Gewähr „gleicher Rechte", d.i. die öffentlich-rechtliche Rechtsform sowie die subjektiv-rechtliche Institutsgarantie mit den beiden Dimensionen des Kernbereichsschutzes sowie der staatlichen Ausgestaltungspflicht. Wird diese Gleichstellung nicht gewährt, liegt eine Ungleichbehandlung vor. Diese kann durch verfassungsrechtlich legitime Gründe zu rechtfertigen sein. Überträgt man die oben skizzierten Grundstrukturen der Parität auf den hier zu verhandelnden Fall der Nichtverleihung des Körperschaftsstatus trotz Vorliegens der in Art. 137 V 2 WRV ausdrücklich hervorgehobenen Verleihungsvoraussetzungen, dann bedeutet Art. 137 V 2 WRV als Paritätsnorm, also als religionsbezogenes Gleichbehandlungsgebot, einen Ausschluß sog. „interner Zwecke". Denn daß die Gründe für die Ungleichbehandlung im angewandten Maßstab selbst liegen, ist religiös neutral nicht herzuleiten. Ferner statuiert Art. 137 V 2 WRV als Diskriminierungsverbot ein religionsspezifisches Begründungsverbot einer Nichtverleihung. Die Nichtverleihung kann deshalb nicht mit der Theologie oder den religiösen Überzeugungen als solchen begründet werden. Zulässige Erwägungen haben sich auf das Verhalten einer Religionsgemeinschaft und seine Konsequenzen für Grundrechte Dritter und andere Verfassungsgüter zu konzentrieren. Doch damit ist eigentlich schon einer Explizierung des dogmatischen Modells vorgegriffen. Zunächst gilt es festzuhalten, daß der Charakter des Art. 137 V 2 WRV als Leistungs- und Gleichheitsrecht einer Anwendung des klassischen grundrechtlichen Prüfungsmodells nicht entgegensteht. Ergo bildet die hier vorgeschlagene dogmatische Herangehensweise keinen Sonderweg heraus, sondern kann seinerseits das Merkmal der „klassischen" Herangehensweise für sich beanspruchen. Die Bearbeitung des Art. 137 V 2 WRV mit den Mitteln der allgemeinen Grundrechtsdogmatik nimmt die „Einheit der Verfassung" auch in der Auslegungs- und Anwendungsmethodik ernst und entspricht dem religionsfreiheitsdienenden Charakter der Norm, die als materielle Partizipationsverbürgung auf Verfassungsebene ihrerseits als Grundrecht oder grundrechtsgleiches Recht begriffen werden kann (s. ο. I. 2. c.). Die dreistufige Prüfung einer Berührung des Schutzbereichs, ihrer Eingriffsqualität und einer möglichen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung garantiert eine substantielle Geltendmachung der verfassungsrechtlichen Gewährleistungen und erlaubt zugleich eine konkret am Wortlaut des Grundgesetzes sich orientierende, den Ziel Verfolgungen des Art. 137 V 2 WRV angemessene Berücksichtigung gegenläufiger Grundrechte Dritter und anderer mit Verfassungsrang ausgestatteter Rechtsgüter. Durch die Abschichtung von Fragestellungen und den dadurch gewonnenen prozeduralen Charakter kann dieses Modell für sich in Anspruch nehmen, eher rational angemessene, am grundgesetzlichen Textbestand konkretisierte, vorhersehbare und damit rechtsstaatlich gesicherte Ergebnisse zu zeitigen. Das Übermaßverbot, als Schlußstein fungierend,

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

sichert durch die Verweisung auf eine am konkreten Fall orientierte Abwägung eine praktisch-konkordäre und damit optimierte Zuordnung der verfassungsrechtlichen Gewährleistungen. c) Kollidierendes Verfassungsrecht als Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 137 V 2 WRV aa) Nichtanwendbarkeit des Art. 9 II GG Art. 9 II GG steht der Verleihung des Körperschaftsstatus nicht unmittelbar entgegen, da er auf Religionsgemeinschaften in privatrechtlicher wie in öffentlichrechtlicher Rechtsform keine Anwendung findet; 300 die Norm kann deshalb auch nicht als kollidierendes Verfassungsrecht gegen die Verleihung in Ansatz gebracht werden. Art. 9 I GG wird für die religiöse Vereinigungsfreiheit durch Art. 4 I, II GG spezialgesetzlich überlagert; für Religionsgemeinschaften wird dieses Recht durch Art. 137 II WRV und weiter durch Art. 137 IV und V WRV konkretisiert. 301 Art. 9 II GG ist dagegen auf Vereinigungen i. S. d. Art. 9 I GG zugeschnitten. Soweit die Gründungsfreiheit einer spezifischen Vereinigung im Grundgesetz eine gesonderte Regelung gefunden hat, findet die Schranke der allgemeinen Vereinigungsfreiheit auf diese keine Anwendung. Es gilt insoweit der anhand des Art. 2 I GG entwickelte Grundsatz der Nichtübertragbarkeit von Schranken des allgemeineren Grundrechts auf das speziellere. Für die Vereinigungsfreiheit kennzeichnend ist dabei die Exemtion von Parteien, die in Art. 21 I und II GG eine spezifische Garantie ihrer Gründungsfreiheit und der Verbotsbedingungen gefunden haben (sog. Parteienprivileg), 302 und Religionsgesellschaften aus dem Schrankenprogramm in Art. 9 II GG. Dem entsprach bisher systematisch die Bestimmung der Nichtanwendbarkeit des VereinsG auf diese beiden Gruppierungen durch § 1 II VereinsG. 300 Anders BVerwGE 37, 344 (358); J. Listi, DÖV 1973, 181 ff.; M. Planker, DÖV 1997, 101 ff.; dagegen wie hier S. Veelken, Das Verbot von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften, Diss. jur. Münster 1999, S. 167 ff.; G. Robbers, FS Heckel, 1999, S. 411 (414); M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (701 ff.); B. Pieroth/Th. Kingreen, NVwZ 2001, 841 ff.; cf. a. H. Alberts, ZRP 1996, 60 ff.; cf. näher unten V. 4. 301 Die Gründungsfreiheit religiöser Vereine wird dagegen in den Weimarer Kirchenartikeln nicht gesondert herausgestrichen. B. Pieroth/Th. Kingreen, NVwZ 2001, 841 (843) sehen deshalb für diese Art. 9 I und II GG anwendbar. Hiergegen ist einzuwenden, daß Art. 4 I, II GG nicht nur die Freiheit zur Gründung von Religionsgemeinschaften, sondern auch von Gruppierungen schützt, die sich auf die Ausübung und Förderung von Teilaspekten religiöser Überzeugung eines Bekenntnisses konzentriert. Konsequenterweise ist deshalb auch in diesen Fällen ein Rückgriff auf Art. 9 II GG blockiert. 302 Für Parteien spricht das BVerfG von einer verfassungsrechtlichen Sonderstellung hinsichtlich der Freiheit zur und in der Vereinigung, die auch als „aliud" gegenüber Art. 9 I GG verstanden werden könnte; BVerfGE 2, 1 (13, 78); 12, 296; 17, 155 (166); 91, 262 (267); 276 (284). Siehe hierzu K. Hesse, VVDStRL 17 (1959), S. 11 (45); R. Streinz, in: v. Mangold/ Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 21 Rdnr. 215; M. Morlok, NJW 2001, 2931 (2936).

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Die über lange Jahre fehlende explizite Verbotsmöglichkeit von Religionsgemeinschaften war Ausdruck einer verfassungstheoretisch auch plausibel nachzeichenbaren Grundentscheidung, die besonders hohe Hürden für ein Verbot einer Religionsgemeinschaft aufstellte. Sieht man den in Art. 137 III WRV verankerten Gesetzesvorbehalt vor allem durch den Umstand erhöhter gesellschaftlicher Gefährdungen durch die Aktivitäten religiöser Organisationen begründet (s. o. 3. Kap. I. 3.), greift diese Erwägung für den Akt der Vereinigung gerade nicht. Denn hier stehen die korporationswilligen individuellen Grundrechtsträger im Vordergrund. Der Prozeß der Selbstorganisierung seitens der Mitglieder in spe fällt gerade nicht unter das spezifische Gefährdungspotential religionskorporativer Betätigung, sondern ist diesem vorgelagert. Die Einbeziehung der schließlich gegründeten Vereinigung selbst in die Gewährleistung der religiösen Konstituierungsfreiheit ist der gebotenen Effektivität des Schutzes geschuldet, folgt aber grundsätzlich der individuellen Gewährleistung auf Vereinigung in einer Religionsgemeinschaft. Typischerweise stellt die staatliche Unterbindung einer religiösen Vereinigung einen weit gravierenderen Eingriff in die religiöse Freiheit dar als die bloße Regulierung bestimmter Teilbereiche korporativer religiöser Betätigung. Es erscheint deshalb nur angemessen, die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer Korporationsuntersagung von höheren Anforderungen abhängig zu machen als die Regulierung der Modalitäten religiöser Aktivitäten einer Religionsgemeinschaft. Eine solche Perspektive müßten sich konsequenterweise auch alle Vertreter eines extensiveren Verständnisses von Art. 137 I I I W R V als hier vorgestellt zu eigen machen. Wenn in dieser Norm zum Ausdruck kommen soll, daß die Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften dem Staat vorgängig sind, nach eigenem Recht leben und deshalb diesen Organisationen besondere Rechte gewährt würden, die sich von grundrechtlichen Verbürgungen deutlich absetzten, 303 so fragt sich, warum der Staat unter den gleichen Voraussetzungen, wie bei jedem Taubenzüchterverein oder den ins Vereinsregister eingetragenen Freunden des Briefmarkensammelns diese herausgehobenen Organisationen soll verbieten können. Exkurs: Art. 9 II GG und der Wegfall des sog. Religionsprivilegs im Vereinsrecht. Mit Beschluß vom 09. November 2001 hat der Bundesgesetzgeber § 2 II Nr. 3 VereinsG gestrichen. 304 Dabei ging man seitens der Bundesregierung davon aus, daß Art. 9 II GG auf Religionsgemeinschaften Anwendung findet. 305 Zugleich wurde im Gesetzgebungsverfahren darauf aufmerksam gemacht, daß die Novellierung verfassungsrechtliche Probleme aufwirft. 306 Dies betrifft zum einen die verfassungsrechtliche Anforderung an das Verbot einer Religionsgemeinschaft - schließlich findet sich im verfassungsrechtlichen Schrifttum mehr als nur vereinzelt die Ansicht, daß Art. 9 II GG auf Religionsgemeinschaften nicht anzuwenden ist. Zum anderen ist auch nach der Gesetzgebungskompetenz des Bundes zu fragen. Wenn die Freiheit zur Gründung einer Religionsgemeinschaft -

303 Cf. Λ. v. Campenhausen, ZevKR 46 (2001), 165 (167). 304 Cf. BT-Plenarprotokoll 14/1999 vom 09. November 2001, S. 19551 - Annahme BTDr. 14/7062. 305 BT-Dr. 14/7026 vom 04. Oktober 2001, S. 6. 306 MdB J. van Essen (FDP), BT-Plenarprotokoll 14/192 vom 11. Oktober 2001, S. 18706 (C); cf. a. Κ. Groh, KritV 2002, 39 ff.; L Michael, JZ 2002, 482 ff.

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

wie die Freiheit zur Gründung einer Partei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - ein aliud zur allgemeinen Vereinigungsfreiheit wäre, mangelte es an einer Verbandszuständigkeit des Bundes gemäß Art. 74 I Nr. 3 GG; kompetentiell berufen zum Erlaß von Normen für das Verbot von Religionsgemeinschaften wären vielmehr gemäß Art. 137 VIII WRV die Länder. Im Ergebnis wird man solche Bedenken nicht teilen müssen, da die religiöse Vereinigungsfreiheit wohl nicht als aliud, sondern als besondere Ausprägung der allgemeinen Vereinigungsfreiheit zu bewerten ist, die spezialverfassungsrechtlich in Art. 4 I, II GG/Art. 137 II WRV geregelt ist, deren einfachgesetzliche Ausgestaltung hinsichtlich der Gefahrenabwehr gleichwohl dem Vereinsrecht zuzuordnen ist.

Entscheidender scheint im Kontext der Verleihung des Körperschaftsstatus aber schließlich, daß es dem Rückgriff auf Art. 9 II GG des argumentativen Mehrwerts mangelt, läßt man sich auf das vorgeschlagene Modell der Anwendung allgemeiner Grundrechtsdogmatik auf Art. 137 V 2 WRV ein. 3 0 7 An Stelle der in Art. 9 II GG erwähnten „verfassungsgemäßen Ordnung" läßt sich gleich das kollidierende Verfassungsgut benennen. Ebenso kann man die wesentlichen Strafrechtsnormen als Schutz von Rechtsgütern mit Verfassungsrang rekonstruieren. Art. 9 II GG kann folglich im Kontext der Nichtverleihung des Körperschaftsstatus als allgemeiner Rechtsgedanke, als Anhaltspunkt zur Berechtigung der Rechtsformverweigerung begriffen werden, seine unmittelbare Anwendung ist dagegen nicht geboten. Andererseits wird man auch im Falle der direkten Anwendung des Art. 9 II GG auf den Körperschaftsstatus anstrebende Religionsgemeinschaften die besondere Bedeutung des Art. 4 I, II GG für diese Rechtsform zu gegenwärtigen und bei der Auslegung des Art. 9 II GG zu berücksichtigen haben. Hier bestünde gleichfalls das Erfordernis einer abwägenden Berücksichtigung der Gesamtumstände. Dann aber ist ein rechtlicher oder gar rechtsdogmatischer Gewinn eines Rückgriffs auf Art. 9 II GG bei der interpretativen Operationalisierung des Art. 137 V 2 WRV nicht ausmachbar. Vielmehr besteht bei einer Nutzbarmachung des Art. 9 II GG für die Negierung eines Verleihungsanspruchs nach Art. 137 V 2 WRV ein erhebliches Mißbrauchspotential, das sich in der Frage kristallisiert, ob denn eine Nichtverleihung des Körperschaftsstatus als Maßnahme der Gefahrenabwehr - und als solche wird sie mit der Fokussierung von Art. 9 II GG zu bewerten sein - überhaupt ein geeignetes Mittel ist, einer gegen das Grundgesetz aktiv-kämpferisch vorgehenden oder renitent die Rechtsordnung negierenden, weil ignorierenden Religionsgemeinschaft staatlicherseits zu begegnen. Einschlägige Handlungsreaktion scheint hier doch vielmehr das Verbot zu sein, denn die Verweigerung einer Rechtsform stellt im Vergleich zum Verbot kein grundrechtsschonendes Minus dar, sondern ein aliud, dessen Tauglichkeit sich von je zu je im konkreten Fall zu erweisen hat. Die argumentationsstrategisch im Szenario der fundamentalen Bedrohung einherkommende Verweisung auf Art. 9 II GG im Verleihungsverfahren verliert bei rationaler Betrachtung somit jedenfalls erheblich an Plausibilität.

307 M. Morlok/M.

Heinig, NVwZ 1999, 697 (704 f.).

IV. Der Neuerwerb des Körperschaftsstatus

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bb) Mögliche Rechtfertigungsgründe Art. 137 V 2 WRV stellt eine grundgesetzliche Gewährleistung ohne Gesetzesvorbehalt dar. Auch Art. 137 VIII WRV fungiert nicht in dieser Funktion, sondern erstreckt sich einzig auf die Dimension der Regelungsbefugnis und Gesetzeskompetenz. 308 Mangels expliziter Schrankenbestimmung in Art. 137 V 2 WRV sind deshalb grundsätzlich nur Grundrechte Dritter wie sonstige Rechtsgüter mit Verfassungsrang geeignet, einen Eingriff in die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Art. 137 V 2 WRV zu rechtfertigen. Dabei kann hinsichtlich der Intensität der zu besorgenden Beeinträchtigungen kollidierender Verfassungsgüter unterschieden werden zwischen der unmittelbar grundrechtsgebundenen Hoheitsgewalt, mit der eine öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft eo ipso mit der Rechtsform beliehen wird, und sonstigen Handlungsbereichen. Beide mal gilt jedoch, daß dem religiös-weltanschaulich neutralen Staat das Abstellen auf die Theologie, auf das religiöse Programm als solchem verboten ist; auch die Paritätsdimension des Art. 137 V 2 WRV wirkt in diese Richtung. Maßgeblich ist deshalb alleine das nach außen erkennbare Verhalten. 309 Mit der Dienstherrenfähigkeit, der Rechtssetzungsbefugnis, der Befugnis zur Schaffung eines kirchlichen öffentlichen Sachenrechts, dem Parochialrecht, der Organisationsgewalt sowie dem Steuererhebungsrecht gehen von Verfassungs wegen spezifische Bindungen einher. Diese bestehen zum einen in einer direkten Beachtlichkeit der Grundrechte Dritter (Art. 1 III GG). Zum anderen gilt für diesen Bereich aber auch die durch Art. 20 III GG vermittelte Verpflichtung auf sonstige Verfassungs-, Gesetzes- und Rechtskonformität. Fehlende Rechtstreue bei der Ausübung derjenigen besonderen öffentlich-rechtlichen Befugnisse einer Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechts, die auf staatlicher Beleihung beruhen, stellt also zugleich einen Verstoß gegen die durch Art. 20 III GG statuierte, sich aber auch aus Art. 2 I GG ergebende Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung dar und ist damit grundsätzlich taugliches Rechtsgut zur Begründung der Verweigerung des Körperschaftsstatus. Die verfassungsunmittelbare Verpflichtung der öffentlichrechtlichen Religionsgemeinschaften führt dazu, daß an das Intensitätsniveau des Grundrechtseingriffs geringere Anforderungen zu stellen sind wie in dem sogleich zu behandelnden Bereich der Grundrechtsbeeinträchtigung außerhalb der Beleihung. Gleichwohl gilt auch hier, daß Art. 4 I, II GG/Art. 137 III GG zu gewissen Modifikationen der Grundrechtsbindung auch innerhalb der öffentlich-rechtlichen Kernrechte berechtigt (s. ο. I. 5.).

308 A.A. M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 125. 309 BVerfGE 102, 370 (394); A. v. Campenhausen, ZevKR 46 (2001), 165 (171); H. Goerlich, NVwZ 2001, 1369 ff. Das religiöse Ideal einer Theokratie wäre - entgegen S. Muckel, Jura 2001, 456 (460) - deshalb unschädlich, soweit keine darauf abzielenden Handlungen zu beobachten sind; für die Verleihung des Körperschaftsstatus gilt insoweit: die Gedanken sind frei!

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

Außerhalb der kirchlichen, vom Staat abgeleiteten Hoheitsrechte gilt es für die Frage der Verfassungsmäßigkeit einer Nichterfüllung des Leistungsanspruchs aus Art. 137 V 2 WRV zunächst auf die dogmatische Figur grundrechtsabgeleiteter Schutzpflichten zu rekurrieren. So operiert auch - ohne dies explizit als verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Eingriffs zu kennzeichnen - das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zu den Zeugen Jehovas.310 Es begründet die Grundrechtsrelevanz in der Verleihungsfrage außerhalb der eigentlichen hoheitlichen Befugnisse, indem es auf seine Rechtsprechung zur Strafbarkeit der Abtreibung, zum Kruzifix und zu Kinderrückführungen verweist, in denen die Verpflichtung des Staates, menschliches Leben und die körperliche Unversehrtheit zu schützen311, das Kindeswohl in das Zentrum des staatlichen Schutzauftrages aus Art. 6 II 2 GG zu stellen 312 oder den einzelnen oder religiöse Gemeinschaften vor Angriffen und Behinderungen durch Anhänger anderer Glaubensgemeinschaften oder konkurrierender Religionsgruppen zu bewahren 313, herausgearbeitet wurde. 314 Weitere durch das Grundgesetz begründete Protektionsobligationen lassen sich hinzufügen, etwa für das Recht auf freie, allgemeine, geheime und gleiche Wahlen nach Art. 38 I 1 GG. Diese Schutzpflichten will das Bundesverfassungsgericht auf die staatliche Verleihung des Körperschaftsstatus erstrecken, wobei der genaue Zuschnitt und Adressat im Dunkeln bleibt. Die grundgesetzliche Schutzpflicht scheint nach der Vorstellung des Gerichts nur dem Staat auferlegt zu werden, die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften dagegen dürften einer hiervon zu unterscheidenden besonderen Pflicht des Grundgesetzes zum Schutz der Rechte Dritter unterliegen. 315 Diese Pflicht läge - so das Karlsruhe - öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften näher als anderen Religionsgemeinschaften. Ergo scheint es sich dabei um eine allgemeine bürgerliche Pflicht zu handeln, die qua Rechtsform potenziert wird. 3 1 6 Wie immer man aber im Detail die dogmatische Begründung bauen will, grundsätzlich darf man annehmen, daß grundgesetzliche Schutzpflichten eine Nichtverleihung des Körperschaftsstatus jedenfalls auch außerhalb der Beleihungssphäre einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft unter dem Vorbehalt des 310 Cf. a. G. Thüsing, DÖV 1998, 25 (26). 3Π BVerfGE 56, 54 (73); 79, 174 (201 f.); 88, 203 (251). 312 BVerfGE 99, 145 (156). 313 BVerfGE 93, 1 (16). 314 Cf. nunmehr auch BVerwG, NVwZ 2001, 924 (925) zu Schutzpflichten aus Art. 2 II 1, 6 I und 2 I GG. Cf. weitergehend zu grundgesetzlichen Schutzpflichten des Staates J. Dietlein, Die Lehre von den grundgesetzlichen Schutzpflichten 1992; G. Hermes, Das Grundrecht aus Schutz von Leben und Gesundheit, 1987; J. Isensee, HStR V § 111 Rdnr. 77 ff.; E.-W. Böckenförde, Grundrechte als Grundsatznormen (1990), in: ders., Staat, Verfassung, Demokratie, 1991, S. 159 (172 ff.); H Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Vorb. Rdnr. 62 ff. jeweils m. w. N. 315 Cf. nunmehr in diesem Sinne auch BVerfG, NVwZ 2001, 908. 316 Cf. BVerfGE 102, 370 (393).

IV. Der Neuerwerb des Körperschaftsstatus

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Übermaßverbots trotz Erfüllung der in Art. 137 V 2 WRV genannten Voraussetzungen rechtfertigen. Als mit dem Verleihungsanspruch nach Art. 137 V 2 WRV kollidierende Verfassungsrechte können Grundrechte Dritter und sonstige Rechtsgüter mit Verfassungsrang jedoch auch über diesen relativ eng definierten Bereich der grundrechtsbasierten staatlichen Schutzpflichten hinaus in Ansatz gebracht werden. Dies liegt in der Konsequenz des hier gewählten dogmatischen Ansatzes, der seinen Ausgangspunkt im Topos der Einheit der Verfassung nimmt. Art. 137 V 2 WRV ist dabei im Kontext der Gesamtverfassung auszulegen, wobei der maßgebliche Abgleich mit anderen Verfassungsrechten eben auf der Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines Eingriffs erfolgt. Deshalb ist es grundsätzlich auch denkbar, auf diesem Wege die vom Bundesverfassungsgericht in Art. 79 III GG festgemachten Verfassungsgüter zu berücksichtigen, wobei es des Umwegs über die „Ewigkeitsgarantie" nicht bedarf; sie hat nur den Charme einer Markierung von Höchstrelevanz, prägt also von dort aus Abwägungsentscheidungen. Deshalb hat auch das Demokratieprinzip grundsätzliche Eignung, einer Verleihung des Körperschaftsstatus entgegenzustehen, wobei selbstredend hier ausschließlich organisationsexterne, genauer: ausschließlich staatliche Willensbildungsstrukturen in den Blick kommen. 317 Fehlende Rechtstreue als solche bildet nach diesem Modell keinen hinreichenden Hinderungsgrund gegenüber der Verleihung des Körperschaftsstatus, soweit sie sich auf das Gebaren der Religionsgemeinschaft außerhalb der Hoheitsrechte bezieht. Denn ein allgemeiner Verfassungsgrundsatz dergestalt, daß der Bürger und seine Organisationen sich stets rechtskonform zu verhalten haben, ließe sich allenfalls dem Rechtsstaatsprinzip zuordnen. Selbst dies dürfte jedoch als verfehlt zu bewerten sein, zielt das Rechtsstaatsprinzip - nomen est omen - doch auf eine Prägung der staatlichen Strukturen, nicht der zivilgesellschaftlichen. Deshalb läßt sich dem Rechtsstaatsprinzip wohl nur ein Auftrag zur Statuierung einer auf die Einhaltung von Rechtsnormen ausgerichteten Rechtsordnung, die ggf. auch Sanktionen für abweichendes Verhalten kennt, entnehmen. Gleichwohl ist die Rechtstreue für die Nichtverleihung des Körperschaftsstatus auch außerhalb der spezifischen, von der öffentlichen Gewalt abgeleiteten Rechte insoweit von Belang, als wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich und anschaulich hervorgehoben hat - markante Devianzen im rechtskonformen Verhalten Rückschlüsse auf die Bereitschaft zulassen, die grundgesetzlichen Bindungen im Bereich der verliehenen Hoheitsgewalt einzuhalten.318

317 Näher M. Morlok/M. Heinig; NVwZ 1999, 697 (705); mit kritischen, weiterführenden Anmerkungen E. D. Bohl, S. 160 ff. 318 Cf. BVerfGE 102. 370 (391).

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

cc) Perspektiven der Verhältnismäßigkeit Die Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 137 V 2 WRV hat sich, wie stets ein Eingriff in ein Grundrecht, als geeignet, erforderlich und angemessen zu erweisen. Dieser Feinsteuerung kommt im Kontext der Verleihung des Körperschaftsstatus erhebliche Bedeutung zu, ist hier doch die spezifisch religiöse Motivation des Verhaltens einer Religionsgemeinschaft in Ansatz zu bringen. Auf diese besondere religiöse Prägung ist der Körperschaftsstatus gerade zugeschnitten, so daß es aus teleologischen Gründe, aber auch aus dogmatischen geboten scheint, sie auch im Rahmen der Prüfung etwaiger Verfassungswidrigkeit einer Rechtsformverweigerung zu berücksichtigen. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Verleihung des Körperschaftsstatus an Religionsgemeinschaften in der Passage der Urteilsbegründung, die sich dem Verhältnis der Zeugen Jehovas zu staatlichen Wahlen widmet, besonders veranschaulicht. Hier wird in äußerst differenzierter Weise Erwägung und neuerliche Modifikation der Erwägung am konkreten verfassungsrechtlichen Material entlang durchdekliniert. Auf eine Repetition der entsprechenden Ausführungen soll an dieser Stelle verzichtet werden. Doch bietet allein dieser Gesichtspunkt bereits hinreichend Anschauungsmaterial dafür, daß die für die Abwägungsprozesse erforderlichen Prognoseentscheidungen von recht komplexer Natur sind. „Dabei muß eine Vielzahl von Elementen zusammengestellt und gewürdigt werden. Mathematische Genauigkeit ist nicht zu erreichen. Für eine solche Prognose nicht untypisch wäre die Annahme, dass sich eine Gefährdung der genannten Schutzgüter erst aus dem Zusammenwirken vieler einzelner Umstände ergibt. Andererseits stellen bloß punktuelle Defizite die geforderte Gewähr nicht in Frage." 319 Eingedenk der Vielzahl einschlägiger Gesichtspunkte, die grundlegende religionsrechtliche und religionspolitische Fragen berühren, stellt sich dann aber die Frage, wer in welcher Konkretion zu den erforderlichen Abwägungsentscheidungen berufen ist. Letztlich werden natürlich die Fachgerichte auf Grundlage typisierender Gesamtbetrachtungen ihrer Aufgabe der Rechtskontrolle nachkommen müssen. Doch erster berufener Verfassungsinterpret ist der demokratisch legitimierte Gesetzgeber. Funktional-rechtlich ist es primär seine Aufgabe, die Grundzüge eines Abwägungsprogramms bei der Verleihung des Körperschaftsstatus für Religionsgemeinschaften gesetzlich festzulegen. 320

319

BVerfGE 102, 370 (396 f.); zu dem daraus resultierenden Inquisitionsbedarf im Fall der Zeugen Jehovas BVerwG, NVwZ 2001, 924 (925 ff.). 320 Auch ist zu berücksichtigen, daß die Ermittlung der geforderten Datenbasis ihrerseits grundrechtsrelevant ist (H. Goerlich, NVwZ 2001, 1369 ff.). Auch deshalb ist eine spezialgesetzliche Grundlage für die Verweigerung des Anspruchs auf Verleihung des Körperschaftsstatus erforderlich.

IV. Der Neuerwerb des Körperschaftsstatus

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d) Vorbehalt einer gesetzlichen Regelung Bei bewußter Redundanz - Art. 137 V 2 WRV stellt eine Gewährleistung ohne Gesetzesvorbehalt dar. Doch auch bei Eingriffen in vorbehaltlos gewährte Verfassungsrechte des Bürgers ist zur erforderlichen Zuordnung der kollidierenden Rechtsgüter, zur Vorsortierung zulässiger Erwägungsgründe im Kontext verfassungsrechtlicher Prognose- und Beurteilungsspielräume und zur Generierung einer grundlegenden Bewertungsmatrix als Voraussetzung für die Herstellung praktischer Konkordanz im Einzelfall der parlamentarische Gesetzgeber berufen, legislativ tätig zu werden. Nicht nur bei ausdrücklich mit einem Gesetzes vorbehält versehenen Grundrechten, sondern auch im Falle der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs mittels kollidierenden Verfassungsrechts gilt der Grundsatz, daß die Gewichtung der involvierten Verfassungsgüter im Rahmen des vorgegebenen Abwägungsgebotes primär durch den parlamentarischen Gesetzgeber selbst zu erfolgen hat (cf. bereits supra 3. Kap. VII. I.). 3 2 1 Der direkte Zugriff auf die Verfassung zur Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen ist sowohl der Administrative wie der Rechtsprechung verbaut. Sonst verflüchtigte sich der den vorbehaltslosen Grundrechten eingezogene (tendenziell) erhöhte Schutz gegenüber Grundrechten mit explizitem Gesetzesvorbehalt. Auch sind im Zusammenhang mit der Verleihung des Körperschaftsstatus prekäre religions(verfassungs)politische Fragen berührt. Unmittelbar demokratisch legitimiert und funktional von Verfassungs wegen betraut ist zur Erstsortierung der einschlägigen skizzierten Fragen und Entscheidungen einzig das Parlament als verfassungsrechtlich zuständigem Gesetzgeber. 322 Die Verbandskompetenz spricht Art. 137 VIII WRV dafür den Ländern zu. Soweit also gute Verfassungsgründe, d.s. kollidierende Grundrechte Dritter und sonstige Rechtsgüter mit Verfassungsrang dem Anspruch auf Verleihung der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an eine Religionsgesellschaft entgegenstehen, sind diese der konkreten Verleihungsentscheidung vorgeschaltet anhand eines länderrechtlichen Maßstäbegesetzes in Ansatz zu bringen. 323 Das Bundesverfassungsgericht ist auf das verfassungsrechtliche Erfordernis einer gesetzlichen Vorprägung administrativer (und auch parlamentarischer) Ver321 H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Vorb. Rdnr. 89; G. Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 94 ff.; Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl. 2002, Vorb. Art. 1 Rdnr. 48; R. Alexy, Grundrechte, S. 262 f.; K. Misera-Lang, Dogmatische Grundlagen der Einschränkbarkeit vorbehaltloser Freiheitsgrundrechte, 1999, S. 384 ff. 322 M. Morlok/M. Heinig, NVwZ 1999, 697 (705 f.), s.a. E. D. Bohl, S. 171 ff. jeweils m. w. N. 323 Einen ersten Schritt in diese Richtung macht Art. 36 III 3 Verf.Brandb., der für die Verleihung der öffentlich-rechtlichen Rechtsform ausdrücklich die Achtung zentraler, in Art. 2 Verf.Brandb. näher bezeichneter Verfassungsprinzipien und der Grundrechte der Landesverfassung verlangt. Es erscheint jedoch fraglich, ob dies eine hinreichend Bestimmung für die Ablehnung der Verleihung gemäß den Anforderungen eines Gesetzesvorbehaltes darstellt.

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

leihungsentscheidungen bedauerlicherweise nicht eingegangen.324 Gemäß seinem Urteil wäre gegen die momentane Verleihungs- und Verweigerungspraxis ohne gesetzliche Grundlage nicht zu erinnern. Damit hat sich das Gericht einer wichtigen Gelegenheit begeben, effektiven Grundrechtschutz (und Schutz grundrechtsgleicher und -ähnlicher Rechte) durch Parlamentarisierung der Abwägungsentscheidungen zu garantieren.

e) Keine sonstigen ungeschriebenen Verleihungsvoraussetzungen Aus der oben skizzierten verfassungstheoretischen wie -dogmatischen Annäherung an den Körperschaftsstatus heraus ist es konsequent, allen Versuchen, affirmativ gefaßte Verleihungsvoraussetzungen zu benennen, eine deutliche Absage zu erteilen. Weder ist eine über die Einhaltung der verfassungsrechtlichen) Vorgaben hinausgehende besondere Staatsloyalität zu fordern, 325 noch kann es angesichts des paradigmatisch paritätischen Charakters des Körperschaftsstatus auf eine besondere, an der vertretenen religiösen Lehre festmachbare Dignität, Hoheitsfähigkeit, 326 Anerkennungswürdigkeit 327 oder kulturelle Affinität zum „christlichjüdischen Abendland" 328 bei der Verleihung des Körperschaftsstatus ankommen. Auch die Gemeinwohldienlichkeit, die „stetige Mitgestaltung des Kultur- und Sozialauftrags des Grundgesetzes" 329 ist keine Verleihungsvoraussetzung im rechtstechnischen Sinne (cf. supra I. 2.). Unter den grundgesetzlichen Bedingungen eines religionsgemeinschaftlichen Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Trennung sehen sich derartige Versuche einer Einschränkung der verfassungsrechtlichen Verleihungsgarantie dem Vorwurf ausgesetzt, auf de lege lata unzulässige Weise die vom Verfassungsgeber gezielt religionsneutral und paritätisch formulierten Verleihungsvoraussetzungen und bewußt als gebundene Entscheidung benannte Rechtsfolge konterkarieren zu wollen. 330 Welche Motive hier auch immer wirken mögen - Xenophobie, kulturelle Häresiomachie, fehlgeleiteter Traditionalismus - der grundgesetzlich verfaßten, auch den Faktor Religion inkludierenden offenen Gesellschaft sind derartige Interpretationen abträglich. Plausibilität kann gleichwohl eine Lesart des Art. 137 V 2 WRV für sich in Anspruch nehmen, die ein durch die öffentlich-rechtliche Rechtsform und die spe324 H. Weber, Religion - Staat - Gesellschaft 2 (2001), 47 (71). 325 BVerwGE 105, 117 (124 ff.). 326 fi Kirchhof, HdbStKirchR 21, S. 651 (682 ff.). 327 R. Smend, ZevKR 2 (1952/53), 374 ff. 328 A. Albrecht, KuR 1995, 25 ff. = 210, 1 ff. 329 A. v. Campenhausen, ZevKR 46 (2001), 165 (177). 330 s. Huster, JuS 1998, 117 (120); S. Korioth, GS Jeand'Heur, 1999, 221 (233 ff., insb. 239 ff.).

IV. Der Neuerwerb des Körperschaftsstatus

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zifischen Beleihungen mit einzelnen Körperschaftsrechten hervorgerufenes Näheverhältnis von Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts zum Staat hervorhebt und hieraus besondere Anforderungen an die Einstellung gegenüber dem und eine Zuwendung der Religionsgesellschaft zum Staat ableitet. 331 Anerkennt man aber die geltend gemachten Gründe für eine grundrechtsgeprägte Lesart des Art. 137 V 2 WRV, kann man sich letztendlich eine auf staatliche Interessen fixierte Formulierung von Verleihungsvoraussetzungen nicht zu eigen machen. Wie auch das Bundesverfassungsgericht betont, bleibt die öffentlich-rechtliche Korporierung religionsfreiheitlich überlagert. Diese Freiheit ist nun aber „formale Freiheit". Wie oben bereits ausgeführt, muß der Grundrechtsträger „sein Handeln nicht an den Interessen des Staates orientieren. Dies aber würde man von einer Religionsgemeinschaft verlangen, die ihr Wirken auf die Ziele des Staates, seine Verfassungsordnung und die dort niedergelegten Werte ,loyal' auszurichten hätte". 332 Primärzweck des Art. 137 V 2 WRV ist nicht die Bedienung staatlicher Interessen durch religiöses Wirken, seien es auf die Staatlichkeit selbst ausgerichtete Interessen, seien es gesellschaftspolitisch konvertierte, in der Währung der „Gemeinwohldienlichkeit" handelbare Interessen. 333 Es erscheint deshalb nicht angemessen, dieser Perspektive in einer dogmatischen Aufbereitung des Art. 137 V 2 WRV Dominanz zuzubilligen. Nämliches gilt, auch dies hat das Bundesverfassungsgericht luzide ausgeführt, für das Merkmal der Kooperationsbedingungen, 334 die dem Körperschaftsstatus inhärent seien. In einem etwas abstrakteren Angang könnte man gegen eine dogmatische Aufladung von „Kooperationsbedingungen" herausstreichen, daß die freiheitsrechtliche Imprägnierung des gesamten Religionsverfassungsrechts unter Einschluß der einzelnen Körperschaftsrechte bloß ein Angebot, keine Verpflichtung zu spezifischen Freiheitseffektivierungen und Öffentlichkeiten bereithält. 335 Dieses Angebot strukturiert sich in den potentiellen institutionellen Berührungen zu Sphären der Staatlichkeit quer zu den grundgesetzlich vorgesehenen Rechtsfor331 BVerwGE 105, 117 (119); S. Muckel, DÖV 1995, 311 (313 ff.); ders., Stimmen derZeit 2001, 463 (470 ff.); ders., Jura 2001, 456 (459 f.); R. Tillmanns, DÖV 1999, 441 (447); C. Hillgruber, NVwZ 2001, 1347 (1351 ff.). 332 Auch eine „positive Grundeinstellung" gegenüber dem Staat (so S. Muckel, DÖV 1995, 311 [316]) ist deshalb nicht gefordert. 333 Cf. a. G. Robbers, FS Heckel, 1999, S. 411 (420 ff.). 334 BVerwGE 105, 117 (119); S. Muckel, DÖV 1995, 311 (313 ff.). 335 M. Heckel, HdbStKirchR 2 I, S. 445 (490); H. Weber, Religion - Staat - Gesellschaft 2 (2001), 47 (56); faktisch entsteht bei Annahme dieses Angebots die „Notwendigkeit verständiger Kooperation" BVerfGE 44, 312 (331), es entsteht eine wechselseitige Zugewandtheit und Kooperation zwischen Staat, und Religionsgemeinschaften, E 44, 312 (330 f.), soweit die Folgerechte des Körperschaftsstatus genutzt werden sollen. Normativ besteht die Kooperationspflicht aber nur für den Staat, dem strikte Trennung und Indifferenz im Bereich des Art. 137 V WRV untersagt ist. Die religionsfreundliche Garantie eines Angebotes des Staates zur Kooperation (BVerwGE 105, 117 [121]) läßt sich aber nun nicht zulasten abweichender religiöser Selbstverständnisse drehen, um Partizipationsrechte zu versagen.

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

men. 336 Die grundgesetzlichen Einrichtungen des Religionsunterrichts und der Anstaltsseelsorge stehen allen Religionsgemeinschaften offen und erfordern ein gleiches Maß an „Treu und Redlichkeit" wie die besonderen Körperschaftsrechte. In beiden Konstellationen wird eine rein auf Subordination ausgerichtete Begegnung des Bürgers mit seinem Staat transzendiert. Doch ist dies im liberal-deliberativen, sozialen und prozeduralen Rechtsstaat337 nicht der verfassungsrechtliche Ausnahmezustand, sondern intendierter Regelfall. Eine die besonderen Kooperationsbedingungen einer öffentlich-rechtlichen Rechtsform betonende Interpretation des Art. 137 V 2 WRV schreibt auf spezifische Weise das dem 19. Jahrhundert entstammende staatswissenschaftliche und -rechtliche Paradigma der prinzipiellen Impermeabilität des Staates für den Bürger fort. Vom Axiom der Undurchlässigkeit wäre demnach nur unter ganz besonderen Konditionen (Kooperationsvoraussetzungen) abzusehen. Derweil genügt dieses Beschreibungs- und Normativmodell weder in tatsächlicher noch in rechtlicher und verfassungstheoretischer Hinsicht den Anforderungen einer die Komplexität und Verfassungsvorgabe grundgesetzlich verfaßter Staatlichkeit hinreichenden Abbildung. Schlagworte für solche Anforderungen sind der „offene Staat", 338 der „kooperative Staat", 339 der „informelle Staat". 340 Stets sind ein gehöriges Maß an „good will", an den formalen rechtlichen Rahmenbedingungen überschießende Moralität für ein Effektivwerden dieser Formen staatlicher Strukturierung Voraussetzung, ohne als solche im rechtstechnischen Sinne zu fungieren. Sowohl Loyalität wie gelungene Kooperation wie Gemeinwohlgenerierung lassen sich deshalb möglicherweise als Erwartungen im Sinne einer institutionalisierten und durch das verfassungsrechtliche Arrangement hinreichend wahrscheinlichen Hoffnung begreifen. Als Voraussetzungen für die Verleihung des Körperschaftsstatus in einem rechtsdogmatischen Verständnis würde man dagegen - wie aufgezeigt - Kernelemente der Rechtsform wie des Religionsverfassungsrechts des Grundgesetzes insgesamt verfehlen. 341

336 Cf. BVerfGE 102, 370 (396); a. A. Höllerbach, JZ 1997, 1117(1118). 337 im Sinne von J. Habermas, Faktizität und Geltung, 1992, S. 349 ff., 468 ff. 338 u. Di Fabio, Das Recht offener Staaten, 1998; R. Grawert u. a. (Hrsg.), Offene Staatlichkeit, Festschrift für Ernst-Wolfgang Böckenförde zum 65. Geburtstag, 1995; S. Hobe, Der offene Verfassungsstaat zwischen Souveränität und Interdependenz, 1998. 339 p. Häberle, Der kooperative Verfassungsstaat (1978), in: ders., Verfassung als öffentlicher Prozeß, 3. Aufl. 1998, S. 407 ff.; E.-H. Ritter, AöR 104 (1979), 189 ff. 340 Cf. H Bauer, VerwArch 1987, 241 ff.; H Schulze-Fielitz, Der informale Verfassungsstaat, 1984; a. D. Grimm, Die Zukunft der Verfassung (1990), in: ders., Die Zukunft der Verfassung, 1994, S. 399 (420 ff.); ders., Das Grundgesetz nach 50 Jahren (1999), in: ders., Die Verfassung und die Politik, 2001, S. 295 (316 ff.) 341 Cf. ferner zur Möglichkeit, das Voraussetzungsargument auch religions-, insb. kirchenfeindlich zu verwenden S. Huster, JuS 1998, 117 (120).

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f) Rechtsgrundlagen und -formen der Verleihung in der Praxis In welcher Form die Verleihung des Körperschaftsstatus erfolgt, läßt das Grundgesetz ebenso offen wie nähere Details des Verfahrens und der Zuständigkeit. Gemäß Art. 137 VIII WRV ist zur Festlegung solcher Einzelaspekte die Landesgesetzgebung berufen. Auch ergibt sich unter dem Gesichtspunkt der Nichtverleihung des Körperschaftsstatus trotz Vorliegens der in Art. 137 V 2 WRV genannten Verleihungsvoraussetzungen und dem gleich näher behandelten Gesichtspunkt des Statusentzugs und des Verbots einer öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft Kodifikationsbedarf. Vergleicht man diesen Befund mit den landesrechtlichen Grundlagen für Statusentscheidungen der Länder, ist festzustellen, daß die Länder ihren gesetzgeberischen Aufträgen nur äußerst unzureichend nachgekommen sind. Einzig Hamburg kennt ein „Gesetz über die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen". 342 Zahlreiche der hier ausgemachten Erfordernisse einer Konkretisierung sind darin allerdings nicht geregelt. Maßgebliche Bedeutung kommt vor allem den klarstellenden Bestimmungen zur Zweitverleihung (im Gefolge einer Statusverleihung in einem anderen Land) sowie zur Rechtsform der Verleihung zu. Nach § 1 I des Gesetzes wird der Senat ermächtigt, durch Rechtsverordnung antragstellenden Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen. Daneben sind Teilaspekte des Verfahrens und der Verleihungsform in einigen Ländern durch deren Verfassungen einer Regelung zugeführt. So bestimmt Art. 61 S. 2 Verf. Brem., daß die Status Verleihung in Gesetzesform zu ergehen hat. Zudem ist aus Baden-Württemberg eine Verordnung des württembergischen Kultusministeriums über die neueren Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts aus dem Jahre 1928 überliefert. Im übrigen operieren die Länder ohne weitere gesetzliche Grundlage neben dem Grundgesetz einzig geleitet durch Empfehlungen der Kultusministerkonferenz über die Verleihung der öffentlichen Körperschaftsrechte an Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen, beschlossen 1954, und Erläuterungen hierzu aus dem Jahre 1962. 343 In fast allen Ländern erfolgt dabei die Verleihung der Körperschaftsrechte durch Verwaltungsakt der Landesregierung bzw. des zuständigen Ministers bzw. Ministeriums. 344 Eine Ausnahme bilden lediglich Bremen, wo die Verfassung ein Gesetz verlangt, Nordrhein-Westfalen, wo traditionell die Verleihung in Gesetzesform erfolgt und eben Hamburg, das die gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung durch den Senat kennt.

342 Abgedruckt bei H. Weber, ZevKR 34 (1989), 335 (375 f.). 343 Abgedruckt bei H. Weber, ZevKR 34 (1989), 335 (376 ff.). 344 H. Weber, ZevKR 34 (1989), 335 (364 f.); E. D. Bohl, S. 93 ff. 2

Heinig

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

Alle drei Verleihungsformen (Gesetz, Rechtsverordnung, Verwaltungsakt) sind von Verfassungs wegen denkbar; auch einer obligatorischen Rechtsformverleihung durch Gesetz - wie in Bremen - stehen keine bundesverfassungsrechtlichen Hindernisse entgegen. Es besteht dann bei Vorliegen der Verleihungsvoraussetzungen im Zusammenspiel mit Art. 137 V 2 WRV der seltene Fall eines Verfassungsanspruchs auf ein bestimmtes, inhaltlich festgelegtes gesetzgeberisches Handeln. 345 Ungewöhnlich, aber von Verfassungs wegen nicht ausgeschlossen ist auch das durch das Verleihungsgesetz begründete, auf eine bestimmte Religionsgesellschaft bezogene Sondergesetz. Die Verleihung des Körperschaftsstatus auf Antrag hin stellt keinen Eingriff in die Garantie freier Selbstordnung und -Verwaltung dar, sondern ihre Exund Intensivierung, so daß die Schrankenklausel des „für alle geltenden Gesetzes" im Sinne des Art. 137 III WRV hierauf keine Anwendung findet. Auch wenn man aus den religionsverfassungsrechtlichen Grundsätzen der Freiheit, Gleichheit und Trennung ein Verfassungsprinzip des religionsbezogenen Sonderrechtsverbots extrahieren würde, wäre dieses im Falle der antragsgemäßen Verleihung der öffentlich-rechtlichen Rechtsform aus teleologischen Gründen zu reduzieren.

2. Körperschaftsstatus durch Zusammenschluß öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften Nach Art. 137 V 3 WRV bilden Zusammenschlüsse mehrerer öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften zu einem Verband wiederum eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. Die Verfassung garantiert dabei die Entstehung neuer öffentlichrechtlicher Korporationen durch religionsgemeinschaftliche Organisationsakte, ohne daß eine weitere staatliche Mitwirkung erforderlich wäre. Aus Gründen der Rechtssicherheit wäre das staatliche Erfordernis einer Mitteilung an das Sitzland und einer klarstellenden Bestätigung und Publikation in einem staatlichen Verkündigungsblatt in Fällen des Zusammenschlusses als Voraussetzung für das Entstehen der Korporationsqualität des Verbundes keine unzulässige Einschränkung. In zahlreichen Vereinbarungen zwischen Staat und Kirchen wurden derartige staatliche Mitwirkungsakte im Falle des Art. 137 V 3 WRV vertraglich festgelegt. 346

V. Wegfall des Körperschaftsstatus einer einzelnen Religionsgesellschaft 1. Drei Fragen und ein Fall Während die Frage des Erwerbs des Körperschaftsstatus in den letzten Jahren Gegenstand einer prominent geführten staatskirchenrechtlichen Kontroverse ge345 Cf. hierzu E. D. Bohl, S. 86 ff. m. w. N. 346 Cf. M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 Rdnr. 100 m. w. N.

V. Wegfall des Körperschaftsstatus

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worden ist, hat eine in den Konsequenzen und der praktischen Relevanz absehbar ähnlich bedeutsame Rechtsfrage bislang allenfalls am Rande Aufmerksamkeit gefunden: Wann entfällt der öffentlich-rechtliche Status einer Religionsgemeinschaft eigentlich wieder? Kann eine religiöse Vereinigung auf diese Rechtsform verzichten? Und vor allem: kann sie ihr gegen ihren Willen entzogen werden und ggf. unter welchen Voraussetzungen? Interessanterweise wurde dieser Fragenkreis in der Rechtsprechung bisher lediglich ein Mal thematisiert und zwar zeitlich parallel zu dem Rechtsstreit der Zeugen Jehovas in einem Verfahren, das ebenfalls in Berlin seinen Ausgangspunkt nahm und das die Problematik betraf, ob und ggf. wodurch die altkorporierte Religionsgemeinschaft Adass Jisroel zu Berlin ihren Körperschaftsstatus verloren hat. 347 Der Vereinigung wurden 1885 die Rechte einer Synagogengemeinde und damit die Körperschaftsrechte verliehen; unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft sollte sie 1938 durch das „Gesetz über die Rechtsverhältnisse der jüdischen Kultusvereinigungen" des Körperschaftsstatus verlustig gehen und in die Rechtsstellung als rechtsfähiger Verein des bürgerlichen Rechts überführt werden. Die entsprechenden Rechtsakte werden heute als nichtig angesehen.348 Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das organisatorische und geistige Leben zunächst nicht wieder aufgenommen, da der ganz überwiegende Teil der Mitglieder ermordet oder vertrieben worden war oder nach dem Ende der Schreckensherrschaft emigrierte. Erst 1985 setzten erfolgreiche Bemühungen einer Reaktivierung ein, die nach der Wiedervereinigung 1990 zu der Frage führten, ob die heutige orthodoxe jüdische Religionsgemeinschaft den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft innehat. 349

347 VG Berlin, NVwZ 1995, 513 ff.; OVG Berlin, NVwZ 1997, 396 ff.; BVerwGE 105, 255 ff.; hierzu auch H. Weber, NJW 1998, 197 ff.; P. Kunig/R. Uerpmann, DVB1. 1997, 248 ff.; aus der Literatur zur Frage des Verlustes des Körperschaftsstatus allgemein mehr als nur kursorisch G. Held, S. 144 ff.; J. Lehmann, Die kleinen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts im heutigen Staatskirchenrecht, 1959, S. 134 ff.; ausführlich zuletzt E. D. Bohl, S. 96 ff. 348 BVerwGE 105, 255 (262 f.): „Sowohl im erstinstanzlichen Urteil als auch im Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist unter Bezugnahme auf BVerfGE 23, 98 (106 f.) zutreffend ausgeführt, daß die Überführung der jüdischen Gemeinden in den Status eines bürgerlich-rechtlichen Vereins im Zusammenhang mit der vom deutschen Staat seit 1933 planmäßig betriebenen Verfolgung und Vernichtung der Juden steht und daher als eine in das Gewand des Rechts gekleidete Willkürmaßnahme von Anfang an nichtig war. Dem ist nichts hinzuzufügen."; VG Berlin, NVwZ 1995, 513 (514); a.A. E. Friesenhahn, HdbStKirchR 1 I, S. 545 (557 Fn. 33) hinsichtlich der formalen Rechts Wirkung; materiell bestehe aber ein Restitutionsanspruch der betroffenen Religionsgemeinschaft; s.a. J. Lehmann, S. 32. 349 Näher zum Sachverhalt P. Kunig/R. Uerpmann, DVB1. 1997, 248 (249); OVG Berlin, NVwZ 1997, 396 f. 23:

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

2. Keine explizite Verfassungsbestimmung/Art. 137 I I I WRV als Dreh-und Angelpunkt Drei Ausgangspunkte scheinen für den Gesamtkomplex des Statuswegfalls generell bedeutsam. Zunächst: die Verfassung enthält zum aufgeworfenen Problemkreis keine ausdrücklichen Aussagen. Während andernorts zwar keine Bestimmungen über einen Verzicht auf Verfassungsrechte und verfassungsrechtliche Organisationsformen zu finden sind, aber doch immerhin der Entzug von Verfassungsrechten eigens geregelt wird und Voraussetzungen und/oder Verfahren benannt werden, wie in Art. 9 II GG, Art. 18 GG oder Art. 21 II GG, fehlt es für den Körperschaftsstatus an einer solchen speziellen Verlustbestimmung. 350 Ferner sind die spezifischen Vorgaben des Religionsverfassungsrechts und der sui-generis-Charakter des Körperschaftsstatus für Religionsgemeinschaften zu achten; von einer pauschalen Übertragung allgemeiner Rechtsgrundsätze für den Rechtsformverlust sonstiger öffentlich-rechtlicher Körperschaften 351 wie privatrechtlicher Vereinigungen - soweit solche Grundsätze überhaupt bestehen - ist deshalb Abstand zu nehmen. 352 Schließlich gilt es auch für die Frage des Wegfalls der öffentlichrechtlichen körperschaftlichen Rechtsform einer Religionsgemeinschaft die religionsfreiheitlich fundierten Rechte auf Vereinigungsfreiheit (Art. 137 II WRV) und auf Selbstordnung und -Verwaltung (Art. 137 III WRV) zu berücksichtigen, wobei die parzellenscharfe Zuordnung zu einer der beiden Ausgestaltungen korporativer Religionsfreiheit hier offenbleiben kann. Die freiheitsdienende Funktion des Körperschaftsstatus und die Imprägnierung der Rechtsform durch die grundrechtliche religiöse Freiheit sind auch in Fragen des Wegfalls des Rechtsstatus in Ansatz zu bringen - und zwar sowohl in der Frage des Verzichts oder der Auflösung wie der Frage des Entzugs.

350 v e Berlin, NVwZ 1995, 513 (514). 351 So aber G. Held, Die kleinen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften im Staatskirchenrecht der Bundesrepublik, 1974, S. 144; Tendenzen dazu auch bei VG Berlin, NVwZ 1995, 513 (515); cf. insg. nun a. B. Lindner, S. 95 ff. 352 OVG Berlin, NVwZ 1997, 396 (397 f.). Wegen des verfassungsrechtlichen Wechselspiels von Art. 137 III und V WRV können in der Frage der Selbstauflösung einer öffentlichrechtlichen Religionsgemeinschaft deshalb auch nicht einfach zivilrechtliche Kriterien für die Selbstauflösung eines Vereins herangezogen werden - s. a. P. Kunig/R. Uerpmann, DVB1. 1997, 248 (251 f.), die dieser Gefahr gleichwohl ein wenig erliegen. Zudem - hierauf macht auch E. D. Bohl, S. 101, aufmerksam - sind die Maßgaben des Zivilrechts für die Auflösung eines Vereins selbst umstritten und es sind jeweils Stimmen zu beiden auch hier sogleich zu verhandenden Möglichkeiten zu finden; cf. für eine konstitutive Selbstauflösung eines Vereins Β GHZ 19, 51 (57); BGH, WM 1976, 686 ff.; für eine konstitutive Löschung durch die das Vereinsregister führende staatliche Behörde K. Schmidt, JZ 1987, 394 ff.

V. Wegfall des Körperschaftsstatus

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3. Willentliche Aufgabe des Körperschaftsstatus Die willentliche Aufgabe des Körperschaftsstatus ist in zwei Varianten denkbar: zum einen kann eine Religionsgemeinschaft auf den Status verzichten und eine andere Rechtsform anstreben. Ein solches Vorgehen könnte etwa durch ein gewandeltes religiöses Selbstverständnis motiviert sein, mit dem nach nunmehriger religiöser Lehre der Körperschaftsstatus unvereinbar erscheint. Zum anderen ist es möglich, daß sich eine öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft gänzlich auflösen will, ζ. B. weil sich alle Mitglieder von der religiösen Lehre enttäuscht abwenden oder weil die organisatorische Selbstauflösung dem religiösen Selbstverständnis - etwa als Ausdruck einer Naherwartung versprochener Ereignisse wie Weltuntergang und Weltgericht - entspricht. Bei allen Unterschieden im einzelnen läßt sich eine verfassungsrechtliche Bearbeitung der beiden Arten einer willentlichen Aufgabe des Körperschaftsstatus doch zusammenführen. Denn jeweils nehmen mangels expliziter verfassungsrechtlicher Bestimmungen die hier anzustellenden verfassungsrechtlichen Überlegungen ihren Ausgangspunkt in der Religionsfreiheit als Vereinigungsfreiheit und als Recht auf Selbstordnung und -Verwaltung. Die Herausstreichung der religionsfreiheitlichen Dimension des Körperschaftsstatus bedeutet im Ergebnis, daß eine öffentlichrechtliche Religionsgemeinschaft nicht gegen ihren Willen zu einem Fortbestand überhaupt oder zu einer Existenz in dieser Rechtsform staatlicherseits gezwungen werden kann. Religiöse Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Selbstordnung und -Verwaltung umfassen auch die Freiheit zur Selbstauflösung religiöser Organisationen und zum Rechtsformwandel. Dies ist für privatrechtlich organisierte Religionsgemeinschaften als selbstverständlich anerkannt und im allgemeinen Vereinsrecht konkretisiert. 353 Die aufgezeigten beiden Komponenten „negativer" Organisationsfreiheit (Auflösung und Rechtsformwandel) werden aber auch durch eine öffentlich-rechtliche Rechtsform nicht aufgehoben. Dies ergibt sich für das Ende der Religionsgemeinschaft als juristischer Person aus dem Umstand, daß die durch Art. 4 I, II GG geschützte Austrittsfreiheit der Mitglieder durch den Körperschaftsstatus ungeschmälert ist, ein dauerhafter zwangsweiser Fortbestand einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft ohne Mitglieder in der Sache wenig Sinn machte und sich rechtlich bedenklich eines Stadiums staatlicher Identifikation mit einer Religionsgemeinschaft nähern würde, folglich im Widerspruch zu Art. 137 I WRV stünde. Die Einstellung aller Aktivitäten durch eine Religionsgemeinschaft und der Verlust aller Mitglieder führte zu einer „leeren Hülle", für deren dauerhaftes Fortbestehen letztlich „weder ein Bedürfnis noch eine Rechtfertigung" bestünde.354 Für den Rechts353 Ein Rechtsformwandel kann dabei zwischen dem Rechtsstatus nach §§55 ff. BGB und dem nach § 54 BGB erfolgen, aber auch ein Übergang in handelsrechtliche Organisationsformen ist nicht gänzlich ausgeschlossen (s. o. 1. Kap. V. 4.). 354 OVG Berlin, NVwZ 1997, 396 (398) im Anschluß an H. Weben ZevKR 34 (1989), 337 (363) m. w. N.; s. a. P. Kunig/R. Uerpmann, DVB1. 1997, 248 (253).

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

formwandel bei öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ist zu beachten, daß die korporative Religionsfreiheit in Form der Vereinigungs- und Organisationsfreiheit nach Art. 4 GG/Art. 137 II und III WRV auch die Wahl zwischen den unterschiedlichen, staatlich vorgesehenen Rechtsformen schützt (s. ο. I. 2. c.). Ein diese Entscheidungsfreiheit einschränkendes „für alle geltendes Gesetz" besteht nicht und ließe sich als verhältnismäßiges schwerlich denken. 355 Der Rechtsgedanke der Intentionalität der Rechtsformwahl ist gleichfalls im Antragserfordernis nach Art. 137 V 2 WRV enthalten: gegen den Willen soll keine Religionsgemeinschaft öffentlich-rechtlich konstituiert werden. 356 Man kann deshalb aus dem Gesamtzusammenhang des grundgesetzlichen Staatskirchenrechts schließen, daß die Freiheit des Rechtsformverzichts und der Selbstauflösung für öffentlich korporierte Religionsgesellschaften in der Verfassung selbst verankert ist. Dies gilt auch für altkorporierte Religionsgesellschaften, die nach Art. 137 V 1 WRV Körperschaften des öffentlichen Rechts bleiben. 357 In seinem freiheitsflankierenden Charakter stellt die Norm einen subjektiv-rechtlichen Abwehranspruch gegen staatliche Eingriffe in die Bestandsgarantie der Rechtsform und der den Kernbereich der Einrichtung bildenden Begleitrechte und einen Ausgestaltungsanspruch zur Effektivwerdung des Status dar, nicht aber eine Rechtsformpflicht. Auch die verfassungsrechtlichen Prinzipien der Gleichheit und religiös-weltanschaulichen Neutralität streiten dafür, Art. 137 V 1 WRV so zu verstehen, daß er die dort behandelten Gruppierungen nicht für alle Zeiten auf diese Organisationsform verweist. Mit dem Rückgriff auf Art. 4 I, II GG/Art. 137 II und III WRV und der daraus abgeleiteten, auch den Körperschaftsstatus erfassenden Organisationsautonomie ist allerdings noch nicht vorgegeben, wie die Abstoßung des Körperschaftsstatus bzw. das Ende der damit versehenen juristischen Person rechtstechnisch zu realisieren ist. Da Art. 137 V WRV keine hinreichend deutlichen Anhaltspunkte zu entnehmen sind, wie bei der willentlichen Aufgabe des Körperschaftsstatus genau zu verfahren ist, wäre es primär erforderlich, auf der Grundlage der verfassungsrechtlichen Bestimmung des Bestandsschutzes (Art. 137 V 1 WRV), der organisatorischen Freiheit (Art. 4 GG/Art. 137 II und III WRV) sowie der Parität (Art. 3 I, III GG u. a.) eine gesetzliche Regelung für diesen Fragenkomplex zu erlassen. Zuständig hierfür sind nach Art. 137 VIII WRV die Länder. Eingedenk des Verfassungsrangs der Rechte öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften auf Selbstauflösung und Statusverzicht können ihnen bis zum Erlaß solcher gesetzlicher Grundlagen diese Rechte zugleich aber auch nicht vorenthalten werden. Eine Verweisung der Religionsgesellschaften auf eine Handlungspflicht des Gesetzgebers genügte wohl nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben; deshalb soll hier eine unmittelbar aus der Verfassung abgeleitete Lösung skizziert werden. Zwangsläufige Folge ist nun

355 E. D. Bohl, S. 97 ff.; H. Weber, ZevKR 34 (1989), 337 (362); G. Held, S. 145; a.A. wohl J. Schmitt, Kirchliche Selbstverwaltung im Rahmen der Reichsverfassung, 1926, S. 119. 356 OVG Berlin, NVwZ 1997, 396 (397); E. D. Bohl, S. 97. 357 Cf. E. D. Bohl, S. 98 ff.

V. Wegfall des Körperschaftsstatus

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aber die Gefahr, bei der Lösung der aufgeworfenen Rechtsfrage die Grenze zwischen Verfassungsinterpretation und Rechtsfortbildung zu überschreiten. Der Gesetzgeber bleibt insoweit aufgefordert, seinen Pflichten zum Erlaß von gesetzlichen Grundlagen nachzukommen und dabei dann im verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen korrektiv zu wirken. In den Details der Abwicklung des Körperschaftsstatus stellt sich insbesondere die Frage, ob es dazu eines durch den Staat, genauer: durch die statusverleihende Stelle vorzunehmenden actus contrarius bedarf. Dann wäre die Aufhebung des Körperschaftsstatus durch einen in gleicher Form wie die statusbegründende Verleihung erfolgenden Rechtsakt Voraussetzung für die Auflösung der Religionsgemeinschaft 358 oder den Wechsel der Rechtsform. Besondere Probleme bereitete dies bei altkorporierten Religionsgesellschaften, wenn man annähme, daß hier stets die Verfassung geändert werden müßte, um sie aus dem Körperschaftsstatus zu entlassen. Für das Erfordernis eines actus contrarius spricht zunächst der Rechtsgedanke der „Rechtsklarheit und Rechtssicherheit" 359, der verfassungsrechtlich im Rechtsstaatsprinzip angebunden ist. Die Notwendigkeit eines staatlichen Aufhebungsakts zur Entledigung des Körperschaftsstatus gewährt Dritten wie der Religionsgemeinschaft selbst wie ihren Mitgliedern wie dem Staat die anzustrebende Klarheit über das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft. Angesichts der mit dem Rechtsstatus verbundenen weitgreifenden Rechte der Organisation sind Ungewißheiten über ihre Rechtsform und ihren Bestand zu vermeiden. Ist etwa ein Mitglied noch kirchensteuerpflichtig? Ist eine Religionsgesellschaft, die gegenüber einem ihrer Mitarbeiter eine Disziplinarstrafe erläßt, aktuell dienstherrenfähig? Ist eine Religionsgemeinschaft zur maßgeblichen Zeit noch in der Bauleitplanung besonders zu berücksichtigen? Ist eine Religionsgemeinschaft insolvenzunfähig? Jeweils liegt es im verfassungsrechtlich geschützten Interesse der Betroffenen, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu erlangen. Dieses Interesse wird durch das Erfordernis eines actus contrarius hervorragend bedient. Zudem sprechen rechtsdogmatische Überlegungen zur Rechtsgeltung und Rechtswirksamkeit dafür, vor einem Rechtsformwechsel oder der Anerkennung einer Selbstauflösung einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft im staatlichen Rechtsverkehr einen staatlichen körperschaftsstatusaufhebenden Rechtsakt zu verlangen. 360 Denn nimmt man, wie oben hergeleitet, für altkorporierte Religionsgemeinschaften eine subjektiv-rechtlich wirkende verfassungsunmittelbare Garantie des Körperschaftsstatus an und bedenkt für die „gekorenen" Körperschaften, daß ihnen der Status allgemein durch Parlamentsgesetz, im übrigen zumeist durch Rechtsverordnung zuerkannt wird (s. ο. IV. 1. f.), dann stellt sich die Frage,

358 So VG Berlin, NVwZ 1995, 513 (515). 359 E. D. Bohl, S. 100. 360 VG Berlin, NVwZ 1995, 513 (514 f.).

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

wie der statusbegründende Rechtsakt in seiner Geltung durch Verzicht oder Selbstauflösung des Begünstigten aufgehoben werden kann. Grundsätzlich hängt die Geltung und damit die Gestaltungswirkung einer öffentlich-rechtlichen Rechtsnorm nicht davon ab, ob ein Betroffener mit ihr einverstanden ist oder sie ablehnt. Die Rechtsgestaltung durch Gesetz entfällt nicht auf Grund entsprechenden Willens der Betroffenen - etwa bei der Planung durch Gesetz.361 Eine Begünstigung durch Gesetz im Leistungsverwaltungsrecht fällt nicht schon deshalb weg, weil auf die reale Inanspruchnahme der Begünstigung verzichtet wird. Ähnliches gilt für die Frage des Grundrechts Verzichts. Richtigerweise wird durch einen solchen nicht die grundsätzliche Rechtsposition des Verzichtenden suspendiert, sondern der Verzicht bewirkt einen besonderen Tatbestand verfassungsrechtlicher Rechtfertigung eines Eingriffs. 362 Diese Restriktionen hinsichtlich der Verfügungsmacht des Begünstigten gelten auch für die Regelungsebenen unterhalb des Gesetzes. Während das Zivilrecht mannigfaltige Instrumente zur voluntativen Beendigung von Rechtsverhältnissen ausgebildet hat (Kündigung, Anfechtung, Aufhebungsvertrag), ist das öffentliche Recht in dieser Hinsicht restriktiver. Eine Ausnahme sieht man freilich bei begünstigenden Verwaltungsakten. Bei diesen kann eine Erledigung i. S. d. § 43 II VwVfG auch durch Verzicht auf die Begünstigung erfolgen. Eine solche Erledigung durch Verzicht kann allerdings nur für Verwaltungsakte gelten, die ausschließlich begünstigend wirken, also keine Rechtsbelastungen, insbesondere Handlungspflichten bei Dritten aktivieren, wie dies beim Körperschaftsstatus für Religionsgesellschaften der Fall ist. Eine Rechtsnorm kann allerdings nichtig sein, wenn ihr Regelungsgehalt vollständig ins Leere läuft, etwa das Regelungsobjekt generell-abstrakt weggefallen ist (ζ. B. tierschützende Bestimmungen zugunsten einer inzwischen ausgestorbenen Tierart); bei Verwaltungsakten führt objektive Unmöglichkeit zur Nichtigkeit (§ 44 II Nr. 4 VwVfG). Diese Option läßt sich jedoch in der Frage der Selbstauflösung bzw. des Rechtsformverzichts gerade nicht in Stellung bringen, will man die Bildung eines nicht entfalteten Zirkelschlusses vermeiden. Denn hier geht es ja gerade darum, ob ein Wegfall des Regelungsgegenstandes vorliegt oder nicht; die Frage kann deshalb nicht damit beantwortet werden, daß nach dem Beschluß einer Selbstauflösung einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft die juristische Person weggefallen und damit die gesetzliche Verleihung des Körperschaftsstatus gegenstandlos geworden, die Norm mithin nichtig sei. Es sprechen also verfassungsrechtlich gute Gründe dafür, die Auflösung einer öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft oder ihren Verzicht auf den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts von einem statusaufhebenden staatli-

361 Hierzu grds. BVerfGE 95, 1 ff. 362 Zur Problematik m. w. Ν. H. Dreier, in: ders. (Hrsg.) GG, Vorb. Rdnr. 84; G. Höfling, Offene Grundrechtsinterpretation, 1987, S. 125 ff.

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des Körperschaftsstatus

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chen Rechtsakt abhängig zu machen. 363 Begreift man die Notwendigkeit eines actus contrarius für einen Rechtsformwechsel und die Selbstauflösung einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft als Beeinträchtigung der Religionsfreiheit, bilden die vorstehenden Erwägungen im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung auch geeignete Grundlagen einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Es ist aber zu überlegen, ob dadurch weiterhin den Anforderungen an die Erforderlichkeit und Angemessenheit eines Grundrechtseingriffs genügt wird. Hier ist in Bezug auf den vorgegebenen Zweck der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu bedenken, daß das Erfordernis des actus contrarius nicht intendierte, abträgliche Nebeneffekte zeitigen kann. Denn das Erfordernis eines actus contrarius ist einer schnellen Abwicklung des Status hinderlich, führt zu Übergangszeiten, in denen die Religionsgemeinschaft gegen ihren Willen an die Rechtsform gebunden bleibt. Auch kann bis zum Erlaß des staatlichen Rücknahmeaktes ein faktischer Schwebezustand eintreten, wenn alle Mitglieder einer Religionsgesellschaft austreten und diese ohne personales Substrat dasteht, was weder der Klarheit noch der Sicherheit im Rechtsverkehr entspräche. Deshalb ist daran zu denken, als milderes Mittel der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft selbst grundsätzlich die Kompetenz zuzuschreiben, den erforderlichen Aufhebungsakt zu erlassen. Die Aufhebung der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts würde dann ein weiteres verfassungsunmittelbares Korporationsrecht darstellen. Rechtstechnisch wäre dies als Appendix zur Rechtssetzungsgewalt zu sehen. Der Verlust der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erfolgte dann nach kirchlichem Recht mit öffentlich-rechtlicher Wirkung im staatlichen Rechtskreis. Dabei sind die Grundsätze der Formalität und der Publizität zu wahren, um die erforderliche Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sicherzustellen. In diesem Fall entfielen auch die verfassungsdogmatischen Bedenken gegen einen statusaufhebenden Selbstvollzug durch altkorporierte Religionsgemeinschaften, wäre das Recht der Religionsgemeinschaft auf Aufhebung des Körperschaftsstatus doch in Artikel 137 V WRV selbst, also auf der unmittelbaren Verfassungsebene begründet. Das Auseinanderfallen von statusbegründender und statusauflösender Stelle spricht nicht gegen eine solche Konstruktion. Solche Divergenzen sind vielmehr verwaltungsrechtlicher Alltag, wie die Möglichkeit der Abhilfe eines Widerspruches durch die Widerspruchsbehörde zeigt (§ 73 VwVfG). Auch die dogmatische Figur des actus contrarius steht in dieser Hinsicht nicht entgegen. Sie besagt im strengen Sinne nur etwas über die Rechtsqualität der Aufhebung eines Rechtsaktes. Als dogmatischer Topos vermag sie weder eine Kompetenz zum Erlaß des Aufhe363 A.A. OVG Berlin, NVwZ 1997, 396 (398) mit der Begründung, es bestehe kein Interesse am Erfordernis eines formellen Aufhebungsaktes - eine Argumentation, die sich anhand des vom Gerichts verhandelten Falls trefflich widerlegen läßt; ferner Β. Lindner, S. 108 ff.; a.A. auch ohne nähere Begründung G. Held, S. 145; J. Lehmann, S. 134. E. D. Bohl, S. 101 hält einen actus contrarius für eine Selbstauflösung für entbehrlich, empfiehlt aber eine entsprechende deklaratorische staatliche Maßnahme.

