Faszinierende Chemie: Eine Entdeckungsreise vom Ursprung der Elemente bis zur modernen Chemie [2 ed.] 9783662573235, 3662573237

In diesem Buch wird die Welt der Chemie farbenfroh und verständlich präsentiert - von den Grundlagen chemischer Prozesse

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Faszinierende Chemie: Eine Entdeckungsreise vom Ursprung der Elemente bis zur modernen Chemie [2 ed.]
 9783662573235, 3662573237

Table of contents :
Einleitung
Inhalt
1 Die Basis der Chemie
Der Weg zum Atom
Die Substruktur der Atome
Die Wellenfunktion im Wasserstoffatom
Das Schalenmodell der Atomhülle
Das Periodensystem
Die Stabilität der Atomkerne
Radioaktive Zerfälle
Chemische Reaktionsgleichungen
Die chemische Bindung
Das Wasserstoffmolekül
Was ist Entropie?
Die Triebkraft chemischer Reaktionen
Katalysatoren
Säuren und Basen
pH-Wert und Mol
Strukturformeln
Die Oktettregel
Benzol
Die elektrochemische Spannungsreihe
2 Vom Urknall zu den Elementen
Der Urknall
Materie im expandierenden Universum
Die nukleare Heliumsynthese
Die ersten Atome
Erste Sterne und Galaxien entstehen
Im Fusionsofen der Sterne
Supernovae
Verschmelzung von Neutronensternen
Die Häufigkeiten chemischer Elemente
Spektrallinien
Das interstellare Medium
Molekülwolken
Biomoleküle im Weltall
Wasser im Sonnensystem
Meteoriten
3 Chemie der Erde und der Planeten
Woraus bestehen Planeten?
Das Innere der Erde
Der Ursprung der Minerale
Olivin
Zirkon
Quarz
Feldspat
Pyroxen, Amphibol und Glimmer
Magmatische Gesteine
Metamorphe Gesteine
Verwitterung und Tonminerale
Eisensulfid
Meerwasser und Evaporite
Kalk und Dolomit
Der Carbonat-Silicat-Zyklus
Treibhausgase
Wandlungsfähiger Kohlenstoff
Methanhydrat
Erdöl
Kohle
Titans eisige Welt
Ios vulkanische Schwefelwelt
Materie unter Druck
Meteoriteneinschläge
Globale Massensterben
Mit Isotopen auf Spurensuche
4 Entstehung des Lebens
Wasser
Entstehung des Lebens
Membranen
Schwarze Raucher
Die frühe Erde
RNA-Welt
Chiralität
Entropie und Leben
5 Biochemie
Die Nanowelt der Zellen
ATP-Synthase
Glykolyse
Pyruvat-Oxidation
Der Citratzyklus
Die Atmungskette
Gärung und anaerobe Atmung
Photosynthese
Der Calvin-Zyklus
Zellen simulieren
Ribosomen
Flagellen, Cilien
Motorproteine und Zellskelett
Zucker
Fette
Kalium
Proteine
Verdauung
Alkaloide
Terpene
Cellulose
Eisen im Körper
Boten im Nervensystem
Drogen im Nervensystem
Sehen
Gifte in der Nahrung
Geruchsstoffe im grünen Bereich
Biolumineszenz
Die innere Uhr
6 Chemie in der Menschheitsgeschichte
Feuer
Schwarzpulver
Porzellan
Zement
Beton
Metalle unserer Vorfahren
Alkoholische Gärung
Vom Alkohol zum Essig
Jagdgifte
Gerben
Seifen
Naturmedizin
Naturfarben und - lacke
Kristallfarben
Der Stein der Weisen
7 Chemie der Moderne
Stickstoff
Dünger
Chemische Kampfstoffe
Säuren
Sprengstoffe
Quecksilber, Cadmium und Blei
Metallurgie
Seltene Erden
Aluminium
Metalle aus dem Meer
Korrosion
Kupfer und Gold
Silicium und seine Oxide
Methan und Ethen
Zeolithe
Methanol und Ethanol
Farbstoffe
Ozon
Selbstreinigende Oberflächen
Ionische Flüssigkeiten
Kunststoffe
Antibiotika
Glyphosat
Tenside
Maillard-Reaktion
Lebensmittelzusätze
Kaffee
Emulgatoren
Kaltes Leuchten
8 Chemischer Ausblick
Fullerene
Kohlenstoff-Nanoröhren
Graphen
Der Weltraumlift
Molekulare Maschinen
Werkzeuge aus Keramiken
Fluoreszenzmikroskopie
Kryo- Elektronenmikroskopie
Spinnenseide
Aerogel
Das gentechnische Werkzeug CRISPR
Bildnachweis
Index
Das Periodensystem der Elemente
Bildnachweis
Index

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Sylvia Feil Jörg Resag Kristin Riebe

Faszinierende Chemie Eine Entdeckungsreise vom Ursprung der Elemente bis zur modernen Chemie

Faszinierende Chemie

Sylvia Feil · Jörg Resag · Kristin Riebe

Faszinierende Chemie Eine Entdeckungsreise vom Ursprung der Elemente bis zur modernen Chemie 2. Auflage

Sylvia Feil Burgdorf, Deutschland

Kristin Riebe Nuthetal, Deutschland

Jörg Resag Leverkusen, Deutschland

ISBN 978-3-662-57323-5 ISBN 978-3-662-57324-2 https://doi.org/10.1007/978-3-662-57324-2

(eBook)

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2017, 2018 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Verantwortlich im Verlag: Lisa Edelhäuser Einbandentwurf: deblik, Berlin Einbandabbildung: Glühwürmchen: Radim Schreiber www.fireflyexperience.org; Schwefelkrone: Ben Mills/Wikimedia Commons; Kohlenstoffnanoröhre: Kristin Riebe Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

V

Einleitung Chemie – Tanz der Atome und Moleküle, aus denen alles besteht, was uns umgibt Wer Ende Juli durch einen dunklen Wald streift und am Wegrand Glühwürmchen entdeckt, kennt die Faszination, die dieses Blinken hervorruft. Phänomene wie dieses, bei dem Energie aus einer chemischen Bindung in Form von Licht freigesetzt wird, machten schon unsere Vorfahren neugierig. Doch sie konnten noch nicht ahnen, dass auch hinter diesem magischen Funkeln die Kraft der Chemie steckt. Dieses Buch streift durch verschiedene Bereiche der Chemie und greift Wissenswertes, Überraschendes und Interessantes auf. Dabei haben wir den Begriff der Chemie relativ weit gefasst, und auch Übergangsbereiche zu benachbarten Wissenschaften wie der Physik, Biologie und Geologie mit einbezogen. Wir haben uns bei der Auswahl der Themen von unserer Neugier leiten lassen und uns wurde wieder einmal bewusst, welches weite Feld diese Wissenschaft umspannt und wie viel Einfluss sie hat. Beim Zusammenstellen des Buchs war uns wichtig, die Chemie gerade nicht nur im systematischen Zusammenhang des Periodensystems, sondern auch im geologischen, physikalischen und biologischen Kontext zu betrachten. Die Faszinierende Chemie ist so konzipiert, dass auf jeweils einer Doppelseite ein Thema erklärt und mit Grafiken und Fotos veranschaulicht wird. Für alle, die mehr zu einem Thema erfahren wollen, gibt es im unteren Seitenbereich Hinweise auf weiterführende Literatur und Internetseiten.

Zusätzlich verweisen wir hier auf Artikel im Buch, in denen bestimmte Schlagworte näher erläutert werden. So können Sie die Artikel nacheinander lesen – oder auch in beliebiger Reihenfolge. Das besondere Konzept dieses Buchs – die Chemie über möglichst viele Bilder zu entdecken – spornte uns als Autorenteam besonders an und wir versuchen, mit vielen klaren, anschaulichen und beeindruckenden Grafiken und Fotos, diese Wissenschaft und ihre Vorgänge begreifbar zu machen. Gehen Sie mit uns auf eine Entdeckungsreise, die bei den Grundlagen der Chemie beginnt. Hier steigen wir in diese Wissenschaft ein und beantworten Fragen wie beispielsweise: Was ist ein Atom? Wie schreiben Chemiker Strukturen? Warum nutzen sie verschiedene Modelle, um etwas zu erklären? Was für eine Rolle spielt die Symmetrie der Moleküle? Welche Wechselwirkungen gibt es? Was tauschen Reaktionspartner untereinander aus, wenn sie miteinander reagieren – Ionen oder Elektronen? Anschließend betrachten wir, wie chemische Elemente entstehen – sei es kurz nach dem Urknall oder später in Fusionsprozessen in den Zentren der Sterne. Anknüpfend daran schauen wir, wie Leben durch Selbstorganisation und Replikation entstanden sein könnte und wie es unsere Welt prägt. Wir gehen darauf ein, wie das Leben selbst die Oberfläche des Planeten Erde

VI

verändert hat und immer noch verändert – von frühen Mikroorganismen, die die Atmosphäre mit Sauerstoff anreicherten, bis zur Entstehung von Erdöl aus biologischem Material. Im nächsten Teil wenden wir uns der Chemie in der frühen Menschheitsgeschichte zu, eine Zeit, in der durch Beobachten und Ausprobieren die ersten chemischen Verfahren entstanden. Es bildeten sich Wissensschätze heraus, die über Generationen weitergereicht wurden, ganz gleich, ob es sich um die Heilkunde unter Naturvölkern, um die Alchemie oder um Handwerkstechniken wie Schmiedekunst, Gerberei und Seifensiederei handelte. In dieser Zeit war die Chemie lange eine Teilwissenschaft der Medizin und Philosophie. Mit dem Einzug der Chemie als Naturwissenschaft an die Universitäten im 19. Jahrhundert sind wichtige Erfindungen verbunden: Justus von Liebig entwickelte den Dünger gegen den Hunger der Welt, Robert Wilhelm Bunsen schuf mit dem Gasbrenner ein Utensil, das bis heute nicht aus den Laboren wegzudenken ist. Wilhelm Ostwald bereitete der Katalyse den Weg und schaffte es damit, chemische Reaktionen auch bei ungünstigen Bedingungen ablaufen zu lassen. Auch die wissenschaftliche Dokumentation wurde vorangetrieben – allen voran gründete Justus von Liebig 1832 die Fachzeitschrift Liebigs Annalen, die die Chemie lange Zeit geprägt hat und heute noch als European Journal of Organic Chemistry aufgelegt wird. Im darauf folgenden Kapitel liegt der Schwerpunkt auf den wichtigen Anwendungen der Chemie in der Moderne. Wir durchstreifen die angewandte Chemie und geben Einblicke in wichtige

Werk- und Baustoffe wie Metalle, Kunststoffe, Beton und Keramik. Den Abschluss des Buchs bildet ein Blick in die aktuelle Forschung. Das Spektrum der Themen ist weit gefasst: Neue Werkstoffe wie Kohlenstoffnanoröhren, Graphen und messerscharfe Keramiken treffen auf moderne Werkzeuge wie hochauflösende Mikroskopierverfahren und die Geneditierung. Lassen Sie sich faszinieren – von den dern und Grafiken, von bekannten oder den Phänomenen und auch von der der Chemie innewohnt, ihrer Klarheit

schönen BilüberraschenStruktur, die und Vielfalt.

Damit die Abbildungen den Text optimal ergänzen, wurden viele der Grafiken vom Autorenteam selbst erstellt. Zahlreiche weitere Abbildungen stellten uns Wissenschaftler und Fotografen zur Verfügung, denen wir an dieser Stelle noch einmal herzlich danken möchten. Die Auswahl der Themen durch das Autorenteam stellte das Lektorat vor besondere Herausforderungen – waren doch so viele interdisziplinäre Wissensgebiete darunter. Für ihre vielen Anregungen und konstruktive Kritik danken wir Dr. Lisa Edelhäuser und Dr. Sarah Koch sowie Feray Steinhart.

VII

An der Gesamtkonzeption des Buchs und der Auswahl der Themen war Dr. Vera Spillner mitbeteiligt; ohne sie hätte es dieses Buch so nicht gegeben. Lars Fischer inspirierte uns mit Grundideen und einigen Artikelentwürfen. Einer der Autoren (Jörg Resag) möchte sich zudem bei seinen Söhnen Kevin, Tim und Jan herzlich dafür bedanken, dass sie als Studenten der Geowissenschaften und Chemie ihre Ideen zu diesem Buch beigesteuert haben und immer wieder für Diskussionen sowie als kritische Testleser zur Verfügung standen.

Allen übrigen Testlesern haben wir persönlich gedankt und ihre Anregungen gern eingearbeitet. Sylvia Feil Jörg Resag Kristin Riebe April 2016

Vorwort zur zweiten Auflage Seit die erste Auflage des Buches im Jahr 2016 erschienen ist, haben wir viele positive Rückmeldungen erhalten, über die wir uns sehr gefreut haben. Sie haben uns gezeigt, dass unser Buch über die vielfältigen Facetten der Chemie auf ein breites Interesse gestoßen ist. Besonders bedanken möchten wir uns bei allen Lesern, die mit Ideen und Vorschlägen auf uns zugekommen sind oder uns auf Fehler hingewiesen haben. Nun, da die erste Auflage so gut wie ausverkauft ist, haben wir die Chance, die Verbesserungen in dieser zweiten Auflage zu berücksichtigen. Darüber hinaus haben wir einige neue Themen in das Buch aufgenommen, die uns besonders interessant erschienen. Der Unkrautvernichter Glyphosat ist ein solches Thema, das wochenlang quer durch alle Medien ging. Auch ein anderes aktuelles Ereignis fand Eingang in unser Buch: Zwei Neutronensterne verschmolzen miteinander und schleuderten dabei große Mengen schwerer Elemente in den Weltraum. Fast jedes Gold-

atom in unserem Universum – ob am Ringfinger, auf elektronischen Leiterplatten oder in den Zentralbanken der Welt – ist auf diese Weise entstanden. Andere Themen, die neu hinzugekommen sind, haben durch die moderne Forschung neue Impulse erhalten: Die Kryo-Elektronenmikroskopie hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt und erlaubt mittlerweile Einblicke in die molekulare Maschinerie unserer Zellen mit nahezu atomarer Auflösung. Mit solchen und ähnlichen Methoden haben Biochemiker immer mehr darüber herausgefunden, wie die molekularen Prozesse des Lebens funktionieren und beispielsweise unsere innere Uhr steuern oder wie die Chemie des Sehens funktioniert. Umgekehrt ist es Chemikern sogar gelungen, molekulare Nanomaschinen selbst herzustellen und damit eine Tür zur Nanotechnik der Zukunft zu öffnen. Beide Entwicklungen wurden 2016 und 2017 mit dem Chemie-Nobelpreis geehrt.

VIII

Wir hoffen, dass auch die zweite Auflage der „Faszinierenden Chemie“ mit ihren neu hinzugekommenen Themen wieder viele Leser zum Stöbern und Entdecken einlädt und dass wir etwas von der Faszination weitergeben können, die wir selbst für diese vielseitige Naturwissenschaft empfinden.

Sylvia Feil Jörg Resag Kristin Riebe März 2018

Über die Autoren Sylvia Feil ist Diplom-Chemikerin, Wissenschaftsjournalistin und Redakteurin für Schulbücher und schreibt mit Neugier kompakt und verständlich über die vielen Facetten der Chemie in aktuellen Forschungen und Anwendungen. www.sylvia-feil.de

Jörg Resag hat in theoretischer Teilchenphysik promoviert und ist als erfolgreicher Sachbuchautor bekannt für seine leicht verständlichen und anschaulichen Erklärungen wissenschaftlicher Sachverhalte in Büchern und im Internet. www.joerg-resag.de

Kristin Riebe, Sylvia Feil und Jörg Resag stellten eine Auswahl spannender Themen der Faszinierenden Chemie auf der Buchmesse in Leipzig im März 2017 vor.

Kristin Riebe ist promovierte Astrophysikerin und erstellt leidenschaftlich gern ansprechende Grafiken und Bilder, um in undurchsichtige Datendschungel oder schwierige wissenschaftliche Themen Klarheit und Schönheit zu bringen. www.kristin-riebe.de

IX

Inhalt

Einleitung ............................................................................................................................................................................................ V Inhalt .................................................................................................................................................................................................... IX 1 Die Basis der Chemie....................................................................................................................................................................1 Der Weg zum Atom – Warum Materie kein Kontinuum ist ............................................................................... 2 Die Substruktur der Atome – Ein Hauch von Nichts .......................................................................................... 4 Die Wellenfunktion im Wasserstoffatom – Elektronen kreisen nicht, sie schwingen .......................................... 6 Das Schalenmodell der Atomhülle – Vom Pauli-Prinzip zu den Orbitalen ........................................................ 8 Das Periodensystem – Ordnung im Zoo der Elemente ..................................................................................... 10 Die Stabilität der Atomkerne – Eine Gratwanderung ........................................................................................ 12 Radioaktive Zerfälle – Atomkerne suchen das Gleichgewicht........................................................................... 14 Chemische Reaktionsgleichungen – Die Sprache der Chemie.......................................................................... 16

– – –



Die chemische Bindung – In den Elektronen steckt die Kraft ........................................................................... 18 Das Wasserstoffmolekül – Elektronenwellen verbinden Atome ....................................................................... 20 Was ist Entropie? – Eine Brücke zwischen Mikro- und Makrowelt .................................................................. 22 Die Triebkraft chemischer Reaktionen – Entropie und Gibbs-Energie ............................................................. 24 Katalysatoren – Wie man Schwung in eine Reaktion bringt .............................................................................. 26 Säuren und Basen – Protonen auf Wanderschaft............................................................................................... 28 pH-Wert und Mol – Wasser ist nicht nur H2O.................................................................................................. 30 Strukturformeln – Wie Moleküle dargestellt werden ......................................................................................... 32 Die Oktettregel – Nützlich aber nicht unumstößlich ........................................................................................ 34 Benzol – Ein Ring, sie zu binden ....................................................................................................................... 36 Die elektrochemische Spannungsreihe – Edle und unedle Metalle .................................................................. 38 2 Vom Urknall zu den Elementen ............................................................................................................................................ 41 Der Urknall – Startschuss für das Universum ................................................................................................... 42 Materie im expandierenden Universum – Atome, dunkle Materie und dunkle Energie.................................. 44