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

bungsaktes begründen, noch weist sie die Zuständigkeit hierfür einer bestimmten Instanz zu. 3 6 4 Beide Voraussetzungen für den Erlaß eines actus contrarius sind vielmehr durch Auslegung den einschlägigen Rechtsnormen zu entnehmen; die Theorie des actus contrarius mag dabei interpretationsleitend herangezogen werden, für sich besagt sie zu beiden Komplexen dagegen nichts. Im Vergleich zur Annahme des Erfordernisses eines staatlichen Aufhebungsaktes bewirkt die hier vorgeschlagene Lösung ein möglichstes Zurgeltungkommen aller betroffenen Rechtsgüter. Sie ist damit nicht nur in der Sache vorzuziehen, sondern entspricht auch dem Gebot der Herstellung praktischer Konkordanz, mithin den Standards heutiger verfassungsrechtlicher Dogmatik. Freilich bleibt zu überlegen, ob die dargestellte Lösung vollständig ist oder nicht einer Ergänzung um eine staatliche Reservekompetenz bedürfte. Denn der in der Rechtsprechung behandelte Fall der Adass Jisroel würde nach den bisher entwickelten Grundsätzen nicht befriedigend gelöst werden. Geht man davon aus, daß diese Religionsgemeinschaft nach Kriegsende weiterhin in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bestand, dann fehlte es über alle Jahre hinweg an einem hinreichend formalen und publiken Auflösungsakt der Korporation. Sie existierte also bis zur Wiederaufnahme des geistigen Lebens in den 1980er Jahren fort - so auch die Lösung des VG Berlin. Rechtssicherheit gewährt dieses Ergebnis aber alleine der Religionsgesellschaft selbst, als die zeit- und umstandsbedingt erfolgte Einstellung der gesellschaftlichen Aktivitäten nicht zur Auflösung der juristischen Person führen würde. Doch für Dritte sind mit der möglicherweise bestehenden langjährigen Existenz einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft ohne religiöse Betätigung und ohne Mitglieder zahlreiche Nachteile im Rechtsverkehr verbunden, die teilweise oben skizziert wurden und auf die das OVG Berlin maßgeblich abstellte.365 Dann wäre in der Auflösungs- und Verzichtsfrage die durch das Erfordernis eines formellen Aufhebungsaktes angestrebte effektive Gewißheit über die konkrete Rechtsstellung der Gesellschaft letztlich nicht erreichbar, solange die Religionsgemeinschaft nicht ihrerseits tätig wird. Aus den aufgezeigten Gründen sollte aber nicht auf einen formalen Aufhebungsakt verzichtet werden. Deshalb ist in diesen Fällen daran zu denken, eine Pflichtige staatliche Ersatzvornahme vorzusehen. Die statusverleihende Stelle wäre dann gehalten, entsprechende Erkundigungen über den Bestandswillen der Organisation einzuholen und ihrerseits auf eine den Erfordernissen des Rechtsverkehrs entsprechende Klärung hinzuwirken, wenn eine Religionsgemeinschaft ihre Aktivitäten einstellt, ohne einen formellen Auflösungsbeschluß zu fassen. Die faktische und nicht absehbar endende Einstellung aller religiösen Aktivitäten kann dabei je nach Umständen des

364 An dieser Stelle muß sich der Autor für befangen erklären: Mit der hier skizzierten Rechtsauffassung vermochte er dereinst in der „Großen Übung im Öffentlichen Recht" nicht durchdringen; seitdem hegt er einen rechten Groll gegen eine überbordende Rekurrierung auf die Figur des actus contrarius;-). 365 OVG Berlin, NVwZ 1997, 396 (398 ff.).

V. Wegfall des Körperschaftsstatus

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Einzelfalls einem Auflösungsbeschluß gleichstehen und eine staatliche Handlungspflicht aktivieren. Die statusverleihende Stelle wäre dann zu den erforderlichen, formal klarstellenden Maßnahmen in der Lage. Dagegen ist das bloß zeitweise Ruhen der organisatorischen Aktivitäten ebenso wie der Verzicht auf die Ausübung der körperschaftlichen Hoheitsrechte unschädlich, soweit nicht eine endgültige Einstellung geplant ist.

4. Unfreiwilliger Verlust des Körperschaftsstatus Wirft man die Frage eines gegen den Willen der betroffenen Religionsgesellschaft erfolgenden Entzugs des Körperschaftsrechts auf, läßt sich in zweierlei Weise differenzieren: zum einen kann unterschieden werden zwischen einem Verbot und einem bloßen Rechtsformentzug, zum anderen kann differenziert werden zwischen alt- und neukorporierten Religionsgemeinschaften.

a) Entzug des Körperschaftsstatus gegen den Willen einer altkorporierten Religionsgemeinschaft Auf den ersten Blick erscheint der unfreiwillige Verlust des Körperschaftsstatus bei Religionsgesellschaften im Sinne des Artikel 137 V 1 WRV ohne Änderung der Verfassung nicht statthaft. 366 Denn die Norm begründet einen subjektiv-rechtlichen Bestandsschutz der Rechtsform (s. ο. II. 1.). Allerdings ist Artikel 137 V 1 WRV im Kontext des gesamten Grundgesetzes zu sehen, also unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Verfassung zu interpretieren. Art. 9 II GG findet freilich auch hier aus Spezialitätsgründen keine Anwendung (s. ο. IV. 1. c.). Deshalb ist ebenso wie für die Verleihung nach Art. 137 V 2 WRV auch für den Entzug des Körperschaftsstatus die dogmatische Figur des kollidierenden Verfassungsrechts in Ansatz zu bringen. Der Rückgriff auf entgegenstehende Rechtsgüter mit Verfassungsrang führt jedoch nicht zu einer weitgehenden Entzugskompetenz, ihm ist vielmehr bei rechter verfassungsrechtlicher Annäherung eine Vielzahl an Restriktionen und Konditionen eingezeichnet. So ist zum einen zu beachten, daß die Beibehaltung des Körperschaftsstatus nach Art. 137 V 1 WRV - anders als die Verleihung - von keinen weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht wird, sieht man vom vorausgesetzten Vorliegen einer Religionsgemeinschaft ab - hierzu sogleich. Diesem ansonsten bedingungslosen Fortbestand ist im Umkehrschluß zu entnehmen, daß nur auf366 So A. v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. 2001, Art. 137 WRV Rdnr. 224; E. Friesenhahn, HdbStKirchR 1 I, S. 545 (555); Th Maunz, in: MDHS, Art. 137 WRV Rdnr. 32; B. Lindner, S. 102 ff.; a. A. „unter dem Eindruck der damaligen Ereignisse" (v. Campenhausen, ebenda in Fn. 24 - sic!) E. Ruppel, ArchevKR 5 (1941), 1 (24).

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

grund nunmehr fehlender Gewähr der Dauer einer altkorporierten Religionsgemeinschaft ihr Rechtsstatus nicht entzogen werden darf. 367 Zugleich ist unter der Perspektive der oben entwickelten, dem Grundgesetz zu Grunde liegenden Vorstellung einer normativen Anerkennung der sozialen Selbstzweckhaftigkeit von Religion festzuhalten, daß „enttäuschte" Erwartungen hinsichtlich der sozialen Nützlichkeit durch das Wirken einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft nicht zum Verlust des Körperschaftsstatus führen dürfen. Ähnlich sind die Motive des Verfassungsgesetzgebers bei der Formulierung des Artikel 137 V 1 WRV zu berücksichtigen; Aversionen gegen eine bestimmte Religion vermögen keineswegs den Verlust der öffentlich-rechtlichen Rechtsform zu rechtfertigen. Deshalb kann im Ergebnis nur das Vorliegen anhaltender, auf andere Weise nicht zu vermeidender Grundrechtsverletzungen im Bereich der übertragenen Hoheitsrechte den unfreiwilligen Verlust des Körperschaftsstatus legitimieren. Denn nur hier scheinen Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit überhaupt vorliegen zu können. Denkbar wäre natürlich auch, daß außerhalb der Beleihung mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgüter Dritter durch die öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft verletzt werden. Dies berührte das in der Literatur und Rechtsprechung als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung bewertete Erfordernis der Rechtstreue. Soweit man dieses - wie das Bundesverfassungsgericht - in Art. 20 III GG verankert sieht, sind auch altkorporierte Religionsgemeinschaften gehalten, sich rechtstreu zu verhalten. Hier ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob der bloße Statusentzug tatsächlich geeignet ist, die Religionsgemeinschaft wieder in die Bahnen des Rechts zu führen, was nicht ohne weiteres plausibel erscheint. Weitergehend wird teilweise vertreten, daß auch ohne Geeignetheit für die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände und für die Abwehr verfassungsfeindlicher Bestrebungen ein Entzug des Körperschaftsstatus zulässig sei. 368 Diese Vorstellung korreliert mit den Stimmen im Schrifttum, welche eine besondere, freiwillig aufgesuchte Staatsnähe öffentlich-rechtlich korporierter Religionsgemeinschaften betonen, die den Staat als Beleiher und „Kooperationspartner" zur Forderung nach einer loyalen Haltung der religiösen Organisation berechtige. 369 Betont man dagegen die grundsätzliche Gleichberechtigung des privatrechtlichen und des öffentlich-rechtlichen Organisationsstatus und streicht in diesem Zusammenhang auch den Charakter des Art. 137 V 2 WRV als subjektiv-rechtlichen, keine Ermessensentscheidung zulassenden Anspruch heraus, dann vermag die vorgeschlagene geeignetheitsunabhängige Zulässigkeit des Körperschaftsentzugs nicht zu überzeugen. Natürlich geht von einer renitent rechtswidrig agierenden öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft durch die hoheitsrechtlichen und 367 VG Berlin, NVwZ 1995, 513 (514); G. Held, S. 146. 368 G. Held, S. 147 m. w. N. 369 s.o. IV. 1.

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sonstigen privilegierenden Berechtigungen ein gesteigertes Gefahrenmoment für ihre Mitglieder und Dritte aus. Gleichwohl trägt dies nur dann den Entzug, wenn man sich der Wiederherstellung rechtskonformer Verhältnisse durch den Verlust des Körperschaftsstatus wenigstens annähern kann, also die Rechtsuntreue sich bis dato auch auf die Körperschaftsrechte erstreckte. Untaugliche Mittel dagegen, auch wenn sie aus Gründen religionspolitischer Symbolik interessant erscheinen, sind mit guten Gründen ordnungsrechtlich verpönt. Im Falle hartnäckiger fehlender Rechtstreue dürfte es dann geboten erscheinen, auf das Mittel des Verbotes als ultima ratio des Religionsrechts zurückzugreifen (hierzu sogleich). Wiederum ist schließlich darauf zu verweisen, daß der Entzug des Körperschaftsstatus als Eingriff in die Garantie des Art. 137 V 1 WRV einer gesetzlichen Grundlage bedarf, die zu erlassen den Ländern nach Art. 137 VIII WRV aufgetragen ist. b) Wegfall der Eigenschaft als Religionsgesellschaft Ein Sonderproblem, das sowohl für neu- wie für altkorporierte Religionsgesellschaften besteht, ist der nachträgliche Wegfall der Eigenschaft als Religionsoder Weltanschauungsgemeinschaft. Hier ist der Verfassung zu entnehmen, daß der Körperschaftsstatus ausschließlich als religiös zu charakterisierenden juristischen Personen zukommen soll. Ändert sich das Selbstverständnis einer Organisation im nachhinein dahingehend, daß sie nicht mehr unter das Merkmal der „Religionsgesellschaft" subsumiert werden kann, fehlt es auch an der verfassungsrechtlichen Grundlage für die Beibehaltung des Körperschaftsstatus. Insoweit erscheint nicht die Frage der Zulässigkeit des Wegfalls des Körperschaftsstatus problematisch, sondern nur, ob der Körperschaftsstatus automatisch mit dem Charakter der Religionsgesellschaft fortfällt oder ein besonderer Entzug erforderlich ist. Die Kriterien der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sprechen für ein formelles Verfahren, in dem staatlicherseits der Wegfall des religiösen Charakters der juristischen Person festgestellt wird. Auch hier wiederum bedarf es einer gesetzlichen Grundlage, die die näheren Voraussetzungen, Zuständigkeiten und ähnliches regelt.

c) Entzug des Körperschaftsstatus einer neukorporierten Religionsgemeinschaft In Bezug auf den Verlust der öffentlich-rechtlichen Rechtsform einer Religionsgesellschaft im Sinne des Artikel 137 V 2 WRV sind folgende Fallvarianten zu unterscheiden:

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

aa) Entzug wegen Täuschung über Verleihungsvoraussetzungen Zunächst ist daran zu denken, daß die Verleihungsvoraussetzungen nicht vorlagen und die fehlende Kenntnis dieses Umstandes bei der statusverleihenden Stelle der antragstellenden Religionsgesellschaft zuzurechnen ist. Im Falle einer solchen Täuschung oder eines vergleichbaren Verhaltens ist die Gesellschaft nicht schutzwürdig, von Verfassungs wegen liegen keine Bedenken gegen den Entzug des Körperschaftsstatus auf Grund einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage vor. 3 7 0 Wurde der Status in Form eines Verwaltungsakts verliehen, ist eine Rücknahme nach § 48 II VwVfG einschlägig; im Falle der Statusverleihung durch Parlamentsgesetz ist ein legislativer Rücknahmeakt erforderlich; bei einer Verleihung durch Rechtsverordnung kann entweder das Parlament selbst rücknehmend tätig werden oder der gesetzlichen Ermächtigung zum Erlaß von einer solchen Rechtsverordnung ist auch eine Rücknahmebefugnis seitens der Administrative zu entnehmen, so daß diese von sich aus tätig werden kann. 371 Fehlt es an der Zurechenbarkeit des staatlichen Wissensmangels, dann genießt die neukorporierte Religionsgemeinschaft Vertrauensschutz, über den nur ein besonderes Rücknahmeinteresse hinweghelfen kann. Hieran mangelt es etwa bei einem Irrtum über die Gewähr der Dauerhaftigkeit, wie nun im Kontext des nachträglichen Wegfalls dieser Verleihungsvoraussetzung gezeigt werden soll. 3 7 2

bb) Nachträglicher Wegfall der Verleihungsvoraussetzungen Grundsätzlich ist es auch denkbar, einer neukorporierten Religionsgemeinschaft den Körperschaftsstatus zu entziehen, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Verleihung des Körperschaftsstatus nachträglich wegfallen. 373 Folgt man der oben näher begründeten Ablehnung ungeschriebener Tatbestandsmerkmale, ist insoweit einzig von Relevanz, wenn zukünftig die Dauerhaftigkeit der Religionsgesellschaft gefährdet ist. Unter solchen Umständen wäre die Verleihung zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfassungswidrig. Neukorporierte Religionsgesellschaften wachsen durch die Gewährleistung gleicher Rechte nicht in die voraussetzungslose Bestandsgarantie nach Art. 137 V 1 WRV hinein, sondern haben in dieser Form nur egalitären Anteil an der Ausgestaltungs- und Kernbereichsgarantie. Dies ergibt sich schon aus der unter aa) skizzierten Reversibilität der Statusverleihung im Falle der Täuschung. Konsequenterweise 370 G. Held, S. 145 m. w. N.; E. D. Bohl, S. 102 ff.; H. Weber, ZevKR 34 (1989), 337 (362).; U. Doose, S. 183; B. Lindner, S. 124 f. m. w. N. 371 Allerdings bedarf es auch dann - entgegen E. D. Bohl, S. 103 - einer gesetzlichen Grundlage. 372 Cf. a. G. Held, S. 145. 373 Α. Hollerbach, HStR VI, § 138 Rdnr. 127; grds. hierzu E. D. Bohl, S. 104 ff. m. w. N. in Fn. 99.

V.

e

des Körperschaftsstatus

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scheidet dann auch ein Entzug des Körperschaftsstatus wegen des nachträglichen Wegfalls der Verleihungsvoraussetzungen bei Religionsgemeinschaften i. S. d. Art. 137 V 2 WRV nicht per se aus. 374 In der Literatur wird deshalb vorgeschlagen, daß auf § 49 II Nr. 3 VwVfG zurückzugreifen sei, wenn die Verleihung durch Verwaltungsakt erfolgte. 375 Soweit die Rechtsformzuweisung und damit die Beleihung durch höherrangige Rechtsakte erfolgte, findet das VwVfG zwar keine Anwendung, man könnte aber auf den Rechtsgedanken des VwVfG zurückgreifen. Allerdings ist zu fragen, ob bei Ungewißheit über den zukünftigen Fortbestand der Religionsgemeinschaft wirklich eine hinreichende „Gefährdung des öffentlichen Interesses" i. S. d. § 49 II Nr. 3 VwVfG vorliegt. Grund für das Kriterium der Dauerhaftigkeit ist vor allem ein praktikabler, staatliche Verwaltungsressourcen schonender Umgang mit der Beleihung der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften. Im Falle eines drohenden „natürlichen" Untergangs einer öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft ist es jedoch in der Perspektive „administrativer Nachhaltigkeit" unerheblich, ob der Rechtsträger der Beleihung später wegfällt oder der Körperschaftsstatus vorab entzogen wird. Sonstige, durch die fehlende Gewähr der Dauer gefährdete Rechtsgüter sind nicht ersichtlich, jedenfalls nicht im Vergleich zu privatrechtlichen Organisationen unter ähnlichen Umständen. Es ist deshalb davon auszugehen, daß im Regelfall allein das nachträgliche Fehlen der Gewährleistung von Dauerhaftigkeit einer Religionsgesellschaft mangels Geeignetheit des damit verfolgten Zwecks nicht ausreicht, einer neukorporierten Religionsgesellschaft den Körperschaftsstatus in verfassungsrechtlich legitimer Weise zu entziehen.376 Ein unfreiwilliger Verlust des Körperschaftsstatus neukorporierter Religionsgesellschaften kommt deshalb wohl nur unter den gleichen Voraussetzungen wie bei altkorporierten in Betracht, d. h.: der Entzug muß durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt sein. Hinsichtlich der hierbei einschlägigen Bedingungen und Voraussetzungen - auch zur Rechtstreue - sei auf die obigen Ausführungen verwiesen. d) Verbot einer korporierten

Religionsgemeinschaft

aa) Verfassungsmäßigkeit des Verbots einer Religionsgemeinschaft generell Bezüglich des Verbotes öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften ist zunächst die Vorfrage zu beantworten, ob Religionsgesellschaften nach dem Grund374 Cf. a. G. Held, S. 146 f. 375 e. D. Bohl, S. 104 f.; Β. Lindner, S. 126 f. 376 A.A. Α. Hollerbach, HStR VI, § 138 Rdnr. 127; H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 100, der die Bezugsgröße der Gleichstellungsklausel des Art. 137 V 2 WRV verkehrt, wenn er verlangt, daß zur Verwirklichung der Gewähr gleicher Rechte auch bei altkorporierten Religionsgemeinschaften ein Statusentzug infolge Mitgliederschwundes zulässig sein müsse.

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

gesetz überhaupt verboten werden können, wie es nunmehr auch das neue Vereinsrecht voraussetzt. 377 Hierbei gilt es abermals zu betonen, daß Art. 9 II GG auf Religionsgemeinschaften keine Anwendung findet, da die religiöse Vereinigungsfreiheit spezieller in Art. 4 I, II GG, konkretisiert durch Artikel 137 II WRV geregelt ist und eine Schrankenübertragung vom allgemeineren auf das speziellere Grundrecht nicht statthaft ist (s. o.). Denkbar ist dagegen, Art. 137 IV WRV in seinem generellen Verweis auf das bürgerliche Recht als Gesetzes vorbehält zu verstehen. Die Anbindung des Erwerbs der Rechtsfähigkeit einer Religionsgesellschaft an die allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechts beinhaltet in diesem Sinne auch die im bürgerlichen Recht vorgesehenen Konditionen und Restriktionen. Etwa gilt für Religionsgesellschaften, daß sie nur dann als eingetragene Vereine bestehen können, wenn sie nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sind (§21 BGB). Soweit sie über das Nebenzweckprivileg hinaus erwerbswirtschaftlich tätig werden, rechtfertigt der Verweis auf das bürgerliche Recht in Art. 137 IV WRV auch eine Entziehung der Rechtsfähigkeit nach § 43 II BGB und den damit verbundenen Eingriff in die religiöse Organisationsfreiheit als Vereinigungs- und Selbstverwaltungsfreiheit. Art. 137 IV WRV ist insoweit extensiv zu interpretieren und bildet eine verfassungsrechtliche Grundlage für eine „kleine Verbotsmaßnahme" nach dem Zivilrecht. 378 Artikel 137 IV WRV kann aber auch unter Zugrundelegung dieses Verständnisses als Gesetzesvorbehalt nicht herangezogen werden, wenn es um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Verbotes als Beendigung der Existenz einer juristischen Person insgesamt geht. Denn bei einer Entziehung der Rechtsfähigkeit nach § 43 BGB bleibt sowohl die Möglichkeit bestehen, als nichtrechtsfähiger Verein weiterzuexistieren, als auch, sich in die für eine wirtschaftliche Betätigung vorgesehenen, auf die Anforderungen im wirtschaftlichen Verkehr besonders zugeschnittenen Rechtsformen (Gläubigerschutz) zu begeben. Ein Verbot im engeren Sinne liegt deshalb beim Rückgriff auf diese allgemeine Vorschrift des BGB nicht vor. Zum anderen ist zu berücksichtigen, daß Art. 137 IV WRV nur für die Rechtsfähigkeit in das bürgerliche Recht verweist. Hiervon zu unterscheiden ist aber das Verbot einer juristischen Person als Maßnahme der Gefahrenabwehr im ordnungs377 Näher oben Fn. 304. 378 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 33; in der Sache ebenso D. Ehlers, in: M. Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 137 WRV Rdnr. 16a. In diesem Kontext sei nochmals (s. o. 1. Kap. V. 4. b.) darauf verwiesen, daß der religiöse Charakter einer Organisation nicht dadurch aufgehoben wird, daß sie überwiegend erwerbswirtschaftlich tätig wird. Entscheidend ist vielmehr, ob sich die Organisation selbst noch als religiöse versteht und dieses Selbstverständnis hinreichend plausibel machen kann. Hieran fehlt es, wenn der Faktor Religion nur noch vorgeschoben ist, um in den Genuß von besonderen rechtlichen, im Effekt begünstigenden Vorschriften für Religionsgesellschaften zu kommen (s. o.). Zur Entziehung der Rechtsfähigkeit eines eingetragenen Vereins und zur Problematik des Vorliegens eines Geschäftsbetriebes bei einer Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft siehe näher BVerwGE 105, 313 ff.

V. Wegfall des Körperschaftsstatus

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rechtlichen Sinne. Diese Differenz bezeugt auch die gesonderte Regelung dieses Komplexes für Vereinigungen allgemein im Vereinsgesetz und gerade nicht im BGB. Art. 137 IV WRV trägt also das Verbot einer Religionsgemeinschaft nicht. Grundsätzlich vorstellbar wäre des weiteren ein Rückgriff auf die Schranke des „für alle geltenden Gesetzes4' nach Art. 137 III WRV. Ähnlich wie bei Art. 9 II GG stellt sich jedoch auch bei Art. 137 III die Frage, ob angesichts verfassungsrechtlicher Spezialregelungen der entsprechenden Schutzbereiche in verfassungsdogmatischer Sicht noch Raum ist für den Rückgriff auf die jeweilige Schrankenklausel. Zwar stellt das Verbot einer Religionsgesellschaft einen Eingriff in die Garantie freier Selbstordnung und -Verwaltung dar. Jedoch ist in der Verfassung zugleich mit Art. 137 II WRV eine die in Art. 4 I, II GG grundrechtlich fundierte religiöse Vereinigungsfreiheit konkretisierende, sachnähere und damit speziellere Nominierung enthalten. Art. 137 III WRV erfaßt zwar als Aspekt der Selbstordnung und Verwaltung die Freiheit über die innere Strukturierung und ist insoweit als Garantie einer Organisationsfreiheit zu begreifen, die sich auch auf die Wahl der Rechtsform erstreckt. Das Recht auf Vereinigung selbst, auf Konstituierung in einer korporativen Struktur erfährt jedoch ausschließlich in Art. 137 II WRV seine letztendliche verfassungsrechtliche Fundierung. Dies hat zur Folge, daß die Schrankenklausel des Art. 137 III WRV auf die religiöse Vereinigungsfreiheit selbst keine Anwendung findet. Diese Lösung ist in verfassungstheoretischer Perspektive durchaus konsequent, wie oben skizziert (IV. 1. c.). Deshalb kommt das Verbot einer Religionsgemeinschaft unter dem Grundgesetz lediglich dann in Betracht, wenn entgegenlaufende Grundrechte Dritter oder andere mit Verfassungsrang ausgestatte Rechtsgüter dieses rechtfertigen. 379 Auf dieser Grundlage sieht sich auch die Streichung des § 2 II Nr. 3 VereinsG keiner durchgreifenden Bedenken ausgesetzt, wenn man hinlänglich die Bedeutung der Religionsfreiheit, insbesondere der religiösen Vereinigungsfreiheit, sowie - in Abweichung zu Art. 9 II GG - das Fehlen eines Gesetzesvorbehalts berücksichtigt. Die erstere Vorgabe ist in der Gesetzesbegründung ausdrücklich hervorgehoben. 380 Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium Cornelie Sonntag-Wolgast veranlaßte dies, in der Debatte zur zweiten und dritten Lesung des entsprechenden Änderungsgesetzes zum VereinsG die Maßstäbe für das Verbot einer vereinsmäßig organisierten Religionsgemeinschaft mit denen für ein Parteiverbot gleichzusetzen.381 379 Einen Rückgriff auf die Gesamtordnung des Grundgesetzes bemühen auch Th. Würtenberger, ZevKR 16 (1973), 67 (77); K. Groh, KritV 2002, 39 (54 ff.). 380 BT-Dr. 14/7026, S. 6: „Nach dem Streichen des Religionsprivilegs im Vereinsgesetz muss die zuständige Verwaltungsbehörde bei der Entscheidung, ob eine bestimmte religiöse Vereinigung zu verbieten ist, die Eigenschaft als Religionsgemeinschaft (Artikel 4 GG) und das im Rahmen des Artikels 140 GG i.V.m. Artikel 137 Abs. 3 WRV gewährleistete Selbstbestimmungsrecht im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung in Abwägung einbeziehen." 381 MdB C. Sonntag-Wolgast 2001, S. 19550 (B). 24 Heinig

(SPD), BT-Plenarprotokoll 14/199 vom 09. November

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4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

bb) Besondere Aspekte des Verbots öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften Die geschilderten hohen Anforderungen für das Verbot einer Religionsgesellschaft gelten auch für öffentlich-rechtlich i. S. d. Art. 137 V WRV organisierte Gruppierungen. Zwar genießen die altkorporierten Religionsgesellschaften einen verfassungsunmittelbaren subjektiv-rechtlichen Bestandsschutz ihrer Rechtsform, doch ist dieser, wie bereits für den Entzug des Rechtsstatus dargelegt, nicht absolut zu sehen, sondern im Lichte des Gesamtverfassung zu bestimmen. Gleiches gilt für den Verleihungsanspruch des Art. 137 V 2 WRV und seine bestandsschützenden Implikationen für die Verbotsproblematik. 382 Führt man die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Verbotes einer korporierten Religionsgesellschaft auf seine Rechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht zurück, so lassen sich hieran weitere Aussagen über die erforderliche Schwere der Gefährdung einschlägiger gegenläufiger Verfassungsgüter anschließen. Denn nicht jeder irgendwie geartete Bezug zu Grundrechten Dritter und anderer mit Verfassungsrang ausgestatteter Rechte vermag das Verbot einer öffentlichrechtlichen Religionsgesellschaft tragen. Notwendig ist vielmehr, daß sich das Verbot als geeignet, erforderlich und angemessen darstellt. Das Verbot muß also unter Abwägung der konkret involvierten Rechtsgüter verfassungsrechtlich legitim sein. Dies kann unter der Perspektive der Erforderlichkeit und Angemessenheit nur dann der Fall sein, wenn schwerste Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder schwerwiegende und anhaltende Grundrechtsverletzungen Dritter drohen, würde die Religionsgemeinschaft nicht verboten. Voraussetzung für das Verbot einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft ist also, daß sämtliche anderen rechtsstaatlichen Reaktionen hinreichend konkret prognostizierbar scheitern müßten, daß also weder Rechtsschutz vor staatlichen Gerichten noch das Recht der Gefahrenabwehr noch das Instrumentarium des Strafrechts den von der Religionsgemeinschaft ausgehenden Gefahren für die kollidierenden Verfassungsgüter wegen absehbarer Renitenz der religiösen Organisation hinreichend begegnet. Ein Verbot kommt somit ausschließlich als ultima ratio in Frage. Schließlich ist zu bestimmen, in welcher Rechtsform und auf welcher Rechtsgrundlage ein Verbot einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft ausgesprochen werden kann. Ebenso wie der Entzug des Körperschaftsstatus bedarf auch das Verbot einer gesetzlichen Grundlage in Form eines Parlamentsgesetzes, das zu erlassen den Ländern nach Art. 137 VIII WRV aufgetragen ist. De lege lata kann eine mit dem Körperschaftsstatus versehene Religionsgesellschaft also nicht verboten werden, fehlt es doch gegenwärtig an einem entsprechenden Gesetz zur näheren Regelung des Rechtsstatus von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften. Die Generalklauseln des Polizei- und Ordnungsrechts der Länder finden auf Verbote von Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen 382 Cf. a. BayVerfGH, NVwZ 1999, 759 f.

VI. Parität und Körperschaftsstatus

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Rechts - wie ehedem auf privatrechtlich organisierte Religionsgesellschaften keine Anwendung. 383 In einem solchen verbotsermächtigenden Gesetz wären einerseits die Verbotsvoraussetzungen gemäß den skizzierten verfassungsrechtlichen Vorgaben genauer zu bestimmen, zum anderen das Verfahren und die Zuständigkeiten näher festzulegen. Grundsätzlich wäre auch vorstellbar, daß eine Verbotsverfügung durch ein Gesetz selbst ausgesprochen wird. Gegen eine solche Regulierungsform bestehen jedoch durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken. Zum einen stellte ein solches Gesetz ein nach Art. 19 I GG unterbundenes Einzelfallgesetz dar; Art. 137 II WRV ist im materiellen wie funktionalen Sinne als ein entsprechendes Grundrecht anzusehen.384 Zum anderen streitet auch der Gesichtspunkt der religiös-weltanschaulichen Neutralität dafür, den in Art. 137 III WRV enthaltenen, verallgemeinerbaren Rechtsgedanken des Sonderrechtsverbots in Dingen religiöser Vereinigungen auf die sensible Materie des Verbotes von Religionsgemeinschaften zu übertragen. 385

VI. Parität und Körperschaftsstatus Die gleichheitsrechtliche Dimension des Körperschaftsstatus wurde bisher en passent im Kontext des grundgesetzlichen Status der - rechtsformunabhängigen Gleichheit, 386 der Zwecke des Körperschaftsstatus, der körperschaftsummittelbaren und -mittelbaren Rechtsfolgen, des Kirchensteuerrechts sowie des Verlustes des Körperschaftsstatus behandelt. Auf die entsprechenden Ausführungen kann an dieser Stelle verwiesen werden; die Ergebnisse sollen hier lediglich eine kurze Summation in thetischer Form erfahren. Art. 137 V 2 WRV garantiert die Gewährung „gleicher Rechte". Diese Formel läßt sich weder monolithisch als „gestufte" Parität noch als absolutes Differenzierungsverbot verstehen, sondern ist in unterschiedlichen paritätischen Bedeutungsdimensionen zu entfalten. 387 Zunächst erstreckt sich die Gleichheitsgarantie auf die Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts selbst. Auch bisher nicht korporierten Religionsgemeinschaften steht von Verfassungs wegen die öffentlich383 M. Morlok, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 137 WRV Rdnr. 33 Fn. 80 m. w. Ν.; P. Pieroth/Th. Kingreen, NVwZ 2001, 841 (845 f.); E. D. Bohl, S. 111 f.; B. Lindner, S. 135. 384 Siehe zur Grundrechtsqualität der durch Art. 140 GG inkorporierten auch oben IV. 1. und öfter. 385 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz stellt die spezifische Begünstigung einer Religionsgesellschaft durch Gesetz dar, etwa die Verleihung des Körperschaftsstatus durch Legislativakt. Für den Entzug einer solchen Vergünstigung ist dann ein vorgeschaltetes Maßstäbegesetz angeraten. 386 3. Kap. III. 387 Cf. a. BayVerfGH, NVwZ 1999, 759 f. zur Parität öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften nach bay. Verfassungsrecht. 24*

372

4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

rechtliche Organisationsmöglichkeit offen. Diese ist als grundgesetzliche Rechtsform selbst keiner Differenzierung zugänglich. Art. 137 V WRV schafft, wie oben gezeigt, einen die landesrechtlichen Divergenzen transzendierenden Grundstatus, an dem die neukorporierten Religionsgesellschaften nach Art. 137 V 2 WRV vollumfänglich teilhaben sollen. Das Paritätsgebot in Art. 137 V 2 WRV ist insoweit absolut zu verstehen. Gleiches gilt dann für die Teilhabe an der subjektiv-rechtlichen Dimension des Art. 137 V WRV als Einrichtungsgarantie, d. h. als Recht auf generelle Bewahrung der Rechtsform als solcher, auf Ausgestaltung und auf Teilhabe an den den Kernbereich der Einrichtung bildenden Rechte. Die Gewährung gleicher Rechte erstreckt sich dabei auch auf den Charakter von Art. 137 V WRV als gesetzliche Grundlage für die als Kernbereich des religionsgemeinschaftlichen Körperschaftsstatus ausgemachten Folgerechte der Dienstherrenfähigkeit, des Parochialrechts, des Zugangs zu einem öffentlichen Sachenrecht, der Rechtssetzungsbefugnis sowie der Organisationsgewalt. Das Recht auf Erhebung einer Kirchensteuer nach Art. 137 V I WRV kennt gleichfalls keine Abstufung in der Gewährung, gebietet also „schematische Parität". 388 Die Garantie des Art. 137 V 2 WRV insoweit als Differenzierungsverbot zu verstehen, liegt nicht nur in der mittelbaren Konsequenz des dargestellten Charakters der Norm als Einrichtungsgarantie, sondern entspricht auch der paritätischen Grundintention des Verfassungsgebers als conditio sine qua non des gesamten Weimarer Religionsverfassungsrechts (s. o. 2. Kap. III. 1.). Diese paßt sich in das dargelegte Zweckprogramm der Norm ein, das wesentlich auf Grundrechtsförderung zugeschnitten ist (s. ο. I. 2. c.). Das gleichfalls mit Art. 137 V WRV verfolgte Interesse eines Bestandsschutzes der etablierten öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften wird durch S. 1 bedient und enthält keine gleichheitsrechtlichen Implikationen: die von Art. 137 V 1 WRV als legitim anerkannte Bewahrung des öffentlich-rechtlichen Status quo einer altkorporierten Religionsgemeinschaft beinhaltet ausweislich des S. 2 gerade nicht das Interesse auf rechtliche Distanz zu bisher nichtkorporierten im Sinne eines Abstandsgebots. Die mit Art. 137 V 2 WRV gleichfalls verfolgten, staatlich vermittelten Gemeinwohlinteressen (s. ο. I. 2. b.) treten auf der Ebene verfassungsunmittelbar gewährleisteter Rechte hinsichtlich der Frage gestufter oder schematischer Parität in den Hintergrund. Denn es bedarf eines streng formal-egalitären Grundbestandes im Rechtskreis der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, um den Zielsetzungen des Art. 137 V 2 WRV (Förderung von religiöser Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Unabhängigkeit vom Staat) genügen zu können. Verfassungstheoretisch formuliert sind Gemeinwohlinteressen auf dieser Ebene des verfassungsrechtlichen Grundstatus öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften zu unspezifisch, um Grundlage einer Differenzierung zwischen alt- und neukorporierten Religionsgemeinschaften zu bilden. Vielmehr gilt insoweit, daß allenfalls Religion als solcher Gemeinwohlrele388 Zum Begriff der „schematischen Parität" cf. Κ. Hesse, ZevKR 3 (1953/54), 188 ff.

VI. Parität und Körperschaftsstatus

373

vanz zu unterstellen, ergo auch eine formale Parität hinsichtlich des Grundstatus anempfohlen ist. Noch pointierter ließe sich dieser Gedanke aber in der verfassungstheoretischen Perspektive sozialer Selbstzweckhaftigkeit von Religion unter den Bedingungen religiös-weltanschaulicher Pluralität formulieren: sie streitet für eine Präponderanz der Gleichheit auf der Stufe des Art. 137 V 2 WRV selbst als Ausdruck gleich berechtigter Freiheitlichkeit religiöser Betätigung um ihrer selbst willen in grundsätzlicher und offener Äquidistanz des Staates. Anders stellen sich die gleichheitsrechtlichen Vorgaben dagegen auf der Ebene der einfachgesetzlichen Ausgestaltung des Körperschaftsstatus dar. Hier sind durch die Logik der Ausgestaltung selbst Möglichkeiten der Differenz eingezeichnet. „Gleiche Rechte" verlangen unter den Vorzeichen einer subjektiv-rechtlich angereicherten institutionellen Garantie eben keine umfassende schematische Parität. Zwar fordert Art. 137 V 2 WRV auch für die körperschaftsspezifischen Einzelrechte im Ansatz Egalität. Doch können entsprechend dem oben vorgestellten dogmatischen Modell der Parität Ungleichbehandlungen im Kontext des „Privilegienbündels" verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden, wenn legitime Gründe hierfür auszumachen sind und sich die Differenzierungen auch als verhältnismäßig im gleichheitsrechtlichen Sinne darstellen. 389 Dabei kann ζ. B. auch die soziale Bedeutung einer Religionsgemeinschaft, ihre Verwurzelung in der Bevölkerung Anlaß zur Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften bieten, wenn auf Repräsentation ausgerichtete Kollektivorgane besetzt werden sollen. 3 9 0 Unter Paritätsgesichtspunkten ist der Gesetzgeber allerdings gehalten, die Ungleichbehandlung zukünftig unter Kontrolle zu halten. Anlaß zur Überprüfung der Beteiligung religiöser Gruppierungen könnte dann etwa die gesetzliche Neuverleihung des Körperschaftsstatus an eine Religionsgemeinschaft sein. 391 Die paritätsrechtliche Unterfütterung des Art. 137 V 2 WRV läßt sich weiterhin im Kontext der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung einer Nichtverleihung des Körperschaftsstatus trotz Vorliegens der expliziten Verleihungsvoraussetzungen als bedeutsam herausarbeiten. Die Nichtverleihung stellt eine Ungleichbehandlung dar, die der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf und für die die dogmatische Struktur der Parität Begründungsniveaus definiert. 392 Schließlich wirkt sich die fehlende Omnischematität des Art. 137 V 2 WRV auch auf die Bedingungen des Statuswegfalls aus. Die in der Norm statuierten Voraussetzungen zur Verleihung werden durch die Verleihung des Körperschaftsstatus 389 So grds. auch W. Weiß, KritV 2000, 104 (128 ff.), der freilich strengere Maßstäbe anlegt als oben entwickelt; ähnlich kritisch M. Brenner, VVDStRL 59 (2000), 264 (285). 390 s.o. 3. Kap. III. 391 Cf. hierzu das so formulierte Gleichheitsprogramm im Wahlrecht zur 5 v.H. Klausel durch den VerfGH NW., NWVB1. 1994, 453 ff. und 1999, 383 ff.; hierzu auch H. M. Heinig, NVWB1. 2000, 121 ff.; ders./M. Morlok, ZG 15 (2000), 371 ff. m. w. N. zur Rspr. in den anderen Ländern. 392 S.o. IV. 1. b) und c).

374

4. Kap.: Der verfassungsrechtliche Status

selbst nicht umfassend eingeebnet, sondern markieren anhaltend für den Statusverlust einen Unterschied zwischen alt- und neukorporierten Religionsgemeinschaften. Insoweit wirkt auch nach Gewährung „gleicher Rechte" nach, daß die Verfassung in dem einen Fall einen unkonditionierten Bestandsschutz vorsieht, im anderen Fall einen von Voraussetzungen abhängigen Verleihungsanspruch. Dies läßt sich ohne weiteres plausibilisieren anhand eines Falls der Täuschung über diese Voraussetzungen. Unstreitig erfolgt dabei trotz Verleihung des Körperschaftsstatus kein Hineinwachsen in den bedingungsfreien Erhalt des Rechtsstatus i. S. d. Art. 137 V 1 WRV. 393 Eine völlige Gleichstellung hinsichtlich des Wegfalls des Körperschaftsstatus erfolgt durch Art. 137 V 2 WRV also nicht. Dies bezieht sich neben der Täuschung über das Vorliegen konsequenterweise auch auf den nachträglichen Wegfall der Verleihungsvoraussetzungen. Im Ergebnis allerdings scheint diese Frage eher akademischer Natur, stellt sich doch dann die Frage der Verhältnismäßigkeit eines Rechtsformentzugs.

Resümee des 4. Kapitels Der Körperschaftsstatus als „Crux" 3 9 4 des heutigen Staatskirchenrechts ist bis auf nur sehr verflüchtigt im kollektiven Gedächtnis der Rechtswissenschaft präsente rechtskulturelle Schichten des Territorialismus zurückführbar, gleichwohl aber unter dem Grundgesetz keineswegs ein Residuum oder Fossil. Vielmehr eröffnen sich verfassungstheoretische wie verfassungsdogmatische Möglichkeiten zur Neuvermessung dieser Rechtsform, die das Grundrecht der Religionsfreiheit zum Fixpunkt wählen und so Rechtssinn und verfassungspolitische Legitimation des Körperschaftsstatus für Religionsgemeinschaften zu erschließen vermögen.

393 S.o. V.4.C). 394 K. Hesse, ZevKR 11 (1964/65), 337 (357).

5. Kapitel

Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz im Kontext des Europarechts Das Religionsrecht wird europarechtlich transformiert. Wie nahezu sämtliche rechtlich regulierte Lebensbereiche wird auch die Religion durch die sukzessiv ausgebildete gemeinsame europäische Rechtsordnung der Europäischen Union berührt. 1 Denn das Recht ist neben der Ökonomie die maßgebliche Triebfeder der Einigung Europas in einem europäischen „Staatenverbund". 2 Die ökonomische Verflechtung durch die Ausbildung eines rechtlich regulierten europäischen Binnenmarktes bedingt eine rechtliche Verflechtung der Mitgliedstaaten. Diese Verflechtung wächst zudem mit der Extension integrationspolitischer Nahziele (wie Umweltschutz oder Migrationspolitik) über die Ökonomie hinaus. Da Religion aber tief in das soziale, in das wirtschaftliche und rechtliche Leben der Mitgliedstaaten eingezeichnet ist, muß jede europäische politische Steuerung

1 Hiervon zeugen auch die theologischen, reiigionstheoretisehen und publizistischen Auseinandersetzungen mit dem Komplex „Religionen, Kirchen und Europa", die in den neunziger Jahren parallel zur gesteigerten Wahrnehmung der Bedeutung des Europarechts in der „normalen" Lebenswelt der Bürger deutlich zugenommen haben. Cf. die Bibliographie in C. Quarch/ H. M. Heinig (Hrsg.), Protestantismus in Europa, 2002, S. 144 ff.; ferner bzw. insb. G. Vincent/J.-P. Willaime, Religions et transformation de l'Europe, 1993; Κ. F. Schumann (Hrsg.), Europa in evangelischer Sicht, 1953; W. Pannenberg, Internationale Zeitschrift communio 23 (1994), 124 ff.; R. Noll, Ökumenische Rundschau 44 (1995), 27 ff.; M. König, Identités nationales et institutions globales: la reconstruction des relations entre religion et citoyenneté en Europe, in: J.-P. Bastien (Hrsg.), La globalisation du religieux, 2001, S. 211 ff.; K Koch, Catholica 48 (1994), 213 ff., H.-J. Kiderlen, Evangelische Kommentare 7/2000, 24 f.; ders., Informationes theologiae europae 5 (1996), 293 ff.; P. Hünermann (Hrsg.), Das neue Europa Herausforderungen für Kirche und Theologie, 1993; ders., Theologische Quartalsschrift 171 (1991), 81 ff.; W Hover, Jahrbuch für Philosophie, Kultur und Gesellschaft 1 (1994), 50 ff.; J. Homey er, Caritas 91 (1990), 296 ff.; H. Herrmanns, Informationes theologiae europae 4 (1995), 331 ff.; M. Greschat/W. Loh (Hrsg.), Die Christen und die Entstehung der Europäischen Gemeinschaften, 1994; I. Dalferth/H.-J. Luibl/H. Weder (Hrsg.), Europa verstehen, 1993; R. Bäumlin, Die Kirchen und Europa, 1993; H.-J. Luibl/C.-R. Müller/H. Zeddies (Hrsg.), Unterwegs nach Europa, 2001; P. Bahr, epd-Dokumentation 36-37/02, 96 (100 f.). W. Fürst / M. Honecker (Hrsg.), Christenheit - Europa 2000,2001. 2 Zum Begriff des „Staatenverbundes" cf. P. Kirchhof, HStR VII § 183 Rdnr. 50 ff.; ders., Das Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in: P. Hommelhoff/ P. Kirchhof (Hrsg.), Der Staatenverbund der Europäischen Union, 1994, S. 11 (12 f.); in der Rspr. BVerfGE 89, 155 (184 und passim), hierzu m. w. N. zu der umfangreichen Literatur A. v. Bogdandy, KritV 83 (2000), 284 (290 ff.).

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

mittels des Rechts zwangsläufig auch die rechtlichen Handlungsräume von Religion, gerade in ihrer organisierten Gestalt, berühren. 3 Das Europarecht zeitigt fast zwangsläufig auch Konsequenzen für das deutsche Staatskirchenrecht. Die grundgesetzlich definierte Stellung öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften als ein Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz ist hiervon mit erfaßt. Damit ist im Kontext dieser Arbeit die Frage aufgeworfen, wie sich denn der „vierfältige" Status öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften in einer durch mehrere Ebenen gekennzeichneten Rechtsordnung gestaltet, welche Anerkennung und welche Wandlungen er erfährt.

I. Transformationspotentiale Das Thema „Religionsrecht in europäischer Perspektive4' empfängt einen Gutteil seines Reizes aus einem Potential der Bedrohung. Die transformatorische Potenz des Europarechts für den grundrechtlichen Status der Freiheit, Parität, Publizität und Differenz von Religionsgesellschaften unter dem Grundgesetz scheint auf den ersten Blick keine Grenzen zu kennen. Es lassen sich vielfältige Felder ausmachen, auf denen durch das Europarecht motivierte Änderungen am staatskirchenrechtlichen Status quo besorgt wurden und werden: Sind die oben (3. Kap. I. 3. e)) skizzierten Grundsätze des Arbeitsrechts für die und in der Kirche unter dem Eindruck des Europarechts zu revidieren? Grundfreiheiten sowie geschlechts- und religionsbezogenes Antidiskriminierungsrecht bieten hier ebenso Anlaß, genauer hinzuschauen, wie weitere individual- und kollektivarbeitsrechtliche Bestimmungen im Europarecht. Findet der besondere grundgesetzliche Sonn- und Feiertagsschutz, oben gedeutet als Statusflankierung der Religionsgemeinschaften, sein Ende durch die Warenfreiheit oder durch europäisches Arbeitszeitrecht? Scheitert der Kirchensteuereinzug durch die staatlichen Steuerbehörden am europäischen Datenschutzrecht? Oder hält die nach dem BDSG vorgenommene Exemtion öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften einer europarechtlichen Überprüfung stand? Ist der Körperschaftsstatus für Religionsgesellschaften vor dem Horizont des Europarechts insgesamt ein Fossil aus nationalstaatlicher Zeit? Oder unterliegt die öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaft nicht wenigstens qua Rechtsform den zahlreichen besonderen Bestimmungen des Europarechts für Einrichtungen der öffentlichen Gewalt in den Mitgliedstaaten? Berührt die Rechtsharmonisierung bei der Anerkennung akademischer Abschlüsse, tangieren andere hochschulpolitische Maßnahmen der Union die theologischen Studiengänge? Wandelt sich das Angebot eines Status der Öffentlichkeit von Religionsgesellschaften im nationalen Rundfunkrecht unter dem Eindruck eines europäischen Medienrechts? Findet das europäische Beihilferecht Anwendung auf die durch die Zuerkennung des Prädi3 H. M. Heinig, Zivilreligiöse Grundierungen europäischer Religionspolitik, in: R. Schieder (Hrsg.), Religionspolitik und Zivilreligion, S. 100 (102 f.).

I. Transformationspotentiale

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kats „gemeinnützig" gewährten Steuervorteile der Kirchen und ihrer Einrichtungen der Wohlfahrtspflege? Worst-case-Szenarien bei der Beantwortung dieser Fragen lassen den beschriebenen grundgesetzlichen Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz unter dem Eindruck des Europarechts weitgehend implodieren. Dies verleiht der Debatte um die Auswirkungen des Europarechts für das nationale Staatskirchenrecht eine gewisse Dramatik, die Rezeptionsbereitschaft garantiert, das Odium der Bedeutsamkeit verbreitet und idealiter zu einer fruchtbaren Selbstaffizierung bei der Beschäftigung mit dem Thema führt. Freilich geht mit einer solchen Vorgehens weise eine rhetorische Justierung einher, die sich in der Sache bei genauer Betrachtung nur schwerlich rechtfertigen läßt. Denn beschriebe und analysierte man die Transformationspotentiale des Europarechts alleine unter der Perspektive der Bedrohung, der Devianz des Neuen, des illegitimen Übergriffs, verlöre man schnell die sukzessive ausgebildeten Mechanismen des schonenden Rechtsebenenabgleichs sowie die europarechtliche Anerkennung religiöser Interessen und deren Verarbeitung im Kontext des Religionsrechts als Mehrebenenrecht aus dem Blick. Man verkennte zudem die legitimen rechtlichen Eigenlogiken der europäischen Integration. Nur bei einer hinreichenden Würdigung dieser tragenden Säulen des europäischen Religionsrechts aber kann eine angemessene Beschreibung der Transformationen des Status der Freiheit, Gleichheit, Publizität und Differenz öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften nach dem Grundgesetz gelingen. Im weiteren Gang dieses Kapitels wird es - dem bisherigen Duktus der vorliegenden Arbeit folgend - deshalb weniger darauf ankommen, jedes Detail des möglicherweise für den vierfältigen Status von Religionsgemeinschaften relevanten Europarechts auszuleuchten als vielmehr eine Matrix zu entwerfen, mit der man theoretisch wie praktisch hinreichend validiert die europarechtlich motivierten Neuarrangements des Religionsrechts im europäischen Rechtsverbund beschreiben kann. Diese Grundstruktur läßt sich in mehreren Schritten rekonstruieren. Zunächst wäre nach den für Einwirkungen auf das deutsche Staatskirchenrecht relevanten Aufgaben und Kompetenzen der Europäischen Union zu fragen (I.). Sodann folgt eine kurze Bestandsaufnahme des einen Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Trennung anerkennenden und mitreflektierenden europäischen Sekundärrechts (II.). Hieran anschließend soll das Modell des Religionsrechts als Mehrebenenrecht skizziert werden (III.), um vor dieser Folie beispielhaft den Zuschnitt konkreter Einwirkungen des Europarechts auf den vierfältigen Status von Religionsgesellschaften i. S. d. Art. 137 V WRV näher bestimmen zu können (V. ff)). Ausdrücklich sei betont, daß sowohl die Problemkreise der Einwirkungen des Europarechts auf das jeweilige mitgliedstaatliche Staatskirchenrecht wie die Perspektive eines europäischen Staatskirchenrechts oder Religions(verfassungs)rechts weit über die hier vorgelegte Skizze hinausweisen. Erforderlich wäre insoweit die Unternehmung und Bündelung rechtsvergleichender Studien zum nationalen Religionsrecht sowie Analysen zum sich ausbildenden spezifisch europarechtlichen

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

Religionsrecht, also zum „Europäischen Staatskirchenrecht", in denen auch eine rechtstatsächliche Bestandsaufnahme zu erfolgen hätte (etwa über bestehende religionsbezogene Förderprogramme, Projekte, Konsultationen der EU). Ferner wären allgemeine europa- und verfassungsrechtliche, auch rechtsvergleichende, Untersuchungen zum Verhältnis von Mitgliedstaaten und Europäischer Union sowie integrationstheoretische Studien zu den Perspektiven der Union hinzuzuziehen. Die akademische Begleitung, Kommentierung und Ordnung der europabedingten Transformations- und Neuformierungsprozesse im Religionsrecht wird eine fortdauernde Aufgabe darstellen, die sowohl der transdisziplinären wie transnationalen Kooperation bedarf, um sich dem forschungsprogrammatischen Anspruch eines „Religionsrechts als Mehrebenenrecht" wenigstens annähern zu können. Die folgenden Ausführungen verstehen sich deshalb in dieser Hinsicht allenfalls als Prolegomenon. Sie beschränken sich gemäß der Fragestellung der hiesigen Arbeit auf eine Zielführung der Darstellung anhand des vorstehend umrissenen Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften nach dem Grundgesetz. Hierbei wird auf das im 1. Kapitel entwickelte verfassungstheoretische Verständnis vom Religionsverfassungsrecht als normative Anerkennung sozialer Selbstzweckhaftigkeit von Religion, das sich wie aufgezeigt auch auf die rechtlichen Arrangements der Europäischen Union erstreckt, aufgebaut (1. Kap. IV.). Dies führt dazu, auf bestimmte Argumentationsfiguren zu verzichten, die den Diskurs über den Einfluß des Europarechts auf die nationalen religionsrechtlichen Ordnungen maßgeblich bestimmen. Argumentationsstrategisch sollen diese Figuren in der Regel eine weitgehende Exemtion der Kirchen vom Europarecht begründen oder zumindest rechtspolitisch fordern. Zu solchen Begründungsbausteinen zählen insbesondere die Postulierung einer besonderen Bedeutung der Religion, maßgeblich des Christentums, für den weiteren Aufbau eines gesamteuropäischen Gemeinwesens,4 die Herausstreichung der Bedeutung der christlichen Kirchen für die soziale Kohäsion in Europa oder die Annahme wertegenerativer und -regenerativer Potentiale der Religion.5 Zumeist gehen sie mit geschichtsphilosophischen Konstruktionen vom christlichen Abendland,6 dem Verweis auf die christlichen Wurzeln Europas7 und auf den Beitrag der Kirchen zur europäischen 4

C. Starck, Essener Gespräche 31 (1997), S. 5 (21 ff.). Cf. etwa Kirchenamt der EKD / Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), Zum Verhältnis von Staat und Kirche im Blick auf die Europäische Union, 1995, S. 7 f. und 25 f.; A. Hollerbach, Religion und Kirche im freiheitlichen Verfassungsstaat, 1998, S. 25 ff.; J. Homeyer, Der Beitrag der Religion und der Kirchen zum geistigen Selbstverständnis Europas, in: F. Ronge (Hrsg.), In welcher Verfassung ist Europa - Welche Verfassung für Europa?, 2001, S. 311 ff.; A. M. Rauch, Der Heilige Stuhl und die Europäische Union, 1995, S. 108 f. 6 Cf. C. Hillgruber, DVB1. 1999, 1155 (1178) mit der These vom verdeckten christlichen Kulturvorbehalt der europäischen Verträge. 7 O. Kimminich, Essener Gespräche 27 (1993), S. 6 (11 ff.); B. Kämper, KuR 1995,57 = 980, 25 ; H. Lübbe, Essener Gespräche 31 ( 1997), S. 107 ff. ; J. Winter, FS Hollerbach, 2001, S. 893 ff. ; P. Kirchhof, Der unverzichtbare Kern des deutschen Staatskirchenrechts und seine Per5

I. Transformationspotentiale

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Integration 8 sowie dem Postulat, daß Europa einer Seele bedürfe, die nur die Religion bzw. die Kirche zur Verfügung stellen könne,9 einher. 10 Der Grund für die hier insoweit geübte Enthaltsamkeit liegt zum einen in einer gewissen Skepsis gegenüber der Linearität dieser Annahmen - religions- und gesellschaftstheoretisch wird man, wie gezeigt, die Frage nach den Beiträgen der Religion(en) zur gesellschaftlichen Integration wohl deutlich differenzierter stellen und komplexer beantworten müssen und dies gilt in europäischer Perspektive angesichts der dabei zu Tage tretenden religions- und nationalkulturellen Diversifizität erst recht. 11 Vor allem aber erscheint die dabei vorgenommene Fokussierung der Religion und maßgeblich der christlichen Kirchen unter den Bedingungen des potenzierten Pluralismus in Europa verfassungstheoretisch verfehlt (cf. a. 1. Kap. II.-IV.). 12 Die normativen Koordinaten für die Bestimmung der Transformationswirkungen des Europarechts auf das nationale Staatskirchenrecht sind insoweit nicht den auf der Ebene von Konzepten des Guten angesiedelten affirmativen Deutungen gesellschaftlicher und kultureller Wirkmächtigkeiten christlicher Traditionen zu entnehmen,13 sondern den auf der Ebene des Rechten verorteten Texturen verfassungsrechtlich verbürgter Freiheit, Gleichheit und Partizipation. Schließlich sei auch erwähnt, daß Vorarbeiten zu diesem Kapitel an verschiedenen Orten publiziert wurden. 14 Auf die dort gemachten Ausführungen wird im folspektive im EU-Gemeinschaftsrecht, in: A. v. Campenhausen (Hrsg.), Das deutsche Staatskirchenrecht zwischen Grundgesetz und EU-Gemeinschaftsrecht, 2003, i.E. 8 C. Link, ZevKR 42 (1997), 130 (154); J. Gaertner, ZEE 36 (1992), 87 (94); E Bernard, Diakonie 30 (1999), 354 (358 ff.); aus orthodoxer Sicht M. Brun, una sancta 54 (1999), 73 (78 f.). 9 H. Marré, FS Hollerbach, 2001, S. 879 (892); 5. C. van Bijsterveld, ÖARR 46 (1999), 46 (50 f.); R Kirchhof, FS M. Heckel, S. 775 (779 f.); im politischen Kontext S. Sanier, Europa auf der Suche nach seiner Seele, in: Ökumenische Vereinigung für Kirche und Gesellschaft (Hrsg.), Herausforderungen für Europa, 1997, S. 27 ff.; J. Vignon, Europa eine Seele geben, ebenda, S. 43 ff.; Th. Jansen, ÖARR 46 (1999), 71 ff.; hierzu H. M. Heinig, Grundierungen, S. 100 (112 ff.). 10 Anders aber etwa M. Kuhn, Theologisch-praktische Quartalsschrift 145 (1997), 384 ff., der einen Vorrang der kirchlichen Mitwirkung an der europäischen Integration vor der institutionellen Sicherung postuliert (387). Eine solche ergebe sich dann schon zwangsläufig. 11 Umgekehrt wird hier aber auch nicht das Christentum / die Kirche gegen „das Europa der Ökonomisten" in Stellung gebracht, cf. insoweit Κ Adam, Neue Rundschau 167 (1996), 73 ff. 12 Zurückhaltend aus protestantischer Sicht auch H.-J. Kiderlen, Informationes theologiae europae 8 (1999), 109 ff.; cf. ferner insg. J. A. Kruttschnitt, Europa - Christentum im Vollzug, 1993, S. 77 ff., der einerseits die genealogischen Referenzen des Christentums für rechtliche Topoi in Europa, andererseits aber den Individuumsbezug reformatori scher Theologie und die daraus erwachsenden Potentiale für den Umgang mit Differenz in der Moderne herausstreicht. 13 Die hier gar nicht zu bestreiten sind und an anderer Stelle für den Protestantismus auch herausgestrichen wurden; cf. H. M. Heinig, Art. Säkularisierung / Säkularisation, in: EvSL, Neuausgabe 2001, Sp. 1363 (1369 f.). 14 H. M. Heinig, ZEE 43 (1999), 294 ff.; ders., Grundierungen, S. 100 ff.; ders., Art. 13 EGV und die korporative Religionsfreiheit nach dem Grundgesetz, in: A. Haratsch u. a.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

genden zum Teil zurückgegriffen, zum Teil aber auch verwiesen werden, um einerseits bereits an anderer Stelle angestellte Grundüberlegungen wieder aufzugreifen, andererseits eine bloße Reproduktion zu vermeiden. Letzteres bedingt, daß einige Passagen dieser Arbeit, in denen für den hiesigen Kontext relevante, andernorts aber bisher nicht näher beleuchtete Fragestellungen abgearbeitet werden, ausführlicher geraten.

II. Bestand und Bedeutung religionspolitischer Aufgaben und religionsrechtlicher Kompetenzen der Europäischen Union Religionsrecht als Mehrebenenrecht ist geprägt durch die Aufgaben- und Kompetenzverteilung auf mehreren Rechtsebenen.15 Will man die religionsrechtlichen Auswirkungen des Europarechts auf öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften i. S. d. Grundgesetzes näher beleuchten, bietet es sich an, zunächst nach den Aufgaben und Kompetenzen der Europäischen Union auf dem Feld des Staatskirchenund Religionsrechts zu fragen. So läßt sich ein äußerer Rahmen für die weitere Untersuchung bilden und ein erster Überblick über die Methodik der Einbindung des nationalen Religionsrechts in den europäischen Rechtsverbund gewinnen.

1. Keine expliziten religions- und kirchenpolitischen Aufgaben nach Art. 2 EUV und Art. 2 und 3 EGV Ausweislich der Kataloge in Art. 2 EUV und Art. 2 und 3 EGV sind der Europäischen Union keine explizit religions- und kirchenpolitischen Aufgaben übertragen; originäre staatskirchenrechtliche Rechtssetzungskompetenzen kennen EUV und EGV nicht. 16 Über die im Vertrag festgehaltenen Tätigkeitsfelder hinaus neue für (Hrsg.), Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, 2001, S. 215 ff.; ders., ZevKR 45 (2001), 440 ff.; ders., Das Religionsverfassungsrecht des Grundgesetzes und die europäische Integration, in: G. Klinkhammer/T. Frick (Hrsg.), Religionen und Recht, 2002, S. 91 ff.; ders., Vom deutschen Staatskirchenrecht zum europäischen Religions(verfassungs)recht Verfassungsrechtliche und verfassungstheoretische Anmerkungen zum Verhältnis von Staat und Religionsgemeinschaften in Europa, in: D. Fauth/E. Satter (Hrsg.), Staat und Kirche im werdenden Europa. Nationale Unterschiede und Gemeinsamkeiten, 2003, i.E.; ders., Kirchen und Religionsgemeinschaften in der europäischen Rechtsordnung, in: P.-C. Müller-Graff/ H. Schneider (Hrsg.), Kirchen und Religionsgemeinschaften in der Europäischen Union, 2003, S. 125 ff. 15

Cf. generell zu Aufgaben und Kompetenzen etwa H. D. Jarass, AöR 121 (1996), 174 ff. 16 Cf. Α. Hollerbach, ZevKR 35 (1990), 250 (268); ders., Religion, S. 25; G. Robbers, HdbStKirchR 2 I, S. 315 (318); ders., Die Kirchen und das Europarecht, in: R. Puza/A. P. Kustermann (Hrsg.), Staatliches Religionsrecht im europäischen Vergleich, 1993, S. 177 (178); A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl. 1996, S. 409 f.; C. Link, ZevKR 42 (1997), 130 (131); M. Heinig, ZEE 43 (1999), 294 (298); Η. de Wall, ZevKR 45 (2000), 157

II. Bestand und Bedeutung religionspolitischer Aufgaben

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eine gemeinschaftliche Politik zu „kooptieren", ist der EG durch den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 I EGV) untersagt. 17 Die Gemeinschaft besitzt damit prima vista keine religionspolitischen Aufgaben. Dies könnte weitergehend zu der Vermutung führen, daß entgegen der eingangs umrissenen Transformationsthese das Europarecht keinerlei rechtliche Folgewirkungen für die Rechtsstellung öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften i. S. d. Art. 137 V WRV zeitigt. Freilich kennt der EGV mit den kulturbezogenen Bestimmungen in Art. 3 I lit. q) 2. Alt. und Art. 151 einen potentiellen Anknüpfungspunkt für die Konstruktion religionspolitischer Aufgaben und im Gefolge auch Kompetenzen der Gemeinschaft. Zudem ist durch den Vertrag von Amsterdam mit Art. 13 EGV eine Norm hinzugekommen, die u. a. Diskriminierungen aus Gründen der Religion begegnen soll und damit eine partielle religionspolitische Aufgabe und gegebenenfalls auch religionsrechtliche Kompetenz der Gemeinschaft begründet. Beide Normen stellen einen Paradigmenwechsel in der bis 1992 zuvörderst ökonomisch ausgerichteten Integrationsstrategie dar und bezeugen die Tendenz zur Etablierung einer „Mischverfassung" 18 auf europäischer Ebene. Sie sollen hier unter dem Gesichtspunkt religionspolitischer Aufgaben und religionsrechtlicher Kompetenzen der Europäischen Union genauer betrachtet werden (1./2.). Ferner ist die Möglichkeit auszuloten, daß das Europarecht ungeachtet fehlender oder jedenfalls marginaler Aufgaben und Kompetenzen im Bereich des Staatskirchen- und Religionsrechts mittelbare Folgewirkungen auf die mitgliedstaatliche Rechtsstellung von Religionsgesellschaften zeitigt (3). Schließlich ist auf die These staatskirchenrechtsspezifischer Kompetenzübertragungsschranken der durch das Grundgesetz konstituierten deutschen Staatsgewalt einzugehen (4.).

2. Art. 3 I lit. q und Art. 151 EGV - zur Differenz von Kultur- und Religionspolitik im juridischen Sinne Nach Art. 3 I lit. q) EGV umfaßt die Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaft auch „einen Beitrag zu einer qualitativ hochstehenden allgemeinen und beruflichen (159); ders., ZevKR 47 (2002), 205 (206 f.); B. Jeand'Heur/S. Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, 2000, S. 258; D. Ehlers, Der Bedeutungswandel im Staatskirchenrecht, in: P. Pieroth (Hrsg.), Verfassungsrecht und soziale Wirklichkeit in Wechselwirkung, 2000, S. 85 (103); P. Kirchhof, Kern, i.E. 17 Hierzu grds. etwa Th. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, S. 197 ff.; C. Calliess, in: ders./M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 5 EGV Rn. 8 ff. 18 Zum Begriff der gemischten Verfassung näher zunächst K. v. Fritz, The Theory of the Mixed Constitution in Antiquity, 1954; ferner W. Nippel, Mischverfassungstheorie und Verfassungsrealität in Antike und früher Neuzeit 1980; gegenwartsbezogen V. Wember, Verfassungsmischung und Verfassungsmitte, 1977; P. Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, 2. Aufl. 1998, S. 399 ff., 883, 1094; H. M. Heinig/M. Morlok, ZG 15 (2000), 371 (384); M. Morlok, FS BVerfGE, Bd. 2, 2001, S. 559 (587).

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

Bildung sowie zur Entfaltung des Kulturlebens in den Mitgliedstaaten". Man könnte nun daran denken, religionspolitische Aktivitäten der Gemeinschaft als Beitrag „zur Entfaltung des Kulturlebens in den Mitgliedstaaten" im Sinne dieser Vorschrift zu begreifen. 19 Schließlich wird dem Christentum eine, wenn nicht die maßgebliche „kulturelle Prägekraft" 20 in Europa zugeschrieben; religiöse Bewegungen begriffen und begreifen sich immer wieder als kulturelle Erscheinungen (potenziert etwa der klassische Kulturprotestantismus); 21 Theologie wird heute maßgeblich als und im Horizont der Kulturwissenschaft betrieben; 22 Religion läßt sich erschließen über das Paradigma des „kulturellen Gedächtnisses".23 Eine genauere Umschreibung des der EG aufgegebenen (oder zugestandenen) kulturpolitischen Beitrags findet sich in Art. 151 EGV. Rechtsharmonisierende Maßnahmen sind nach Art. 151 V EGV ausgeschlossen; intendiert ist vielmehr eine Kulturförderung durch Tätigkeiten zur „Verbesserung der Kenntnis und Verbreitung der Kultur und Geschichte der europäischen Völker, zur Erhaltung und zum Schutz des kulturellen Erbes von europäischer Bedeutung, zum nichtkommerziellen Kulturaustausch und zu künstlerischem und literarischem Schaffen einschließlich dem audiovisuellen Bereich" (Art. 151 II EGV) sowie eine Förderung der Zusammenarbeit mit dritten Ländern und den für den Kulturbereich zuständigen internationalen Organisationen (Art. 151 III EGV). Vor diesem Hintergrund wird man den Begriff der „Kultur" an dieser Stelle des EGV restriktiv, genauer: lebensweltlich-konventionell zu verstehen haben. Kultur im Sinne des Art. 3 und Art. 151 EGV stellt nicht neueren kulturtheoretischen Definitionen folgend die Gesamtheit aller sinnhaft generierten sozialen Handlungen dar, nicht das Kompositum zur „Natur", nicht wie in den kulturphilosophischen Debatten des 18. und 19. Jahrhunderts den Gegenbegriff zu Zivilisation, nicht im Sinne der Wertphilosophie des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts die Gesamtheit aller Wertungen 24 und auch nicht funktional die „Leitwäh19 F. Sucker, Europäisches Staatskirchenrecht, 2001, S. 16 ff.; a. A. Bleckmann, Von der individuellen Religionsfreiheit des Art. 9 EMRK zum Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, 1995, S. 6; P. M. Huber, Das Staatskirchenrecht, in: E. Eichenhofer (Hrsg.), 80 Jahre Weimarer Reichsverfassung, 1999, S. 117 (152: „Kultur - dem für das Staatskirchenrecht einschlägigen Politikbereich"). 20 Rat der EKD/Präsidium der VEF, Gestaltung und Kritik - Zum Verhältnis von Protestantismus und Kultur im neuen Jahrtausend, 1999. 21 Cf. zum Kulturprotestantismus die Beiträge in H. M. Müller (Hrsg.), Kulturprotestantismus, 1992. 22 R. Schieder, Die Revisionsbedürftigkeit des Säkularisierungstheorems und die Notwendigkeit einer kulturwissenschaftlichen Theologie, in: R. Feldmeier u. a. (Hrsg.), Freiheit und Moral, 1996, S. 123 (133); W. Spam, Theologie als kulturwissenschaftliche Disziplin an der Universität, in: H.-R. Reuter (Hrsg.), Theologie in der Universität, 1999, S. 90 ff.; P. Bahr, Die kulturwissenschaftliche Transformation der Theologie, in: F. Jaeger/J. Rüsen (Hrsg.), Die Kultur der Forschungspraxis, Bd. III, 2003, i.E. 23 J. Assmann, Religion und kulturelles Gedächtnis, 2000. 2 * Im Überblick etwa Τ Eagelton, Was ist Kultur?, 2001.

II. Bestand und Bedeutung religionspolitischer Aufgaben

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rung für intellektuellen Austausch"25 oder den Prozeß der ideellen Reproduktion der Gesellschaft. 26 Diese Zugänge mögen in den jeweiligen theoretischen Kontexten sinnvoll sein. Sie bewirken jedoch Entschränkungen, die von einer Überführung derartiger Begriffs- und Theoriedesigns in den juridischen Sprachgebrauch abraten lassen. Unter den Bedingungen eines derart weit gefaßten Kulturbegriffs verlöre das Tatbestandsmerkmal „Kultur" nahezu jede Unterscheidungsfunktion. Diese ist aber gerade hinsichtlich einer Umschreibung von kulturbezogenen Aufgaben und Kompetenzen seitens der „Herren der Verträge" intendiert. 27 Im Rechtskontext ist es deshalb überaus unpraktikabel, struktureologischen Kulturtheorien folgend jede menschliche Handlung oder als sinnhaft verstandene Handlung zur „Kultur" zu erklären. So entspricht es wohl auch dem Konsens der Gemeinschaft der Vertragsinterpreten 28, daß Kultur i. S. d. Art. 151 EGV weder eine „Aktienkultur" noch eine „Kneipenkultur" noch eine „Strafkultur", noch eine „Wal-Mart-Kultur" noch die ganz überwiegende Anzahl der sonstigen 756 von Eckhard Henscheid (anschaulich und in nicht ganz ernster Absicht) zusammengestellten Kulturbegriffe umfaßt. 29 Wenn man deshalb Lebensbereiche wie den Sport, die Wirtschaft oder das Gesundheitswesen aus dem Anwendungsfeld des Art. 151 EGV herausnimmt, hat im Sinne einer solchen Distinktion der Differenz gleiches grundsätzlich auch für die Religion zu gelten. Systemtheoretisch gesprochen bildet auch die Religion ein im Prozeß der Ausdifferenzierung mit Eigenfunktion gebildetes gesellschaftliches Teilsystem, welches im Sinne der oben skizzierten sozialen Selbstzweckhaftigkeit normative Anerkennung erfährt (s. o. 1. Kap. IV.). Diese verfassungstheoretischen Erwägungen lassen es angeraten erscheinen, die Bedeutung der „Kultur" im Sinne des EGV auf solche typischen Kulturformen und -medien zu beschränken, die sich maßgeblich im Begriff der „Kunst" verdichten lassen. Erfaßt sind davon in diesem Zusammenhang dann auch klassische Erscheinungen religiöser Kunstproduktion, wie Kirchenbaukunst 30, religiöse Malerei oder Musik. Eine pauschale Subsumtion der Religion unter den 25

N. Luhmann, Religion als Kultur, in: O. Kallscheuer (Hrsg.), Das Europa der Religionen, 1996, S. 291 (295). 2 6 Hierzu M. Droege, KritV 2002, 466 (472); s.a. D. Baecker, Wozu Kultur?, 2000, passim; Ν. Luhmann, Kultur als historischer Begriff, in: ders. Gesellschaftsstruktur und Semantik, Bd. 4, 1999, S. 31 ff. 27 Anders als in grundrechtlichen Zusammenhängen tritt wegen der kompetenzorganisatorischen Natur des hier verhandelten Regelungskomplexes auch die Dimension des „Selbstverständnisses des Rechtsträgers" zurück. 28 In Anlehnung an P. Häberle, Die offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten (1975), in: ders., Verfassung als öffentlicher Prozeß, 3. Aufl. 1998, S. 155 ff. 2 9 Cf. E. Henscheid, Alle 756 Kulturen, 2001. 30 EG-Förderprogramme zur Erhaltung religiöser Bauten als Ausdruck des architektonischen Erbes Europas finden deshalb durchaus in Art. 151 II EGV eine taugliche primärrechtliche Grundlage; cf. zu diesen Kirchenamt der EKD / Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), S. 20.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

europavertraglichen Kulturbegriff ist jedoch ebensowenig angezeigt wie die der Politik, der Wirtschaft oder der Wissenschaft. Eine solche Interpretation bewährt sich in verfassungsdogmatischer Perspektive, wenn man die restriktive Intention des Vertragsgebers und das von ihm vorausgesetzte, im Wortlaut des Art. 151 EGV zum Ausdruck kommende begrenzt-lebensweltliche Kulturverständnis in Ansatz bringt. Weiterhin sind systematisch die gesonderten Bestimmungen des EGV zur Wirtschaft, vor allem aber zu Bildung und Wissenschaft (Art. 149 f. und Art. 163 ff. EGV) zu beachten.31 Schließlich haben die Mitgliedstaaten in der (später näher zu behandelnden) Erklärung Nr. 11 der Regierungskonferenz von Amsterdam den Willen bekundet, das Staatskirchenrecht als ein ihnen eigenes „Kompetenzreservat" 32 zu wahren. 33 All dies spricht für eine enge Auslegung des Vertragsmerkmals „Kultur". Eine primärrechtliche Grundlage für eine spezifisch religionsbezogene Politik bieten Art. 2 I lit. q) und Art. 151 EGV also nicht. 34

3. Art. 13 EGV als geschriebene religionsrechtliche Annexkompetenz der Gemeinschaft Mit Art. 13 EGV wurde durch den Vertrag von Amsterdam erstmals eine primärrechtliche Norm in den eigentlichen Textkorpus des Vertragswerkes aufgenommen, die einen ausdrücklichen Religionsbezug aufweist. 35 Art. 13 EGV ermöglicht „unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrags", daß der Rat „im Rahmen der durch den Vertrag auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments ein31 H.-J. Blanke, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hg.), EUV/EGV, Art. 5 EGV Rdnr. 2. 32

Die Formulierung findet sich bei M. Vachek, Das Religionsrecht der Europäischen Union im Spannungsfeld zwischen mitgliedstaatlichen Kompetenzreservaten und Art. 9 EMRK, 2000. 33 Cf. zum Gesamtkomplex des Merkmals „Kultur" im EGV auch I. Hochbaum, BayVB1. 1997, 641 ff.; H.-J. Blanke, Europa auf dem Weg zu einer Bildungs- und Kulturgemeinschaft, 1994; I. Berggreen-Merkel, Die rechtlichen Aspekte der Kulturpolitik nach dem Maastrichter Vertrag, 1995; B. Wemmer, Die neuen Kulturklauseln des EG-Vertrags, 1996; M. Niedobitek, EuR 1995, 349 ff. 34 Mit diesem Ergebnis auch K.-D. Borchardt, Einwirkungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf den staatskirchenrechtlichen Status der katholischen Kirche in Österreich im Falle des Beitritts Österreichs zur EG, 1993, S. 26; M. Vachek, S. 249 ff.; wohl auch B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 258 Fn. 3; Zwei Kulturbegriffe im EGV macht G. Robbers, Essener Gespräche 27 (1993), S. 81 (96) aus, wobei Kultur i. S. d. Art. 151 EGV wie hier restriktiv verstanden wird. 35 Zugleich verabschiedet wurde das Protokoll über den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere, das den Faktor Religion vor dem Hintergrund des Schächtens als in einigen Religionen praktizierte Form der Religionsausübung explizit benennt; cf. hierzu infra III. 2. Obwohl nicht im Vertragstext selbst aufgenommen, sondern angefügt, sind die Protokolle rechtlich als Bestandteil des EG-Vertrages zu betrachten (Art. 311 EGV).

II. Bestand und Bedeutung religionspolitischer Aufgaben

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stimmig geeignete Vorkehrungen treffen" kann, „um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen" (Hervorhebung H.M.H.). Die Norm beinhaltet ausweislich des Wortlautes selbst kein Diskriminierungsverbot. 36 Art. 13 EGV unterscheidet sich damit von den sonstigen einschlägigen gleichheitsrechtlichen Tatbeständen des EG-Vertrages. Er findet selbst keine unmittelbare Anwendung,37 entfaltet ergo keine Drittwirkung zwischen Privaten. 38 Vielmehr bildet Art. 13 EGV nur die Rechtsgrundlage für gegen Diskriminierungen gerichtete Maßnahmen. Unter dem Gesichtspunkt religionsrechtlicher Kompetenzen und religionspolitischer Aufgaben der Europäischen Union stellt sich nun die Frage nach der Bedeutung der Konditionierung „im Rahmen der durch den Vertrag übertragenen Zuständigkeiten". Art. 13 EGV kann in diesem Sinne die Betrauung der Gemeinschaft mit einer neuen Aufgabe darstellen, die aber mit den anderen ihr bisher übertragenen Politiken im Zusammenhang zu stehen habe, und hierfür eine neue Kompetenz zum Erlaß eines religionsbezogenen Antidiskriminierungsrechts der EG begründet. Andererseits läßt sich Art. 13 EGV auch so verstehen, daß die Norm gerade keine neue Kompetenz zu legislativem Tätigwerden der EG statuiert, sondern zur Erfüllung der Aufgabe einer EG-Antidiskriminierungspolitik auf die vorhandenen Kompetenzen verweist. An anderer Stelle wurde bereits vorgeschlagen, Art. 13 EGV in dem Sinne zu verstehen, daß die Norm eine geschriebene Annexkompetenz vorsieht. Sie schließt an bestehende anderweitige vertraglich festgelegte Kompetenzen an, weitet diese jedoch für die Formulierung der gemeinschaftlichen Antidiskriminierungspolitik aus und vertieft sie. 39 Die diesen Vorschlag tragenden Argumente seien hier kurz repetiert. 36

M. Zuleeg, Der Inhalt des Artikels 13 EGV in der Fassung des Vertrags von Amsterdam, in: Europaforum Wien (Hrsg.), Bekämpfung der Diskriminierungen - Orientierungen für die Zukunft, 1999, S. 104 (104 f.); C. Hohenstein/F. Cede, Europarecht, 3. Aufl. 1999, S. 157 f.; B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 263; a.A. M. Holoubek, in: J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2000, Art. 13 EGV Rdnr. 9 „Die Ermächtigung zur Bekämpfung bestimmter Diskriminierungen setzt ein entsprechendes Diskriminierungsverbot voraus". Zwingend ist dies freilich nicht: die Ermächtigung umfaßt auch den Erlaß eines Verbotes, wäre die vorzugswürdige Auslegungsalternative. Schließlich sind auch andere Antidiskriminierungsmaßnahmen als Verbote vorstellbar. 37 G. Robbers, KuR 1999, 87 = 140, 55; M. Heinig, ZEE 43 (1999), 294 (300); C. Ο. Lenz, in: ders. (Hrsg.), EGV, 2. Aufl. 1999, Art. 13 Rdnr. 28; A. Epiney, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg,), EUV /EGV, 1999, Art. 13 EGV Rdnr. 1; R. Whittle, E.L.Rev. 23 (1998), 50 (53); L. Flynn, CMLRev 36 (1999), 1127 (1132); M. Rossi, EuR 2000, 197 (197 f.); a.A. entgegen dem insoweit eindeutigen Wortlaut J. Cirkel, NJW 1998, 3332 (3333); gleiches erwägt P. Szcekalla, EuZW 1998, 215 (216); in einem obiter dictum wird Art. 13 EGV vor Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages in EuGHE 1-1998, 621 ff. (Tz. 48) - Grant/South-West Trains Ltd erwähnt, ohne daß letztlich ersichtlich ist, ob hier einer unmittelbaren Anwendung ab Inkrafttreten der Norm das Wort geredet werden soll oder nur prospektiv auf antidiskriminierungsrelevantes Sekundärrecht hingewiesen werden sollte. 38 Cf. insg. H. M. Heinig, Art. 13 EGV, S. 217 ff. 3 9 H. M. Heinig, Art. 13 EGV, S. 217 ff. 25 Heinig

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

Differenziert man in der für das deutsche Staats- und Verwaltungsrecht klassischen Terminologie kategorial zwischen Aufgaben einerseits und Kompetenzen andererseits, dann führt die Auslegung der Sentenz „im Rahmen der durch den Vertrag übertragenen Zuständigkeiten" in beiden Varianten eines möglichen Verständnisses von „Zuständigkeiten" zu Aporien: Im Sinne einer Beschränkung auf Aufgaben der Gemeinschaft nach Art. 2, 3 EGV verstanden, stellte die Voraussetzung in Art. 13 EGV kaum eine markante Hürde dar; 40 die in Art. 3 I a)-u) EGV benannten Politiken erstrecken sich inzwischen auf eine solche Fülle von Lebensbereichen, daß kaum einer ausgespart bleibt. Entstehungsgeschichte, systematische Auslegung und der Vergleich der Formulierungen in den unterschiedlichen Amtssprachen lassen jedoch eine grundsätzlich restriktivere Interpretation angezeigt erscheinen.41 Historisch-genetisch ist zu beachten, daß der Europäische Rat von Dublin im Dezember 1996 noch eine mit Art. 12 EGV deckungsgleiche begrenzende Klausel für den neu einzuführenden Art. 13 EGV in den Blick nahm, dieser Gleichklang aber im Kontext von unterschiedlichen Bemühungen, Restriktionen in den neuen Antidiskriminierungsartikel einzuzeichnen, zugunsten der jetzigen Fassung aufgegeben wurde. Statt von „Anwendungsbereich" des Vertrages ist deshalb nun in Art. 13 EGV von „Zuständigkeiten" die Rede. Systematisch ist die Stellung des Art. 13 EGV im ersten Teil des Vertrages - Grundsätze - zu würdigen. Einerseits unterstreicht diese Verortung die besondere Bedeutung des Art. 13 EGV, andererseits wird gemeinhin im ersten Teil des EGV nur ein Katalog von Grundregeln aufgestellt, die in den folgenden Vorschriften zu den einzelnen Politikfeldern konkretisiert werden. In diesem Sinne eröffnet Art. 13 EGV eine Möglichkeit, den Gesichtspunkt der Antidiskriminierung bei den gemeinschaftlichen Aktivitäten auf den einzelnen Politikfeldern zu berücksichtigen. Art. 13 EGV stellt zugleich aber keine gänzlich unabhängige Grundlage für ein EG-Antidiskriminierungsrecht dar.

40 So aber explizit J. Bergmann, in: ders./C. Lenz (Hrsg.), Der Amsterdamer Vertrag, 1998, 1. Kap. Rdnr. 30; C.O. Lenz, in: ders. (Hrsg.), EGV, 2. Aufl. 1999, Art. 13 Rdnr. 25; in der Sache auch C. Thun-Hohenstein, Der Vertrag von Amsterdam, 1997, S. 26: wie bei Art. 12 EGV zu verstehen als Anwendungsbereich des EGV; ebenso A. Epiney, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 13 EGV Rdnr. 5; noch weitergehend I. Chopin/J. Niessen (Hrsg.), Proposals for Legislative Measures to Combat Racism and to Promote Equal Rights in the European Union, 1998, S. 21 f., die die Klausel „im Rahmen der Zuständigkeiten" entleeren, indem angenommen wird, Art. 13 EGV würde die erforderliche Zuständigkeit gerade eröffnen. Durch einen Vergleich mit Art. 308 EGV in der englischen Fassung des Vertrages (siehe sogleich) wird der Sinn der Begrenzung ins Gegenteil verkehrt. Der vorgeschlagenen Auslegung ist entgegenzuhalten, daß Art. 308 EGV eine spezifische Reservefunktion für das gemeinschaftliche Aktionsspektrum besitzt, wie sich aus dem Wortlaut, der systematischen Stellung und dem Zweck der Norm zwanglos ergibt. Nämliches gilt für Art. 13 EGV offensichtlich nicht. 4

1 M. Bell, MJ 1999, 5 (8 ff.).

II. Bestand und Bedeutung religionspolitischer Aufgaben

387

Auch ist Art. 13 EGV mit anderen Vorschriften zu vergleichen, etwa Art. 5, 12 oder 308 EGV. Freilich variieren hier unterschiedliche und deckungsgleiche Formulierungen in den unterschiedlichen Amtssprachen wie folgender Überblick zeigt: Deutsche Fassung

Englische Fassung

Französische Fassung

Art. 5 I EGV

Die Gemeinschaft wird innerhalb der Grenzen der ihr in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele tätig.

The Community shall act within the limits of the powers conferred upon it by this Treaty...

La Communauté agit dans les limites des compétences et des objectifs qui lui sont assignés par le présent traité.

Art. 5 II EGV

In den Bereichen, die ... areas which do not nicht in ihre ausschließ- fall within its (the EC's) liche Zuständigkeit fal- exclusive competence len, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig

Dans les domaines qui ne relèvent pas de sa compétence exclusive,

Art. 12 EGV

Unbeschadet besonderer Within the scope of apBestimmungen dieses plication of this Treaty Vertrages ist in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.

Dans le domaine d'application du présent traité, et sans préjudice des dispositions particulières qu'il prévoit...

Art. 13 EGV

Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen des dieses Vertrages kann der Rat im Rahmen der durch den Vertrag auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten ...

Sans préjudice des autres dispositions du présent traité et dans les limites des compétences que celui-ci confère à la Communauté,...

Art. 308 EGV

Erscheint ein Tätigwer- ... and this Treaty has den der Gemeinschaft not provided the neceserforderlich ... und sind sary powers, ... in diesem Vertrag die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen ...

... within the limits of powers conferred by it (the Treaty) upon the Community...

... sans que le présent traité ait prévu les pouvoirs d'action requis à cet effet, ...

Ein eindeutiger Rückschluß von den divergierenden Wortlauten zwischen einzelnen Normen auf unterschiedliche Bedeutungen läßt sich angesichts der Varianzen in den verschiedenen Amtssprachen schwerlich ziehen (vgl. Art. 5 I und I I EGV). Auch eine Analyse der Rechtsprechung des EuGH zu den einzelnen Begriffen ähnelt mehr dem Vorgang des Kaffeesatzlesens als solider Dogmatik. 4 2 Gleich42 Die von M. Bell, MJ 1999, 5 (11 ff.) vorgestellten Entscheidungen zu Art. 12 EGV (EuGHE 1997, 1-5325 ff. - Saldanha; EuGHE 1997, 1-5531 ff. - Grado and Bashir) sind ersichtlich vom Ergebnis her konstruiert und begründet, weniger vom Streben nach dogmatisch-systematischer Kohärenz beseelt. 25:

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

wohl dürfte die unterschiedliche Formulierung von Art. 12 und 13 EGV gerade vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte auf eine Divergenz in der Bedeutung hinweisen. Ferner dürfte der Begriff der „Zuständigkeiten" bzw. „powers" bzw. „compétences" in Art. 13 EGV gegenüber „Anwendungsbereich" bzw. „scope of application" bzw. „domaine d'application" in Art. 12 EGV gemäß dem Telos der beiden Normen 43 sowie in Korrelation zu den Formulierungen in Art. 5 und 308 EGV und den Sinngehalten dieser Normen restriktiver zu verstehen sein. Liest man aber Zuständigkeit im Sinne einer Kompetenz, ist zu vermeiden, daß Art. 13 EGV nur rein deklaratorische Bedeutung zukommt. 44 Dies droht, wenn man verlangt, daß für die Antidiskriminierungsmaßnahme neben Art. 13 EGV jeweils eine Ermächtigungsgrundlage in dem einschlägigen Sachgebiet des Vertrages vorhanden ist, die die Maßnahme umfassend deckt. 45 Dann könnten antidiskriminierende Maßnahmen gleich auf die vorhandenen Kompetenzen gestützt werden; die Nennung des Geschlechtsmerkmals in Art. 13 EGV wäre im Lichte des Art. 141 EGV obsolet;46 die hohe Anforderung der Einstimmigkeit in Art. 13 EGV würde keinen rechten Sinn machen. Gemäß der Intention der an der Neufassung des Vertrages 1997 Beteiligten ist davon auszugehen, daß Art. 13 EGV darauf zielt, die bis dahin - außerhalb von staatsangehörigkeitsmotivierten Ungleichbehandlungen47 äußerst begrenzten Handlungsmöglichkeiten der EG in der Antidiskriminierungspolitik 4 8 zu erweitern. 49 Deshalb könnte eine plausible Lesart darin bestehen, daß, soweit nicht speziellere „sonstige Bestimmungen" wie Art. 141 EGV einschlägig

43 Cf. zu Art. 12 EGV M. Rossi, EuR 2000, 197 (202). 44 A. Epiney, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 13 EGV Rdnr. 5; cf. auch L. Flynn, CMLRev 36 (1999), 1127 (1134); A. Haratsch, Die Antidiskriminierungspolitik der EU, in: E. Klein (Hrsg.), Rassische Diskriminierung - Erscheinungsformen und Bekämpfungsmöglichkeiten, 2002, S. 195 (206 ff.). 45 So aber M. Zuleeg, 13 EGV, S. 105; R. Whittle, E.L.Rev. 23 (1998), 50 (53): „clearly limits the application of Article 6a to measures that are already within the Community's competence"; G. Jochum, ZRP 1999, 279 (280); S. Mückl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit im Europarecht, 2001, S. 6. 46 R. Allen, Art. 13 und die Suche nach Gleichheit, in: Europaforum Wien (Hrsg.), Bekämpfung der Diskriminierungen - Orientierungen für die Zukunft, 1999, S. 77 (80). 47 Cf. insoweit Art. 12 EGV und die Grundfreiheiten als bereichsspezifische Diskriminierungsverbote aus Gründen der Staatsangehörigkeit. 48 Maßgeblich war bis dato lediglich Art. 141 EGV in den vorhergehenden Fassungen (Art. 119 EGV a.F.) sowie das geschlechtsspezifische sekundärrechtliche Antidiskriminierungsrecht, das vor allem auf der Grundlage von Art. 308 EGV (Art. 235 a.F.) ergangen ist; cf. näher hierzu G. Haverkate/S. Huster, Europäisches Sozialrecht, 1999, S. 279 ff. m. w. N. 49 R. Whittle, E.L.Rev. 1998, 50 (53) verweist zwar auf das schon bisher bestehende Potential zu einer Antidiskriminierungsgesetzgebung nach Art. 308 EGV. Doch ist anzunehmen, daß Art. 13 EGV über diesen Stand hinausgehen und nicht etwa nur klarstellen wollte, daß die EG im Rahmen der bisherigen Kompetenten zu anitdiskriminierenden Maßnahmen berechtigt ist. Zudem scheute der Rat vor einem Rückgriff auf Art. 308 EGV zum Zwecke allgemeiner antidiskriminierender Maßnahmen stets zurück; cf. Α. Haratsch, Antidiskriminierungspolitik, S. 201 ff.

II. Bestand und Bedeutung religionspolitischer Aufgaben

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sind, Maßnahmen nach Art. 13 EGV zwar an bestehende anderweitige vertragliche Kompetenzen andocken müssen,50 diese jedoch in spezifischer Weise vertiefen. Insoweit wäre dann von einer geschriebenen Annexkompetenz zu sprechen. Die Verknüpfung von primärer Kompetenz nach den sonstigen Bestimmungen des Vertrages und sekundärer Kompetenz nach Art. 13 EGV erfolgt dann einerseits als thematische Vertiefung, andererseits aber auch im Ausmaß der Handlungsmöglichkeiten. Etwa sind dann nach Art. 13 EGV auch dort rechtliche Maßnahmen möglich, wo in den einschlägigen Vertragstiteln keine Rechtssetzungskompetenz ausgesprochen ist. 51 In diese Interpretation fügt sich ferner der Vorschlag ein, Art. 13 EGV decke es, auf dieser Grundlage erlassene Bestimmungen auf Drittstaatenangehörige zu erstrecken. 52 Art. 13 EGV führte dann zu einer Kompentenz zur Erweiterung des personalen Anwendungsbereichs des EGV. Schließlich sei erwähnt, daß sich auch das auf der Grundlage von Art. 13 EGV inzwischen erlassene europäische Sekundärrecht 53 hinsichtlich seines Regelungsbereiches in den hier vorgeschlagenen zulässigen Bahnen bewegt.54 Die Ergebnisse der Regierungskonferenz von Nizza stützen diese Auslegung des Art. 13 EGV, wird doch am Einstimmigkeitsprinzip für europäische Antidiskriminierungsmaßnahmen grundsätzlich festgehalten. Zukünftig soll freilich das Beschlußverfahren nach Art. 251 EGV Anwendung finden, wenn der Rat „gemeinschaftliche Fördermaßnahmen unter Ausschluß jeglicher Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zur Unterstützung der Maßnahmen annimmt, die die Mitgliedstaaten treffen, um zur Verwirklichung der in Absatz 1 genannten Ziele beizutragen'4 (Art. 13 II n.F.).55 Neben die bisherige Maßnahmenkompetenz der EU tritt damit die Möglichkeit der Flankierung mitgliedstaatlicher Antidiskriminierungspolitik, soweit damit keine EU-Rechtssetzungsakte verbunden sind. Solche bleiben den bisherigen restriktiven Bedingungen des Einstimmigkeitsprinzips unterworfen. 50 S. Koukoulis-Spiliotoploulos, Materieller Geltungsbereich von Art. 13, in: Europaforum Wien (Hrsg.), Bekämpfung der Diskriminierungen - Orientierungen für die Zukunft, 1999, S. 108(110). 51 In diesem Sinne könnte man auch M. Bell, MJ 1999, 5 (16 f.) verstehen, der etwa den Bereich der Bildung über Art. 149 IV EGV für antidiskriminierende Rechtssetzung nach Art. 13 EGV eröffnet sieht, obwohl ausdrücklich nur „Fördermaßnahmen unter Ausschluß jeglicher Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften" vorgesehen sind; a.A. A. Haratsch, Antidiskriminierungspolitik, S. 208 ff. 52 M. Holoubek, in: J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2000, Art. 13 EGV Rdnr. 7. 53 Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, ABl. 2000 L 180, 22 ff. sowie Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf; ABl. 2000 L 303, 16 ff.; hierzu etwa A. Haratsch, Antidiskriminierungspolitik, S. 215 ff.; R. Nickel, NJW 2001, 2668 ff.; J.-H. Bauer, NJW 2001, 2672 ff.; S. Baer, ZRP 2001, 500 ff. 54 H. M. Heinig, Art. 13 EGV, S. 222. 55 ABl. 2000 C 80, 1 (14).

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

4. Keine Bereichsausnahme wegen weitgehend fehlender religionspolitischer Aufgaben und entsprechender Kompetenzen Die ausdrücklich im europäischen Vertragswerk herausgestellten religionspolitischen Aufgaben der Europäischen Union und damit korrelierende Kompetenzen erweisen sich folglich als ausgesprochen begrenzt. Lediglich Art. 13 EGV läßt sich eine derartige Regelungsdimension entnehmen. Diese staatskirchen- und religionsrechtliche Absenz der Europäischen Unionsgrundordnung 56 führt jedoch nicht dazu, daß das primäre wie sekundäre Europarecht auf die mitgliedstaatliche Rechtsstellung von Religionsgesellschaften und weitergehend auf das nationale Religions(verfassungs)recht keinerlei Auswirkungen hat. Denn soweit die Europäische Gemeinschaft innerhalb der ihr übertragenen Aufgaben rechtssetzend tätig wird oder soweit das primäre Europarecht gewisse Regelungen trifft, entfaltet die europäische Rechtsordnung ungeschmälert auch dann Bedeutung, wenn für den spezifischen Kontext, in dem die Norm angewendet werden soll, eine europäische Regulierung nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Eine andere Vorgehen s weise widerspräche sowohl dem Wortlaut wie dem Zweck der Verträge. Deshalb sieht sich der Europäische Gerichtshof weder im Bereich des Sports 57, noch der Kultur und Bildung, 58 noch des Wehr- und Militärwesens 59 noch der sozialen Sicherheit 60 trotz des eventuellen Fehlens jeweilig besonders hervorgehobener europäischer Regelungskompetenzen gehindert, die Grundfreiheiten sowie das diese konkretisierende Sekundärrecht wie auch das Wettbewerbsrecht auf Sachverhalte, die diesen Lebenswelten entstammen, dem Grunde nach anzuwenden und erst in einem zweiten Schritt nach Grenzen und Ausnahmen zu fragen. In einer Fülle von Fällen demonstriert der EuGH ein nämliches Vorgehen für den Bereich der Religion. 61 56

D. Th. Tsatsos, Die Europäische Unionsgrundordnung (1995), in: ders., Verfassung Parteien - Europa, 1998, S. 579 ff.; ders., EuGRZ 2000, 517 ff. 57 EuGHE 1995,1-4921 ff. - Bosman. 58 EuGHE 1974, 773 ff. - Casagrande. 59 EuGHE 1999,1-7403 ff. - Sidar; EuGHE 2000,1-69 ff. - Kreil. 60 EuGHE 1998,1-843 ff. - Molenaar; E 1998,1-1831 ff. - Decker und 1931 ff. - Kohll; EuGH, EuR 2001, 724 ff. - Smits und Peerbooms; st. Rspr.; cf. G. Haverkate/S. Huster, Europäisches Sozialrecht, 1999, S. 68 ff. und öfter; a. K.-J. Bieback, EuR 1993, 150 (151 ff.); M. Heinig, ZRP 1999, 73; K. Dauck/C. Nowak, EuR 2001, 741 ff. 61 EuGHE 1974, 1337 ff. - van Duyn; E 1986, 3097 ff. - van Roosmalen; E 1988, 6159 ff. - Steymann; E 1995,1-4069 ff. - Dominikanerinnenkloster Altenhohenau; E 1999,1-3999 ff.; E 2000,1-1335 ff. - Association Eglise de Scientologie de Paris et Scientology International Reserves Trust. Cf. a. G. Robbers, Essener Gespräche 27 (1993), S. 81 (82 ff.); H.-T. Conring, Korporative Religionsfreiheit in Europa, 1998, S. 376 ff.; H. M. Heinig, Kirchen, S. 125 ff. Eine Zusammenstellung der Entscheidungen des EuGH zu religionsaffinen Sachverhalten bietet auch A. Pauly, Modestes réflexions à propos d'une recherche empirique, in: European Consortium for Church-State Research, Religions in European Union Law, 1998, S. 149 (175) sowie das IVER Trier (zusammengestellt von C. Mertesdorf/ C. Schmidt-König) unter der Adresse http://www.uni-trier.de/~ievr (login: August 2001),

II. Bestand und Bedeutung religionspolitischer Aufgaben

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So heißt es etwa im Urteil des EuGH in der Rs. 196/87 - Udo Steymann, daß „angesichts der Ziele der Gemeinschaft die Teilnahme an einer auf Religion oder einer anderen Form der Weltanschauung beruhenden Vereinigung ... insoweit in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt, als sie als Teil des Wirtschaftslebens im Sinne von Art. 2 des EWG-Vertrags angesehen werden kann." 62 Entgeltliche Arbeits- und Dienstleistungen machten nun aber einen Teil des Wirtschaftslebens im Sinne dieser Bestimmung des EWGV aus, folglich seien darauf bezogene europarechtliche Bestimmungen auch dann zu beachten, wenn die Leistungen für eine Religionsgemeinschaft erbracht werden sollen. Abstrakter ausgedrückt bedeutet dies: Für das Wirken von Religionsgesellschaften und sonstige religionssensible Sachverhalte besteht keine Bereichsausnahme63 von der Geltung des Europarechts, d. h. kein Verzicht des Erstreckens des Europarechts auch auf religiös geprägte lebensweltliche Geschehnisse.64 Die Gemeinschaft hat zwar keine besondere Kompetenz für die Regelung religions- und kirchenpolitischer Fragen, ist zugleich aber nicht gehindert, innerhalb der übertragenen Aufgaben und der bestehenden Kompetenzen65 auch insoweit rechtssetzend tätig zu werden, daß die europarechtlichen Normierungen mittelbare Folge-wirkungen für die rechtliche Stellung von Religionsgesellschaften und weitergehend für den religionsrechtlichen Kontext insgesamt zeitigen.66 Zu diesen Kompetenzen zählen maßgeblich die Rechtssetzungsbefugnisse, die die sekundärrechtliche Flankierung der Grundfreiheiten ermöglichen (u. a. Art. 40, 42 EGV, Art. 44, 47 EGV, Art. 52 EGV, Art. 57 EGV) sowie die Kompetenzen zur Angleichung der für den 62 EuGHE 1988,1-6169 (6172 Tz. 9); in der Sache gleichlaufend, ohne auf die Problematik religiöser Organisationen überhaupt einzugehen, bereits EuGHE 1974, 1337 ff. - van Duyn und E 1986, 3097 ff. - van Roosmalen. 63

Cf. zur Bereichsausnahme allgemein R. Streinz, Europarecht, 5. Aufl. 2001, S. 280. 64 C. Link, ZevKR 42 (1997), 130 (134 ff.); R. Streinz, in: Essener Gespräche 31 (1997), S. 53 (69 ff.); M. Heinig, ZEE 1999, 294 (298); H. Lecheler, FS Leisner, 1999, S. 39 (44); S. Mückl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, S. 22 f. 65 Die sich ja bekanntlich seit dem zitierten Steymann-Urteil aus dem Jahre 1988 erheblich ausgeweitet haben. 66 Cf. bereits A. Bleckmann, Das Europäische Parlament nach der Direktwahl, in: ders. u. a., Wahlen zum Europäischen Parlament, 1982, S. 3 (21 ff.) Cf. auch ders., Religionsfreiheit, S. 4; A. Hollerbach, ZevKR 35 (1990), 250 (277 ff.); ders., Religion, S. 25; G. Robbers, Herder Korrespondenz 1991, 513 (517); ders., Die Kirchen im europäischen Gemeinschaftsrecht, in: I. Riedel-Spangenberger/A. Franz (Hrsg.), Fundamente Europas, 1995, S. 175 (176 f.); Rat der EKD, Das deutsche Staatskirchenrecht und die Entwicklung des europäischen Gemeinschaftsrechts, in: Kirchenamt der EKD (Hrsg.), Europa zusammenführen und versöhnen, 1996, S. 151 (155) = EuR 1991, 375 ff.; K.-D. Borchardt, Einwirkungen, S. 30 f.; J. A. Kruttschnitt, S. 134 ff.; A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 409 f. und 412 ff.; R. Streinz, Essener Gespräche 31 (1997), S. 53 (71 ff.); J. C. Moitinho de Almeida, La religion et le droit communautaire, in: European Consortium for Church-State Research, Religions in European Union Law, 1998, S. 9 ff.; S. Ferrari, Conclusions, ebenda, S. 143 (144 f.); M. Heintzen, FS Listi, 1999, S. 29 (30); M. Heinig, ZEE 43 (1999), 294 (298 ff.); H. de Wall, ZevKR 45 (2000), 157 (160 ff.); ders., ZevKR 47 (2002), 205 (207 f.); S. Mückl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, S. 22.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

Gemeinsamen Markt bzw. den Binnenmarkt relevanten Rechtsvorschriften (Art. 94 ff. EGV). Details dieser Folge Wirkungen werden im folgenden näher zu betrachten sein (cf. infra V. und VI.).

5. Zur Relevanz des Grundsatzes „nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet" Indirekte Auswirkungen, also nicht spezifisch auf Religionsgemeinschaften und auf sonstige religionsgeprägte Sachverhalte zugeschnittene Effekte des Europarechts lassen sich demnach nicht deshalb a limine ausschließen, weil es der EU weitgehend an expliziten religionspolitischen Aufgaben und religionsrechtlichen Kompetenzen mangelt. Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum wird freilich geltend gemacht, daß Wirkungen des Europarechts auf die Rechtsstellung von Religionsgesellschaften nicht bestehen, wenn und soweit der deutschen Staatsgewalt bereits durch das Grundgesetz selbst Regelungskompetenzen im Bereich des Staatskirchenrechts entzogen wurden. Hier greife dann der Grundsatz des „nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet". Die Übertragung von Hoheitsgewalt auf supranationale Institutionen könne nur soweit gehen, wie der Staat nach der eigenen Verfassungsordnung für die Regelung von Rechtsverhältnissen zuständig sei. Als Verfassungsnorm, die einen solchen Kompetenzentzug bewirken solle, wird Art. 137 III WRV anvisiert. So führt Albert Bleckmann aus: „Wenn aber die Mitgliedstaaten nach ihrem Verfassungsrecht nicht die Befugnis besitzen, die inneren Angelegenheiten der Kirchen gesetzlich zu regeln, können sie diese Kompetenz auch nicht auf die EG übertragen." 67 Am konkreten Material erfolgt die Argumentation dann beispielsweise dergestalt, daß bereits nach dem deutschen Verfassungsrecht Fragen der Arbeitszeitregelung von Geistlichen der staatlichen Rechtssetzung entzogen seien und durch das Zustimmungsgesetz zu den Europäischen Verträgen diese Freistellung nicht zurückgeholt werden könne. 68 Legt man das hier präferierte grundrechtlich-religionsfreiheitliche Verständnis des Art. 137 III WRV zugrunde, stößt ein solcher Argumentationsansatz auf Bedenken. Denn dann wäre nach den grundrechtlichen - religionsfreiheitlichen Bindungen bei der Mitwirkung Deutschlands an einer supranationalen Organisation zu fragen, nicht aber nach einem religionsspezifischen Kompetenzmangel. Anders könnte sich die Sache allerdings darstellen, wenn man Grundrechte als „negative Kompetenznormen" versteht 69 und unter diesem Gesichtspunkt nach 67

A. Bleckmann, Religionsfreiheit, S. 7. So S. Mückl, Die Religions- und Weltanschauungsfreiheit im Europäischen Unions- und Gemeinschaftsrecht, in: A. Haratsch u. a. (Hg.), Religion und Weltanschauung im säkularen Staat, 2001, S. 181 (195) = ders., Religions- und Weltanschauungsfreiheit, S. 31. 69 Grundlegend H. Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, 1961, S. 30, 479 und öfter. 68

II. Bestand und Bedeutung religionspolitischer Aufgaben

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den grundrechtlichen als kompetenzrechtlichen Grenzen der Übertragbarkeit von Hoheitsgewalt auf supranationale Organisationen fragt. Maßgeblich für die Bestimmung solcher Grenzen ist aber auch dann nicht die Anstellung abstrakter staats- und verfassungstheoretischer Erwägungen zu den Bedingungen und Grenzen der Übertragung von Hoheitsrechten auf supranationale Organisationen, 70 sondern vielmehr das konkret einschlägige Normmaterial, also im deutschen Verfassungsrecht Art. 23 GG. An diesem haben sich alle theoretischen Bemühungen zu bewähren. Für Kompetenzübertragungen auf die Europäische Union als supranationale Organisation ist dem Art. 23 GG nun gerade zu entnehmen, daß nicht jeder Verstoß der EU gegen Grundrechte im Sinne des Grundgesetzes bereits einen ultra-vires-Akt darstellt, argumentum e contrario aus dem Gebot eines „im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutzes" in Art. 23 I GG, wie immer man dieses im Detail verstehen mag. Art. 23 I GG stellt Mindestbedingungen für den durch die EU zu gewährleistenden Grundrechtsschutz auf und impliziert damit, daß Verletzungen grundgesetzlich gewährleisteter Grundrechte nicht eo ipso zu einem Kompetenzleiden der EU führen (cf. infra III. 2. e)). Diese verfassungsrechtliche Vorgabe läßt sich mit dem Verweis auf Grundrechte als negative Kompetenznormen nicht überspielen; der Rückgriff auf den Grundsatz des „nemo plus ..." in der Frage nach dem Ausschluß mittelbarer Folgewirkungen des Europarechts auf das deutsche Staatskirchenrecht scheidet deshalb nach dem hier vertretenen Verständnis von Art. 137 III WRV aus. Lehnt man aus den aufgezeigten verfassungstheoretischen und dogmatischen Gründen (s. o. 3. Kap. 13.) ein Verständnis des Art. 137 III WRV als institutionelle Anerkennung vorverfassungsrechtlicher Eigenmacht von Religionsgesellschaften ab und sieht in der Norm vielmehr eine spezifische Freiheitsgarantie für Religionsgesellschaften, die sich im Schutzbereich mit der korporativen Religionsfreiheit deckt und den „Kirchen unter dem Grundgesetz" eine freie Entfaltung ihres religiösen Lebens durch die Gewährleistung der Selbstordnung und -Verwaltung grundrechtlich garantiert, kann von einem auf die Wirkungen des Europarechts durchschlagenden Kompetenzentzug in Hinblick auf Art. 137 III WRV ebenso keine Rede sein wie bei allen anderen Freiheits- und Teilhabegarantien der Verfassung. Doch auch unter Annahme einer Bedeutung des Art. 137 III WRV als verfassungsrechtliche Anerkennung einer der verfaßten Staatlichkeit vorgängigen Eigengewalt der Religionsgemeinschaften hemmt die Norm wohl schwerlich mittelbare Folgewirkungen des Europarechts auf deutsche Religionsgesellschaften. Denn auch dann gilt, daß Art. 23 GG eine ausdifferenzierte Antwort auf die Frage nach institutionellen Kompetenzgrenzen für die Übertragung von Hoheitsgewalt auf 70 Zu bedenken ist dabei auch, daß die Rede von Grundrechten als negativen Kompetenznormen maßgeblich heuristischer Natur ist, um die Abwehrdimension der Grundrechte zu veranschaulichen. Gleichwohl bestehen erhebliche Differenzen zwischen staatsorganisatorischen Kompetenznormen und Grundrechten; cf. u. a. J. Isensee, HStR V § 111 Rdnr. 47; G. Liibbe-Wolff, Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1986, S. 26; H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Vorb. Rdnr. 49. m. w. N.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

supranationale Organisationen gibt, der Grundsatz des „nemo plus..." deshalb für sich hier gar keine Anwendung finden kann. Aus der Perspektive des Europarechts ist außerdem hervorzuheben, daß die Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für den innerstaatlichen Vollzug des Gemeinschaftsrechts unabhängig von der innerstaatlichen Ausgestaltung der Kompetenzverteilungen besteht.71 Jeder Mitgliedstaat hat, selbstverpflichtet durch das Zustimmungsgesetz zum europäischen Vertragswerk, dafür Sorge zu tragen, daß der innerstaatlich zuständige Verband und das zuständige Organ die eingegangenen europarechtlichen Verpflichtungen einhält und umsetzt. Gegebenenfalls ist die innerstaatliche Kompetenzverteilung zu modifizieren. Dieser Grundsatz des Europarechts ist zwar vorrangig auf durch föderale Staatsstrukturen bedingte Implementationsprobleme zugeschnitten, er hat jedoch gleichfalls auf die hier in Frage stehende Konstellation Anwendung zu finden, wenn man denn in Art. 137 III WRV eine echte Kompetenzsperre sieht. 72 Die hiergegen von Stefan Mückl vorgeschlagene Differenzierung zwischen der Übertragung fremder Hoheitsrechte (der Länder) auf die EU, bei der der Grundsatz des „nemo plus ..." kein Hindernis für den Transfer darstelle und der Konstellation, daß „innerstaatlich überhaupt keine Hoheitsrechte (weder des Bundes noch der Länder)" bestünden,73 vermag im Ergebnis nicht recht zu überzeugen. Denn beim „nemo-plus .. ."-Grundsatz kommt es stets auf die konkrete Inhaberschaft eines Rechts an. In der von Mückl aufgeworfenen Unterscheidung ist jeweils eine Eigengewalt fremder Rechtsträger berührt, einerseits die Staatsgewalt der Länder, andererseits die (hier zu unterstellende) Kirchengewalt. Die Differenz besteht lediglich in der Charakterisierung der Gewalt als spezifisch öffentlich-hoheitliche bzw. kirchliche. Doch auf diese kommt es unter dem Gesichtspunkt des nemo plus ... gerade nicht an. Gründe für eine solche Unterscheidung lägen außerhalb der Logik des nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet, nämlich in der Differenz von staatsorganisatorischen Normen und Freiheitsgarantien für die Bürger und ihre Einrichtungen, also grundrechtlichen und grundrechtsähnlichen Rechten quod erat demonstrandum (cf. supra). Entweder fände der Grundsatz folglich auf die Übertragung von Hoheitsgewalt auf supranationale Organisationen gar keine oder stets Anwendung.74

71 R. Streinz, Essener Gespräche 31 (1997), S. 53 (70); M. Heinig, ZEE 1999, 294 (306); cf. a. am Beispiel der Richtlinienumsetzung EuGHE 1976, 277 ff.; 1978, 1879 ff.; ferner M. Rujfert, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 249 EGV Rdnr. 47 m. w. N. 72 Gleiches gilt für sonstige autonom gestellte staatliche Einrichtungen wie Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts. 73 S. Mückl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, S. 30. 74 Auch ist im Zusammenhang der Argumentation von Bleckmann und Mückl der Gefahr zu begegnen, den Grundsatz des nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet ontologisch zu verstehen und das in Frage stehende Recht als physikalische Entität statt als an soziale Durchsetzung gebundene ideelle Konstruktion zu begreifen. Diese Gefahr realisiert sich aber, wenn man pauschal annimmt, daß „nicht übertragen werden kann", was „rechtlich nicht besteht"; S. Mückl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, S. 30 Fn. 111.

II. Bestand und Bedeutung religionspolitischer Aufgaben

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Die bisherigen Erwägungen zeigen, daß der aus dem Zivilrecht stammende Grundsatz des nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet75 im Kontext der Kompetenzübertragungen nicht sinnvoll ohne Rückanbindung an die konkreten verfassungs- und europarechtlichen Normen verwendet werden kann. Sonst droht die Verselbständigung eines allgemeinen rechtserkenntnisdienenden Grundsatzes zu einem metaverfassungsrechtlichen Rechtssatz. Aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts konditioniert einzig Art. 23 GG die Übertragung von Hoheitsgewalt auf die EU. Die strukturellen Anforderungen an die europäische Ebene öffentlicher Gewalt werden ausdrücklich benannt. Für die Exemtion einer „verfassungsrechtlich anerkannten Eigengewalt der Religionsgemeinschaften" bestehen keine Anhaltspunkte. Und selbst wenn man nun den Grundsatz des „nemo plus ..." in Hinsicht auf Art. 137 III WRV innerhalb des Art. 23 GG für anwendbar hielte, wäre die in Art. 23 I GG vorgesehene Möglichkeit der apokryphen Verfassungsänderung zu beachten. Es wäre also zumindest zu prüfen, inwieweit nicht Art. 137 III WRV durch die Zustimmungsgesetze zum Europäischen Vertrags werk eine Änderung erfahren hat, die „Anerkennung vorverfassungsrechtlicher Eigengewalt" also revidiert wurde. Eine solche Untersuchung unterbleibt aber bezeichnenderweise bei den Apologeten einer Kompetenz(übertragungs)blockade. Insgesamt ergibt sich deshalb der Eindruck, daß das Abstellen auf eine der deutschen Staatsgewalt entzogene Regelungskompetenz für Angelegenheiten von Religionsgesellschaften an der eigentlichen Problematik der Transformation der Rechtsstellung von Religionsgesellschaften in Deutschland vorbei führt. Entscheidend ist bei der Bestimmung der genauen staatskirchen- und religionsrechtlichen Wirkungen des Europarechts nicht die fehlende Kompetenz der EU, auch Religionsgesellschaften von europäischen Rechtssätzen zu erfassen, sondern maßgeblich sind die Modalitäten der Kompetenzausübung, ist der Schutz mitgliedstaatlicher Bewahrungsinteressen und die Anerkennung legitimer religiöser Interessen bei der Ausgestaltung und Anwendung des Europarechts. Dem soll im folgenden weiter nachgegangen werden.

Zwischenresümee Einstweilen kann festgehalten werden, daß sich die explizite Beauftragung der Europäischen Union mit der Ausformulierung einer Religionspolitik auf ein Minimum beschränkt. Lediglich Art. 13 EGV gibt der Gemeinschaft auf, Maßnahmen gegen Diskriminierungen u. a. aus Gründen der Religion zu ergreifen und begründet damit eine geschriebene Annexkompetenz (s. ο. II. 3.). Andererseits hindert diese dürftige religionspolitische Ausstattung der Europäischen Union nicht, daß das vertragsgemäß zustande gekommene Gemeinschaftsrecht mittelbare Folgewirkungen auf das nationale Staatskirchen- und Religionsrecht, in Deutschland also auch den Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und 75 Dig. 50, 17, 54.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

Differenz öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften zeitigt. Die Frage nach der Transformation des deutschen Staatskirchenrechts und der durch das nationale Religionsrecht geprägten Stellung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften i. S. d. Art. 137 V WRV ist damit weniger eine nach dem Kasus als vielmehr nach dem Modus der Transformation. Die Religionsgesellschaften in Deutschland sind der europarechtlich formierten öffentlichen Gewalt grundsätzlich genau so unterworfen, wie die Bürger und Vereinigungen insgesamt. Insoweit leben Religionsgemeinschaften in Deutschland inzwischen nicht nur „unter dem Grundgesetz", sondern auch „unter dem Europarecht" 76 und in diesem Sinne ist Religionsrecht Mehrebenenrecht. Um nun die Mechanismen der Einbettung des nationalen Staatskirchenrechts in einen europäischen Verfassungs- und Rechtsverbund näher zu betrachten, soll zunächst eine Bestandsaufnahme des spezifisch auf Religionsgesellschaften Bezug nehmenden europäischen Sekundärrechts erfolgen (III.). Dieses vermittelt einen ersten Eindruck über die Art der Einbindung der nationalen Staat-Kirche-Regime in das Europarecht und grundiert die dann folgende Rekonstruktion des für die Rechtsstellung von Religionsgesellschaften im Kontext des Europarechts relevanten Rechtsbestandes als Mehrebenenrecht (IV.).

I I I . Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz von Religionsgesellschaften in den Religionsklauseln des europäischen Sekundärrechts 1. Begriff und Bedeutung Religionsrecht ist in seinen Erscheinungsformen vielgestaltig. Eine vor dem Hintergrund der soeben beschriebenen kompetenzrechtlichen Ausgangslage zunächst überraschende Emanation des Religionsrechts bilden besondere Religionsklauseln im europäischen Sekundärrecht. Diese sind zumeist in wirtschaftsbezogenen Regelungswerken enthalten, folgen also der (ursprünglich) vorherrschenden kompetentiellen Ausstattung der Gemeinschaft, nehmen dabei aber auf religiös geprägte Sachverhalte, insbesondere auf Religionsgesellschaften gesondert Bezug und begründen für diese spezifische Normierungen. Ihrem Vorkommen sind ganz generell zwei für unseren Kontext bedeutsame Folgerungen zu entnehmen: Zum einen bestätigen diese Klauseln die oben getroffene Aussage, daß das Europarecht mittelbare Wirkungen auf die Rechtsstellung von Religionsgemeinschaften zeitigt. Denn ohne solche wäre eine gesonderte Regelung für Religionsgemeinschaften im europäischen Sekundärrecht obsolet. Zum anderen 76 M. Heinig , ZEE 43 (1999), 294 (298).

III. Religionsklauseln des europäischen Sekundärrechts

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aber dokumentieren die Religionsklauseln, daß der europäische Gesetzgeber (inzwischen) die indirekten religionsrechtlichen Effekte des allgemeinen Europarechts mitreflektiert und hieraus bestimmte Konsequenzen für die Ausgestaltung des Sekundärrechts zieht. Auf diese Weise bildet sich - ungeachtet der fehlenden religionsrechtlichen Kompetenzen der Union - „clandestin" 77 eine erste Schicht europäischen Religionsrechts heraus. Analysiert man dieses genauer, lassen sich auch auf europarechtlicher Ebene Elemente der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz rekonstruieren, die teils an die mitgliedstaatliche Rechtslage anknüpfen, teils aber auch spezifisch europäisch durchdekliniert werden. Diese sekundärrechtlichen Religionsklauseln sollen zunächst nur kurz vorgestellt werden, 78 um einen recht relevanten Aspekt der Transformationswirkung des Europarechts für die Rechtsstellung (öffentlich-rechtlicher) Religionsgesellschaften, nämlich die Berücksichtigung religiöser Belange im europäischen Sekundärrecht, vor Augen zu führen. Auf einige Details der Auswirkungen des Europarechts in einzelnen Felder des grundgesetzlich bestimmten Status von Religionsgemeinschaften und auf die Bedeutung einzelner sekundärrechtlicher Religionsklauseln wird dann später (V. und VI.) einzugehen sein.

2. Der Status der Freiheit in den Religionsklauseln des europäischen Sekundärrechts Einem religionsrechtlichen Status der Freiheit auf europäischer Ebene sind zunächst solche Bestimmungen zuzuordnen, die eine, dem mitgliedstaatlichen Standard der freien Selbstordnung und -Verwaltung entsprechende Ausgestaltung der sekundärrechtlichen Vorgaben ermöglichen. Hierzu zählt etwa die Richtlinie über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung. Die läßt Abweichungen von zahlreichen Bestimmungen der Richtlinie seitens der Mitgliedstaaten für Arbeitnehmer, die im liturgischen Bereich von Kirchen und Religionsgemeinschaften beschäftigt sind, zu. 79 Eine ähnliche Regelungstechnik findet man in der auf der Grundlage von Art. 13 EGV verabschiedeten RL 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. 80 Auch diese ermöglicht den Mitgliedstaaten, in Korrela77

G. Robbers, ZevKR 42 (1997), 122 (123); ders., Vom Heiligen Römischen Reich zum Laizismus, in: F. E. Anheim (Hrsg.), Europabilder, 1997, S. 39 (44). 78 Cf. für einen Überblick über das europäische Religionsrecht die vom Institut für Europäisches Verfassungsrecht unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Robbers zusammengestellte Sammlung „Religionsrechtliche Bestimmungen in der Europäischen Union", abzurufen unter http://www.uni-trier.de/~ievr (login: August 2001), die die Grundlage für die folgenden Ausführungen darstellt. Einen mehr oder weniger umfassenden Überblick über das Sekundärrecht mit Religionsbezügen bieten ferner A. Pauly, réflexions, S. 164 ff.; M. Vachek, S. 77 ff.; H. Weber, ZevKR 47 (2002), 221 (226 ff.). 19 Art. 17 I c) RL 93/ 104/EG, ABl. 1993 L 307, 18 ff. 8 o Art. 4 II der RL 2000/78/EG, ABl. 2000 L 303, 16 ff., cf. infra VI. 1. a) bb).

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

tion zum bisherigen religionsrechtlichen Bestand für Religionsgemeinschaften einen besonderen Tendenzschutz zu gewähren. I m europäischen Kollektivarbeitsrecht ermöglicht Art. 8 I I I der R L 9 4 / 4 5 / E G über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen oder Unternehmensgruppen, daß Mitgliedstaaten für Unternehmen mit weltanschaulicher Tendenz abweichende Bestimmungen vorsehen (cf. infra V I . I . ) . 8 1 Freiheitsschutz in religiösen Angelegenheiten durch den Einbau von den M i t gliedstaaten zur Verfügung gestellten Varianzklauseln findet sich auch in zahlreichen Bestimmungen zur Schlachtung oder Tötung von Tieren. Europarechtlich ist das Schächten als Erfordernis bestimmter religiöser Riten grundsätzlich anerkannt, wie bereits primärrechtlich das Protokoll über den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere zum Ausdruck bringt. 8 2 In dessen Konsequenz können die Mitgliedstaaten von agrar- und lebensmittelrechtlichen Vorgaben des Europarechts absehen, wenn die Schlachtung nach den Vorschriften bestimmter Religionsgemeinschaften erfolgt oder anläßlich religiöser Feste ein besonderer Bedarf entsteht. Je nach Wortlaut der Norm könnte man einigen Klauseln zudem eine Pflicht zur Berücksichtigung religiöser Interessen entnehmen. 83 81 ABl. 1994 L 254, 64 ff. 82 ABl. 1997 C 340, 110 ff.: „Bei der Festlegung und Durchführung der Politik der Gemeinschaft ... tragen die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere in vollem Umfang Rechnung; sie berücksichtigen hierbei die ... Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten insbesondere in Bezug auf religiöse Riten ..." - cf. a. supra Fn. 35. 83 Cf. Art. 4 der RL 95/23/EG, ABl. 1995 L 243, 7 ff.: „Mitgliedstaaten können ... von der wöchentlichen Obergrenze abweichen, um die Schlachtung von Schaf- und Ziegenlämmern in der Zeit vor religiösen Festen zu ermöglichen"; Erwägungsgrunde und Art. 2 II und 5 II der RL 93/119/EG, ABl. 1993 L 340, 21 ff.: „Es sind ... besondere Erfordernisse bestimmter religiöser Riten zu berücksichtigen", „Für die Anwendung der besonderen Bestimmungen bezüglich der Schlachtung nach bestimmten religiösen Riten und für die Überwachung dieser Bestimmungen ist ... die betreffende Religionsgemeinschaft in dem jeweiligen Mitgliedstaat zuständig, in deren Auftrag die Schlachtung erfolgt" ... „Für Tiere, bei denen aufgrund bestimmter Riten besondere Schlachtungsmethoden angewandt werden, gelten die Auflagen (s.c.: daß das Tier vor der Schlachtung zu betäuben ist) ... nicht"; Anhang I Kapitel VII Nr. 33 und Anhang II Kapitel II Nr. 11 der RL 92/116/ EWG, ABl. 1993 L 62, 21 ff.: Ein Tier ist sofort nach dem Verbringen in einen Schlachtraum zu schlachten, „es sei denn, die Schlachtung erfolgt nach den Vorschriften bestimmter Religionsgemeinschaften"; Anhang I Kapitel VI der RL 83/90/EWG, ABl. 1983 L 59, 10 ff.: „Wenn ein religiöser Ritus das Aufblasen eines Organs vorschreibt, kann dies zugelassen werden"; Anhang I Kapitel V Nr. 20 der RL 71 /118/EWG in der Fassung RL 75/ 431/EWG, ABl. 1975 L 192, 6 ff.: „Die Betäubung braucht jedoch nicht durchgeführt zu werden, wenn eine religiöse Vorschrift dies verbietet"; Anhang Β Kapitel VI Nr. 21 und Kapitel VIII Nr. 36 RL 72/462/EWG, ABl. 1972 L 302, 28 ff.: „Wenn ein religiöser Ritus das Aufblasen eines Organs vorschreibt, kann dies zugelassen werden" (Hervorhebungen nicht im Original - die Formulierung „können" spricht für mitgliedstaatlichen Spielraum, „gelten ... nicht" und „sind" indizieren Pflichtige Berücksichtigungen religiöser Interessen; cf. hierzu auch infra VI. 1. b) bb)). Hierbei wäre aber, worauf mich Dr. Christian Walter,

III. Religionsklauseln des europäischen Sekundärrechts

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In anderen sekundären Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft wird die korporative Religionsfreiheit mit einem einheitlichen freiheitlichen und für die Mitgliedstaaten verbindlichen Rechtsstandard geschützt. So findet das sekundärrechtlich begründete Verbot der Verarbeitung personenbezogener Daten, „aus denen ... religiöse oder philosophische ... Überzeugungen ... hervorgehen", keine Anwendung, wenn die Verarbeitung „auf der Grundlage angemessener Garantien durch eine ... religiös ... ausgerichtete Organisation ohne Erwerbszweck ... im Rahmen ihrer rechtmäßigen Tätigkeiten ..." erfolgt. 84 Bestimmungen für die Empfehlung oder Zulassung eines Weins zu religiösen Zwecken berücksichtigten die Belange religiöser Einrichtungen, wenn der Wein nach deren Sondervorschriften gewonnen wurde. 85 Und die VO 1347/2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten nimmt Verfahren, „die nur innerhalb einer Religionsgemeinschaft gelten", von ihrem Anwendungsbereich ausdrücklich aus, womit dem Recht auf freie Selbstordnung und -Verwaltung von Religionsgemeinschaften Genüge getan ist. 86 Der Status der Freiheit von Religionsgesellschaften wird im Europarecht schließlich auch durch Bestimmungen bedient, die religiöse Organisationen nicht explizit erwähnen, auf die hin aber entsprechende Normierungen zugeschnitten sind. Hier ist insbesondere die VO 3820/85 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr zu nennen, die den Mitgliedstaaten ermöglicht, vom europäischen sozialrechtlichen Regime für Kraftfahrer abzuweichen, wenn Fahrzeuge betroffen sind, die „im Rahmen der Religionsausübung ... verwendet werden und für diesen Zweck besonders ausgestattet sind." 87 Die hierdurch geschützten Prozessionen und Pilgerfahrten finden üblicherweise unter dem Dach einer Religionsgemeinschaft statt.

Heidelberg, hinwies, nochmals zwischen den Erwägungsgründen und dem eigentlichen Normtext zu unterscheiden. 84 Art. 10 II e) der VO 45/2001, ABl. 2001, S. 1 ff.; Art. 8 II d) der RL 95/46/EG, ABl. 1995 L 281, 31 ff.; zur Umsetzung der Richtlinie und der Nichttransformation des bisherigen Datenschutzsystems für die Kirchen (s. o. 4. Kap. II. 2.) D. Lorenz, DVB1. 2001, 428 (430 ff.); inhaltliche Vorgaben der Datenschutzrichtlinie führen allerdings zu einem Anpassungsbedarf der kirchlichen Datenschutzbestimmungen (ebenda, 434 f.); cf. zum potentiellen Einfluß des Datenschutzrechtes auf das Kirchensteuerwesen infra V. 6. b); s.a. zur Novellierung des deutschen Datenschutzrechtes vor dem Hintergrund der Datenschutzrichtlinie A. Ziekow, Datenschutz und evangelisches Kirchenrecht, 2002, S. 249 ff. 85 Art. 10 II der VO 3201 /90, ABl. 1990 L 309, 1 ff. 86 9. Erwägungsgrund der VO 1347/2000, ABl. 2000 L 160, 19 ff. 87 Art. 13 I lit. f) der VO 3820/85, ABl. 1985 L 370, 1 ff.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

3. Der Status der Gleichheit in den Religionsklauseln des europäischen Sekundärrechts Der Status der Gleichheit von Kirchen und Religionsgemeinschaften begründet sich im europäischen Sekundärrecht zum einen dadurch, daß europarechtlich in der Regel nicht zwischen unterschiedlichen Organisationen - sei es in soziologischer, sei es in theologischer Hinsicht - differenziert wird. 88 Die Religionsklauseln des europäischen Sekundärrechts erstrecken sich zumeist auf alle Religionsgesellschaften und erfassen dann auch Weltanschauungsgemeinschaften. Differenzierungen zwischen Religionsgesellschaften in Entsprechung zum jeweiligen nationalen Religionsrecht sind ggf. durch die Mitgliedstaaten vorzunehmen, soweit dies besondere Öffnungsklauseln für die Umsetzung gestatten. Zum anderen kennt das europäische Sekundärrecht eine Fülle von Verboten religiöser Diskriminierung, die zumindest indirekt auch Religionsgemeinschaften tangieren, da sie die Gleichbehandlung ihrer Mitglieder gegenüber anderen Bürgern sichern, zugleich aber auch dadurch die gleiche Berechtigung aller Religionsgemeinschaften zum Ausdruck bringen. Das Gebot der Gleichbehandlung ohne Rücksicht auf die Religion findet sich etwa in den Statuten der Gemeinschaft zur Auswahl der Beamten und sonstigen Beschäftigten, 89 in Verwaltungsbestimmungen 90 oder in Erwägungsgründen zu Vorschriften für die europäische Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe. 91 Daneben verbietet die RL 2000/78/EG, die Ungleichbehandlung aus religiösen Gründen in Beschäftigung und Beruf. 92 Sie stützt sich auf den oben erwähnten Art. 13 EGV, der das Ziel der Bekämpfung von Diskriminierungen u. a. aus Gründen der Religion oder Weltanschauung primärrechtlich statuiert.

88 Cf. H. M. Heinig, Kirchen, S. 125 ff. 89 Art. 23 der VO 1860/76, ABl. 1976, L 214, 24 ff.; Art. la, 27 II und 12 I UA 2 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften hinsichtlich der Gleichbehandlung in der Fassung von VO 781 /98, ABl. 1998 L 113, 4 f.; das Beamtenstatut in der Fassung VO 259/68, ABl. 1968 L 56, 1 ff. war wohl die erste Norm des Europarechts, die überhaupt Religion erwähnte, G. Robbers, HdbStKirchR 21, S. 315 (319). 90 Punkt III.4. des Leitfadens für die Pflichten der Beamten und Bediensteten des Europäischen Parlaments, ABl. 2000 C 97, 1 ff.; Art. 5 III des Kodex für gute Verwaltung im Gemeinschaftlichen Sortenamt, ABl. 2000 C 371, 14 ff.; Art. 5 der RL 97/67/EG, ABl. 1998 L 15, 14 ff. Erwägungsgrund 21 der VO 975 / 99, ABl. 1999 L 120, 1 ff.; Erwägungsgrund 21 der VO 976/99, ABl. 1999 L 120,8 ff.; Erwägungsgrund der VO 1257/96, ABl. 1996L 163,1 ff. 92 RL 2000/78/EG, ABl. 2000 L 303, 16 ff.

III. Religionsklauseln des europäischen Sekundärrechts

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4. Der Status der Öffentlichkeit in den Religionsklauseln des europäischen Sekundärrechts Die öffentliche Wirkung und das öffentliche Wirken von Religionsgemeinschaften erfährt im europäischen Sekundärrecht Anerkennung, wenn diese etwa als Partner für die dezentrale Zusammenarbeit in der Entwicklungshilfe 93 oder als Dialogpartner bei EU-Aktionen zur HIV/Aids-Bekämpfung 94 fokussiert werden. Die öffentliche Wirkung von Religionsgesellschaften ist auch berührt, wenn die EGFernsehrichtlinie verbietet, die Übertragung von Gottesdiensten durch Werbung oder Teleshopping zu unterbrechen. 95 Gleichermaßen die Freiheit und Öffentlichkeit von Religion ist tangiert, wenn das sekundärrechtliche Markenrecht es Mitgliedstaaten ermöglicht, religiöse Symbole von der Eintragung als Marke auszuschließen.96 Religiöse Symbole sollen nicht durch den Umweg des Markenrechts dem öffentlichen Diskurs und der öffentlichen Verfügbarkeit für alle individuellen und korporativen Grundrechtsträger entzogen werden. Ausdruck eines Angebots zum Status der Öffentlichkeit von Religionsgemeinschaften auf EU-Ebene ist es schließlich auch, wenn in den durch EG-Statut gegründeten Europäischen Schulen Religionsunterricht ordentliches Lehrfach ist. 97

5. Der Status der Differenz in den Religionsklauseln des europäischen Sekundärrechts Der Status der Differenz kennt auf der Ebene des Europarechts im Grunde zwei Dimensionen: zunächst wäre nach der institutionellen Verknüpfung und Identifikation der Europäischen Union selbst mit einer Religion(sgesellschaft) zu fragen und sodann zu analysieren, welche Vorgaben das Europarecht für die staatskirchenrechtlichen Arrangements der Trennung oder Einheit von Staat und Kirche in den Mitgliedstaaten bereithält. Betrachtet man die Religionsklauseln des europäischen Sekundärrechts, ist zu diagnostizieren, daß in ersterer Hinsicht keine besonderen Bestimmungen auszumachen sind. Freilich kann - in rechtlicher wie in sonstiger Kommunikation - auch das Schweigen beredt sein. Insoweit ist festzuhalten, daß es im Sekundärrecht jedenfalls an Vorschriften fehlt, die auf eine Identifikation oder institutionelle Verknüpfung der Europäischen Union mit einer bestimmten 93 VO 1659/98/EG, ABl. 1998 L 213, 6 ff. 94 Art. 2 der VO 550/97, ABl. 1997 L 85, 1 ff.. 95 Art. 11 V der RL 97/36/EG, ABl. 1997 L 202, 60 ff.; daneben trägt die Richtlinie den Mitgliedstaaten auf, dafür Sorge zu tragen, daß „die Sendungen nicht zu Haß aufgrund von ... Religion ... aufstacheln" (Art. 22 II). Untersagt ist ferner Fernsehwerbung, die religiöse Überzeugungen verletzt (Art. 12). 96 Art. 3 II b) der RL 89/104/EWG, ABl. 1989 L 40, 1 ff. 97 G. Robbers, HdbStKirchR 2 I, S. 315 (324); ders., ibw-journal 05/2000, 3 (8); A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 415; S. Mückl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, S. 11; H. M. Heinig, Kirchen, S. 125 ff. 26 Heinig

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

Religionsgesellschaft hindeuten. Vielmehr spricht die egalitäre und libertäre Ausrichtung des europäischen Religionsrechts auf der Ebene des Sekundärrechts dafür, daß die Differenz von europäisch gefaßter öffentlicher Gewalt und Religionsgemeinschaften eine tragende Säule des sich ausbildenden Religions(verfassungs)rechts der Europäischen Union bildet. Für die zweite Dimension der Frage nach einem Status der Differenz sind die Religionsklauseln des Sekundärrechts insoweit erheblich, wie sie auf die mitgliedstaatliche Ausgangslage verweisen, eine dieser entsprechende Umsetzung von Richtlinien ermöglichen und so europarechtlich Raum für unterschiedliche staatskirchenrechtliche Systeme in den einzelnen Mitgliedstaaten bieten.98 Ein Status der Differenz, wie ihn das Grundgesetz in Deutschland durchdekliniert, ist dann im Horizont der Religionsklauseln im europäischen Sekundärrecht zwar nicht geboten, zumindest aber unverfänglich.

6. Statusflankierungen in den Religionsklauseln des europäischen Sekundärrechts Der Status der Freiheit, Parität, Publizität und Differenz von Religionsgesellschaften wird europarechtlich flankiert durch vermögensrelevante und religionskulturell geprägte Bestimmungen in Richtlinien und Verordnungen. Vermögensrelevante europäische Rechtsvorschriften zielen vor allem auf eine Anerkennung und Fortschreibung nationaler Formen der Religionsförderung. Hierbei steht die Befreiung von Abgaben im Vordergrund. Eine sekundärrechtlich festgehaltene Zoll- oder Steuerbefreiung findet sich etwa für die meisten diakonischen Tätigkeiten (so bei Krankenhausbehandlungen, Dienstleistungen im Bereich der Sozialfürsorge, insbesondere von Altenheimen, im Bereich der Kinder- und Jugendbetreuung und der Erziehung), für „die Gestellung von Personal durch religiöse und weltanschauliche Einrichtungen" zur Verrichtung entsprechender Tätigkeiten „und für Zwecke geistigen Beistands" sowie für sämtliche Dienstleistungen einer Einrichtung ohne Gewinnstreben, welche religiöse Zwecke verfolgt. 99 98

Cf. zur staatskirchenrechtlichen Systemtrias Trennung / Kooperation / Staatskirche in europäischer Hinsicht L. Turowski, KuR 1995, 12 ff. = 140, 2 ff.; A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 385 ff. m.w.N; Th. Fleiner-Gerster, JöR N.F. 43 (1995), 19 (24 f.); G. Robbers, ZevKR 42 (1997), 122 (123 ff.), ders., epd-Dokumentation 36/01, 17 (18), ders., Das Verhältnis der Europäischen Union zu Religion und Religionsgemeinschaften, in: B. Kämper/M. Schlagheck (Hrsg.), Zwischen nationaler Identität und europäischer Harmonisierung, 2002, S. 11 (17 ff.), der eine sukzessiv sich ausbildende Konvergenz der Systeme ausmacht skeptisch demgegenüber A. v. Campenhausen, ZevKR 42 (1997), 169 (174); Gemeinsamkeit quer zu den Systemgrenzen zeigt auch S. Ferrari, Church and State in Europe, in: H.-J. Kiderlen u. a. (Hrsg.), Wich Relationsship between Churches and the European Union, 1995, S. 33 ff. = ders., European Journal for Church and State Research 2 (1995), 149 ff.; ders., Brigham Young University Law Review 1995, 421 ff. auf. In methodischer Hinsicht zum Problemkreis auch R. Torfs, ÖARR 46 (1999), 14 ff.

III. Religionsklauseln des europäischen Sekundärrechts

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Solche Zoll- und Steuerbefreiungen kennt das Europarecht ferner für Unterlagen, die Veranstaltungen religiösen Charakters bewerben, 100 für Gegenstände, die der Betreuung von Seeleuten in kirchlichen Einrichtungen dienen, 101 oder für Waren, die vorübergehend im Zusammenhang mit einer religiösen Veranstaltung verwendet werden sollen. 102 Außerdem sind Kulturgüter kirchlicher Einrichtungen ausdrücklich in den Schutz der Richtlinie über die Rückgabe unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachter Kulturgüter einbezogen.103 Religionskulturelle Prägungen bei der Festlegung von Ruhezeiten in den Mitgliedstaaten werden durch die Arbeitszeitrichtlinie der EG geschützt; nach dieser muß der Unterschiedlichkeit der kulturellen, ethnischen, religiösen und anderen Faktoren bei der Bestimmung von Ruhezeiten hinreichend Rechnung getragen werden (cf. infra VI. 5. a)). 1 0 4

7. Religionsgesellschaften i. S. d. Art. 137 V WRV im europäischen Sekundärrecht Schließlich findet man im europäischen Sekundärrecht an zwei Stellen eine Bezugnahme auf öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in Deutschland, genauer auf deren Recht zur Steuererhebung. Zum einen wird „Kirchen und Religionsgemeinschaften in der Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts . . . , sofern diese aufgrund eines ihnen verliehenen Steuererhebungsrechts Steuern erheben", in der Richtlinie über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit von Kreditinstituten ein besonders günstiger, Regionalregierungen und örtlichen Gebietskörperschaften gleichgestellter Solvabilitätskoeffizent zugeschrieben. 105 Nach dieser Typisierung unterliegen kircheneigene Banken einem geringeren Insolvenzrisiko als klassische, von Privatpersonen betriebene oder gehaltene Kreditinstitute. Zum anderen wird das Kirchensteuerrecht nach Art. 137 V I WRV - zwar nicht expressis verbi, aber implizit - in der europäischen Datenschutzrichtlinie berück99 Art. 13 der RL 77/388/EWG, ABl. 1977 L 145, 1 ff. sowie Art. 684a der VO zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaft in der Fassung VO 3665/93, ABl. 1993 L 335, 1 ff. 100 Art. 78 der RL 83/181/EWG, ABl. 1983 L 105, 38 ff.; Art. 108 der VO 918/83, ABl. 1983 L 105, 1 ff. ιοί Art. 21 III b) der RL 85/362/EWG, ABl. 1985 L 192, 20 ff.; Art. 686 II der VO 2454/93, ABl. 1993 L 253, 1 ff.; Art. 21 IV b) der VO 3599/82, ABl. 1982 L 376, 1 ff. 102 Art. 673 II c) der VO 2454/93, ABl. 1993 L 253, 1 ff.; Art. 9 der VO 3599/82, ABl. 1982 L 376, 1 ff. 103 RL 93/7/EWG, ABl. 1993 L 74, 74 ff. 104 Erwägungsgrund der RL 93/ 104/EG, ABl. 1993 L 307, 18 ff. sowie der RL 94/33/ EG, ABl. 1994 L 216, 12 ff. 105 Art. 46 II der RL 2000/12/EG, ABl. 2000, L 126, 1 ff.; Erwägungsgrund 3 sowie Art. 2 der RL 98/33/EG, ABl. 1998 L 204, S. 29 ff.; cf. hierzu näher M. Vachek, S. 81 f.; D. Ehlers, Bedeutungswandel, S. 104. 26*

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

sichtigt; laut deren Art. 8 IV findet das grundsätzliche Verbot der Verarbeitung von religionsbezogenen Daten bei Vorliegen eines wichtigen öffentlichen Interesses keine Anwendung, worunter gemäß Erwägungsgrund 35 auch die Verarbeitung personenbezogener Daten durch staatliche Stellen für „verfassungsrechtlich oder im Völkerrecht niedergelegte Zwecke von staatlich anerkannten Religionsgesellschaften" zu fassen ist. 1 0 6 Auf diese Weise wird die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der in Deutschland praktizierten Form des Kirchensteuereinzugs durch die staatlichen Finanzbehörden im Wege des Vorabzugverfahrens gesichert (cf. infra V. 6. b)). Zwischenresümee Summa summarum läßt sich festhalten, daß das europäische Sekundärrecht zahlreiche Bestimmungen kennt, die auf Religionsgesellschaften Bezug nehmen und deren Rechtsstellung mitprägen. Sie bezeugen zunächst, daß Religion als markanter lebensweltlicher Faktor (inzwischen) im Europarecht zur Kenntnis genommen wird. Dabei wird an zwei Stellen im europäischen Sekundärrecht auch auf Spezifika öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften eingegangen; die Rechtsform und damit einhergehende Besonderheiten erfahren auf diese Weise Anerkennung. Betrachtet man den Regelungsgehalt der religionsrechtlichen Sonderklauseln im Europarecht genauer, so läßt sich insgesamt sagen, daß sie den diagnostizierten grundgesetzlichen Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz nicht in Frage stellen, sondern ihn im Gegenteil unterstreichen. Dies geschieht entweder dadurch, daß auf nationaler Ebene ein entsprechender Rechtsbestand bewahrt werden kann oder daß im Europarecht selbst ähnliche Regelungen getroffen werden. Religiöse Interessen haben folglich - dies eine weitere Erkenntnis aus dem Sekundärreligionsrecht - auf europäischer Ebene nicht per se zurückzutreten. Ebenso aber suprematiert das religionsbezogene Sonderinteresse auch nicht grundsätzlich ein europäisch geprägtes Regelungsanliegen, wie sich in den jeweiligen Einzelbestimmungen zeigt. Damit sind jedenfalls erste Thesen über die Einbindung des nationalen Religionsverfassungsrechts in die europäische Rechtsordnung gewonnen. In einem zweiten Schritt soll nun gezeigt werden, daß die aufgezeigten Effekte im Sekundärrecht nicht (nur) aus den Bedingungen politischer Kontingenz resultieren, also nicht nur zufällig sind, sondern durch ein Ensemble fundamentaler Rechtsinstrumente angeleitet werden, die eine angemessene Rücksichtnahme auf religiöse Interessen und diesbezügliche nationale Besonderheiten fördern und fordern. In diesem Sinne läßt sich die Transformation des mitgliedstaatlichen Staatskirchenrechts in ein Gesamtgefüge europäischen Religionsrechts als Kompatibilisierungsprozeß beschreiben, bei dem es immer wieder im Einzelfall auszuloten gilt, inwieweit ein spezi106 Erwägungsgrund 35 und Art. 8 IV der RL 95/46/EG, ABl. 1995 L 281, 31 ff.; zur Richtlinie insg. S. Simitis, NJW 1997, 281 ff.