X

Die nukleare Heliumsynthese – Das frühe Universum als Fusionsreaktor ....................................................... 46 Die ersten Atome – ... und das älteste Licht der Welt ....................................................................................... 48 Erste Sterne und Galaxien entstehen – Aufbruch zu den schweren Elementen ............................................... 50 Im Fusionsofen der Sterne – Wie man schwere Elemente macht ..................................................................... 52 Supernovae – Explosive Elemententstehung ..................................................................................................... 54 Verschmelzung von Neutronensternen – Elementschmiede bei kosmischer Kollision .................................... 56 Die Häufigkeiten chemischer Elemente – ... und wie es dazu kommt .............................................................. 58 Spektrallinien – Der optische Fingerabdruck der Elemente .............................................................................. 60 Das interstellare Medium – Gas und Staub im Weltraum ................................................................................ 62 Molekülwolken – Staubkörner als kosmische Minilabore ................................................................................. 64 Biomoleküle im Weltall – Auf den Spuren der Ursprünge des Lebens ............................................................. 66 Wasser im Sonnensystem – Vom Krater-Eis Merkurs bis zu den Eismonden .................................................. 68 Meteoriten – Himmlisches Eisen und Widmanstätten-Figuren ....................................................................... 70 3 Chemie der Erde und der Planeten ..................................................................................................................................... 73 Woraus bestehen Planeten? – Auf dem Weg in das Energietal.......................................................................... 74 Das Innere der Erde – Eine Reise in die Tiefe ................................................................................................... 76 Der Ursprung der Minerale – Eine kurze Entstehungsgeschichte ..................................................................... 78 Olivin – Das grüne Mineral aus den Tiefen der Erde........................................................................................ 80 Zirkon – Zeitkapseln aus der Frühzeit der Erde................................................................................................. 82 Quarz – ... und der Kreislauf des Sandes ........................................................................................................... 84 Feldspat – Baustoff der Erdkruste ...................................................................................................................... 86 Pyroxen, Amphibol und Glimmer – Minerale zwischen Olivin und Quarz .................................................... 88

XI

Magmatische Gesteine – Basalt, Granit und Co................................................................................................ 90 Metamorphe Gesteine – Kratone und die ältesten Gesteine der Erde .............................................................. 92 Verwitterung und Tonminerale – Was der Zahn der Zeit übrig lässt ................................................................. 94 Eisensulfid – Vom Wattenmeer zum Katzengold .............................................................................................. 96 Meerwasser und Evaporite – Wenn Meere austrocknen ................................................................................... 98 Kalk und Dolomit – Wenn Riffe zu Bergen werden ........................................................................................ 100 Der Carbonat-Silicat-Zyklus – Wo befindet sich das Kohlendioxid der Erde? ............................................... 102

Treibhausgase – Die Wärmedecke der Erde .................................................................................................... 104 Wandlungsfähiger Kohlenstoff – Graphit und Diamant – zwei ungleiche Zwillinge ..................................... 106 Methanhydrat – Brennendes Eis ..................................................................................................................... 108 Erdöl – Das schwarze Gold aus der Tiefe ........................................................................................................ 110 Kohle – Das Erbe urzeitlicher Wälder ............................................................................................................. 112 Titans eisige Welt – Tholine und Seen aus Methan ........................................................................................ 114 Ios vulkanische Schwefelwelt – Calderen, Lava und Schwefelseen ................................................................. 116 Materie unter Druck – Chemie bei beengten Verhältnissen ............................................................................ 118 Meteoriteneinschläge – Spurensuche im Gestein............................................................................................ 120 Globale Massensterben – Wenn die Erde zur Todeszone wird ....................................................................... 122 Mit Isotopen auf Spurensuche – Was C-13, C-14 und O-18 uns verraten ...................................................... 124

4 Entstehung des Lebens ..........................................................................................................................................................127 Wasser – Ein besonderer Stoff ......................................................................................................................... 128 Entstehung des Lebens – Von Molekülen zu Lebewesen ................................................................................ 130

XII

Membranen – Wie ein abgeschlossener Reaktionsraum entsteht ................................................................... 132 Schwarze Raucher – Seit Urzeiten bis heute ein Hotspot des Lebens ............................................................. 134 Die frühe Erde – Erste Spuren des Lebens ...................................................................................................... 136 RNA-Welt – Vom Makromolekül zur Replikation .......................................................................................... 138 Chiralität – Wenn Moleküle die Schwingungsebene des Lichts drehen ......................................................... 140 Entropie und Leben – Wie Ordnung im Chaos entsteht ................................................................................. 142 5 Biochemie....................................................................................................................................................................................145 Die Nanowelt der Zellen – Im Reich der Makromoleküle .............................................................................. 146 ATP-Synthase – Der rotierende Energiewandler............................................................................................. 148 Glykolyse – Wie man aus Zucker Energie gewinnt.......................................................................................... 150 Pyruvat-Oxidation – ... und ein gigantischer Enzymkomplex ........................................................................ 152 Der Citratzyklus – Drehscheibe des Stoffwechsels.......................................................................................... 154 Die Atmungskette – Knallgasreaktion in kleinen Schritten ............................................................................. 156

Gärung und anaerobe Atmung – Leben ohne Sauerstoff ................................................................................ 158 Photosynthese – Das Licht der Sonne nutzen ................................................................................................. 160 Der Calvin-Zyklus – Photosynthese Teil II...................................................................................................... 162 Zellen simulieren – Leben im Computermodell ............................................................................................. 164 Ribosomen – Molekulare Maschinen für die Proteinproduktion ................................................................... 166 Flagellen, Cilien – ... und der Stammbaum des Lebens .................................................................................. 168 Motorproteine und Zellskelett – Das Leben braucht Bewegung..................................................................... 170 Zucker – Kohlenhydrate sind mehr als nur süß ............................................................................................... 172 Fette – Energiespeicher und Baustoff für Membranen .................................................................................... 174 Kalium – Eine Banane zu viel? ......................................................................................................................... 176 Proteine – Vielfältige Moleküle ........................................................................................................................ 178 Verdauung – Von Salzsäure über Enzyme bis zum Mikrobiom ...................................................................... 180 Alkaloide – Giftige Abwehr bei Pflanzen......................................................................................................... 182 Terpene – Von Lösungsmitteln bis Vitamin A ................................................................................................. 184 Cellulose – Kohlenhydrate als Baustoff und nachwachsender Rohstoff ......................................................... 186

XIII

Eisen im Körper – Hämoglobin für den Sauerstofftransport .......................................................................... 188 Boten im Nervensystem – Die chemische Signalübertragung......................................................................... 190 Drogen im Nervensystem – Konkurrenz um die Rezeptoren ......................................................................... 192 Sehen – Mit Licht Moleküle schalten .............................................................................................................. 194 Gifte in der Nahrung – Was Menschen früher (versehentlich) umbrachte ..................................................... 196 Geruchsstoffe im grünen Bereich – Chemische Kommunikation liegt in der Luft ......................................... 198 Biolumineszenz – Was Quallen und Glühwürmchen zum Leuchten bringt .................................................. 200 Die innere Uhr – Wie uns die Moleküle ticken lassen ..................................................................................... 202 6 Chemie in der Menschheitsgeschichte ............................................................................................................................205 Feuer – Roden, Heizen, Trocknen, Licht und Kochen .................................................................................... 206 Schwarzpulver – Pyrotechnische Anwendungen ............................................................................................ 208 Porzellan – Das weiße Gold aus China............................................................................................................ 210 Zement – Von Sand und Mörtel zum Baustoff der Römer.............................................................................. 212 Beton – Baustoff der Moderne......................................................................................................................... 214 Metalle unserer Vorfahren – Wie Ötzi zu seinem Kupferbeil kam .................................................................. 216 Alkoholische Gärung – Hefe unter Atemnot ................................................................................................... 218 Vom Alkohol zum Essig – Wenn Wein sauer wird .......................................................................................... 220 Jagdgifte – Frösche und Pflanzen als Giftlieferanten ....................................................................................... 222 Gerben – Wie aus Haut Leder wird ................................................................................................................. 224 Seifen – Was die Germanen den Römern voraus hatten ................................................................................. 226 Naturmedizin – Arzneien aus Wäldern und Wildtieren .................................................................................. 228 Naturfarben und -lacke – Ausdrucksmittel und Handwerk ............................................................................ 230

XIV

Kristallfarben – Minerale als Rohstoff für Pigmente ....................................................................................... 232 Der Stein der Weisen – Alchemie .................................................................................................................... 234 7 Chemie der Moderne ..............................................................................................................................................................237 Stickstoff – Aus der Luft gegriffen: Haber-Bosch-Verfahren ........................................................................... 238 Dünger – Gegen den Hunger der Millionen ................................................................................................... 240 Chemische Kampfstoffe – Giftgas und Nervengifte........................................................................................ 242 Säuren – Ein Rundgang ................................................................................................................................... 244 Sprengstoffe – Dynamit, TNT, Hexogen ........................................................................................................ 246 Quecksilber, Cadmium und Blei – Vom Nutzen und Schaden von Schwermetallen ..................................... 248 Metallurgie – Vom Bergbau bis zu Eigenschaften nach Wunsch ..................................................................... 250 Seltene Erden – … sind auch bloß Metalle, aber wertvolle! ............................................................................ 252 Aluminium – Das schwer zugängliche Leichtgewicht..................................................................................... 254 Metalle aus dem Meer – Manganknollen und Tiefseefräsen .......................................................................... 256 Korrosion – Wenn Sauerstoff einen alt aussehen lässt..................................................................................... 258 Kupfer und Gold – Abbau und Gewinnung ................................................................................................... 260 Silicium und seine Oxide – Facetten eines universellen Gerüstbildners ......................................................... 262 Methan und Ethen – Fossile Alkane, Alkene und Petrochemie ...................................................................... 264 Zeolithe – Katalysatormaterial und Wasserenthärter ....................................................................................... 266 Methanol und Ethanol – Alkohole für Kraftstoffe ........................................................................................... 268 Farbstoffe – Es ist alles so schön bunt hier....................................................................................................... 270 Ozon – Am Boden gefährlich, darüber unentbehrlich .................................................................................... 272 Selbstreinigende Oberflächen – Wasser und Schmutz einfach loswerden ...................................................... 274

XV

Ionische Flüssigkeiten – Flüssige Salze ............................................................................................................ 276 Kunststoffe – Mit Neugier und Glück zu neuen Stoffen ................................................................................. 278 Antibiotika – Mit den Waffen der Pilze gegen Bakterien ................................................................................. 280 Glyphosat – Der umstrittene Unkraut-Killer ................................................................................................... 282 Tenside – Aktiv an Oberflächen ...................................................................................................................... 284 Maillard-Reaktion – Röststoffe: kross und duftend......................................................................................... 286 Lebensmittelzusätze – Verdickungsmittel, Konservierungsstoffe und mehr ................................................... 288 Kaffee – Ein Extrakt aus gerösteten Bohnen .................................................................................................... 290 Emulgatoren – Das Gelbe vom Ei in Saucen ................................................................................................... 292 Kaltes Leuchten – Fluoreszenz, Phosphoreszenz und Chemilumineszenz .................................................... 294 8 Chemischer Ausblick ...............................................................................................................................................................297 Fullerene – Nano-Fußbälle aus Kohlenstoff.................................................................................................... 298 Kohlenstoff-Nanoröhren – Aufgerollter Kohlenstoff ...................................................................................... 300 Graphen – Hauchdünne Lagen aus Kohlenstoff ............................................................................................. 302 Der Weltraumlift – Fahrstuhl zu den Sternen .................................................................................................. 304

Molekulare Maschinen – Wie man sie entwirft und baut ............................................................................... 306 Werkzeuge aus Keramiken – Messerscharf und härter als Stahl ..................................................................... 308 Fluoreszenzmikroskopie – Mit Leuchtfarbstoffen jenseits der Auflösungsgrenze.......................................... 310 Kryo-Elektronenmikroskopie – Tiefe Einblicke in die Nanowelt des Lebens ................................................. 312 Spinnenseide – Aus der Natur zur Biofabrikation ........................................................................................... 314 Aerogel – Ein anorganisches Leichtgewicht .................................................................................................... 316 Das gentechnische Werkzeug CRISPR – Mit Geneditierung Krankheiten herausschneiden?........................ 318 Das Periodensystem der Elemente .......................................................................................................................................320 Bildnachweis ..................................................................................................................................................................................321 Index .................................................................................................................................................................................................331

1 Die Basis der Chemie Was geschieht, wenn sich Atome zu Molekülen verbinden? Woher wissen wir eigentlich, dass es Atome gibt? Was gibt Atomen ihre Eigenschaften und wie sehen sie in ihrem Inneren aus? Das sind die Grundfragen, mit denen sich das erste Kapitel dieses Buchs beschäftigt. Bereits im antiken Griechenland vermuteten die Menschen, dass Materie aus kleinsten Bausteinen – den Atomen – besteht. Aber erst im frühen 20. Jahrhundert gelang es der Chemie und der Physik, die atomare Struktur der Materie offenzulegen und den inneren Aufbau der Atome zu entschlüsseln: Ein winziger massiver Atomkern bildet das Zentrum jedes Atoms, in dessen elektrischem Feld sich stehende Quantenwellen aus Elektronen ausbilden. Viele der empirischen Erkenntnisse der Vergangenheit lassen sich so endlich verstehen: Jedes chemische Element hat einen festen Platz im Periodensystem, festgelegt durch die Zahl der Protonen in seinem Atomkern. Aus der Balance der Protonen und Neutronen im Atomkern ergibt sich, ob Atome stabil sind oder radioaktiv zerfallen. Die Elektronenwellen der Atomhülle legen wiederum das chemische Verhalten der Atome fest, wobei der zufällige Tanz der Atome und Moleküle eine chemische Reaktion vorantreibt – der Begriff der Entropie spielt daher eine wichtige Rolle. Katalysatoren können hier den Teilchen helfen, energetische Hürden zu überwinden. Um das vielfältige Verhalten der Atome und Moleküle zu erfassen, haben sich in der Chemie viele Begriffe und Schreibweisen herausgebildet: praktische Formelschreibweisen für Reaktionen, anschauliche Darstellungsmöglichkeiten für Moleküle, quantitative Begriffe wie der pH-Wert sowie Faustregeln wie die Oktettregel. All dies und noch mehr behandelt dieses Kapitel.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Feil et al., Faszinierende Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57324-2_1

2

1 Die Basis der Chemie

Der Weg zum Atom Warum Materie kein Kontinuum ist

Woher wissen wir eigentlich, dass Materie aus Atomen aufgebaut ist? Erste Ideen dazu gab es schon im antiken Griechenland vor rund 2500 Jahren. Der Philosoph Leukipp und sein Schüler Demokrit vermuteten damals, Materie könne aus unteilbaren Bausteinen zusammengesetzt sein – entsprechend leitet sich unser moderner Begriff Atom vom griechischen Wort átomos (unteilbar) ab. Auch das Gegenkonzept, nach dem Materie ein beliebig teilbares Kontinuum ist, hatte seine Anhänger und war selbst am Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht vom Tisch. Welche naturwissenschaftlichen Fakten sprechen demnach für Atome? Ein erster Wegbereiter war die Erforschung der Gase im 18. und 19. Jahrhundert. Wenn man die Temperatur als mittlere Bewegungsenergie von Gasteilchen interpretierte, so konnte man die physikalischen Eigenschaften der Gase gut erklären. Insbesondere fand Amedeo Avogadro im Jahr 1811 heraus, dass bei festen Werten für Druck und Temperatur jedes Gas in einem gegebenen Volumen dieselbe Anzahl von Teilchen aufweisen

muss – egal um was für ein Gas es sich handelt. Bei Normalbedingungen (0 °C und Atmosphärendruck) sind das in 22,4 Litern Gas rund 6,022 ∙ 1023 Gasteilchen (also 1 mol ). Neben Gasen geben auch feste Stoffe Hinweise auf ihre atomare Struktur. Wenn man sich vorstellt, dass die Atome darin wie harte Kugeln regelmäßig aufeinandergeschichtet sind, dann kann man sich gut erklären, warum Kristalle an ihren Ecken und Kanten bestimmte Winkel ausbilden. Ein weiterer Hinweis kommt aus der Chemie: Wenn sich beispielsweise Stickstoff und Sauerstoff miteinander verbinden, dann kann dies auf mehrere Arten geschehen: Das Gewichtsverhältnis von Stickstoff zu Sauerstoff kann 14:16 oder 14:32 sowie 28:16 betragen – und sogar weitere Verhältnisse sind möglich, wobei immer ein Vielfaches von 14 zu einem Vielfachen von 16 entsteht. Calcitkristall (CaCO3)





Erste quantitative Wasserelektrolyse durch Johann Wilhelm Ritter um das Jahr 1800. Da dabei nach der Formel 2 H2O  2 H2 + O2 doppelt so viele Wasserstoffmoleküle wie Sauerstoffmoleküle entstehen, nehmen diese nach Avogadro auch doppelt so viel Raum ein.

pH-Wert und Mol  S. 30 T. Fox Mach und Boltzmann heute Universität Wien, http://www.univie.ac.at/ivc/koll/FOX_machboltzmann.pdf A. Einstein Über die von der molekularkinetischen Theorie der Wärme geforderte Bewegung von in ruhenden Flüssigkeiten suspendierten Teilchen Im Internet, z. B. unter http://www.zbp.univie.ac.at/dokumente/einstein2.pdf

3

Der Weg zum Atom

NO 14:16

NO2 14:32

N2O 28:16

3D-Modelle einiger Stickoxide (die Atome sind mit ihren Van-derWaals-Radien gezeichnet) und ihre Proportionen

John Dalton erklärte im Jahr 1803 solche Mengenverhältnisse dadurch, dass sich ein oder mehrere Stickstoffatome mit einem oder mehreren Sauerstoffatomen zu einem Molekül verbinden. Dabei muss man dem Stickstoffatom das Gewicht 14 und dem Sauerstoffatom das Gewicht 16 in passenden Einheiten zuordnen. Dalton präsentierte damit ein überzeugendes Argument für die Existenz von Atomen, doch viele Physiker und Chemiker blieben skeptisch. Um das Jahr 1880 gelang es Ludwig Boltzmann sogar, den zuvor unanschaulichen Begriff der Entropie () aus der Zahl der mikroskopischen Verteilungsmuster der Atome in einem makroskopischen Körper abzuleiten. Hätte das nicht der endgültige Sieg der Atomhypothese sein müssen? Es gab jedoch immer noch ein Problem: Niemandem war es je gelungen, ein Atom direkt nachzuweisen. Wenn man den Physiker Ernst Mach damals auf Atome ansprach, pflegte er deshalb skeptisch zu antworten: „Ham se welche gesehen?“ Ernst Mach (1838–1916). Er zweifelte an der realen Existenz von Atomen.

Was ist Entropie?  S. 22 Kohlenstoff-Nanoröhren  S. 300

Die zufällige Brownsche Bewegung eines mikroskopischen Staubteilchens (simuliert)

Der Wendepunkt kam spätestens im Jahr 1905, als Albert Einstein die mikroskopischen Zitterbewegungen kleinster Staubteilchen (Brownsche Bewegung) durch die zufälligen Stöße von Molekülen erklärte und daraus quantitative Vorhersagen ableitete. Damit war es möglich geworden, die Auswirkung von Molekülstößen direkt zu beobachten und mit Einsteins Berechnungen zu vergleichen. Heute sind wir in der Lage, mithilfe von Rastertunnelmikroskopen Atome auch leibhaftig sichtbar zu machen. Angesichts solcher Bilder hätte wohl auch Ernst Mach seine Zweifel fallen gelassen.