IV. Religionsrecht als Mehrebenenrecht

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fisch europäisches Regelungsinteresse (in Abgrenzung zu anderen Ebenen rechtlicher Steuerung) durchgreift und inwieweit religiöse Interessen bei der Ausgestaltung i m Detail zu berücksichtigen sind. Religionsrecht stellt sich damit wie zahlreiche andere Rechtsgebiete auch - verfassungstheoretisch formuliert - als Mehrebenenrecht d a r . 1 0 7

IV. Das Staatskirchenrecht im europäischen Verfassungs- und Rechtsverbund: Religionsrecht als Mehrebenenrecht Religionsrecht ist Mehrebenenrecht - diese bisher immer wieder postulierte These bedarf einerseits der generellen verfassungstheoretischen Unterfütterung (1.), andererseits der genaueren rechtlichen Explikation (2.).

1. Z u m (verfassungstheoretischen) Konzept des Mehrebenenrechts a) Die Europäische Union als dynamisches Mehrebenensystem M i t dem aus der Politikwissenschaft stammenden Begriff des Mehrebenensystems sei zunächst umschrieben, wie sich politische Steuerung in besonderer Weise horizontal auffächert: 1 0 8 er erfaßt damit föderale Systeme i m weiteren Sinne. In diesen sind unterschiedliche politische Institutionen (oder rechtlich: Kompetenzträger) auszumachen, die nach Ebenen sortiert werden können. Diese Institutionen 107 Dies soll im folgenden Abschnitt näher entfaltet werden. Dabei wird dem verfassungstheoretischen Konzept des Mehrebenenrechts zunächst relativ breiter Raum eingeräumt, um das Paradigma als solches zu entfalten und vor dieser Folie dann seine Beschreibungskraft für den hiesigen religionsrechtlichen Kontext fruchtbar zu machen. Cf. a. H. M. Heinig, Art. 13 EGV, S. 243 f.; ders., Religionsverfassungsrecht, S. 98 ff.; ders., Kirchen, S. 137 ff.

io» F. Scharpf, PVS 26 (1985), 323 ff.; ders., Optionen des Föderalismus in Europa, 1994, S. 131 ff.; ders., Journal of European Public Policy 1994, 219 ff.; ders., Journal of European Public Policy 1997, 520 ff.; Th. König u. a. (Hrsg.) Das Europäische Mehrebenensystem, 1996; M. Jachtenfuchs/B. Kohler-Koch, Regieren im dynamischen Mehrebenensystem, in: dies. (Hrsg.), Europäische Integration, 1996, S. 15 ff.; A. Benz, PVS 39 (1998), 558 ff.; ders., Verwaltungskooperation im Mehrebenensystem der EU, in: E. Schmidt-Aßmann / W. Hoffmann-Riem (Hrsg.), Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, 1999, S. 45 ff.; M. Zürn, PVS 37 (1996), 27 ff.; cf. a. G. Marks/L. Hooghe/K. Blank, Journal of Common Market Studies 34 (1996), 341 ff.; L. Hooghe/G. Marks, Multi-Level-Governance and European Integration, 2001 m. w. N.; am Beispiel der europäischen Sozialpolitik etwa P. Pierson/ S. Leibfried, Mehrebenen-Politik und die Entwicklung des „Sozialen Europas", in: S. Leibfried/P. Pierson. (Hrsg.), Standort Europa, 1998, S. 11 ff.; S. Leibfried/P. Pierson., Halbsouveräne Wohlfahrtsstaaten, in: ebenda, S. 58 ff.; P. Pierson/S. Leibfried., Zur Dynamik sozialpolitischer Integration, in: ebenda, S. 422 ff.; cf. zum Mehrebenenbegriff transdiziplinär auch M. D. Mesaroviœ/D. Macko/Y. Takahara, Theory of Hierachical, Mulilevel, Systems, 1970.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

interagieren miteinander im Bereich des inputs, also der Eingabestrukturen, wie auch des outputs (der in politischen Systemen üblicherweise in Form von Recht, Geldtransfers oder in appellativen Kommunikationsakten erfolgt). Das Zusammenspiel von Europäischer Union und Mitgliedstaaten wird dabei als dynamisches Mehrebenensystem beschrieben. Für ein solches ist typisch, daß in einem Gesamtgefüge mehrerer Entscheidungsebenen keine Ebene als zentrale oder oberste Instanz auf die Verfahren und Entscheidungen per se hierarchischen Zugriff hat, sondern derartige Kompetenzen - idealiter - nach dem Kriterium der Sachangemessenheit verteilt sind. In dynamischen Mehrebenensystemen verflüchtigt sich die klassische Lösung von Kollisionen zwischen mehreren Entscheidungsebenen durch Subordination in unterschiedlichste gegenseitige Kontrollen, Koordinationen und Kooperationen. Die klassische Lösung der Impermeabilität der Ebenen, der trennscharfen Scheidung von Zuständigkeiten weicht gegenseitigen Verschränkungen, Verwiesenheiten und Verflechtungen. Dynamische Mehrebenensysteme generieren Politikverflechtungen, weil nur so die auf den einzelnen Ebenen getroffenen Entscheidungen abgeglichen und kohärent gestaltet werden können. Ein solches Mehrebenensystem politischer Provenienz läßt nun - dies ist die These, die hinter der Rede vom Mehrebenenrecht steht - die rechtlichen Arrangements, die den politischen Prozeß anleiten, sowie die Rechtsregeln, die das Mehrebenensystem durch seine legislative Tätigkeit erzeugt, nicht unberührt. Der Charakter und die Erscheinungsformen des Rechts, das typischerweise als Verfassungsrecht begriffen wird und das politische Entscheidungsprozesse organisiert sowie materielle Wertungsvorgaben für diese bereitstellt (Grundrechte und Staatsziele), divergieren in einem dynamischen Mehrebenensystem erheblich vom bis dato „Bekannten und Bewährten". Gleiches gilt für das Recht, welches Produkt solcher politischen Verfahren zur Herstellung bindender Entscheidungen ist. Beide Verschiebungen sind für ein Religionsrecht als Mehrebenenrecht relevant, wobei hier zunächst die verfassungsrechtliche Transformation im Vordergrund steht. Die Ebenenmetapher soll dabei nicht in einem substantialistischen Sinne benutzt werden; ein Über- / Unterordnungsverhältnis der Ebenen ist damit nicht notwendig verbunden und besteht in dynamischen Mehrebenensystemen gerade nicht. Nicht zuletzt angesichts dieser begrifflichen Unschärfe gibt es Versuche, andere Theoriedesigns wie das Paradigma funktionaler Differenzierung oder des polyzentrischen net- and patchworks zur Beschreibung des Zusammenspiels von Europäischer Union und ihren Mitgliedstaaten fruchtbar zu machen. 109 Letztlich hat jeder dieser Ansätze einen „blinden Fleck", der nur durch eine Supplementtheorie zu beobachten ist. 1 1 0 Erforderlich ist für eine umfassende Integrationsforschung insoweit eine multiple Theoriebildung. Im folgenden soll gleichwohl nur mit dem Mehrebenenmodell operiert werden, da dieses transdisziplinär in Bezug auf die europäische

109 Cf. K.-H. Ladeur, ELJ 3 (1997), 33 ff.; m. w. N. F. C. Mayer, Kompetenzüberschreitung und Letztentscheidung, 2000, S. 37. n° Zu „Supplementtheorien" cf. supra 1. Kap. II und III.

IV. Religionsrecht als Mehrebenenrecht

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Integration bislang am weitesten ausgebildet ist und weil dieses eine für die hiesige Arbeit hinreichende Beschreibungs- und Erklärungsleistung entfaltet. Eine Absage an andere theoretische Umschreibungen wird damit nicht verbunden. Es sei auch betont, daß der Begriff zunächst analytischer Natur ist und hier auch in diesem Sinne eingeführt werden soll. Diese deskriptive Leistungsfähigkeit ist bei einer verfassungstheoretischen Fruchtbarmachung zu bewahren; letztere trifft also keine affirmativen Aussagen über die bisher von den Grundsätzen der Supranationalität und der Marktverflechtung bestimmte europäische Integration. b) Verfassungstheoretische

Perspektiven auf den Mehrebenenbegriff

aa) Unzulänglichkeiten der „alteuropäischen" Staatslehre Der verfassungstheoretische Rückgriff auf die Mehrebenenmetapher ist - wie wohl jede terminologische Innovation - vor allem der Tatsache geschuldet, das das überkommene begriffliche Instrumentarium den zu beschreibenden und zu erklärenden Gegebenheiten nicht mehr genügt. 111 Das Repertoire an Denkfiguren und Sprachformen der klassischen Staats- und Verfassungslehre erwies sich schnell als zu limitiert für eine Anwendung auf die Prozesse der europäischen Integration. Mit der Ausbildung eines teilfunktionalen, transnationalen Gemeinwesens auf europäischer Ebene 112 verlor der „Staat" sein Monopol als Schlüsselkategorie einer theoretischen Annäherung an spezifische Formen der Herstellung bindender Entscheidungen und deren Implementierung und Durchsetzung. Vorstellungen über die Art und Weise des Ineinandergreifens mehrerer Ebenen einer Rechtsordnung, bisher am Bundesstaat ausgebildet, modifizierten sich. Staats- und verfassungstheoretische Leitbegriffe erfuhren einen tiefgreifenden Bedeutungswandel.113 111

Rechtswissenschaftliche Verwendung und Entfaltung findet der Mehrebenen-Begriff außer in den in Fn. 107 genannten Beiträgen etwa bei M. Morlok, FS Boldt, 1997, S. 113 ff.; ders., Rechtlicher Status und politische Rolle der Parteien im Entscheidungsprozeß der EU, in: Walter-Hallstein-Institut für Europäisches Verfassungsrecht (Hrsg.), Verfassungsrechtliche Reformen zur Erweiterung der Europäischen Union, 2000, S. 37 (45 ff.); U. Di Fabio, Das Recht offener Staaten, 1998, S. 139 ff.; ders., JZ 2000, 737 (741); /. Pernice, CMLRev 36 (1999), 703 ff.; ders., JöR n.F. 48 (2000), 205 ff.; ders., VVDStRL 60 (2001), S. 148 ff.; P. M. Huber, VVDStRL 60 (2001), S. 194 ff.; R. Wahl, Der Staat 38 (1999), 495 (500 und öfter); ders., Der Staat 40 (2001), 45 ff.; ausführlicher C. F. Meyer, S. 31 ff. m. N. zu weiteren sporadischen Nennungen. Gegen eine rechtswissenschaftlich Fruchtbarmachung zuletzt K.-E. Hain, DVB1. 2002, 148 ff. i ' 2 P-C. Müller-Grajf, in: HdbEUWirtR, A I Rndr. 72. 113 Cf. etwa H. P. Ipsen, EuR 1987, 194 (212); A. v. Bogdandy, Integration 1993, 210 ff.; ders., Der Staat 40 (2001), 3 ff. (insb. 9 ff.); G. F. Schuppen, StW&StP 5 (1994), 35 ff.; S. Hobe, Der offene Verfassungsstaat zwischen Souveränität und Interdependenz, 1998; K-H. Ladeur, ELJ 3 (1997), 33 ff.; U. Haltern, Der Staat 37 (1998), 591 ff.; 5. Oeter, ZaöRV 55 (1995), 659 ff. ; Ζ Bankowski/A. Scott, The European Union, in: R. Bellamy (Hrsg.), Constitutionalism, Democracy and Sovereignty, 1996, S. 77 ff.; auch J. Isensee, FS Stern, 1997, S. 1239 (1239 f.); M. Kaufmann, JZ 1999, 814 ff.; am demokratietheoretischen Beispiel

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

Am markantesten läßt sich diese Veränderung anhand der Vorstellungen von „Souveränität" nachzeichnen. Diese ist unter den Bedingungen europäischer Integration nicht mehr sinnvoll als summa potestas im Sinne der „alteuropäischen" Staatslehre zu verstehen, sondern als fragmentierte und differenzierte Erscheinung zu rekonstruieren. 114 Denn der ehemals souveräne Nationalstaat ist mit der Etablierung einer auf Dauer angelegten (Art. 51 EUV, Art. 312 EGV) supranationalen Rechtsordnung sowohl durch die nationale Verfassungsordnung (Art. 23 GG und Präambel des Grundgesetzes) wie durch die europäische Unionsgrundordnung normativ in eine Kooperationspflicht und daraus resultierend in eine Politikverflechtung eingebunden, hat dadurch also seinen Charakter als einzigartige, höchste und (normativ) gänzlich unabhängige Macht verloren. Die Ausbildung eines supranationalen teilfunktionalen Gemeinwesens zieht notwendig die Teilfunktionalität des nationalen Gemeinwesens und damit den Verlust an Souveränität auf dieser Ebene nach sich. 115 Hieran vermögen auch die Versuche einer Rehabilitierung des klassisch begriffenen Staatsparadigmas durch die Formel von der „Kompetenz-Kompetenz"116 der Mitgliedstaaten oder durch die Betonung der Rolle der Mitgliedstaaten als „Herren der Verträge" 117 wenig zu ändern. Die Verzahnungen zwischen Unionsebene und mitgliedstaatlicher Ebene sind vielfältig und wechselseitig. Art. 23 GG etwa stehen Art. 6 I und Art. 7 EUV gegenüber: so wie das deutsche Verfassungsrecht die Europäische Union auf die Grundsätze der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, des Föderalismus und der Menschenrechte verpflichtet, so bindet der EUV die Bundesrepublik Deutschland vice versa an die gleichen Grundsätze. Diesen jeweiligen Anforderungen begegnet die Europäische Union durch Art. 6 II und III EUV, Art. 5 EGV u. a., die Bundesrepublik Deutschland durch Art. 1 ff., Art. 20 und Art. 28 GG. Ferner ist zu berücksichtigen, daß eine Änderung der europäischen Verträge die Mitwirkung der EG-Organe erfordert (Art. 48 EUV) und die Erweiterung der Union der Zustimmung des Europäischen Parlaments bedarf (Art. 49 EUV). Dies widerspricht der Rede von der Kompetenz-Kompetenz der Mitgliedstaaten. Wenn die Mitgliedstaaten die „Herren der Verträge" sind, so sind die Organe der EU und die Union insgesamt gleichwohl nicht die „Knechte" der Mitgliedstaaten. J. H H. Weiler, JöR n.F. 44 (1996), 91 ff. und B.-O. Bryde, StW&StP 5 (1994), 305 ff.; ferner J. H. H Weiler, ELJ 4 (1998), 43 ff. 114 N. MacCormick, Modern Law Rev. 56 (1993), 1 ff.; /. Pernice, VVDStRL 60 (2001), S. 148 (155) m. w. N.; C. Walter, DVB1. 2001, 1 (7). ι· 5 Wesentliches Motiv für den Verzicht auf umfassende Herrschaftsgewalt ist die Erwartung einer Kompensation durch einen Zugewinn der Gestaltungsmöglichkeiten auf höherer Ebene; cf. C. Walter, DVB1. 2000, 1 ff. 116 Th. Schilling, Havard International Law Review 37 (1996), 389 (406 ff.); hierzu J.HH. Weiler/ U. R. Haltern, ebenda, 411 ff.. 117 BVerfGE 75, 223 (242); 89, 155 (190); cf. a. H Steinberger, VVDStRL 50 (1991), S. 9 (16 f.); E. Klein, VVDStRL 50 (1991), S. 56 (59); P. M. Huber, Das Recht der europäische Integration, 1996, § 5 Rdnr. 4 ff.; kritisch hierzu /. Pernice, VVDStRL 60 (2001), S. 148 (171); D. H. Scheuing, EuR 1997, Beiheft 1, 7 (39) jeweils m. w. N.

IV. Religionsrecht als Mehrebenenrecht

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Der supranationale „Staatenverbund" bildet in verfassungstheoretischer Perspektive mehr als die Summe seiner Mitgliedstaaten, denn das neue Gebilde begründet besondere Verpflichtungen der Mitgliedstaaten und kennt eigene Rechte unabhängig von den Mitgliedstaaten. Diesen Rechten und Verpflichtungen kann sich der einzelne Mitgliedstaat auch nicht durch Sezession kraft eigener Rechtsmacht entziehen.118 Eine solche Möglichkeit impliziert aber üblicherweise das Bild vom nationalen Anwendungsbefehl als Brücke des Europarechts in die nationale Rechtsordnung. 119 Doch die Statuierung der Europäischen Union auf der Grundlage der nationalen Verfassungen durch Europäische Verträge widersetzt sich einer Vorstellung von Anwendungsbefehlen 120 als Zugbrücken, die jederzeit hochgezogen werden können und deren tragende Teile nur auf einer Seite, der des Nationalstaates, verankert sind. Um im Bild zu bleiben: Die Stützpfeiler der Brücke, die die mitgliedstaatliche und die europäische Rechtsordnung jeweilig verbinden, sind sowohl solche des Europa- wie des nationalen Verfassungsrechts. Der Verkehr auf dieser Brücke kennt zwei Fahrtrichtungen. Er ist mehrspurig. Und er kennt mehrere Arten an Verkehrsteilnehmern: nicht nur Mitgliedstaaten, sondern auch Bürger. Die Europäische Union ist eine Union der Staaten und Völker Europas; dies impliziert eine neue Form der Verflechtung in einem supranationalen Gemeinwesen, wie sie mit den klassischen Kategorien der Staatstheorie nicht eingefangen werden kann.

bb) Das europäische Mehrebenenrecht als Verfassungsund Rechtsverbund Für die verfassungstheoretische Aufarbeitung des Mehrebenenparadigmas kann aber nicht nur die Devianz tradierter Theorieansätze ins Feld geführt werden, sondern es sprechen auch positiv gute Gründe dafür. Die Entscheidungsfindung auf jeder Ebene des Mehrebenensystems ist in organisations- und verfahrensrechtlicher Hinsicht reguliert. Dies führt zu der Überlegung, zentralen Bestimmungen der Europäischen Verträge Verfassungscharakter zuzusprechen, 121 was die Folgepro118 M. Zuleeg, NJW 2000, 2846 (2851), auch in Auseinandersetzung mit BVerfGE 89, 155 (190); s. auch J. Kokott, AöR 119 (1994), 207 (223 ff.) bei ansonsten erkennbarer Präferenz für einen völkerrechtlichen Ansatz. 119 So Ρ Kirchhof, HStR VII § 183 Rdnr. 65 (der Anwendungsbefehl als Brücke des Europarechts in die staatliche Rechtsordnung). 120 Cf. BVerfGE 89, 155 (188 und 190). 121 Cf. EuGHE 1986, 1339 (1365 f.) - Les Verts; E 1991, 1-6079 (6102); E 1996, 1-1759 (1789) sowie BVerfGE 22, 293 (296). Femer bereits H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 64 ff. und 975 ff.; s.a. ders., EuR 1987, 195 ff.; G. F. Schuppen, StW&StP 5 (1994), 35 ff.; S. Oeter, ZaöRV 59 (1999), 901 ff.; D. Tsatsos, Bemerkungen zur Gegenwartsfunktion der Verfassung, in: ders., Verfassung - Parteien - Europa, 1998/99, S. 567 ff.; ders., Die europäische Unionsgrundordnung, in: ebenda, S. 579 ff.; ders., FS Kriele, 1997, S. 1263 ff.; P. C. Müller-Graff, in: HdbEUWirtR A I Rdnr. 71 f.; ders., EuR 1997, 433 (437 f.); P. Badura, FS Heckel, 1999, S. 695 ff.; ü. Di Fabio, JZ 2000, 737 ff.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

blematik aufwirft, wie die konstitutionellen Ebenen ihrerseits in Abgleich zu bringen sind. 122 Eine solche Aufgabe stellt sich zudem bei der gleichzeitigen Existenz einer supranationalen und einer nationalen Rechtsordnung auch unterhalb des duplizierten Verfassungsrechts. Die in Reaktion auf diese Problematik zum Zwecke der Kompatibilisierung spezifisch ausgebildeten normativen Komplexe lassen sich sinnvoll als Mehrebenenrecht rekonstruieren. (1) Die nationalstaatliche Tradition der Verfassung und die EU. Von seinem historischen Herkommen ist der Verfassungsbegriff im modernen Sinne auf den Nationalstaat zugeschnitten.123 Damit gehen Vorstellungen von der Einzigartigkeit und vom Vorrang der Verfassung in einer jeden Rechtsordnung einher. Beide Vorstellungen bilden zugleich einen Reflex zum Souveränitätstopos. Man könnte deshalb sagen, daß der Verfassungsbegriff ausschließlich im Kontext des Nationalstaates Anwendung findet. Die rechtliche Regulierung eines supranationalen Gemeinwesens, das weder einen Staat darstellt, noch darauf angelegt ist, eine solche politische Formation jemals zu bilden, 124 könnte dann per definitionem keine Verfassung haben. 125 Freilich darf nicht übersehen werden, daß die wesentlichen Vorschriften der Europäischen Verträge zahlreiche Funktionen einer Verfassung erfüllen und es deshalb gute Gründe gibt, ihnen Verfassungscharakter zuzuschreiben. 122 Cf. insg. zur spezifischen Verzahntheit einer europäischen mit der mitgliedstaatlichen Verfassungsebene etwa H. P. Ipsen, EuR 1987, 195 ff.; J. A. Frowein, EuR 1995, 315 ff.; /. Pernice , in: H. Dreier (Hg.), GG, Art. 23 Rdnr. 20; ders., Europäisches Verfassungsrecht im Werden, in: H. Bauer u. a. (Hg.), lus Publicum im Umbruch, 2000, S. 25 (26 f., 33); ders., JZ 2000, 866 (870); ders., VVDStRL 60 (2001), S. 148 (163 ff.); W. Hertel, Supranationalität als Verfassungsprinzip, 1999; ders., JöR n.F. 48 (2000), 233 ff.; M. Heintzen, EuR 1997, 1 ff.; J. Schwarze (Hrsg.), Die Entstehung einer europäischen Verfassungsordnung, 2000; ders., JZ 1998, 1077 (1082 ff.); ders., DVB1. 1999, 1677 ff.; D. Thürer, Integration 2000, 89 ff.; D. Th. Tsatsos, Integrationsförderung und Identitätswahrung, in: ders., Verfassung - Parteien Europa, 1998/99, S. 607 ff.; M. Morlok, Grundfragen einer Verfassung auf europäischer Ebene, in: P. Häberle u. a. (Hrsg.), Staat und Verfassung in Europa, 2000, S. 73 ff.; R. Wahl, Der Staat 38 (1999), 495 (498 ff.); Ρ M. Huber, VVDStRL 60 (2001), S. 194 ff.; C. Walter, DVB1. 2000, 1 ff.; H Bauer, JB1. 2000, 750 (753 ff.); a. A. Schmitt Glaeser, Grundgesetz und Europarecht als Elemente Europäischen Verfassungsrechts, 1996. Aus politischer Perspektive zur europäischen Verfassungsentwicklung maßgeblich J. Fischer, Vom Staatenverbund zur Förderation, in: Walter-Hallstein-Institut für Europäisches Verfassungsrecht (Hrsg.), Verfassungsrechtliche Reformen zur Erweiterung der EU, 2000, S. 171 ff. 123 E.-W. Böckenförde, Begriff und Probleme des Verfassungsstaates (1997), in: ders., Staat, Nation, Europa, 1999, S. 127 (135 ff.). i 2 * /. Pernice, VVDStRL 60 (2001), S. 148 (149 f.); M. Zuleeg, NJW 2000, 2846 (2851); J.-C. Piris, EuR 2000, 311 (323 ff. und öfter); W. Hertel, JöR n.F. 48 (2000), 233 (233); A. v. Bogdandy, Der Staat 39 (2000), 163 (183). i25 Statt vieler J. Isensee, HStR I, § 13 Rdnr. 1; C. Koenig, NVwZ 1996, 549 ff.; ders., DÖV 1998, 268 ff.; D. Grimm, Braucht Europa eine Verfassung? (1995), in: ders., Die Verfassung und die Politik, 2001, S. 215 ff.; ders., Ist die Zeit reif für eine europäische Verfassung (1999), ebenda, S. 255 ff. Explizit in Bezug auf Grimms ersten Text dagegen J. Habermas, Braucht Europa eine Verfassung?( 1995), in: ders., Die Einbeziehung des Anderen, 1999, S. 185 ff.; s.a. ders., Braucht Europa eine Verfassung (2001), in: ders., Zeit der Übergänge, 2001, S. 104 ff.

IV. Religionsrecht als Mehrebenenrecht

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Terminologische Fragen sind solche der Zweckmäßigkeit und der Angemessenheit; der bisherige Sprachgebrauch kann hierbei nur ein Argument unter vielen bilden, hat also keine Veto-Funktion. Fragt man nach den Eigenschaften, die mit einem Regelwerk einhergehen, welches üblicherweise als Verfassung tituliert wird, lassen sich folgende fünf Merkmale herausarbeiten: 126 1.) Primäre Aufgabe einer Verfassung ist die rechtsförmige Etablierung und Einbindung öffentlicher Gewalt, einerseits, um die von ihr ausgehenden Gefährdungspotentiale gegenüber den Bürgern einzudämmen, andererseits um Grenzen und Regeln für den Kampf um politische Macht zu statuieren. 2.) In dem Maße, in dem diese Einhegung unter den normativen Bedingungen der Freiheitlichkeit und der kollektiven Selbstbestimmung der Bürger gelingt, entfaltet die Verfassung Legitimationswirkungen für die ausgeübte Herrschaft; sie dient dadurch der Konsenserzeugung und -erhaltung. 3.) Verfassungen bilden auf diese Weise die Grundordnung eines Gemeinwesens, in der zentrale Grundentscheidungen oder Prinzipien statuiert werden. Diese Grundentscheidungen sind notwendig abstrakt, bedürfen also der Spezifizierung. Verfassungen zeichnen sich ferner aufgrund ihrer relativen Unbestimmtheit durch Offenheit gegenüber neuen Entwicklungen aus. 4.) Verfassungsrecht bildet innerhalb einer bestimmten Rechtsordnung auch die oberste Ebene des Rechts, ihm kommt im Kollisionsfall Vorrang zu. Als oberste Ebene des Rechts ist das Verfassungsrecht selbstbegründetes, also nichtheteronomes Recht. 5.) Schließlich bietet die Verfassung als oberste, aber spezifizierungsbedürftige Ebene des Rechts ein Naturrechtsäquivalent und läßt sich als solches als Gerechtigkeitsreserve einer Rechtsordnung mobilisieren. Die Zentralnormen der Europäischen Verträge entsprechen diesen Merkmalen einer Verfassung. Sie statuieren eine (europäische) öffentliche Gewalt im Rechtssinne und binden diese an rechtliche Regeln - und zwar sowohl hinsichtlich der Organisation (Organisationsstatut) als auch im Verhältnis zu den Bürgern (Grundrechte und Grundfreiheiten). Die Verträge bilden die oberste Ebene der europäischen Rechtsordnung, indem sie gegenüber anderen europäischen Rechtsakten wie Verordnungen und Entscheidungen Vorrang in Anspruch nehmen. Sie wirken als Legitimationsgrundlage der von der EU ausgeübten politischen Herrschaft und nehmen in diesem Sinne eine Verfassungsfunktion wahr. Schließlich lassen sich die Verträge auch unter den Gesichtspunkten der Gerechtigkeitsreserve, der Offenheit und des Konsensbezuges verfassungstheoretisch analysieren und weisen in allen diesen Dimensionen Verfassungscharakter auf. Der Vertragstypus steht der Eigenschaft als Verfassung dabei nicht entgegen, vielmehr entspricht es einer langen verfassungstheoretischen und philosophischen Tradition, Verfassungen als kontraktorische Übereinkommen zu begreifen, durch die sich Akteure zu einer politischen Einheit verbinden. 127 126 Cf. insb. M. Morlok, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Verfassungstheorie?, 1988, S. 84 ff.; s.a. /. Pernice , VVDStRL 60 (2001), S. 148 (158 ff.); C. Walter, DVB1. 2000, 1 (4 ff.) m. w. N.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

(2) Wandel des Verfassungsdenkens. Der Aufbau einer verfassungsdominierten Rechtsordnung auf mehreren Rechtsebenen und der daraus resultierende „multilevel-constitutionalism"128 verlangt freilich, Modifikationen am klassischen, auf den Nationalstaat zugeschnittenen Verfassungsdenken vorzunehmen. Die Attribute der Einzigartigkeit und Höchstrangigkeit sind auf die Verfassungsstaatlichkeit souveräner Nationalstaaten hin ausgebildet und auf das Zusammenspiel von mehreren Rechtsordnungen in dynamischen Mehrebenensystemen nicht ohne weiteres übertragbar. Ihre Hochzonung auf die europäische Ebene verbietet sich ebenso wie ihre ungebrochen Weiterverwendung auf nationalstaatlicher Ebene. Denn die europäische mehrebige Rechtsordnung kennt in ihrer komplexen Verwebung weder eine automatisierte Dominanz der höheren Ebene noch eine staatenbündlerische Marginalisierung der Union und Vorrangstellung der Einzelstaaten. Vielmehr ist das Zusammenspiel unterschiedlicher, auf verschiedenen Ebenen angelegter Rechtsordnungen in dynamischen Mehrebenensystemen - wie das Zusammenspiel der politischen Institutionen (diesen teils vorgängig, teils nachläufig) - bestimmt durch Kooperationen und Verflechtungen. Die Duplizierung des Verfassungsrechts im europäischen Mehrebenensystem und in deren Gefolge der Rechtsordnung insgesamt verlangt nach einer eigengearteten Verarbeitung sowohl auf der Ebene der Union wie der Mitgliedstaaten, um hinreichende Kompatibilisierungen der Rechtsebenen zu erreichen. Dabei haben sich drei Charakteristika herausgebildet: zum einen zieht das Organisationsrecht im Mehrebenensystem auf den jeweiligen Rechtsebenen Querverstrebungen zwischen den Ebenen ein - auf diese Weise werden input- und output-Strukturen zwischen den Ebenen vernetzt. Beispielhaft genannt sei hierfür der (Europäische) Rat als Gremium der Regierungen der Mitgliedstaaten (Art. 4 EUV und Art. 202 ff. EGV) und hierauf zugeschnitten die nationalen Mitwirkungsrechte von Bundestag und Bundesrat nach Art. 23 II-VII G G 1 2 9 oder der Ausschuß der Regionen (Art. 263 ff. EGV). Zum anderen werden rechtliche Instrumente ausgebildet, die der Heterogenität des europäischen Mehrebenensystems geschuldet sind: Die europäische Integration ist eine Integration von zu erhaltender Verschiedenheit. 130 Dem dienen Bestimmungen wie der Grundsatz der Subsidiarität oder der Schutz nationaler Identität, auf die gleich näher einzugehen ist. Schließlich werden die Rechtsordnungen der unterschiedlichen Rechtsebenen in ein Verhältnis relativierter Hierarchie gebracht. 131 Aus den klassischen Vorstellungen von Rechtshierar127 Cf. insg. statt vieler M. Morlok, Grundfragen, S. 81 ff.; J.-P. Piris, EuR 2000, 311 (314 ff.); /. Pernice, VVDStRL 60 (2001), S. 148 (160 ff.); ders. JöR n.F. 48 (2000), 206 (208 ff.). 128 /. Pernice, CMLRev 36 (1999), 703 ff. 129 Hierzu a. M. Fuchs, DÖV 2001, 233 ff.; kritisch R. Breuer, NJW 1994, 417 (425 ff.). 1 30 H. Wallace, Integration von Verschiedenheit, in: T. König u. a. (Hrsg.), Das europäische Mehrebenensystem, 1996, S. 29 ff. 131 W. L. Weh, Vom Stufenbau zur Relativität, 1997, S. 213 ff.; cf. insg. a. T. Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, 1994.

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chien im Sinne eines Stufenbaus der Rechtsordnung, 132 aus dem Geltungsvorrang der höheren Rechtsebene wird ein durch das nationale Verfassungsrecht unter Bedingungen gestellter Anwendungsvorrang. Die europäische Rechtsebene tritt also nicht einfach in der hierarchischen Stellung an den Platz der nationalen Verfassung. Vielmehr entwickelt sich ein komplexes Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zwischen europäischer und nationaler Rechtsordnung. Dabei verdrängt das Europarecht im Falle der Normenkollision das nationale Recht grundsätzlich. 133 Doch stellt Art. 23 GG, also die in klassischer Hierarchienlogik eigentlich nachrangige Norm, diesen Vorrang unter die Voraussetzung einer demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Gestalt der EU, die zudem einen dem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleisten muß. 1 3 4 Mit diesen Bedingungen korrespondiert wiederum Art. 6 Abs. 1 und 2 EUV als Strukturvorgabe für die Europäische Union, was bewirkt, daß das verbleibende Kollisionspotential minimiert ist. Typisch für die komplexe Rechtsordnung eines Mehrebenensystems ist es aber auch, daß im (seltenen) Fall der Geltendmachung einer durchgreifenden Kollision zwischen den Rechtsebenen aus der Systematik des Mehrebenenrechts selbst heraus nicht entschieden werden kann, auf welcher Ebene die „Letztentscheidungskompetenz" liegt. Im Zweifel werden beide Ebenen eine Zuständigkeit reklamieren. 135 Soll die Rechtsverflechtung dann nicht insgesamt kollabieren, bedarf es einer kooperativen Konfliktlösung. Aus der „Verflechtungsfalle" des Rechtsverbundes eines dynamischen Mehrebenensystems führt eben qua intendierter Eigenlogik der Verflechtung nur die Kooperation. 136 Europäische Verfassungsebene und nationale Verfassungsebene stehen deshalb weder isoliert nebeneinander, noch verdrängt die europäische Verfassungsebene die nationale im Sinne der klassischen Hierarchienlehre, sondern beide Ebenen bilden einen „Verfassungsverbund" (Ingolf Pernice), 137 der in seiner Verflechtung die oberste Ebene des europäischen Rechtsverbundes als Mehrebenenrecht darstellt. 132 Vgl. grundsätzlich A. J. Merkl, Lehre von der Rechtskraft, 1923, S. 181 ff.; H. Kelsen, Reine Rechtlehre, 2. Aufl. 1960, S. 228 ff. sowie im Überblick Κ F. Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 2. Aufl. 2001, S. 274 ff. 133 EUGHE 1964, 1251 ff. - Costa/E.N.E.L.; E 1970, 1125 - Internationale Handesgesellschaft; B. Wegener, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV /EGV, Art. 220 Rdnr. 18 ff. 134 BVerfGE 89, 155 ff.; /. Pernice, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 23 Rdnr. 47 ff. 135 j. Isensee, FS Stern, 1997, S. 1239 (1255). 136 Zur praktischen Anwendung in der Grundrechtsgerichtsbarkeit BVerfGE 89, 166 (174 f.); BVerfGE 102, 147 ff.; J. Limbach, EuGRZ 2000, 417 ff.; dies., NJW 2001, 2913 ff.; mit anderen Akzenten G. Hirsch, NVwZ 1998, 907 ff.; ders., NJW 1996, 2457 ff.; zur Problematik auch M. Heintzen, AöR 119 (1994), 564 ff.; unter Einbezug der französischen Verfassungsgerichtsbarkeit J. Hecker, AöR 123 (1998), 577 ff. Cf. in diesem Zusammenhang auch R. A. Lorz, Interorganrespekt im Verfassungsrecht, 2001 vergleichend zu verfassungsrechtlichen Kooperationsverpflichtungen zwischen einzelnen Verfassungsorganen. 137 L Pernice, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 23 Rn. 20; ders., Verfassungsrecht, S. 26 f., 33; ders., JZ 2000, 866 (870); ders., VVDStRL 60 (2001), S. 148 (163 ff.).

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

cc) Mehrebenenrecht 1. und 2. Ordnung Mehrebenenrecht umschreibt damit zweierlei. 138 Zum einen kann man im engeren Sinne ein Mehrebenenrecht 1. Ordnung ausmachen. Damit wäre das durch den Verfassungsverbund definierte rechtliche Tableau umschrieben, durch das die Verwebungen der Ebenen wie die Kompetenzzuweisungen in der geschilderten Art und Weise erfolgen. Daneben besteht ein Mehrebenenrecht 2. Ordnung. Als solches wäre der rechtliche output des Mehrebenensystems zu verstehen, der diese Ebenenverschränkung mitkommuniziert. Solche Spezifika der Rechtssetzung in Mehrebenensystemen können sich einerseits in der Form der Rechtssetzung präsentieren, hier wäre vor allem an die Richtlinie (Art. 249 III EGV) zu denken, die einer „koordinierten" Rechtssetzung unterliegt. Richtlinien werden zwar vom Gemeinschaftsgesetzgeber in den dafür jeweils vorgesehenen Verfahren und mit den jeweils erforderlichen Mehrheiten erlassen, bedürfen aber grundsätzlich, um ihre Direktivkraft regulär entfalten zu können, der Umsetzung durch den Gesetzgeber des Mitgliedstaates und können hierdurch rechtstechnisch günstig in die nationale Rechtsordnung eingepaßt werden. Andererseits gibt es auch besonderes Mehrebenenrecht im inhaltlichen Zuschnitt, etwa die religionsbezogenen Bestimmungen des Sekundärrechts, die eine materielle Anpassung an nationale Begebenheiten ermöglichen (cf. supra III.). Mehrebenenrecht ist jeweils Komplementärrecht. Die nationale und spezifisch europäische Rechtsebene bilden in der Verfassungs- wie der sonstigen Rechtsordnung einen sich ergänzenden Rechtsverbund. 139 Sie stellen isoliert bloße Teilordnungen dar, 140 die erst in ihrem Zusammengefüge die für die Bürger und ihr Gemeinwesen maßgebliche „Gegenseitigkeitsordnung" 141 etablieren.

2. Normkomplexe des religionsbezogenen Mehrebenenrechts Die normative Steuerung des europäischen Mehrebenensystems wird durch zwei gegenläufige Komponenten bestimmt. Zum einen sichern eine Fülle europäischer und nationaler Bestimmungen und an diesen ausgebildete dogmatische Topoi die effektive Wirkung einer europäischen Rechtsebene ab. Beispielhaft genannt seien der Grundsatz der unmittelbaren Wirkung des Europarechts in den Mitgliedstaaten (Supranationalität der europäischen Rechtsordnung), 142 der Grundsatz des Anwende H. M. Heinig, Art. 13 EGV, S. 245. 139 /. Pernice, Verfassungsrecht, S. 35; Ρ M. Huber, VVDStRL 60 (2001), S. 194 ff. 140 A. v. Bogdandy, Der Staat 39 (2000), 163 (166); für die Verfassungsebene auch P. Häberle, FS Schiedermair, 2001, S. 81 ff.; ders., DVB1. 2000, 841 ff. ι 4 · G. Haverkate, Verfassungslehre, 1992. 142 EuGHE 1963, 1 ff. - van Gend & Loos; E. Klein, Unmittelbare Geltung, Anwendbarkeit und Wirkung von Europäischem Gemeinschaftsrecht, 1988; P. Pescatore, ELRev 8 (1983), 155 ff..; H. D. Jarass, DVB1. 1995, 955 ff.

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dungsvorrangs des Europarechts vor dem mitgliedstaatlichen Recht 143 oder die Ausbildung einer eigenen Gerichtsbarkeit für die die europäische Ebene berührenden Rechtsfragen (Art. 220 ff. EGV). 1 4 4 Das Religionsrecht unterliegt als Mehrebenenrecht diesen Komponenten, die europäische Rechtsebene effektiv werden lassen. Zum anderen treffen das europäische Primärrecht wie das nationale Verfassungsrecht Vorkehrungen, um eine Absorption der mitgliedstaatlichen durch die europäische Rechtsebene zu verhindern. Dazu sind etwa der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 I EGV) 1 4 5 im Hinblick auf das Mehrebenenkompetenzgefüge oder die Bedingungen in Art. 23 Abs. 1 GG zu zählen. Für die Stellung der Kirchen und Religionsgemeinschaften in der europäischen Rechtsordnung sind vor allem das ganz der Logik dynamischer Mehrebenensysteme folgende Prinzip der Subsidiarität (Art. 5 II EGV), der Schutz der nationalen Identität (Art. 6 III EUV), die im europäischen soft-law zu findende Rücksichtnahmeklausel zugunsten der nationalen staatskirchen- und religionsrechtlichen Ordnungen sowie schließlich der mehrebenendurchformte Grundrechtsschutz relevant. Diese Komplexe seien im Weiteren kurz skizziert. Daneben wäre aber auch nach den Folgen angemaßter Gemeinschaftskompetenzen für den Erlaß von religionsrechtlichen Vorschriften zu fragen.

a) Die Erklärung Nr. 11 der Regierungskonferenz

von Amsterdam

aa) Wortlaut und Genese Die vom Wortlaut her betrachtet markanteste „Norm" des Europarechts für die Rechtsstellung der deutschen Religionsgemeinschaften ist die Erklärung Nr. 11 der Regierungskonferenz von Amsterdam. Sie lautet: „Die Europäische Union achtet den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten genießen, und beeinträchtigt ihn nicht. Die Europäische Union achtet den Status von weltanschaulichen Gemeinschaften in gleicher Weise." 146 143 H. D. Jarass, DVB1. 1995, 943 (958); B. Wegener, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 220 Rdnr. 19; R. Streinz, Europarecht, S. 74 ff. Kritisch Th. Schilling, Der Staat 33 (1994), 555 ff. 144 Cf. aus verfassungsrechtlicher Sicht auch BVerfGE 73, 339 (366 ff.); 82, 159 (194 ff.); BVerfG, EuZW 2001, 255 f.: der EuGH ist gesetzlicher Richter i. S. d. Art. 101 I 2 GG. 145 H.-P. Kraußer, Das Prinzip begrenzter Einzelermächtigung im Gemeinschaftsrecht des EWG-Vertrages, 1991; Th. Oppermann, S. 195 ff. 146 Eine besondere religionsbezogene Erklärung kannte das Europarecht bis dahin nur in Bezug auf den in Griechenland gelegenen Berg Athos im Anhang zur Schlußakte der Akte über den Beitritt Griechenlands zu den Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1979 L 291), in der anerkannt wird, daß die bestehenden Sonderregelungen für den Berg Athos ausschließlich geistlich und religiös begründet sind und daß die Gemeinschaft dafür Sorge tragen wird, daß

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

Die Erklärung ist auf Bemühungen Deutschlands, Italiens, Portugals und Österreichs zurückzuführen, besondere Bestimmungen für Kirchen und Religionsgemeinschaften in die Europäischen Verträge aufzunehmen. 147 Die „verfassungsrechtliche Stellung der Religionsgemeinschaften in den Mitgliedstaaten" sollte danach „als Ausdruck der Identität der Mitgliedstaaten und als Teil des gemeinsamen kulturellen Erbes" durch die Union bzw. die Gemeinschaft geachtet werden. Vorausgegangen waren dem Initiativen des Bayerischen Senats (1989), der beiden deutschen Kirchen (1995) 148 sowie der damaligen Ökumenischen Kommission für Kirche und Gesellschaft (EECCS) 149 und der katholischen Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (COMECE). 150 Hintergrund der Bemühungen, Kirchen und Religionsgemeinschaften in den Europäischen Verträgen gesondert behandelt zu wissen, war das Vergegenwärtigen der zunehmenden Bedeutung des Europarechts für die Rechtsstellung von Religionsgemeinschaften. 151 Insbesondere das oben diagnostizierte Potential mittelbarer Folgewirkungen motivierte die Forderung, auf Unionsebene Grenzen für die Einwirkungen des Europarechts auf das nationale Staatskirchen- und Religionsrecht zu fixieren. Ziel der Initiativen war es folglich vorrangig nicht, gesamteuropäische religionsrechtliche Verfassungsstandards zu definieren, sondern das „Bewährte rechtzeitig zu sichern". 152 Dabei stand vorrangig die Durchsetzung einer Bereichsausnahme für

diese Sonderregelungen bei der Anwendung und späteren Ausarbeitung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts berücksichtigt werden, insbesondere bei den Zoll- und Steuerbefreiungen und dem Niederlassungsrecht; cf. A. Pauly, réflexions, S. 162 m. w. N.; G. Robbers, Conscience et Liberté 60 (2000), 45 (50). Zur Erklärung Nr. 11 hat die griechische Regierung deshalb mit Bezug hierauf eine weitere, an den Status quo erinnernde Erklärung abgegeben, die die Regierungskonferenz zur Kenntnis genommen hat (eine besondere Annahme erübrigte sich, da bereits die benannte gemeinsame Erklärung zum Berg Athos angenommen war). >47 Zur Entstehungsgeschichte ausführlicher M. Heinig, ZEE 43 (1999), 294 (303 ff.); S. C. van Bijsterveld, ÖARR 46 (1999), 46 ff.; M. Vachek, S. 125 ff.; R. Stotz, Die Zukunft des EUModells für die europäische Einigung, in. R. Torfs (Hrsg.), Churches, Religions and the European Union, 2003, i.E.; s.a. R Bernard, Diakonie 30 (1999), 253 (254 ff.); H Ehnes, KuR 1997,219(222 f.) = 140 (50 f.). 148 Cf. Evangelisch-katholische Arbeitsgruppe, Memorandum zur Rechtsstellung der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Vertragswerk der Eruopäischen Union, in: Kirchenamt der EKD (Hrsg.), Europa zusammenführen und versöhnen, 1996, S. 212 ff. 149 Die EECCS vertrat protestantische, anglikanische und orthodoxe Kirchen der EG gegenüber der EU und wurde inzwischen mit der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK [zu dieser J. R. Arnold, Kirchliche Zeitgeschichte 12 (1999), 473 ff.]) zusammengeführt. Cf. zur Geschichte und Aufgabe von EECCS O. v. Campenhausen, HdbStKirchR I, S. 383 (404 f.); H. Kalinna, HdbStKirchR 2 II, S. 181 (192 f.). Die Interessenvertretung bei der Europäische Union obliegt nun innerhalb der KEK der Kommission für Kirche und Gesellschaft R. Noll, una sancta 54 (1999), 68 ff.; J. E. Christoph, ZevKR 47 (2002), 249 (253 ff.). 150 cf. zur COMECE L. Turowski, HdbStKirchR 2 II, S. 197 (214 f.).

ι 5 · A. Hollerbach, Religion, S. 25 f.: „Das ließ ... den Wunsch entstehen, sich in Deutschland gegen Einwirkungen aus Brüssel abzuschirmen." 152 A. v. Campenhausen, Lutherische Monatshefte 1990, 536 ff.

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Kirchen und Religionsgemeinschaften von den Wirkungen des Europarechts im Vordergrund, daneben und alternativ wurde aber auch ein niedrigschwelligerer Modus der primärrechtlich verankerten Interessenberücksichtigung zugunsten der Kirchen und Religionsgemeinschaften gesucht.153 All diese Bestrebungen ließen sich nicht in der beabsichtigten Form durchsetzen. Die Regierungskonferenz von Amsterdam konnte sich nicht auf die Aufnahme eines „Kirchenartikels 4' in die europäische Unionsgrundordnung verständigen. Darauf hin wurde dem Anliegen infolge nachdrücklichen Engagements der damaligen deutschen Bundesregierung zumindest insoweit Rechnung getragen, als eine die Kirchen und Religionsgemeinschaften betreffende Erklärung angenommen wurde. Die Gründe für das Scheitern der Bemühungen um einen in den Verträgen selbst piazierten besonderen Artikel für Kirchen und Religionsgemeinschaften sind vielfältig. Vor allem wäre das Unbehagen Frankreichs mit seiner laizistischen Tradition zu nennen, Kirchen und anderen religiösen Gruppierungen einen Platz im espace public einzuräumen. 154 Hinderlich dürfte auch der besitzstandswahrende Charakter der vorgelegten Entwürfe gewesen sein. 155 Zwar betonten die weitestgehend deckungsgleichen Vorschläge auch das gemeinsame kulturelle Erbe der europäischen Völker, doch zeichneten sie sich insgesamt eher durch eine „retrospektive Note" aus, 156 vergleicht man sie auch in verbändeverfassungstheoretischer Perspektive mit den Bemühungen anderer intermediärer Organisationen wie den Parteien um ihre Verankerung in den Verträgen. 157

153

Cf. zu den Erwartungen im Vorfeld der Regierungskonferenz von Amsterdam etwa C. Starck, Essener Gespräche 31 (1997), S. 5 (24); R. Streinz, Essener Gespräche 31 (1997), S. 53 (83); C. Link, ZevKR 42 (1997), 130 (152 ff.) m. w. N. •54 Th. Jansen, EU-Magazin 12/1998, 12; ders., ÖARR 46 (1999), 71 (78); zur laïcité neben den Angaben in Kap. 1 IV. 1. aus religionssoziologischer Perspektive und in europäischer Hinsicht ferner J.-P. Willaime, Problèmes d'histoire des religions 5 (1994), 153 ff.; ders., Gott in der Grundrechtscharta, in: C. Quarch/H. M. Heinig (Hrsg.), Protestantismus in Europa, 2002, S. 19 ff.; J. Baubérot (Hrsg.), Religions et laïcité dans l'Europe des Douze, 1994; politisch J.-P. Chèvenement, La documentation catholique 1998, 12 ff. 155 M. Heinig, ZEE 43 (1999), 294 (304). 156 Th. Jansen, Die Europäische Kommission im Dialog mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften, Vortrag an der Juristischen Fakultät der Universität San Sebastian, unveröffentlichtes Manuskript, 1998. •57 Cf. hierzu D. Tsatsos, Europäische politische Parteien?, in: ders., Verfassung - Parteien Europa, 1998/99, S. 567 ff.; ders., Die konstitutionelle Stellung der Europäischen Politischen Parteien, in: ebenda, S. 647 ff.; ders., Keine Europäische Integration ohne Europäische Politische Parteien, in: ebenda, S. 665 ff.; ders./G. Deinzer (Hrsg.), Europäische Politische Parteien, 1998; P. M. Huber, MIP 1999, 7 ff. = EuR 1999, 579 ff.; M. Morlok, Status, S. 37 ff. m. w. N.

27 Heinig

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bb) Bedeutung Die Bedeutung der statt eines Vertragsartikels von der Regierungskonferenz angenommenen „Kirchenerklärung" erstreckt sich zunächst vor allem auf den politischen Bereich. 158 Die Erwähnung von Kirchen und Religionsgemeinschaften in den Subtexten der Verträge wirkt sich für diese bei religionspolitisch relevanten Prozessen auf der Ebene der Europäischen Union insoweit vorteilhaft aus, als sie ungeachtet der in Europa auch präsenten laizistischen Traditionen - einerseits überhaupt „als Akteure" im Umfeld des Primärrechts zur Kenntnis genommen werden. 159 Damit wurde dem Modell einer umfassenden Verdrängung des Faktors Religion aus dem öffentlichen Gemeinwesen eine Absage erteilt. Zudem kann in politischen Prozessen auf eine Selbstbindung der Union zur Rücksichtnahme auf die mitgliedstaatliche Rechtslage verweisen werden. Rechtlich verspricht der schließlich verabschiedete Wortlaut der Erklärung dagegen weit mehr als er normtypologisch zu halten vermag. 160 Denn Erklärungen werden nicht Bestandteil der Europäischen Verträge. 161 Sie stehen als solche der Geltung und Wirkung primär- oder sekundärrechtlicher Gemeinschaftsbestimmungen nicht entgegen.162 Eine Abschottung der nationalen Staatskirchenordnungen geht damit ergo nicht einher. Zugleich bildet die Erklärung Nr. 11 aber auch kein rechtliches Nullum. Im Rahmen der europäischen Gerichtsbarkeit wird solches „soft-law" als Interpretationsund Argumentationshilfe herangezogen. 163 Diese Praxis entspricht der in Art. 31 WVK statuierten allgemeinen Auslegungsregel, daß bei völkerrechtlichen Übereinkommen im Umfeld des Vertragsschlusses von den vertragsschließenden Parteien angenommene Übereinkünfte und auf den Vertrag bezogene Verlautbarungen 158 H. Tempel, Evangelische Verantwortung 1997, 8 (9 ff.); dies., Evangelische Kommentare 1997, 443; G. Robbers, Stimmen der Zeit 1998, 147 (153); M. Heinig, ZEE 43 (1999), 294 (304); F. Sucker, S. 10. 159 Λ. Hollerbach, Religion, S. 26; S. C. van Bijsterveld, ÖARR 46 (1999), 46 (50); M. Triebel, una sancta 54 (1999), 59 (60); S. Mückl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, S. 13. Vorher waren Religionsgemeinschaften bereits im Sekundärrecht - wie gezeigt - wahrgenommen und besonders berücksichtigt worden; insoweit ist es verfehlt, davon zu sprechen, daß sie durch die Erklärung „erstmals" im Gemeinschaftsrecht Erwähnung fänden, so aber Mückl, ebenda. 160 M. Heinig, ZEE 43 (1999), 294 (304); R. Stotz, EuZW 1998, 737; ders., ÖARR 46 (1999), 64 (65).

161 R. Stotz, EuZW 1998, 737; G. Robbers, Herder Korrespondenz 1997, 622 (624); M. Heinig, ZEE 43 (1999), 294 (304); M. Heintzen, FS Listi, 1999, S. 29 (32); Th. Oppermann, S. 92; W. Bausback, EuR 2000, 261 (265 f.); S. Mückl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, S. 12. 162 R, Stotz, ÖARR 46 (1999), 64 (65). 163 M. Herdegen, ZHR 155 (1991), 52 (57 ff.); E. Klein, in: K. Hailbronner u. a. (Hrsg.) Handkommentar EUV, Art. 239 EGV Rdnr. 3; M. Röttinger, in: C. O. Lenz (Hrsg.), EGV, 2. Aufl. 1999, Art. 311 Rdnr. 3; G. Robbers, Stimmen der Zeit 1998, 147 (154).

IV. Religionsrecht als Mehrebenenrecht

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Teil des auslegungsrelevanten Kontextes eines Kontraktes darstellen. Die Erklärung Nr. 11 der Regierungskonferenz von Amsterdam etabliert deshalb einen relevanten Gesichtspunkt bei der Auslegung des Europarechts; 1 6 4 sie fungiert als Rechtserkenntnisquelle. 165 In dieser Funktion markiert die Erklärung i m Konzert des gesamten Primär- und Sekundärrechts, daß Religion in seiner mitgliedstaatlich geprägten Vielfältigkeit einen zu berücksichtigenden Faktor darstellt. Hierbei bildet sie freilich nur eines von mehreren Auslegungskriterien, die ihrerseits durch integrationsfreundliche Interpretationsfiguren wie dem „effet u t i l e " , 1 6 6 also dem Grundsatz der praktischen Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts, flankiert werden. 1 6 7 Entgegen dem eine solche Deutung suggerierenden Wortlaut führt die Erklärung somit nicht zu einer Konservierung des nationalen Religionsrechts, sie überspielt das Primär- und Sekundärrecht nicht und bildet auch keine Rechtsquelle. Doch sie fordert die Berücksichtigung staatskirchen- und religionsrechtlicher Ausprägungen in den Mitgliedstaaten bei der Fortentwicklung und Anwendung des Europarechts. 1 6 8 Dies entspricht genau der Kernidee eines normstrukturierten Mehrebenenmodells. Infolge der Verflechtungen der Ebenen sind konsiderable, nicht aber hermetische Effekte garantiert. In dieser Bedeutung beginnt die Erklärung Nr. 11

164 Mit unterschiedlichen Akzenten H. Tempel, EK 1997, 443; R. Potz, ÖARR 46 (1999), 6 (9); R. Stotz, ebenda, 64 ff.; S. van Bijsterveld, ebenda, 46 (49 ff.); H. Lecheler, FS Leisner, 1999, S. 39 (47 f.); M. Heintzen, FS Listi, 1999, S. 29 (31 ff.); J. Müller-Volbehr, ZevKR 44 (1999), 385 (409); H. Kalb, ÖAfKR 46 (1997), 88 (96 f.); Ρ M. Huber, Staatskirchenrecht, S. 151; M. Heinig, ZEE 1999, 294 (303 f.); W. Bausback, EuR 2000, 261 (266.); M. Vachek, S. 125 ff.; H de Wall, ZevKR 45 (2000), 157 (158); B. Jeand'Heur! S Korioth, S. 262; F. Sucker, S. 10; J. Winter, Staatskirchenrecht der Bundesrepublik Deutschland, 2001, S. 211; demgegenüber den Schutzcharakter stärker betonend G. Robbers, Stimmen der Zeit 1998, 147 ff.; ders., Herder Korrespondenz 1997, 622 ff. 165 Für diesen Hinweis danke ich Dr. Stephan Kirste, Heidelberg. Rechtserkenntnisquellen sind Sätze, die selbst nicht als positives Recht in Geltung gesetzt sind, aber als Hilfsmittel zum Verständnis des Rechts herangezogen werden können. 166 R. Streinz, FS Everling, 1995, S. 1491 (1492 ff.); ders., Europarecht, S. 157 ff. 167 M. Heinig, ZEE 43 (1999), 294 (304). 168 Neben den in Fn. 164 genannten J. Winter, FS Hollerbach, 2001, S. 893 ff.; R. Potz, ÖARR 46 (1999), 6 (8 ff.), dessen weitergehende Ableitung einer Konsultationspflicht aus der Erklärung dagegen überzogen scheint; S. Mückl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, S. 12 ff.; die Wirkungen der Erklärung lassen sich vielleicht auch durch einen Seitenblick auf die oben erwähnte gemeinsame Erklärung zum Berg Athos abschätzen. Diese zeitigt in zahlreichen Bestimmungen des Europarechts berücksichtigende Wirkungen, sei es, daß Sonderbestimmungen im Sekundärrecht aufgenommen werden, sei es, daß Parlamentarische Anfragen aus dem EP an die Kommission, die die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes auf dem Berg Athos anprangern und die Kommission zu Gegenmaßnahmen auffordern (nur Männer dürfen ihn betreten), mit Verweis auf die Gemeinsame Erklärung abschlägig beschieden werden; cf. Mündliche Anfrage H-0567/01 der MdEP Terrón i Cusi; schriftliche Anfrage P1954/01 des MdEP Gianni Vattimo; schriftliche Anfrage E-1055/01 des MdEP Glyn Ford sowie die Antwort des Kommissars Antonio Vitorino; jeweils im Internet abrufbar unter http://www.europa.eu.int; login: Dezember 2001. 27*

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

der Regierungskonferenz von Amsterdam im Europarecht auch Spuren zu hinterlassen: die oben erwähnte besondere Klausel für Religionsgesellschaften in der Richtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf wird in den Erwägungsgründen der Richtlinie maßgeblich mit der Erklärung Nr. 11 begründet 169 und auch in den Beratungen bei der Erarbeitung einer Charta der Grundrechte in der Europäischen Union (EUGRCh) spielte sie ausweislich der Begründungen des Präsidiums eine markante Rolle für die Formulierung von Art. 22 EUGRCh. 170 Hierauf wird später nochmals einzugehen sein (IV. 2. e)). Die Erklärung Nr. 11 ist somit eine für die Bestimmung der Transformationswirkungen des Europarechts auf die verfassungsrechtliche Stellung deutscher Religionsgesellschaften nicht zu verkennende und in ihrer Erscheinung interessante normartige Sentenz, vermag isoliert aber kaum rechtswirksame Effekte zu entfalten. Sie ist als Rechtserkenntnisquelle jeweils im Zusammenhang mit dem konkret geltenden Primär- und Sekundärrecht zu sehen. Als auslegungsanleitende Bestimmung ohne eigene unmittelbare Direktivkraft bildet die Erklärung zudem rechtlich für das Gesamtsystem des Religionsrechts als Mehrebenenrecht nur einen Aspekt, neben dem andere Rechtskomplexe zu beachten sind.

b) Der Grundsatz der Subsidiarität Das aus der katholischen Soziallehre stammende und gemeineuropäisch bekannte Organisationsprinzip der subsidiären Zuständigkeit einer sozialen Einheit höherer Ordnung 171 hat im europäischen Mehrebenensystem durch Art. 5 II EGV und das Subsidiaritätsprotokoll eine zentrale Bedeutung bekommen. 172 Mit dem Grundsatz der Subsidiarität ist ein rechtlich bindender „föderaler Gegenentwurf zur Integrationsdynamik" 173 in den EGV eingebracht worden. Dieser läßt ein Tätigwerden der Gemeinschaft außerhalb ihrer ausschließlichen Zuständigkeiten nur zu, wenn die Ziele durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht erreicht werden können und ein gemeinschaftliches Engagement verspricht, effizienter zu sein. Das Subsidiaritätsprinzip stellt damit rechtstechnisch eine Kompetenzausübungs-

169 cf. H. M. Heinig, Art. 13 EGV, S. 246. 170 Cf. H. M. Heinig, ZevKR 46 (2001), 440 (453 f.). 171 Cf. insg. aus der Fülle der Literatur Ρ Häberle, AöR 119 (1994), 169 ff.; S. U. Pieper, Subsidiarität, 1994, S. 27 ff.; R Ronge, Legitimität durch Subsidiarität, 1998, S. 136 ff.; W. J. Mückl (Hrsg.), Subsidiarität, 1999; Th. Strohm, ZEE 45 (2001), 64 ff.; A. Hense, Der staatsund europarechtliche Gehalt des Subsidiaritätsprinzips in den päpstlichen Enzykliken, in: P. Blickle u. a. (Hrsg.), Subsidiarität als rechtliches und politisches Ordnungsprinzip in Kirche, Staat und Gesellschaft, 2002, S. 401 ff. '72 Cf. insb. C. Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip in der Europäischen Union, 2. Aufl. 1999, S. 76 ff. m. w. N. 173 A. v. Bogdandy/M. Nettesheim, in: E. Grabitz/M. Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU (Altband), Art. 3b EGV Rdnr. 19.

IV. Religionsrecht als Mehrebenenrecht

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schranke dar. Ihre Zuordnung zur Integrationsoffenheit der Unionsgrundordnung hat dabei, nimmt man das Effektivitätserfordernis ernst, im jeweiligen lebensweltlichen und dem damit korrespondierenden weiteren normativen Kontext zu erfolgen. Zudem wurde Art. 5 II EGV in zahlreichen Vertragsbestimmungen bereichsspezifisch konkretisiert. 174 Als Element des religionsrechtlich relevanten Mehrebenenrechts 1. Ordnung entfaltet Art. 5 II EGV für die europarechtliche Transformation der verfassungsrechtlichen Stellung von Religionsgemeinschaften ausschließlich indirekte Effekte, indem eine gemeinschaftliche Maßnahme überhaupt zu unterbleiben hat. 1 7 5 Eine spezifische Grenze für gemeinschaftsrechtliche Maßnahmen mit Wirkung für Religionsgemeinschaften setzt der Subsidiaritätsgrundsatz dagegen nicht. 176 Soweit der Gemeinschaftsgesetzgeber von einer allgemeinen Regelungskompetenz Gebrauch macht, ist die Nicht- oder Fehlberücksichtigung religiöser Interessen, etwa durch das Unterlassen einer Ausnahmeklausel für Religionsgesellschaften, keine Frage der Erforderlichkeit des Tätigwerdens des Gemeinschaftsgesetzgebers im Sinne des funktional organisationsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips. Vielmehr ist dann nach der Intensität grundrechtlicher Beeinträchtigung und der sich daraus ergebenden Grenze für den Gemeinschaftsgesetzgeber zu fragen. 177 Für das Religionsrecht als Mehrebenenrecht ist deshalb der mehrebenendurchformte Grundrechtsschutz von größerer Bedeutung als Art. 5 II EGV. Daneben entfaltet das Subsidiaritätsprinzip als allgemeine Bestimmung für die Wahrnehmung einer Kompetenz durch die Gemeinschaft aber je nach konkreten Umständen veritable Restriktionseffekte für die Einwirkung des Europarechts auf das nationale Staatskirchenrecht, indem es eine legislative oder administrative Maßnahme europäischer Akteure insgesamt unterbindet. 178

c) Die Achtung nationaler Identität Mit der Erklärung Nr. 11 der Regierungskonferenz von Amsterdam korrespondiert im Mehrebenenrecht 1. Ordnung das Gebot der Achtung nationaler Identitäten durch Art. 6 III EUV. Zwischen Art. 6 III EUV und der Erklärung besteht ein 174

C. Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S. 127 ff. 175 R. Stütz, EuZW 1999, 737; ders., Zukunft, i.E. 176

B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 259; anders A. Bleckmann, Religionsfreiheit, S. 8; im Ergebnis wohl auch G. Robbers, Essener Gespräche 27 (1993), S. 81 (85 f.); ders., HdbStKirchR 2 I, S. 315 (323 f.); cf. ferner Rat der EKD, Staatskirchenrecht, S. 154 f. = EuR 1991, 375 ff.; Evangelisch-katholische Arbeitsgruppe, Überlegungen zur Subsidiarität als Element einer europäischen Verfassungsordnung, in: Kirchenamt der EKD (Hrsg.), Europa zusammenführen und versöhnen, 1996, S. 157 ff. 1 77 M. Heinig, ZEE 1999, 294 (305). 1™ Cf. insg. C. Link, ZevKR 42 (1997), 130 (134); R. Streinz, Essener Gespräche 31 (1997), S. 53 (71); M. Heintzen, FS Listi, 1999, S. 29 (35); W. Bausback, EuR 2000, 261 (266); M. Vachek, S. 255 ff.; S. Mückl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, S. 24 f.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

zu beachtender intendierter Nexus. Die Auslegung des Gebots der Achtung nationaler Identität kann und muß die sog. Kirchenerklärung hinreichend berücksicht i g e n . 1 7 9 Aber auch ungeachtet der Erklärung wird man sagen können, daß die Grundpfeiler der Beziehungen zwischen dem Staat und Kirchen und Religionsgemeinschaften Elemente nationaler Identität bilden können, ist doch gerade dieser Rechtskreis in besonderer Weise historisch gewachsen und spiegelt einen Ausschnitt der spezifischen politischen Kulturgeschichte w i d e r . 1 8 0 Gleichwohl bleibt Art. 6 I I I E U V auch i m religionsrechtlichen Kontext durch eine gezielte strukturelle Unschärfe geprägt. 1 8 1 Die nationale Identität Deutschlands ist normativ ausweislich der Präambel 1 8 2 und Art. 23 GG immer schon auf Integrationsoffenheit angelegt, Art. 6 I I I E U V nimmt durch den Begriff des „Mitgliedstaates" auf eine integrierte Staatlichkeit, auf die die supranationale Identität umfassende nationale Identität B e z u g . 1 8 3 A n dieser Ambivalenz vermag auch der Rekurs 179 M. Heintzen, FS Listi, 1999, S. 29 (33 ff.). 180 G. Robbers , Essener Gespräche 27 (1993), S. 81 (88); ders., HdbStKirchR 2 I, S. 315 (323); C. Link, ZevKR 42 (1997), 130 (153); C. Starck, Essener Gespräche 31 (1997), S. 5 (21 ff.); M. Haedrich, Zum Verhältnis von Staat und Kirche mit Sicht auf das Europarecht, in: D. Bald/K. Martin (Hrsg.), Aufbruch nach der Wende, 1997, S. 68 (77); M. Heinig, ZEE 43 (1999), 294 (305); /. Müller-Volbehr, ZevKR 44 (1999), 385 (409 f.); M. Triebel, una sancta 54 (1999), 59 (62 ff.); H de Wall, ZevKR 45 (2000), 157 (159); H. Weber, FS Maurer, 2001, S. 469 (488); 7. Winter, FS Hollerbach, 2001, S. 893 (898); ders., Das Verhältnis von Kirche und Staat als Ausdruck der kulturellen Identität der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, in: Juristische Fakultät der Universität Heidelberg (Hrsg.), Kultur, Tradition, eigenes Kulturbewußtsein und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1999, S. 13 ff.; ders., Staatskirchenrecht, S. 210; M. Heintzen, FS Listi, 1999, S. 29 (35 ff.); S. Mückl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, S. 26; skeptisch M. Vachek, S. 273 ff., der aber wohl den Begriff der nationalen Identität im Bemühen um Präzisierung zu eng faßt. Cf. a. für eine zurückhaltende Position F. Margiotta Broglio, L'identité nationale, les traditions constitutionelles communes et les structures juridiques des relations avec les religions dans les Etats membres, in: European Consortium for Church-State Research, Religions in European Union Law, 1998, S. 77 ff. 181 H. M. Heinig, Art. 13 EGV, S. 247. 182 H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Präambel, Rdnr. 25 ff.; D. H. Scheuing, EuR 1997, Beiheft 1,7 (15). 183 U. Haltern, Der Staat 37 (1998), 591 (619); R. Grawert, FS Böckenförde, 1995, S. 125 ff.; ders., FS Boldt, 1997, S. 133 ff.; ders., Der Nationalstaat auf dem Weg nach Europa, in: Bochumer Beiträge zur Nationalismusdebatte, hrsg. v. B. Faulenbach u. a., 1997, S. 102 ff. Die aus einer solchen normativen Betrachtungsweise motivierte Skepsis gegenüber einer allzu forcierten Interpretation des Art. 6 III EUV verstärkt sich noch, wenn man kulturwissenschaftliche Erkenntnisse über Identitätsbildungsprozesse berücksichtigt, die diagnostizieren, daß nationalstaatlich konstruierte Reverenzgrößen für die Identitätsausbildung deutlich an Bedeutung verloren haben. Die „supranationale Konstellation" (in Anlehnung an J. Habermas, Die postnationale Konstellation, 1998) generiert neue öffentliche Räume, die sich für die Formationen kollektiver Identität stiftend, bindend, aber auch fragmentierend niederschlagen. Einen Überblick zu den Fragen kollektiver Identität im europäischen Kontext bieten etwa die Beiträge im Sammelband von R. Viehoff/R. Segers (Hrsg.), Kultur, Identität, Europa, 1999; insbesondere auch in religionsphilosophischer Hinsicht F. Cerutti/E. Rudolph (Hrsg.), A Soul for Europe, 2001 sowie religionssoziologisch M. König, Religion und Staats-

IV. Religionsrecht als Mehrebenenrecht

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auf die Erklärung Nr. 11 kaum etwas zu ändern. Zudem gebietet Art. 6 III EUV nur die Achtung der nationalen Identität, nicht ihre gänzliche „Mumifizierung". Auch hier ist indiziert, daß die Dynamik der europäischen Integration den Gehalt nationaler Identität zu ändern vermag. Ferner ist Art. 6 III EUV wie jede Norm, und erst recht wie jede Norm mit Verfassungscharakter, systematisch wie teleologisch im Gesamtkontext des Regelungskomplexes zu betrachten. Art. 6 III EUV bildet ein Korrektiv zu politisch nicht erwünschten „überschießenden" Tendenzen europäischer Integration, nicht aber ihre Revocation. Deshalb bewirkt der gebotene Schutz nationaler Identität keine Gemeinschaftsfestigkeit eines Regelungsbereichs; erforderlich ist vielmehr ein Abgleich zwischen einem gemeinschaftsrechtlich legitimierten Regelungsinteresse und dem nationalen Anliegen der Bewahrung eines Status quo unter dem Gesichtspunkt der Herstellung praktischer Konkordanz. Schließlich ist zu betonen, daß auch unter Heranziehung der Erklärung Nr. 11 nur die Zentralpfeiler eines mitgliedstaatlichen Staat-Kirchen-Regimes als Elemente nationaler Identität im engeren Sinne zu rekonstruieren sind. 184 So wird man etwa den staats- oder volkskirchlichen Grundriß religionsrechtlicher Ordnung in Großbritannien, 185 Griechenland 186 und in den skandinavischen Mitgliedstaaten, 187 den laizistischen Republikanismus Frankreichs 188 oder die freiheitlich-paribürgerschaft im Spiegel völkerrechtlicher Normen, in: G. Klinkhammer/T. Frick (Hrsg.), Religionen und Recht, 2002, S. 113 ff.; skeptisch gegen jedwede Semantik kollektiver Identität L. Niethammer, Kollektive Identität, 2000. 184 S. Mückl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, S. 25 ff. 185 Mit dem Nebeneinander mehrerer Staatskirchen, cf. Ν. Doe, National identity, the constitutional tradition and the structures of law on religion in the United Kingdom, in: European Consortium for Church-State Research, Religions in European Union Law, 1998, S. 93 ff.; ders./J. Nicholson, Das Verhältnis von Gesellschaft, Staat und Kirche in Großbritannien, in: B. Kämper IM. Schlagheck (Hrsg.), Zwischen nationaler Identität und europäischer Harmonisierung, 2002, S. 59 ff. ferner D. McClean, Staat und Kirche im Vereinigten Königreich, in: G. Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in der Europäischen Union, 1995, S. 333 (337 ff.); G. Robbers, VVDStRL 59 (2000), S. 231 (245 f.). 186 C. Papastathis, Staat und Kirche in Griechenland, in: G. Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in der Europäischen Union, 1995, S. 79 (81 ff.). 187 Cf. K. À. Modéer, ZevKR 47 (2002), 339 ff.; im einzelnen zu Dänemark I. Dübeck, Staat und Kirche in Dänemark, in: G. Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in der Europäischen Union, 1995, S. 39 (41 ff.); J. Stenbœk, ZevKR 45 (2000), 221 ff.; M. Hallen, Staat und Kirche in Dänemark, 2001, S. 37 ff.; zu Finnland mit der lutherischen und der orthodoxen Kirche als selbstbestimmte öffentlich-rechtliche Einrichtungen M. Heikkilä/J. Knuutila/M. Scheinin, Staat und Kirche in Finnland, in: G. Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in der Europäischen Union, 1995, S. 303 (306 ff.); M. Kotiranta, ZevKR 45 (2000), 233 ff.; zur seit 2000 geltenden Rechtslage in Schweden S.-A. Seiander, ZevKR 45 (2000), 293 ff.; G. Robbers, FS Hollerbach, 2001, S. 907 (910 ff.). 188

A. v. Campenhausen, Staat und Kirche in Frankreich, 1962, S. 11 f f ; ders., HdbStKirchR 2 I, S. 47 (66 ff); ders., Staatskirchenrecht, S. 393 ff.; G. Robbers, VVDStRL 59 (2000), S. 232 (238 ff.); C. Walter, Staatskirchenrecht oder Religionsverfassungsrecht, in: R. Grote/Th. Marauhn, Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, 2001, S. 215 (219 ff.) m. w. N.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

tätische Offenheit des Staates für den Faktor Religion in Deutschland (cf. supra 3. Kap.) 189 zu Merkmalen jeweiliger nationaler Identität zählen dürfen. In diesem Bereich aber läuft der Abwehrgehalt des Art. 6 III EUV gegenüber Wirkungen des Europarechts auf die national definierte Rechtsstellung von Religionsgesellschaften weitgehend leer. Schließlich fehlt es bereits an einer religionsrechtlichen Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft zur Änderung der staatskirchenrechtlichen Grundstrukturen. Mittelbare Folgewirkungen, die derart schwer wiegen, daß sie das gesamte Staat-Kirchen-System in einem Mitgliedstaat implodieren lassen, sind schwerlich zu besorgen. Details des nationalen Religionsrechts können dagegen nur eine reduzierte Nobilitierung als Elemente nationaler Identität für sich in Anspruch nehmen. Die Summe der religionsrechtlichen Einzelbestimmungen bildet zwar erst die als Bestandteil der nationalen Identität geschützte staatskirchenrechtliche Grundstruktur und partizipiert in diesem Sinne an deren Schutz. Doch kann dieser Schutz der Konkretisierungen jeweiliger religions(verfassungs)rechtlicher Grundprinzipien nur ein durch die Gestaltungsaufgaben der europäischen Ebene modifizierter sein. Andernfalls könnte jeder Mitgliedstaat nicht nur religionsrechtliche Zissiellierungen, sondern sämtliche nationalen Regelungen ζ. B. zur Landwirtschaft, zum Vertrieb von Produkten oder zum Sport unter dem Verdikt der Achtung nationaler Identität gemeinschaftsfest stellen. Dies aber würde dem Zweck des Art. 6 III EUV nicht gerecht werden und die Funktionalität der rechtsgesteuerten europäischen Integration gefährden. Art. 6 III EUV kommt deshalb - jenseits der eigentlich selbstverständlichen Absage an einen monokulturellen europäischen Zentralstaat - vor allem die Funktion eines Merkpostens der größtmöglichen Berücksichtigung und Belassung nationalstaatlicher Vielfältigkeit innerhalb der Union zu. 1 9 0 In diesem Sinne läßt sich das Gebot des Schutzes nationaler Identität wiederum als eine für das Mehrebenenrecht 1. Ordnung typische normative Vorgabe beschreiben.

d) Die Achtung religiös-kultureller

Diversifizität

Neben dem Gebot der Achtung nationaler Identität kennt das Europarecht noch zwei strukturverwandte Berücksichtigungsverlangen, die im Kontext einer Erläuterung des Religionsrechts als Mehrebenenrecht Erwähnung zu finden haben. Es handelt sich einerseits um Art. 22 EUGRCh („Die Union achtet die Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen") sowie um Art. 151 I, IV EGV („(!) Die 189 S. a. Λ. Hollerbach, National identity, the constitutional tradition and the structures of law on religions in Germany, in: European Consortium for Church-State Research, Religions in European Union Law, 1998, S. 89 ff. 190 Forcierter etwa Α. Bleckmann, JZ 1997, 265 (269), der das gesamte gemeinschaftliche Arbeitsrecht, soweit es staatskirchenrechtlichen Normen in Deutschland widerspricht, unter Berufung auf Art. 6 III EUV auf Kirchen für nicht anwendbar hält; S. C. van Bijsterveld, Religions and Community Law, in: European Consortium for Church-State Research, Religions in European Union Law, 1998, S. 27 (32 f.).