Aufnahme einer Kohlenstoff-Nanoröhre () mit dem Rastertunnelmikroskop, das einzelne Kohlenstoffatome sichtbar macht

4

1 Die Basis der Chemie

Die Substruktur der Atome Ein Hauch von Nichts

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Zweifel an der realen Existenz der Atome weitgehend aus dem Weg geräumt. Damit stellte sich die Frage, wie Atome eigentlich aussehen. Sind sie kompakte unteilbare Kugeln, oder besitzen sie eine Substruktur?

Elektron

geladenen Teilchen – den Elektronen – besteht, die mehr als tausendmal leichter als die Atome des Drahts sind. In weiteEnergie ren Experimenten erwiesen sich diese Elektronen als ein Hauptbestandteil aller Atome.

Atomkern

Einen ersten Schritt zur Klärung dieser Frage lieferte folgendes Phänomen: Wenn man einen negativ aufgeladenen Metalldraht (Kathode) im Vakuum oder in stark verdünnten Gasen erhitzt, so sendet er eine besondere Strahlung aus. Im Jahr 1897 fand Joseph John Thomson heraus, dass diese sogenannte Kathodenstrahlung aus winzigen negativ

Schalen

Im Bohrschen Atommodell kann sich ein Elektron nur auf bestimmten Bahnen bewegen. Wechselt ein Elektron die Bahn, so wird ein energetisch passendes Photon absorbiert oder emittiert.

Da Atome elektrisch neutral sind, muss es darin auch positive Gegenladungen geben. In dieser Hinsicht half ein anderes Phänomen weiter, das man zu dieser Zeit gerade erst entdeckt hatte: die Radioaktivität (). Bestimmte radioaktive Elemente können dabei sogenannte Alphateilchen aussenden, die positiv geladen sind – ein erster Hinweis auf die gesuchten Gegenladungen.

Im Jahr 1909 beschoss die Forschungsgruppe von Ernest Rutherford eine dünne Goldfolie mit Alphateilchen und erhielt ein überraschendes Ergebnis: Fast alle Alphateilchen durchdrangen die Goldfolie nahezu ungehindert! Atome konnten also keineswegs die massiven Kugeln sein, für die man sie lange hielt. Einige wenige Alphateilchen wurden allerdings stark aus ihrer Elektronenstrahl in stark verdünnter Luft. Der Strahl wird von einem Magnetfeld zu einem Kreis gebogen – ein Beweis dafür, dass die Elektronen negativ geladen sind. Das violette Leuchten entsteht, wenn die Elektronen auf Luftmoleküle treffen und diese zum Leuchten anregen.

Radioaktive Zerfälle  S. 14 Wikipedia Bohrsches Atommodell

5

Die Substruktur der Atome

Alphateilchenquelle

Alphateilchen

Alphateilchen Goldfolie

Schirm Goldatom Rutherfords Streuversuch

Bahn abgelenkt, so als seien sie im Inneren der Atome auf massive positiv geladene Objekte gestoßen. Rutherford schloss daraus, dass sich die gesuchten Gegenladungen in einem winzigen massiven Atomkern versammeln, der fast die gesamte Masse des Atoms ausmacht. Der Rest des Atoms ist einfach nur leerer Raum, in dem punktförmige negative Elektronen den positiven Atomkern irgendwie zu umkreisen scheinen, was man sich ähnlich zur Bewegung der Planeten im Sonnensystem vorstellte. So gesehen sind Atome im Grunde ein Hauch von Nichts. Aber wieso benehmen sie sich dann wie ausgedehnte stabile Objekte? Und warum strahlen die kreisenden Elektronen keine Energie ab, obwohl sie dies analog zu den schwingenden Ladungen in einer Senderantenne eigentlich tun müssten, wodurch sie in den Atomkern stürzen würden?

Dieses Problem versuchte der dänische Physiker Niels Bohr im Jahr 1913 durch folgenden Trick zu lösen: Die Elektronen sollten den Atomkern nur auf ganz bestimmten Bahnen (Schalen) umkreisen, bei denen der Bahndrehimpuls ein ganzzahliges Vielfaches einer bestimmten Naturkonstante ist. Beim einfachsten aller Atome – dem Wasserstoffatom – war das Bohrsche Atommodell sehr erfolgreich und konnte die Atomgröße und die Spektrallinien gut beschreiben. Bei komplexeren Atomen funktionierte es dagegen weniger gut. Außerdem blieb unklar, was der tiefere Grund für Bohrs Bahnbedingung war. Diese Probleme konnten erst um das Jahr 1925 durch die Entwicklung der Quantenmechanik gelöst werden, als klar wurde, dass sich Elektronen im Atom überhaupt nicht auf irgendwelchen Bahnen bewegen. Darum geht es auf den nächsten Seiten.

Bei den Wasserstoff-Spektrallinien () im sichtbaren Licht (Balmer-Serie) fällt das Elektron von einer höheren Bahn (n > 2) auf die zweittiefste Bahn (n = 2) herunter. Die rote Linie rechts gehört zum Übergang 3 o 2, die blau-grüne Linie links daneben ist 4 o 2 usw.

Spektrallinien  S. 60 J. Resag Die Entdeckung des Unteilbaren: Quanten, Quarks und die Entdeckung des Higgs-Teilchens 2. Aufl., Springer Spektrum 2014

6

1 Die Basis der Chemie

Die Wellenfunktion im Wasserstoffatom Elektronen kreisen nicht, sie schwingen

Wie bewegen sich die Elektronen im anziehenden Feld des Atomkerns? Alle Versuche, sie wie im Bohrschen Atommodell auf bestimmte Bahnen zu zwingen, erwiesen sich letztlich als unbefriedigend – eine neue Idee musste her! Ein erster Anhaltspunkt ergab sich, als man das Verhalten von Licht genauer betrachtete. Licht kann man zwar in der klassischen Physik gut als elektromagnetische Welle beschreiben, doch in der Welt der Atome reicht das nicht aus. Wie Albert Einstein im Jahr 1905 herausfand, besteht Licht nämlich aus einem Strom einzelner Lichtteilchen (Photonen), die erst in Summe wie eine elektromagnetische Welle wirken. Im Jahr 1924 drehte der französische Physiker Louis de Broglie den Spieß um und behauptete, dass umgekehrt auch jedes Teilchen Welleneigenschaften besitzt. Das war die entscheidende Idee! Statt kreisender Elektronen muss man sich im Atom also schwingende Elektronenwellen vorstellen. Aber was genau schwingt da eigentlich? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn die Elektronenwelle hat keine direkte physikalische Bedeutung, weshalb man sie auch abstrakt als quantenmechanische Wellenfunktion bezeichnet – Chemiker sprechen hier auch gerne von Orbitalen. Mathematisch ordnet die Wellenfunktion jedem Ort eine komplexe Zahl zu, die man sich als Pfeil in einer zweidimensionalen Ebene vorstellen kann. An jedem Ort besitzt die Wellenfunktion also einen Betrag (die Pfeillänge) und eine Phase

Wert der Wellenfunktion an einem Ort

(den Drehwinkel des Pfeils), die man grafisch oft durch eine passende Farbe aus dem Farbkreis darstellt. Erst das Betragsquadrat der Wellenfunktion lässt sich physikalisch interpretieren und gibt an jedem Ort die Wahrscheinlichkeitsdichte dafür an, das Elektron dort anzutreffen. Die Phase wird dagegen erst dann wichtig, wenn sich Wellenfunktionen überlagern und miteinander interferieren. Die Verknüpfung von Teilchen- und Welleneigenschaften in der Quantenmechanik verlangt also, dass man Teilchenbahnen durch Wahrscheinlichkeitswellen ersetzt und nicht mehr vorhersagen kann, wo sich ein Teilchen konkret aufhält. Das ist schwer verständlich und unbefriedigend, aber niemand hat bisher etwas Besseres gefunden. Richard Feynman hat dazu einmal sehr treffend gesagt: „Niemand versteht die Quantenmechanik.“

R. P. Feynman Feynman-Vorlesungen über Physik: Band III: Quantenmechanik Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2007

7

Die Wellenfunktion im Wasserstoffatom

Rechnerisch funktioniert die Quantenmechanik trotz aller begrifflichen Schwierigkeiten ganz hervorragend. So kann man mit ihr die Elektronenwellen im Wasserstoffatom präzise berechnen – jeder Physik- und Chemiestudent muss da einmal durch! Da die Elektronenwelle im Anziehungsfeld des Atomkerns gefangen ist, bildet sie die Form einer dreidimensionalen stehenden Welle aus, ähnlich den stehenden Luftschwingungen im Inneren eines Musikinstruments. Die einfachste stehende Elektronenwelle ist die kugelsymmetrische Grundschwingung (1 s genannt). Diese Grundschwingung liegt energetisch am tiefsten und entspricht Bohrs innerster Teilchenbahn (n = 1). Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons bei verschiedenen Oberschwingungen

Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons bei der Grundschwingung (1 s) im Wasserstoffatom – links als Dichteverteilung, rechts als Oberfläche konstanter Dichte dargestellt.

Wie bei Luftschwingungen kann die stehende Elektronenwelle auch komplexere Formen annehmen und Oberschwingungen ausbilden, bei denen sich in bestimmten Abständen vom Kern sowie bei bestimmten Längen- und Breitengraden Knotenflächen befinden. Die Oberschwingungen liegen energetisch über der Grundschwingung und entsprechen den höheren Bahnen im Bohrschen Atommodell.

Darstellung der Wellenfunktion 5 f1. Die gezeigten Flächen befinden sich an Orten, an denen die Wellenfunktion einen bestimmten Betrag überschreitet, während die Farben die Phase darstellen. Die Lage der Flächen ist zeitlich konstant, aber die Farbwerte rotieren mit der Zeit.

8

1 Die Basis der Chemie

Das Schalenmodell der Atomhülle Vom Pauli-Prinzip zu den Orbitalen

Das Wasserstoffatom ist in der Quantenmechanik noch vergleichsweise einfach zu berechnen. Bei Atomen mit mehreren Elektronen wird es dagegen kompliziert, da die Elektronen nicht nur das anziehende Feld des Atomkerns spüren, sondern auch untereinander wechselwirken und sich abstoßen. Oft muss man die Wechselwirkung der Elektronen jedoch nicht im Detail berücksichtigen, sondern es genügt, näherungsweise nur ihre abschirmende Wirkung auf das Feld des Atomkerns zu beachten. Man tut also so, als ob die Elektronen nichts voneinander bemerkten, schwächt aber die Anziehungskraft des Atomkerns so ab, wie sich dies aus der berechneten Ladungsverteilung der Elektronen ergibt. Auf diese Weise kann man die Elektronen als unabhängige Teilchen betrachten, die ähnlich wie im Wasserstoffatom verschiedene Schwingungszustände ausbilden. Man könnte nun annehmen, dass sich im energetisch tiefsten Zustand (Grundzustand) des Atoms alle Elektronenwellen einfach in der kugelsymmetrischen Grundschwingung ohne irgendwelche Knotenflächen befinden. Es gibt jedoch ein quantenmechanisches Gesetz, das diese Konfiguration verhindert: das PauliPrinzip. Im Rahmen unseres Atommodells sagt das PauliPrinzip, dass sich höchstens zwei Elektronen im selben Schwingungszustand befinden können, wobei zugleich die sogenannten Spins dieser Elektronen entgegengesetzt orientiert sein müssen.

Wikipedia Atomorbital Wikipedia Knoten (Chemie)

2 p1

2 p−1

+

1s

2s

2 pz

2 px

2 py

Darstellung der einfachsten Orbitale als von Isoflächen umschlossene Körper, in denen sich das Elektron zu 90 % aufhält. Die Phase ist als Farbton dargestellt. Dabei sind die zumeist verwendeten Orbitale 2px und 2py Überlagerungen der Orbitale 2p1 und 2p−1 mit m = ± 1, während 2pz gleich 2p0 ist.

Eine anschauliche Begründung für das Pauli-Prinzip gibt es nicht. Es hat seinen Ursprung tief in der mathematischen Verbindung von Quantenmechanik und Spezieller Relativitätstheorie und muss von uns hier einfach hingenommen werden. Ähnlich ist es beim Begriff des Spins der Elektronen. Man kann sich den Spin zwar behelfsmäßig als Eigendrehimpuls eines rotierenden Teilchens vorstellen, doch damit kommt man nicht allzu weit, denn der Spin ist ein typisches Quantenphänomen. So kann der Spin bezüglich einer beliebig vorgegebenen Raumachse immer nur zwei Werte annehmen: +1/2 oder −1/2 (multipliziert mit ħ = h/(2π), wobei h das Plancksche Wirkungsquantum ist).

9

Das Schalenmodell der Atomhülle

Oft sagt man auch einfach, der Spin sei up oder down und schreibt n oder p. Ein klassisches rotierendes Teilchen kann dieses Verhalten nicht reproduzieren. Die möglichen Schwingungszustände – auch Orbitale genannt – werden im Grundzustand des Atoms von unten nach oben schrittweise mit je zwei Elektronen entgegengesetzten Spins aufgefüllt. Dabei sehen die Orbitale annähernd so aus wie die Elektronenwellen im Wasserstoffatom und können analog durch einen Satz von drei ganzen Zahlen, genannt n, l und m, klassifiziert werden. Die führende Zahl ist die Hauptquantenzahl n = 1, 2, 3 usw. Sie bezeichnet die sogenannte Schale, zu der das Orbital gehört. Die zweite Zahl l (Nebenquantenzahl genannt) hängt mit dem Betrag des Bahndrehimpulses zusammen und bezeichnet die Unterschale. Sie kann n

18

verschiedene Werte von 0 bis n –1 annehmen. Aus historischen Gründen verwendet man statt l = 0, 1, 2, 3, … meist die Buchstaben s, p, d, f etc. Die dritte Zahl m ist die magnetische Quantenzahl. Sie kann 2∙l + 1 Werte von –l bis +l annehmen und repräsentiert die räumliche Orientierung des Bahndrehimpulses. Die beiden Drehimpuls-Quantenzahlen l und m legen zusammen die winkelabhängige Gestalt des Orbitals fest, während die Schalennummer n bei den Knotenflächen in radialer Richtung zum Zuge kommt. Insgesamt passen 2∙n2 Elektronen in die n-te Schale, also 2 in die erste, 8 in die zweite, 18 in die dritte etc. Je größer n und l dabei sind, umso größer ist der mittlere Abstand vom Atomkern, wobei die größten bekannten Atome Werte bis n = 7 und l = 3 (f-Orbitale) aufweisen. Für das chemische Verhalten der Atome ist dabei nur die äußerste Schale relevant.











3dz 2

3dxz

3dyz

3dxy

3dx²-y²

3d

n =3



3pz





3px



3p

3py

3s

Energie

3s

8

n =2



2pz



 2px



2p

2py

2s

2s

2

n =1



1s

Energieniveaus der s-, p- und dOrbitale der ersten drei Schalen

10

1 Die Basis der Chemie

Das Periodensystem Ordnung im Zoo der Elemente

Bereits in der Antike entstand die Idee von wenigen Grundstoffen (Elementen), aus denen sich alle anderen Stoffe zusammensetzen. Von diesen Elementen sollte es vier Feuer verschiedene geben: Erde, Wasser, Feuer und Luft.

russische Chemiker Dmitri Mendelejew unabhängig voneinander das richtige Ordnungsschema, das wir heute als Periodensystem der Elemente kennen. Sie reihten dazu die Elemente im Wesentlichen mit steigendem Atomgewicht hintereinander auf und brachen die Zeilen so um, dass einander ähnliche Elemente untereinander standen. Dabei gab es zunächst noch einige Lücken, die auf unentdeckte Elemente hindeuteten. Als man diese später tatsächlich fand, war klar: Das richtige System war gefunden.

Als in der Neuzeit das Wissen über chemische Vorgänge immer weiter zunahm, stieß man mit dieser einfachen Vorstellung auf Schwierigkeiten: Es gab offenbar sehr viel mehr Stoffe, die nicht in andere Substanzen zerlegt werden konnten. Wasser erwies sich dagegen als zerlegbar, war also gar kein Element.

Hin und wieder musste man bei der Reihenfolge ein wenig schummeln: Beispielsweise ist Tellur (Te) im Mittel etwas schwerer als Iod (I), kommt aber dennoch im Periodensystem direkt davor. Heute wissen wir, woran das liegt: Die korrekte Reihenfolge wird durch die Zahl der Protonen im Atomkern definiert und nicht durch das Atomgewicht, bei dem die Neutronen hinzugerechnet werden müsDmitri Iwanowitsch Mendelejew sen. (1834–1907)

Luft

Wasser

Erde Symbole der vier Elemente. Wer den Film Das fünfte Element aus dem Jahr 1997 mit Bruce Willis und Milla Jovovich gesehen hat, wird sie wiedererkennen.