IV. Religionsrecht als Mehrebenenrecht

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Gemeinschaft leistet einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt... . (4) Die Gemeinschaft trägt bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen dieses Vertrags den kulturellen Aspekten Rechnung, insbesondere zur Wahrnehmung und Förderung der Vielfalt ihrer Kulturen"). Diesen Bestimmungen könnte man in normativer Zusammenschau ein Gebot der Achtung religiös-kultureller Diversifizität entnehmen.191 Differenziert man jedoch wie vorgeschlagen (II. 2.) kategorial zwischen Religion und Kultur im Sinne des EGV, ist es vorzuziehen, von solchen Versuchen Abstand zu nehmen. Das Gebot der Berücksichtigung kultureller Vielfalt steht zwar in engem Zusammenhang mit Art. 6 III EUV, entzieht sich aber gleichwohl, verfolgt man den Ansatz der begrifflichen Scheidung von Kultur und Religion als Rechtsmerkmale im EGV konsequent, einer religionsrechtlichen Aufladung. Anders verhält es sich mit dem Gebot der Achtung „religiöser Vielfalt" in Art. 22 EUGRCh. Da dieses Gebot aber in der Charta der Grundrechte enthalten ist, soll es nicht isoliert, sondern im Kontext des Grundrechtsschutzes für Religionsgesellschaften im europäischen Mehrebenenrecht behandelt werden.

e) Der mehrebenenstrukturie rte Grundrechtsschutz in religiösen Angelegenheiten aa) Der europäische Grundrechtsverbund Der religionsbezogene Grundrechtsschutz im Mehrebenenrecht präsentiert sich - wie könnte es in einem Mehrebenensystem anders sein - als komplexes Geflecht von Rechtsvorgaben unterschiedlicher Rechtsebenen. Der europäische Verfassungsverbund bildet in diesem Sinne zugleich einen Grundrechts verbünd: Art. 6 II EUV statuiert in Aufnahme der prätorisch vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätze eines EU-Grundrechtsschutzes 192 unionseigene Grundrechte 191

Cf. Α. Bleckmann, Religionsfreiheit, S. 6; P. Häberle, Europäische Verfassungslehre (1998), in: ders., Europäische Verfassungslehre in Einzelstudien, 1999, S. 11 (29 ff.); ders., Das Verhältnis von Staat und Kirchen im europäischen Einigungsprozeß (1998), in: ebenda, S. 221 (230 ff.); P. M. Huber, Staatskirchenrecht, S. 152; J. Müller-Volbehr, ZevKR 44 (1999), 385 (409 f.); F. Sucker, S. 19 f. jeweils zu Art. 151 EGV; ferner//. M. Heinig, Art. 13 EGV, S. 246. 192 Grundlegend EuGHE 1969, 419 ff. - Stauder; ferner E 1974, 491 ff. - Ν old; E 1976, 1589 ff. - Prais; E 1979, 3727 ff. - Hauer; E 1984, 19 ff. - Vlaamse Boekwezen; E 1986, 1651 ff. - Johnston; E 1986, 2897 ff. - Keller; E 1987, 4097 ff. - Heylens; E 1989, 1263 ff.; E 1989, 2237 ff. - Schräder; E 1989, 2859 ff. - Hoechst; E 1989, 3283 ff. - Orkem; E 1992, 1-2575 ff.; E 1994, 1-1853 ff. - Codorniu; E 1994, 1-4737 ff.; E 1994, 1-4973 ff.; E 1995, I4921 - Bosman; s. a. H.-W. Rengeling, Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft, 1993; M. Zuleeg, JZ 1994, 1 ff. ; J. Kokott, AöR 121 (1996), 600 ff.; E. Chwolik-Lanfermann, Grundrechtsschutz in der Europäischen Union, 1994; I. Wetter, Die Grundrechtscharta des EuGH, 1998; kritisch W Pauly, EuR 1998, 242 ff.; S. Storr, Der Staat 36 (1997), 547 ff.; P. M. Huber, EuZW 1997, 517 (520 f.).

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

durch Verweis auf zwei andere Rechtsebenen, nämlich die Europäische Menschenrechtskonvention 193 und die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten. Eine - lange schon geforderte 194 - Zusammenführung beider Komponenten soll die in Nizza proklamierte Europäische Grundrechtscharta leisten. 195 Die nationalen Grundrechtsregime sind wiederum, da alle Mitgliedstaaten der Union Signatarstaaten der EMRK sind, an die Konvention zurückgebunden. Zugleich gebietet Art. 6 I EUV für die Mitgliedstaaten der EU einen Mindeststandard gemeineuropäischen Grundrechtsschutzes. Im Gegenzug wiederum kennt das Grundgesetz mit Art. 23 I GG die Anforderung eines im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutzes der Gemeinschaft. Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten durch die EMRK gehalten, bei der Gründung supranationaler Organisationen einen der Konvention im Kern entsprechenden Grundrechtsschutz gesichert zu halten. 1 9 6 Schließlich gehört zum Spezifikum des europäischen Grundrechtsverbundes, daß nationale Grundrechtsordnungen wiederum auf mehrere Ebenen aufgefächert sein können, in Deutschland eben - wie für das Religionsverfassungsrecht gezeigt - die meisten Landesverfassungen Grundrechtskataloge kennen und ferner völkerrechtliche Mindeststandards als Teil der nationalen Rechtsordnung fungieren (Art. 25 GG). 1 9 7 193 Zu dieser Verweis Wirkung zuletzt C. Grabenwarter, VVDStRL 60 (2001), S. 290 (325 ff.); zur Rezeption der EMRK durch den EuGH auch G. C. Rodriguez Iglesias , FS Bernhardt, 1995, S. 1269 ff. 194 Cf. etwa U. Κ Preuß, KJ 1998, 1 ff. 195

Zum Verfahren des Konventes sowie zu Funktionen der und Erwartungen an die Grundrechtscharta im Vorfeld und in Begleitung der Konventsarbeit B. Losch /W. C. Radau, NJ 1999, 632 ff.; dies., ZRP 2000, 84 ff.; U. Di Fabio, JZ 2000, 737 ff.; E. Denninger, KritV 2000, 145 ff.; I. Pernice, DVB1. 2000, 847 ff.; A. Weber, NJW 2000, 537 ff.; R Knöll, NJW 2000, 1845 ff.; J. F. Lindner, DÖV 2000, 543 ff.; M. Zuleeg, EuGRZ 2000, 511 ff.; unter besonderer Berücksichtigung religionsrechtlicher Belange S. Alber, Religion - Staat - Gesellschaft 1 (2000), 293 ff. S. ferner Deutscher Bundestag - Referat Öffentlichkeitsarbeit (Hrsg.), Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Berlin 2001. Zu einer ersten Bewertung und einem ersten Überblick näher P. Tettinger, NJW 2001, 1010 ff.; C. Calliess, EuZW 2001, 261 ff.; R. Knöll, NVwZ 2001, 392 ff.; C. Grabenwarter, DVB1. 2001, 1 ff.; E. Pache, EuR 2001, 475 ff.; A. v. Bogdandy, JZ 2001, 157 ff.; I. Pernice, EuZW 2001, 673. 196 C. Grabenwarter, VVDStRL 60 (2001), S. 290 (329 ff., 332 ff.); C. Walter, ZaöRV 59 (1999), 961 (978 ff.); ders., AöR 128 (2003), i.E.; aus der Rspr. s. EGMR, EuGRZ 1999, 200 ff. und NJW 1999, 1173 ff. 197 Cf. hierzu I. Pernice, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 25 Rdnr. 17 ff.; im Zusammenhang mit Art. 25 GG wäre auch zu überlegen, ob nicht die umfangreichen Erwähnungen der kollektiven und korporativen Religionsfreiheit in den Dokumenten der KSZE bzw. OSZE wie die Schlußakte von Helsinki und das Abschlußdokument des Wiener Folgetreffens heranzuziehen sind (zu diesen A. Hollerbach, FS Benda, 115 [117 ff.]; J.-P. Müller, JöR n.F. 45 [1997], 1 ff.; H.-T. Conring, S. 393 ff.; H. Tretter, EuGRZ 1989, 79 ff.; S. C. van Bijsterveld, Towards an Institutional Relationship between Churches and the European Union?, in: H.-J. Kiderlen u. a. [Hrsg.], Wich Relationship between Churches and the European Union, 1995, S. 21 [29]; O. Kimminich, Religionsfreiheit als Menschenrecht, 1990, S. 158 ff.; ders., HdbStKirchR 2 II, S. 217 [247 f.]). Die Erklärungen der KSZE selbst haben keinen rechtsverbindlichen Charakter, sondern sind vorrangig politischer Natur; zugleich aber lassen sie sich

IV. Religionsrecht als Mehrebenenrecht

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Angesichts dieser mannigfaltigen Verflechtung der für den Grundrechtsschutz im europäischen Verfassungsverbund relevanten Direktiven fällt es auf den ersten Blick schwer, die genaue Arrondierung der einzelnen Grundrechte festzulegen. Außerdem stellen sich Fragen nach Zuständigkeiten und Anwendbarkeiten, Kongruenzen und Konkurrenzen. 198 Bei genauer Betrachtung wird man freilich im jeweiligen Kontext zwischen Rechtsquellen und Rechtserkenntnisquellen sowie zwischen einzelnen Gefährdungslagen zu unterscheiden haben und so für einen effektiven Grundrechtsschutz notwendige, aber auch hinreichende Sortierungen vornehmen können. Man kann dann feststellen, daß die beiden europäischen Grundrechtsebenen und die nationalen Grundrechtsregime in ein Komplementärverhältnis treten und kumulativ, aber funktionsspezifisch die Grundrechte der Bürger und ihrer Vereinigungen sichern. 199 Denn die in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen fixierten Grundrechte sowie gemeineuropäisch die Europäische Menschenrechtskonvention zielen auf das Handeln des Nationalstaates, die durch Art. 6 II EUV statuierte Garantie der fundamentalen Freiheits-, Gleichheits- und Teilhaberechte dagegen betrifft vorrangig die europäisch definierte öffentliche Gewalt; die Mitgliedstaaten kommen hier nur bei der unmittelbaren Durchführung von Unionsrecht in den Blick. 2 0 0 Entsprechend läßt sich anhand der Bestimmung der Ebene öffentlicher Gewalt, gegen deren Akteure Grundrechtsschutz gesucht wird, in der Regel ableiten, welche Grundrechtskataloge zur Entscheidung des Falles einschlägig sind. Ferner läßt sich auch eine Aussage darüber treffen, in welchem Verhältnis der unmittelbar anwendbare Grundrechtsbestand zu den anderen Ebenen des europäischen Grundrechtsverbundes steht: die nicht direkt betroffenen Grundrechtsfixierungen fungieren als deklaratorische Aufnahme und Bekräftigung allgemeiner völkerrechtlicher Prinzipien begreifen; O. Kimminich, Religionsfreiheit, S. 170 f. In dieser Wirkungsweise können sie zudem bei der Interpretation der EMRK herangezogen werden. Zum völkerrechtlichen Schutz der Religionsfreiheit (jenseits der EMKR, auf die gleich noch näher einzugehen ist) cf. neben den genannten S. C. van Bijsterveld, Religion, International Law and Policy in the Wider European Arena, in: R. Ahdar (Hrsg.), Law and Religion, 2000, S. 163 ff.; F. Matscher, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit - Internationalrechtliche Aspekte, in: ders. (Hrsg.), Folterverbot sowie Religions- und Gewissensfreiheit im Rechtsvergleich, 1990, S. 43 ff.; W. Bausback, Freiheitliche demokratische Grundordnung und internationaler Schutz der Religionsfreiheit, in: I. Erberich u. a. (Hrsg.), Frieden und Recht, 1998, S. 85 (88 ff.); R. Grote, Die Religionsfreiheit im Spiegel völkerrechtlicher Vereinbarungen zur politischen und territorialen Neuordnung, in: ders./Th. Marauhn (Hrsg.), Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, 2001, S. 3 ff.; R. Wolf rum, Der völkerrechtliche Schutz religiöser Minderheiten und ihrer Mitglieder, ebenda, S. 53 f f ; J. A. Frowein, Religionsfreiheit und internationaler Menschenrechtsschutz, ebenda, S. 73 ff. jeweils m. w. N. 198 Cf. a. W Hofmann-Riem, EuGRZ 2002, 473 ff. 199 Cf. H M. Heinig, ZevKR 46 (2001), 440 (460). 200 Cf. M. Ruffert, EuGRZ 1995, 518 ff. Auch Art. 6 I EUV ändert hieran nichts - er stellt keine subjektiv-rechtliche Grundrechtsgarantie, sondern eine objektiv-rechtliche materielle Schutzvorgabe dar.

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auslegungsanleitend, also als Rechtserkenntnisquelle, nicht aber normbegründend als Rechtsquelle. Die Ausbildung eines Grundrechtsverbundes bedeutet deshalb nicht (notwendig) den Verlust der Konturierungen der einzelnen Grundrechtssysteme. Der Grundrechtsschutz im Mehrebenenrecht ist demnach - mehrebenentypisch - durch Verflechtungen gekennzeichnet, die jeweilige Effekte der Berücksichtigung zeitigen und auf diese Weise Kollisionspotentiale zwischen den einzelnen Grundrechtsebenen minimieren. Diese Wirkungen verstärken sich durch die institutionelle Rücksichtnahme und Zusammenarbeit zwischen den zur Entscheidung berufenen justitiellen Organen. Einer Zuweisung von Letztentscheidungskompetenzen entzieht sich dagegen wiederum die Mehrebenenlogik: die Verflechtungen des Grundrechtsverbundes eröffnen deshalb nicht nur die Möglichkeit, sondern auch den Zwang zur Ausbildung von „Kooperationsverhältnissen" 201 zwischen Europäischem Gerichtshof, Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte und Bundesverfassungsgericht sowie den anderen nationalen Verfassungsgerichten. Die bedeutet im Kontext dieser Arbeit: Als grundrechtliches Regulativ für die Transformationswirkungen des Europarechts auf die Rechtsstellung von deutschen Religionsgemeinschaften sind vorrangig die durch Art. 6 II EUV statuierten Unionsgrundrechte selbst einschlägig. EMRK und nationale Grundrechtssysteme sind bei der Bestimmung der Grundrechtsgehalte der Europäischen Union aber auslegungsanleitend heranzuziehen (bb/cc). In einem zweiten Schritt wäre dann nochmals die Koordination des unionseigenen Grundrechtsschutzes mit den grundgesetzlichen Anforderungen und den Konventionsvorgaben in den Blick zu nehmen (dd).

bb) Das Grundrecht auf korporative Religionsfreiheit und Selbstordnung und -Verwaltung einer Religionsgesellschaft auf Ebene der Europäischen Union (]) Grundlagen. Das zentrale Datum eines religionsbezogenen Grundrechtsschutzes für Religionsgemeinschaften ist auch auf europäischer Ebene die Garantie korporativer Freiheit in religiösen Fragen. Ohne eine substantielle Garantie für kollektive und korporativ vermittelte freie Glaubensbildung, freie Praktizierung der eigenen Religion, ohne ein gewisses Maß an religiöser Handlungsfreiheit mittels und zugunsten religiöser Organisationen kann kein der modernen normativen Verfassungsprogrammatik gerecht werdender Grundrechtsbestand auskommen. Zur korporativen Dimension der Religionsfreiheit gehört dabei auch die Möglichkeit, die organisationsinternen Strukturen gemäß der eigenen religiösen Lehre auszugestalten. 201 BVerfGE 89, 166 (174 f.); BVerfGE 102 147 ff.; cf. a. J. Limbach, EuGRZ 2000, 417 ff.; dies., NJW 2001, 2913 ff., D. Grimm, RdA 1996, 66 (68); ferner M. Selmayr/N. Prowald, DVB1. 1999, 269 (274) zur grundgesetzlichen Kooperationspflicht aus Art. 23 GG; 5. Alber/U. Widmaier, EuGRZ 2000, 497 (507 ff.) zur Kooperation von EuGH und EMRK.

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Mangels eines expliziten Grundrechtskataloges erwies sich die genaue Präzisierung der korporativen Religionsfreiheit auf der Ebene der Europäischen Union freilich lange Zeit als schwierig. Hinzu kommt, daß Grundrechte effektiv so gelten, wie sie das letztinstanzlich über sie befindende Gericht auslegt. 202 Für die korporative Religionsfreiheit fehlt es aber, ungeachtet der zahlreichen oben benannten Entscheidungen mit Bezug zu Religionsgesellschaften, bis heute an einschlägigen Judikaten durch den Europäischen Gerichtshof; lediglich die individuelle Religionsfreiheit ist bisher höchstrichterlich in der Rs. Prais als Gemeinschaftsgrundrecht anerkannt worden. 203 Gleichwohl lassen sich die Grundzüge der von der Gemeinschaft zu beachtenden Religionsfreiheit vor dem Hintergrund der Europäischen Menschenrechtskonvention und der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen sowie der diese beiden Stränge bündelnden Europäischen Grundrechtscharta wie folgt skizzieren. (2) Korporative Religionsfreiheit in den Mitgliedstaaten. Betrachtet man die vorliegenden Analysen der mitgliedstaatlichen Grundrechtsbestände im Bereich der Religionsfreiheit, 204 bietet sich einem ein zunächst relativ einheitliches Bild - gemessen an den auf der Grundlage von Typisierungen und Modellbildungen stets ausgemachten Divergenzen in staatskirchenrechtlichen Fragen zwischen den einzelnen europäischen Staaten.205 Auf der Basis wertender Rechtsverglei-

202 Cf. zum Verfassungsrecht generell R. Smend, Das Bundesverfassungsgericht (1962), in: ders., Staatsrechtliche Abhandlungen, 3. Aufl. 1994, S. 581 (582); auch Justice Hughes: „we are under a Constitution, but the Constitution is what the judges say it is", zit. nach 7. Schwarze, JZ 1999, 637 (640). 2 03 EuGHE 1976, 1589 ff. = DÖV 1977, 408 ff. m. Anm. H-W Rengeling; /. Pernice, JZ 1977, 111 ff.; Τ Hartley, ELRev 1977, 45 ff.; W. Bausback, EuR 2000, 261 (269 f.); s.a. BVerfG 73, 339 (380), in dem die Geltung der Religionsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht vom BVerfG zur Kenntnis genommen wird. 204 Cf. die Länderberichte in G. Robbers (Hrsg.), Staat und Kirche in der Europäischen Union, 1995, insb. die Punkte Rechtsquellen, Grundkategorien des Systems und Rechtsstatus der Religionsgemeinschaften; ferner ders. (Hrsg.), Church Autonomy, 2002; Α. Bleckmann, Religionsfreiheit, S. 73 ff.; H.-T. Conring, S. 87 ff., insb. 286 ff. (dessen Datenbasis mit einem Vergleich des Religionsrechts in Deutschland, der Schweiz und Österreich aber nicht recht befriedigen vermag); A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 385 ff.; knapp auch M. Heintzen, FS Listi, 1999, S. 29 (38 ff.); S. Mückl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, S. 46 ff.; M. Vachek, S. 32 ff. Eine selbständige Untersuchung der jeweiligen Verfassungsgarantien würde den Rahmen dieser Arbeit über Gebühr ausdehnen, ohne daß damit ein relevanter Erkenntnisgewinn für die verfolgte Fragestellung der Transformation der deutschen Rechtsstellung verbunden wäre. Deshalb soll hier auf die zahlreichen vorliegenden Ausarbeitungen zu diesem Thema zurückgegriffen werden. Ausdrücklich sei dabei betont, daß die zuweilen anzutreffende Rekurrierung auf das bloße Normmaterial der mitgliedstaatlichen Verfassungen ohne Berücksichtigung der sonstigen Rechtsordnung, der Rechtsprechung, der effektiven Durchsetzungsmöglichkeiten u.s.w. den Ansprüchen an eine wissenschaftlich valabele Rechtsvergleichung kaum erfüllen kann; cf. zu den Anforderungen an einen Rechtsvergleich näher M. Morlok, Rechtsvergleichung auf dem Gebiet der politischen Parteien, in: D. Th. Tsatsos u. a. (Hrsg.), Parteienrecht im europäischen Vergleich, 1990, S. 659 ff.; C. Starck, JZ 1997, 1021 ff.; R. Wahl, Der Staat 38 (1999), 495 (508 ff.).

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chung 206 ist zunächst festzustellen, daß sowohl die Freiheit, eine Religion zu haben und sie zu pflegen als auch die Freiheit, solches abzulehnen oder demgegenüber in Ambivalenz zu verbleiben, eine gemeinsame Verfassungsüberlieferung i. S. d. Art. 6 II EUV darstellen. 207 In personeller Hinsicht ist dabei auch eine kollektive und korporative Dimension des Grundrechts auf Religionsfreiheit auszumachen. In zahlreichen nationalen Grundrechtskodifikationen wird zudem das Recht auf Selbstordnung und -Verwaltung der Religionsgemeinschaften ausdrücklich hervorgehoben. 208 In diesem Sinne ist die Religionsfreiheit Bestandteil des gemeineuropäischen Verfassungsrechts. 209 (3) Die EMRK. Im Schutzbestand grundsätzlich vergleichbar stellt sich die Situation dar, wenn man die Europäische Menschenrechtskonvention als Rechtserkenntnisquelle für die korporative Religionsfreiheit auf EU-Ebene betrachtet. Hier garantiert Art. 9 I EMRK: „ Jedermann hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit des Einzelnen zum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, durch die Ausübung und Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben. " Die Bestimmung ist deshalb aufschlußreich, weil einerseits einzelne Modalitäten der Religionsfreiheit aufgezählt werden und sich aus diesen erschließen läßt, daß auch die religiöse Handlungsfreiheit in den überkommenen Formen der Religionsausübung geschützt ist, andererseits die öffentliche Wirkung und öffentliche Wirksamkeit von Religion ausdrücklich hervorgehoben wird. 205

Dies indiziert vielleicht auch, daß unterhalb der formalen Unterschiedlichkeit ein gemeineuropäischer Subtext im Religionsrecht besteht; siehe auch die Nachweise in Fn. 98. 206 Grundlegend Κ Zweigert, RabelsZ 28 (1964), 601 (610); ferner E. Klein, in: K. Hailbronner u. a. (Hrsg.), Handkommentar EUV, Art. 6 EUV Rdnr. 8; B. Beutler, in: GTE, EUV/ EGV, 5. Aufl. 1997, Art. F Rdnr. 66; Th. Kingreen, in: C. Callliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV /EGV, Art. 6 EUV Rdnr. 39; im staatskirchenrechtlichen Schrifttum wird dagegen zuweilen der Methode des Maximalstandards das Wort geredet, G. Robbers, Essener Gespräche 27 (1993), S. 81 (87); ders., HdbStKirchR 2 I, S. 315 (320). Der besondere Umfang des Grundrechtsschutzes in einem Mitgliedstaat stellt aber schon begrifflich keine „gemeinsame" Verfassungsüberlieferung dar. 207 Cf. Art. 18 f. Verf. Belgien; § 67 f. und § 70 Verf. Dänemark; § 9 Verf. Finnland; Art. 10 der Französischen Erklärung der Menschenrechte; Art. 13 Verf. Griechenland; Art. 44 II Nr. 1 - 4 Verf. Irland; Art. 8 I lund 19 Verf. Italien; Art. 19 f. Verf. Luxemburg; Art. 6 Verf. Niederlande; Art. 14 StGG Österreich; Art. 41 I-III und V Verf. Portugal; Kap. 2 § 1 Nr. 6 Verf. Schweden; Art. 16 I Verf. Spanien. 208 Cf. neben Art. 137 III WRV Art. 21 I Verf. Belgien; Art. 44 I I Nr. 5 Verf. Irland; Art. 7 I und 8 I 2 Verf. Italien; Art. 15 StGG Österreich; Art. 41 IV Verf. Portugal; Art. 16 III 2 Verf. Spanien. 209 Zum gemeineuropäischen Verfassungsrecht grds. P. Häberle, Gemeineuropäisches Verfassungsrecht (1991), in: ders., Europäische Rechtskultur, 1997, S. 33 ff.; auch M. Heintzen, EuR 1997, 1 ff.; P. C. Müller-Graff/E. Riedel (Hrsg.), Gemeineuropäisches Verfassungsrecht in der Europäischen Union, 1998.

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Für den personalen Anwendungsbereich ist erheblich, daß die „gemeinsame" Religionsausübung in Art. 9 I EMRK besonders hervorgehoben wird. Die Europäische Kommission bzw. der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht hierin - nach anfänglicher Zurückhaltung 210 - in ständiger Rechtsprechung eine effektive Berechtigung der Religionsgesellschaften selbst, wobei im letzten unklar bleibt, ob diese Berechtigung durch die Individualgrundrechtsträger vermittelt wird oder ausschließlich aus eigenem Recht erfolgt. 211 Die zwar stark zurückgenommene, aber wohl nicht vollständig aufgegebene Anbindung der Grundrechtsberechtigung religiöser Organisationen an die Individualrechte ihrer Mitglieder in der Straßburger Rechtsprechung erklärt sich vor allem aus dem Bestreben, hinreichenden Raum für die unterschiedlichen staatskirchenrechtlichen Ausgestaltungen in den einzelnen Signatarstaaten zu lassen und diese Ausgestaltung nicht auf dem Umweg der korporativen Religionsfreiheit nach der EMRK insgesamt in Frage zu stellen. Ungeachtet der Problematik genauer Konstruktion aber ist in der Sache die korporative Berechtigung anerkannt. In sachlicher Hinsicht geht damit ganz ungezwungen ein Recht auf ungestörte Religionsausübung einher, d. h. jedenfalls auf die typischen unter dem Dach der religiösen Korporation vorgenommenen Handlungen wie das Feiern von Gottesdiensten und das Abhalten sonstiger religiöser Zeremonien. 212 Auch ein Recht auf

210 EKMR, Yearbook 12 (1969), 307 ff. 211 EMRK DR 5, 157 ff. „granted to its members under Art. 9, the church itself is protected in its rights to manifest its religion ..." (158); EMKR DR 16, 68 ff. „The commission ... is now of the opinion that the above distinction between the Church and its members under Art. 9 (1) is essentially artificial. ... It should therefore be accepted that a church body is capable of possesing and exercising the rights containded in Art. 9 (1) in its own capacity as a representive of its members" (70), dort aber auch: „the Church itself is protected in its rights"; ohne den Zusatz des „as representive of its members" dann EKMR DR 53, 241 ff. und öfter; zuletzt aber wieder „The Court considers, like the Commission, that an ecclesiastical or religious body may, as such exercise on behalf of its adherents the right guaranteed by Art. 9 of the Convention"; cf. im Detail insb. H.-T. Conring, S. 334 ff.; ferner J. A. Frowein, ZaöRV 46 (1986), 249 (255); ders., Essener Gespräche 27 (1993), S. 46 (55); ders., in: ders./W. Peukert, EMRK, 2. Aufl. 1996, Art. 9 Rdnr. 9; ders., Art. 9 EMRK in der Rechtsprechung der Straßburger Instanzen, in: M. Friedmann u. a., Religionsfreiheit, 1996, S. 1 (9).; N. Blum, Die Gedankens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit nach Art. 9 der EMRK, 1990, S. 170 ff.; O. Kimminich, Religionsfreiheit, S. 149 ff.; F. Matscher, S. 55; A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 411 f.; G. Gonzalez, La Convention Européenne des Droits de l'Homme et la Liberté des Religions, 1997, S. 74 ff., 235 ff.; M. Heintzen, FS Listi, 1999, S. 29 (37 f.); H. Weber, ZevKR 45 (2000), 110 (147 f.), ders., FS Maurer, 2001, S. 469 (486 f.); ders., ÖARR 49 (2002), 1 (8 ff.); ders., ZevKR 47 (2002), 265 (274 ff.); D. Ehlers, Bedeutungswandel, S. 106; C. Walter, Religions- und Gewissensfreiheit, in: R. Grote/Th. Marauhn (Hrsg.), Handbuch des Grundund Menschenrechtsschutzes, 2003, Rdnr. 71; ders., Der Schutz religiöser Minderheiten im Recht der Europäischen Gemeinschaften und nach der EMRK, in: D. Fauth/E. Satter (Hrsg.), Staat und Kirche im werdenden Europa, 2003, i.E. jeweils m.N. zur Rspr.; bei letzterem auch eine Auseinandersetzung mit der restriktiven Position von M. Vachek, S. 407 ff.; zurückhaltend ferner C Hillgruber, DVB1. 1999, 1155 (1177).

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sonstige, nach dem Selbstverständnis der Religionsgemeinschaft einschlägige religiöse Praktiken wird man annehmen müssen. Darüber hinaus wird man Art. 9 I E M R K ein Selbstbestimmungsrecht in zentralen religiösen Anliegen wie der religiösen Lehre, des Kultes oder der Ämterordnung zu entnehmen haben. Dieses Selbstbestimmungsrecht erfaßt dann auch zahlreiche organisatorische Vorfeldfragen, die für die freie Religionsausübung unabdingbar s i n d . 2 1 3 Ansätze zu einer Anerkennung besonderer organisatorischer Freiheiten von Religionsgemeinschaften durch die Kommission bzw. den Gerichtshof finden sich etwa in Entscheidungen zu Disziplinarfällen, in denen jeweils die Geltendmachung individueller Religionsfreiheit in einer Religionsgemeinschaft gegen eine Religionsgemeinschaft an die Grenzen korporativer Religionsfreiheit stieß. 2 1 4 Besonders nachdrücklich hat nun der E G M R die korporative Dimension der Religionsfreiheit als ein Recht auf Selbstverwaltung in der Entscheidung zur Rs. Hasan und Chaush herausgestrichen. Dort heißt es: „The Court recalls that the religious communities traditionally and universally exist in the form of organised structures. ... Participation in the life of the community is thus a manifestation of one's religion, protected by Article 9 of the Convention. Where the organisation of the religious community is at issue, Article 9 must be interpreted in the light of Article 11 of the Convention which safeguards associative life against unjustified State interference. Seen in this perspective, the believers's right to freedom of religion encompasses the expectation that the community will be allowed to function peacefully free from arbitrary State interference. Indeed the autonomous existence of religious communities is indispensable for pluralism in a democratic society and is thus an issue at the very heart of the protection which Article 9 affords. It directly concerns not only the organisation of the community as such but also the effective enjoyment of the right to freedom of religion by all its active members. Were the organisational life of the community not protected by Article 9 of the Convention, all other aspects of the individual's freedom of religion would become vulnerable." 215 Freilich ist auch in Bezug auf die sachliche Weite des Schutzbereichs korporativer Religionsfreiheit zu berücksichtigen, daß nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien die jeweiligen staatskirchenrechtlichen Arrangements in den ein212

EMRK DR 5, 157 (158): „the church itself is protected in its right to manifest its religion, to organise and carry out worship, teaching practice and observance"; C. Walter, Religions- und Gewissensfreiheit, Rdnr. 43 ff. 213 A. Hollerbach, ZevKR 35 (1990), 250 (258); A. Bleckmann, Religionsfreiheit, S. 29 ff.; G. Robbers, HdbStKirchR 2 I, S. 315 (317 f.); M. Haedrich, S. 71 f.; R. Streinz, Essener Gespräche 31 (1997), S. 53 (62); M. Heintzen, FS Listi, 1999, S. 29 (37 f.); H Weber, ZevKR 45 (2000), 110 (148 f.); ders., FS Maurer, 2001, S. 469 (486 f.); ders., ÖARR 49 (2002), 1 (8 ff.); ders., ZevKR 47 (2002), 265 (274 ff.); S. Mückl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, S. 39 f.; C. Walter, Religions- und Gewissensfreiheit, Rdnr. 78 ff. 214 N. Blum, S. 177; cf. etwa EMRK DR 5 (1976), 157 ff.; EMRK DR 42, 247 (257 ff.); EMRK, EuGRZ 1986, 648 f., dazu auch C. Walter, Minderheiten, i.E.; ferner J. A. Frowein, Essener Gespräche 27 (1993), S. 46 (57). 215 EGMR App.No. 30985/96; hierzu H. Weber, ZevKR 47 (2002), 265 (275 f.); C. Walter, Religions- und Gewissensfreiheit, Rdnr. 78.

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zelnen Unterzeichnerstaaten nicht durch den Umweg des korporativen Grundrechtsschutzes von Religionsgemeinschaften nach der EMRK in Frage zu stellen sind. 216 Deshalb wird das Recht auf Selbstordnung und -Verwaltung von Religionsgemeinschaften nach Art. 9 I EMRK nicht die Extension des deutschen Grundrechtsschutzes erreichen. Der durch Art. 9 I EMRK vermittelte Status der Freiheit für Religionsgemeinschaften steht, dem Grundgesetz insoweit nicht unähnlich, unter dem qualifizierten Gesetzesvorbehalt des Art. 9 II EMRK. Danach darf die Religionsfreiheit aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden, wenn diese Beschränkung eine in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Maßnahme im Interesse der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit, Moral oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer darstellt. 217 (4) Die EUGRCh. Die Rechtsprechung des EGMR zur Religionsfreiheit religiöser Korporationen stand dem mit der Erarbeitung der EU-Grundrechtscharta betrauten Konvent deutlich vor Augen, als er die Religionsfreiheit in der EUGRCh in enger Anlehnung an Art. 9 EMRK wie folgt umschrieb: „ Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfaßt die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu bekennen" (Art. 10 EUGRCh). Mit dem Gleichlauf im Wortlaut ist in Art. 10 EUGRCh die anhand der Formulierung „gemeinsam mit anderen" in der europäischen Menschenrechtsprechung entwickelte korporative Dimension der Religionsfreiheit mit eingezeichnet. 218 In personeller Hinsicht bedeutet dies, daß Kirchen und Religionsgesellschaften vom Schutzbereich des Art. 10 EUGRCh erfaßt werden. Auch in sachlicher Hinsicht wird man die Rechtstradition der EMRK zur korporativen Religionsfreiheit zu berücksichtigen, ergo ein Recht auf freie Selbstordnung und -Verwaltung in gewissem Umfang als Teilgewährleistung religiöser Freiheit zu konstatieren haben. Freilich ist die EUGRCh bisher nicht geltendes Primärrecht, da man sich in der Regierungskonferenz von Nizza nicht auf ihre Aufnahme in das Vertragswerk einigen konnte. Doch hindert dies nicht, die Charta als Rechtserkenntnisquelle fruchtbar zu machen und den in ihr zum Ausdruck gebrachten gemeineuropäischen Besitzstand der Grund- und Menschenrechte als Explikation der „allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts" i. S. d. Art. 6 II EUV zu begreifen. 219 216 N. Blum, S. 177; H. Weber, ZevKR 45 (2000), 109 (148); C. Walter, Religions- und Gewissensfreiheit, Rdnr. 60 f. 217 Zur Schranke des Art. 9 II EMRK insb. N. Blum, S. 108 ff.; W. Fiedler, VVVDStRL 59 (2000), S. 200 (207 ff.); C. Walter, Religions- und Gewissensfreiheit, Rdnr. 85 ff.. 218 G. Robbers, FS Maurer, 2001, S. 425 (426 ff.); H Weber, ebenda, S. 469 (489 f.); H. M. Heinig, ZevKR 46 (2001), 440 (450); J. E. Christoph, ZevKR 46 (2001), 363 (369). 219 M. Zuleeg, EuGRZ 2000, 511 (514); vgl. auch etwa die Schlußanträge des GA Tizzano vom 08. 02. 2001, Rs. C-173/99, BECTU, Rz. 26 ff. sowie des GA Alber vom 01. 02. 2001, 2

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

(5) Zwischenresümee. Einstweilen kann damit festgehalten werden, daß die korporative Religionsfreiheit ein von der EU zu achtendes Grundrecht i. S. d. Art. 6 II EUV bildet 2 2 0 und so einen Status der Freiheit von Religionsgemeinschaften auf der Ebene des Europarechts fundamentiert. Die Religionsfreiheit nach dem EURecht umfaßt dabei auch Elemente freier Selbstordnung und -Verwaltung der Religionsgemeinschaften. Sie garantiert dabei effektiv einen geringeren rechtlichen Entfaltungsraum frei jeglicher hoheitlichen Ingerenz als das deutsche Religionsverfassungsrecht; gleichwohl stellt sie einen beachtlichen Grundbestand korporativer Religionsfreiheit in der EU sicher.

cc) Das Grundrecht auf Nichtdiskriminierung aus Gründen der Religion oder Weltanschauung auf der Ebene der Europäischen Union Neben dem einen Status der Freiheit von Religionsgesellschaften sichernden Grundrecht auf korporative Religionsfreiheit ist auch ein Grundrecht auf Parität Bestandteil des Grundrechtsschutzes der Europäischen Union. Nichtdiskriminierung ist ein zentrales Anliegen europäischer Politik, denn sie ist unverzichtbare Bedingung für die Funktionsfähigkeit supranationaler Strukturen öffentlicher Gewalt. 221 Dies gilt namentlich für den Bann von Ungleichbehandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit, angesichts der vielschichtigen Unterschiede in den Sozialstrukturen und -kulturen der Mitgliedstaaten darüber hinaus aber auch für andere diskriminierungsaffine Merkmale wie die Religion und Weltanschauung. Wiederum speisen sowohl die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als auch die EMKR (in Gestalt von Art. 14) das EU-Verbot religiöser Diskriminierung. Gebündelt wird der gleichheitsrechtliche Rechtsbestand in Art. 21 EUGRCh formuliert. Dort heißt es: „Diskriminierungen, insbesondere wegen ... der Religion oder Weltanschauung ..., sind verboten. " Im Primärrecht ist zudem auf Art. 13 EGV zu verweisen, der zwar selbst kein Diskriminierungsverbot enthält, aber eine Rechtsgrundlage für hiergegen gerichtete Maßnahmen darstellt (s. ο. II. 3.).

Rs. C-340/99, TNT Traco SpA vs. Poste Italiane SpA., die bereits auf die Charta Bezug nehmen. Auch erste Urteile deutscher Gerichte erwähnen die religionsbezogenen Vorschriften der Charta, so VG Lüneburg, NJW 2001, 767 (769 f.) in seiner „KopftuclT-Entscheidung. 220 A. Bleckmann, Religionsfreiheit, S. 3 ff.; G. Robbers, Gewissen und Freiheit 48 (1997), 104 ff.; H. T. Conring, S. 375 ff.; M. Heintzen, FS Listi, 1999, S. 29 (37 ff.); M. Heinig, ZEE 1999, 294 (301 ff.); J. Müller-Volbehr, ZevKR 44 (1999), 385 (406 ff.); H. Weber, ZevKR 45 (2000), 110 (147 ff.); H. de Wall, ZevKR 45 (2000), 157 (166 ff.); C. Starck, JZ 2000, 1 (5); W. Bausback, EuR 2000, 261 (266 ff.); S. Mückl, Religions- und Weltanschauungsfreiheit, S. 33 ff.; F. Sucker, S. 30 ff.; R. Stotz, ÖARR 46 (1999), 64 (66 f.); B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 262.; S. C. van Bijsterveld, Godsdienstvrijheid in Europees perspectief, 1998, S. 161 ff. 221 H. M. Heinig, Art. 13 EGV, S. 216; ders., Art. Diskriminierung, in: EvSL, Neuausgabe 2001, Sp. 283 (287); s.a. M. Rossi, EuR 2000. 197 (198).

IV. Religionsrecht als Mehrebenenrecht

435

Das dergestalte grundrechtliche Verbot religiöser und weltanschaulicher Diskriminierung bedarf - wie das grundgesetzliche auch - eines Abgleichs mit den bürgerlichen Freiheitsrechten. Mehrebenenspezifisch sind aber auch die von der Union zu achtenden Ausgestaltungsfreiheiten (als religionsrechtliche Kompetenzen) der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. 222 Ein Indiz zur Klärung beider Koordinierungsfragen findet sich in dem ebenfalls dem III. Kapitel (Gleichheit) zu entnehmenden, oben bereits erwähnten Art. 22 EUGRCh, der die Achtung der Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen gebietet. Die Beachtlicherklärung der Vielfalt der Religionen eröffnet Raum für die Anerkennung der Differenzen von Religionen, die Berücksichtigung der Jeweiligkeiten und damit eine angemessen differenzierte, kontextabhängige Anwendung des Verbots religiöser Gleichbehandlung: streng formale Gleichheit etwa bei der Besetzung von Ämtern der öffentlichen Gewalt Kenntnisnahme der Varianzen aber etwa bei bestimmten Aspekten der Religionsförderung oder bei der Ausgestaltung des einfachen Rechts (s. o. 3. Kap. III.). Vielfalt der Religionen legitimiert indirekt gleichfalls unterschiedliche Systeme der StaatKirchen-Beziehungen in den Mitgliedstaaten. Denn die unterschiedlichen nationalen Modelle spiegeln zugleich die plurale europäische Religionskultur wider. Dies findet seinen Ausdruck auch in der vom Präsidium des Konventes erarbeiteten, oben (d.) bereits erwähnten Begründung zu Art. 22 EUGRCh, in der es heißt, daß sich die Bestimmung „an die Erklärung Nr. 11 zur Schlußakte des Vertrages von Amsterdam betreffend den Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften" anlehnt. 223 Art. 22 fügt sich damit ebenfalls in den skizzierten Mehrebenencharakter des europäischen Religionsrechts ein: einerseits werden religiöse Belange und Interessen auf europäischer Ebene, andererseits die beste-hende religionsrechtliche Vielfältigkeit in der Union für beachtlich erklärt.

dd) Die Verzahnung der Grundrechtsregime (1) Art. 23 GG. Die Gewährleistung eines effektiven Grundrechtsschutzes durch die Europäische Union ist nach Art. 23 I GG wesentliche Voraussetzung für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland in dieser supranationalen Organisation. Die Norm verlangt allerdings - in Rezeption der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 224 222 Cf. allg. zur Dogmatik des Gleichheitssatzes der EU U. Kischel, EUGRZ 1997, 1 ff., der aber die besonderen Einwirkungen nationaler Ausgestaltungen nicht berücksichtigt. 223 CHARTE 4473/00 - CONVENT 49; wiedergegeben in Κ. H. Fischer, Der Vertrag von Nizza, 2001, S. 531. 224 BVerfGE 73, 339 Ls. 2.; dort ist auf den vom Grundgesetz „unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz" abgestellt, der Maßstab scheint durch Art. 23 GG also verschärft, in der Sache aber ist laut Karlsruhe der gleiche Befund gemeint, BVerfGE 102, 147 (164). Cf. auch BVerfGE 89, 155 (156 Ls. 7 und 175) und E 95, 173 (181). Entscheidend für den anzuwendenden Maßstab ist die funktionale Ausrichtung des Art. 23 GG, der die Bundesrepublik Deutschland zu einer effektiven Mitgliedschaft in der Europäischen Union befähigen soll. 2

436

5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

nur einen dem Grundgesetz i m wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz, keinen identischen Grundrechtsschutz 225 - die Rechtskultur eines Mitgliedstaates zum alleingültigen Maßstab der europäischen Rechtsordnung zu erheben, würde zugleich das Scheitern der europäischen Integration implizieren. 2 2 6 Bestimmte Divergenzen sind hinzunehmen. Die wesentliche Gleichheit bestimmt sich nicht nach dem Einzelfall. Auch innerhalb einzelner Grundrechtstatbestände (wie dem der Religionsfreiheit) ist ein gewisser Raum für Unterschiede zwischen europäischer und deutscher Grundrechtsebene. 227 Maßgeblich für die Voraussetzung der wesentlichen Gleichheit i. S. d. Art. 23 GG ist insoweit eine typisierende Gesamtbetrachtung innerhalb eines einzelnen Grundrechtsbereichs sowie des gesamten Grundrechtssystems. Eine äußerste fixe Grenze bildet dabei nach Art. 23 I 3 GG i.V.m. Art. 79 I I I GG die in Art. 1 GG festgehaltene Menschenwürde. Mehrebenenspezifik bedeutet in Grundrechtsdingen deshalb die Möglichkeit der Varianz i m Rahmen funktionaler Äquivalenz, die Option des Über- und Unterschreitens der in manchen Ländern bekannten Schutzniveaus auf anderen Ebenen - aber: mehrebenentypisch - nur innerhalb bestimmter Bandbreiten, was sich auch aus Art. 6 I, I I E U V ergibt. 2 2 8 In diesem Sinne ist der Grundrechtsschutz in Europa Ausdruck der Heterogenität des europäischen Mehrebenensystems. 229 Dies schließt eine umfassende Prüfung des Gemeinschaftsrechts an deutschen Grundrechten aus. Geboten sind vielmehr, wie das Bundesverfassungsgericht nun wieder (in Klarstellung von BVerfGE 89, 155 ff.) herausarbeitet, generell vergleichbare Grundrechtsstandards, d. h. einen „unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz" sowie die generelle Verbürgung der Wesensgehalte der Grundrechte, BVerfGE 102, 147 (164); kritisch hierzu C. Schmid, NVwZ 2001, 249 ff. Die Maastricht-Entscheidung hat insoweit keine Schärfung der Prüfungsmaßstäbe gebracht, wie vielfach angenommen - schließlich wird die „Solange II"-Entscheidung mit den dort benannten Standards ausdrücklich zitiert, sondern vor allem die in Art. 23 GG angelegte Bindung der gesamten in Deutschland ausgeübten öffentlichen Gewalt an die unabdingbaren Grundrechtsstandards nachgezeichnet (BVerfGE 89, 155 [175]). Die erhebliche Aufregung hinsichtlich des Grundrechtsschutzes im Nachgang zum „Maastricht"-Urteil läßt sich deshalb im Rückblick wohl weniger mit dem Extrakt der juridischen Aussagen erklären als vielmehr mit dem Duktus der Urteilsbegründung und der daran anknüpfenden (zu) weitgehenden Interpretation des Urteils seitens der Kritiker der europäischen Integration. Diese sahen fortan und auch bereits vorher (hierzu U. Everling, EuR 1990. 195 ff.; C. Tomuschat, EuR 1990, 340 ff. m. w. N.) allüberall eine „Solange ΙΙΓ-Entscheidung heraufziehen. Diese Erwartung hat sich, wie die Rechtsprechung des BVerfG seitdem zeigt (E 92, 203 ff.; E 95, 173 ff.; EuZW 2000, 445 ff.), nicht erfüllt. 225 Nachdrücklich betont in BVerfGE 102, 147 ff. 226 j, Schwarze, JZ 1999, 637 (640 ff.). 227 BVerfGE 102, 147 (164): „Ein deckungsgleicher Schutz in den einzelnen Grundrechtsbereichen des Grundgesetzes durch das europäische Gemeinschaftsrecht und die darauf fußende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist nicht gefordert." Umgekehrt aber ist auch herauszustreichen, daß der europäische Grundrechtsverbund keine totale Homogenisierung durch die europäischer Ebene verlangt; cf. insoweit A. v. Bogdandy, JZ 2001, 157 (162 f.); ders., Der Staat 39 (2000), 163 (183). 228 /. Pernice, in: H. Dreier (Hrsg.), GG, Art. 23 Rdnr. 75 ff.; U. Kischel, Der Staat 39 (2000), 523 ff. m. w. N. 229 H. M. Heinig, Art. 13 EGV, S. 249.

IV. Religionsrecht als Mehrebenenrecht

437

Der mit den EU-Grundrechten vermittelte Status der Freiheit und Gleichheit von Religionsgemeinschaften genügt nach gegenwärtigem Entwicklungsstand diesen durch das Grundgesetz aufgestellten Anforderungen an den durch die EU zu gewährleistenden Grundrechtsschutz im Mehrebenensystem. Die korporative Religionsfreiheit wie das Verbot religiöser Diskriminierung werden hinreichend effektiv durch das Grundrechtssystem der EU gewährleistet. 230 Dies gilt jedenfalls für die politische und rechtssetzende Praxis der Union sowie für die normativen grundrechtlichen Vorgaben - der Lackmustest höchstrichterlicher Entscheidungen steht weiterhin aus. (2) EMRK. Welches grundrechtliche Schutzniveau die EMRK gegenüber den Mitgliedstaaten verlangt, wenn diese Hoheitsgewalt auf supranationale Organisationen übertragen, läßt sich abschließend noch nicht absehen, kann hier aber auch offenbleiben. 231 Man wird wohl davon auszugehen haben, daß Mitgliedstaaten supranationale Strukturen so zu errichten haben, daß ein mit der EMRK im wesentlichen vergleichbarer Grundrechtsschutz gewährt wird (Organisations- und Einrichtungspflicht). Ferner haben Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung ihrer Mitgliedschaftsrechte auf eine Einhaltung solcher Standards hinzuwirken (Überwachungspflicht). 232 Eingedenk der engen Anlehnung des religionsbezogenen Grundrechtsschutzes der EU an die Tatbestände der EMRK werfen diese Anforderungen keine Probleme auf.

f) Der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung und der „ ausbrechende Rechtsakt " Religionsrecht als Teilgebiet eines europäischen Mehrebenenrechts zu verstehen, bedeutet nach dem bisher Beschriebenen in kompetentieller Hinsicht, daß die grundsätzliche Zuständigkeit für die Festlegung rechtlicher Handlungsrahmen und Betätigungsmöglichkeiten von organisierter Religion laut europäischer Unionsgrundordnung bei den Mitgliedstaaten liegt, die diese entsprechend ihrer nationa230 Cf. a. BVerfGE 73, 339 (380); zuletzt E 102, 147 (162) zur Religionsfreiheit generell. Die Markierung des Art. 79 III GG als äußerste Grenze der Übertragung von Hoheitsgewalt auf die EU ist so derart außer Sichtweite, daß auf die Menschenwürdegemäßheit und Rechtsstaatlichkeit des Grundrechtsschutzes der EU hier kein weiteres Wort zu verlieren ist. Realer erscheint da schon ein Verfassungskonflikt aufgrund eines Demokratiedefizits der EU; hierzu G. Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2000), S. 246 ff.; in anderem, klassisch „zweigleisigen" Zuschnitt E.-W. Böckenförde, Welchen Weg geht Europa?, in: ders., Staat, Nation, Europa, 1999, S. 68 (91 ff.); M. Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, 1997 jeweils m. w. N.; vermittelnd D. Tsatsos, EuGRZ 2000, 517 (519 ff.), der vorschlägt, besonders die Vertragsrevisionsverfahren zum Hebel der Demokratieeffektivierung zu nutzen. Zur Problematik auch C. D. Classen, AöR 119 (1994). 238 ff.; A. v. Bogdandy, KritV 2000, 284 ff.; F. Brosius-Gersdorf, EuR 1999, 133 ff. 231 Cf. C. Grabenwarter, VVDStRL 60 (2001), S. 290 (329 ff., 332 ff.); C. Walter, ZaöRV 59 (1999), 961 (978 ff.); ders., AöR 128 (2003), i.E. m. w. N. 232 H. M. Heinig, ZevKR 46 (2001), 440 (442).

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

len Verfassungsstruktur auf weitere Ebenen verteilen können. Der Europäischen Union dagegen ist der Zugriff auf die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in Fragen der Rechtsstellung von Religionsgemeinschaften und weiter in sämtlichen Fragen des Religionsrechts durch den Grundsatz der beschränkten Einzelermächtigung (Art. 5 I EGV) versperrt. Eine Ausnahme von der religionsrechtlichen Kompetenzlosigkeit der Gemeinschaft bildet Art. 13 EGV. Aber auch mittelbare Folgewirkungen von an sich religionsindifferentem kompetenzgemäß zustande gekommenem Europarecht bestehen und sind innerhalb eines rechtlich strukturierten Mehrebenensystems unvermeintlich. Überschreitet die Gemeinschaft im Rahmen ihrer rechtssetzenden Tätigkeit diesen Kompetenzrahmen, verstößt sie gegen Art. 5 I EGV mit der Folge, daß der Europäische Gerichtshof auf Klage hin (Art. 230 EGV) den Rechtsakt grundsätzlich für nichtig erklärt (Art. 231 EGV). 2 3 3 Daneben sieht sich auch das Bundesverfassungsgericht berufen zu prüfen, „ob Rechtsakte der europäischen Einrichtungen und Organe sich in den Grenzen der ihnen eingeräumten Hoheitsrechte halten oder aus ihnen ausbrechen." 234 Ohne dies ausdrücklich zu benennen, wird auch diese reklamierte Zuständigkeit für die Feststellung von ultra-vires-Akten durch das Bundesverfassungsgericht in Kooperation mit dem Europäischen Gerichtshof ausgeübt, denn auch hier greift die Rechtsverflechtung dergestalt durch, daß eine aus der Logik des Mehrebenenrechts heraus zu entwickelnde Letztentscheidungskompetenz nicht auszumachen ist. Entsprechend zurückhaltend ist das Bundesverfassungsgericht auch bei der Anwendung dieser in der Maastricht-Entscheidung herausgestrichenen Überprüfungskompetenz. 235

Zwischenresümee Das religionsrelevante Mehrebenenrecht eröffnet grundsätzlich die Möglichkeit der Transformation des mitgliedstaatlichen Religionsrechts. Hierbei steuert die allgemeine Mehrebenenlogik der Rücksichtnahme auf die Spezifika der anderen Ebenein) in Form des Schutzes der nationalen Identität, durch das Prinzip der Subsidiarität sowie der mehrebenendurchformte Grundrechtsschutz in Religionsdingen die effektiven Auswirkungen des Europarechts auf die Rechtsstellung von Religionsgemeinschaften in Deutschland. Eine gänzliche oder weitgehende Freihaltung 233

M. Zuleeg, RdA 1996, 71 (75). Zu „eingebildeten und realen Gefahren" solcher kompetenzüberschreitenden Rechtsakte W. Schroeder, EuR 1999, 452 ff. 2 34 BVerfGE 89, 155 (156 Ls. 5) unter Berufung auf BVerfGE 75, 223; cf. a. E 89, 155 (188). Hierzu statt vieler H.-P. Folz, Demokratie und Integration, 1999, insb. S. 175 ff. m. w. N.; a. M. Zuleeg, NJW 1997, 1201 (1206 f.). 235

Nach BVerfGE 92, 203 ff. ist prozeßrechtlich die Geltendmachung eines „ausbrechenden Rechtsakts" im Bund-Länder-Streit nicht möglich; dies veranlaßt U. Häde, von einer „leeren Drohgebärde" des Maastricht-Urteils zu sprechen (EuZW 284 [285]). In BVerfG, EuZW 2000, 445 (447) stellte sich für das Gericht die Frage nach dem Vorliegen eines „ausbrechenden Rechtsakts" in der Sache - trotz Anhaltspunkten (cf. M. Vogler, EuZW 2000, 447 [447 f.]), legt man einen strengen und keinen „kooperativen" Maßstab an - nicht.

V. Art. 137 V WRV im allgemeinen Europarecht

439

des grundgesetzlichen Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz deutscher Religionsgesellschaften von den Wirkungen des Europarechts bewirkt keiner der Normen(komplexe). Auch Strukturänderungen in Teilbereichen des nationalen Religionsrecht durch das Europarecht sind dadurch nicht gänzlich ausgeschlossen. Denn nicht zur Konservierung und „Petrifizierung" der mitgliedstaatlichen Traditionsbestände, sondern zur behutsamen Austarierung von Kontinuitäten und integrationsbedingtem Wandel verpflichten die europäische Unionsgrundordnung wie das Grundgesetz. Deshalb sichert das Mehrebenenrecht 1. Ordnung die Berücksichtigung der vielgestaltigen mitgliedstaatlichen religiösen Interessen und resultiert im Sekundärrecht selbst Sondertatbestände, läßt mehrebenenadäquat eine mitgliedstaatsspezifische Ausgestaltung in Korrelation zum auf dieser Ebene bestehenden Religionsrecht zu (cf. supra III.) oder bietet zumindest Raum und methodische Basis für eine religiöse Interessen berücksichtigende Interpretation des Europarechts (V. und VI.).

V. Die Behandlung von Religionsgesellschaften i. S. d. Art. 137 V WRV im allgemeinen Europarecht 1. Bestandsaufnahme der Rechtsfragen Das Religionsrecht im europäischen Mehrebenenrecht verlangt die Einpassung von religionsrechtlichen Besonderheiten der einen Ebene in die allgemeine Ordnung der anderen Ebene. Eine solche Besonderheit bildet der öffentlich-rechtliche Status von Religionsgemeinschaften nach Art. 137 V WRV. Die Frage nach seiner Bedeutung bei der Anwendung des allgemeinen Europarechts auf die so organisierten Religionsgemeinschaften läßt sich dabei in mehrerlei Hinsicht konkretisieren: man hat die Anwendbarkeit der Freizügigkeitsgarantie und der anderen Grundfreiheiten auf solche Organisationen zu prüfen und die Wirkung von Richtlinien gegenüber öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften i. S. d. Grundgesetzes zu untersuchen. In Frage steht weiterhin das Eingreifen des europäischen Vergaberechts wegen der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ferner ist zu betrachten, ob Ausnahmeklauseln für öffentlich-rechtliche Organisationen im europäischen Primär- und Sekundärrecht auch auf deutsche öffentlichrechtlich korporierte Religionsgemeinschaften anzuwenden sind. 236 Schließlich wäre zu überlegen, inwieweit sich das kirchliche Steuerrecht als besonderes Körperschaftsrecht in das Europarecht einfügt.

236 Cf. a. H. M. Heinig, Kirchen, S. 125 ff.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

2. Die Logik des Mehrebenenrechts bei der Behandlung von Religionsgesellschaften i. S. d. Art. 137 V WRV im allgemeinen Europarecht Die Beantwortung dieser Fragen stellt insoweit eine besondere Herausforderung dar, als divergierende, durch das Mehrebenenrecht 1. Ordnung als legitim anerkannte Interessen zu berücksichtigen sind: zum einen ist als europäisches Regelungsinteresse auszumachen, daß bei der Anwendung des Europarechts auf nationale Spezifika tunlichst keine Flucht vor den besonderen Bindungen des Europarechts gelingt. Besondere europarechtliche Pflichten sind deshalb in dieser Perspektive auch in der personalen Anwendung besonders extensiv, besondere Exemtionen besonders restriktiv zu interpretieren. Isolierte man deshalb die Auslegung und Anwendung des Europarechts auf diesen Bedeutungsstrang, ließen sich auf die aufgeworfenen Fragen zwei einfache Antworten geben: maximale Bindung der nach Art. 137 V WRV organisierten Religionsgemeinschaften an die europäisch definierten Pflichten und minimaler Einbezug in die besonderen Europarechte öffentlich-rechtlicher Organisationen. Welche Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Rechtsform nach dem Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten zukommt und wie sie nach der nationalen Rechtsordnung ausgestaltet ist, wäre dann per se eine qualité negliable. Folgt man aber der These des vorangegangenen Abschnitts, daß das europäische Mehr-ebenenrecht grundsätzlich offen für die Verarbeitung vielgestaltiger Rechtsverwebungen ist und eine gewisse Rücksichtnahme auf jeweilige Besonderheiten der Rechtsebenen fordert, dann wird man die grundrechtlichen Positionen der betroffenen Organisationen (als zivilgesellschaftliches Interesse) und die nationale Rechtslage (die zu erhalten im mitgliedstaatlichen Interesse liegen dürfte) nicht vollständig ignorieren können. Die Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Rechtsform einer Religionsgesellschaft nach Art. 137 V WRV für die Anwendung des allgemeinen Europarechts läßt sich bei angemessener Berücksichtigung der Komplexität des Mehrebenenrechts nicht pauschal und unter Absehung der genauen mitgliedstaatlichen Fixierungen des Religionsrechts feststellen. Ebenso aber wäre der Weg für eine Art staatskirchenrechtlicher Rosinentheorie versperrt, die dem „rätselhaften Ehrentitel" der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft immer die gerade im Hinblick auf das Europarecht genehme Gestalt und Bedeutung zu entnehmen vermag und so die Besonderheiten des Europarechts ignoriert. In der gängigen europarechtlichen Dogmatik bildet sich dieses Verhältnis von bedeutsamer Eigenlogik des Europarechts und Berücksichtigungsbedürftigkeit der nationalen Ausgestaltungen in zweierlei Form ab: Einerseits werden Begriffe und Merkmale des Europarechts eigenständig, losgelöst von den nationalen Rechtsordnungen definiert - dies ist eine typische Erscheinung von Mehrebenenordnungen und in Deutschland für das Verhältnis von Grundgesetz und einfachem Recht bekannt. 237 Andererseits entzieht sich aber das „Subsumtionsmaterial" der Definitionsmacht des Europarechts; bei der Anwendung des Europarechts kann der

V. Art. 137 V WRV im allgemeinen Europarecht

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Rechtsform der Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts keine andere Bedeutung zugewiesen werden, als ihr nach deutschem Recht zukommt. Dem entspricht die Praxis des Europäischen Gerichtshofs, nur das Europarecht, nicht aber das nationale Recht bei Vorabentscheidungsverfahren auszulegen.238 Vor diesem Hintergrund kann man sich den aufgeworfenen Einzelfragen nach der Bedeutung des Körperschaftsstatus i. S. d. Art. 137 V WRV bei der Anwendung des allgemeinen Europarechts vor einer detaillierten Analyse schon in gewisser typisierender Weise annähern. Maßgeblich für die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten, des Sekundärrechts, des Vergaberechts u.s.w. ist dann jeweils, ob die betroffenen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften wie Emanationen staatlicher Gewalt oder wie private Vereinigungen, also als Teil der Zivilgesellschaft, zu behandeln sind. Die abstrakte Bestimmung, was als staatliche Gewalt zu fassen ist, hat dabei durch das Europarecht selbst zu erfolgen und findet in den jeweiligen europarechtlichen Regelungskontexten auch einen unterschiedlichen Zuschnitt. Das „Subsumtionsmateriar der öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaft bestimmt sich dagegen nach nationalem Recht. Die auf dieser Ebene festgelegten Ausformungen und Spezifika hat das Europarecht zur Kenntnis zu nehmen; sie sind nicht disponibel, wenn es um die Frage der Anwendung des Europarechts geht. Die Transformation des Religionsrechts durch das Europarecht bedeutet an dieser Stelle deshalb allenfalls ein Zuwachsen an Rechten und Pflichten, nicht aber einen Bedeutungswandel der im nationalen Recht festgelegten Rechtsform. Die durch das Religions(verfassungs)recht des Grundgesetzes gesetzten, im hiesigen Kontext maßgeblichen Vorgaben sind im 4. Kapitel (I.) näher ausgeführt. Als Kernpunkte lassen sich rekapitulieren, daß der Körperschaftsstatus maßgebliches Mittel zur Entfaltung der Religionsfreiheit ist. Die mit ihr versehenen Vereinigungen sind deshalb umfänglich grundrechtsfähig, stehen dem Staate also als Teil der Gesellschaft gegenüber. Öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften unterscheiden sich damit grundlegend von Körperschaften des öffentlichen Rechts im verwaltungs- und staatsorganisationsrechtlichen Verständnis. „Sie nehmen keine Staatsaufgaben wahr, sind nicht in die Staatsorganisation eingebunden und unterliegen keiner staatlichen Aufsicht." 239 Neben der Verleihung der Rechtspersönlichkeit führt der Körperschaftsstatus freilich, dies ist gerade sein grundrechtsfördernder und -effektivierender Mehrwert gegenüber einer privatrechtlichen Organisationsform, zur Übertragung bestimmter, mit Hoheitsgewalt verbundener Rechte, also zu punktuellen Beleihungen. Zu nennen sind neben dem in Art. 137 Abs. 6 WRV ausdrücklich 237 Klassiker dieser Diskussion sind die Frage nach der juristischen Person i. S. d. Art. 19 III GG und nach dem Eigentum i. S. d. Art. 14 GG. 238 EuGHE 1979, 1163 - ICAP, st. Rspr.; B. Wegener, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV /EGV, Art. 234 EGV Rdnr. 3. 239 BVerfGE 102,370(388).

442

5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

benannten Recht, Kirchensteuern zu erheben, die Dienstherrenfähigkeit, der Zugriff auf ein besonderes, öffentlich-rechtliches Sachenrecht, mit diesen drei Komponenten verbunden eine Rechtssetzungsbefugnis, ferner öffentlich-rechtliche Organisationsgewalt sowie das Parochialrecht (4. Kap. II. 1.). Daneben werden öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften durch Gesetz weitere Rechte eingeräumt - sog. Privilegienbündel (4. Kap. II. 2.). Die körperschaftsspezifischen Beleihungen zeichnen sich wiederum durch Besonderheiten gegenüber anderen Formen der Übertragung von Hoheitsgewalt auf Private aus; auf sie besteht ein Rechtsanspruch, ihre Nutzung liegt in der Freiheit der Begünstigten und auch innerhalb der Beleihung bleibt die Religionsgemeinschaft Grundrechtsträger, was zu Modifikationen der Grundrechtsbindung nach dem Grundgesetz durch die Beleihung führt (4. Kap. I. 5.). Diese Spezifika öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften nach deutschem Recht haben bei der Anwendung des allgemeinen Europarechts Anerkennung und Berücksichtigung zu erfahren (s. nun 3. ff.).

3. Die europäischen Grundfreiheiten und der Körperschaftsstatus nach Art. 137 V WRV a) Kasus und Modus einer Verpflichtung die europäischen Grundfreiheiten

durch

(1) Gleichstellung mit Privatpersonen. Die besondere religionsgesellschaftliche Spielart der öffentlich-rechtlichen Körperschaft (keine staatliche Inkorporation, volle Grundrechtsberechtigung) läßt es angezeigt erscheinen, entsprechend organisierte Religionsgesellschaften bei der Anwendung der Grundfreiheiten grundsätzlich wie sonstige private juristische Personen zu behandeln. Die unmittelbare Unterworfenheit öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften unter die Grundfreiheiten realisierte sich dann in gleichem Maße wie bei Privatpersonen überhaupt. Als „primärer" Adressat der Grundfreiheiten, nämlich als Träger von mitgliedstaatlicher öffentlicher Gewalt, 240 schieden sie damit im Regelfall aus. 241 Anders dürften auf den ersten Blick nur solche Tätigkeitsfelder öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften zu bewerten sein, die wie das Kirchensteuerwesen durch eine besondere öffentlich-rechtliche Beleihung geprägt sind; hier liegt es zunächst nahe, von einer direkten Bindung an die Grundfreiheiten auszugehen.242 240 H. D. Jarass, EuR 1995, 202 (209 f.); ders., EuR 2000, 705 ff.; A. Epiney, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 28 EGV Rdnr. 44. 241 Dies gilt auch im Lichte des sehr weiten Verständnisses innerstaatlicher Stellen seitens des EuGH, nach dem bekanntlich auch Einrichtungen, die formal nicht zur staatlichen Verwaltungsorganisation gehören, deren Mitglieder aber vom Staat ernannt und die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, grundfreiheitsverpflichtet sind, EuGHE 1990 1-4625 (4643 Tz. 15 f.); H. D. Jarass, EuR 1995, 202 (210).

V. Art. 137 V WRV im allgemeinen Europarecht

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(2) Unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten. Allerdings entfalten zumindest die Personenverkehrsfreiheiten nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unter bestimmten Umständen unmittelbare Drittwirkung gegenüber Privatpersonen. 243 Der Wortlaut dieser Grundfreiheiten läßt den Adressaten, anders als die besonderen Wettbewerbsregeln in Art. 81 ff. EGV, offen. Entscheidende Motivation für die Annahme einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten ist dabei die Sicherung ihrer Effektivität. Wenn sich etwa ein Sportverband mit Regelungsmacht für die Bedingungen eines professionellen Spielbetriebs den Wirkungen der Freizügigkeit gänzlich entziehen könnte, würde diese in einem maßgeblichen Lebensbereich faktisch leerlaufen. (3) Dogmatische Aufarbeitung. Die genaue dogmatische Aufarbeitung der direkten Bindung von Privaten an die Grundfreiheiten wirft aber zahlreiche Probleme auf, so wären etwa eventuell bestehende weitere Voraussetzungen und das Ausmaß der unmittelbaren Bindung Privater an Grundfreiheiten zu klären. 244 Zumeist fehlt es in der Rechtsprechung wie in den wissenschaftlichen Stellungnahmen an einer jenseits des Effektivitätsarguments liegenden dogmatischen Herleitung. Die Kritiker einer unmittelbaren Wirkung der Grundfreiheiten beschränken sich dagegen häufig auf den Verweis einer unangemessenen Einschränkung der Freiheitsräume von Privatpersonen im Falle einer vollen Bindung. 245 Einen gewissen Ausweg aus der dogmatischen Sprachlosigkeit schien der Vorschlag zu bieten, vor allem intermediäre Organisationen mit einer besonderen Machtstellung unmittelbar an die Grundfreiheiten zu binden. 246 Das Abstellen auf „intermediäre Organisationen" ist aber mit einer ausgeprägten Unschärfe des Anwendungsbereichs verbunden. Der Begriff der „intermediären Organisation" ist zunächst einer der soziologischen Beobachtung und Beschreibung, 247 der einer verbändeverfassungstheoretischen Fruchtbarmachung zugänglich ist (s. ο. 1. Kap.), aber für einen „direkten" dogma-

242 H. M. Heinig, Kirchen, S. 125 ff. 243 EUGHE 1974, 1405 ff. - Walrave/UCI; E 1976, 1333 ff. - Dona; E 1995, 1-4921 (5066 Tz. 83) - Bosman; weitere Fälle m. N. bei P. C. Müller-Grajf, FS Steinberger, 2002, S. 1281 (1295 ff.); vorher bereits ders., in: GTE, 5. Aufl. 1997, Art. 30 EGV Rdnr. 301 ff. m. w. N.; cf. ferner U. Wölker, in: GTE, 5. Aufl. 1997, Art. 48 Rdnr. 16 m. w. N.; H. Schneider/N. Wunderlich, in: J. Schwarze (Hrsg.) EU-Kommentar, Art. 39 EGV; Λ. Randelzhofer/ U. Forsthoff, in: E. Grabitz /M. Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Vor Art. 39-55 EGV Rdnr. 65 ff.; T. O. Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, S. 33 ff. zur Rspr., S. 56 ff.; speziell zum staatskirchenrechtlichen Anwendungsbereich G. Robbers, Essener Gespräche 27 (1993), S. 81 (89); ders., HdbStKirchR 2 I, S. 315 (328); R. Streinz, Essener Gespräche 31 (1997), S. 53 (54 ff., 70 ff.); C. Link, ZevKR 42 (1997), 130 (140 f.). 244 Cf. a. H. D. Jarass, EuR 1995, 202 (210); A. Randelzhofer / U. Forsthoff, in: E. Grabitz / M. Hilf (Hrsg.), Das Recht der EU, Vor Art. 39 - 55 EGV Rdnr. 70 f. 245 H. D. Jarass, EuR 1995, 202 (210); K. Hailbronner, in: HdbEUWirtR, D I Rdnr. 4le. 246 R-C. Müller-Grajf, in: GTE, 5. Aufl. 1997, Art. 30 EGV Rdnr. 305, auch zur Bindung von Religionsgemeinschaften als intermediäre Organisationen. 247 Bereits U. Scheuner, ZEE 1 (1957), 30 ff.; ferner P. L. Berger/Th. Luckmann, Modernität, Pluralismus und Sinnkrise, 1995.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

tischen Einsatz wohl eine zu hohe Ungenauigkeit in sich birgt. Zudem erscheint es inkonsequent, verfolgt man das Effektivitätsargument genau, die Wirksamkeit der Grundfreiheiten im Bürger-Bürger-Verhältnis nicht umfassend, sondern nur bei der Involvierung intermediärer Organisationen zu sichern. Die besondere, durch die Verbandsautonomie gesicherte interne Regelungsbefugnis solcher Organisationen begründet diese Begrenzung unter dem Gesichtspunkt der Effektivitätssicherung nur unzureichend, schließlich sind diverse weitere Formen des Unterlaufens der intendierten Personenverkehrsfreiheiten durch das Agieren Privater denkbar. Beispielhaft genannt sei die Gestaltung von Bewerbungsbedingungen einer Privatbank oder die Verhinderung des Marktzugangs durch Gewaltanwendung Privater. 248 Unter Gesichtspunkten der Effektivität wäre man also stringenterweise vor die Alternative gestellt, eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten entweder gänzlich abzulehnen oder stets zu bejahen. Vor allem aber läßt sich mit dem Paradigma der intermediären Institution der - von den Kritikern einer unmittelbaren Bindung Privater an die Grundfreiheiten zu Recht angemahnte - angemessene Abgleich der Grundfreiheitsbindungen mit den marktgebotenen Freiheitssphären nicht hinreichend bewerkstelligen. 249 Die Vereinsautonomie bei Sportregeln, die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit bei Warenblockaden oder die Berufsausübungsfreiheit bei der Formulierung von Einstellungsbedingungen verlangen nach irgendwie gearteter Berücksichtigung bei der Unterwerfung Privater unter die Grundfreiheiten. Vor diesem Hintergrund hat Peter-Christian Müller-Graff den Vorschlag gemacht, die Grundfreiheiten dergestalt zu verstehen, daß private natürliche und juristische Personen generell unmittelbar den Grundfreiheiten unterworfen sind, diese Subordination aber mit grundrechtlich gesicherten Freiheitsräumen in ausgleichende Zuordnung zu bringen ist. 2 5 0 Die Diskriminierungsverbote und Hemmnisverbote der Grundfreiheiten wären dann im Lichte der einschlägigen primärrechtlichen Grundrechte, insbesondere der Privatautonomie und der Berufsfreiheit oder bei Religionsgesellschaften der korporativen Religionsfreiheit zu deuten: „Dem Gedanken der Gemeinschaftsgrundrechte wohnt eine Schranke für die Auslegung der Grundfreiheiten zu Lasten anderer Privater inne. Sie ist zum Schutz der Handlungsfreiheiten der behinderungsverantwortlichen Privaten im Grundsatz bei jeder Beeinträchtigung einer grenzüberschreitenden Handlungsfreiheit zu beachten, es sei denn, die Ausübung des die Behinderung anderer verursachenden Grundrechts ist ihrerseits unverhältnismäßig." 251 Die für die Wirkung 248 EUGHE 1997, 1-6959 ff., dort ohne Bezugnahme auf die Bindung Privater; EuGH, EWS 2000, 402 ff. = NVwZ 2001, 901 ff. -Angonese; cf. zu beiden Beispielen P.-C. MüllerGraff, FS Steinberger, 2002, S. 1281 (1297). 249 Das Problem der Einwirkungen von grundrechtlichen Freiheiten erkennt der EuGH auch in der Rs. Bosman, s. EuGHE 1995,1-4921 Ls. 8. 250 R-C. Müller-Graff, FS Steinberger, 2002, S. 1281 (1292 ff.); cf. ähnlich T. O. Ganten, S. 174 ff. 251 R-C. Müller-Graff,

FS Steinberger, 2002, S. 1281 (1299).

V. Art. 137 V WRV im allgemeinen Europarecht

445

der Grundfreiheiten maßgeblichen Kategorisierungen durch Abwägung dürften bei Religionsgesellschaften dann in etwa den hier im Kontext der Parität und des sog. kirchlichen Arbeitsrechts entwickelten Unterscheidungen für den Bereich der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten entsprechen (3. Kap. III. 3.). Im Ergebnis liefe eine so verstandene unmittelbare „Drittwirkung" der Grundfreiheiten bei Privaten auf ein konditioniertes und abgestuftes Mißbrauchs- und Diskriminierungsverbot hinaus. „Die UnVerhältnismäßigkeit der Ausübung der privaten Handlungsfreiheit im Verhältnis zum Garantiegehalt einer Grundfreiheit ist bei Behinderungen durch offene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit wegen der Unbedingtheit, Allgemeinheit und Essentialität des Verbots des Art. 12 EGV jedenfalls im Anwendungsbereich der Freizügigkeit stets anzunehmen, ansonsten einzelfallabhängig bei gravierendem, sachlich nicht rechtfertigbarem Behinderungsverhalten wie im Fall des zugangserschwerenden Erfordernisses einer ganz bestimmten Bescheinigung, die nur in Südtirol erworben werden kann und eine gewisse Verweildauer erfordert, zum Nachweis der Zweisprachigkeit" im Falle einer Südtiroler Bank. 2 5 2 Soweit dagegen eine Emanation der öffentlichen Gewalt tätig wird, entfällt nach dem vorgeschlagenen Modell die grundrechtsgebotene Modulation der grundfreiheitlichen Bindungen mangels einschlägiger Grundrechtsberechtigung; die DirektivWirkungen der Grundfreiheiten entfalten sich dann in nuce; die Mitgliedstaaten und ihre Einrichtungen wären demnach umfassend an die Grundfreiheiten gebunden. (4) Besonderheiten bei Religionsgemeinschaften i. S. d. Art. 137 V WRV. Für die auf einer Beleihung beruhenden Tätigkeiten der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften in Deutschland wären allerdings wiederum die Besonderheiten nach nationalem Recht zu berücksichtigen. Wie gezeigt, lassen die mit dem Status verbundenen besonderen öffentlichen Rechte der nach Art. 137 V WRV korporierten Religionsgemeinschaften ihre Grundrechtsberechtigung gemäß dem nationalen Verfassungsrecht unberührt (4. Kap. I. 5.); die Grundrechtsbindung der Kirchen und anderen öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften im Bereich der Beleihung modifiziert sich also durch deren eigene Grundrechtspositionen. Stellt man diesen Befund in das skizzierte Modell der differenzierten ΒindungsWirkungen der Grundfreiheiten ein, wird man öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften auch in den durch Beleihung geprägten Tätigkeitsfeldern eine durch ihre Grundrechtsberechtigung gelockerte Bindung an die Grundfreiheiten zuzugestehen haben. Diese ist freilich als Ergebnis einer Abwägung zwischen den mit den Grundfreiheiten verbundenen Anliegen und der (europarechtlich verstandenen) korporativen Religionsfreiheit eine gegenüber der sonstigen Bindung Privater deutlich erhöhte. Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften wären demnach grundsätzlich wie andere Private auch - nur in dem Umfang an die Grundfreiheiten gebunden, 252 R-C. Müller-Graff, 2001,901 ff.

FS Steinberger, 2002, S. 1281 (1299) mit Bezug auf EuGH, NVwZ

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

wie dies nach Abwägung mit den grundrechtlich geschützten Freiheiten geboten ist. Eine solche Reduktion der unmittelbaren Wirkungen der Grundfreiheiten durch die eigene Grundrechtsberechtigung bestünde dann im Grundsatz auch, wo die nach Art. 137 V WRV korporierten Religionsgemeinschaften auf der Grundlage besonderer Beleihung tätig werden. Lehnt man freilich das Modell der grundrechtlichen Modulation der Direktivwirkungen der Grundfreiheiten ab, wird man - will man nicht entgegen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine Bindung Privater an Grundfreiheiten per se ablehnen - für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften als „intermediäre Organisationen" mit eigener Regelungsbefugnis eine weitgehende Unterwerfung unter die Grundfreiheiten konstatieren müssen. Jede wie auch immer geartete Bindung öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften an die Grundfreiheiten setzt freilich voraus, daß die Exemtion der öffentlichen Hand gemäß Art. 39 Abs. 4, Art. 45, Art. 55 i.V.m. 45 EGV auf öffentlichrechtliche Religionsgemeinschaften keine Anwendung findet. Die benannten Ausnahmeklauseln sind restriktiv zu interpretieren, die bloße öffentlich-rechtliche Prägung einer Organisation oder Tätigkeit reicht hierfür nicht. 253 Vielmehr müssen die in Frage stehenden öffentlichen Rechte auf die „Wahrung der allgemeinen Belange des Staates" gerichtet sein bzw. im Falle der Arbeitnehmerfreizügigkeit ein Verhältnis besonderer Verbundenheit des jeweiligen Stelleninhabers zum Staat zum Ausdruck bringen. 254 Diese Voraussetzungen liegen bei Religionsgemeinschaften i. S. d. Art. 137 V WRV nicht vor und zwar auch nicht im Bereich der besonderen, auf Beleihung beruhenden öffentlichen Rechte. 255 Schließlich sei betont, daß der Staat im Umgang mit Religionsgesellschaften stets an die Grundfreiheiten gebunden bleibt. Dies gilt auch dann, wenn der Staat mit Religionsgesellschaften in verfassungsrechtlich an sich zulässiger Weise paktiert. Konkordate und Kirchenverträge, die das Erfordernis deutscher Staatsangehörigkeit oder eines deutschen Hochschulabschlusses als Voraussetzung für den Pfarrberuf statuieren, sehen sich deshalb unter dem Gesichtspunkt der Arbeitnehmerfreizügigkeit durchgreifenden europarechtlichen Bedenken ausgesetzt.256

253 EUGHE 1986, 2121 ff. - Lawrie-Blum. 254 Zu den Anforderungen näher W. Brechmann, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/ EGV, Art. 39 EGV Rn. 99 ff.; J. Bröhmer, ebenda, Art. 45 EGV Rn. 1 ff.; Κ Hailbronner, HdbEUWirtR D I Rdnr. 55 ff. jeweils m. w. N. 255 G. Robbers, HdbStKirchR 2 I, S. 325 (328 f.); R. Streinz, in: Essener Gespräche 31 (1997), S. 53 (60 und 71); C. Link, ZevKR 42 (1997), 130 (140); Β. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 260; extensiver A. Bleckmann, Religionsfreiheit, S. 5 f. der erwägt, den anerkannten Konstellationen für die Staatsgewalt das Erfordernis eines besonderen Vertrauensverhältnisses zur Kirche gleichzustellen; ähnlich K-D. Borchardt, Einwirkungen, S. 54 ff.; A. Hollerbach, ZevKR 35 (1990), 250 (278) sieht die Exemtion dort greifen, wo öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften auf Beleihung beruhende Hoheitsrechte ausüben. 256 G. Robbers, Essener Gespräche 27 (1993), S. 81 (88 f.); B. Jeand'Heur/S. S. 260.

Korioth,

V. Art. 137 V WRV im allgemeinen Europarecht

447

b) Begünstigung durch die europäischen Grundfreiheiten (1) Gleichstellung mit Privatpersonen. Akzeptiert man die grundsätzliche Gleichstellung von öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften i. S. d. Art. 137 V WRV mit sonstigen juristischen und natürlichen Personen des Privatrechts, dann bietet dies auch eine Antwort auf die Frage ihrer Begünstigung durch die Grundfreiheiten. Soweit die Tätigkeit einer Religionsgemeinschaft, gleich ob öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisiert, in den sachlichen Anwendungsbereich einer Grundfreiheit fällt, etwa Schriften in einem anderen Mitgliedstaat gegen Entgelt vertrieben werden sollen, wird die maßgebliche Grundfreiheit als subjektiv-rechtliches 257 Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot wirksam. 258 Zudem sprechen gute Gründe dafür, nicht nur den Leistenden, sondern auch den Empfänger einer Leistung als Begünstigten der Grundfreiheiten anzusehen,259 auch insoweit kommen dann öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften in den Genuß der Warenverkehrsfreiheit, der Dienstleistungsfreiheit oder wohl auch der Kapitalverkehrsfreiheit. Es bestätigt sich insoweit hier der im Kontext der Ausführungen zu den religionsrechtlichen Kompetenzen aufgezeigte Grundsatz, daß nicht der abstrakte Lebensbereich (Religion) oder die Involvierung einer Religionsgesellschaft allgemein, sondern die konkreten Umstände des Sachverhalts über die Anwendbarkeit des Europarechts entscheiden. Konsequenterweise hat sich etwa der Europäische Gerichtshof über die Besonderheit von Religionsgesellschaften in seiner Scientology-Entscheidung zur Freiheit des Kapitalverkehrs nicht weiter ausgelassen.260 (2) Kein Ausschluß nach Art. 48 II EGV. Der Begünstigung von Religionsgemeinschaften durch die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit steht schließlich auch Art. 48 II EGV nicht per se entgegen. Der dortige Ausschluß von solchen juristischen Personen, die keinen Erwerbszweck verfolgen, ist restriktiv zu verstehen. 261 Gewinnerzielungsabsicht ist deshalb nicht erforderlich, um in den Genuß der Niederlassungs- und Dienstleitungsfreiheit zu kommen; ausreichend ist insoweit die Entgeltlichkeit der konkreten Wirtschaftstätigkeit. 262 Die Berechtigung 257 EuGHE 1963, 1 ff. - van Gend & Loos; cf. P.-C. Müller-Graff, in: HdbEUWirtR, 2000, A I Rdnr. 134; Th. Kingreen/R. Störmer, EuR 1998, 263 (266 ff.). 258 Für das diakonische Wirken insoweit mit Bezug auf EuGH, EuZW 2002, 25 Tz. 18 ff. H. Weber, Die karitative Tätigkeit der Kirchen zwischen Grundgesetz und Gemeinschaftsrecht, in: A. v. Campenhausen (Hrsg.), Das deutsche Staatskirchenrecht zwischen Grundgesetz und EU-Gemeinschaftsrecht, 2003, i.E. 259 H. D. Jarass, EuR 1995, 202 (209) m. w. N. 260 EuGHE 2000, 1-1335 ff. - Association Eglise de Scientologie de Paris et Scientology International Reserves Trust. In diesem Zusammenhang sei nochmals betont, daß das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit, wie sie für die Anwendung der Grundfreiheiten Voraussetzung ist, einer Organisation nicht von vorneherein des Charakters als Religionsgemeinschaft enthebt (s. ο. 1. Kap. V. 4.). 261 j. Bröhmer, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 48 EGV Rdnr. 2. 262 A. Scheuer, in: C.-O. Lenz (Hrsg.), EGV, 2. Aufl. 1999, Art. 48 Rdnr. 1; P. Troberg, GTE, 5. Aufl. 1997, Art. 58 Rdnr. 4.

in:

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

durch die Grundfreiheit reicht freilich in solchen Fällen auch nur so weit, wie ein Erwerbszweck in diesem Sinne besteht. Für religiöse Betätigungen ist dies typischerweise nur im Bereich von Hilfsgeschäften und Nebenzwecken, nicht aber im „Kerngeschäft" anzunehmen.

4. Europäische Richtlinien und der Körperschaftsstatus nach Art. 137 V WRV a) Grundsatz der Gleichstellung mit Privatpersonen Die grundsätzliche Gleichstellung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften i. S. d. Art. 137 V WRV mit sonstigen juristischen Personen des Privatrechts hat auch für die Wirkung von europäischen Richtlinien Konsequenzen. Richtlinien wirken gegenüber Privaten grundsätzlich erst durch die Umsetzung des nationalen Gesetzgebers in der hierdurch entstandenen Fassung; erster Adressat der Richtlinie sind also die Mitgliedstaaten (Art. 249 III EGV). 2 6 3 Dieser allgemeine Ausschluß der unmittelbaren horizontalen Wirkung von Richtlinien hat auch für öffentlich korporierte Religionsgemeinschaften zu gelten. 264 Dies rechtfertigt sich in der Sache dadurch, daß öffentlich-rechtlich korporierte Religionsgesellschaften nicht in die Staatsverwaltung integriert sind und sie durch die bloße Rechtsform selbst zur Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht weder in der Lage noch verpflichtet sind. Es fehlt also an einer Zurechenbarkeit und deshalb legitimen Sanktionierung der unterlassenen, aber Pflichtigen Umsetzung einer Richtlinie, die die Grundsätze unmittelbarer Richtlinienwirkung maßgeblich prägen. 265

b) Umsetzungspflicht

durch öffentlich-rechtliche

Rechtsetzungsbefugnis?

Anders könnte es sich wiederum in dem durch Beleihung mit Hoheitsgewalt geprägten Bereich verhalten; durch die Beleihung mag die nach Art. 137 V WRV organisierte Religionsgesellschaft zur „staatlichen Stelle" i. S. d. Art. 235 III 263 Cf. zur fehlenden unmittelbaren Bindung Privater an Richtlinien EuGHE 1994, I3325 ff. - Faccini Dori - st. Rspr..; s. a. M. Ruffert, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 249 EGV Rdnr. 69 ff. m. w. N.; diesen Grundsatz als Grundsatz läßt EuGH, EuZW 2001, 153 - Unilever Italia SpA/Central Food SpA, unberührt, s. J. Gundel, EuZW 2001, 143 ff. 264 So grds. auch G. Müller-Volbehr, Europarecht und das kirchliche Arbeitsrecht, 1999, S. 58 f.; G. Robbers, Essener Gespräche 27 (1993), S. 81 (86); ders., HdbStKirchR 2,1, S. 315 (328); H. Reichold, ZTR 2000, 57 (60). 265 Skeptisch gegenüber einer Vermittlung der Unvergleichbarkeit öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften gegenüber anderen staatlichen Korporationen C. Link, ZevKR 42 (1997), 130 (140); cf. a. K.-D. Borchardt, Einwirkungen, S. 110 zur österreichischen Rechtslage.

V. Art. 137 V WRV im allgemeinen Europarecht

449

EGV werden. 266 Hier wäre insbesondere an die öffentlich-rechtliche Rechtssetzungsbefugnis zu denken, die auch im staatlichen Rechtskreis beachtliche, also mit Außenwirkung versehene Legislativtätigkeiten zur Ausgestaltung bestimmter hoheitlicher, auf Verleihung beruhender Rechte ermöglicht. 267 So wie mit der Beleihung auch die staatliche Grundrechtsbindung auf die beliehene Religionsgemeinschaft dem Grunde nach übergeht, könnte man einen ähnlichen Pflichtentransfer für die staatliche Obligation zur Umsetzung von Richtlinien annehmen. Die Bindung öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften an die allgemeine Umsetzungsverpflichtung der deutschen öffentlichen Gewalt 268 ergäbe sich dann aus Art. 20 III GG (i.V.m. Art. 23 GG und dem deutschen Zustimmungsgesetz zu den europäischen Verträgen). 269 Unterbliebe die Umsetzung oder erfolgte sie fehlerhaft, wirkte die Richtlinie nach Ablauf der Umsetzungsfrist dann unmittelbar gegenüber der Religionsgesellschaft, wenn die entsprechenden Voraussetzungen, also Fristablauf und inhaltlich unbedingte und hinreichend genaue Normstruktur, vorliegen. 270 Freilich wirft dieser Ansatz abermals die Frage auf, in welcher Weise die Besonderheit der eigenen Grundrechtsberechtigung öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften zu berücksichtigen ist. Während für die Grundfreiheiten Modelle der Abstufungen in den Bindungen Lösungsperspektiven bieten, sind solche in der Frage der Umsetzungspflicht versperrt. Eine Umsetzungspflicht besteht entweder oder sie besteht nicht; eine ermäßigte Umsetzungspflicht ist dagegen ausgeschlossen. Für die Annahme einer Umsetzungspflicht der Religionsgemeinschaften i. S. d. Art. 137 V WRV im Bereich ihrer besonderen Hoheitsrechte könnte sprechen, daß eine solche grundsätzlich den Körperschaftsstatus und die mit ihm einhergehenden Rechte selbst unberührt ließe, der Erklärung Nr. 11 der Regierungskonferenz von Amsterdam insoweit Genüge getan wäre. Die korporative Religionsfrei266 Zu pauschal deshalb //. Reichold, ZTR 2000, 57 (60). 267 Wie hier G. Robbers, Essener Gespräche 27 (1993), S. 81 (86). 268 Europarechtlich ist nur der Mitgliedstaat als solcher zur Umsetzung verpflichtet; die innerstaatliche Organisation der effektiven Umsetzung ist dann Sache des Mitgliedstaates. 269 Eine andere Möglichkeit, um einen innerstaatlichen Verpflichtungstatbestand öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften zu konstruieren, bestünde im Rückgriff auf das oben abgelehnte Kriterium der Rechtstreuepflicht solcher Organisationen. 270 Zu diesen Voraussetzungen einer unmittelbaren Wirkung von Richtlinien nach Ablauf der Umsetzungsfrist EuGHE 1979, 1629 ff. (Tz. 23) - Ratti ; E 1996, 1-2201 ff. (Tz. 42 und 44) - CIA Security Int., st. Rspr.; cf. R. Streinz, Europarecht, S. 155 ff.; M. Ruffert, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 249 EGV Rdnr. 73 ff. Sind diese Bedingungen nicht gegeben, stellt sich zudem die Frage nach einer Schadensersatzpflicht der Bundesrepublik Deutschland wegen fehlender oder fehlerhafter Umsetzung einer Richtlinie, hierzu EuGHE 1993, 1-3325 ff. - Faccini Dori; E 1993, 1-6911 ff. - Wagner Miret; E 1996, 1-1691 ff. - British Telecom; E 1996, 1-4845 ff. - Dillenkofer; E 1996, I5063 ff. - Denkavit; cf. R. Stettner, in: HdbEUWirtR, A IV Rdnr. 46 ff.; R. Streinz, Europarecht, S. 165 ff.; Th. Oppermann, S. 82. Heinig

450

5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

heit, die besonders gegen eine Umsetzungspflicht in Stellung zu bringen ist, wirkt sich maßgeblich gegenüber dem Inhalt der umzusetzenden Richtlinie aus, nicht aber notwendigerweise gegenüber dem Umsetzungsakt an sich - die Pflicht zur Umsetzung einer Richtlinie als solche durch eine Religionsgemeinschaft ist durch die Religionsfreiheit deshalb nicht von vorne herein ausgeschlossen.271 Schließlich enthebt das religionsbezogene Mehrebenenrecht nicht von der Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, für eine effektive Umsetzung der Richtlinien Sorge zu tragen. Die relevante Frage ist dabei einzig, ob öffentlichrechtliche Religionsgesellschaften selbst im Bereich ihrer Hoheitsrecht umsetzungspflichtig sind oder ob dies ausschließlich Obliegenheit des staatlichen Gesetzgebers ist. Letztlich dürften die besseren Argumente gleichwohl dafür sprechen, die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften aus einer Umsetzungspflicht für Richtlinien zu entlassen, diese also ausschließlich beim staatlichen Gesetzgeber zu situieren und damit auch die unmittelbare Wirkung von Richtlinien gegenüber öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften im Bereich der staatlichen Beleihungen abzulehnen. Dies ist in der Logik des oben entwickelten verfassungstheoretischen Modells des religionsspezifischen Mehrebenenrechts 1. Ordnung insoweit konsequent, als der durch das mitgliedstaatliche Religions(verfassungs)recht statuierte freiheitsdienende und freiheitsgeprägte Charakter der Beleihung bewahrt bliebe. Die Ausübung der mit der Beleihung verbundenen Rechte soll nach dem Grundgesetz dem Status der Freiheit verhaftet bleiben; die besonderen öffentlich-rechtlichen Bindungen der hoheitlich verliehenen Rechte greifen demnach nur mit der freien Entscheidung zur Aktivierung der Rechte selbst. Im Falle der Begründung einer Umsetzungspflicht im Bereich der öffentlich-rechtlichen Rechtssetzungsbefugnis dagegen träte dieses besondere freiheitliche Moment zurück. Die Pflicht bestünde auch, wenn die öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft von der Rechtssetzungsbefugnis grundsätzlich keinen Gebrauch machen und nur in den Genuß der Rechtsform als solche kommen will. Aus europarechtlicher Perspektive wäre die hier präferierte Lösung zumindest unschädlich, wäre die - durch den haftungsrechtlichen Rückgriff wegen fehlender oder unzureichender Umsetzung einer Richtlinie auch hinlänglich sanktionsbewehrte - Pflicht der Bundesrepublik Deutschland zur effektiven Umsetzung des Richtlinienrechts doch unberührt. Lediglich die unmittelbare vertikale Wirkung der Richtlinie gegenüber öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften entfiele. Maßgeblich für die Frage nach der Pflicht zur Umsetzung von Richtlinien durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften ist letztlich, wie intensiv man die durch das religionsspezifische Mehrebenenrecht begründete Pflicht zur Berücksichtigung der nationalen Spezifika an dieser Stelle faßt. Das aufgezeigte verfassungstheoretische Gerüst des Religionsrechts als Mehrebenenrecht bietet hier weitergehenden Raum, als er in der Praxis wohl durch die europäischen Anwendungs271

Für diesen Hinweis danke ich Dr. Christian Walter, Heidelberg.

V. Art. 137 V WRV im allgemeinen Europarecht

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und Kontrollorgane gewährt wird und auch der isoliert betrachteten Eigenlogik des gängigen europarechtlichen Ansatzes entspricht.

c) Möglichkeit zur Umsetzung von Richtlinien durch Religionsgemeinschaften i. S. d. Art. 137 WRV Von der Pflicht zur Umsetzung von Richtlinien durch öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften zu scheiden ist die Frage nach den Möglichkeiten einer Umsetzung durch öffentlich-rechtliche Rechtssätze einer Religionsgemeinschaft. Diese dürfte grundsätzlich anzuerkennen sein, da das öffentlich-rechtliche Kirchenrecht einerseits hinreichend durch die Amtsblätter der Kirchen publiziert wird und andererseits im staatlichen Rechtsverkehr zu beachten ist und auf dieser Grundlage eine effektive Rechtsverfolgung der durch die Richtlinie Berechtigten ermöglicht. Damit sind die beiden zentralen Anforderungen an die Umsetzung von Richtlinien gegeben, nämlich die Möglichkeit der Betroffenen, von ihren Rechten und Pflichten Kenntnis zu nehmen und die Möglichkeit, sich auf die als Umsetzung geltend gemachte innerstaatliche Vorschrift vor Gericht berufen zu können. 272 Dies führt dazu, daß die für die Umsetzung einer Richtlinie an für sich zuständige innerstaatliche Stelle i. S. d. Art. 249 III EGV, also der nach nationalem Verfassungsrecht kompetente Gesetzgeber, den Status der Freiheit öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften nach dem Grundgesetz in diesem Bereich bei der Umsetzung von Richtlinien besonders schonen kann, 273 wenn er erwarten darf, daß die korporierten Religionsgemeinschaften ihrerseits richtliniengemäß legislativ tätig werden. 274 Auf diesem Wege sind auch die öffentlichrechtlichen Religionsgemeinschaften in die europäische Politikverflechtung eingebunden; die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften können durch die Kooperation bei der Richtlinienumsetzung einen Mehrgewinn, nämlich religionskorporative Freiheitsbewahrung, erzielen.

272 Cf. zu diesen beiden Anforderungen R. Streinz, Europarecht, S. 154; s.a. EuGHE 1991, 1-2567 ff. und 2607 ff.; E 1995, 1-2303 ff.; E 1997, 1-1653 ff. sowie M. Ruffert, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV /EGV, Art. 249 EGV Rdnr. 51 ff. Eine gewisse Besonderheit besteht dann allerdings in der Prüfungsdichte vor staatlichen Gerichten (hierzu zuletzt m. w. N. S. Magen, NVwZ 2002, 897 ff.). Das Zusammenwirken von kirchlichem und staatlichem Rechtsschutz genügt gleichwohl den europarechtlichen Anforderungen an die rechtsstaatliche Bewehrung der subjektiven Rechte einer Richtlinie. 273 Weitergehend eine Pflicht zur Exemtion seitens des staatlichen Gesetzgebers nimmt A. Bleckmann, Religionsfreiheit, S. 8 an. 274 D. Lorenz, DVB1. 2001, 428 (431 ff.) für das Beispiel des Datenschutzrechts.

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452

5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

5. Besondere Aspekte der Transformation des Status der nach Art. 137 V WRV organisierten Religionsgemeinschaften durch das Europarecht a) Exemtionsklauseln im europäischen Sekundärarbeitsrecht für öffentlich-rechtliche Organisationen In der Konsequenz des Ansatzes, öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften als atypische Erscheinung des öffentlichen Rechts im Europarecht grundsätzlich wie juristische Personen des Privatrechts zu behandeln, lassen sich auch die Wirkungen von Ausnahmeklauseln für öffentlich-rechtliche Organisationen im europäischen Sekundärrecht auf nach Art. 137 V WRV korporierte Religionsgesellschaften abschätzen. Sekundärrechtliche Ausnahmeklauseln für Einrichtungen des öffentlichen Rechts, wie sie etwa die Richtlinie zu Konsultationspflichten bei Massenentlassungen enthält, finden grundsätzlich keine Anwendung. 275 Die RL 92/ 56/EWG zur Änderung der RL 75/129/EWG erfaßt also auch Arbeitsverhältnisse in den Kirchen und Religionsgemeinschaften. Eine Abweichung wäre allenfalls dort vorzunehmen, wo die Tätigkeit der Religionsgemeinschaft durch die besonderen öffentlichen Rechte spezifisch geprägt ist, so ζ. B. im öffentlich-rechtlichen Dienstrecht der Kirchen. Gegenläufig wäre aber wieder der Grund der Exemtion zu betrachten; erfolgt sie wie bei den Grundfreiheiten zur Achtung besonderer hoheitlicher Tätigkeiten des Staates, fände sie auf Religionsgemeinschaften keine Anwendung. In Bezug auf die genannte Richtlinie zu Konsultationspflichten bei Massenentlassungen handelt es sich freilich auch um eine rein akademische Debatte; Massenentlassungen von Beamten stellen schließlich eine contradictio in adjecto dar. b) Anwendbarkeit des europäischen Vergaberechts auf Religionsgemeinschaften i. S. d. Art. 137 V WRV? Vor der Folie der bisher entwickelten Grundsätze läßt sich ferner Stellung beziehen zur Eigenschaft öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften i. S. d. Art. 137 V WRV als öffentliche Einrichtung gemäß dem europäischen Vergaberecht und damit als öffentlicher Auftraggeber. 276 Dies ist übrigens keine rein akademische Frage; ein dänischer Orgelbauer soll in Brüssel bereits vorstellig geworden sein, weil die Kirchen in Deutschland ihrer europarechtlichen Ausschreibungspflicht nicht nachkämen. Gefordert für die Anwendung des europäischen Vergaberechts ist gemäß den jeweiligen Vergaberichtlinien eine Einrichtung, 275 276

A.A. P. Hanau/G. Thüsing, Europarecht und kirchliches Arbeitsrecht, 2001, S. 71. Zum folgenden insg. H. M. Heinig, Kirchen, S. 125 ff.

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- die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, i m Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen, die nicht gewerblicher Art sind, - die Rechtspersönlichkeit besitzt und - die überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert wird oder die hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch letztere unterliegt oder deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgane mehrheitlich aus Mitgliedern bestehen, die vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden s i n d . 2 7 7 Isolierte man die einschlägigen tatbestandlichen Merkmale von der Berücksichtigung der mitgliedstaatlich definierten besonderen Gestalt einer Religionsgesellschaft i. S. d. Art. 137 V WRV, könnte man auf die Idee kommen, daß diese den für die Annahme eines öffentlichen Auftraggebers geforderten Voraussetzungen entspricht: öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften mehren den gemeinen Nutzen und werden durch Kirchensteuern als staatliche Steuern finanziert, die Rechtspersönlichkeit ist mit dem Rechtsstatus verbunden, ergo wäre das europäische Vergaberecht anwendbar. 2 7 8

277 Art. 1 der RL 93/36/EWG in der Fassung RL 97/52/EG, ABl. L 328 vom 28. November 1997, 1 ff.; Art. 1 der RL 93/36/EWG in der Fassung RL 97/52/EG, ebenda, Art. 1 der RL 92/50/EWG in der Fassung RL 97/52/EG, ebenda. Cf. zum Begriff des öffentlichen Auftraggebers näher aus der Rspr. EuGHE 1998, 1-73 ff. - Mannesmann Anlagenbau Austria ; E 1998,1-6821 - BFI Holding; EuGH, Urteil vom 03. Oktober 2000 Rs. C380/98 - Universitiy of Cambridge; EuGH, EuZW 2001, 382 iL-Agorà Srl; EuGH, EuZW 2001, 184 ff.; in der Lit. etwa K. Hailbronner, EWS 1995, 285 ff.; ders./C. Weber, EWS 1997, 73 (76 f.); /. Seidel, FS Heiermann, 1995, S. 293 ff.; F. P. Ohler, Zum Begriff des Öffentlichen Auftraggebers im Europäischen Vergaberecht, 2001 m. w. N. 278 F. P. Ohler, S. 173 ff.; grds. auch M. Vachek, S. 296 ff.; i.E. so auch H.-J. Prieß, Europäisches Vergaberecht, 1995, 248 f.; F. Marx/H.-J. Prieß, in: Th. Jesteadt u. a., Das Recht der Auftrags vergäbe, 1999, S. 41 f. unter in der Sache sinnentstellendem Verweis auf H. J. Wolff/ O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl. 1994, § 45 Rn. 22, nach dem die karitativen und sozialen Tätigkeiten der Kirchen etwa im Bereich des Privatschulwesens, des Krankenhauswesens und des Friedhofwesens dem öffentlichen Recht unterlägen. In gleichem Maße sei auch das Vergaberecht anzuwenden. Marx/Prieß verkennen, daß es sich bei den von ihnen herangezogenen, bei Wolff /Bachof/Stober verhandelten Konstellationen nicht, wie bei der Anwendbarkeit des Vergaberechts, um eine Frage der öffentlich-rechtlichen Rechtsform, sondern der Reichweite des Gesetzesvorbehalts in Art. 137 III WRV handelt. Hier werden unterschiedliche Aspekte ohne Beachtung des Wortlautes der Norm und ohne Berücksichtigung der spezifischen Fragestellungen vermengt. In der Logik von Marx/Prieß müßten auch privatrechtlich organisierte Religionsgemeinschaften dem europäischen Vergaberecht unterliegen, denn auch sie sind im Bereich des Privatschulwesens und bei Eingliederung ihrer sozialen Einrichtungen in das gesetzliche Sozialversicherungssystem den besonderen öffentlich-rechtlichen Bindungen auf diesen Gebieten unterworfen. Dies stellte ein offensichtlich unsinniges Ergebnis dar. Marx/Prieß aber ohne weitere Erwägungen folgend I. Seidel, in: HdbEUWirtR, H IV Rdnr. 86; eine Anwendbarkeit bejahend auch M. J. Werner, in: J. Byok (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, 2000, § 98 GWB Rn. 319 und bereits /. Pernice, JZ 1977, III (780 Fn. 60).

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Gegen eine solche Auslegung ist einzuwenden, daß ihr unter der verfassungstheoretischen Perspektive normativer Anerkennung sozialer Selbstzweckhaftigkeit ein verfehltes Religionsverständnis zugrunde liegt (aa.). Auch das Ausblenden der Eigenart des Kirchensteuersystems verbietet sich unter dem Eindruck des religionsspezifischen Mehrebenenrechts 1. Ordnung (bb).

aa) Der religiöse Zweck einer Religionsgemeinschaft Wie aufgezeigt, garantiert das Grundrecht auf Religionsfreiheit, dem der Körperschaftsstatus dienen soll, die Freiheit zur religiösen Betätigung ganz maßgeblich um ihrer selbst willen (4. Kap. I. 2.). Die gesellschaftliche Nützlichkeit ist möglicher Effekt religiöser Aktivitäten, nicht aber deren Zweck und in dieser Wirkungslogik sowohl grundgesetzlich wie europarechtlich vom als Mehrebenenrecht 1. Ordnung verfassungstheoretisch erfaßten Regelungsgefüge geschützt. In diesem Sinne werden Religionsgesellschaften zu dem besonderen Zweck gegründet, religiöse Aufgaben zu erfüllen. Die gesellschaftsnützlichen Wirkungen ihrer Betätigung und damit ihre Charakterisierung als mittelbar „im Allgemeininteresse liegend4' sind dagegen - jedenfalls in so pauschaler Betrachtung - kontingent (cf. supra 1. Kap. II. ff.). Schon deshalb lassen sich Religionsgesellschaften nicht als öffentliche Auftraggeber begreifen. Dies gilt auch in den Bereichen, die als im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu bewerten wären, wenn sie staatlicherseits übernommen werden, also im Bereich diakonischen Engagements sowie bei kirchlichen Schulen oder Friedhöfen. Der Wortlaut der Richtlinien zum europäischen Vergaberecht stellt gerade auf die Intentionalität, nicht die „objektiven" Wirkungen der organisatorischen Einrichtungen ab. Soweit aber soziale oder edukative Einrichtungen in religiöser Trägerschaft betrieben werden, besteht jedenfalls die starke Vermutung, daß diese Einrichtungen zu religiösen Zwecken, zur Erfüllung religiöser Aufgaben gegründet wurden.

bb) Kirchensteuer als besondere Form einer Beitragsfinanzierung der Mitglieder Ebenso gilt es, berücksichtigt man das als Mehrebenenrecht 1. Ordnung erfaßte religionsbezogene europäische und deutsche Verfassungsrecht, das Spezifikum der Kirchensteuer zu betrachten. Sie ist eine echte Steuer im Sinne der AO und stellt bei den großen Kirchen in Deutschland die überwiegende Finanzierungsquelle i. S. d. Art. 1 b) 3. Spiegelstrich der drei Koordinierungsrichtlinien dar. Doch ist die Kirchensteuer in der Sache lediglich ein modifiziertes Beitrags verfahren, denn nur Mitglieder der kirchensteuerberechtigten Religionsgemeinschaft sind kirchensteuerpflichtig (s. o. 4. Kap. III.). Auch fehlt es an jeglichem Einfluß des Staates auf die Verwendung des Steueraufkommens. Damit fällt die Kirchensteuer aus dem Anwendungszweck des Vergaberechts, der Bindung des Staates und der von

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ihm rechtlich oder finanziell kontrollierten Einrichtungen an ein Instrumentarium zur Effektivierung der Grundfreiheiten und Bekämpfung von Diskriminierungen im öffentlichen Beschaffungswesen, heraus. 279

cc) Öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und das Verzeichnis öffentlicher Einrichtungen in der Koordinierungsrichtlinie für öffentliche Bauaufträge Konsequenterweise sind Religionsgesellschaften im der Koordinierungsrichtlinie für öffentliche Bauaufträge angehängten, aber nicht als numerus clausus zu verstehenden Verzeichnis der Einrichtungen und Kategorien von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, auf das auch die anderen Vergaberichtlinien verweisen, nicht aufgeführt und zwar weder für Deutschland noch in den Listen für die anderen Mitgliedstaaten, einschließlich derer, die ein staatskirchliches System kennen. 280 Erwähnung finden jedoch für Deutschland Kultur-, Wohlfahrts- und Hilfsstiftungen. Soweit solche als kirchliche betrieben werden, ist auf das jeweilige Stiftungsrecht des Landes zu achten, um das Ausmaß staatlicher Kontrolle festzustellen, 281 wobei hier stets das Recht auf Selbstordnung- und -Verwaltung in Frage stellen läßt, ob ein für die Anwendung des Vergaberechts hinreichender staatlicher Einfluß gegeben ist. 2 8 2 Gleichfalls ist auch hier die Problematik des Vorliegens einer Einrichtung zu dem besonderen Zweck der Erfüllung im Allgemeininteresse liegender Aufgaben aufzuwerfen. Nämliches gilt für die im Anhang aufgeführten Einrichtungen im Sozialbereich, soweit sie nicht staatlich, sondern kirchlich betrieben werden. Europäisches Vergaberecht findet deshalb auf öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen nur wie auf sonstige Organisationen der Zivilgesellschaft Anwendung, wenn sie Zuwendungsempfänger i. S. d. Baukoordi279 So i.E. auch R. Weyand, BauR 1996, 780 (782 f.); K. Eschenbruch, in: F. Niebuhr u. a., Kommentar zum Vergaberecht, 2000, § 98 GWB Rn. 75; J. Pietzcker, in: G. Motzke/J. Pietzcker/H.-J. Prieß (Hrsg.), VOB, 2001, Syst II Rn. 71.; K. Hailbronner, EWS 1995, 285 (290); Th. Stickler, in: O. Reidt u. a., VergabeR, 2000, § 98 GWB Rdnr. 37. 280 Anhang I der RL 93/37/EWG, ABl. L 199 vom 09. August 1993, 55 (67 ff.); Erwähnung finden lediglich die staatlichen Kirchenämter in Belgien; s. a. G. Robbers, Essener Gespräche 27 (1993), S. 81 (97). M. Vachek, S. 299 will diesem Anhang, von dem es in Art. 1 der Richtlinie ausdrücklich heißt, er sei so vollständig wie möglich, also nicht abschließend, gleichwohl eine „konstitutive Wirkung" entnehmen und deshalb das Vergaberecht nicht auf die Kirchen in Deutschland anwenden. 281 Cf. zur staatlichen Kontrolle kirchlicher Stiftungen C. Meyer, HdbStKirchR 2 I, S. 907 (930 ff.); W. Busch, ebenda, S. 947 (953 ff.); A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 319 ff.; ausführlich W.-A. Achilles, Die Aufsicht über die kirchlichen Stiftungen der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, 1986, S. 58 ff., 140 ff. 282 Zweifelhaft deshalb unter Einbezug der verfassungsrechtlichen Situation VÜA Hessen, ZVgR 1998, 452; vgl. dagegen VÜA Rheinland-Pfalz, VÜ 7/96 vom 25. August 1997; s.a. K. Eschenbruch, in: F. Niebuhr u. a., Kommentar zum Vergaberecht, 2000, § 98 GWB Rn. 75.

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nierungsrichtlinie sind, Bauvorhaben also zu mehr als 50 v. H. durch die öffentliche Hand finanziert werden. 283 Ferner greifen die hinter dem Vergaberecht stehenden Grundfreiheiten auch auf öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften durch, soweit sie unmittelbar anzuwenden sind. 284 Eine generelle Bindung von Religionsgesellschaften i. S. d. Art. 137 V WRV an das europäische Vergaberecht ist dagegen aus den benannten Gründen abzulehnen.

6. Das grundgesetzliche Kirchensteuersystem und das Europarecht Schließlich ist im Kontext der Einordnung von Religionsgesellschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts bei der Anwendung des allgemeinen Europarechts kurz auf die Transformationswirkungen des Europarechts für das grundgesetzliche Angebot einer steuerbasierten Kirchenfinanzierung (s. o. 4. Kap. III.) einzugehen.285 a) Kompetenzen Hierzu ist zunächst festzuhalten, daß die Gemeinschaft mit Art. 93 EGV zwar die Kompetenz zur Harmonisierung indirekter Steuern hat, direkte Steuern, wie sie die einzelnen Spielarten der Kirchensteuer darstellen, dagegen grundsätzlich den Regelungsvorbehalten der Mitgliedstaaten anheimfallen. Lediglich auf der Basis allgemeiner Kompetenzen der EG zur Rechtsangleichung könnte eine direkte europarechtliche Einflußnahme auf das Recht der Kirchensteuererhebung erfolgen. Freilich müßte sich diese dafür „unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsames Marktes auswirken" (Art. 94 EGV) bzw. „die Wettbewerbsbedingungen auf dem Gemeinsamen Markt verfälschen und dadurch eine Verzerrung hervorrufen, die zu beseitigen ist" (Art. 96 EGV). 2 8 6 Das Vorlie-

283 Vgl, m. J. Werner, in: J. Byok (Hrsg.), Kommentar zum Vergaberecht, 2000, § 98 GWB Rn. 320; R. Weyand, BauR 1996, 780 (782); F. Marx, in: G. Motzke/J. Pietzcker/H.-J. Prieß (Hg.), VOB, 2001, § 98 GWB Rn. 35 a.E. 284 Zur Problematik s. ο. V. 3. 285 Siehe in diesem Zusammenhang rechtsvergleichend zu den Systemen der Finanzierung von Religionsgemeinschaften in Europa auch R. Puza, ÖAfKR 42 (1993), 178 ff.; H.-J. Kiderlen, Informationes theologiae europae 5 (1996), 159 ff.; H. Marré, ZevKR 42 (1997), 338 ff.; G. Robbers, Entwicklungen im europäischen Staatskirchenrecht und ihre Auswirkungen auf die Kirchenfinanzierung, in: Ev. Akademie Bad Boll, Die Kirchensteuer als Annexsteuer, 1997, S. 46 (49 ff.); R. Torfs, Gewissen und Freiheit 48 (1997), 90 ff.; E. Kleindienst/ J. Binder, BayVBl. 1999, 197 ff.; A. Mösenthin, KuR 2000, 139 ff. = 140, 69 ff., sowie die Länderberichte in G. Robbers (Hrsg.), Staat. 286 Art. 95 EGV scheidet dagegen als Kompetenzgrundlage für eine Angleichungsmaßnahme aus, cf. Art. 95 II EGV.

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gen einer dieser beiden Voraussetzungen ist absehbar nicht zu erwarten. 287 Insoweit fehlt es einstweilen an einer die Kirchensteuer unmittelbar tangierenden europäischen Steuergesetzgebung.288 Allerdings gehen von der Harmonisierung europäischer Steuervorschriften insoweit indirekte Effekte auf die Kirchensteuer in Deutschland aus, als unter dem Einfluß von Art. 93 EGV eine europäisch koordinierte Verlagerung von direkten zu indirekten Besteuerungen zu beobachten ist, das durch direkte Steuern gewonnene Steueraufkommen also rückläufig ist. 2 8 9 Den kirchensteuerberechtigten öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften steht in Reaktion hierauf zwar die Möglichkeit der Kompensation durch die Erhöhung der Hebesätze der als Zuschlagsteuer erhobenen Kirchensteuerformen offen; Gesichtspunkte politischer Opportunität wirken dem aber häufig faktisch 290

entgegen. b) Mittelbare Folgewirkungen

des Europarechts

Neben einem unmittelbaren rechtsharmonisierenden Zugriff des Europarechts auf das Recht der Kirchensteuererhebung sind aber auch wiederum mittelbare Folgewirkungen des Europarechts auf die religionsrechtliche Ausgestaltung des Kirchensteuerwesens zu betrachten.

aa) Europäisches Datenschutzrecht Die potentielle Wirkung des europäischen Datenschutzrechts auf das deutsche Kirchensteuerrecht war in der sehr jungen Geschichte des europäischen Religions(verfassungs)rechts einer der ersten Anlässe in Deutschland, den Phänomenen der Transformationswirkung des Europarechts erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. 291 Die Realisierung erster Entwürfe der EG-Datenschutzrichtlinie hätte die 287 ρ, M. Huber, Staatskirchenrecht, S. 142. 288 Cf. a. Α. Hollerbach, ZevKR 35 (1990), 250 (279 f.); C. Starck, FS Everling, Bd. II, 1995, S. 1427 (1430 f.); C. Link; ZevKR 42 (1997), 130 (149 f.); ferner W. Rüfner, FS Heymanns Verlag, 1995, S. 485 (488); P. M. Huber, Staatskirchenrecht, S. 142; B. Jeand'Heur/ S. Korioth, S. 261; s.a. H. Marré, HdbStKirchR 2 I, S. 1101 (1105). 289 G. Robbers, Entwicklungen, S. 46 (54 f.). 290 Skeptisch gegenüber der Realisierbarkeit a. C. Link, ZevKR 42 (1997), 130 (150); W. Rüfner, FS Heymanns Verlag, 1995, S. 485 (491 f.). 291 Cf. C. Starck, FS Everling, Bd. II 1995, S. 1427 (1433 ff.), ders., Essener Gespräche 31 (1997), S. 5 (23); W. Rüfner, FS Heymanns Verlag, 1995, S. 485 (490); H. Ehnes, KuR 1997, 219 (219 f.) = 140 (47 (47 f.); E. Kleindienst/J. Binder, BayVBl. 1999, 197 (206); H. Tempel, The relationsship between Church and State, in: European Consortium for Church-State Research, „New Liberties" and Church-State Relationships in Europe, 1998, S. 445 (451 ff.); M. Heinig, ZEE 43 (1999), 294 (298 f.); D. Ehlers, Bedeutungswandel, S. 105. Siehe im Vorfeld der Richtlinie G. Robbers (Hrsg.), Europäisches Datenschutzrecht und die Kirchen 1994.

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Erhebung von Kirchensteuern durch Einschaltung staatlicher Steuerbehörden verhindert. Schließlich wurde - wie oben bereits dargestellt - eine auf die deutsche Praxis zugeschnittene Bestimmung in die EG-Datenschutzrichtlinie aufgenommen, die die Kompatibilität der deutschen Praxis mit der europäischen Vorgabe sichert. Deshalb stellt heute die datenschutzrechtliche Sensibilität der Übermittlung religionsbezogener Daten an den Arbeitgeber im Kontext des Kirchenlohnsteuereinzugs kein europarechtliches Problem mehr dar. 292

bb) Europäische Grundfreiheiten Potentieller Einfluß auf das deutsche Kirchensteuerrecht wird dagegen anhaltend den europäischen Grundfreiheiten zugeschrieben. Hierbei kann man dreierlei Perspektiven unterscheiden. (1) Steuerliche Absetzbarkeit der Kirchensteuer nach § 10 d EStG. Zum einen wird die nur für Steuern an inländische Kirchenkörperschaften bestehende steuerliche Absetzbarkeit der Kirchensteuer als Sonderabgabe nach § 10 d EStG i.V.m. § 3 I AO als grundfreiheitsrelevante Hemmung des transnationalen Wirtschaftsaustauschs ausgemacht. Ausländische Arbeitnehmer, die einer Beitragspflicht gegenüber ihrer Religionsgemeinschaft im Ausland nachkämen, könnten diese nicht steuerlich geltend machen. Aufgrund dieser steuerlichen Benachteiligung könnte etwa ein Arbeitnehmer aus einem anderen Mitgliedstaat gehindert werden, in Deutschland eine Arbeit aufzunehmen. Der Behinderungseffekt verstärke sich zudem dadurch, daß auch Spenden an Religionsgesellschaften nur dann steuerlich begünstigt seien, wenn letztere ihren Sitz im Inland hätten. 293 Nun ist hierbei zunächst grundsätzlich zu sehen, daß nach ständiger Rechtsprechung des EuGH „die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, ... diese ihre Befugnisse jedoch unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben",294 die beschränkte Kompetenz der Gemeinschaft zur Harmonisierung des Rechts der direkten Besteuerung also nicht zu einem Anwendungsausschluß der Grundfreiheiten führt. Festzuhalten ist auch, daß richtigerweise in der Anrechnungsmöglichkeit der Kirchensteuer bei der Einkommenssteuerermittlung 292 Neben den in Fn. 291 genannten cf. P. M. Huber, Staatskirchenrecht, S. 144; Β. Jeand'Heur /S. Korioth, S. 261; F. Sucker, S. 28 f.; a.A. M. Vachek, S. 354 ff., der in Art. 8 IV der Datenschutzrichtlinie einen Verstoß gegen das gemeinschaftliche Grundrecht auf Religionsfreiheit sieht. Unklarheiten machen auch aus Kirchenamt der EKD / Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), S. 25 f.; Α ν. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 417; H. Weber, ZevKR 47 (2002), 221 (230 ff.). 2 93 M. Vachek, S. 353 f. 294 EUGHE 1991, 1-3905 - Facortame; E 1992, 1-249 - Bachmann; E 1995, 1-225 Schumacker; E 1999,1-1919 ff. - Jessica Safir und öfter; Cf. a. J. Kokott, Die Bedeutung der europarechtlichen Diskriminierungsverbote und Grundfreiheiten für das Steuerrecht der EUMitgliedstaaten, in: dies. u. a., Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 1 (2 ff.).

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weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung zu sehen ist, denn weder ist eine bestimmte Staatsangehörigkeit hier Tatbestandsvoraussetzung dafür, in den Genuß einer Anerkennung der Kirchensteuer als Sonderabgabe zu kommen, noch ist erkennbar oder prognostizierbar, daß nichtdeutsche Unionsbürger durch diese Regelung im Ergebnis schlechter gestellt werden; schließlich sind die meisten EU-Bürger, wenn sie in Deutschland arbeiten, ebenso wie die meisten Deutschen Angehörige einer der Religionsgemeinschaften, die in Deutschland kirchensteuerberechtigt sind. Einschlägig kann hier also allenfalls das von der Garantie der Freizügigkeit ausgehende Βeschränkungsverbot sein. 295 Doch ist bei der Geltendmachung der Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote gegenüber nichtdiskriminierenden Steuervorschriften der Mitgliedstaaten aus systematischen wie teleologischen Gründen Zurückhaltung geboten. Schließlich stellt genau betrachtet jede Auferlegung einer Steuer eine tatbestandliche Beschränkung der Grundfreiheiten dar; zugleich aber ist europarechtlich die Steuererhebungskompetenz der Mitgliedstaaten anerkannt. 296 Die mangels durchgreifender Kompetenzen bisher ausgesparten Bereiche der Steuerrechtsharmonisierung können und dürfen nicht durch die Hintertür der Grundfreiheiten faktisch angeglichen werden. Deshalb übt sich der Gerichtshof in diesem Bereich in Selbstbeschränkung.297 Das Recht der direkten Besteuerung, vor allem das der Gemeinnützigkeit i.w.S. als steuerrechtliches Instrument zur Förderung des „Gemeinwohls" fällt grundsätzlich in die Kompetenz der Mitgliedstaaten.298 Eine europarechtliche Harmonisierung und gegenseitige Anerkennung besteht nicht. Dann aber ist eine kohärente und funktionsfähige Ausgestaltung des Gemeinnützigkeitsrechts in Deutschland nur möglich, 299 wenn Anerkennungen von Kirchensteuern und Spenden als Sonderabgaben auf deutsche Religionsgemeinschaften beschränkt bleiben, weil nur hier eine Prüfung der notwendigen Voraussetzungen und eine sinnvolle rechtstechnische Realisation erreichbar sind. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß das Verständnis der Arbeitnehmerfreizügigkeit als Beschränkungsverbot ähnlich wie die Warenfreiheit (Keck-Rechtsprechung) 300 eines Korrektivs bedarf, um einer exzessiven Inanspruchnahme vorzu-

295 Cf. für diese Dimension der Grundfreiheiten EuGHE 1995,1-5040 - Bosman. 296 E. Reimer, Die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Ertragsteuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, in: J. Kokott u. a., Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 2000, S. 39 (57). 297 EuGHE 1988,1-5483 - Daily Mail; E. Reimer, S. 65 m. w. N. Die Nichtharmonisierung rechtfertigt für sich noch nicht absolut die Beschränkung, die von einem Steuertatbestand ausgeht, doch indiziert sie einen äußerst reduzierten Prüfungsmaßstab (cf. ebenda, S. 65 f.). 298 Zur Etablierung auch für Religionsgemeinschaften relevanter gemeinwohlmotivierter Befreiungstatbestände bei der Harmonisierung der Mehrwertsteuer als indirekter Steuer cf. supra III./6. 299 Zum Rechtfertigungsgrund der Kohärenz EuGHE 1992,1-249 ff. - Bachmann; m. w. N. zu Rspr. und Lit. E. Reimer, S. 60 ff. 300 EuGHE 1993,1-6097 ff. - Keck.

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bauen. 301 Grundfreiheitliche Erheblichkeit haben steuerrechtliche Bestimmungen im nichtharmonisierten Bereich deshalb nur dann, wenn eine Mindestrelevanz für den gemeinschaftlichen Wirtschaftsverkehr vorliegt, im Fall der Freizügigkeit etwa die nationale Maßnahme den Zugang der Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt absehbar beeinflußt. 302 Ob diese Voraussetzung bei der steuerlichen Nichtberücksichtigung von Spenden und sonstigen Beiträgen an ausländische Religionsgemeinschaften vorliegt, darf bezweifelt werden. 303 (2) Einbezug der Arbeitgeber in das Kirchensteuersystem. Zum anderen sollen die Grundfreiheiten als Handelshemmnisverbote der Einschaltung der Arbeitgeber bei der Einziehung von Kirchensteuern entgegen stehen.304 Auch hier sind allerdings Zweifel angebracht. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Mitwirkung bei der Einziehung der Kirchensteuer als Annex zur Lohnsteuer besteht gegenüber dem Staat, nicht gegenüber der Kirche (s. o. 4. Kap. III.). Lohnsteuereinzug und Kirchensteuereinzug via Arbeitgeber stehen insoweit im Gleichklang. Gegen die Einschaltung von Arbeitgebern in den allgemeinen Steuereinzug ist aber unter dem Gesichtspunkt der Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote nicht zu erinnern. Wiederum bewegt man sich bei der Anwendung der Grundfreiheiten im Bereich der nichtharmonisierten Steuerrechtsbestimmungen, hier nun im Bereich der Verfahrens- und Mitwirkungsvorschriften von Arbeitgebern. In solchen Fällen können unterschiedslos wirkende Beschränkungen nur „in außerordentlich gravierenden Fällen" die Grundfreiheiten verletzen. 305 Anhaltspunkte für einen insoweit relevanten und durch die Grundfreiheiten pönalisierten Beschränkungseffekt bestehen bei der Einschaltung der Arbeitgeber beim Einzug der Lohnsteuer und der Zuschlagssteuern zu dieser nicht. 306 (3) Zuzug aus dem Ausland. Schließlich ist zu überlegen, ob die Grundfreiheiten nicht einen Randaspekt des Kirchensteuerwesens berühren, nämlich die Kirchensteuerpflicht von aus dem Ausland zugezogenen, dem Bekenntnis einer kirchensteuerberechtigten Religionsgemeinschaft anhängenden Personen. Der Bundesfinanzgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht halten eine ausdrückliche Willenserklärung zur Begründung der Mitgliedschaft in einer kirchensteuerberechtigten Religionsgemeinschaft dann für entbehrlich, „wenn der Kirchenzugehörige 301 H. Schneider/N. Wunderlich, in: J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 39 EGV Rdnr. 45; W. Brechmann, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 39 EGV Rdnr. 49 f. 302 EUGHE 2000, 1-493 ff. - Graf (Rs. C-190/98 Tz. 23): diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn die nationale Maßnahme das Verhalten allenfalls indirekt beeinflußt und der Einfluß in hohem Maße ungewiß ist; cf. H. Schneider/N. Wunderlich, in: J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 39 EGV Rdnr. 45. Kritisch zu der Entscheidung im konkreten Fall m. w. N. R. Streinz, Europarecht, S. 275. 303 304 305 306

So auch H. Weber, ZevKR 47 (2002), 221 (234). M. Vachek, S. 348 ff. E. Reimer, S. 67. c. Starck, FS Everling, Bd. II 1995, S. 1427 (1432).

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durch Taufe Mitglied geworden ist und sein Bekenntnis beibehalten hat, wenn zwischen der Kirche, deren Gebiet er verlassen hat, und der Kirche, in deren Gebiet der verzogen ist, Bekenntnisidentität besteht und er ferner jederzeit die Möglichkeit hat, seine Mitgliedschaft zu beenden."307 Freilich bestehen aus grundgesetzlicher Sicht (Stichwort: sog. negative Religionsfreiheit) auch gute Gründe, hier ein weiteres Element für die Begründung einer Mitgliedschaft zu verlangen, sei es die förmliche Erklärung des Zuziehenden, sei es eine Mitgliedschaftsvereinbarung zwischen der Religionsgemeinschaft, der der Zuziehende bisher angehörte, und der deutschen Religionsgemeinschaft. 308 Denn das Parochiairecht öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften deckt zwar die Organisation der Zugehörigkeit von Kirchenmitgliedern in den einzelnen Landeskirchen und Gemeinden gemäß dem Territorialprinzip, setzt aber die grundsätzliche Mitgliedschaft in einer konkreten deutschen Religionsgemeinschaft voraus. Unter Rückgriff auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit könnte man nun daran denken, daß auch grundfreiheitlich eine mitgliedschaftliche und damit kirchensteuerliche Vereinnahmung der aus anderen Mitgliedstaaten zuziehenden EU-Bürger ohne weiteren Erklärungsakt nicht zulässig ist. Im Ergebnis dürfte aber das Europarecht hier wie in den bisher verhandelten Konstellationen gleichfalls keine durchgreifenden Wirkungen entfalten. Denn tatsächlich handelt es sich wohl weniger um eine grundfreiheitliche als um eine grundrechtliche Frage. Entscheidend ist schließlich die Zuordnung des individuellen Rechtskreises der Religionsfreiheit und des korporativen Rechts auf Selbstordnung einer Religionsgemeinschaft im Bereich des Mitgliedschafts- und Kirchensteuerrechts. 309 Die Grundfreiheiten dagegen kämen hier mangels diskriminierenden Charakters 310 wiederum allen307 BVerwG, NVwZ 1991, 66 (67); ähnlich Β FH, ZevKR 40 (1995), 353 (356/357); zur Problematik auch J. Winter, KuR 1999, 1 (2 ff.) = 550, 25 (26 ff.); ders., Staatskirchenrecht, S. 155 ff. 308 in der katholischen Universalkirche weist diese Anforderung keine Probleme auf; die protestantischen Kirchen dagegen kennen solche ausdrücklichen Vereinbarungen nicht flächendeckend und die Bekenntnisvereinbarung der Leuenberger Konkordie bietet hier wohl nur einen unzureichenden Ersatz. Cf. insg. K. Obermayer, NVwZ 1985, 77 ff.; H. Engelhardt, NVwZ 1992, 239; ders., ZevKR 41 (1996), 142 (156); J. Winter, KuR 1999, 1 (4 f.) = 550, 25 (28 f.); ders., Staatskirchenrecht, S. 156 ff.; ders., ZevKR 47 (2002), 544 ff. auch zum umgekehrten Problem des Umzugs ins Ausland; aus der Rspr. nun OVG Koblenz, NVwZ 2002, 1010 ff., wonach jedenfalls die Angabe der Kirchenmitgliedschaft gegenüber der Meldebehörde ein ausreichender Anknüpfungspunkt ist. 309 Da es bei der Frage der Kirchenmitgliedschaft nach dem Zuzug aus dem Ausland auch ausschließlich um die Anwendung von nationalen, nicht gemeinschaftsrechtlich harmonisierten Bestimmungen geht, ist übrigens nur der grundgesetzliche, nicht der gemeinschaftsrechtliche Grundrechtsstandard maßgeblich. 310 Entscheidend ist - es sei nochmals hervorgehoben - ausschließlich die Frage der Begründung einer Mitgliedschaft in einer deutschen Religionsgemeinschaft abgeleitet aus der vorherigen Mitgliedschaft in einer nichtdeutschen Religionsgemeinschaft. Es besteht aber bei der kirchengesetzlichen Mitgliedschaft qua Zuzug aus dem Ausland keine Differenzierung nach Staatsangehörigkeit und auch der innerdeutsche Umzug von Kirchenangehörigen veranlaßt Mitgliedschaft und Kirchensteuerpflicht. Deshalb liegt keine Diskriminierung vor.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

falls als Beschränkungsverbote in Betracht - mit den oben aufgezeigten weiten Rechtfertigungsmöglichkeiten. Die kohärente kirchensteuerrechtliche Ausgestaltung des Territorialprinzips dürfte europarechtlich die ggf. ausmachbaren Beschränkungen decken. Außerdem wäre wiederum nach der effektiven Freizügigkeitsrelevanz zu fragen (s. o.).

cc) Europäisches Wettbewerbsrecht Fernerhin wird die steuerliche Abziehbarkeit der Kirchensteuer als Sonderabgabe sowie der staatliche Kirchensteuereinzug nach Stimmen in der Literatur als mit dem europäischen Beihilfeverbot (Art. 87 EGV) unvereinbar angesehen.311 Den in ökonomischem Wettbewerb stehenden Einrichtungen der Kirchen wüchse hierdurch eine europarechtswidrige Begünstigung zu. Dies veranlaßt, bereits hier auf die Anwendung des europäischen Wettbewerbsrechts auf Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen näher einzugehen und dieses Thema dann im folgenden Abschnitt (VI.) nochmals aufzunehmen. 312 (]) Grundsätzliche Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts auf öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen. Auf den ersten Blick mag die Überlegung, daß das Europäische Wettbewerbsrecht überhaupt auf Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen Anwendung finden können soll, irritieren. Doch darf nicht verkannt werden, daß diese in vielfältiger Form am wirtschaftlichen Markt tätig werden und zwar nicht nur als Nachfragende, sondern auch als Anbieter von Waren und Dienstleistungen. Insoweit (und so weit) liegt auch eine Unterwerfung von Religionsgesellschaften und ihrer Einrichtungen unter die besonderen Bedingungen des wirtschaftlichen Wettbewerbs nahe. Dabei können sie sich des in Art. 87 EGV statuierten Beihilfeverbotes nicht schon unter Hinweis auf fehlende kirchen-, religions- oder wohlfahrtspolitische Kompetenzen der Union entziehen.313 Hier gilt das Gleiche wie für die Grundfreiheiten und die sonstigen mittelbaren Folgewirkungen. 314 Auch schlägt das Selbstverständnis entsprechender Organisationen als nichtwirtschaftliche oder gar antiökonomische Akteure nicht dergestalt durch, daß das Beihilferecht zurücktritt. Maßgeblich ist im Wettbewerbsrecht insoweit, anders als im Bereich der Grundrechte, alleine das tatsächliche Verhalten. 311 M. Vachek, S. 348 ff. und S. 372 (in der Darstellung freilich recht konfus); cf. a. C. Link, ZevKR 42 (1997), 130 (150 f.), der eine entsprechende Argumentation antezipiert, ohne sie sich zu eigen zu machen, ebenso H. Tempel, Diskussionsbeitrag, in: European Consortium for Church-State Research, Religions in European Union Law, 1998, S. 25 f. mit Replik von J. C Moitinho de Almeida, ebenda, S. 26 und P. M. Huber, Staatskirchenrecht, S. 146 f. 312 Cf. a. Β. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 259; K -Α. Schwarz, EuR 2002, 209 ff.; H M. Heinig, Kirchen, S. 149 ff. 313 A. Bleckmann, Religionsfreiheit, S. 4. 314 Anders für Wohlfahrtseinrichtungen Κ. Ipsen, Soziale Dienstleistungen und EG-Recht, 1997, S. 47 ff. und öfter.

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(2) Der Begriff der Beihilfe. Unter Zugrundelegung des weit verstandenen europarechtlichen Beihilfebegriffs wären sowohl der staatliche Einzug der Kirchensteuer für die steuerberechtigte Religionsgemeinschaft wie die mittelbar zugunsten dieser wirkende steuerliche Begünstigung von Kirchensteuern als Sonderabgaben grundsätzlich beihilfetaugliche Vorgänge. Beihilfen i. S. d. Art. 87 EGV sind staatlich veranlaßte positive Leistungen an Unternehmen in Form von Geld oder Sachleistung sowie jede Form der Verminderung der Belastung eines Unternehmens, soweit sie in ihrer Wirkung positiven Leistungen gleichsteht.315 Erfaßt sind damit Befreiungen von Steuern und Abgaben, aber auch staatliche Dienstleistungen, wie sie der staatliche Kirchensteuereinzug darstellt. Die begünstigende Wirkung kann dabei auch mittelbar, d. h. durch das Dazwischentreten eines Dritten eintreten; typischer Fall hierfür ist eine Subvention über den Umweg der Verbraucher, aber auch die steuerliche Begünstigung der Kirchensteuerschuldner ist hierunter faßbar. An einer staatlichen Beihilfe fehlt es freilich, wenn der Begünstigung eine Gegenleistung gegenübersteht, 316 wie dies für die Einziehung der Kirchensteuer durch die staatlichen Finanzämter der Fall ist. Die staatlichen Aufwendungen werden durch die Abtretung eines gewissen Prozentsatzes des Kirchensteueraufkommens (ca. 4%) entschädigt.317 Beihilfeerheblich wäre insoweit allenfalls der Vorteil, der den Kirchen durch die staatliche Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Mitwirkung bei der Kirchensteuer zukommt. Insoweit wäre ggf. zu prüfen, ob nicht die kirchliche Gegenleistung auch diese mittelbare Hilfestellung abgeltet. 318 (3) Der Unternehmensbegriff. Maßgeblich für den Einstieg in Art. 87 EGV ist ferner ein funktionaler Unternehmensbegriff, der das Beihilfeverbot effektiv halten soll. 3 1 9 Ein Unternehmen i. S. d. Art. 87 EGV liegt vor, wenn der Begünstigte mit seiner Tätigkeit auf Dauer wirtschaftliche Zwecke verfolgt, indem er gegen Entgelt Leistungen erbringt oder Tätigkeiten entfaltet, bei denen er mit gewerblichen Anbietern in Konkurrenz steht. 320 Die Rechtsform ist unbeachtlich, es reicht die Teil315 Grdl. EuGHE 1961, 1 ff.; s. allgemein P.-C. Müller-Graff, ZHR 152 (1988), 403 (415 ff.); R. Geiger, EUV/EGV, 3. Aufl. 2000, Art. 87 Rdnr. 7 f.; W. Mederer, GTE, 5. Aufl. 1999, Art. 92 Rdnr. 4 ff. 316 R-C. Müller-Graff, ZHR 152 (1988), 403 (418); W. Cremer, in: in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 87 Rdnr. 7; W. Mederer, GTE, 5. Aufl. 1999, Art. 92 Rdnr. 6. 317 E. G. Mahrenholz, Die Kirchen in der Gesellschaft der Bundesrepublik, 2. Aufl. 1972, S. 103. 318 Eine Entschädigung der Arbeitgeber ist wettbewerbsrechtlich dagegen nicht erforderlich. Begünstigender ist der Staat, nicht der Arbeitgeber, der nur seiner Rechtspflicht gegenüber dem Staat nachkommt. An eine Entschädigung des Arbeitgebers wäre dagegen für den Fall zu denken, daß man die Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers beim Kirchensteuereinzug für grundrechtsrelevant hält (s. o. 4. Kap. III.). 319 Zum Unternehmensbegriff näher W. Weiß, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hg.), EUV/ EGV, Art. 81 EGV Rn. 31 ff.; C. Benicke, EuZW 1996, 165 (168); für den Bereich der sozialen Sicherheit W Berg, EuZW 2000, 170 (171 ff.). 320 R Stockenhuber, in: E. Grabitz/M. Hilf (Hrsg.), Recht der EU, Art. 81 EGV Rdnr. 57 m. w. N.