Lothar Meyer (1830–1895)

Wikipedia Periodensystem

Immer mehr Elemente kamen im Lauf der Jahre hinzu und es fiel auf, dass sich manche Elemente in ihrem chemischen Verhalten ähnelten – ein Hinweis auf ein tiefer liegendes System. Im Jahr 1869 fanden schließlich der deutsche Chemiker Lothar Meyer und der

Bei neutralen Atomen ist die Zahl der Protonen im Kern identisch mit der Zahl der Elektronen in der Atomhülle. Die Struktur des Periodensystems spiegelt deshalb genau das Auffüllen der einzelnen Elektronenschalen (Orbitale) und ihrer Unterschalen wider,

11

Das Periodensystem

1 1

1

2

Lithium

Periode

3

22,990

Na Natrium

19

4

39,098

K Kalium

37

5

4

85,468

Be

Alkalimetalle Erdalkalimetalle Übergangsmetalle Lanthanoide Actinoide

schwarz = Feststoff blau = Flüssigkeit rot = Gas

Serie

Ordnungszahl

Wasserstoff

Name

2

Serie

13 5

10,81

Bor

13

24,305

Gruppe 7 8

Mg 3

Magnesium

20

40,078

21

Ca Calcium

38

87,62

44,956

4 22

Scandium 88,906

Titan

40

91,224

6

5 23

Ti

Sc 39

47,867

50,942

24

Cr

V Vanadium

41

92,906

51,996

Chrom

42

95,95

25

54,938

26

Fe

Mn Mangan

43

[98]

55,845

Eisen

44

101,07

14 6

12,011

B

lila = radioaktiv schwarz = nicht radioaktiv

Beryllium

12

26,982

10

9 58,933

28

58,693

Co

Ni

Cobalt

Nickel

45 102,906 46

106,42

12

11 29

63,546

30

65,38

Cu

Zn

Kupfer

Zink

47 107,868 48

112,41

Aluminium

31

69,723

15 7

14,007

Kohlenstoff

14

28,085

Silicium 72,630

30,974

16

32,06

74,922

18,988

F Fluor

17

34

78,971

Ga

Ge

As

Se

Gallium

Germanium

Arsen

Selen

49 114,818 50 118,710 51 121,760 52

127,60

35,45

Helium

10

Chlor

35

79,904

20,180

Ne Neon

18

Cl

S

Phosphor Schwefel

33

9

O

P

Si 32

15,999

Stickstoff Sauerstoff

15

17

16 8

N

C

Al 27

4,003

He

Metalle Halbmetalle Nichtmetalle Halogene Edelgase

39,948

Ar Argon

36

83,798

Br

Kr

Brom

Krypton

53 126,904 54 131,293

Rb

Sr

Y

Zr

Nb

Mo

Tc

Ru

Rh

Pd

Ag

Cd

In

Sn

Sb

Te

I

Xe

Rubidium

Strontium

Yttrium

Zirconium

Niob

Molybdän

Technetium

Ruthenium

Rhodium

Palladium

Silber

Cadmium

Indium

Zinn

Antimon

Tellur

Iod

Xenon

55 132,905 56 137,327 57-71

6

Cs Cäsium

87

7

Symbol

1,008

H

Symbol

9,012

Li 11

1

2

Wasserstoff 6,94

relative Atommasse

Ordnungszahl

H 3

18

Legende

1,008

[223]

Barium

88

[226]

72

178,49

Hf

Ba Lanthanoide

89-103

Hafnium

104

[267]

73 180,948 74

Ta Tantal

105

[268]

Fr

Ra

Rf

Francium

Radium

Actinoide Rutherfordium Dubnium

Db

183,84

W Wolfram

106

[269]

75 186,207 76

Re Rhenium

107

[270]

190,23

Os Osmium

108

[269]

77 192,217 78 195,084 79 196,967 80 200,592 81

Ir

Pt Platin

Iridium

109

[278]

Sg

Bh

Hs

Mt

Seaborgium

Bohrium

Hassium

Meitnerium

110

[281]

Ds

Au Gold

111

[280]

Rg

Hg

204,38

Tl

Quecksilber

Thallium

112

113

[285]

Cn

[286]

Uut

Darmstadtium Röntgenium Copernicium Ununtrium

207,2

82

Pb Blei

114

[289]

Fl Flerovium

83 208,980 84

Bi Bismut

115

[289]

Uup

[209]

Po Polonium

116

[293]

Lv

Ununpentium Livermorium

85

[210]

At Astat

117

[294]

Uus

86

[222]

Rn Radon

118

[294]

Uuo

Ununseptium Ununoctium

Das Periodensystem der Elemente. Die Zahl links oben vom Elementkürzel ist die Ordnungszahl, die die Anzahl der Protonen im Atomkern angibt. Die Lanthanoide und Actinoide wurden hier aus Platzgründen weggelassen – eine vollständige Version des Periodensystems befindet sich am Ende des Buchs auf Seite 308.

wobei manche Unterschalen (d- und f-Orbitale) erst verzögert aufgefüllt werden, da sie energetisch höher liegen – das erklärt die eingeschobenen Übergangsmetalle sowie die Lanthanoide und Actinoide. Bei den Edelgasen ist dann die jeweilige Schale (genauer ihre s- und p-Orbitale) voll und mit dem Zeilenumbruch beginnt das Auffüllen der nächsten Schale. Die chemische Ähnlichkeit bei den Elementen in einer Spalte entsteht also dadurch, dass ihre äußerste Schale dieselbe Anzahl an Elektronen aufweist. Am Periodensystem kann man gut das chemische Verhalten der Elemente ablesen, denn diese sind bestrebt, eine abgeschlossene äußere Schale zu erreichen, so wie sie die Edelgase in der Spalte ganz rechts besitzen.

Daher geben die Elemente links gerne Elektronen ab – deshalb sind sie Metalle – und die Elemente rechts nehmen gern Elektronen auf (außer den Edelgasen, deren äußere Schale ja schon voll ist). Die leichteren Elemente in der Mitte teilen sich dagegen bevorzugt Elektronen mit anderen Atomen. Außerdem nimmt die Tendenz, Elektronen abzugeben, nach unten hin zu, denn die Atomhüllen werden dort immer größer und die Außenelektronen sind nur noch locker gebunden. Metalle findet man also links und unten, Nichtmetalle rechts oben und die chemisch trägen Edelgase in der Spalte ganz rechts. Dabei sind die Metalle klar in der Überzahl.

Royal Society of Chemistry Periodic Table http://www.rsc.org/periodic-table – interaktives Periodensystem mit Informationen zu jedem Element, englisch

12

1 Die Basis der Chemie

Die Stabilität der Atomkerne Eine Gratwanderung

Würde man willkürlich einen beliebigen Atomkern aus Protonen und Neutronen zusammenbauen, so wäre er sehr wahrscheinlich nicht stabil. Kerne können sich nämlich häufig über radioaktive Zerfälle in andere Kerne umwandeln, sodass am Schluss ein Kern mit möglichst großer Bindungsenergie übrig bleibt.

mittlere Bindungsenergie pro Nukleon in MeV

Bei der Bindungsenergie kommt es zu einem Tauziehen zwischen zwei Kräften: der anziehenden starken Kernkraft und der elektrischen Abstoßungskraft. Die starke Kernkraft ist dafür verantwortlich, dass sich Nukleonen – also Protonen und Neutronen – überhaupt zu Atomkernen zusammenfinden. Die Reichweite dieser Kraft ist allerdings sehr gering, denn sie wirkt nur zwischen unmittelbar benachbarten Nukleonen.

O16 C12

Fe56

He4 Li7 Li6

H3 He3 H2 H1 Anzahl der Nukleonen im Atomkern

Kernbindungsenergien in MeV pro Nukleon für die häufigsten Atomkerne

U235 U238

Atomkern aus Neutronen (schwarz) und Protonen (rot)

Man kann sich Atomkerne daher vereinfacht wie Wassertropfen vorstellen, denn die Anziehungskraft zwischen Wassermolekülen besitzt ebenfalls nur eine kurze Reichweite. Entsprechend haben Atomkerne in diesem sogenannten Tröpfchenmodell eine „Oberflächenspannung“, weshalb sich kleine Kerne gerne wie Wassertropfen zu größeren Kernen vereinen. Das ist der Grund dafür, warum bei der Fusion kleiner Atomkerne viel Energie frei wird, sofern deren elektrische Abstoßung durch hohe Temperaturen überwunden werden kann. Der Gegenspieler der starken Kernkraft ist die elektrische Abstoßungskraft zwischen den positiv geladenen Protonen. Neutronen sind davon nicht betroffen –

Wikipedia Nuklidkarte B. Bahr, J. Resag, K. Riebe Faszinierende Physik: Ein bebilderter Streifzug vom Universum bis in die Welt der Elementarteilchen Springer Spektrum 2013

Die Stabilität der Atomkerne

sie sind elektrisch neutral. Diese elektrische Abstoßung ist zwar zwischen direkt benachbarten Protonen deutlich schwächer als die starke Kernkraft, wirkt aber über viel größere Abstände hinweg, sodass sich die abstoßende Wirkung aller Protonen im Kern aufsummiert und schließlich insgesamt die starke Kernkraft übertreffen kann. Oberhalb von Blei mit seinen 82 Protonen existieren daher überhaupt keine stabilen Atomkerne mehr.

13

lassen, relativ hohe Bindungsenergien aufweisen. Diese Faustregel hat allerdings auch ihre Ausnahmen, wie das sehr instabile Beryllium-8 beweist. Ungewöhnlich sind auch zwei Stabilitätslücken mitten auf dem Grat der stabilen Elemente, denn alle Isotope der Elemente Technetium (43 Protonen) und Promethium (61 Protonen) sind instabil. Atomkerne sind letztlich eben doch komplexe quantenmechanische Vielteilchensysteme, die uns immer wieder überraschen können.

Es gibt ein Optimum im Wechselspiel beider Kräfte, das ungefähr bei den Elementen Eisen und Nickel liegt. Diese Kerne haben die größten Bindungsenergien pro Nukleon – die Fusion zu schwereren Atomkernen als Eisen bringt also keinen Energiegewinn mehr. Müssten dann aber nicht reine Neutronenkerne ganz ohne Protonen am stabilsten sein? Dazu müssen wir wissen, dass sich ein Neutron über den sogenannten Betazerfall in ein Proton umwandeln kann, wobei Energie sowie ein Elektron und ein Anti-Neutrino freigesetzt werden. In einem reinen Neutronen-Kern würden sich also unter Energiefreisetzung so lange Neutronen in Protonen umwandeln, bis die wachsende elektrische Feldenergie zwischen den Protonen jeden weiteren Energiegewinn aufzehrt. Auch hier gibt es also ein Optimum, das bei kleinen Kernen zu einem ausgeglichenen Protonen-Neutronen-Verhältnis führt, während größere Kerne etwas mehr Neutronen bevorzugen. Es gibt noch eine Reihe weiterer Effekte, die die Bindungsenergie beeinflussen. Sie führen beispielsweise dazu, dass Helium-4-Kerne und viele Kerne, die sich aus Helium-4-Kernen zusammensetzen

Halbwertszeiten der bekannten Atomkerne mit Z Protonen und N Neutronen. Nur auf dem schmalen schwarzen Grat in der Mitte sind die Kerne stabil.

14

1 Die Basis der Chemie

Radioaktive Zerfälle

Atomkerne suchen das Gleichgewicht Um ihre Bindungsenergie zu maximieren, versuchen Atomkerne, ein ausgewogenes Verhältnis von Protonen zu Neutronen und eine mittlere Gesamtanzahl an Nukleonen (Protonen plus Neutronen) zu erreichen. Dafür stehen ihnen neben der Kernfusion im Inneren von Sternen verschiedene Wege offen, die wir als radioaktive Zerfälle kennen. Sehr schwere Atomkerne möchten gerne Nukleonen loswerden, da die Bindungsenergie der verbleibenden Nukleonen im Kern dann anwächst. Sie könnten dafür einzelne Protonen oder Neutronen abstoßen, doch das erweist sich als energetisch ungünstig und gelingt nur solchen Kernen, die einen extremen Überschuss an Protonen oder Neutronen aufweisen. Viel günstiger ist es, gleich ein ganzes Päckchen von Nukleonen abzustoßen, das selbst eine möglichst große Bindungsenergie aufweist. Ein solches Päckchen ist der Helium-4-Kern, der auch als Alphateilchen bezeichnet wird und aus zwei Protonen und zwei Neutronen besteht. Der zugehörige radioaktive Zerfallsprozess heißt entsprechend Alphazerfall. Ist das Päckchen größer, spricht man von Kernspaltung (Fission).

Der zweite wichtige Zerfallsprozess ist der Betazerfall. Mit seiner Hilfe kann der Kern Neutronen in Protonen oder umgekehrt umwandeln und so ein günstigeres Proton-zu-Neutron-Verhältnis erreichen. Den Prototyp des Beta-Minus-Zerfalls findet man bei freien Neutronen: Mit einer Halbwertszeit von rund zehn Minuten zerfällt ein freies Neutron unter Energiefreisetzung in ein Proton, ein Elektron und ein sogenanntes Elektron-Antineutrino. Dabei ist es keineswegs so, dass das Elektron oder das Antineutrino vorher bereits im Inneren des Neutrons vorhanden war – sie werden vielmehr neu geboren! Dieser Prozess ist energetisch nur deshalb möglich, weil das Neutron etwa 0,14 % mehr wiegt als das Proton – das entspricht 2,5 Elektronenmassen. Beim Zerfall in Proton, Elektron und das nahezu masselose Antineutrino bleiben also rund 1,5 Elektronenmassen übrig, die sich nach Einsteins Formel E = m∙c2 in Energie umwandeln können. Masse ist nämlich nichts anderes als eingesperrte Energie: Jede Energiefreisetzung ist immer mit einem Massenverlust verknüpft, und β–

α p

α Alphazerfall

γ

e n Beta-Minus-Zerfall

νe Gammazerfall

B. Bahr, J. Resag, K. Riebe Faszinierende Physik: Ein bebilderter Streifzug vom Universum bis in die Welt der Elementarteilchen Springer Spektrum 2013

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Radioaktive Zerfälle

Proton

u

d

νe

u

e

W–

u

d

d

Neutron Beim Neutronenzerfall wandelt sich im Inneren des Neutrons ein down-Quark in ein up-Quark um, wobei ein kurzlebiges W−-Boson ausgesendet wird. Dieses zerfällt sofort wieder in ein Elektron und ein Elektron-Antineutrino. Die Zeit läuft in diesem sogenannten Feynmandiagramm nach oben, wobei man bei Antiteilchen den Pfeil gegen die Zeitrichtung zeichnet.

jede Energieaufnahme mit einem Massenzuwachs. Bei der Bildung eines Helium-4-Kerns werden beispielsweise 0,8 % der Gesamtmasse als Energie freigesetzt, was man auch als Massendefekt bezeichnet. Das Gesetz gilt aber nicht nur in der Kernphysik, sondern auch in der Chemie – es fällt dort nur nicht auf, da die Energien bei chemischen Reaktionen millionenfach geringer sind als bei Kernprozessen. Auch im Inneren von Atomkernen können sich Neutronen über den Betazerfall in Protonen umwandeln, wobei das neu geborene Elektron und das Antineutrino mit hoher Energie das Weite suchen. Neutronen kön-

nen im Kern aber auch stabil sein, wenn in der GesamtEnergiebilanz der beteiligten Kerne ihre Umwandlung in Protonen Energie kosten würde. Anders als freie Neutronen sind freie Protonen stabil, denn sie sind ja etwas leichter als Neutronen, sodass ihre Umwandlung in Neutronen Energie kosten würde. Als Kernbausteine können sie aber instabil werden, wenn dadurch insgesamt Energie frei wird. Sie zerfallen dann im sogenannten Beta-Plus-Zerfall in ein Neutron, ein wegfliegendes Positron (das Antiteilchen des Elektrons) und ein Elektron-Neutrino und verwandeln so im Kern ein Proton in ein Neutron. Neben Alpha- und Betazerfall ist – meist als deren Begleiterscheinung – der Gammazerfall recht häufig. Er tritt auf, wenn bei Kernprozessen ein angeregter Atomkern entsteht, der seine überschüssige Energie in Form eines hochenergetischen Photons abstrahlt, das man auch als Gammaquant bezeichnet. Radioaktive Zerfallsarten der einzelnen Atomkerne (Nuklide)

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1 Die Basis der Chemie

Chemische Reaktionsgleichungen Die Sprache der Chemie

Wer die Chemie verstehen will, muss die Sprache lesen können, in der sie geschrieben ist – die sogenannten Reaktionsgleichungen. Mit ihnen notiert man Aussagen über das grundlegende Verhalten aller Elemente: Zu welchen Molekülen sie sich vereinen und was mit Atomen und Molekülen passiert, wenn sie aufeinander treffen. Und diese Aussagen haben eine ganz charakteristische Form, zum Beispiel: Wenn Natrium und Chlor unter den richtigen Bedingungen miteinander reagieren, dann entsteht Kochsalz. Als Reaktionsgleichung: 2 Na + Cl2 o 2 NaCl Diese Schreibweise bedeutet exakt das Gleiche wie der vorherige Satz, ist aber deutlich kürzer und übersichtlicher – und enthält zusätzliche Informationen. Man muss nur ein paar Grundregeln kennen. So hat jede Atomsorte ihre charakteristische Abkürzung: Na

für Natrium und Cl für Chlor. Wenn mehrere Elementkürzel direkt aneinander gehängt sind, bilden sie eine Verbindung. In einer Verbindung halten chemische Bindungen die Atome zusammen, sodass sie in genau festgelegten Mengenverhältnissen auftreten. Im Natriumchlorid zum Beispiel, einem Kristall, kommt auf jedes Natriumatom genau ein Chloratom. Aus der Gleichung erkennt man auch schon, dass das Element Chlor nicht in Form von einzelnen Atomen auftritt, sondern immer paarweise: Die tiefgestellte Zahl zeigt an, wie viele Chloratome in der kleinsten Einheit des Elements auftreten, dem Chlormolekül Cl2. Schließlich fehlt noch der letzte Schritt. Reaktionsgleichungen heißen nicht umsonst Gleichungen: Die Anzahlen aller Atome müssen auf beiden Seiten gleich sein. Das erreicht man durch die Zahlen vor den Elementen und Verbindungen. Kochsalzkristalle (NaCl)

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Chemische Reaktionsgleichungen

Diese Zahlen ermittelt man hier, indem man ein Gleichungssystem mit drei Unbekannten aufstellt und löst: x Na + y Cl2 o z NaCl x=z 2y = z x = 2y Per Konvention verwendet man die Lösung mit den kleinsten Zahlen. Je mehr Atomsorten hinzukommen, desto komplizierter wird es natürlich, und genauso, wenn man mehr zusätzliche Informationen unterbringen möchte. Zum Beispiel darüber, was genau bei dieser Reaktion passiert. Wenn man genauer hinschaut, verbinden sich die Atome nicht nur, sie tauschen vor allem Elektronen aus und verändern dadurch ihre Ladung. Das bezeichnet man als Redoxreaktion: 2 Na + Cl2 o 2 Na+ + 2Cl− Dass dabei Elektronen ihre Besitzer wechseln, kann man auch in zwei Teilgleichungen ausdrücken, in denen die Elektronen explizit auftauchen:

Natrium

Chlor

2 Na o 2 Na+ + 2 e− Cl2 + 2 e− o 2 Cl− Fügt man diese beiden Gleichungen zusammen, kürzen sich die Elektronen wieder heraus. Die Prinzipien hinter den Reaktionsgleichungen gelten sowohl für die einfachsten als auch viel kompliziertere Reaktionen. Letztendlich steht hinter einer solchen Reaktionsgleichung immer eine Aussage, die man sonst ungleich länger erklären müsste. Woher aber weiß man all das? Dass Chlor zweiatomige Moleküle bildet oder sich mit Natrium genau im Verhältnis 1:1 verbindet, und dabei exakt ein Elektron aufnimmt? Manches davon kann man aus dem Periodensystem entnehmen – zumindest in diesem Fall. Aber oft muss man noch weitere Informationen über die jeweiligen Elemente und ihre Verbindung haben, beispielsweise aus chemischen Experimenten. Will man selbst derartige Reaktionsgleichungen aufstellen, muss man dafür eine ganze Menge über das Verhalten der beteiligten Elemente und Moleküle wissen. Umgekehrt aber kann man all das aus den Reaktionsgleichungen herauslesen – wenn man ihre Sprache kennt.

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1 Die Basis der Chemie

Die chemische Bindung In den Elektronen steckt die Kraft

Element bleibt Element – bei chemischen Reaktionen bleiben die Atomkerne unverändert und garantieren so die Identität der Atome. Die Alchemisten des Mittelalters () wussten das noch nicht und versuchten daher beispielsweise, unedle Metalle in Gold und Silber zu verwandeln – ein vergebliches Unterfangen. Erst kernphysikalische Prozesse, wie sie bei radioaktiven Zerfällen oder bei der Kernfusion im Inneren von Sternen ablaufen, können Atomkerne und damit Elemente verändern. Die nahezu unendliche Fähigkeit der chemischen Elemente, sich untereinander zu kombinieren, beruht dagegen auf der Unstetigkeit der leichten Elektronen. Diese verfallen nämlich in hektische Aktivität, sobald sich zwei Atome treffen, und erschaffen so die chemische Bindung – Grundbedingung für die Entstehung von Molekülen, Mineralen und Menschen. Die Fähigkeit der Atome, eigene Elektronen an sich zu binden und fremde Elektronen ihrem angeH F stammten Ort zu entreißen, bezeichnet man als δ+ δ− Elektronegativität. Sie hängt in komplexer WeiVerschiebung der Elektronendichte se von der Ladung des Im Fluorwasserstoff teilen sich das Fluor- und das Wasserstoffatom ein Elektronenpaar (kovalente Bindung). Die Einzelatome haben aber unterschiedliche Elektronegativitäten, wodurch partiell positive und negative Ladungsbereiche entstehen (Polarität).

Alchemie: siehe Der Stein der Weisen  S. 234

Im Methanmolekül (CH4) ist jedes Wasserstoffatom über ein Elektronenpaar (kovalente Bindung, schematisch als Stab dargestellt) mit dem zentralen Kohlenstoffatom verbunden.

Atomkerns ab und davon, wie weit die äußersten Elektronen von ihm entfernt sind. Diese äußersten Elektronen bezeichnet man als Bindungselektronen: Was sie tun entscheidet, ob sich Moleküle bilden oder ob sich die Atome in einem Metallgitter oder Salz zusammenfügen. In Molekülen bilden die Atome kovalente Bindungen. Diese Bindungen kommen durch Paare von Elektronen zustande – man spricht daher auch von der Elektronenpaarbindung. Die beiden Elektronen nehmen dabei durch einen quantenmechanischen Effekt einen gemeinsamen Zustand ein: Für sie ist es günstiger, zu zweit zu sein als allein. Deshalb binden Elektronen, die im eigenen Atom keinen Partner finden, so gern an Single-Elektronen anderer Atome – das neue Paar gehört dann beiden Atomen. Damit sich eine solche kovalente Bindung bildet, dürfen die Elektronegativitäten der beteiligten Atome nicht zu weit auseinander liegen – kleinere Unterschiede allerdings stören nicht. Je unterschiedlicher die Elektronegativitäten der Atome sind, umso mehr zieht das stärker elektronegative Element das bindende Elektronenpaar zu sich herüber und erwirbt so einen Überschuss an negativer Ladung, während das Partneratom negative Ladung verliert.

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Die chemische Bindung

Dank dieses Effekts sind Moleküle keineswegs gleichmäßige Ansammlungen von Atomen, sondern besitzen oft mehr oder weniger stark geladene Bereiche. Wassermoleküle sind beispielsweise kleine Dipole, in denen der stark elektronegative Sauerstoff eine negative und die beiden Wasserstoffatome eine positive Teilladung tragen. Daher versuchen Wassermoleküle, sich untereinander so auszurichten, dass die Wasserstoffatome möglichst nahe an den Sauerstoffatomen der Nachbarmoleküle liegen und mit diesen schwache sogenannte Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden können. Unterscheiden sich die Elektronegativitäten der Atome stark, gibt es beim Tauziehen um die Elektronen klare Gewinner und Verlierer: Das elektronegativere Atom nimmt dem anderen die Bindungselektronen weg. Dadurch ist es negativ geladen und das andere positiv – solche geladenen Atome nennt man Ionen. Und da sich entgegengesetzte Ladungen anziehen, binden diese Ionen sehr fest aneinander, gekoppelt allein durch die Anziehung zwischen Plus und Minus. Diese sogenannte Ionenbindung ist sehr stabil – das ist auch der Grund dafür, dass Salze erst bei sehr hohen Temperaturen schmelzen. Natriumchlorid ist ein Ionengitter aus positiven Natrium- (blau) und negativen Chlorid-Ionen (grün). Die dipolartigen Wassermoleküle können die Ionen umhüllen und aus dem Gitter lösen.

δ− O

H

H

δ+

Zwischen den polaren Wassermolekülen können sich Wasserstoffbrückenbindungen bilden (gestrichelte Linien). Sie sorgen dafür, dass Wasser bei Raumtemperatur flüssig und nicht gasförmig ist.

Die Elektronegativität ist auch dafür verantwortlich, dass sich Metalle wie Metalle verhalten. Metallatome sind nicht gut darin, Elektronen festzuhalten oder sie sich gegenseitig wegzunehmen. Deswegen teilen sich die Atome im Metall zwar ihre Bindungselektronen, die allerdings genießen erhebliche Freiheiten: Sie bewegen sich frei durch den gesamten Metallkörper, während die positiv geladenen Atomreste ein regelmäßiges Gitter bilden. Die Elektronen sind so beweglich, dass sie auch aus dem Gitter herausfließen können: Deswegen leiten Metalle elektrischen Strom. In einem Metall sind positive Atomrümpfe von frei beweglichen Elektronen umgeben.

+

+ −

+

+



+ −

+

+





+





+ −



+

+ −











+

+ −

+

− −



+

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1 Die Basis der Chemie

Das Wasserstoffmolekül Elektronenwellen verbinden Atome

Wasserstoffgas besteht unter Normalbedingungen nicht aus einzelnen Atomen, sondern aus H2-Molekülen, bei denen sich zwei Wasserstoffatome miteinander verbinden. Ähnlich ist es bei vielen anderen Gasen, beispielsweise bei Sauerstoff oder Stickstoff. Aber was ist die treibende Kraft für diese chemische Vereinigung? Modelle wie das Bohrsche Atommodell, in denen sich die Elektronen wie Planeten auf Bahnen bewegen, können diese Frage nicht beantworten. Erst unter Berücksichtigung des quantenmechanischen Wellencharakters der Elektronen, kann das Rätsel gelöst werden:

ψa

ψ Positive Überlagerung der beiden Elektronenwellen

Wenn zwei Wasserstoffatome im Grundzustand einander näherkommen, beginnen ihre kugelförmigen 1 sOrbitale, einander gegenseitig zu beeinflussen und zu überlappen. Was nun geschieht, hängt vom Phasenunterschied der beiden Elektronenwellen ab. Schwingen sie im Takt miteinander, so werden sie sich gegenseitig verstärken und ein gemeinsames Molekülorbital bilden, das keinerlei Knotenflächen aufweist. Dabei entsteht eine hohe Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen zwischen den beiden Atomkernen, sodass die Elektronen mit ihrer negativen Ladung ψ die Kerne zueinander ziehen. Umge-

a

a

Bindendes Molekülorbital im Wasserstoffmolekül

Wikipedia Molekülorbitaltheorie Wikipedia Valenzstrukturtheorie

Negative Überlagerung der beiden ElektronenOrt wellen

ψb

ψa

b

Ort

b

ψb

Antibindendes Molekülorbital

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Das Wasserstoffmolekül

kehrt stoßen sich die positiv geladenen Kerne gegenseitig umso stärker ab, je näher sie zusammenrücken. In einem bestimmten Abstand kompensieren sich diese beiden Kräfte gerade – das ist der Gleichgewichtsabstand, den die beiden Wasserstoffkerne durchschnittlich im Grundzustand des Moleküls einnehmen.

Im Wasserstoffmolekül ist im Grundzustand nur das bindende Orbital mit einem Elektronenpaar besetzt. Bei Molekülen mit mehr Elektronen wie beispielsweise Sauerstoff (O2) können aber auch antibindende Orbitale besetzt sein, denn wie im Atom kann auch im Molekül jedes Orbital nur maximal zwei Elektronen aufnehmen (Pauli-Prinzip). Solange die bindenden Orbitale die Oberhand behalten, Anders sieht die Lage aus, wenn die bleibt das Molekül stabil. Beim Edelgas kugelförmigen Elektronenwellen der Vibration und Rotation des Wasser- Helium wären dagegen sowohl das beiden Wasserstoffatome bei der An- stoffmoleküls bindende als auch das antibindende näherung gegenphasig schwingen. Orbital mit je einem Elektronenpaar Bei ihrer Überlagerung entsteht dann ein Molekülor- besetzt – ihre Wirkungen heben sich gegenseitig auf, bital mit einer Knotenfläche in der Mitte, also eine weshalb Helium keine He2-Moleküle bildet. Oberschwingung der gemeinsamen Elektronenwelle. Dieses Orbital besitzt nur eine geringe Aufenthalts- Nun ist ein Wasserstoffmolekül kein starres Gebilde: wahrscheinlichkeit für die Elektronen zwischen den Die beiden Kerne können um ihre GleichgewichtsKernen und führt daher zu keiner Bindung – es ist ein lage schwingen oder einander umkreisen, wobei das antibindendes Molekülorbital. Elektronenorbital dieser Bewegung unmittelbar folgt, denn die über tausendmal leichteren Elektronen können sich sehr schnell auf veränderte Kernpositionen 6 einstellen. Das Molekül vibriert oder rotiert also als 5 Ganzes. Beschreibt man diese Bewegungen quantenmechanisch, so entsteht eine Vielzahl von Vibrations- und Rotationsenergieniveaus, deren Übergänge sich als Banden aus nahe beieinander liegende Spektrallinien im Infrarot- oder Mikrowellenbereich widerspiegeln.

Energie (eV)

4 3 2 1 0 0

1

2

3

Abstand der Kerne (Ångström)

4

5

Potenzialkurve (blau) für den Abstand der Kerne im Wasserstoffmolekül. Die roten Linien sind die quantenmechanischen Vibrationsenergieniveaus. Die Tiefe des Potenzials von 4,5 eV entspricht ungefähr der Energie, die zum Trennen der beiden Wasserstoffatome notwendig ist (Dissoziationsenergie). Der Gleichgewichtsabstand der Kerne liegt im Minimum der Potenzialkurve bei 0,74 Ångström.

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1 Die Basis der Chemie

Was ist Entropie?

Eine Brücke zwischen Mikro- und Makrowelt Der Begriff der Entropie gilt als schwierig und unanschaulich. Das hat mit der historischen Entstehung dieses Begriffs zu tun, der eng mit der industriellen Revolution und der Erfindung der Dampfmaschine verknüpft ist. Als man den Wirkungsgrad von Dampfmaschinen theoretisch untersuchte, stieß man auf eine geheimnisvolle Zustandsgröße, die man jedem makroskopischen Körper zuordnen kann und die nur von seinen makroskopischen Parametern wie Druck oder Temperatur abhängt. Der deutsche Physiker Rudolf Clausius gab ihr im Jahr 1865 den Namen Entropie und präzisierte sie folgendermaßen: Betrachten wir irgendeinen Körper, der die Temperatur T besitzt, beispielsweise einen großen Topf Wasser bei 300 Kelvin (etwa 27 °C). Diesem Körper führen wir eine kleine Energiemenge – auch Wärmemenge Q genannt – zu, indem wir ihn beispielsweise für einen kurzen Moment auf eine warme Herdplatte stellen, wodurch sich seine Temperatur nur sehr wenig ändert. Als Folge der geringen Wärmezufuhr wächst die Entropie S des Körpers um den Betrag ΔS = Q/T. Grabmal von Ludwig Boltzmann auf dem Wiener Zentralfriedhof. Oben erkennt man Boltzmanns berühmte Formel (mit etwas anderer Bezeichnungsweise), die Max Planck dort eingravieren ließ.

Bei einer zugeführten Wärmemenge von einem Joule und einer Temperatur von 300 Kelvin wäre die Entropiezunahme ΔS also gleich 1/300 Joule pro Kelvin. Clausius konnte mithilfe von allgemeinen Überlegungen zeigen, dass die Rudolf Clausius (1822–1888) so definierte Entropie bei jedem makroskopischen Prozess innerhalb eines abgeschlossenen Systems zunimmt und im Gleichgewicht schließlich ein Maximum erreicht, wobei abgeschlossen bedeutet, dass das System weder Stoffe noch Energie mit seiner Umgebung austauschen kann (Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik). Als abstrakte Bilanzierungsgröße war die Entropie damit sehr nützlich, doch es war vollkommen unklar, was physikalisch eigentlich dahintersteckt. Das änderte sich um das Jahr 1880, als Ludwig Boltzmann die wahre Natur der Entropie erkannte, indem er die atomare Struktur der Materie berücksichtigte: Um beispielsweise den Zustand eines Gases in einem Behälter mikroskopisch genau zu beschreiben, muss man die Position und Geschwindigkeit jedes einzelnen Gasteilchens kennen. Dieser sogenannte Mikrozustand enthält also eine riesige Menge an Information, denn in einem Liter Gas befinden sich bei Normalbedingungen rund 1022 Teilchen.

B. Bahr, J. Resag, K. Riebe Faszinierende Physik: Ein bebilderter Streifzug vom Universum bis in die Welt der Elementarteilchen Springer Spektrum 2013

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Was ist Entropie?

Makroskopisch interessiert uns das jedoch gar nicht – hier genügen einige wenige Parameter wie Druck, Temperatur und Dichte, um den Makrozustand ausreichend zu beschreiben. Diese Parameter hängen nicht von dem genauen Mikrozustand ab, sondern sie sind gemittelte statistische Größen. Es gibt eine riesige Menge an Mikrozuständen, die zum selben Makrozustand gehören, also zur selben Verteilung von Druck, Temperatur und Dichte im Gas führen. Nun fliegen die Gasteilchen aufgrund der Wärmebewegung ständig wild durcheinander, d. h. der Mikrozustand ändert sich ununterbrochen. Dabei werden nach einiger Zeit praktisch nur noch Mikrozustände durchlaufen, bei denen sich die Gasteilchen relativ gleichmäßig im Behälter verteilen, denn die allermeisten Mikrozustände gehören zu dieser Kategorie. Makroskopisch wird sich entsprechend eine ausgeglichene Verteilung von Druck, Temperatur und Dichte herausbilden. Man könnte also die Anzahl Ω der Mikrozustände bestimmen, die sich makroskopisch nicht unterscheiden lassen, um herauszufinden, welcher Makrozustand sich im Lauf der Zeit mit allergrößter Wahrscheinlichkeit von alleine einstellen wird – nämlich der mit dem Makro- und Mikrozustand für Brom in einer Ampulle

Makrozustand: - Druck - Temperatur - Volumen - Stoffmenge

größten Ω. Wie man diese Mikrozustände dabei genau definiert und zählt, ist ein Problem, das erst durch die Quantenmechanik befriedigend gelöst wurde: Sie entsprechen letztlich den Quantenenergiezuständen des Systems. Da die Zahl Ω extrem groß ist, ist es praktischer, den natürlichen Logarithmus ln Ω zu verwenden – dieser bestimmt nämlich bis auf einen Vorfaktor die Anzahl der Dezimalstellen von Ω und damit ihre Größenordnung – und alleine darauf kommt es hier an. Wenn man jetzt noch als Vorfaktor die sogenannte BoltzmannKonstante kB hinzufügt, erhält man eine Größe, die alle Eigenschaften der Entropie von Rudolf Clausius besitzt, wie genauere Analysen zeigen: S = kB ∙ ln Ω Indem Boltzmann diese statistische Brücke zwischen Mikro- und Makrowelt schlug, konnte er endlich klären, was die geheimnisvolle Entropie eigentlich ist: Die Größenordnung (Logarithmus) der Anzahl makroskopisch ununterscheidbarer Mikrozustände eines Systems. Je größer die Entropie also ist, umso weitaus mehr mikroskopische Realisierungsmöglichkeiten besitzt der entsprechende Makrozustand und umso wahrscheinlicher stellt er sich ein.



Mikrozustand

Die Zahl Ω der Mikrozustände, die zu einem bestimmten Makrozustand passen, hat grob geschätzt ungefähr so viele Dezimalstellen wie das makroskopische System Teilchen hat. Bei rund 1022 Teilchen wie in einem Liter Gas bei Normalbedingungen wäre diese Zahl ausgedruckt Lichtjahre lang.



Ω=

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1 Die Basis der Chemie

Die Triebkraft chemischer Reaktionen Entropie und Gibbs-Energie

Was bestimmt eigentlich, ob eine chemische Reaktion überhaupt abläuft? Warum verbinden sich Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser, obwohl doch umgekehrt Wasser auch in diese beiden Elemente zerfallen könnte? Eine erste Vermutung wäre, dass es an der Energie liegt: Vielleicht strebt eine chemische Reaktion immer in die Richtung, in der Energie freigesetzt wird? Bei der obigen Reaktion ist das jedenfalls der Fall – sie ist stark exotherm. Aber es gibt auch endotherme Reaktionen, bei denen Energie verbraucht wird. Wenn man beispielsweise Ammoniumnitrat in Wasser auflöst, so kühlt die Mischung dabei deutlich ab, was man für Kältepackungen ausnutzen kann. Das ist zwar keine chemische Reaktion im eigentlichen Sinn – also keine Umwandlung in neue Stoffe –, aber es zeigt, dass Vorgänge auch dann von selbst ablaufen können, wenn sie Energie verbrauchen. Die Sache ist also komplizierter als gedacht: Die Energie spielt sicher eine Rolle, aber entscheidend ist eine andere Größe: die Entropie ()!

Wasserstoff verbrennt mit Sauerstoff in einer sehr heißen, fast unsichtbaren Flamme zu Wasserdampf. Das Bild zeigt einen Testlauf des Haupttriebwerks eines Space Shuttles im Jahr 1981.

Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass in einem abgeschlossenen System die Entropie im Lauf der Zeit einem Maximum zustrebt und es im thermischen Gleichgewicht schließlich erreicht.

dem Labor) ausgetauscht werden. Hier muss man bei der Entropie auch die Umgebung mit einbeziehen, wobei die Umgebung die Temperatur T und den Druck p vorgibt.