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nähme am Wirtschaftsverkehr. 321 Auch eine Gewinnerzielungsabsicht ist, wie bei Art. 48 Abs. 2 EGV (s. ο. V. 3. b)), nicht erforderlich. 322 Soweit Kirchen und ihre Einrichtungen also - auch bei der Erfüllung ihrer religiösen Zwecke oder „eines Gemeinwohlauftrags" - eine wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Sinne aufnehmen, fallen sie diesbezüglich unter den Unternehmensbegriff des Art. 87 EGV. 323 Damit kommen manche religionsgemeinschaftlichen Unternehmungen grundsätzlich in den Blick des europäischen Wettbewerbsrechts, so bierbrauende und agrarwirtschaftlich tätige Klöster, Verlagstätigkeiten sowie das (diakonisch motivierte) Betreiben von Werkstätten oder Einrichtungen im medizinisch-sozialen Bereich wie Krankenhäuser und Pflegedienste. Allerdings ist der Unternehmenscharakter einer Einrichtung zu verneinen im Bereich rein, d. h. nicht-wirtschaftlich geprägter, kultureller, sozialer und karitativer Aktivitäten. Das kirchliche „Kerngeschäft" der Seelsorge, Kasualien und Gemeindearbeit fällt damit, ungeachtet des mit der Mitgliedschaft verbundenen Pflichtigen finanziellen Obolus, ebenso aus dem Wahrnehmungsraster des europäischen Beihilferechts heraus wie zahlreiche diakonische Aktivitäten, ζ. B. das Betreiben von Suppenküchen und Bahnhofsmissionen. Unter dem Eindruck des religionsrelevanten Mehrebenenrechts 1. Ordnung dürfte hieran einstweilen weder die diakoniewissenschaftliche und praktisch-theologische Rede vom „Unternehmen Kirche" 3 2 4 etwas ändern, noch die Tatsache, daß andere religiöse Vereinigungen ihre „Produkte" wohlmöglich gegen Entgelt anbieten. Die soziologische Rede vom „religiösen Markt" 3 2 5 ist wirtschaftsrechtlich rein metaphorisch zu verstehen. Denn von einem Marktwettbewerb kann hier nicht sinnvoll gesprochen werden. „Die Leistungen und Produkte von Religionsgemeinschaften sind mit religiösen Sinnvorstellungen aufgeladen, es handelt sich um ,Tendenzprodukte', die nicht mit denjenigen von anderen Religionsgemeinschaften gleichgestellt werden dürfen, ... weil wegen der wesentlichen Sinngeprägtheit religiöser Leistungen diese nicht wechselseitig substituierbar sind." 3 2 6 Anders formuliert: Ein Clearing bei Scientology ersetzt dem Christen nicht das Abendmahl und vice versa. Das europäische Wettbewerbsrecht findet weiterhin keine Anwendung, soweit hoheitliche Verwaltungsaufgaben durch Private übernommen werden. 327 Auch 321 EuGHE 1991,1-1979 (2016)-Höfner. 322 EUGHE 1980, 3125 (Tz. 88) - van Landewyck; W. Weiß, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 81 Rdnr. 31. 323 p. Stockenhuber, in: E. Grabitz/M. Hilf (Hrsg.), Recht der EU, Art. 81 EGV Rdnr. 57: „Auch gemeinnützige Organisationen bzw. Rechtsträger (Wohltätigkeitsvereine, Kirchen etc.) unterliegen hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten dem Kartellrecht". 324 A. Brunner (Hrsg.), Vom Klingelbeutel zum Profitcenter, 1997; Th. Röhr (Hrsg.), Unternehmen Kirche - Organisationshandbuch für Pfarrer und Gemeinde, 1994 ff. 325 Cf. H. Knoblauch, Religionssoziologie, 1999, S. 206 m. w. N. 326 M. Morlok, in: H. Dreier (Hg.), GG, Art. 137 WRV Rn. 38. 327 J. Gohde/K. Erdmenger/G. Cless, Diakonie im europäischen Wettbewerb, in: J. Gohde u.a (Hrsg.), Das Soziale Europa gestalten, 2001, S. 93 (95 ff.) verweisen in diesem

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fehlt es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes - dies könnte für diakonische Einrichtungen erheblich sein - am Unternehmenscharakter, wenn eine öffentliche Einrichtung im Bereich der sozialen Sicherheit ausschließlich Aufgaben mit sozialem Charakter erfüllt. 328 Ferner sieht der Europäische Gerichtshof den grundsätzlichen Ausschluß von gewinnorientierten Unternehmen in einzelnen Segmenten der sozialen Sicherheit, im konkreten Fall dem Betreiben von Seniorenheimen, als zulässig an, da die Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme den Mitgliedstaaten vorbehalten sei; europäisches Wettbewerbsrecht findet dann keine Anwendung. 329 Soweit jedoch mit sozialen Aufgaben betraute Organisationen im Wettbewerb mit anderen Anbietern stehen, liegt ein Unternehmen im Sinne des europäischen Primärrechts vor. Auch eine Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts ist dann grundsätzlich gegeben, so etwa im Falle freiwilliger öffentlicher Zusatzversicherungen, die mit privaten Lebensversicherungen konkurrieren. 330 Erforderlich ist insoweit also die (schwierige) Abgrenzung zwischen rein sozialen Tätigkeiten sozialer und religiöser Organisationen von ihrer nichtgewinnorientierten Teilnahme am Wirtschaftsverkehr. (4) Vereinbarkeitsklauseln. Soweit eine wirtschaftliche Betätigung einer religiösen Organisation i. S. d. europäischen Wettbewerbsrechts vorliegt, sind weiterhin die Vereinbarkeitsklauseln des Art. 87 Abs. 2 und 3 EGV zu berücksichtigen. Freilich ist keine der Bestimmungen ohne weiteres für staatliche Begünstigungen von Religionsgesellschaften einschlägig. Allenfalls die Förderung der Kultur und die Erhaltung des kulturellen Erbes (Art. 87 III lit. d) EGV) könnte herangezogen werden, wobei wiederum die oben angestellten Überlegungen zur Differenz von Religion und Kultur zu berücksichtigen wären. (5) Zwischenstaatliche Relevanz. Ferner ist bei der Frage nach den Wirkungen des europäischen Beihilferechts auf Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen in Deutschland die Zwischenstaatsklausel in Art. 87 EGV maßgeblich. Durch eine Beihilfe muß der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt sein, damit europäisches Wettbewerbsrecht überhaupt Anwendung findet. Hieran dürfte es bei Aktivitäten religiöser Einrichtungen zumeist mangeln. (6) Art. 86 II EGV. Weiterhin ist für die Anwendung des europäischen Wettbewerbsrechts Art. 86 Abs. 2 EGV beachtlich, der Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, einer „ermäßigten" Wettbewerbskontrolle unterwirft und mit Art. 16 EGV korrespondiert. 331 Vor Zusammenhang auf die Schwangerschaftskonfliktberatung durch Diakonie und (ehemals) Caritas sowie auf Aufgaben mit ordnungsrechtlicher Prägung nach dem KJHG im Bereich der Jugendfürsorge, der Jugendgerichtshilfe und der Bewährungshilfe. 328 EuGHE 1993,1-637 (670) - Poucet und Pistre. 329 EuGHE 1997,1-3395 ff. - Sodemare. 330 EUGHE 1995,1-4013 ff. - FFSA. 331 j. M. Gonzâles-Orûs , EPL 5 (1999), 387 ff.; Art. 86 I EGV ist dagegen für den hiesigen Kontext von geringerem Interesse, da er die Anwendung der Art. 81-89 EGV nicht berührt; 30 Heinig

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dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte der Norm ist grundsätzlich zu fragen, ob für die Subsumtion unter das Merkmal „Betrauung mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse" nicht eine gewisse Staatsnähe, eine hoheitliche Übertragung erforderlich ist, 3 3 2 wie sie die Unternehmen der „economie sociale" 333 in Frankreich auszeichnet und wie sie für die kirchlichen Einrichtungen, etwa der Wohlfahrtspflege, gerade nicht angenommen werden kann. 334 Folgt man aber dem neueren Ansatz der Kommission, nach der auch durch die Verleihung einer öffentlich-rechtlichen Konzession und sogar durch vertragliche Bindungen ein Betrauungsakt erfolgen kann, 335 ist die Anwendbarkeit des Art. 86 Abs. 2 EGV auf die möglicherweise als Unternehmen i. S. d. europäischen Wettbewerbsrechts zu bewertenden kirchlichen Einrichtungen nicht a limine ausgeschlossen. Der EuGH hat für eine nichtkirchliche Einrichtung der freien Wohlfahrtspflege herausgestrichen, daß sie ein Unternehmen darstellen kann, das mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut ist. 3 3 6 Hier hängt sowohl hinsichtlich der spezifisch wirtschaftlichen Interessen an der Tätigkeit wie des Betrauensaktes vieles von der konkreten Ausgestaltung ab. Etwa könnte man in der Aufnahme einer kirchlichen Einrichtung in den Krankenhausplan nach §§6 und 8 KHG eine besondere Betrauung sehen. Der Einbezug in das normale kassenärztliche Vertragsystem dürfte dagegen nicht genügen. Im Gefolge einer Anwendung des Art. 86 EGV wären dann auch die besonderen, sekundärrechtlich begründeten Transparenzpflichten öffentlicher und mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betrauter Unternehmen zu beachten.337 cf. C. Jung, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 86 Rdnr. 17 ff.; F. Hochbaum, in: GTE, 5. Aufl. 1999, Art. 90 EGV Rdnr. 24 ff.: M. Deckert/W. Schroeder, EuR 1998, 291 ff. 332 Cf. generell F. Hochbaum, in: GTE, 5. Aufl. 1999, Art. 90 EGV Rdnr. 57; eine Anwendbarkeit des Art. 86 II EGV auf die Diakonie deshalb ablehnend M. Hartwig, Korporative Religionsfreiheit und soziale Tätigkeit, in: R. Grote/Th. Marauhn (Hrsg.), Religionsfreiheit zwischen individueller Selbstbestimmung, Minderheitenschutz und Staatskirchenrecht, 2001, S. 509 (538); die Evangelische Kirche dagegen geht davon aus, daß es sich bei der Diakonie um ein öffentliches Unternehmen i. S. d. Art. 86 II EGV handelt, cf. Kirchenamt der EKD (Hrsg.), Herz und Mund und Tat und Leben, 1998, S. 65. 333 Hierzu B.-O. Kuper, Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge 70 (1990), 307 (308); Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Zukunft von Anbietern sozialer Dienstleistungen, wenn die Gemeinnützigkeit im „Haus Europa" fällt, 1997, S. 10. 334 Primär im Blick sind als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse Verkehrs-, Energieversorgungs- und Telekommunikationsdienste; s. Mitteilung der Kommission, Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, ABl. 2001 C 17, 4 ff.; J. Schwarze, EuZW 2001, 334 ff. 335 5. Albin, DÖV 2001, 890 (896) m. w. N. 336 EUGH, EuZW 2002, 25 Tz. 45; hierzu M. Kaufmann, ZFSH/SGB 2002, 137 ff.; zur Bedeutung für die kirchliche Wohlfahrtspflege H. Weber, Tätigkeit, i.E. 337 s. RL 80/723/EWG in der Fassung RL 2000/52/EG, ABl. 2000 L 193, 75 ff.

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(7) Art. 136 EGV und soft-law . Schließlich sind für die Auslegung des europäischen Beihilferechts Art. 136 EGV, auch in Verbindung mit der Erklärung Nr. 23 zum Vertrag von Maastricht, die die Wohlfahrtsverbände als zivilgesellschaftliche Akteure ausdrücklich anerkennt, 338 sowie das oben benannte Mehrebenenrecht 1. Ordnung, insbesondere die Erklärung Nr. 11, heranzuziehen. Auf diese Weise wird man für die Anwendung des europäischen Beihilferechts auf Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen häufig zu verständigen Lösungen kommen, so bei Beihilfen unter relevanten Schwellenwerten 339 oder bei der von Kommission und Gerichtshof für zulässig gehaltenen Kompensation von Wettbewerbsnachteilen, die aus der Verpflichtung des Unternehmens zur Erfüllung bestimmter Gemeinwohlbelange resultieren. 340 Gerade an diesem Beispiel zeigt sich wieder, wie durch die Logik des Mehrebenenrechts in angemessener Weise spezifisch europäische, mitgliedstaatliche und zivilgesellschaftliche Belange in Ausgleich gebracht werden können. Zugleich deutet es aber auch an, daß sich die Kirchen und ihre Einrichtungen, gerade die diakonischen unter dem Eindruck einer zunehmenden Ökonomisierung sozialer Leistungen, dem europäischen Wettbewerbsrecht nicht vollständig werden entziehen können. Die Europäische Kommission hat diesen Befund wie folgt umschrieben: „Generell werden nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs viele Tätigkeiten von Einrichtungen, die weitgehend soziale Aufgaben ohne Gewinnabsicht erfüllen und deren Zweck nicht in der Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit besteht, von den wettbewerbsund binnenmarktrechtlichen Vorschriften der Gemeinschaft nicht erfaßt. Darunter fallen diverse nichtwirtschaftliche Tätigkeiten von Einrichtungen wie ... Kirchen und religiösen Gemeinschaften, ... Wohlfahrtseinrichtungen sowie Schutz- und Hilfsorganisationen. Sobald eine derartige Einrichtung jedoch bei der Erfüllung eines Gemeinwohlauftrags wirtschaftliche Tätigkeiten aufnimmt, sind hierauf die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze ... unter Berücksichtigung des besonderen sozialen und kulturellen Umfelds, in dem die betreffenden Tätigkeiten ausgeübt werden, anzuwenden. Die Kommission wird in solchen Fällen im Zusammenhang mit eher allgemeinen Überlegungen zum Gebrauch ihres Ermessensspielraums ebenso prüfen, ob sie aufgrund ihrer gesetzlichen Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag gegebenenfalls tätig werden muß, weil Interessen der Gemeinschaft berührt sind." 341

Ob vor diesem Hintergrund allerdings die eingangs festgehaltene steuerliche Begünstigung von Kirchensteuern als Sonderabgabe eine europarechtswidrige Bei338 B.-O. Kuper, EuroAS 1998, 22 ff. 339 Zu De minimis- Beihilfen cf. a. S. Albin, DÖV 2001, 890 (894). 340 Entscheidung der Europäischen Kommission, Recht der Lebenshilfe 1998, 41 ff.; Mitteilung der Kommission, Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, ABl. 2001 C 17, 4 (10 Tz. 33) zur Zulässigkeit der Kompensation von durch besondere soziale Verpflichtungen bedingte wettbewerbliche Nachteile. 341 Mitteilung der Kommission, Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, ABl. C 17 vom 19. Januar 2001, 4 (9 Tz. 30); hierzu auch H. Weber, Tätigkeit, i.E.; zum Ermessensspielraum der Kommission im Rahmen der Europäischen Beihilfeaufsicht generell Th. v. Danwitz, JZ 2000, 429 (433 f.). 30*

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

hilfe darstellt, darf angesichts der aufgezeigten Sonderheiten bei der Anwendung des Beihilferechts auf Religionsgemeinschaften und ihre Einrichtungen stark bezweifelt werden. 342 Zwischenresiimee Einstweilen kann festgehalten werden, daß europarechtliche Transformationen des kirchlichen Besteuerungsrechts als besonderes Korporationsrecht öffentlichrechtlicher Religionsgemeinschaften allenfalls am Rande bestehen. Weitergehende Fragen wirft dagegen die Einordnung der nach Art. 137 V WRV organisierten Religionsgemeinschaften in das allgemeine Europarecht auf. Diese Fragen können wie gezeigt - unter Heranziehung der unter V. aufgezeigten, dem religionsrechtlichen Mehrebenenrecht 1. Ordnung zugrundeliegenden Normen jedoch allesamt kohärent beantwortet werden. Hält man in Konsequenz des hier entwickelten Ansatzes die spezifische mitgliedstaatliche Begründung und Ausgestaltung des Körperschaftsstatus nach Art. 137 V WRV auch für die Anwendung des Europarechts für beachtlich, dann bietet es sich an, solche religiösen Organisationen aufgrund ihrer Atypizität grundsätzlich wie sonstige juristische Personen des Privatrechts zu behandeln. Eine Unterwerfung unter besondere europarechtliche Pflichten ist dagegen in den Bereichen indiziert, in denen öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften auf besondere Beleihungen zurückgreifen, wobei sich die Folgefrage der Beachtlichkeit des freiheitsdienenden Charakters der Beleihung stellt.

VI. Transformationen des allgemeinen grundrechtlichen Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz durch das Europarecht (dargelegt anhand ausgewählter Beispiele) Religionsrecht als Mehrebenenrecht transformiert die Rechtsstellung von Religionsgemeinschaften. Diese Eingangsthese des Kapitels hat nicht nur für die besonderen Rechte und die Rechtsform öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften Bedeutung; das Europarecht wirkt darüber hinaus transformierend auf den allgemeinen Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz, wie er in Kapitel 3 näher skizziert wurde. Freilich ist das Ausmaß der europarechtlich motivierten Wandlungen der Rechtsstellung deutscher Religionsgesellschaften - gemessen an der zuweilen aufgebauten Drohkulisse - eher bescheiden. Bereits den bisherigen Ausführungen läßt sich entnehmen, daß die europarechtlich bedingten Änderungen eher im Detail zu suchen sind. Grundstürzende Neu342 So i.E. auch C. Starck, FS Everling, Bd. II 1995, S. 1427 (1431 f.); Hollerbach, ZevKR 1990, 280; Gemeinsame Stellungnahme, S. 24; C. Link, ZevKR 42 (1997), 130 (151); B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 261.

VI. Transformationen des allgemeinen Status durch das Europarecht

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erungen, die Anlaß zur Ausrufung eines „europäischen Kulturkampfes" 343 geben können, sind dagegen kaum zu besorgen. Dies gilt auch für die Transformationen des allgemeinen grundgesetzlichen Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz von Religionsgemeinschaften. Einerseits ist dies den oben benannten besonderen Religionsklauseln im europäischen Sekundärrecht geschuldet, andererseits und damit verbunden dem religionsspezifischen Mehrebenenrecht 1. Ordnung (IV.). Die Effekte beider Komponenten für die Transformationswirkungen des Europarechts sollen im folgenden an einigen wesentlichen Punkte nachgezeichnet werden.

1. Der grundgesetzliche Status der Freiheit und das Europarecht (dargelegt anhand des kirchlichen Arbeitsrechts) a) Normen mit Transformationspotential aa) Allgemeine Bestandsaufnahme (1) Arbeitnehmerbegriff und Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die wohl markantesten Transformationswirkungen des Europarechts auf den vierfältigen Status von Religionsgesellschaften in Deutschland sind im Bereich des Arbeitsrechts auszumachen. 344 Die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit entfaltet im oben (V. 3.) aufgezeigten Maße auch Vorgaben für Arbeitsverhältnisse innerhalb von Religionsgemeinschaften. Der Arbeitnehmerbegriff des EGV ist dabei denkbar weit 3 4 5 und erfaßt alle weisungsabhängigen, auf gewisse Zeit angelegten entgeltlichen Tätigkeiten; 346 sämtliche von einer Religionsgesellschaft Beschäftigten in öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen oder zivilrechtlichen Arbeitsverhältnissen fallen somit darunter. 347 Das diese Grundfreiheit flankierende Verordnungsrecht kennt zudem mit unmittelbarer DrittWirkung versehene Normierungen: nach Art. 7 IV der VO 1612/68 sind alle Bestimmungen in Tarif- oder Einzelarbeitsverträgen oder in sonstigen Kollektivvereinbarungen von Rechts wegen nichtig, soweit sie für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, diskriminie343 Cf. zur doppelten Bedeutung in diesem Zusammenhang M. Heinig , ZEE 43 (1999), 294 (306). 344 y. E. Christoph, ZevKR 35 (1990), 181 ff.; ders., ZevKR 36 (1991), 395 ff.; ders., ZevKR 37 (1992), 415 ff.; K.-D. Borchardt, Einwirkungen, S. 100 ff.; Kirchenamt der ΕΚD/ Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), S. 21 ff.; A. Bleckmann, Religionsfreiheit, S. 5; A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 415 f.; J. C. Moitinho de Almeida, S. 11 f.; M. Vachek, S. 301 ff.; B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 260; F. Sucker, S. 24 ff.

345 EuGHE 1982, 1035 ff. 346 EuGHE 1986, 2121 (2144) - Lawrie Blum; K. Hailbronner, 22 ff. 347 M. Heinig , ZEE 43 (1999), 294 (299).

HdbEUWirtR, D I Rdnr.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

rende Bedingungen vorsehen oder zulassen.348 Dabei sind Regulierungen des Dritten Weges (s. o. 3. Kap. I. 3. e)), die den Zugang zur Beschäftigung, die Entlohnung und alle übrigen Arbeits- und Kündigungsbedingungen betreffen, Kollektivvereinbarungen i. S. d. Verordnung. (2) Geschlechtsbezogene Diskriminierungsverbote. Das Gebot gleicher Bezahlung von Mann und Frau in Art. 141 I EGV richtet sich ebenso wie an sonstige Arbeitgeber auch an Religionsgemeinschaften. Das das Verbot der geschlechtsspezifischen Diskriminierung flankierende Sekundärrecht ist gleichfalls für Religionsgesellschaften in der durch die Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber geltenden Fassung bindend. Dies gilt maßgeblich für die Gleichbehandlungsrichtlinie, 3 4 9 deren Benachteiligungsverbote etwa in § 611a und § 612 III BGB umgesetzt sind. 350 (3) Sonstiges Individualarbeitsrecht. Die Arbeitszeitrichtlinie mit den benannten Sonderbestimmungen für Religionsdiener (cf. supra III. 2.) hat nationale Rechtswirkung in der Fassung des ArbZG und damit einschließlich der Möglichkeit von Abweichungen für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften durch eigene Regelungen nach § 7 IV ArbZG; 3 5 1 auch die Betriebsübergangsrichtlinie in Form von § 613a BGB ist für Religionsgemeinschaften in Deutschland beachtlich. 352 Daneben bestehen zahlreiche weitere europarechtlich motivierte arbeitsrechtliche Kodifikationen oder Einzelnormen im deutschen Arbeitsrecht, etwa zur Sicherheit und zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz oder zu sozialen Arbeitsbedingungen, die auf Religionsgesellschaften gleichfalls Anwendung finden (s. o. III. 2.). (4) Kollektivarbeitsrecht. Das europäische Sekundärarbeitsrecht kann dabei auch Wirkungen auf das kollektive Arbeitsrecht entfalten. 353 Für das Arbeitsentgelt, das Koalitionsrecht, das Streikrecht und das Aussperrungsrecht sind kollektivarbeitsrechtliche Vorgaben durch das Europarecht zwar von Art. 137 V I EGV ausgeschlossen, den verbleibenden rechtspolitischen Gestaltungsraum dagegen nutzt die Gemeinschaft. Dabei bezieht die Richtlinie zu Konsultationspflichten bei Massen348 s. allgemein EuGHE 1974, 1405 - Walrave und Koch; E 1976, 1333 - Donà; E 1998, 1-47 - Schöning-Kongebetopoulo; cf. W. Brechmann, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 39 EGV Rdnr. 51 ; speziell zu Religionsgemeinschaften R. Streinz, Essener Gespräche 31 (1997), S. 53 (71 f.). 349 ABl. 1989 L 19, 16. 350 Zu den besonderen Problemen der Anwendbarkeit von § 612 III BGB auf kirchliche Arbeitsverhältnisse bei der Neu strukturierung von Vergütungsgruppen cf. P. Hanau/ G. Thüsing, S. 58 ff. 351 D. Schäfer, Das kirchliche Arbeitsrecht in der europäischen Integration, 1997, S. 99 ff. 352 Zu den besonderen Konsequenzen für die Strukturen und Rechte der Mitarbeitervertretung H. Reichold, ZTR 2000, 57 ff.; ders., NZA 2001, 1054 (1058) einerseits, R. Richardi, Arbeitsrecht, S. 62 ff. andererseits; vermittelnd P. Hanau/G. Thüsing, S. 43 ff.; cf. a. D. Schäfer, S. 105 ff. 353 Cf. näher D. Schäfer, S. I l l ff.; G. Müller-Volbehr, S. 112 ff. und 124 ff.; H. de Wall, ZevKR 45 (2000), 157 (164 f.); M. Vachek, S. 316 ff.; P. Hanau/G. Thüsing, S. 70 ff.

VI. Transformationen des allgemeinen Status durch das Europarecht

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entlassungen grundsätzlich auch Religionsgesellschaften ein - die damit korrelierenden Kodifikationen in Deutschland, die den sachlichen Regelungsgehalt der Richtlinie abdecken (BetrVG und PersVG), finden freilich auf Religionsgesellschaften keine Anwendung, so daß sich hier die Frage nach einer Umsetzungslücke oder alternativ nach einer Umsetzung durch das kircheneigene Mitarbeitervertretungsrecht stellt. 354 Das auf die Richtlinie zur Stärkung des Rechts auf grenzübergreifende Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit tätigen Unternehmen und Unternehmensgruppen zurückzuführende Europäische Betriebsrätegesetz entfaltet dagegen absehbar keine Transformationswirkungen für das kollektive kirchliche Arbeitsrecht, weil es Religionsgesellschaften und ihren Einrichtungen zum einen in der Regel am transnationalen Unternehmenscharakter fehlt, zum anderen eine Tendenzschutzklausel besteht.355 Weitere kollektivarbeitsrechtlich relevante Regelungsvorschläge der Kommission sind bisher nicht über den Status einer rechtspolitischen Initiative hinausgekommen, lassen aber erkennen, daß den grundrechtlich definierten Erfordernissen eines effektiven Tendenzschutzes nicht immer hinreichend Genüge getan wird. 3 5 6 In einem solchen Fall wird man das religionsbezogene Mehrebenenrecht 1. Ordnung heranzuziehen haben, um durch grundrechtskonforme Interpretation oder durch gerichtlichen Rechtsschutz einen hinreichenden Tendenzschutz sicherzustellen. 357 (5) Sozialer Dialog. Am „Sozialen Dialog" nach Art. 138 EGV nehmen die deutschen Kirchen gegenwärtig nicht teil, da sie sich nicht als Sozialpartner im Sinne des Trennungs- und Konfrontationsgedankens verstehen, sie also koalitionsund tarifvertragsunwillig sind 3 5 8 und es auch an einer erforderlichen transnationalen Organisation fehlt. 359 Die Abwesenheit im europäischen Sozialen Dialog ist insoweit für die Religionsgesellschaften abträglich, als sie von dieser Form der 354 Cf. H. Reichold, ZTR 2000, 57 (60 f.). 355 Cf. a. Kirchenamt der EKD / Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), S. 22; D. Schäfer, S. 113 ff.; C. Link, ZevKR 42 (1997), 130 (137, 142); R. Streinz, Essener Gespräche 31 (1997), S. 53 (74); H. Ehnes, KuR 1997, 219 (222) = 140 (47 (50); M. Haedrich, S. 79 f.; M. Heinig, ZEE 43 (1999), 294 (302); G. Müller-Volbehr, S. 112 ff.; H. Reichold, ZTR 2000, 57 (59); M. Vachek, S. 316 ff.; P. Hanau/G. Thüsing, S. 72 f. auch mit einer Auseinandersetzung um die direkte oder analoge Anwendbarkeit der Tendenzschutzklausel. 356 Siehe den Vorschlag zu einer Verordnung über das Europäische Vereinsstatut (ABl. 1993 C 236, 1 ff.) und die zugehörige Richtlinie zur Ergänzung des Vereinsstatuts hinsichtlich der Rolle der Arbeitgeber (ABl. 1993 C 236, 14 ff.); hierzu a. Kirchenamt der EKD/ Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), S. 12; C. Link, ZevKR 42 (1997), 130 (142); H Kalb, ÖAfKR 46 (1997), 88 (94); D. Schäfer, S. 111 ff.; G. Müller-Volbehr, S. 128 jeweils m. w. N. 357 Cf. zum europäisch gebotenen Tendenzschutz auch Fn. 366; ferner G. Robbers, Essener Gespräche 27 (1993), 81 (92); ders., HdbStKirchR 2 I, S. 325 (329); W. Rüfner, FS Heymanns Verlag, 1995, S. 485 (489); C. Link, ZevKR 42 (1997), 130 (141) m. w. N. 358 Eine Ausnahme besteht für die Landeskirchen, die den „Dritten Weg" verlassen und Tarifverträge abgeschlossen haben. 359 Zum Begriff des Sozialpartners i. S. d. Art. 138 f. EGV R. Rebhahn, in: J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2000, Art. 139 EGV Rdnr. 11 f.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

Partizipation durch Konsultation, die auch auf die Vorbereitung von Rechtsakten nach Art. 137 EGV zielt, ausgeschlossen sind. Dabei stellt sich die Frage, ob Religionsgemeinschaften als Arbeitgeber trotz Nichtmitwirkens am Sozialen Dialog an Vereinbarungen i. S. d. Art. 139 EGV gebunden sind. 360 Erfolgt die Durchführung „nach den Verfahren und Gepflogenheiten der Sozialpartner und der Mitgliedstaaten", wird man dies in Anbetracht der Besonderheiten des kirchlichen kollektiven Arbeitsrechts im Dritten Weg verneinen müssen. Anders aber ist der rechtswirksame Beschluß der Vereinbarungen durch den Rat zu bewerten, der im Anwendungsbereich des Art. 137 EGV erfolgt, also innerhalb der Rechtssetzungskompetenzen und innerhalb der Rechtssetzungsformen (Verordnung oder Richtlinie) 361 der Gemeinschaft.

bb) Insb. RL 2000/78/EG (I) Besondere Tendenzschutzklausel für religiöse Organisationen bei religiösen Diskriminierungen. Der Umsetzung harrt noch die für das Arbeitsrecht der Kirchen besonders relevante Richtlinie zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens zur Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/ EG). Diese ist insbesondere vor dem Hintergrund des dargelegten komplexen grundgesetzlichen Wirkungsgefüges von individueller und korporativer Religionsfreiheit, religionsbezogenem Diskriminierungsverbot und sonstigen Grundrechtspositionen (s. o. 3. Kap. I. 3. e. und III.) von Interesse. 362 Nach Art. 4 II der Richtlinie besteht eine besondere Ausnahmeklausel für Religionsgesellschaften vom Verbot der religiösen Diskriminierung (s. o. III. 2.). Diese lautet im vollständigen Wortlaut: " . . . (2) Die Mitgliedstaaten können in Bezug auf berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen und anderen öffentlichen und privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, Bestimmungen in ihren zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie geltenden Rechtsvorschriften beibehalten oder in künftigen Rechtsvorschriften Bestimmungen vorsehen, die zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie bestehende einzelstaatliche Gepflogenheiten widerspiegeln und wonach eine

360 D. Schäfer, S. 25; M. Vachek, S. 321. 361 Cf. zum Verständnis des Merkmals „Durchführung ... durch einen Beschluß des Rates" i. S. d. Art. 139 II EGV S. Krebber, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 139 EGV Rdnr. 29. 362 Cf. bereits vor dem Erlass des einschlägigen Sekundärrechts G. Robbers, KuR 1999, 87 ff. = 140, 55 ff.; M. Heinig, ZEE 1999, 294 (299 ff.); H de Wall, ZevKR 45 (2000), 157 (162 f., 169 f.); nunmehr ferner ders., ZevKR 47 (2002), 208, 210 ff.; H. Weber, ZevKR 47 (2002), 221 (238 ff.); P. Kirchhof, Kern, i.E.; H. Reichold, NZA 2001, 1054 ff.; M. Droege, Der religionsverfassungsrechtliche Tendenzschutz im Arbeitsrecht, in: G. Klinkhammer/T. Frick (Hrsg.), Religionen und Recht, 2002, S. 203 (224 ff.); C. Grabenwarter, Die Kirchen in der EU - am Beispiel von Diskriminierungsverboten in Beschäftigung und Beruf, in: ders. / N. Lüdecke (Hrsg.), Standpunkte im Kirchen- und Staatskirchenrecht, 2002, S. 60 ff.

VI. Transformationen des allgemeinen Status durch das Europarecht

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Ungleichbehandlung wegen der Religion oder Weltanschauung einer Person keine Diskriminierung darstellt, wenn die Religion oder die Weltanschauung dieser Person nach der Art dieser Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt. Eine solche Ungleichbehandlung muß die verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Grundsätze der Mitgliedstaaten sowie die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts beachten und rechtfertigt keine Diskriminierung aus einem anderen Grund. Sofern die Bestimmungen dieser Richtlinie im übrigen eingehalten werden, können Kirchen und andere öffentliche und private Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen beruht, im Einklang mit den einzelstaatlichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Rechtsvorschriften von den für sie arbeitenden Personen verlangen, daß sie sich loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos der Organisation verhalten."

Art. 4 II der Richtlinie ist vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte363 und dem Zweck der Norm grundsätzlich extensiv zu verstehen. Sie geht über die in Art. 4 I enthaltene allgemeine Ausnahmeklausel hinaus. 364 Die letztlich verabschiedete Formulierung der Richtlinie zeichnet sich durch eine weite Fassung des personellen Anwendungsbereichs der Ausnahmeklausel aus. Nicht nur die Religionsgesellschaften selbst, sondern auch die durch das religiöse Ethos gekennzeichneten Umfeldorganisationen sind hiervon erfaßt. Auch in sachlicher Hinsicht wird das zulässige Maß an beruflichen Anforderungen weit gefaßt. Ausdrücklich aufgenommen ist in Art. 4 II der RL 2000/78/EG auch die Möglichkeit einer besonderen religiösen Loyalitätsprägung des Arbeitsverhältnisses. Auffällig ist dabei, daß kein eigener europarechtlicher Standard gesetzt, sondern ein weitgehender Bestandsschutz bestehender mitgliedstaatlicher Tendenzregime ausgesprochen ist. Dieser Verweis auf die mitgliedstaatliche Rechtslage ist jedoch keine pauschale Freizeichnung für alle denkbaren Formen der Ungleichbehandlung aus religiösen Gründen, sondern durch die Merkmale der „Art der Tätigkeit" und „Umstände ihrer Ausübung" sowie die Charakterisierung als „wesentliche, rechtsmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation" konditioniert. Diese Tatbestände als europarechtliche Bedingungen für den durch Art. 4 II gewährten Bestandsschutz sind einerseits im Lichte des jeweiligen mitgliedstaatlichen Religionsrechts auszulegen - dies ergibt sich aus dem Zweck und Zusammenhang der Norm, eine Rechtsgrundlage für die vielfältigen Besonderheiten der Einzelstaaten zu bilden. Andererseits können die genannten Voraussetzungen nicht durch jedwede mitgliedstaatliche Praxis ausgefüllt werden, sollen die Konditionierungen nicht leerlaufen. Deshalb ist Art. 4 II der RL 2000/ 78/EG so zu verstehen, daß der durch ihn gerechtfertigte Bereich an Ungleichbehandlungen wegen einer Religion und Weltanschauung in concreto von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat variiert, dabei zugleich aber ein fixer europarechtlicher Minimalstandard festgelegt wird. 363 Umfassend H. M. Heinig, Art. 13 EGV, S. 236 ff. m. w. N.; ferner P. Hanau/G. Thüsing, S. 27 f.; J. Winter FS Hollerbach, 2001, S. 893 (897). 364 pm Hanau/G. Thüsing, S. 32.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

Bedenkt man die Neigung der das Europarecht exekutierenden und judizierenden Gremien, gleichheitsrechtlichen Positionen tendenziell eine größere Bedeutung zukommen zu lassen als entsprechende nationale Institutionen, 365 könnten diese gebotenen Minima durch die in Kapitel 3 (I. 3. e)) dargestellte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht zum religionsgeprägten Arbeitsrecht an den äußersten Grenzen überschritten sein. Sind gewisse Konfessionserfordernisse und Loyalitätspflichten für Arbeitsverhältnisse in Religionsgesellschaften in Europa auch weit verbreitet, so ist die in Deutschland praktizierte Extension des religionsgesellschaftlichen Tendenzrechts ziemlich einmalig. 366 Der gleichheitsrechtliche „Vorzugseffekt' 4 auf europäischer Ebene verstärkt sich noch, wenn in einem etwaigen Streitfall zum religionsgesellschaftlich geprägten Arbeitsrecht mit einer anderen Religion zugleich eine andere Staatsangehörigkeit vorliegt und Fragen der Grundfreiheiten und Art. 12 EGV ins Spiel kommen. Neben den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Bedenken sollte deshalb auch das antidiskriminierungsbezogene europäische Sekundärrecht Anlaß geben, über eine grundgesetzliche Feinjustierung der besonderen religionsgesellschaftlichen Tendenzschutzdogmatik, wie sie oben (III. 3. e)) skizziert wurde, nachzudenken. (2) Tendenzschutz bei sonstigen Diskriminierungen. Nicht ganz unproblematisch ist schließlich die Nichtanwendbarkeit der Ausnahmeklausel des Art. 4 II bei Diskriminierungen aus anderen als religiösen Gründen, wenn die Ungleichbehandlungen doch entscheidend religiös motiviert sind, etwa im Falle einer bestimmten sexuellen Orientierung. 367 Man könnte nun die Rechtsansicht vertreten, daß die in Art. 4 II S. 2 der RL 2000/78/EG festgehaltene Nichtrechtfertigung von Diskriminierungen aus anderem Grund nur für das Merkmal der Religionszugehörigkeit selbst gilt, nicht jedoch für das Verlangen nach Art. 4 II S. 3, sich loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos der Organisation zu verhalten. Für eine Nichtanwendung des Art. 4 II S. 2 spricht in diesem Falle zunächst die systematische Stellung. Die Verhaltensklausel steht hinter dem in S. 2 formulierten Ausschluß der Rechtfertigung aus einem anderen Grund. Auch ließe sich die im britischen Oberhaus vorgebrachte Erwägung heranziehen, daß das Erfordernis einer besonderen Religionszugehörigkeit höherer Rechtfertigungsanforderungen bedürfe als die in Art. 4 II S. 3 behandelten Loyalitätsobliegenheiten, da erstere in besonderer Weise die Identität des Einzelnen präge. Illustriert wurde diese Überlegung am Beispiel eines homosexuellen Lehrers an einer kirchlichen Privatschule. 368 365 Cf. H. M. Heinig, Art. 13 EGV, S. 217; G. Robbers , FS Listi, 1999, S. 201 (205). 366 Siehe näher die Länderberichte in G. Robbers (Hrsg.), Staat (Stichpunkt „Arbeitsrecht in den Kirchen") und in European Consortium for Church-State Research, Churches and Labour Law in the EC-Countries, 1993; zu den Perspektiven eines gemeineuropäischen Tendenzschutzes J. Abr. Frowein, Essener Gespräche 27 (1993), S. 46 (58 f.); G. Müller-Volbehr, S. 106 ff.; J. Buffar, R.D.P. 109 (1993), 695 ff. 367 Cf. insg. H. M. Heinig, Art. 13 EGV, S. 241; ders., Kirchen, S. 133 ff.; U. O'Hare, MJ 2001, 133 (150 f.); H. Weber, ZevKR 47 (2002), 220 (240). ·

VI. Transformationen des allgemeinen Status durch das Europarecht

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Im Ergebnis überwiegen aber wohl gewichtige Gründe gegen eine solche Auslegung. Die Ausschlußformel in S. 2 wurde auf Anregung des Europäischen Parlaments aufgenommen, welches insgesamt bestrebt war, die Exemtion durch Art. 4 der RL 2000/78/EG unter Kontrolle zu halten. Während der Verhandlungen im Rat wurde die Klausel zeitweise gestrichen, dann jedoch zur Sicherung der Effektivität der Diskriminierungsverbote der Richtlinie reanimiert. Teleologischer Hintergrund ist u. a. die Verhinderung eines mißbräuchlichen Entzugs vom Regiment des Antidiskriminierungsrechts unter dem Vorwand religiöser Belange. Ein solcher Mißbrauch ist aber bei Verhaltensanforderungen ebenso, wenn nicht um so mehr zu besorgen wie bei Fragen der Religionszugehörigkeit. Hinzu kommt, daß Art. 4 II S. 3 ausdrücklich die Bedingung aufstellt, daß „die Bestimmungen dieser Richtlinie im übrigen eingehalten werden", worunter auch der Ausschluß nach S. 2 und die durch die „Art der Tätigkeit oder Umstände ihrer Ausübung" sowie das Erfordernis einer „wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten beruflichen Anforderung" umrissene Maximalfreistellung nach S. 1 zu zählen ist. Schließlich gilt es, Wertungswidersprüche zu vermeiden. Art. 4 II der RL 2000/78/EG findet deshalb in Fragen der sexuellen Orientierung eines kirchlichen Arbeitnehmers keine Anwendung. Dies führt jedoch nicht dazu, daß hier Religionsgemeinschaften bezüglich ihrer Tendenzfreiheit und Tendenzreinheit schutzlos gestellt sind. Vielmehr ist dann auf Art. 4 Abs. 1 der RL 2000/78/EG zurückzugreifen. Dem in Art. 13 EGV verankerten antidiskriminierungsbezogenen Regelungsanliegen kommt hier also gegenüber dem religionsfreiheitlich geschützten religiösen Interesse auf Tendenzreinheit und -freiheit ein höheres Gewicht zu, soweit und weil von Art. 13 EGV und dem damit korrespondierenden Sekundärrecht erfaßte nichtreligiöse Ungleichbehandlungen, die gleichwohl religiös motiviert sein können, tangiert sind. Anders dagegen gestaltet sich die Rechtslage, wenn eine Religionsgemeinschaft arbeitsrechtliche Sanktionen aus Gründen der Verletzung von Loyalitätsobliegenheiten im Falle der Wiederverheiratung nach Scheidung oder dem öffentlichen Eintreten eines Mitarbeiters für die Streichung des § 218 StGB ausspricht. Hier ist kein von der RL 2000/78/EG neben dem religiösen zusätzlich statuierter Diskriminierungstatbestand berührt, folglich findet der weite Ausnahmetatbestand des Art. 4 II umfassend Anwendung. (3) Umsetzungspläne der Bundesregierung. Das Bundesministerium der Justiz hat 2001 einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Verhinderung von Diskriminierungen im Zivilrecht vorgestellt, das die EG-Antidiskriminierungsrichtlinien umsetzen sollte, wobei allerdings für den Bereich der Begründung, Beendigung und Durchführung von Arbeitsverhältnissen besondere Bestimmungen erlassen werden sollen. Nach einem neu einzuführenden § 319 a BGB wären zukünftig Be368

Britisches Oberhaus, Vierter Report 2000 des Ausschusses zur Bewertung von Dokumenten der Europäischen Union und anderen die Europäische Union berührende Angelegenheiten, 19. Dezember 2000. Für diesen Hinweis danke ich Daniel Thym, London / Berlin.

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nachteiligungen „aus Gründen ... der Religion oder der Weltanschauung ... bei der Begründung, Beendigung, Ausgestaltung und Durchführung von Verträgen, die ... eine Beschäftigung ... zum Gegenstand haben", verboten. Eine Ausnahme war vorgesehen „bei Verträgen, die eine Beschäftigung zum Gegenstand haben wenn das Vorhandensein oder Fehlen der ... bezeichneten Merkmale wesentliche und entscheidende Voraussetzung für die Tätigkeit oder den Zugang zu und der Mitwirkung in einer Organisation ist". Die Verabschiedung des Entwurfs durch die Bundesregierung ist einstweilen zurückgestellt. Problematisch an dem Entwurf ist, daß die Differenzierung für Rechtfertigungen von Ungleichbehandlungen in der Richtlinie 78/2000/EG nicht nachgezeichnet würde. Man müßte die Unterscheidung aber im Lichte des Grundgesetzes (und der Richtlinie) interpretativ in Ansatz zu bringen haben. Auch auf die oben (b) verhandelte Konstellation der Doppeldiskriminierung geht der Gesetzentwurf nicht näher ein, hier wird dann die Rechtsprechung, letztlich also der Europäische Gerichtshof, für die entscheidenden Konturen zu sorgen haben.

b) Das Sekundärrecht, das religionsbezogene Mehrebenenrecht 1. Ordnung und die korporative Religionsfreiheit nach Art. 4 /, II GG/Art. 137 III WRV Die Anwendung der durch den nationalen Gesetzgeber umgesetzten Richtlinien auf Religionsgemeinschaften wirft gleich mehrere Fragen auf, denen hier unter dem Gesichtspunkt des Status der Freiheit von Religionsgemeinschaften nachgegangen werden soll. Die angestellten Überlegungen gelten entsprechend für die nachher benannten Potentiale, den Status der Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz zu transformieren. Zunächst ist zu überlegen, welche rechtlichen Konsequenzen zu ziehen sind, wenn eine allgemein gefaßte Richtlinie ohne besondere Klausel für Religionsgemeinschaften vom nationalen Gesetzgeber auch so umgesetzt wurde und dadurch das Recht auf freie Selbstordnung und -Verwaltung von Religionsgemeinschaften nach Art. 4 I, II GG/Art. 137 III WRV verletzt zu werden droht; spiegelbildlich hierzu ist zu bedenken, ob der nationale Gesetzgeber Richtlinien ohne besondere Religionsklausel in solcher Weise umsetzen darf, daß er Religionsgesellschaften von der Wirkung ausnimmt oder sonstwie gesondert behandelt (aa); in diesem Zusammenhang ist auch zu überlegen, ob richtliniengemäße religionsgemeinschaftsinterne Normierungen, etwa Vereinbarungen in den besonderen Strukturen kirchlicher Mitarbeitervertretungen, eine staatliche Umsetzung obsolet werden lassen. Ferner wäre es vorstellbar, daß eine Richtlinie besondere religiöse Interessen berücksichtigt, die der nationale Gesetzgeber aber ignoriert (bb). Schließlich wäre zu untersuchen, welche Maßstäbe für Verordnungen gelten, die den Rechtsstatus der Freiheit von Religionsgesellschaften möglicherweise tangieren.

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aa) Umsetzung von Richtlinien ohne Religionsklauseln ( 1 ) Umsetzung durch Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten sind bei der Umsetzung von Richtlinien an die in diesen formulierte Ziele gebunden. Sie haben dafür zu sorgen, daß die Richtlinien innerhalb der jeweiligen Rechtsordnungen inhaltlich wirksam werden. In diesem Rahmen 369 steht den Mitgliedstaaten aber die Wahl der Form und Mittel zur Erreichung des Richtlinienziels offen; 370 Richtlinien sind damit eine mehrebenenspezifische Form der kooperativen Rechtssetzung, die die mitgliedstaatlichen Gestaltungsräume größtmöglich schont und zugleich die Effektivität der europäischen Rechtsebene sichert (cf. supra IV. 1.). Für die Berücksichtigung der Belange von Religionsgemeinschaften bei der Umsetzung von Richtlinien ohne besondere Religionsklauseln bedeutet dies, daß der Spielraum zur Berücksichtigung nationaler, hier: staatskirchenrechtlicher Besonderheiten durch das in der Richtlinie vorgegebene Regelungsergebnis begrenzt ist. Stehen Form und Mittel, solange eine hinreichende Effektivität der Umsetzung gewährleistet ist (hierzu bereits oben), grundsätzlich zur Disposition der Mitgliedstaaten, ist die Regelungsmaterie und damit auch der personale Anwendungsbereich der Richtlinie europarechtlich definiert. Selbst verfassungsrechtliche Hindernisse entbinden den Mitgliedstaat dann nicht von der aus Art. 5 I und Art. 249 III EGV resultierenden Umsetzungspflicht. 371 (2) Auslegung des Richtlinienziels. Freilich bedarf auch die Feststellung des in der Richtlinie fixierten Ziels der Interpretation; so wenig wie bei sonstigen Rechtstexten ist auch der Gehalt von Richtlinien evident, sondern der Auslegung zugängig und bedürftig. Hierbei kann auch das religionsrechtlich relevante Mehrebenenrecht 1. Ordnung herangezogen werden. Dies läßt sich am Beispiel der Gleichbehandlungsrichtlinie und der Frage nach der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit, Frauen vom Priesteramt in der katholischen Kirche auszuschließen, veranschaulichen: Grundsätzlich sind Benachteiligungen wegen des Geschlechts nach der Gleichbehandlungsrichtlinie verboten; eine Ausnahmeklausel ist aber für die Fälle vorgesehen, in denen ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die Übernahme einer bestimmten Betätigung ist. Bei der Bestimmung der „Unverzichtbarkeit" ist einerseits die gemeinschaftliche Gewährleistung der korporativen Religionsfreiheit zu berücksichtigen, die die freie Besetzung der Ämter einer Religionsgemeinschaft einschließt, zum anderen läßt sich die Erklärung Nr. 11 heranziehen, um die verfassungsrechtliche Ausgangslage in Deutschland interpretati ν in Ansatz zu bringen. Wenn man deshalb in Deutschland aus Gründen der Religionsfreiheit geschlechtsbezogene Differenzierungen 369

Grundlegend zu dieser Bedingung der Umsetzungsfreiheit EuGHE 1976, 497 ff.; s. M. Ruffert, in: C. Calliess/M. Ruffert, EUV/EGV, Art. 249 EGV Rdnr. 46. 3 ™ G. Schmidt, in: GTE, 5. Aufl. 1997, Art. 189 Rdnr. 39 f. 371 Cf. M. Ruffert, m. w. N.

in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 249 Rdnr. 47

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in einer Religionsgemeinschaft bei der Besetzung geistlicher Ämter zuläßt (s. o. 3. Kap. I. 3. und III.), steht dem das Europarecht nicht entgegen.372 (3) Grundrechte. Soweit dergestalte Auslegungsbemühungen nicht geeignet sind, den durch Art. 4 I, II GG/Art. 137 III WRV festgelegten freiheitsrechtlichen Status einer Religionsgemeinschaft bei der Umsetzung von Richtlinien unberührt zu lassen, ist zu prüfen, ob die Richtlinie nicht gegen Gemeinschaftsgrundrechte verstößt. In diesem Fall besteht die Umsetzungspflicht zwar weiterhin fort, zugleich aber ist einschlägiger Rechtsschutz beim Europäischen Gerichtshof eröffnet. Tangiert dagegen der Umsetzungsakt den Bereich der korporativen Religionsfreiheit, der in Deutschland extensiver als auf EU-Ebene gefaßt ist, sind die vom Umsetzungsakt ausgehenden Transformationswirkungen hinzunehmen, soweit die Europäische Union ansonsten einen im Wege der typisierenden Gesamtbetrachtung festzumachenden „vergleichbaren" Grundrechtsschutz (Art. 23 I GG) sicherstellt (cf. supra). Art. 23 I GG führt dann dazu, daß sekundäres Gemeinschaftsrecht sowohl hinsichtlich des Beschlußaktes und der dabei erfolgenden Mitwirkung der Bundesregierung im Rat 3 7 3 wie des Umsetzungsaktes durch den national zuständigen Gesetzgeber wie der nachfolgenden Anwendung durch die deutschen Gerichte und Behörden nicht direkt am Maßstab des grundgesetzlichen Grundrechtsschutzes zu bewerten ist. 3 7 4 (4) Folgen unzureichender Umsetzung. Weicht schließlich der nationale Gesetzgeber von den Zielvorgaben der Richtlinie zum personalen Anwendungsbe372

Noch eine eher feuilletonistische Bemerkung hierzu: Diese Form der Personalauswahl mag man aus protestantischer Sicht für theologisch verfehlt halten, aus aufklärerischemanzipativer Perspektive für ein vormodernes Residuum, gleichwohl ist sie freiheitsrechtlich gerechtfertigt. Das Europarecht bietet kein adäquates Vehikel, religionspolitische oder theologische Positionen durch die „Brüsseler Hintertür" durchzusetzen, die im Mitgliedstaat selbst nicht mehrheitsfähig sind; dieses Problem werfen etwa auch die benannten parlamentarischen Anfragen im EP auf, die sich gegen das Verbot für Frauen wenden, den Berg Athos in Griechenland zu betreten - cf. oben Fn. 168 und vorher bereits dazu G. Robbers, Europa und die Kirchen, in: B. Nacke (Hrsg.), Kirche in Staat und Gesellschaft, 1999, S. 173 (179). Negativer Folgeeffekt solcher überspannten Instrumentalisierungen des Europarechts ist, das die eh schon bestehende „Hermeneutik des Verdachts" gegenüber der EU in religionspolitischen Fragen sich nur verfestigt. Der Akzeptanz der EU ist damit kein guter Dienst erwiesen. 373 Deshalb ist die zuweilen aufgestellte Behauptung, die deutsche Bundesregierung sei durch das Grundgesetz gehindert, daran mitzuwirken, daß gegen Art. 137 III WRV verstoßendes Sekundärrecht im Rat verabschiedet wird, so W. Rüfner, FS Heymanns Verlag, 1995, S. 485 (492), nicht zu halten. Maßstab für die grundrechtlichen Bindungen der Bundesregierung bei der Mitwirkung im Rahmen der europäischen Gesetzgebung ist zuvörderst der gemeinschaftsrechtliche Besitzstand an Grundrechten und sekundär die von Art. 23 GG ausgehende Verpflichtung, für einen im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz Sorge zu tragen. Art. 137 III WRV dagegen scheidet als direkter Prüfungsmaßstab für das europäische Sekundärrecht aus. 374 M. Ruffert, EuGRZ 1995, 518 (527), R. Stornier, AöR 123 (1998), 541 (568) m. w. N.

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reich ab und nimmt Religionsgemeinschaften bei der Umsetzung der Richtlinie entgegen den darin gemachten Vorgaben von der Regelung aus, macht sich der Mitgliedstaat grundsätzlich der durch Vertragsverletzungsverfahren, horizontale Drittwirkung und Schadensersatzansprüche bewehrten fehlerhaften und unzureichenden Umsetzung schuldig (cf. hierzu supra). Allerdings wäre vorher zu fragen, ob in solchen Fällen nicht möglicherweise Religionsgesellschaften selbst Richtlinien umsetzen können. Dies ist oben bereits für nach Art. 137 V WRV organisierte Religionsgemeinschaften im Bereich ihrer öffentlich-rechtlichen Rechtssetzungsbefugnis bejaht worden. Denkbar wäre daneben die Umsetzung von arbeitsrechtlichem Sekundärrecht durch Vereinbarungen im kirchlichen System der Mitarbeitermitbestimmung als Äquivalent zu tarifvertraglichen Übereinkünften. Eine Umsetzung von arbeitsrechtlichen Richtlinien durch Tarifvertrag ist seit langem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anerkannt 375 und hat nunmehr in Art. 137 IV EGV seine primärrechtliche Verankerung erfahren. Demnach kann ein Mitgliedstaat den Sozialpartnern auf deren gemeinsamen Antrag hin die Durchführung der aufgrund von Art. 137 II, III EGV angenommenen Richtlinien übertragen. 376 Freilich ist aus zwei Gründen in Frage gestellt, ob auf dieser Grundlage Religionsgemeinschaften vom Regelungsbereich eines eine Richtlinie umsetzenden Gesetzes ausgenommen werden können. (a) Richtlinienumsetzung als Sozialpartner? Nach Art. 137 IV EGV ist ein gemeinsamer Antrag der Sozialpartner erforderlich; die beiden großen Kirchen in Deutschland stellen nach eigenem Selbstverständnis aber keine Sozialpartner dar, denen ein Verbund von Arbeitnehmern gegenübersteht. 377 Das Tätig werden von Sozialpartnern nach Art. 137 IV EGV basiert auf der für Kirchen nach deren Selbstverständnis nicht zutreffenden Vorstellung zweier in kollektivarbeitsrechtlicher Gegnerschaft sich gegenüberstehenden Parteien, die durch wechselseitige Kontrolle für eine effektive Umsetzung der Richtlinien sorgen. Zugleich aber ist auch das kirchliche Mitbestimmungssystem der Mitarbeitervertretungen von Verfassungs wegen in der Lage, für das staatliche Arbeitsrecht relevante, mit Tarifverträgen vergleichbare Rechtssätze auf die Wege zu bringen. Verfolgt man deshalb bei der Interpretation des Art. 137 IV EGV wie sonst so häufig im Europarecht einen funktionalen Ansatz, wird man religionsgemeinschaftlichen Mitarbeitervertretungen möglicherweise den Status als Sozialpartner im Sinne dieser Norm zuschreiben können. Auch ist bei der Auslegung der Art. 136 ff. EGV zwischen europäischen und mitgliedstaatlichen Sozialpartnern zu unterscheiden; während die Kirchen als europäische Sozialpartner auf der Grundlage ihres Selbstverständnisses und der daraus resultierenden Koalitionsunwilligkeit ausscheiden, besteht 375 EuGHE 1985, 427 ff.; E 1986, 2291 ff. 376 Cf. zur Mitwirkung der Sozialpartner an der Rechtssetzung der EG auch G. Britz/ M. Schmidt, EuR 1999, 467 ff. 377 D. Schäfer, S. 30 ff.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

bei der Subsumtion unter den Begriff des mitgliedschaftlichen Sozialpartners durchaus Raum für die Berücksichtigung nationaler Besonderheiten. 378 Als Argumentationsmaterial mag man hierzu auch das religionsspezifische Mehrebenenrecht 1. Ordnung heranziehen. (b) Mitgliedstaatliche Einstandspflicht bei einer Richtlinienumsetzung durch Sozialpartner. Dem Rückgriff auf Art. 137 IV EGV als Legitimation für den fehlenden Einbezug von Religionsgemeinschaften in Umsetzungsgesetze für arbeitsrechtliche Richtlinien könnte aber entgegenstehen, daß durch eine religionsgemeinschaftsspezifische Umsetzung nicht alle Arbeitnehmer flächendeckend und einheitlich erfaßt werden, wie dies teilweise für die Übertragung der Durchführung auf Sozialpartner für erforderlich gehalten wird. 3 7 9 Auch hier ist jedoch zu unterscheiden. Im Falle der Übertragung der Durchführung von Richtlinien an die Sozialpartner trägt weiterhin der Mitgliedstaat die Verantwortung für die effektive Wirksamkeit der europarechtlichen Vorgaben. 380 Dem Mitgliedstaat obliegt insoweit eine Kontroll- und Reaktionspflicht. Deshalb gilt europarechtlich die Verpflichtung, daß eine Richtlinie auch bei einer Übertragung auf die Sozialpartner für alle Arbeitnehmer umgesetzt werden muß, die als Begünstigte in der Richtlinie festgehalten sind. Die Umsetzung darf sich also nicht nur auf von Tarifverträgen erfaßte Arbeitnehmer erstrecken. 381 Dies schließt aber nicht aus, daß der Gesetzgeber branchen- oder organisationsspezifisch der Übertragung auf Sozialpartner Vorrang einräumt und im sonstigen Bereich selbst regulierend tätig wird oder tarifvertragliche Vorgaben für allgemeinverbindlich erklärt. Im Ergebnis erscheint die Übertragung der Durchführung einer Richtlinie an die Religionsgemeinschaften deshalb nicht von vorneherein ausgeschlossen. Eine sonderlich feste rechtliche Basis ist für sie andererseits auch nicht zu propagieren. Am ehesten wird ein solcher Weg dann zu beschreiten sein, wenn die klassischen Sozialpartner in Deutschland von dem Antragsrecht aus Art. 137 IV EGV Gebrauch machen und dieser Antrag positiv beschieden wird. Die exklusive Ausnahme von Religionsgemeinschaften bei der Umsetzung von Richtlinien stellt sich dagegen als problematischer dar, läßt sich unter Heranziehung des religionsbezogenen Mehrebenenrechts 1. Ordnung aber begründen. Verzichtet der nationale Gesetzgeber deshalb auf den Einbezug der Religionsgemeinschaften bei der Umsetzung arbeitsrechtlich relevanter Richtlinien wie die zu Konsultationspflichten bei Massenentlassungen,382 sind die Religionsgemeinschaf378 Cf. a. S. Krebber, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 138 EGV Rdnr. 7 ff. 379 s. Krebber, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 137 EGV Rdnr. 30 m. w. N. auch zur Rspr. 380 EuGHE 1988, 2291 ff.; S. Krebber, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 137 EGV Rdnr. 28. 381 R. Rebhahn, in: J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2000, Art. 137 EGV Rdnr. 47. 382 A. Bleckmann, Religionsfreiheit, S. 8 sieht sogar eine Rechtspflicht hierzu.

VI. Transformationen des allgemeinen Status durch das Europarecht

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ten gut beraten, richtlinienkonforme Arbeitsregelungen in ihrem Binnenbereich zu statuieren und so zu bewirken, daß arbeitsrechtliche Besonderheiten des freiheitlichen Status von Religionsgemeinschaften in Deutschland in der Form der Rechtssetzung bewahrt werden, obwohl sie in den Richtlinienvorgaben selbst gar nicht vorgesehen sind. 383 Ergeben sich dagegen Regelungslücken, weil sich Religionsgesellschaften diesem für sie kommoden Vorgehen verweigern und der Direktivwirkung von Richtlinien ganz zu entziehen versuchen, ist der Gesetzgeber als für die Umsetzung Verantwortlicher und Adressat potentieller Sanktionen verpflichtet, solche partiellen Nichtumsetzungen - unter Berücksichtigung der gemeineuropäischen Standards des Tendenzschutzes und interpretati ver Nutzung des religionsrechtlich relevanten Mehrebenenrechts 1. Ordnung - zu revidieren.

bb) Unterlassene oder fehlerhafte Umsetzung von Religionsklauseln in Richtlinien Die unterlassene oder fehlerhafte Berücksichtigung einer besonderen Religionsklausel bei der Umsetzung einer Richtlinie durch den nationalen Gesetzgeber zulasten des Status der Freiheit einer Religionsgemeinschaft dürfte eher den Ausnahmefall bilden. Hierbei sind zwei Konstellationen denkbar. Wenn das Europarecht einen besonderen Religionsschutz im Sekundärrecht zwingend gebietet und dieser bei der Umsetzung durch den Mitgliedstaat nicht hinreichend berücksichtigt wird, ist zunächst eine richtlinienkonforme Interpretation des nationalen Rechts vorzunehmen, 384 sodann greifen die Sanktionen der unmittelbaren vertikalen Drittwirkung und der Schadensersatzpflicht. Auch ein Vertragsverletzungsverfahren könnte eingeleitet werden. Einige Richtlinienbestimmungen zur Zulässigkeit des Schächtens (s. o. III. 2.) könnten etwa als Pflichtige Religionsschutzklauseln interpretiert werden, § 4a TierSchG wäre dann, was in der Diskussion in Deutschland zur rechtlichen Gestattung des Schächtens weitgehend unberücksichtigt bleibt, richtlinienkonform auszulegen.385 In der anderen Konstellation ist die Nutzung einer sekundärrechtlichen Öffnungsklausel in das Belieben der Mitgliedstaaten gestellt. In solchen Fällen spricht der Sinn und Zweck des Art. 23 GG dafür, eine den grundgesetzlichen Grundrechtsbestand schonende Umsetzung (etwa aus Gründen der Religionsfreiheit) vom natio383 Der Inhalt der Richtlinien steht dagegen nicht zur Disposition der Religionsgemeinschaften. Soweit man auf das bisherige gemeinschaftliche Arbeitsrecht abstellt, wird man aber hinsichtlich der innerreligionsgesellschaftlichen Bestimmungen en Gros eine überobligatorische Erfüllung der europarechtlichen Anforderungen zu konstatieren haben; cf. P. Hanau/G. Thüsing, S. 72 und öfter. 38 4 Hierzu allg. etwa H. D. Jarass, EuR 1991, 211 ff. 38 5 Cf. zuletzt BVerfGE 104, 336 ff.; BVerwGE 112, 227 ff. in denen jeweils die europarechtliche Grundierung des § 4a TierSchG nicht einmal erwähnt wird; anders dagegen österr. VfGH, EuGRZ 1999, 600 (603); zu beiden K. Pabel, EuGRZ 2002, 220 ff.; knapp auch zum Sekundärrecht G. Sydow, Jurä 2002, 615 (616).

31 Heinig

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

nalen Gesetzgeber zu verlangen. Denn die Integrationsnorm des Grundgesetzes will eine effektive Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland an der Europäischen Union sichern, zielt jedoch nicht auf eine Entlassung der deutschen öffentlichen Gewalt aus den Grundrechtsbindungen jenseits dieser Zweckerfüllung. Gerade durch die Nutzung der freiheitsschonenden Ausgestaltungsoption wird dann eine gesetzliche Konkretisierung gewählt, die einen im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz widerspiegelt und effektiv hält. Man wird deshalb Art. 23 GG ein Gebot zur grundrechtsfreundlichen Umsetzung von Richtlinien im Rahmen der durch die Richtlinie selbst eröffneten Spielräume entnehmen müssen. Der deutsche Gesetzgeber wäre dann gehalten, Bestimmungen wie Art. 4 II der RL 2000/ 78 / EG bei der Umsetzung in nationales Recht umfänglich zu nutzen.

c) Verordnungen und das religionsrelevante

Mehrebenenrecht 1. Ordnung

Verordnungen bedürfen, anders als Richtlinien, keiner Umsetzung; sie entfalten stets unmittelbare Wirkung - je nach Adressatenkreis auch horizontal. 386 Mangels Dazwischentreten des nationalen Gesetzgebers bewirken Verordnungen, etwa zur Freizügigkeit von Arbeitnehmern, deshalb auch direkte Transformationswirkungen für den Status der Freiheit der Religionsgemeinschaften. Auch Verordnungen müssen jedoch mit höherrangigem Recht, also dem oben skizzierten religionsrelevanten Mehrebenenrecht 1. Ordnung vereinbar sein; auch Verordnungen dürfen deshalb nicht gegen die korporative Religionsfreiheit des Europarechts, den Schutz nationaler Identität oder das Prinzip der Subsidiarität als Organisations- und Kompetenzausübungsvorgabe verstoßen; andernfalls sind sie vom Europäischen Gerichtshof für nichtig zu erklären (Art. 231 I, II EGV). Außerdem müssen Verordnungen, soweit sie die „Grundrechtsberechtigten in Deutschland" betreffen, den Mindeststandards des Art. 23 GG entsprechen. 387

2. Der grundgesetzliche Status der Gleichheit und das Europarecht Maßgebliche Einwirkungen des Europarechts auf den grundgesetzlichen Status der Gleichheit von Religionsgesellschaften sind nicht festzustellen; er ist jedoch inzwischen europarechtlich eingehegt und auch EU-spezifisch durchformt. Wie oben (III. 3.) bereits herausgehoben, sind die auf Religionsgesellschaften bezogenen Sonderregelungen durchgehend paritätisch strukturiert und vermeiden die Bevorzugung oder Benachteiligung einer bestimmten Religionsgesellschaft. Das gemeinschaftliche Grundrecht auf religiöse Nichtdiskriminierung leitet diese 386 G. Schmidt, in: GTE, 5. Aufl. 1997, Art. 189 Rdnr. 30; M. Ruffert, Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 249 Rdnr. 41 m. w. N. zur Rspr. 387 BVerfGE 89, 155 (175).

in: C. Calliess/M.

VI. Transformationen des allgemeinen Status durch das Europarecht

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Effekte an; auch Art. 13 EGV vermittelt mit der Zielsetzung der Bekämpfung religiöser Diskriminierungen gleichheitsrelevante Vorgaben. 388 Teilt man das oben entwickelte Verständnis von Art. 13 EGV als geschriebene Annexkompetenz, entfaltet die Norm aber darüber hinaus keine auf die staatskirchenrechtlichen Ordnungen direkt durchschlagende Wirkungen. Etwa sind dann Maßnahmen gegen staatsund volkskirchliche Strukturen, die Ungleichbehandlungen aus Gründen der Religion notwendigerweise zeitigen, von Art. 13 EGV schon aus kompetentiellen Gründen ausgeschlossen. Im Kontext des auf Art. 13 EGV beruhenden Sekundärrechts lassen sich allerdings im einzelnen Abweichungen bei der Zuordnung von individuellen Gleichheitsrechten und korporativen Freiheitsrechten feststellen; die für das Grundgesetz ausgemachte Präponderanz der Freiheit (3. Kap. I. b.) läßt sich dabei nur modifiziert aufrecht erhalten. Europäisches Gleichheitsrecht tangiert so den Status der Freiheit von Religionsgesellschaften; der Status der Gleichheit erfährt dagegen hierdurch eher eine Stärkung.