Nun laufen chemische Reaktionen normalerweise nicht in einem abgeschlossenen System ab, denn es kann beispielsweise Wärme mit der Umgebung (etwa

Zum Glück gibt es eine Größe für das betrachtete System, die genau dann minimal wird, wenn die Gesamtentropie von System und Umgebung ihr Maximum

Was ist Entropie?  S. 22 R. Hoffmann: Heute kochen wir Elemente-Suppe! Spektrum der Wissenschaft, April 2014, S.82 ChemWiki Free Energy and the Gibbs Function http://chemwiki.ucdavis.edu/

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Die Triebkraft chemischer Reaktionen

Gibbs-Energie

Bei sehr hoher Temperatur ist dagegen der negativ gerechnete Entropieterm T∙S entscheidend. Die Entropie vergrößert sich, wenn die Zahl der frei beweglichen Teilchen wächst – genau das ist der Fall, wenn durch thermische Dissoziation oberhalb von 1700 °C Wassermoleküle zerfallen und sich aus zwei Wassermolekülen insgesamt drei Gasmoleküle bilden (ein Sauerstoff- und zwei Wasserstoffmoleküle). niedrige Temperatur

Wasser

mittlere Temperatur

hohe Temperatur

Wasserstoff + Sauerstoff

Je höher die Temperatur ist, umso weiter rechts liegt das Minimum der Gibbs-Energie. Bei sehr hoher Temperatur sind im Gleichgewicht also nur wenige Wassermoleküle und viele Wasserstoff- und Sauerstoffmoleküle vorhanden, bei niedriger Temperatur ist es umgekehrt. Bei Zimmertemperatur sind fast nur noch Wassermoleküle vorhanden – das Minimum der Gibbs-Energie liegt dann also sehr weit links.

erreicht. Diese Größe heißt Gibbs-Energie oder auch Freie Enthalpie G und ist folgendermaßen definiert: G = U + p ∙V − T∙S

Der Volumenterm p ∙V wird erst bei hohem Druck wichtig. Das Gasvolumen ist dann bestrebt, sich zu verkleinern, indem die Zahl der Moleküle reduziert wird. Im Haber-Bosch-Verfahren nutzt man diesen Effekt, um durch einen Druck von rund 300 bar Stickstoff () und Wasserstoff dazu zu bewegen, Ammoniak zu bilden, das man zur Herstellung von Dünger () braucht. Aus drei Wasserstoffmolekülen und einem Stickstoffmolekül entstehen dabei zwei Ammoniakmoleküle – die Gesamtzahl der Moleküle halbiert sich also bei dieser Reaktion, wie man auch an der Reaktionsgleichung sieht: N2 + 3 H2 o 2 NH3 .

mit der inneren Energie U des Systems, dem Druck p, dem Systemvolumen V, der Temperatur T in Kelvin und der Entropie S des Systems (ohne Umgebung). Mithilfe dieser Gleichung kann man recht gut verstehen, wann sich Wasser eher bildet und wann es eher zerfällt. Bei niedriger Temperatur spielt der Entropieterm T ∙S keine große Rolle, sodass man G minimieren kann, indem man die innere Energie U der Moleküle verringert. Wassermoleküle haben einen geringeren Energieinhalt als Wasserstoff- und Sauerstoffmoleküle, sodass sich bevorzugt Wasser bilden wird.

Dünger  S. 240 Stickstoff  S. 238

Stickstoffmoleküle (blau) und Wasserstoffmoleküle (hellblau) reagieren unter großem Druck zu Ammoniak. Dabei halbiert sich die Anzahl der Teilchen und damit auch das Volumen.

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1 Die Basis der Chemie

Katalysatoren

Wie man Schwung in eine Reaktion bringt Wenn man zwei Liter Wasserstoffgas mit einem Liter Sauerstoffgas bei Zimmertemperatur und Normaldruck zusammenbringt, sollte sich eigentlich Wasser bilden. Zumindest liegt das chemische Gleichgewicht zwischen Wasserstoff, Sauerstoff und Wasser unter diesen Bedingungen weit auf der Seite des Wassers, d. h. es sollte im Gleichgewicht eigentlich fast ausschließlich Wasser und kaum noch Wasserstoff und Sauerstoff vorhanden sein. Und dennoch passiert nichts. Offenbar will sich das Gleichgewicht nicht einstellen, und die beiden Gase machen keinerlei Anstalten, sich zu Wasser zu verbinden. Woran liegt das? Das Problem besteht darin, dass man die Wasserstoffund Sauerstoffmoleküle zuerst in einzelne Atome aufbrechen muss, bevor diese sich zu Wassermolekülen zusammenschließen können. Und dafür reicht die thermische Energie der Gasmoleküle bei Zimmertemperatur einfach nicht aus! Ab etwa 560 °C ändert sich das. Bei dieser Temperatur, die man auch Zündtemperatur nennt, ist die thermische Energie hinreichend vieler Gasmoleküle groß genug, sodass sie bei Kollisionen zerbrechen und zu Wasser reagieren können. Dabei wird genug Energie frei, sodass eine Kettenreaktion in Gang kommt. Explosionsartig verbindet sich nun praktisch der gesamte Wasserstoff mit Sauerstoff zu Wasser und das chemische Gleichgewicht stellt sich innerhalb kürzester Zeit ein – man spricht hier von der Knallgasreaktion, weil

Explosion des mit Wasserstoff gefüllten Zeppelins LZ 129 Hindenburg am 6.5.1937 in Lakehurst (New Jersey, USA). Vermutlich war im Heck des deutschen Zeppelins ein explosives Wasserstoff-LuftGemisch entstanden, das durch einen elektrischen Funken gezündet wurde.

ein deutlicher Knall zu hören ist, wenn man ein Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisch (also Knallgas) in einem offenen Kolben zündet. Die Energie, die man zum Aufbrechen der Gasmoleküle benötigt, bezeichnet man als Aktivierungsenergie. Man kann sie sich wie eine energetische Schwelle vorstellen, die von den Gasmolekülen erst überwunden werden muss, bevor das energetisch tiefer liegende Tal des Wassers betreten werden kann. Das ist typisch für die meisten chemischen Reaktionen.

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Katalysatoren

H2-Moleküle

H2O-Moleküle O2-Moleküle –

Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff an einer Platinoberfläche zu Wasser

– –

– – –





– –





Platinkatalysator

Es gibt jedoch einen Trick, mit dem sich die Energieschwelle verringern lässt: Katalysatoren! Ein Katalysator, der sich besonders gut für die Reaktion zwischen Gasen eignet, ist Platin. Dieses Edelmetall bindet nämlich die Gasmoleküle an seine Oberfläche und schwächt dabei die Bindungen zwischen den Gasatomen, ohne dass die Gase chemisch mit dem Edelmetall reagieren. Nun genügt schon Zimmertemperatur, um die Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff zu Wasser in Gang zu bringen. Das Platin selbst wird dabei nicht verbraucht – es dient nur als Vermittler und beschleunigt die Reaktion.

Energie

ohne Katalysator

Wasserstoff + Sauerstoff

mit Katalysator







frei bewegliche Elektronen

Dabei wird die Lage des chemischen Gleichgewichts nicht verändert; es stellt sich nur wesentlich schneller ein. Einer der Ersten, der sich dieses Prinzip zunutze machte, war der deutsche Chemiker Johann Wolfgang Döbereiner. Er konstruierte im Jahr 1823 das sogenannte Platinfeuerzeug (auch Döbereiner-Feuerzeug genannt), in dessen Inneren aus Schwefelsäure und Zink Wasserstoffgas erzeugt wird. Über ein Ventil kann der Wasserstoff nach außen entweichen und wird dabei über fein verteiltes Platin geleitet. Dieses zündet die Verbrennung des Wasserstoffs mit dem Sauerstoff der Luft – ganz ohne irgendeinen Zündfunken, sondern allein durch die katalytische Wirkung.

Wasser

Katalysatoren verringern die notwendige Aktivierungsenergie

Wikipedia Platinfeuerzeug

Das Platinfeuerzeug von Johann Wolfgang Döbereiner

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1 Die Basis der Chemie

Säuren und Basen Protonen auf Wanderschaft

Was sauer ist, wissen wir intuitiv, denn unser Geschmackssinn verrät es uns. Unsere Sinneszellen reagieren dabei auf die Anwesenheit von Oxoniumionen (H3O+), die das charakteristische Kennzeichen von Säuren in wässriger Flüssigkeit sind. Sie entstehen, wenn ein Stoff wie beispielsweise Chlorwasserstoffgas (HCl) sich in Wasser löst und dabei Protonen (H+) an Wassermoleküle abgibt. Aus HCl bildet sich so Salzsäure, die beispielsweise unseren Magensaft so sauer macht: HCl + H2O o H3O+ + Cl− Der chemische Gegenspieler der Säuren sind die Basen, die man auch als Laugen oder alkalische Lösungen bezeichnet. Ihr Kennzeichen sind in wässriger Lösung die Hydroxidionen (OH−). Basen schmecken nicht etwa süß, sondern seifig, und sie fühlen sich auf unserer Haut auch seifig-schlüpfrig an. Aber Vorsicht:

stärkere Säuren und Basen sind ätzend und können gefährliche Verletzungen verursachen. Wenn man eine Säure und eine Base im richtigen Mengenverhältnis miteinander mischt, so neutralisieren sie sich gegenseitig: Von den Oxoniumionen springt je ein Proton zu einem Hydroxidion hinüber, sodass harmlose Wassermoleküle entstehen: H3O+ + OH− o 2 H2O Übrig bleiben die negativ geladenen Anionen der Säure und die positiv geladenen Kationen der Base, die zusammen ein Salz bilden. Beim Mischen von Salzsäure (HCl) und Natronlauge (NaOH) entsteht so beispielsweise ganz gewöhnliche Kochsalzlösung (NaCl). Man kann sich bei der Definition der Begriffe Säure und Base auch von der Anwesenheit von Wasser lösen und ganz allgemein bei einem Protonenübergang denjenigen Stoff als Säure bezeichnen, der Protonen abgibt, und den aufnehmenden Stoff entsprechend als Base. So kann beispielweise das Proton eines HCl-Gasmoleküls auch direkt auf ein Ammoniakgasmolekül (NH3) Der türkisfarbene Säuresee im Maly-Semjatschik-Vulkankrater in Kamtschatka enthält Salz- und Schwefelsäure in hoher Konzentration, weil sich darin Chlorwasserstoff und Schwefeloxide aus vulkanischen Gasen lösen.

Wikipedia Säuren, Basen (Chemie), Säure-Base-Konzepte

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Säuren und Basen

überspringen, wobei sich das Salz Ammoniumchlorid (NH4Cl) bildet, das im Bild unten als weißer Nebel erscheint – ganz ohne Wasser. Im Essigsäuremolekül (links) ziehen die beiden roten Sauerstoffatome das Elektron des grünen Was-

Damit ein Molekül zur serstoffatoms weit zu sich herüber, sodass Letzteres als Proton auf ein Wassermolekül überspringt. Säure wird, muss es eines seiner Wasserstoffatome möglichst leicht als Proton Ein anderes Beispiel ist Schwefelsäure (H2SO4), die (H+) abgeben, wobei das zugehörige Elektron zurück- entsteht, wenn man Schwefeltrioxid (SO3) mit Wasser bleibt. Das ist besonders einfach, wenn dieses Elektron reagieren lässt – hier ziehen die vier Sauerstoffatome im Molekül sowieso schon weit vom Wasserstoff weg- die Elektronen deutlich zu sich herüber. Ähnlich ist es gezogen wurde, weil benachbarte Atome im Molekül auch bei organischen Säuren wie Essigsäure. stark elektronegativ (also elektronenliebend) sind. Salzsäure (HCl) mit ihrem elektronegativen Chloratom ist Allgemein ergeben Nichtmetalloxide wie Schwefeltridafür ein typisches Beispiel. oxid (SO3) zusammen mit Wasser tendenziell Säuren (hier Schwefelsäure, H2SO4), während Metalloxide Entstehung von Ammoniumchlorid (Nebel) aus Ammoniak und wie Calciumoxid (CaO) eher Basen ergeben (hier CalChlorwasserstoff ciumhydroxid, Ca(OH)2). Die Moleküle von Schwefelsäure und Calciumhydroxid trennen sich in Wasser nämlich an unterschiedlichen Stellen (grün gestrichelte Linien in der Grafik). Zwar versucht der Sauerstoff in beiden Molekülen, Elektronen an sich zu ziehen (Pfeile), aber Calcium gibt als Metall seine Außenelektronen komplett an die Sauerstoffatome ab, während das Nichtmetall Schwefel eine feste Atombindung zu diesen beibehält. Daher spaltet Schwefelsäure Protonen (H+) ab, Calciumhydroxid dagegen OH−-Ionen.



2+



Ca Schwefelsäure

Säuren  S. 244 Strukturformeln  S. 32

Calciumhydroxid

30

1 Die Basis der Chemie

pH-Wert und Mol Wasser ist nicht nur H2O

Die chemische Formel von Wasser ist H2O – so kennen wir es. Zwei Wasserstoffatome sind an ein Sauerstoffatom gebunden und bilden ein Wassermolekül. Manchmal stoßen jedoch zwei Wassermoleküle so heftig zusammen, dass ein Wasserstoffatom zu einem anderen Wassermolekül herüberspringt und dabei sein Elektron zurücklässt. Es wechselt also ein H+-Ion (ein Proton) sein Heimatmolekül, wobei ein Oxoniumion (H3O+) und ein Hydroxidion (OH−) entstehen. Begegnen sich solche Ionen später, so springt das Proton mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder zurück. Die Reaktion – Autoprotolyse genannt – verläuft also in beide Richtungen: 2 H2O ප H3O+ + OH− Das Gleichgewicht liegt dabei weit auf der linken Seite. In einem normalen Glas reinen Wassers bei 25 °C beträgt die Konzentration der Oxonium- und Hydroxidionen jeweils nur ein Zehnmillionstel Mol pro Liter (also 10−7 mol/l).

Dabei steht die Einheit Mol für eine bestimmte Teilchenanzahl: So wie ein Dutzend Teilchen immer zwölfTeilchen bedeutet, umfasst 1 mol immer ungefähr 6,022∙1023 Teilchen. Diese sehr große, etwas krumme Zahl nennt man auch Avogadro-Konstante. Man hat sie gerade so gewählt, dass 1 mol Kohlenstoff-12-Atome genau 12 g wiegt und somit 1 mol Protonen oder Neutronen ungefähr 1 g wiegt (die leichten Elektronen kann man vernachlässigen). Bei Wassermolekülen erhält man so ein Gewicht von 18 g für 1 mol, sodass ein Liter Wasser (1000 g) 55,6 mol an Wassermolekülen enthält. Die 10−7 mol an H3O+-Ionen in diesem Liter Wasser bedeuten also, dass auf 1,8 Milliarden Wassermoleküle nur ein H3O+-Ion kommt (und analog ein OH−-Ion). Wenn man nun beispielsweise Salzsäure HCl zu Wasser hinzugibt, dann lösen sich von den Säuremolekülen Protonen (H+) ab und bilden mit Wassermolekülen

H

O

H

H H

+

O

5,2

4k

m

600 km3 H

1 mol Sandkörner (Korngröße 0,1 mm)

1 mol = 602 200 000 000 000 000 000 000 Teilchen Übergang eines H+-Ions (Protons) auf ein anderes Wassermolekül. Die roten Kugeln sind die Atomkerne und die grünen Wolken stellen die Aufenthaltsräume (Orbitale) der äußeren Elektronenpaare dar.

Wikipedia pH-Wert

Würde man 1 mol (ca. 6,022∙1023) Sandkörner mit einem Kornvolumen von 0,001 mm3 zu einer Kugel anhäufen, so wäre diese Sandkugel mit einem Durchmesser von gut 10 km etwa so groß wie eine kleine Stadt.

31

pH-Wert und Mol

zusätzliche H3O+-Ionen. Angenommen, die Zahl der H3O+-Ionen wächst dadurch um einen Faktor 100, dann fängt dieser H3O+-Überschuss 100-mal schneller als zuvor die OH−-Ionen weg und bildet mit ihnen Wassermoleküle. Die Zahl der OH−-Ionen sinkt dadurch um den Faktor 100. Analog sieht die Situation aus, wenn man eine Base wie Natriumhydroxid (NaOH) ins Wasser gibt, wodurch sich die Zahl der OH−-Ionen erhöht. Die Zahl der H3O+-Ionen sinkt um denselben Faktor, um den die Zahl der OH−-Ionen steigt. Um anzugeben, wie sauer oder basisch eine wässrige Lösung ist, genügt es, die Konzentration der H3O+-Ionen anzugeben, denn dadurch kennt man automatisch auch die Konzentration der OH−-Ionen. Aus Bequemlichkeit gibt man dabei meist nicht direkt die H3O+-Konzentration in mol/l an, sondern nur die Zahl im Exponenten hinter dem Minuszeichen. Diese Zahl ist der pH-Wert! Wenn also beispielsweise in einer sauren wässrigen Flüssigkeit die H3O+-Konzentration 100-fach erhöht ist und bei 10−5 mol/l liegt, dann ist der pH-Wert gleich 5. Die OH−-Konzentration ist entsprechend 100-fach erniedrigt und beträgt 10−9 mol/l. In neutralem reinem Wasser bei 25 °C ist der pH-Wert gleich 7, entsprechend einer H3O+- und OH−-Konzentration von je 10−7 mol/l. Bei einer basischen Lösung mit 100-fach erhöhter OH−-Konzentration (10−5 mol/l) und entsprechend 100-fach erniedrigter H3O+-Konzentration (10−9 mol/l) wäre der pH-Wert gleich 9. Indikator 0 Thymolblau Methylorange Bromkresolgrün Methylrot Lackmus Bromthymolblau Phenolphthalein Thymolphthalein Alizaringelb R Indigokarmin

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

pH

Base

Abflussreiniger

14 13

Bleichmittel, Ofenreiniger

12

Ammoniaklösung

11 10

Backpulver 9 Meerwasser

8 7

Neutral

Blut

6

Milch, Urin

5

Kaffee

4 3 2

Tomatensaft, Mineralwasser Zitronensaft, Essig

1 0

Batteriesäure, Salzsäure

Säure Beispiele für Stoffe mit verschiedenen pH-Werten

Fazit: Ein pH-Wert kleiner als 7 bedeutet sauer, größer als 7 bedeutet basisch, und genau 7 bedeutet neutral. Bei vielen Farbstoffen hängt die Farbe vom pHWert ab, sodass sie sich gut als Indikatoren eignen.

32

1 Die Basis der Chemie

Strukturformeln

Wie Moleküle dargestellt werden Wer sich mit Chemie beschäftigt, stößt auf eine Vielzahl von verschiedenen Darstellungen der Moleküle. Diese sogenannten Strukturformeln haben zum Ziel, die Anordnung der Atome im Molekül wiederzugeben, wobei verschiedene Aspekte im Vordergrund stehen können. Die Molekülformel, auch Summenformel genannt, gibt zunächst die Art der Elemente und mit tiefgestellten Zahlen die Anzahl der vorhandenen Atome an. Für Glucose ist das beispielsweise C6H12O6. Über die räumliche Struktur des Moleküls sagt diese Formel noch nichts aus. Mit dem Beispiel der Glucose, in der sechs Kohlenstoffatome zu einem Gerüst verknüpft sind, springen wir mitten hinein in die organische Chemie. Betrachten wir zunächst den entsprechenden Kohlenwasserstoff ohne jegliche Sauerstoffatome: das Hexan (C6H14). Wenn es um die Bindungen am Kohlenstoffatom geht, wird alles in der sogenannten Valenzstrichformel ausgeschrieben. Geht es dagegen nur um die Form des Moleküls, darf man auf die Angabe des Kohlenstoffs verzichten und nur die Bindungen zeichnen, sodass Zickzacklinien entstehen. Manchmal werden die Enden dieser Skelettformel auch ausgeschrieben.

Wenn nun Hexan zum Ring geschlossen wird, ist das Cyclohexan (C6H12) räumlich gesehen kein flacher Sechsring. Entweder klappen die Enden hoch und bilden eine Wanne oder sie bilden eine Welle, dann spricht man von der der Sesselkonformation.

Wannenform und Sesselform von Cyclohexan

Bei Hexan mag all dies noch übertrieben ausführlich erscheinen, doch kehren wir zurück zur Glucose. Emil Fischer wollte die räumliche Information für komplexe Verbindungen in eine vereinfachte Schreibweise überführen. So nüchtern seine Überlegung zu sein scheint, war sie dennoch eine großartige Neuerung.

Auf den ersten Blick ist die nach ihm benannte FischerProjektion eine zweidimensionale Darstellung. Rechts vom plattgedrückten Rückgrat stehen alle Gruppen, die in der bisherigen Darstellung aus der Papierebene herausragten, links jene unterhalb. Während bei einem Alkan wie Hexan nur Wasserstoffatome gebunH H H H H H den sind und sich die Kohlenstoffkette recht gut

H H H H H H H C C C C C C H H H H H H H

Noch mehr Informationen zur räumlichen Anordnung vermitteln Keilstrichformeln. Dabei werden Bindungen, die aus der Papierebene herausragen, als Keil dargestellt und Bindungen, die unter die Papierebene zeigen, als gestrichelte Keile.

H H H H H H H

H

Darstellungsweisen von Hexan, C6H14: Valenzstrichformel (links oben), Skelettformel (links unten) und Keilstrichformel (rechts)

33

Strukturformeln

A C

A B

D B

D C A C

D Die Struktur von Glucose im Kugel-Stab-Modell

B CHO H

HO

CHO H

= HO

CH2OH

CH2OH L

CHO H

OH = H CH2OH

CHO OH CH2OH

D

Der Weg zur Fischer-Projektion: links die Keilstrich-Strukturformel, in der Gedankenblase das Molekül ober- und unterhalb der Papierebene und darunter die Fischer-Projektion. Das Beispiel unten zeigt die Fischer-Projektion von Glycerinaldehyd.

um die Einfachbindungen zwischen den Kohlenstoffatomen drehen lässt, gelingt dies schlechter, wenn größere Gruppen an die Kette gebunden sind, wie es bei Zuckern wie Glucose der Fall ist.

H C OH H C OH HO C H

O

H C OH H C H C OH H D-Glucose

in der Fischer-Projektion

Glucose im Kalottenmodell

Die Fischer-Projektion erweist sich besonders dann als sehr nützlich, wenn ein Molekül bei identischer Molekülformel in unterschiedlichen Anordnungen vorkommen kann. Man spricht dann von Isomeren. Fischer war wiederum pragmatisch: Wenn beim Zucker oder Aldehyd die unterste OH-Gruppe rechts steht, ist es eine D-Verbindung (d wie dexter, lateinisch rechts). Steht sie links, ist es eine L-Verbindung.

Die genaue Position der Gruppen ist besonders wichtig, wenn sich zwei Moleküle annähern und in Wechselwirkung miteinander treten. Eine sehr anschauliche Darstellung von Molekülen sind Kugel-Stab-Modelle, die auch die Größe der Atome in der Bindung sowie die Winkel der Bindungen zueinander wiedergeben können. Die Farben () der Atomsorten in diesem Modell wurden weitgehend standardisiert. Mit Computerprogrammen lassen sich Kalottenmodelle berechnen, die darstellen, welchen Raum die Atome einnehmen. Dadurch sieht das Molekül so aus, als wären die Kugeln miteinander verschmolzen. Noch mehr Informationen enthalten Elektronendichteverteilungen, in denen die Elektronendichte auf die Oberfläche des Moleküls farbig projiziert wird, sodass polare Bereiche schnell erkennbar sind. Schwefeldioxid (SO2) als Elektronendichteverteilung (rot steht für viele Elektronen)

Chiralität  S. 140 Wikipedia (englisch) CPK_coloring – enthält eine Liste der für die Atomsorten verwendeten Farben

34

1 Die Basis der Chemie

Die Oktettregel

Nützlich aber nicht unumstößlich Viele Leser werden sich vermutlich – vielleicht aus dem Chemieunterricht – an die sogenannte Oktettregel erinnern. Sie erklärt beispielsweise, warum bei der Bildung von Natriumfluorid NaF die Natriumatome ihr äußerstes Elektron abgeben und die Fluoratome diese dann aufnehmen. Auf diese Weise entstehen nämlich Ionen, also elektrisch geladene Atome, die in ihrer äußeren Schale je acht Elektronen aufweisen – ein Oktett. Damit ist die äußere Schale abgeschlossen, genau wie beim Edelgas Neon, das seinerseits überhaupt keine chemischen Bindungen eingeht, da seine äußere Schale bereits vollständig ist.

Bei sehr kleinen Atomen wie Wasserstoff, Lithium oder Beryllium muss man die Regel etwas abwandeln, denn sie streben wie beim Edelgas Helium eine abgeschlossene erste Schale an, die nur zwei Elektronen aufnehmen kann. Auf diese Weise lassen sich Moleküle wie Wasser (H2O) und Methan (CH4) problemlos erklären.

O H

H

Statt von der Oktettregel könnte man auch von der Edelgasregel sprechen: Atome streben demnach die Elektronenkonfiguration eines Edelgases an. Bei Helium sind das zwei, bei Neon und Argon acht Außenelektronen.

Die Bildung von Natriumfluorid im einfachen Schalenmodell

Bei der Elektronenkonfiguration des Edelgases Krypton wird es dann komplizierter, denn hier kommen auch die sogenannten d-Orbitale der dritten Schale ins Spiel. Die Edelgasregel stößt bei den schwereren Elementen daher an ihre Grenzen, oft sogar schon ab der dritten Periode.

Etwas anders ist die Lage beispielsweise beim Kohlendioxid (CO2). Hier wechseln die Elektronen nicht das Atom, sondern das Kohlenstoffatom teilt sich mit jedem Sauerstoffatom zwei Elektronenpaare, sodass insgesamt jedes Atom wieder acht Außenelektronen aufweist. Besonders einfach lässt sich das mit der Valenzstrichformel darstellen, in der man jedes äußere Elektronenpaar durch einen kleinen O C O Strich kennzeichnet.

Was ist beispielsweise von dem Molekül Schwefelhexafluorid (SF6) zu halten? Das Schwefelatom hat hier eindeutig zu viele Außenelektronen, denn es teilt sich mit jedem Fluoratom ein Elektronenpaar. Das wird aber durch den Vorteil ausgeglichen, den das Fluor durch diese Verbindung hat: Die sehr reaktionsfreudigen Fluoratome wollen unbedingt ihre acht Außenelektronen zusammen bekommen und setzen sich gegenüber den Vorlieben des Schwefels durch.

Natrium

Wikipedia Oktettregel

Fluor

35

Die Oktettregel

Schwefelhexafluorid (SF ) ist  ein farb- und geruchloses, un6

giftiges und unbrennbares Gas, ähnlich wie Stickstoff, nur fünfmal schwerer.

Xenontetrafluorid (XeF4) ist unter Normalbedingungen ein farbloser kristalliner stabiler Feststoff, zersetzt sich aber beim Kontakt mit Wasser.

zwei ungepaarte Einzelelektronen mit parallelem Spin gibt. Diese ungepaarten Elektronen wirken wie kleine Magnete und bewirken, dass flüssiger Sauerstoff paramagnetisch ist, also von den Polen eines starken Magneten angezogen wird, wie man beispielsweise auf YouTube sehen kann (Link siehe Fußzeile ). Hier kommt man nur mit quantenmechanischen Molekülorbitalen weiter, die wir in dieO O sem Buch beim Wasserstoffmolekül () oder beim Benzol () kennenlernen.

 In einem Sauerstoffmolekül überlagern sich die verschiedenen Orbitale der beiden Sauerstoffatome gleich- und gegenphasig zu Molekülorbitalen, ähnlich wie im Wasserstoffmolekül. Diese Orbitale werden von unten nach oben mit den verfügbaren Elektronen aufgefüllt, was die beiden Einzelelektronen erklärt (rote Spinpfeile in der Grafik).

Aus diesem Grund verbindet sich Fluor sogar mit dem schweren Edelgas Xenon, beispielsweise zu XeEnergie nontetrafluorid (XeF4).

  2p

  x

y

Warum das so ist, kann die einfache Valenzstrichformel nicht erklären. Ebenso wenig kann sie plausibel machen, warum es im Sauerstoffmolekül (O2)

Das Wasserstoffmolekül  S. 20 Benzol  S. 36 YouTube Paramagnetism of Oxygen https://www.youtube.com/

2s

π*



Energie

Bei den Stickoxiden NO und NO2 bekommt man ebenfalls Probleme mit der Oktettregel. Da Stickstoff fünf Außenelektronen hat, bleibt bei diesen Verbindungen immer ein Einzelelektron übrig, das man in der Valenzstrichformel durch einen Punkt darstellt. Solche Moleküle bezeichnet man als Radikale – sie sind normalerweise extrem reaktionsfreudig, denn die Einzelelektronen suchen meist intensiv nach einem Partnerelektron. NO und NO2 sind aber sogenannte stabile Radikale, sind also deutlich weniger reaktiv N O als die meisten anderen Radikale.

σp*

z

2p



2s

x

 

π



σp



σs*

  O-Atom

  

O2-Molekül

y

σs O-Atom

z

36

1 Die Basis der Chemie

Benzol

Ein Ring, sie zu binden In Reinform ist Benzol eine farblose, brennbare, aromatisch riechende Flüssigkeit mit einem starken Brechungsindex ähnlich wie Glas. Man findet es in kleinen Mengen beispielsweise in Steinkohleteer, in Erdöl oder auch in Zigarettenrauch. Aber Vorsicht! Benzol ist ziemlich giftig und krebserregend, wie man erst seit einigen Jahrzehnten weiß.

Im Jahr 1865 erkannte der deutsche Chemiker August Kekulé die korrekte Struktur: Im Benzolmolekül bilden die Kohlenstoffatome einen sechseckigen Ring – ähnlich wie im Graphit oder Graphen (), wobei an jeder Ecke ein Wasserstoffatom angefügt ist. Der Legende nach kam Kekulé auf diese Idee durch einen Traum, in dem sich eine Schlange selbst in den Schwanz biss.

Wie sieht das Benzolmolekül nun aus? Die Summenformel lautet C6H6, doch das hilft noch nicht viel weiter, denn es gibt viele mögliche Molekülstrukturen mit dieser Summenformel.

Nun geht Kohlenstoff mit seinen vier Außenelektronen normalerweise auch vier Bindungen zu anderen Atomen ein. Für den Ring werden aber nur drei Bindungen benötigt: zwei zu den benachbarten Kohlenstoffatomen und eine zum Wasserstoffatom. Was also geschieht mit dem vierten Außenelektron? Zunächst nahm man an, dass sich im Ring abwechselnd Einfach- und Doppelbindungen ausbilden würden, doch dann müssten die Doppelbindungen stärker und damit kürzer als die Einfachbindungen sein. Außerdem wären die Doppelbindungen chemisch gut angreifbar – Benzol ist aber ein recht stabiles und chemisch relativ träges Molekül.

Das metastabile Prismanmolekül hat dieselbe Summenformel C6H6 wie Benzol.

Die Lichtbrechung von Benzol (oben) ist deutlich stärker als die von Wasser (unten)

August Kekulé (1829–1896)

H H H

C C

C C

H C C

H

H

H

H

H

C C

C C

C C

H H

H

Verschiedene Darstellungen der Strukturformel von Benzol

Foto unten links mit freundlicher Genehmigung von Robin Müller, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert Wandlungsfähiger Kohlenstoff  S. 106 Graphen  S. 302

37

Benzol

Gleichphasige Überlagerung der p-Orbitale zur Grundschwingung des π-Molekülorbitals

Kekulé vermutete daher, dass die Doppelbindungen ständig ihren Platz mit den Einfachbindungen im Benzolring tauschen, also hin und her oszillieren. Auf diese Weise wären die Doppelbindungen im zeitlichen Mittel über den gesamten Ring verschmiert, was man heute oft durch einen Ring in einem Sechseck darstellt. Seit der Entwicklung der Quantenmechanik in den 1920er-Jahren weiß man, dass an dieser Idee etwas dran ist: Die sechs überzähligen Außenelektronen der Kohlenstoffatome sind tatsächlich über den gesamten Ring verteilt, ganz ähnlich wie im Graphit, wo diese delokalisierten Elektronen für die elektrische Leitfähigkeit verantwortlich sind.

Im Detail kann man sich das folgendermaßen vorstellen: Ursprünglich befindet sich das vierte Außenelektron jedes Kohlenstoffatoms in einem sogenannten p-Orbital, das man sich als hantelförmige Wolke oder Welle senkrecht zur Ringebene veranschaulichen kann, wobei die obere und untere Hantelhälfte gegenphasig schwingen. Im Benzolmolekül verschmelzen die sechs Hanteln oberhalb und unterhalb der Ringebene zu einem einzigen sogenannten π-Molekülorbital. Dabei entstehen eine Grundschwingung und mehrere Oberschwingungen – je nachdem, ob die einzelnen Hanteln im Gleichtakt oder teilweise gegenphasig schwingen. Nach dem Pauli-Prinzip passen in jede dieser Schwingungsformen genau zwei Elektronen, sodass im Benzol die Grundschwingung und die ersten beiden Oberschwingungen besetzt werden. Diese bindenden π-Orbitale verleihen dem Benzolmolekül seine besondere Stabilität, ein Kennzeichen der aromatischen Verbindungen.

Mögliche Schwingungsformen des π-Molekülorbitals im Benzolmolekül, wobei nur die oberen drei Orbitale mit Elektronen besetzt sind. Die beiden Farben veranschaulichen die gegenphasige Schwingung der einzelnen Anteile des Orbitals.

R. Hoffmann Nicht alles muss aromatisch sein Spektrum der Wissenschaft, April 2015, S. 78

38

1 Die Basis der Chemie

Die elektrochemische Spannungsreihe Edle und unedle Metalle

Wenn man ein Blech aus Zink in eine Kupfersulfatlösung eintaucht, geschieht etwas Erstaunliches: Das Zinkblech überzieht sich mit einer Kupferschicht, während Zinkatome desselben Blechs als Ionen in Lösung gehen. Ähnliches geschieht auch mit einem Eisennagel. Taucht man dagegen ein Kupferblech in eine Zinksulfatlösung, so geschieht nichts – oder zumindest fast nichts, denn die wenigen Zinkatome, die sich auf dem Kupferblech abscheiden, sind kaum nachweisbar.

e–

Zinkblech

Offenbar haben Zinkatome ein stärkeres Bestreben als Kupferatome, Elektronen abzugeben und positive Ionen – Kationen genannt – zu bilden. Daher geben die Zinkatome aus dem Zinkblech gerne Elektronen an Kupferionen aus der Kupfersulfatlösung ab, die sich dann als Kupfer auf dem Blech abscheiden. Man sagt auch: Kupfer ist edler als Zink. Das kann man ausnutzen, um eine Batterien zu bauen. Dazu taucht man ein Kupferblech in eine Kupfersulfatlösung und in einem anderen Gefäß ein Zinkblech in eine Zinksulfatlösung, verbindet beide Bleche über einen Draht und Zinkblech in Kupfersulfatlösung

Wikipedia Elektrochemische Spannungsreihe Chemie.de Daniell-Element http://www.chemie.de/lexikon/

e–

Kupferblech

Ionenbrücke

e– Zn2++

e– Zn2++

Cu2+ Cu2+

Zn2++

Cu2+

Zinksulfat

Kupfersulfat

beide Gefäße über eine Ionenbrücke – das ist ein mit einer Salzlösung gefülltes Röhrchen, das den Fluss der Ionen zwischen den beiden Gefäßen ermöglicht. Gehen nun Zinkatome des Zinkblechs als Ionen in Lösung, lassen sie Elektronen im Zinkblech zurück. Diese Elektronen fließen über den Draht zum Kupferblech hinüber und werden dort von Kupferionen aus der Lösung aufgenommen, die sich als Atome am Kupferblech abscheiden. Zum Ladungsausgleich fließen außerdem negative Sulfat-Ionen über die Ionenbrücke hinüber, sodass beide Gefäße elektrisch neutral bleiben. Damit haben wir eine funktionierende Batterie gebaut, denn durch den Draht fließt ein elektrischer Strom, mit dem man beispielsweise eine Glühbirne zum Leuchten bringen kann.

39

Die elektrochemische Spannungsreihe

3

2

1

0

–1

–2

–3 Volt

Fluor Gold Platin Silber Kupfer Wasserstoff

man eine Wasserstoffelektrode anders realisieren muss: Man taucht als Hilfsmittel ein Platinblech in eine Säurelösung, welche die H+-Ionen enthält, und umspült es mit einem Strom aus Wasserstoffgas, das teilweise an der Platinoberfläche adsorbiert wird. Dort können nun die Wasserstoffatome ihre Elektronen abgeben und als Protonen in Lösung gehen und umgekehrt. Steht ein Metall in der Spannungsreihe unterhalb von Wasserstoff, so löst es sich in Säure unter Wasserstoffentwicklung auf, wobei es Elektronen an die H+-Ionen der Säure abgibt. Solche Metalle nennt man auch unedel. Ein Edelmetall wie Gold ist dagegen gegenüber den meisten Säuren recht unempfindlich. Glänzenden Goldnuggets können die Kräfte der Korrosion () normalerweise nichts anhaben – sie glänzen auch nach Jahrtausenden noch so, als wären sie gerade erst entstanden.

Eisen Zink Aluminium Magnesium Natrium Calcium Kalium Lithium Die elektrochemische Spannungsreihe einiger Elemente

Unter Standardbedingungen (Zimmertemperatur und eine Konzentration von einem Mol pro Liter) ergibt sich für Kupfer und Zink eine Spannung von 1,11 V zwischen den beiden Blechen. Auch mit anderen Metallen und allgemein mit allen Stoffen, die Elektronen abgeben und aufnehmen können, lassen sich zumindest im Prinzip solche Batterien aufbauen und deren Spannung messen. Dabei hat es sich eingebürgert, Wasserstoff als Referenz zu verwenden und die Spannungen relativ dazu in einer sogenannten Spannungsreihe anzugeben. Nun kann man aus Wasserstoffgas anders als bei Kupfer oder Zink kein Blech bauen, sodass

Ein wunderschönes Goldnugget aus Brasilien, etwa 2 cm groß

Bild unten (Goldnugget) von Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0 Korrosion  S. 258

Zink löst sich in Salzsäure auf. Dabei entsteht Wasserstoff.