3. Der grundgesetzliche Status der Öffentlichkeit und das Europarecht Auch der Status der Öffentlichkeit von Religionsgemeinschaften ist inzwischen europarechtlich eingebunden.389 a) Rundfunkwesen Im Bereich des Rundfunkwesens wird er durch das Europarecht anerkannt und bewahrt. 390 Hierzu sei zum einen verwiesen auf das oben benannte Verbot, die Übertragung von Gottesdiensten durch Werbung oder Teleshopping zu unterbrechen. Auch Sendungen religiösen Inhalts mit einer Sendezeit von weniger als 30 Minuten haben werbefrei zu bleiben. Fernsehwerbung darf zudem religiöse Überzeugungen nicht verletzen. Schließlich sind Sendungen zu unterbinden, die zu Haß aufgrund von Religion aufstacheln. 391 Diese Vorgaben zeugen davon, daß die 388 Einem zweiklassigen Anerkennungsmodell (R. Torfs, ÖARR 1999, 14 [28 ff.] - grundrechtliche Basisausstattung einerseits und Sonderzubehör für einige privilegierte Religionsgesellschaften andererseits [ohne grundsätzlichen Anspruch aller hierauf, so aber in Dtld. nach Art. 7 III GG, Art. 137 II, IV, V 2, VII, 141 WRV1) - ist damit auf europäischer Ebene eine deutliche Absage erteilt. Kann ein solches Modell auf mitgliedstaatlicher Ebene im europäischen Verfassungsverbund bei Achtung des gebotenen Grundrechtsschutzes auch fortbestehen, ist in ihm wegen der damit verbundenen Exklusionseffekte keine probate Zukunftsvision für die EU selbst zu sehen. 389 Cf. a. P. Häberle, ThürVBl. 1998, 121 (126). 390 A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 416; Kirchenamt der EKD / Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), S. 17 ff.; H. Tempel, relationship, S. 447 f. 391 Cf. a. C. Link, ZevKR 42 (1997), 130 (145 ff.). 31*

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

öffentliche Wirkung und das öffentliche Wirken von Religion europarechtlich berücksichtigt wird. Die bestehenden Mitwirkungs- und Senderechte von Religionsgemeinschaften bleiben dabei unberührt. Sie sehen sich im Lichte einer ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, die innerstaatliche Rechtsvorschriften zur Aufrechterhaltung eines pluralistischen Rundfunkwesens auch im Lichte der Grundfreiheiten für gerechtfertigt hält, 3 9 2 im Gegenteil eher gestärkt.

b) Sonstige Formen der Öffentlichkeit Einem Status der Öffentlichkeit von Religion wurde auch das Wissenschaftsund Bildungsengagement der Kirchen zugerechnet (3. Kap. IV. 2.). Europarechtliche Modulationen rechtlicher und faktischer Art bestehen hier vor allem durch das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und durch die Grundfreiheiten sowie das damit einhergehende Sekundärrecht. 393 Die Richtlinie über die Anerkennung von Hochschuldiplomen als allgemeine Harmonisierungsrichtlinie für diesen Bereich erfaßt auch theologische Abschlüsse.394 Für theologische Fakultäten an staatlichen Hochschulen ist die Studentenrichtlinie beachtlich. 3 9 5 Nach dieser ist ein (unter der Perspektive der Staatsangehörigkeit) nichtdiskriminierender Zugang zur beruflichen Bildung zu gewähren. Die Arbeitsverhältnisse an theologischen Fakultäten, kirchlichen Hochschulen und sonstigen kirchlichen Bildungseinrichtungen unterliegen zudem den oben aufgezeigten Bindungen des europäischen Arbeitsrechts. Europarechtliche Effekte auf das diakonische Wirken von Religionsgemeinschaften ergeben sich zumindest mittelbar aus dem europäischen Sozialrecht im engeren Sinne; 396 daneben kommt dem europäischen Wettbewerbsrecht eine gewisse Relevanz zu, die oben bereits skizziert wurde und sogleich im Kontext der Statusflankierung nochmals angesprochen werden soll. 3 9 7 Auch der europarechtli392 Cf. EuGHE 1991,1-4007 ff. - Antennevoorziening Gouda; E 1991,1-4069 ff.; E 1993, 1-487 ff. - Veronica Omroep Organisatie; E 1994, 1-4795 ff. -TV 10 SA. Bezug genommen wird hierbei ausdrücklich auch auf religiöse Vielfalt. 393 A. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 414 f.; Kirchenamt der EKD/Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.), S. 14 ff.; M. Vachek, S. 375 ff. 394 RL 89/48/EWG, ABl. 1989 L 19, 16 ff.; M. Vachek, S. 376. 395 ABl. 1993 L 317, 59 ff.; M. Vachek, S. 376. Cf. zur Bedeutung der Freizügigkeit daneben generell K. Hailbronner, HdbEUWirtR, D I Rdnr. 8 ff.. 396 Cf. zum europäischen Sozialrecht etwa G. Haverkate / S. Huster, Europäisches Sozialrecht, 1999, S. 81 ff.; E. Eichenhofer, JZ 1992, 269 ff. m. w. N.; a. K.-D. Borchardt, NJW 2000, 2057 ff.; W. Berg, EuZW 1999, 587 ff. 397 Cf. insg. zur europäischen Flanke der Tätigkeit kirchlicher und sonstiger freier Wohlfahrtspflege in Deutschland a. K.-H. Boeßenecker, ZögU 1996. 269 ff.; R. Bauer (Hrsg.), Sozialpoltik in deutscher und europäischer Sicht, 1992; H. Hartmann, Theorie und Praxis der sozialen Arbeit 40 (1989), 415 ff.; ders., Caritas 93 (1992), 56 ff.; ders., Theorie und Praxis der sozialen Arbeit 43 (1992), 46 ff.; F. Loges, Entwicklungstendenzen Freier Wohlfahrts-

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che Einfluß auf den Sonn- und Feiertagsschutz, mittelbar der Öffentlichkeit von Religion dienlich (s. o. 3. Kap. IV. 2.), soll in dem Zusammenhang angesprochen werden. 4. Der grundgesetzliche Status der Differenz und das Europarecht Die Transformationswirkungen des Europarechts auf die Stellung der Differenz von Religionsgesellschaften gegenüber dem Staat unter dem Grundgesetz stellen den oben beschriebenen Status quo einschließlich der bestehenden partiellen Berührungspunkte nicht in Frage. Freilich erfährt die hier (3. Kap. II.) vertretene Position, daß außertheologische Konkordatslehrstühle verfassungswidrig sind, eine europarechtliche Verstärkung. Die Reservierung von nichttheologischen Professuren für Angehörige einer bestimmten Religion verstößt in jedem Fall gegen das Verbot einer Ungleichbehandlung aus Gründen der Religion in Beschäftigung und Beruf nach Art. 2 der Richtlinie 2 0 0 0 / 7 8 / E G (s. o.). Die besondere Ausnahmeklausel für Religionsgemeinschaften greift hier gerade nicht, da keine Beschäftigung für und in einer Religionsgemeinschaft besteht. 3 9 8 Gleichzeitig statuiert das Europarecht kein Gebot zur Aufhebung des Status der Differenz.

pflege im Hinblick auf die Vollendung des Binnenmarktes, 1994; ders., Freie Wohlfahrtspflege in der Bundesrepublik Deutschland zwischen Binnenmarkt und Politischer Union, in: V. Eichener/H. Voelzkow (Hrsg.), Europäische Integration und verbandliche Interessenvermittlung, 1994, S. 485 ff.; J. Schmid, Der Wohlfahrtsstaat Europa und die deutschen Wohlfahrtsverbände, ebenda, S. 453 ff.; ders., Europäische Integration und die Zukunft der kirchlichen Wohlfahrtsverbände in Deutschland, in: K. Gabriel (Hrsg.), Herausforderungen der kirchlichen Wohlfahrtsverbände, 2001, S. 177 ff.; B. Schulte, ZIAS 6 (1992), 191 ff.; S. Ettwig, Subsidiarität und Demokratisierung der Europäischen Union, 1999, S. 131 ff. m. w. N.; Evangelisch-katholische Arbeitsgruppe, KuR 2000, 59 ff.; Th. Strohm (Hrsg.): Diakonie in Europa, 1997; C. Lange, Die Freie Wohlfahrtspflege zwischen nationalen Ökonomisierungsprozessen und europäischer Integration, 2002; B. J. Güntert u. a. (Hrsg.), Freie Wohlfahrtspflege und europäische Integration, 2002; K.-A. Schwarz, EuR 2002, 192 ff. 398 Cf. M. Vachek, S. 377; C. Walter, Minderheiten, i.E.; H. Weber, ZevKR 47 (2002), 220 (241). Die Konkordatsprofessuren wären bei Einführung wohl sogar als „positive Maßnahmen" gegen Diskriminierungen europarechtlich zu rechtfertigen gewesen; inzwischen aber ist die „strukturelle" Benachteiligung einer bestimmten Konfession im deutschen Hochschulwesen, die es auszugleichen gilt, nicht mehr auszumachen. Die Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit der Bestimmungen über Konkordatslehrstühle bezeugt gerade ihren Erfolg. Positive Maßnahmen sind nun einmal auf ihr Obsoletwerden hin angelegt.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

5. Die grundgesetzliche Statusflankierung und das Europarecht a) Sonn- und Feiertagsschutz aa) Ladenschlußbestimmungen Der grundgesetzliche Sonn- und Feiertagsschutz durch Art. 139 WRV, der in zahlreichen gesetzlichen Regelungen seinen Niederschlag gefunden hat, wird europarechtlich nicht berührt. Dies gilt zum einen für die (noch) bestehenden Ladenschlußbestimmungen für Sonn- und Feiertage, die eine Geschäftsöffnung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulassen. Solchen nationalen Regelungen steht das Europarecht, wie der Europäische Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont, nicht entgegen. Zur Begründung hat das Gericht früher darauf verwiesen, daß damit ein gemeinschaftsrechtlich gerechtfertigtes Ziel verfolgt wird. Das Verbot der Geschäftsöffnung an Sonntagen „ist nämlich Ausdruck bestimmter politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen, da mit ihr eine Verteilung der Arbeitszeiten und der arbeitsfreien Zeiten sichergestellt werden soll, die den landes weiten oder regionalen, sozialen und kulturellen Besonderheiten angepaßt ist." 3 9 9 Inzwischen scheidet ein Verstoß der Ladenschlußbestimmungen gegen die Warenverkehrsfreiheit auf der Grundlage der sog. Keck-Rechtsprechung 400 schon deshalb aus, weil es sich um eine Verkaufsmodalität handelt, die für alle im Inland tätigen Wirtschaftsteilnehmer gilt und den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berührt, deshalb also nicht in den Anwendungsbereich der Grundfreiheit fällt. 4 0 1 Auf die Rechtfertigung eines Verstoßes der Grundfreiheit ist deshalb nicht mehr abzustellen. Auch die Dienst- und Niederlassungsfreiheit sowie das die Grundfreiheiten flankierende Sekundärrecht stehen nationalen Verkaufsbeschränkungen an Sonn- und Feiertagen ohne diskriminierendem Charakter nach der Rechtsprechung des Luxemburger Gerichtshofs nicht entgegen.402

bb) Arbeitszeitbestimmungen Weiterhin sind nationale Arbeitszeitregelungen, die den Sonntag zum Regelruhetag bestimmen, mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar. Ursprünglich 399 EuGHE 1991-1, 1027 ff. - Marchandise et ali; vorher bereits E 1989, -3851 ff. - Torfaen Borough Council/B & Q pie; E 1991, 1-997 - Conforama; s. a.E 1992, 1-6457 ff. Rochdale Borough Council; E 1992, 1-6493 ff. - Reading Borough Council; E 1992, I6635 ff. - Council of the City of Stoke-on-Trent and Norwich City Council 400 EUGHE 1993,1-6097 ff.- Keck. 401 Cf. EuGHE 1994, 1-2355 ff.- Punto Casa SpA et all\ s.a. EuGHE 1996, 1-2975 ff. Semeraro Casa Uno Srl et ali; cf. a. BVerwG 1999, 24 f.; P. M. Huber, Staatskirchenrecht, S. 142 und 145. 402 Cf. EuGHE 1996,1-2975 ff. - Semeraro Casa Uno Sri et all.

VI. Transformationen des allgemeinen Status durch das Europarecht

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war in der oben (III. 2.) bereits erwähnten Arbeitszeitrichtlinie sogar in Art. 5 S. 2 festgehalten, daß die in der Richtlinie vorgesehene Mindestruhezeit grundsätzlich den Sonntag einschließt. Demnach wäre durch die Arbeitszeitrichtlinie ein europaeinheitlicher Sonntagsschutz etabliert worden. Der Europäische Gerichtshof hat diese Bestimmung jedoch aufgrund einer Klage Großbritanniens wegen eines Verstoßes gegen das Subsidiaritätsprinzip für nichtig erklärt. 403 Diese Entscheidung folgt ganz der oben skizzierten Logik des religionsbezogenen Mehrebenenrechts 1. Ordnung, denn sie schont nationale Regelungsvorbehalte und läßt Raum für die Berücksichtigung nationaler und regionaler religiöser und kultureller Besonderheiten. Dieses Ziel wurde im 10. Erwägungsgrund der Arbeitszeitrichtlinie auch ausdrücklich hervorgehoben; der Widerspruch zwischen Begründung und Regel konnte vor dem Hintergrund des Mehrebenenrechts 1. Ordnung nur sinnvoll durch die Nichtigerklärung des Art. 5 S. 2 der Richtlinie gelöst werden. 404 Somit besteht gegenwärtig kein europarechtliches Gebot zu einem Sonn- und Feiertagsschutz; zugleich aber bestehen auch keine gegenläufigen transformierenden Effekte. Unterschiedliche Ladenöffnungszeiten und Arbeitszeitbestimmungen innerhalb des europäischen Binnenmarktes steigern allerdings - dies sollte nicht übersehen werden - faktisch den Druck zu weitergehenden Harmonisierungen des Ladenschlusses auf niedrigem Niveau und zur Flexibilisierung der Ruhezeiten 4 0 5 b) Eigentums- und Vermögensschutz Transformationseffekte für die verfassungsrechtliche Statusflankierung bewirkt schließlich zumindest potentiell das europäische Wettbewerbsrecht. Von Relevanz ist hierbei die staatliche Förderung von Religionsgesellschaften und ihrer Einrichtungen. Es ist jedenfalls nicht völlig ausgeschlossen, daß die finanzielle Unterstützung von Religionsgemeinschaften seitens des Staates in Form von verlorenen Zuschüssen, Steuererleichterungen oder der Einräumung vermögenswerter Rechte verbotene Beihilfen i. S. d. Art. 87 I EGV darstellen. Wie oben im Kontext des 403 EUGHE 1996-1, 5755 (5805 f.). Cf. R. Streinz, Essener Gespräche 31 (1997), S. 53 (77); H Tempel, relationship, S. 449 f.; S. C. van Bijsterveld, Religions, S. 27 ff.; M. Vachek, S. 379 ff. 404 Cf. a. F. Sucker, S. 27 f. Deshalb überrascht die zuweilen zu findende Kritik aus den Reihen der Kirchen und des Staatskirchenrechts. Der EuGH hat genau die Forderungen nach Berücksichtigung des kulturell und religionsrechtlich Besonderen erfüllt, die zurecht sonst auch von den Kritikern erhoben werden. Hier ist widersprüchliches Verhalten zu vermeiden. Wenn die EU keine staatskirchenrechtlichen Kompetenzen innehat und die bestehenden Staat-Kirche-Systeme möglichst zu schonen hat, dann hat dies auch dann zu gelten, wenn auf europäischer Ebene eine „kirchengünstige" Position durchgesetzt werden soll. Der richtige Ort für die Bewahrung des Sonn- und Feiertagsschutzes ist das nationale Verfassungsrecht, etwa in Form einer Relektüre des Art. 139 WRV; cf. hierzu M. Morlok/ H. M. Heinig, NVwZ 2001, 846 ff.; s.a. H M. Heinig/M. Morlok, KuR 2001, 25 ff. = 160, 13 ff. zum kirchenvertraglichen Schutz von Sonn- und Feiertagen. 405 M. Morlok/ H M. Heinig, NVwZ 2001, 846.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

kirchlichen Besteuerungsrechts bereits ausgeführt, bestehen hierfür aber zahlreiche Voraussetzungen, die kirchliche Organisationen im Regelfall nicht erfüllen (Unternehmen als Marktteilnehmer, transnationales Wettbewerbselement), bzw. Rechtfertigungsmöglichkeiten, die unter dem Eindruck des religionsbezogenen Mehrebenenrechts 1. Ordnung extensiv genutzt werden können. Gleichwohl lassen sich mit ein wenig Phantasie in Randbereichen neuralgische Punkte staatlicher Religionsförderung ausmachen.406 Dies wirft dann die Frage nach dem verfassungsrechtlichen Schutz staatlicher Transferleistungen durch Art. 138 WRV auf. Grundsätzlich bewirkt im Falle einer europarechtswidrigen Beihilfe der Anwendungsvorrang des Europarechts, daß innerstaatliche Rechtsgrundlagen für staatliche Transferleistungen an Religionsgemeinschaften zurücktreten müssen. Hieran vermag auch der besondere Eigentums- und Vermögensschutz aus Art. 138 WRV nichts zu ändern. aa) Staatsleistungen Für den gegenwärtigen Bestandsschutz von Staatsleistungen nach Art. 138 I WRV ist zudem zu beachten, daß, wie dargelegt (3. Kap. V.), die meisten Subventionen keine Staatsleistungen i. S. d. Norm darstellen. Staatsleistungen und Subventionen können zwar jeweils Beihilfen im europarechtlichen Verständnis ausmachen; im verfassungsrechtlichen Sinne sind sie wie ausgeführt zu unterscheiden. Bestehende Staatsleistungen i. S. d. Art. 138 I WRV wird man aber kaum als verbotene Beihilfen nach Art. 87 I EGV zu werten haben, da es in der Regel am Unternehmenscharakter des Begünstigten fehlt, der transnationale Wettbewerb nicht berührt ist, die Staatsleistung als Gegenleistung rekonstruiert werden kann oder eine europarechtliche Zulässigkeit zu diagnostizieren ist, wozu auch das religionsbezogene Mehrebenenrecht 1. Ordnung heranzuziehen ist. Soweit jedoch die doppelte Unwahrscheinlichkeit einer beihilferechtswidrigen Staatsleistung vorliegen sollte, müßte Art. 138 I WRV vor dem Hintergrund des Anwendungsvorrangs des Europarechts zurücktreten.

bb) Religionsspezifische Eigentumsgarantie Die sog. Religionsgutsgarantie des Art. 138 II WRV setzt voraus, daß die Religionsgemeinschaft eine eigene Vermögenswerte Rechtsposition und eine religiöse Zweckbestimmungsgewalt innehat. Dies ist bei der bloßen Aussicht auf Subventionen nicht gegeben; für zukünftige Subventionsverhältnisse vermag Art. 138 II WRV also keinen Schutz entfalten.

406 B. Jeand'Heur/S. Korioth, S. 259; H. de Wall, H. Weber, Tätigkeit, i.E.

ZevKR 47 (2002), 205 (208 f.);

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Aber auch bei bereits bewilligten Subventionen kann es an den Voraussetzungen des Art. 138 II WRV fehlen, wenn die staatlichen Zweckbindungen keine eigene Bestimmungsmacht der Religionsgesellschaft zulassen (cf. supra 3. Kap. V. 1. c)). Daneben ist zu beachten, daß Art. 138 II WRV die Vermögensrechte nicht erweitert, sondern nur in ihrer vorhandenen Qualität schützt, also von Verfassungs wegen die Wirksamkeit etwaiger Änderungsvorbehalte und Bedingungen nicht hindert (ebenda). Das in der Anwendung vorrangige Beihilfeverbot des Art. 87 I EGV läßt sich nun genau als eine solche Bestandsvoraussetzung für eine Subvention an eine Religionsgemeinschaft verstehen. Daneben bietet die Schranke des für alle geltenden Gesetzes nach Art. 137 III WRV, wenn man denn diese auch auf Art. 138 II WRV angewendet wissen will (s. o.), Raum für eine Berücksichtigung des europarechtlichen Beihilfeverbots. Summa summarum wird deshalb im nur selten anzunehmenden Ausnahmefall einer Europarechtswidrigkeit finanzieller staatlicher Unterstützung von Religionsgemeinschaften Art. 138 WRV teils keine Anwendung finden, teils aber auch europarechtlich überlagert und dadurch in seinem Anwendungsrahmen eingeschränkt.

cc) Gemeinschaftseigene Religionsförderung, insb. „Eine Seele für Europa" Daneben ist zu beobachten, daß die Europäische Gemeinschaft ihrerseits Elemente der Religionsförderung kennt. Dies gilt etwa im Sekundärrecht für die Harmonisierungsbestimmungen für Mehrwertbesteuerungen; hier sind Sonderbefreiungen für soziale und religiöse Einrichtungen vorgesehen (s. o. III. 6.). 4 0 7 Außerdem hat die Europäische Kommission unter dem Titel „Eine Seele für Europa. Ethik und Spiritualität" einige Jahre lang ein Förderprogramm für religiös oder ethisch inspirierte Projekte der Zivilgesellschaft, insbesondere der Kirchen und Religionsgesellschaften, aufgelegt. Erwartet wurde hiervon „ein Beitrag zur Vermessung der ethischen Dimension beziehungsweise zur Sinngebung und Identitätsstiftung für den europäischen Einigungsprozeß" 408 sowie die Stärkung von „Toleranz und Pluralismus", der Eintritt für „Solidarität mit den Benachteiligten unserer Gesellschaft auf allen Ebenen", die Einbeziehung von „Personen und Gruppen, ... die in der europapolitischen Diskussion normalerweise keine Stimme haben" und schließlich die Unterstreichung des Gedankens „der Meinungs- und Handlungsfreiheit gegenüber den vielfältigen Zwängen der modernen Gesellschaft." 409 Der Aufbau einer Förderungslinie für religiöse Projekte, die Religion 407 Cf. rechtsvergleichend zur Förderung von Religionsgemeinschaften durch den Staat in Europa auch European Consortium for Church-State-Research, Church and State in Europe. State Financial Support - Religion and the School, Mailand 1992, S. 1 ff. 408 Th. Jansen, Kommission. 4 09 Th. Jansen, ÖARR 46 (1999), 71 (74 und 83); so auch J. Sanier, Rede vor der Generalversammlung der Europäischen Ökumenischen Kommission für Kirche und Gesellschaft (EECCS) am 14. September 1998, unveröffentlichtes Manuskript.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

als relevanten Faktor eines europäischen Gemeinwesens anerkennt, sieht sich grundsätzlich keinen europarechtlichen Bedenken ausgesetzt, soweit sie den Anforderungen der Parität, Neutralität und Freiheitlichkeit genügt. Betrachtet man aber die Erwartungen und Anforderungen, die seitens der Kommission mit „Eine Seele für Europa" verbunden wurden, wird man - zumindest aus religionsverfassungstheoretischer Sicht - weitreichende Bedenken gegen die konkrete Ausgestaltung erheben müssen.410

Zwischenresümee Der allgemeine grundgesetzliche Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Trennung für Religionsgemeinschaften in Deutschland sowie die grundgesetzliche Statusflankierung wird durch das europäische Sekundärrecht in den Details, nicht jedoch in den Grundlinien transformiert. Auch die Grundfreiheiten zeitigen Folgen. Dabei hat das religionsbezogene Mehrebenenrecht 1. Ordnung an zahlreichen Punkten im Bereich der Umsetzung und Nichtumsetzung von Richtlinien und der Überprüfung von Verordnungen Berücksichtigung zu erfahren und steuert so maßgeblich die vom Europarecht ausgehenden, staatskirchenrechtlich relevanten Transformationseffekte, die deshalb insgesamt nur moderate religionsrechtliche Konsequenzen zeitigen.

VII. Staatskirchenrechtliches Vertragsrecht im Kontext des Europarechts Religionsrecht als kontraktgeprägtes Recht bildet auch einen rechtswissenschaftlich relevanten Faktor auf der europäischen Ebene. Deshalb soll abschließend auch in europarechtlicher Hinsicht nochmals auf die Rechtswirkungen von Konkordaten und Kirchen Verträgen eingegangen werden. Hier stellt sich zum einen die Frage, inwieweit die bisher in diesem Kapitel beschriebenen, vom Europarecht ausgehenden Transformationspotentiale durch Verträge von Religionsgemeinschaften mit den Mitgliedstaaten gehemmt werden (1.); zum anderen ist die Option eines europäischen konkordären Religionsrechts auszuloten (2.)

1. Konkordate und Kirchenverträge in den Mitgliedstaaten und das Europarecht Kirchenverträge in den Mitgliedstaaten unterliegen wie sonstige Rechtsakte nationaler Rechtsordnungen dem Anwendungsvorrang des Europarechts. Sie beein410 Cf. H. M. Heinig, Grundierungen, S. 100 (112 ff.).

VII. Staatskirchenrechtliches Vertragsrecht im Kontext des Europarechts

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Aussen die Anwendung des Europarechts auf religionssensible Sachverhalte deshalb allenfalls in dem Maße, wie das sonstige nationale Religionsrecht dies vermag, etwa bei der Heranziehung der Erklärung Nr. 11 im Rahmen der Interpretation einer Norm des Europarechts. Konkordate dagegen könnten durch Art. 307 I EGV einen gewissen Bestandsschutz nationaler religionsrechtlicher Arrangements für die katholische Kirche bewirken; 411 in dessen Gefolge wären dann gleichheitsrechtlich auch die Kirchenverträge nochmals in den Blick zu nehmen. Nach Art. 307 EGV läßt der Vertrag „Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die vor dem 1. Januar 1958 ... zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten einerseits und einem oder mehreren dritten Ländern andererseits geschlossen wurden", unberührt. Die Mitgliedstaaten sind dann jedoch gehalten, die Unvereinbarkeit von Vertragsrecht und Europarecht zugunsten letzterem mit allen geeigneten Mitteln (wie Kündigung oder Anpassung) zu beheben. Die meisten in Deutschland geltenden Konkordate sind vor der Begründung der EWG abgeschlossen worden, würden also zunächst die Einwirkungen des Europarechts auf den religionsrechtlichen Besitzstand der katholischen Kirche in Deutschland hemmen. Dies gälte jedenfalls, solange keine Anpassung an die europarechtlichen Vorgaben erfolgte. Allerdings ist zweifelhaft, ob Verträge zwischen einem Mitgliedstaat und dem Vatikan tatsächlich unter Art. 307 I EGV zu subsumieren sind. Grundsätzlich werden Konkordate auch europarechtlich als völkerrechtliche Vereinbarung anerkannt. Dies kommt etwa in verschiedenen Richtlinien zum Ausdruck. Laut EG-Datenschutzrichtlinie können nicht nur verfassungsrechtliche, sondern auch „im Völkerrecht niedergelegt Zwecke" eine personenbezogene Datenverarbeitung für eine Religionsgemeinschaft rechtfertigen: gemeint sind damit selbstredend konkordäre Übereinkünfte des sog. Heiligen Stuhls mit einem Mitgliedstaat. Die VO 1347/2000 zu Fragen der Familiengerichtsbarkeit nimmt in Art. 40 ausdrücklich bestimmte Verträge der Mitgliedstaaten mit dem Heiligen Stuhl von den Wirkungen der VO aus. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß Konkordate auch unter die Bestimmung des Art. 307 I EGV fallen. Betrachtet man nochmals die zuletzt erwähnte Richtlinie, ist zu betonen, daß die meisten der erwähnten Übereinkünfte bereits vor 1958 galten, man also mit einem arg. e contrario sagen könnte, daß der Gesetzgeber nicht von einer durch Art. 307 EGV vermittelten Weitergeltung der Konkordate ausging. Freilich greift dieser Gesichtspunkt noch zu kurz, weil Art. 40 der VO 1347/2000 zumindest bewirkt, daß keine Pflicht zur Anpassung der Konkordate besteht. Entscheidend dürfte vielmehr sein, daß Art. 307 I EGV als Ausnahmeklausel von der Anwendung des Europarechts restriktiv zu verstehen ist. Laut Wortlaut der Norm fallen hierunter nur Verträge, die zwischen Mitgliedstaaten und „Ländern" 4,1 G. Robbers, Diskussionsbeitrag, in: European Consortium for Church-State Research, Religions in European Union Law, 1998, S. 21 mit Replik J. C. Moitinhode Almeida, ebenda, S. 21 f.; M. Vachek, S. 277 ff.; T. Brenner, Diakonie im Sozialstaat, 1995, S. 44 f.

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

abgeschlossen wurden. Der Heilige Stuhl ist nun zwar Völkerrechtssubjekt, nicht aber Land i.S.v. „Staat". 412 Konkordate bilden deshalb ein völkerrechtliches Vertragsrecht sui generis (s. ο. 3. Kap. VIII.) Als solches aber fallen sie nicht in den Regelungsbereich des Art. 307 I EGV. Gegen eine solche rigoristisch anmutende Lösung wird geltend gemacht, daß Art. 307 I EGV den allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz des pacta tertiis nec nocent nec prosunt zum Ausdruck bringt 413 und dieser auch auf Konkordate angewendet werden kann. Doch ist andererseits zu berücksichtigen, daß Art. 307 I EGV diese Aussage in begrenzter Weise für das Europarecht spezifiziert. Die allgemeinere Fassung des Völkerrechts kann nicht im Durchgriff innerhalb der europäischen Rechtsordnung angewendet werden; das Europarecht ist zwar völkerrechtlich begründet, in seiner Geltungs- und Anwendungsstruktur als supranationale Rechtsordnung jedoch dem Völkerrecht entwachsen. Ferner ist zu bedenken, daß die hinter Art. 307 I EGV stehende noch allgemeinere Fassung des „pacta tertiis nec nocent nec prosunt" „pacta sunt servanda" lautet. Die Einhaltungspflicht für Verträge gälte aber auch für nichtvölkerrechtliche Kirchenverträge in den Mitgliedstaaten sowie für alle sonstigen innerstaatlichen Verträge von Mitgliedstaaten. Gleichwohl ist Art. 307 I EGV nicht in solcher Weise zu extensivieren. Die Ausbildung der europäischen Rechtsordnung führt zwangsläufig zu Friktionen gegenüber dem bisherigen Status quo und es ist nicht einsichtig, wieso Konkordate als völkerrechtliches Vertragsrecht eigener Art nicht wie Kirchenverträge europarechtlich hiervon erfaßt sein sollen. Konkordate und sonstiges Völkervertragsrecht sind in vielerlei Hinsicht nicht miteinander vergleichbar. Die Besonderheit bei klassischen völkerrechtlichen Verträgen, auf die Art. 307 I EGV zugeschnitten ist, besteht darin, daß zwei völkerrechtlich souveräne Staaten sich gegenüberstehen, also kein Subordinationsverhältnis besteht. Diese Konstellation ist so bei Konkordaten nicht gegeben; der Heilige Stuhl ist wie andere Nichtregierungsorganisationen Völkerrechtssubjekt, ohne mit den Attributen staatlicher Souveränität ausgestattet sein zu müssen.414 Die Einrichtungen der katholischen Kirche unterstehen selbstredend ungeachtet des völkerrechtlichen Status des Heiligen Stuhls unter dem Grundgesetz der durch die Freiheitsrechte gemäßigten Subordination der durch die Verfassung statuierten öffentlichen Gewalt. Auch das religionsbezogene Mehrebenenrecht 1. Ordnung führt nicht notwendig zu einer konkordatsschonenden Auslegung des Art. 307 I EGV. Schließlich bewirkt Art. 307 I EGV keine dauerhafte Exemtion, sondern eine Anpassungspflicht des Mitgliedstaates. Eine solche läßt sich aber auch im Falle der Kollision zwischen Europarecht und Vertragsrecht nach dem innerstaatlichen Grundsatz der Ver412 M. Vachek, S. 280; D. Schäfer, S. 65; G. Robbers, Essener Gespräche 27 (1993), S. 81 (97). 413 Cf. R. Streinz, Essener Gespräche 31 (1997), S. 53 (78). 414 Cf. zur Völkerrechtssubjektivität sonstiger NGOs S. Hobe, Archiv des Völkerrechts 1999, 152 ff.

VII. Staatskirchenrechtliches Vertragsrecht im Kontext des Europarechts

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tragstreuepflicht konstruieren. Diese gälte dann sowohl für Konkordate wie für Kirchenverträge, die europarechtlichen Vorgaben widersprechen. Jeweils wäre dann die europarechtliche Wirksamkeit (effet utile) nicht gehemmt, innerstaatlich wäre aber eine gütliche Einigung zu suchen, ggf. also der europarechtlich motivierte Rechtsverlust durch funktionale Äquivalente zu kompensieren oder zu entschädigen. Deshalb sprechen europarechtlich gute Gründe dafür, Art. 307 I EGV nicht auf Konkordate der katholischen Kirche mit Mitgliedstaaten der EU anzuwenden. 415 Soweit man jedoch unter Berücksichtigung des allgemeinen Völkerrechts zu einem anderen Interpretationsergebnis kommt, ist jedenfalls keine Raum mehr für eine Analogiebildung zugunsten sonstiger Kirchen Verträge. Art. 307 I EGV ist als Ausnahmeklausel von den Bindungen des Europarechts nicht analogiefähig. Auch der allgemeine Gleichheitssatz oder das Verbot religiöser Diskriminierung vermögen hierüber nicht hinwegzuhelfen; Art. 307 I EGV stellt dann vielmehr einen hinreichenden Grund für die Differenzierung zwischen katholischer Kirche und anderen Religionsgemeinschaften dar. 416

2. Konkordate und Kirchenverträge von Religionsgemeinschaften mit der Europäischen Union? Last und gegenwärtig auch least könnten Konkordate und Kirchenverträge von Religionsgemeinschaften mit der Europäischen Union selbst Einfluß auf die Transformationswirkungen des Europarechts für den Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz von Religionsgemeinschaften in Deutschland haben. Zur Zeit bestehen solche Vereinbarungen auf europäischer Ebene nicht; gepflegt wird vielmehr ein informeller Dialog zwischen Religionsgesellschaften und Europäischer Kommission. 417 Als kompetentielle Grundlage für eine Übereinkunft zwischen der Europäischen Gemeinschaft (als Völkerrechtssubjekt nach Art. 281 EGV) und dem Heiligen Stuhl kommt Art. 300 EGV in Betracht. Dieser spricht, anders als Art. 307 I EGV, nicht nur von anderen Staaten, sondern auch von internationalen Organisationen als Vertragspartnern. 418 415 A.A. A. Höllerbach, ZevKR 35, 250 (275); G. Robbers, Essener Gespräche 27 (1993), S. 81 (97). 416 Cf. D. Schäfer, S. 73.; anders G. Robbers, Essener Gespräche 27 (1993), S. 81 (97); ders., FS Krause, 1997, S. 73 (84 f.). 41V Cf. Th. Jansen, ÖARR 46 (1999), 71 (80 ff.). 418 H. Tempel, Vers une position institutionnelle des eglises dans l'Union Européenne, in: H.-J. Kiderlen u. a. (Hrsg.), Which Relationsship between Churches and the European Union?, 1995, S. 11 (17 f.); dies., Diskussionsbeitrag, in: European Consortium for ChurchState Research, Religions in European Union Law, 1998, S. 48; H. de Wall, ZevKR 47 (2002), 205 (217 ff.).

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5. Kap.: Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz

Dem Wortlaut des Art. 300 EGV folgend, setzt der Abschluß eines Vertrages eine ausdrückliche Vertragssetzungskompetenz im EGV voraus, die für das jus religionis nicht besteht. Der Europäische Gerichtshof sieht die Möglichkeit der Gemeinschaft zum Abschluß völkerrechtlicher Vereinbarungen jedoch über die expliziten Nennungen hinaus bereits dann als gegeben an, wenn die Gemeinschaft innerhalb der europäischen Rechtsordnung regelungskompetent ist. 4 1 9 Dies könnte bedeuten, daß der Abschluß von Konkordaten dort zulässig ist, wo durch kompetenzgemäß gesetztes Europarecht Transformationswirkungen für das nationale Religionsrecht zu besorgen sind, die Rechtsstellung der katholischen Kirche in den nationalen Rechtsordnungen also durch das Europarecht berührt ist. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, daß die Gemeinschaft ausdrücklich keine religions- und kirchenpolitischen Aufgaben übertragen bekommen hat und auch nicht zur Harmonisierung der einzelnen staatskirchenrechtlichen Ordnungen berufen ist. Deshalb wird man für solche - fiktiven - Konkordate relativ restriktive Grenzen konstatieren müssen.420 Eine „staatskirchenrechtliche Vollordnung" wird auf diesem Wege nicht zu generieren sein. Selbst die Garantie grundrechtsfundierter Freiheits- und Gleichheitsgewährleistungen für die katholische Kirche, wie sie üblicherweise in Konkordaten enthalten sind, wird man mangels eigener Regelungsbefugnis der Gemeinschaft in diesem Bereich in Form einer abstrakten Garantie als unzulässigen Konkordatsgegenstand zu betrachten haben; gegen eine deklaratorische Bezugnahme auf den europarechtlichen Grundrechtsbestand ist allerdings nicht zu erinnern. Auch Übereinkünfte zu einzelnen Feldern europäischer Gesetzgebung, ζ. B. zum kirchlichen Arbeitsrecht, für die etwa die Kompetenzen aus Art. 13 EGV, Art. 136 ff. EGV und Art. 141 III EGV herangezogen werden können, sind denkbar. Religionsgemeinschaften ohne völkerrechtliche Subjektstellung können dagegen keine Konkordate mit der EG schließen; auch eine analoge Anwendung des Vertragsvölkerrechts und der gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen sind ausgeschlossen. Allerdings kennt auch das Gemeinschaftsrecht öffentlich-rechtliche Verträge. 421 Diese sind zwar nicht in Art. 249 EGV eigens erwähnt, aber in Art. 238 EGV und Art. 288 EGV vorausgesetzt. Die erforderliche öffentlich-rechtliche Rechtsfähigkeit ist in Art. 282 EGV statuiert. Gegenstand eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen einer Religionsgesellschaft und der Europäischen Gemeinschaft können gleichfalls grundsätzlich nur Materien des Gemeinschaftsrechts innerhalb der kompetentiellen Grenzen des Primärrechts sein. Dabei sind die europaverwaltungsrechtlichen Vorgaben für den Abschluß und die Regelungsgehalte zu beachten.422 419 EuGHE 1971, 263 ff. - AETR; E 1976, 1279 ff. Kramer. Lenz (Hrsg.), EGV, 2. Aufl. 1999, Art. 300 Rdnr. 3. 420 H. de Wall, ZevKR 45 (2000), 157 (170 f.).

Cf. M. Röttinger,

in: C. O.

421 A. Bleckmann, NJW 1978, 464 ff.; ders., DVB1. 1981, 889 ff.; B. Simma/C. Vedder, in: E. Grabitz/M. Hilf (Hrsg.), Recht der EU, Altband, Art.211 Rdnr. 13. 422 Zu den insb. von der Rspr. aufgestellten Maßstäben für das europäische Verwaltungsrecht etwa G. Gornig/C. Trüe, JZ 2000, 395 ff.; 446 ff.; 501 ff.

VII. Staatskirchenrechtliches Vertragsrecht im Kontext des Europarechts

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Resümee des 5. Kapitels Der Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz von Religionsgesellschaften i. S. d. Art. 137 V WRV ist eingebunden in ein Religionsrecht als Mehrebenenrecht. Die grundgesetzlichen Fundamentalgarantien der Unabhängigkeit, Parität und Teilhabe für Religionsgemeinschaften sind verflochten mit dem europäischen Verfassungsverbund. Die zentralen Bestimmungen des europäischen und nationalen Verfassungsrechts steuern dabei die Transformationswirkungen des Europarechts für den nationalen vierfältigen Status. Das sich direkt und auch mittelbar ausbildende europäische Religionsrecht zeugt dabei - entgegen anderslautenden Vermutungen - durchaus davon, daß Religion als beachtlicher lebensweltlicher Faktor im europäischen Gemeinwesen und daß nationale religionsrechtliche Spezifika im Mehrebenenrecht Anerkennung und Berücksichtigung erfahren. Die europäische Integration führt für das Religionsverfassungsrecht des Grundgesetzes deshalb zu keinen grundstürzenden Neuerungen. 423 Dies gilt für die Grundfreiheiten, das Wettbewerbsrecht oder Art. 13 EGV ebenso wie für das mittelbar transformierende Sekundärrecht. Die Anpassungs- und Kompatibilierungsprozesse im Rahmen der Überführung des deutschen Staatskirchenrechts in einen Verbund europäischen Religionsrechts gehen im Gegenteil erstaunlich lautlos und unspektakulär vonstatten. Man vergleiche die Vorgänge nur mit den Folgewirkungen der Grundfreiheiten, insbesondere der Freizügigkeit für den Sport (Stichwort Bosman-Urteil des EuGH), 4 2 4 die Bedeutung des Verbots der geschlechtsspezifischen Diskriminierung für die Einsatzmöglichkeiten von Frauen in der Bundeswehr 425 oder die anhaltenden Diskussionen über die Vereinbarkeit zahlreicher deutscher Erscheinungen der Infrastrukturverwaltung mit dem europäischen Wettbewerbsrecht (die Gewährträgerhaftung bei Sparkassen oder Fernsehgebühren für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten seien als Beispiele genannt). Freiheit der Religionsausübung, Gleichheit aller religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisse, Anerkennung der öffentlichen Wirkung und des öffentlichen Wirkens von Religion sowie die Nichtantastung der Verbindung oder Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften in den Mitgliedstaaten, dies sind die Grundpfeiler des sich ausbildenden europäischen Religionsrechts. Sie korrespondieren mit dem grundgesetzlichen Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz und erweisen sich in der Sache als angemessen.

423 Cf. zum folgenden H M. Heinig, Art. 13 EGV, S. 252 ff. 424 EuGHE 1995-1, 4921 ff. - Bosman 425 R. Streinz, DVB1. 2000, 585 ff. m. w. N.

Fazit der Arbeit Religionsrecht läßt sich schwerlich im Sinne eines einfachen Additionsverfahrens summieren. Eine Addition der vorhergehenden Erläuterungen aber müßte ein Fazit eigentlich leisten, leitet sich das Wort doch etymologisch von facit, es macht, ab und stammt aus dem Rechnungswesen. Anstelle der buchhalterischen Ermittlung des Ertrags der vorliegenden Arbeit sollen einige Quintessenzen als Fazit vorgestellt werden.

I. Religion bildet in Vielfalt eine Konstante in der spätmodernen Gesellschaft, auf die das Religionsrecht rekurriert. Religion bildet ein Anthropologicum ersten Ranges, so Alexander Hollerbach. 1 Dies gilt jedenfalls insoweit, als sich Religion als sozial relevanter Faktor - entgegen mancher geschichtsphilosophischen Prophezeiung und manchem in die Tat umgesetzten religionspolitischen Programm - nicht so schnell erledigt. Dies mag zum einen damit zusammenhängen, daß die conditio humana stets und damit auch in der Spätmoderne die Art an Sinnfragen aufwirft, auf die die Religion durch Orientierungen, Zusprüche und Potenzen der Selbst- und Weltdeutung antwortet. Aber auch dem „religiös unmusikalischen Menschen" (Max Weber), demjenigen ohne „Sinn und Geschmack für das Unendliche" (Friedrich Daniel Schleiermacher) begegnet die anhaltende Präsenz des Religiösen allen Säkularisierungstheoremen zum Trotz als soziale Erscheinung. Religion präsentiert sich dabei teils individualisiert, teils in neuen sozialen Formationen, teils radikalisiert, jedenfalls pluralisiert. Religion erweist sich dabei als Ambivalenzphänomen, welches ebenso sozialproduktiv wie -destruktiv wirken kann. Damit ist zugleich der fortbestehende Bedarf für ein Religionsrecht fixiert. Wenn Religion ein Anthropologicum ersten Ranges darstellt, bildet das Religionsrecht ein Kernsegment des Rechts. Die Stiftung und Mittlung des religiösen Friedens ist die Berufung des Religionsrechts zu allen Zeiten. Welche Gestalt das Religionsrecht annimmt, um diese Aufgabe zu bewältigen, hängt ganz wesentlich von den Realdaten ab, in die hinein das Recht seine Steuerungsleistungen zu entfalten hat. Potenzierter religiöser Pluralismus zeitigt insoweit notwendige Folgewirkungen für das Religions(verfassungs)recht selbst.

1

A. Hollerbach, Religion und Kirche im freiheitlichen Verfassungsstaat, 1998, S. 29.

32 Heinig

Fazit

497

II. Religionsrecht unter dem Grundgesetz ist wesentlich grundrechtsgeprägt. Die verfassungsrechtlichen Erzählungen unserer Zeit statuieren das Individuum zur letzten Bezugsgröße des Rechts. Dies beinhaltet zahlreiche Implikationen für die rechtlichen Platzanweisungen gegenüber der Religion. Zunächst wird das Grundrecht auf Religionsfreiheit „lex regia" des Religionsrechts. Auch das ehemals stark über die Metaphorik der Institutionen geprägte Staatskirchenrecht kann sich einer „Vergrundrechtlichung" nicht entziehen. Dieser Vorgang ist keiner der geschichtlichen Ignoranz, sondern der verfassungsrechtlichen prudentia. Er hält das überkommene rechtstextuelle Gerüst in Relektüren effektiv, sichert die Bewältigung der lebenspraktischen Aufgaben des Rechts und dient damit indirekt der Legitimation des geltenden Religions Verfassungsrechts. In diese Bewegung fügt sich ein, keinem auf soziale Nützlichkeit halbierten Religions(verfassungs)recht das Wort zu reden. Als freiheitliches, offenes und paritätisches Recht ist das Religions(verfassungs)recht immer auch Ausdruck der normativen Anerkennung sozialer Selbstzweckhaftigkeit von Religion. III. In den Grundrechtsbezug des Staatskirchenrechts ist der Status der Freiheit, Egalität, Parität und Publizität öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften eingebunden. 1. Der Körperschaftsstatus

dient der Religionsfreiheit.

Der Religionsfreiheit sind in verfassungstheoretischer Perspektive wie allen Freiheiten zwei - verwandte, aber nicht identische - Dimensionen inhärent: die „negative Freiheit", die auf die Abwesenheit von Zwang abzielt und die „positive Freiheit", die auf Selbstverwirklichung angelegt ist, darauf, „Werkzeug meiner eigenen, nicht fremder Willensakte" zu sein.2 Verfassungsdogmatisch weist man den klassischen Grundrechten mit guten Gründen die primäre Funktion der Abwehr staatlicher Einflußnahme zu. Grundrechte begründen dann eine Freiheit von etwas (nämlich die Abwesenheit staatlicher Eingriffe), nicht eine Freiheit zu etwas. Doch hat die Grundrechtsdogmatik mit gleichfalls guten Gründen diese Grundrechtsfunktion mit weiteren Grundrechtsdimensionen umhegt, die auf materielle oder prozedurale Teilhabe und Schutz zielen und damit den Blick in Richtung eines positiven Freiheitsbegriffs lenken. In diese Tradition läßt sich der Körperschaftsstatus für Religionsgemeinschaften einreihen. Er dient der religiösen Verwirklichung des Bürgers, er effektiviert die Freiheit zur Religionsausübung, indem er Organisationsbedingungen bietet, die dem religiösen Selbstverständnis besonders entgegenkommen können und indem er die organisatorischen Grundlagen des religionsgesellschaftlichen Engagements fundiert und Handlungsmöglichkeiten ausweitet. 2 Cf. /. Berlin, Zwei Freiheitsbegriffe (1958), in: ders., Freiheit, 1995, S. 197 ff. (insb. 201 ff. und 211 ff.).

498

2. Alle Religionsgesellschaften

Fazit

sind „gleicher Ehre".

Der Körperschaftsstatus steht allen Religionsgesellschaften offen, er ist eingebunden in eine formal zu verstehende Freiheit des Grundgesetzes, die von konkreten geistes- und kulturgeschichtlich wirkmächtigen Faktoren (wie dem Christentum) geprägt ist, diese Prägung jedoch nicht rechtstechnisch zu einer Bedingung ihrer Ausübung macht. Die Einrichtung der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft bietet deshalb Chancengleichheit bei der Entfaltung der Religionen der Bürger unter den Bedingungen potenzierter Pluralität. 3. Religion ist keine Privatsache, aber auch keine Staatssache, wie der Körperschaftsstatus belegt. Die Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft ist eingebunden in ein religionsrechtliches Instrumentarium, welches die öffentliche Wirkung und das öffentliche Wirken der Religion anerkennt und fördert. Diese Öffentlichkeit ist eine der bürgerlichen Freiheit, also weder der Subordination der Bürger unter eine religiöse Gewalt noch der Koordination von Staat und Kirche als zweier Mächte „auf Augenhöhe". Die Freiheitlichkeit bedingt, daß Religion sich auch durch das Moment des Arkanischen auszeichnen kann. Der Status der Öffentlichkeit stellt sich aus der Perspektive des Staates ebenso wie der der Freiheit und Gleichheit als Angebot dar, welches anzunehmen dem religiösen (individuellen als verkorporierten) Subjekt anheimgestellt ist. Für den Staat ist das Angebot dagegen Pflicht. Aus seiner Perspektive ist Religion keine Privatsache, zugleich aber auch nicht seine Angelegenheit, sondern als die seiner Bürger öffentlich. 4. Religiöse als nicht-staatliche Aktivitäten in der Rechtsform des Staates bilden weder eine Paradoxie und noch ein re-entry. Die Trennung von Staat und Kirche ist Teil eines allgemeinen Prozesses der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung. Religion und Politik, oder in der Sprache der Tradition: Kirche und Staat, stehen deshalb nicht in einem Verhältnis der Bipolarität, wie es die Rede von der säkularisierten Staatlichkeit immer noch transportiert, sondern sie sind eingebettet in eine polyvalente Differenzierung, die gleichermaßen die Wissenschaft, die Kunst, die Wirtschaft, u.s.w. erfaßt. Die Differenz von Recht, Politik und Religion wird durch den öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus für Religionsgesellschaften nicht zurückgeholt. Die Religion wird durch diese Organisationsform auch nicht in Recht und Politik im Sinne eines reentry wieder eingeführt. 3 Der Körperschaftsstatus bildet einen Status sui generis, mit dem keine Erfüllung staatlicher Aufgaben, keine Einbindung in die Staatsverwaltung und kein Verlust grundrechtlicher Freiheit einhergeht. 3

Zum re-entry cf. Ν. Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997, S. 45 f., 50 f., 179 ff. und öfter. 32*

Fazit

499

IV. Die Ausbildung eines europäischen Gemeinwesens bedingt kontrollierte Transformationseffekte für den Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz von öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaften. Religionsrecht ist Mehrebenenrecht. Die rechtsgesteuerte europäische Integration bringt zwangsläufig Transformationseffekte gegenüber dem rechtlichen Status quo in den Mitgliedstaaten mit sich, die sich auch auf den Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften erstrecken, ohne den Körperschaftsstatus in seinem Gepräge in Frage zu stellen. Mehrebenenspezifische Instrumentarien halten die Transformationseffekte unter Kontrolle und sichern die zukünftige Adäquatheit des Religionsrechts.

V. Freie Kirchen im demokratischen Gemeinwesen stellen verfassungstheoretisch intermediäre Organisationen der Zivilgesellschaft dar. Die auch vor der Folie des Europarechts verfassungstheoretisch angemessene Perspektive auf Religionsgemeinschaften ist ihre Inblicknahme als intermediäre Organisationen der Zivilgesellschaft, die spezifischen Eigenlogiken folgen, die sie von anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren unterscheiden, und die in dieser Spezifik wie aber auch im Gemeinsamen mit anderen Organisationen verfassungsrechtlich geschützt werden. In diesem Sinne garantiert der verfassungsrechtliche Status der Freiheit, Gleichheit, Öffentlichkeit und Differenz „freie Kirchen im demokratischen Gemeinwesen".4

4 Grundlegend K. Hesse, ZevKR 11 (1964/65), 337 (354 ff.), cf. a). H Simon, Freie Kirche im demokratischen Gemeinwesen, in: FS K. Hesse, 1990, S. 87 ff.; ders., ZevKR 42 (1997), 155 ff.

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Sachregister Abtreibung 346 Abwägung 138, 298, 337, 342, 348, 369, 370, 445, 446 actus contrarius 359, 361, 362 amtliche Beglaubigungen 310 Anstaltsseelsorge 66, 96, 178, 182, 183, 207, 208, 210, 233, 235, 247, 352 Anwendungsbefehl als Brücke des Europarechts 409 Anwendungsvorrang 239, 280; 413, 488, 490 Arbeitsrecht 150, 155, 160, 162, 163, 165, 167, 168, 173, 291, 292, 302, 335, 392, 481,494 - als nationale Idenität 424 - Dritter Weg 174, 302 - Dritter Weg und Europarecht 470 - Treuepflicht 167 Arbeitsrecht, europäisches 398, 452 - Arbeitnehmerbegriff 469 - Konsultationspflichten bei Massenentlassungen 480 - Sozialer Dialog 471 - und kirchliches Arbeitsrecht 470 - und Verbot religiöser Diskriminierung 474 Arbeitszeitrichtlinie 403,470 Aufklärung 74, 82 Augsburger Religionsfrieden 75, 77, 180 Ausdifferenzierung 45, 46, 47, 49, 59, 68, 74, 75,77, 82, 85,99, 103, 137, 176 Beihilfen 487 Beihilferecht Siehe Wettbewerbsrecht, europäisches Beleihung 273, 274, 276, 278, 279, 289, 291, 304, 313, 328, 329, 330, 332, 345, 364, 367, 442, 445, 446 - Gesetzesvorbehalt 288, 289, 290 Berg Athos 415, 419, 478

Bestandsschutz 101, 217, 218, 219, 250, 261, 282, 286, 314, 339, 358, 363, 370, 372, 374, 473,488,491 Böckenförde-Diktum 39, 100 Β undesprüfstelle j ugendgefährdender Schriften und Medieninhalte 308 Bundesstaat 271, 407 Christentum - und die Herausbildung von Staatlichkeit 39 christliche Gemeinschaftsschule 227 clausula rebus sie stantibus 253 Codierung 46, 57, 58, 61, 67, 127, 129 COMECE 416 cuius regio, eius religio 77 Dachverband - und Religionsgesellschaft 70 Daseinsvorsorge 466, 467 Datenschutz 302, 303, 304, 310, 376, 399, 457 Demokratie 26, 35, 43, 45, 48, 147, 207, 227, 238, 239, 249 Demokratiegebot 254 Denkmalschutz 218, 244 Derogation 227, 228 Dienstgemeinschaft 163, 164, 165, 173, 175 Dienstherrenfähigkeit 259, 273, 279, 288, 289, 290, 291, 294, 298, 301, 311, 345, 372,442 - Typenzwang 293 - und Selbstverwaltungsgarantie 292 Dienstleistungsfreiheit Siehe Grundfreiheiten Dienstrecht 292,311,452 Differenz 26, 28, 34, 36, 44, 76, 98, 117, 126, 129, 147, 157, 160, 176, 177, 178, 213, 255, 273, 300, 499 Siehe auch Ausdifferenzierung

572

Sachregister

- historisch 82, 83, 96 - im europäischen Sekundärrecht 401 - Länderverfassungen 233 - und Europarecht 485 Diskriminierungsverbot 94, 132, 133, 139 - als Anknüpfungsverbot 191 - als Begründungsverbot 190 - Art. 13 EGV 36, 384,483 - Art. 137 V 2 WRV 341, 373 - EMRK 141 - Ethnie und Rasse 166 - geschlechtsspezifisches, und kirchliches Arbeitsrecht 470 - geschlechtsspezifisches 166 - in Beschäftigung und Beruf Siehe RL 2000 / 78 / EG 472, 475 - Religion 172 - religionsbezogenes 181, 201, 434, 493, 400 - und Grundfreiheiten 445 Diskurstheorie 205 Drittsenderechte 309 Drittwirkung 165, 166, 201, 202, 239, 278, 303, 335, 385, 443, 444, 445, 469, 479, 481 Duldung 78 economie sociale 466 EECCS 416 EG-Datenschutzrichtlinie 458 EG-Fernsehrichtlinie 401,483 eigene Angelegenheiten 150, 152, 153 - Ämtervergabe 153 Eigengewalt der Kirchen 108, 143, 144, 146, 154, 163, 251,276, 395 Eigentum 73, 81, 96, 213, 214, 215, 216, 236 Eingriffsbegriff 151 Einheit der Verfassung 62, 260, 330, 341, 347, 363 Entwicklungshilfe 400, 401 Episkopalsystem 79 Erklärung Nr. 11 der Regierungskonferenz von Amsterdam 415, 491, 420, 435 Erwachsenenbildung 218 Europa eine Seele geben 379,489, 490 Europäische Gemeinschaft 38 Siehe Europäische Union

Europäische Grundrechtscharta 205, 426 Europäische Menschenrechtskonvention 426 - Diskriminierungsverbot 141 - und supranationale Organisationen 437 Europäische Union 25, 28, 34, 38, 43, 375, 408, 409 Europäische Verträge - als Verfassung 410 Europäischer Gerichtshof 387, 390, 415, 425, 426, 428, 442, 444, 445, 447, 448, 453, 458, 466, 487, 495 - Rechtsprechung mit Religionsbezügen 391 Europarecht 29, 75, 375 EU-Strukturgebote durch das GG (Art. 23) 393, 395, 426, 435, 478 evangelische Kirche 82, 101, 248, 319 Evangelische Kirche in Deutschland 246 evangelische Landeskirchen 70, 187, 246, 319 Ewigkeitsgarantie 333, 334, 335, 347, 436, 437 Exekutive 239, 240, 245 Exklusion 37, 44, 48, 69 Fernsehgebühren 495 Freiheit und Gleichheit Siehe Gleichheit und Freiheit freiheitlich-demokratischen Grundordnung 35 Freikirchen 257, 309 Freizügigkeit 447 Siehe Grundfreiheiten Gefahrenabwehr 336, 344, 368, 370 Geistlichenprivileg 243, 302 Geltungsvorrang 174, 239 gemeinsame Angelegenheiten 152, 179 Gemeinwohl 35, 60, 65, 253, 262, 263, 264, 265, 352, 467 Gesetzesvorbehalt 240, 288, 349 Gesetzgebungskompetenz 240 Gewährträgerhaftung 495 Gewerkschaften 269, 270, 308 Gewissensfreiheit 64, 120, 126, 127 Gleichheit und Freiheit 140, 142, 189, 191, 483 Grundfreiheiten 376, 388, 390, 391, 439, 441,456, 469, 474 - und Erwerbszweck 447

Sachregister - und Gewinnerzielungsabsicht 447 - und Kirchensteuer 458 - und Privatautonomie 443 - und staatlicher Kirchensteuereinzug 460 Grundrechte als negative Kompetenznormen 393 Grundrechtsprüfung bei Gleichheitsrechten 340 Grundrechtsprüfung bei Leistungsrechten 340 Grundrechtsschutz - vergleichbarer 436 Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung 381, 415, 437

Kirchensteuer 47, 96, 104, 109, 113, 242, 259, 261, 274, 285, 286, 289, 298, 307, 310, 311, 313, 315, 317, 372, 376, 454 - als echte Steuer 311 - als Kirchgeld 319 - als Zuschlagsteuer 319 - staatlicher Einzug 314 - staatlicher Einzug und Grundfreiheiten 460 - steuerliche Absetzbarkeit und Grundfreiheiten 458 - und EG-Datenschutzrecht 403, 457 - und europäisches Vergaberecht 454

Heiliger Stuhl 246 - als Volkerrechtssubjekt 248 Hochschulen 270 Homosexualität 165 - und europäisches Arbeitsrecht 474 Humanistische Union 309 idem ci vis et christianus 144 Identifikationsverbot 177 Identität 27, 38, 40, 56, 58, 85, 128, 402, 412,415,416, 422, 474 Immanenz 129 Individuum 56, 58, 67, 145, 156, 207 Investiturstreit 75 Islam 33, 68, 70, 137, 257, 320, 324 - und Körperschaftsstatus 257 ius circa sacra 80, 83 ius emigrandi 77 ius reformandi 77 jüdische Kultusgemeinden 257, 308, 355 Jugendhilfe 218 Justizgewährungspflicht 144 Kant 63, 140 Kapitalfreiheit 447 Siehe Grundfreiheiten Katholizismus 125 Kirche 70, 85, 90, 97, 99, 163, 164, 177, 232, 257, 261, 277, 285, 302, 303, 308, 311, 378, 379, 382, 399, 415, 422, 425, 462 Kirchenaustritt 165, 173, 209, 317 Kirchenrecht 40, 81, 82, 145, 154, 155, 163, 292, 295,451

- und Europarecht 456 - und juristische Personen 316 - und Kirchenaustritt 317 - und Rechtsschutz 318 - und Selbstverwaltungsgarantie 317 - Zuzug aus dem Ausland und Grundfreiheiten 460 Kirchensteuereinzug 242 kirchliche Ausbildungsstätten 232 kirchliche Hochschulen 235 kirchliches Arbeitsrecht 162 Siehe auch Arbeitsrecht 162 Kollegialtheorie 26, 80, 81, 82, 83 kollidierendes Verfassungsrecht 60, 131, 137, 141,345,369 Kommunitarismus 35, 48, 205 konfessionelle Privatschulen 210 konfessionelles Zeitalter 82 konfessionsgebundene Staatsämter 140,184, 190,194,195 - und europäische Diskriminierungsverbote 485 Konkordate 246, 446, 490, 491, 492, 493, 494 - mit der EU 493 Kontingenz 40, 46, 49, 56, 57, 262 Koordinationslehre 27, 144, 244, 245, 251, 339, 496 Kopftuch 121 Körperschaft - Begriff 84

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Sachregister

- öffentlich-rechtliche, Begriff (historisch) 85 Körperschaftsstatus 27, 47, 66, 87, 90, 91, 92, 93, 96, 99, 103, 107, 110, 112, 113, 114, 115, 145, 178, 181, 182, 183, 199, 210, 229, 233, 256, 258, 266, 277, 311, 325, 330, 335, 341, 344, 346, 348, 352, 359, 371,441 - (staatskirchenrechtlich) eigener Art 271, 336 - als institutionelle Garantie 281, 286, 290 - altkorporierte Religionsgesellschaften 260, 268,282,298,319,359,363,364,367,370, 372 - Empirie 257 - Entzug 268, 282 - Folgerechte 281, 284, 299 - Grundrechtsberechtigung 277, 289 - Grundrechtsbindung 277, 280, 329, 345 - Grundrechtsprägung 338 - historisch Folgerechte 105 - Möglichkeit zur Richtlinienumsetzung 451 - negative Finanzierungsfreiheit 316 - Neuerwerb 319 - Pflicht zur Richtlinienumsetzung 449 - rhetorischer Mehrwert 110 - Staatsloyalität 264, 265 - Steuervorteile 306 - und Art. 9 II GG 342, 344 - und Baurecht 301, 310 - und Demokratie 346, 347 - und EG-Bankrecht 403 - und EU-Grundfreiheiten 442 - und europäisches Vergaberecht 454 - und Europarecht 440 - und Freiheit 273 - und Gemeinwohl 262 - und Grundrechtsbindung 445 - und Insolvenz 297 - und Öffentlichkeit 499 - und Parität 341, 371, 373, 499 - und Religionsfreiheit 264, 265, 266, 268, 300, 336, 338,441,498 - und Weltuntergangserwartung 326 - unfreiwilliger Verlust 363 - ungeschriebene Verleihungsvoraussetzungen 329

-

Verfassungs Verhandlungen 103, 111 Verleihung 109 Verleihung und Gesetzesvorbehalt 349 Verleihungsvoraussetzung der Finanzausstattung 323 - Verleihungsvoraussetzung der Gewähr der Dauer 259, 273, 321 - Verleihungsvoraussetzung der inneren Organisation 324 - Verleihungsvoraussetzung der Intensität des religiösen Lebens 325 - Verleihungsvoraussetzung der Mindestbestandszeit 324 - Verleihungsvoraussetzung der Rechtstreue 327, 328, 329, 330, 331, 333, 334, 335, 345, 347, 364, 367 - Verleihungsvoraussetzung der ,Verfassung' 322 - Verleihungsvoraussetzung der Zahl der Mitglieder 320, 322, 326 - Verleihungsvoraussetzung des Antrags 321 - Wegfall 354 - willentliche Aufgabe 357 Korporation 84 Siehe Körperschaft Korrelartheorie 93 Kruzifix 121, 346 Kulturhoheit der Länder 241 Kulturkampf 83, 160, 469 Kulturprotestantismus 382 Kulturvölkerformel 53 Kulturvorbehalt, christlicher 38, 40, 320, 350, 496 Kulturvorbehalt, christlicher und Europa 378 Kunst 34, 45, 57, 68, 128, 144, 499 Laizismus 44, 179, 233, 270, 417, 423, 495 landesherrliches Kirchenregiment 79, 81, 177, 229,319 Liberalismus, politische Philosophie des 34, 44, 48, 205 Luther 79, 323 Markenrecht, europäisches und religiöse Symbole 401 Medien 144, 169, 308 Meditationstechniken 63

Sachregister Mehrebenenrecht 25, 28, 29, 222, 237, 377, 378, 380, 396, 405, 406, 409, 410, 413, 414, 415, 420, 421, 424, 425, 428, 438, 439, 440, 454, 467, 468, 476, 477, 482, 488, 490, 492, 500 - 1. und 2. Ordnung 414 - als Grundrechtsverbund 425 - Letztentscheidungskompetenz 413,438 - Richtlinie als Rechtssetzungsform 414 - und Richtlinien 477 Mehrebenensystem 406, 412 - Grundrechtsschutz 437 Mehrpersonen Verhältnis 142, 228 Menschenrechte 334, 408, 430 Menschenwürde 115, 334, 436 Militärseelsorge 96, 207, 243 Siehe auch Anstaltsseelsorge Mitglieder 72, 109, 136, 155, 210, 256, 258, 272, 295, 298, 311, 316, 319, 331, 357, 361,362, 365 Mitgliedschaft - und negative Religionsfreiheit 66 Nationalsozialismus 86, 115, 355 nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet 392 Niederlassungsfreiheit 447 Siehe Grundfreiheiten nominatio dei 223 Normenkollision - Europarecht und nationales Recht 413 objektive Werteordnung 238 öffentlich-rechtlicher Gesamtstatus 276 öffentliches Sachenrecht 288, 289, 291, 296 Öffentlichkeit 25, 26, 85, 102, 107, 117, 166, 178, 203, 204, 205, 206, 207, 210, 211, 221, 255, 273, 274, 275, 277, 291, 300, 307, 308, 310, 372, 377, 401, 468, 485, 500 - historisch 78 - Länderfassungen 234 - und Europarecht 483 - und Körperschaftsstatus 274 - und Religionsfreiheit 205 Öffentlichkeitsauftrag 206, 234, 277

ordre public 170 Organisationsgewalt 259, 272, 273, 279, 288, 289, 290, 291, 294, 345, 372, 442 pacta sunt servanda 249 Parität 25, 26, 44, 49, 78, 101, 102, 103, 108, 112, 117, 147, 180, 181, 182, 183, 184, 187, 191, 192, 194, 196, 199, 200, 210,211,219, 300, 341 - als Willkürverbot 188 - historisch 77, 83 - in offener Vielfalt 141, 172, 182, 183, 197, 201 - und Europarecht 482 - und Gleichheitsdogmatik 184 - und Körperschaftsstatus 273 Parlamentarischer Rat 113 Parlamentsvorbehalt 131, 240 Parochialrecht 259, 273, 279, 288, 289, 290, 291, 295, 298, 304, 311, 345, 442, 461 Parteienrecht 26, 47, 147, 168, 269, 342 Partizipation 67, 72, 203 Paulskirchenverfassung 83 Pluralismus 27, 32, 33, 35, 37, 68, 138, 180, 257,379 - historisch 77, 78, 81 - normativ 36, 38 - realer 32 Pluralismustheorie 35 Pluralität Siehe Pluralismus 257 Präambel 223 praktische Konkordanz 45, 141, 156, 172, 179, 183,240 Preußisches Allgemeines Landrecht 80, 87 Primärrecht 415, 433, 434 Privatautonomie 165, 166, 167, 201, 295, 317,444 Privilegienbündel 259, 274, 283, 289, 299, 300, 307, 308, 309, 442 Privilegientheorie 92 protestantische Theologie 42, 52 Protestantismus 49, 70, 125, 375 Rahmengesetzgebung 236, 241 Rechtserkenntnisquelle 419, 420, 428, 430, 433 Rechtsfähigkeit 284

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Sachregister

- als Folgerecht des Körperschaftsstatus 283 - historisch 84 Rechtspluralismus 139, 181 Rechtssetzungsbefugnis 273, 279, 280, 288, 289, 290, 291, 293, 294, 295, 311, 313, 345, 361,372,442 - und Richtlinienumsetzung 449,479 Rechtsstaat 35, 228, 249, 318, 352 Reformation 75, 76, 77, 79 Reichsdeputationshauptschluß 78, 82, 217 Reichskonkordat 114, 246, 247 Religion 50, 69, 90, 97, 102, 128, 137, 150, 151, 155, 172, 194, 207, 210, 221, 233, 255 - als Gemeinschaftsphänomen 64 - als Mittel des Polizeistaats 80 - als Selbstzuschreibungspraxis 59 - als Teilsystem der Gesellschaft 46 - Begriff 123 - Defintionen der Rechtsprechung 62 - Funktion und Leistung 46 - konfessionelle Prägung des Begriffs 31 - und Anthropologie 50 - und Demokratie 48 - und Fußball 57 - und Gemeinwohl 40 - und Kino 57 - und Kultur 382 Religion als Ambivalenzphänomen 39, 40, 263 Religion und Staat 60, 74 Religionsausübung 122, 150, 230 - als religiöse Handlungsfreiheit 122, 131 - historisch 78, 89, 125 - korporative 150 - Kultusfreiheit 124 - und Bekenntnisfreiheit 121, 130 - und Selbstverständnis 123 - und Vermögensverwaltung 151 Religionsbegriff 52, 57, 64 - allgemeiner 61 - funktionalistischer 57 - Mißbrauch 64 - und Religionstheorie 54 - und Selbstverständnis 128

Religionsfreiheit 25, 26, 49, 57, 58, 74, 76, 94, 114, 151, 173, 180, 189, 192, 202, 207, 255 - als Geburtsstunde der Menschenrechte 77 - als Kultusfreiheit 120 - als Minderheitenrecht 138 - als religiöse Handlungsfreiheit 120 - EMRK 130, 205, 430 - EUGRCh 433 - Gesetzesvorbehalt 127, 131, 136 - Gesetzesvorbehalt Verfassungsgenese 134 - historisch 77 - im europäischen Sekundärrecht 397 - individuelle / korporative, Verhältnis 156, 171,202 - korporative 117, 118, 151, 393,476 - korporative in den Mitgliedstaaten der EU 429 - korporative und kirchliches Arbeitsrecht 162 - korporative, Schranke 158 - Länderverfassungen 230 - negative 66, 69, 209, 227, 316 - personaler Schutzbereich 118 - sachlicher Schutzbereich 119 - und Körperschaftsstatus 116 - und Vermögensschutz 216 - Verfassungsgenese 114 Religionsfreiheit, korporative - in der EU 428 - und die Schranke des Art. 137 III WRV 155 Religionsfrieden als Aufgabe des Staates 40, 76, 238 Religionsgesellschaft - Ausschlußverhältnis der Rechtsformen 283 - Begriff 65, 68, 69, 71 - Besondere Bedeutung im Staatskirchenrecht 66 - i.s.d. Art. 137 V WRV 320 - mögliche Rechtsformen 72 - Verbot 343, 368 Religionsgesellschaft, öffentlich-rechtliche - Rechtsfähigkeit 88, 90 Religionsgesellschaft / Religionsgemeinschaft - Begriff 26

Sachregister Religionsgutsgarantie 216, 488 Religionslehrer 140, 194, 196, 197 Religionsrecht Terminologie 25 Religionstheorie 55, 71 Religionsunterricht 66, 69, 182, 183, 194, 197, 204, 207, 208, 209, 210, 233, 243, 247, 352 - an Europäischen Schulen 401 Religiöse Gleichheit Siehe Parität religiöse Interessen 138, 145, 178, 208, 210, 404, 439, 476 Religiös-weltanschauliche Neutralität Siehe Differenz res mixtae 152, 234 res sacrae 215, 291, 296, 297, 299 Revolution von 1848/49 82 Richtlinienumsetzung - und Grundrechte 478 - und Religionsfreiheit 477 Richtlinienumsetzung als Sozialpartner 479 RL 2000/78/EG 397, 400, 472, 473, 474, 475, 482, 485 Römisch-katholische Kirche 81, 83, 164, 173, 250,319, 491 Rundfunk 179, 206, 211, 244, 269, 270, 309,483 Säkularisierung 38,41, 42, 123, 147 Sammlungen 309 Schächten 398, 481 Scheidung 165, 173 Schleiermacher 31, 52, 63,497 Schrankenspezialität 155, 176 Schrankentrias des Art. 2 I GG 135 Schutz der nationalen Identität 415, 421, 422, 423, 424 Schutzbereichsidentität 151, 152 Schutzpflichten 335, 346, 347 Scientology 33, 68, 257,447, 464 Seelsorge 301 Sekten 33, 78, 102, 109 Sekundärrecht 385, 389, 390, 396, 397, 400, 401, 402, 403, 439, 469, 475, 476, 481, 495 Selbstordnung 154 Selbstverständnis 52, 53, 54, 55, 58, 59, 60, 61, 62, 67, 69, 70, 71, 121, 123, 124, 128, 129, 139, 140, 150, 151, 160, 161, 162, 37 Heinig

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163, 164, 165, 168, 171, 173, 174, 176, 182, 183, 198, 200, 205, 206, 210, 214, 220, 221,252 Selbstverwaltung 97, 143 Selbstverwaltungsgarantie 146, 154, 292, 321,357, 392, 476 - Abwägungslehre 156, 158, 160 - Bereichslehre 156, 157, 158, 159, 160 - Länderverfassungen 230 - und europäisches Familienrecht 399 - und kirchliches Arbeitsrecht 170 Selbstverwaltungsgarantie und Religionsfreiheit 148, 150 Sondernutzungsgenehmigung 138 Sonderrechtsverbot 158, 159, 160, 371 Sonn- und Feiertagsschutz 221, 236, 247, 376, 485 - und europäisches Arbeitsrecht 487 - und Europarecht 486 Souveränität 60, 76, 80, 352, 407, 408, 410, 492 Sozialer Dialog 471 Staat 50, 78, 81, 85, 86, 97, 98, 100, 104, 126, 208,218, 246, 251,254 - Abhängigkeit von Religion 39, 41, 51 Staat und Kirche 30, 35, 44, 65, 74, 75, 76, 77, 79, 80, 81, 83, 86, 93, 94, 97, 99, 100, 101, 102, 113, 114, 136, 144, 146, 157, 160, 177, 233, 266, 267, 281, 336,401 Staaten verbünd 375, 409 Staatskirche 26, 38, 83, 100, 109, 113, 147, 176, 177, 179, 180, 181, 211, 234, 238, 423 Staatskirchenrecht / Religions(verfassungs)recht Terminologie 25 Staatskirchentum 47, 74, 76, 79, 82, 83, 92, 97, 148, 176 Staatskirchen Verträge 244, 245, 249, 250, 251,252, 253 Staatsleistungen 96, 99, 100, 101, 107, 114, 200, 212, 214, 217, 218, 219, 233, 236, 241, 247, 252, 306, 488 Strukturwandel der Religion 38, 254, 257, 261 Subsidiarität 412,415,420,421,482 Subventionen 212, 217, 218, 219, 220, 274, 306, 488, 489 Systemtheorie 46, 58, 124, 204, 499

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Sachregister

Tendenzschutz 168, 169, 173, 201, 398, 471,472, 474 Territorialsystem 80, 89, 260, 284, 461 theologische Fakultäten 178, 194, 233, 235, 243, 247,484 Transzendenz 57, 129 Trennung von Staat und Kirche Siehe Differenz 25 Troeltsch 52 TÜVe.V. 329 Verbändeverfassungsrecht 27, 47, 146, 147, 154, 168, 205,269, 356 Verbot der kirchlichen Voraustrauung 243 Vereinigungsfreiheit, religiöse 66, 94, 119, 266, 267, 294, 342, 356, 357, 369 Verfassungsinterpretation 359 verfassungsmäßige Ordnung 135 Verfassungsprinzipien 238 Verfassungstheorie 30, 32, 50, 55, 137 Verfassungsverbund 413, 414, 425, 427, 483 Vergaberecht, europäischesrund Körperschaftsstatus 452 Vermögensschutz, religionsbezogener 212 Vertrauensschutz 250 volenti non fit iniuria 165 Völkerrecht 249, 254 VolkskircheSiehe Staatskirche 423 Vorverständnis 30, 31 Warenverkehrsfreiheit Siehe Grundfreiheiten Wechsel wirkungslehre 137 wehrhafte Demokratie 35, 36, 336 Wehrpflicht 190

Weimarer Nationalversammlung 26, 29, 91, 93, 102, 103, 111, 112, 116, 181, 260, 261,272, 282, 283, 285,286 Weimarer Religionsartikel - als Grundrechte 149 - und Religionsfreiheit 145 Weltanschauung 44, 62, 98, 128, 129, 132, 180, 205,206, 231 Werte 108, 239 Westfälischer Frieden 75, 77, 78 Wettbewerbsrecht, europäisches 212 - Beihilfebegriff 463 - Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse 465 - und Art. 138 WRV 487 - und Kirchensteuer 462, 484 - und kirchliche Wohlfahrtspflege 466 - und Religionsgesellschaften 462 - Unternehmensbegriff 463 Wirtschaft 31, 45, 47, 68, 74, 144, 499 wirtschaftliche Betätigung und Religion 67, 368 Wissenschaft 45, 68, 144, 499 Witwen Verbrennungen 159 Wohlfahrtspflege 212 Wohlfahrtspflege, kirchliche 243, 307, 377, 454, 466 - und Europarecht 402 Siehe auch Wettbewerbsrecht, europäisches Zeugen Jehovas 258, 259, 326, 327, 330, 346, 348, 355 Zivilgesellschaft 43, 144, 145, 203, 211, 218, 277, 278, 440, 441, 455, 467, 489, 500 Zivilreligion 37, 57