2 Vom Urknall zu den Elementen Wie sind die chemischen Elemente entstanden, die wir heute im Universum vorfinden? Lassen sich ihre sehr unterschiedlichen Häufigkeiten erklären? Heute sind wir in der Lage, diese Fragen naturwissenschaftlich zu beantworten: Alle Atome entstanden aus den Protonen, Neutronen und Elektronen, die sich vor 13,8 Milliarden Jahren aus der Energie des Urknalls materialisierten. Dabei funktionierte das Universum in seinen ersten Lebensminuten wie ein Fusionsofen, in dem sich die vorhandenen Neutronen mit einem Teil der Protonen zu Heliumkernen vereinten. Wasserstoff und Helium sind auch heute noch die bei weitem häufigsten Elemente im Universum. Alle anderen Elemente konnten erst Jahrmillionen später im Kernbrennofen der Sterne entstehen. Unsere Erde und auch wir selbst bestehen zum großen Teil aus der nuklearen Asche längst vergangener Sterngenerationen. Ohne diese ausgebrannten Sterne der Vergangenheit wäre die Chemie eine ziemlich langweilige Angelegenheit. Die Atome der verschiedenen Elemente finden sich heute an vielen Orten im Universum: In Sternen und Planeten ebenso wie in den Gaswolken zwischen den Sternen, in denen sogar komplexe Moleküle entstehen können. Einige von ihnen könnten eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Lebens gespielt haben.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Feil et al., Faszinierende Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57324-2_2

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2 Vom Urknall zu den Elementen

Der Urknall

Startschuss für das Universum Was braucht man eigentlich, um das für uns sichtbare Universum zu erschaffen? Nicht viel! Es genügt ein winziger Raumbereich, deutlich kleiner als ein Proton, und ein sehr starkes Energiefeld, das diesen Raumbereich komplett durchdringt. Außerdem muss dieses Energiefeld einen starken negativen Druck aufweisen – es steht also ähnlich wie eine gespannte Gummihaut unter einer starken inneren Zugspannung. Diese beiden Zutaten reichen aus, um nach den bekannten Gesetzen der Physik unser Universum so entstehen zu lassen, wie wir es heute beobachten! Innerhalb eines winzigen Sekundenbruchteils von nur rund 10−30 Sekunden blähte sich dabei der subatomare Raumbereich exponentiell um mehr als das 1030-Fache auf. Zum Vergleich: Würde man ein Proton um diesen Faktor vergrößern, so wäre es anschließend 0,1 Lichtjahre groß. Diese explosionsartige Ausdehnung des Raums nennt man inflationäre Expansion – das antreibende Energiefeld heißt entsprechend Inflatonfeld. Doch wie schaffte es das Inflatonfeld eigentlich, den Raum derart aufzublähen? Überraschenderweise ist die treibende Kraft die Gravitation! Nach Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie üben nämlich nicht nur Materie und Energie eine anziehende Gravitationskraft aus, sondern auch innere Druckkräfte haben eine Gravitationswirkung. Positiver Druck wie bei ei-

Während der inflationären Expansion verdoppelt sich innerhalb von nur 10−30 Sekunden die Größe des Raums – hier dargestellt durch die Oberfläche einer Kugel – in gleichen Zeitabständen vermutlich hundert Mal oder mehr. Nur ein winziger Teil dieses Raums entwickelt sich später zu dem für uns heute sichtbaren Teil des Universums.

nem Gas ergibt dabei eine anziehende Gravitation, negativer Druck (also innere Zugkräfte) führt dagegen interessanterweise zu abstoßender Gravitation. Dabei werden die Druckkräfte dreifach gerechnet – pro Raumdimension einmal –, sodass beim Inflatonfeld die abstoßende Gravitation überwiegt und den Raum auseinandertreibt. Nun könnte man annehmen, das Inflatonfeld müsse sich bei der starken Raumexpansion ausdünnen und seine Wirkung verlieren, doch das ist nicht der Fall! Um den Raum auszudehnen, muss die abstoßende Gravitation nämlich gegen die inneren Zugkräfte des Inflatonfelds ankämpfen und dieses wie ein Gummi zu-

L. M. Krauss Ein Universum aus Nichts: ... und warum da trotzdem etwas ist Albrecht Knaus Verlag 2013 B. Greene Die verborgene Wirklichkeit: Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Pantheon Verlag 2013

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Der Urknall

1036 1030

42 Mrd. Lichtjahre

beschleunigte Expansion

106 1 10 –6 10 –12 10 –18 10 –24

inflationäre Expansion

Radius in Metern

1012

10 –30 10 –40

Inflatonfeld zerfällt

10 –30

10 – 2 0 10 – 1 0 1 Zeit in Sekunden

380.000 Jahre

n nsio xpa E e nd che hwä c s ab sich

1018

1010

13,7 Mrd. Jahre (heute)

1024

1020

Das für uns heute sichtbare Universum hat gegenwärtig einen Radius von rund 42 Milliarden Lichtjahren. Galaxien jenseits dieses Horizonts sind zu weit von uns entfernt, als dass irgendein Signal von dort uns seit dem Ende der inflationären Expansion jemals hätte erreichen können. Die Grafik zeigt, wie sich der Radius dieses Raumbereichs im Lauf der Zeit aufgrund der Raumexpansion entwickelt hat.

Am Ende der sehr kurzen, aber umso heftigeren inflationären Expansionsphase zerfiel das Inflatonfeld und aus seiner freigesetzten Energie entstand nach Einsteins berühmter Formel E = m c2 ein sehr heißes, extrem dichtes Teilchenplasma, aus dem letztlich die gesamte heute vorhandene Materie einschließlich aller chemischen Elemente hervorging. Ist damit das Rätsel des Urknalls gelöst? Nicht ganz, denn noch weiß niemand, wie der anfängliche winzige Raumbereich mit seinem starken Inflatonfeld entstanden sein könnte. Es gibt dazu zwar viele Ideen, doch letztlich benötigt man in diesem Extrembereich der Physik eine konsistente Theorie der Quantengravitation, die heute noch aussteht. Die genaue Natur des Inflatonfelds ist ebenfalls noch unklar, auch wenn es in den modernen Theorien der Teilchenphysik durchaus einige natürliche Kandidaten für ein solches Feld gibt. Insgesamt ist die Idee der inflationären Expansion aber heute weitgehend akzeptiert, denn mit ihr kann man viele Eigenschaften unseres Universums überzeugend erklären. Zeit

sammen mit dem Raum auseinanderziehen. Dazu ist viel Energie nötig, die dem Inflatonfeld zugute kommt und dieses unvermindert am Leben erhält. Die benötigte Energie stammt dabei aus der abstoßenden Gravitation, die wie ein unerschöpfliches Energie-Kreditkonto wirkt. Man kann also tatsächlich ein Universum aus nahezu Nichts erzeugen, denn die Energie, die in der Materie bzw. dem Inflatonfeld gespeichert ist, wird durch die negative Gravitations- Nach manchen Theorien der Quantengravitation könnte der Raumbereich energie kompensiert – die Gesamtenergie des mit dem Inflatonfeld einfach aus dem Nichts heraus durch eine zufällige Universums ist praktisch null, auch heute noch. Quantenfluktuation entstanden sein.

J. Resag Zeitpfad: Die Geschichte unseres Universums und unseres Planeten Spektrum Akademischer Verlag 2012 B. Bahr, J. Resag, K. Riebe Faszinierende Physik: Ein bebilderter Streifzug vom Universum bis in die Welt der Elementarteilchen Springer Spektrum 2013

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2 Vom Urknall zu den Elementen

Materie im expandierenden Universum Atome, dunkle Materie und dunkle Energie

Unmittelbar nach dem Ende der inflationären Expansion war das Universum ein schnell expandierender Raum, angefüllt mit einem sehr heißen und extrem dichten Plasma, aus dessen brodelnder Energie ständig alle möglichen Teilchen, aber auch ihre entgegengesetzt geladenen Antiteilchen entstanden. Trafen Teilchen mit ihren Antiteilchen zusammen, so vernichteten sie sich sofort gegenseitig wieder und energiereiche Stahlung wurde frei. Während sich der Raum weiter ausdehnte, kühlte das Plasma immer weiter ab und wurde zunehmend dünner. Die instabilen Teilchen zerfielen weiterhin und schließlich reichte die thermische Energie nicht mehr aus, um neue Teilchen und Antiteilchen hervorzubringen. Wäre in diesem Moment genauso viel Materie wie Antimaterie vorhanden gewesen, so hätten diese sich vollständig gegenseitig vernichtet und es gäbe uns heute nicht. Offenbar ist jedoch die Symmetrie zwischen Materie und Antimaterie in der Natur nicht Protonen perfekt, denn es muss einen winzigen MaterieüberNeutronen schuss von rund einem Milliardstel gegeben haben, der damals übrig blieb. Elektronen

Nach einigen Sekunden war die Temperatur auf unter zehn Milliarden Kelvin gesunken und nur noch wenige Teilchensorten waren übrig: Protonen, Neutronen und Elektronen – die Bausteine der Atome – sowie große Mengen masseloser Lichtteilchen, die Photonen, und etwa ebenso viele nahezu masselose Neutrinos. Diese Neutrinos sind wahre Geisterteilchen, die kaum Notiz von der sonstigen Materie nehmen und bis heute nahezu ungestört das Universum durchqueren – auch die Erde und uns selbst. Sehr viele Indizien sprechen dafür, dass damals noch eine weitere Sorte geisterhafter Teilchen entstanden ist. Wie die Neutrinos wechselwirken auch diese Teil-

dunkle Materie Photonen Neutrinos

Teilchen im Universum einige Sekunden nach dem Urknall. Diese Teilchen gibt es auch heute noch.

Falschfarbenbild des Galaxienhaufens Abell 520, in dem mehrere Galaxien miteinander kollidiert sind. Dunkle Materie ist in Blau, gewöhnliche Materie in Rot dargestellt.

S. Weinberg Die ersten drei Minuten Piper 1997 J. Resag Zeitpfad: Die Geschichte unseres Universums und unseres Planeten Spektrum Akademischer Verlag 2012 B. Bahr, J. Resag, K. Riebe Faszinierende Physik: Ein bebilderter Streifzug vom Universum bis in die Welt der Elementarteilchen Springer Spektrum 2013

45

Materie im expandierenden Universum

Entwicklungsstadien im expandierenden Universum

chen kaum direkt mit normaler Materie, doch im Gegensatz zu den Neutrinos besitzen sie vermutlich eine ziemlich große Teilchenmasse. Ihre Gesamtmasse im Universum ist fünfmal größer als die Masse aller Atome. Diese sogenannte dunkle Materie – die besser unsichtbare Materie heißen sollte – bildet das materielle Grundgerüst des Universums und bestimmt mit ihrer Schwerkraft entscheidend die großräumigen Bewegungen der Materie. Ihre Gravitationswirkung verrät sie, doch bisher ist es noch nicht gelungen, ihre Teilchen direkt nachzuweisen. Damit könnte die Liste der Materie im Universum zu Ende sein, doch viele Indizien sprechen dafür, dass noch etwas fehlt. So hat man in den 1990er-Jahren etwas Überaschendes entdeckt: Seit rund fünf Milliarden

Jahren beschleunigt sich die Expansion unseres Universums langsam wieder, nachdem sie zuvor rund acht Milliarden Jahre lang durch die gravitative Anziehung der Materie abgebremst worden war! Es muss also eine Materieform im Universum geben, die gravitativ abstoßend wirkt. So etwas kennen wir bereits von der inflationären Expansion: ein Energiefeld mit negativem Druck (innerer Zugspannung). Dieses Feld, dem man den Namen dunkle Energie gegeben hat, ist allerdings wesentlich schwächer als das Inflatonfeld vom Beginn des Universums. Es durchdringt vermutlich den gesamten Raum und scheint heute mit rund 70 % den Löwenanteil der gesamten Materie- und Energiedichte im Universum zu stellen. Da sich die dunkle Energie anders als die sonstige Materie bei der Raumexpansion nicht ausdünnt, hat sie seit rund fünf Milliarden Jahren die Oberhand gewonnen und treibt das Universum zunehmend auseinander. Noch weiß allerdings niemand, worum es sich bei dieser geheimnisvollen Materieform eigentlich handelt. dunkle Materie dunkle Energie

Materieinhalt im Universum heute nach den 2015 veröffentlichten Daten des Planck-Satelliten

26 %

69 %

5%

Atome

46

2 Vom Urknall zu den Elementen

Die nukleare Heliumsynthese Das frühe Universum als Fusionsreaktor

In der ersten Minute nach dem Urknall glich das Universum mit seinem viele Milliarden Grad heißen Teilchenplasma einem Fusionsreaktor. Ständig vereinigten sich darin Protonen und Neutronen zu DeuteriumKernen, doch diese Kerne waren bei diesen extremen Temperaturen relativ instabil und wurden von den milliardenfach zahlreicheren hochenergetischen Photonen sofort wieder zerstört. Erst gut eine Minute nach dem Urknall war die Temperatur mit rund einer Milliarde Grad so weit gesunken, dass die Deuterium-Kerne überleben konnten. Diese Kerne bildeten nun eine zentrale Brücke zu weiteren Fusionsprozessen, sodass eine lawinenartige Fusionskaskade in Gang kam: Weitere Protonen und Neutronen konnten sich an die Deuterium-Kerne anlagern, Wasserstoff

relativer Massenanteil

1 0,1 0,01

Neutronen

10−5

10−10

Bei einem Verhältnis von einem Neutron auf sieben Protonen liegt nach der Fusion ein Viertel aller Nukleonen als Helium-4-Kern (Kasten) vor, da kaum andere Kerne entstehen.

wobei letztlich große Mengen der sehr stabilen Helium-4-Kerne entstanden, während andere weniger stark gebundene Atomkerne wie Helium-3 oder Tritium nur in geringen Mengen gebildet wurden.

Im Prinzip hätten auch schwerere Atomkerne entstehen können, doch es gibt ein Nadelöhr: Atomkerne mit fünf oder acht Nukleonen (Protonen plus Neutronen) sind extrem instabil und zerfallen sofort nach ihrer Entstehung wieder. Wenn sich also beispielsweise ein Proton oder Helium-4 Neutron an einen Helium-4-Kern anlagert, wird es sofort wieder abgestoßen, noch bevor sich ein weiteres Nukleon anlagern Deuterium kann. Die Fusion zweier Helium-4-Kerne Helium-3 funktioniert ebenfalls nicht: Zum einen Tritium verhindert die starke elektrische Abstoßung der Heliumkerne, dass sie sich bei diesen Beryllium-7 Temperaturen nahe genug für eine Fusion kommen, und zum anderen wäre der neu Lithium-7 gebildete Atomkern aus acht Nukleonen

Lithium-6 1

10

100 Zeit in Sekunden

1000

10000

Entwicklung der Massenanteile der Elemente in den ersten Minuten nach dem Urknall (beide Achsen sind logarithmisch skaliert)

J. Resag Zeitpfad: Die Geschichte unseres Universums und unseres Planeten Spektrum Akademischer Verlag 2012 B. Bahr, J. Resag, K. Riebe Faszinierende Physik: Ein bebilderter Streifzug vom Universum bis in die Welt der Elementarteilchen Springer Spektrum 2013

47

Die nukleare Heliumsynthese

Proton Neutron Photon

7

Be

Protonen

7

1

H

3

He

2

H

4

Li

He

3

H Die wichtigsten Kernreaktionen nach dem Urknall im Überblick

n

Neutronen

extrem instabil und zerfiele sofort wieder. Lediglich Lithium-7 und radioaktives Beryllium-7 entstanden daher in geringem Umfang. Es gibt letztlich nur einen effektiven Weg hin zu schwereren Atomkernen: Drei Helium-4-Kerne müssen nahezu gleichzeitig aufeinandertreffen und einen Kohlenstoff-12-Kern bilden. Dafür sind jedoch sehr hohe Temperaturen und Dichten nötig, die während der Fusionsprozesse im frühen Universum nicht mehr erreicht wurden. Erst im Zentrum von Sternen wurde dieser Prozess einige Hundert Millionen Jahre später möglich. Nur 20 Minuten nach dem Urknall war bereits alles vorbei. Fast alle verfügbaren Neutronen waren in Helium-4-Kernen gelandet, während Lithium, Deuterium oder Helium-3 nur in geringen Mengen entstanden waren. Schwerere Atomkerne gab es noch gar nicht.

Man kann in kosmologischen Modellen ziemlich genau ausrechnen, wie viele Neutronen zur Zeit der Fusion im Plasma vorhanden gewesen sein müssen: Das Verhältnis von Protonen zu Neutronen lag bei 7:1, sodass nach der Fusion 4 von 16 Nukleonen als Helium4-Kern vorlagen, wie die Grafik zeigt. Da Protonen und Neutronen fast gleich schwer sind, entfielen nach der Fusion also 25 % der Masse aller Atomkerne auf die Helium-4-Kerne. Der Rest bestand fast ausschließlich aus den übrig gebliebenen Wasserstoffkernen (Protonen). Spätere Fusionsprozesse im Inneren von Sternen verschoben dieses Verhältnis noch etwas zugunsten von Helium und schwereren Elementen, doch allzu viel änderte sich daran bis heute nicht mehr. Da die Atomkerne fast die gesamte Masse der Atome ausmachen, müsste auch heute noch die atomare Materie im Universum zu knapp 75 Gewichtsprozent aus Wasserstoff und zu gut 25 Gewichtsprozent aus Helium-4 bestehen. Genau das sehen wir im Universum – ein eindrucksvoller Beleg dafür, dass unser Bild vom Urknall zutrifft.

Helium 27 %

Wasserstoff 71 %

Sonstiges 2%

Massenanteile der Elemente im Sonnensystem, wobei über 99 % der Gesamtmasse auf die Sonne entfallen

48

2 Vom Urknall zu den Elementen

Die ersten Atome ... und das älteste Licht der Welt

Als 20 Minuten nach dem Urknall die Fusionsphase mit der Entstehung der Heliumkerne beendet war, geschah viele Tausend Jahre lang nichts Wesentliches mehr. Das Universum expandierte einfach immer weiter – viel schneller als heute – wobei das WasserstoffHelium-Plasma darin zunehmend dünner wurde und weiter abkühlte. In dieser Zeit war das Universum für Licht noch völlig undurchlässig, denn die Photonen des glühenden Plasmas wurden von den elektrisch geladenen Teilchen darin ständig hin- und hergeworfen, ganz ähnlich wie heute im Inneren unserer Sonne. Für die Bildung von Atomen war es noch für lange Zeit viel zu heiß. Wie weit musste das Universum eigentlich abkühlen, bis die Bildung von Atomen einsetzte? Die Energien, die bei Kernreaktionen auftreten, sind millionenfach größer als die Energien, die in der Atomhülle und bei chemischen Reaktionen relevant sind – die Temperatur aus der Fusionsphase von rund einer Milliarde Kelvin musste sich also um das Millionenfache auf wenige Tausend Kelvin verringern. Für das Universum bedeutet das, dass es sich nach der Fusionsphase um das Millionenfache ausdehnen musste, denn Temperatur und Expansionsfaktor verhalten sich umgekehrt proportional zueinander.

Universum erstmals in seiner Geschichte durchsichtig wurde, denn die neutralen Atome lassen die Photonen weitgehend ungehindert passieren. Bis heute durchqueren sie das Universum und bilden damit das älteste Licht der Welt – wir müssten es also überall am Himmel sehen können. Aber warum glüht der Himmel dann nicht in gelblichem Licht? Immerhin sind 3000 Kelvin halb so heiß wie die Sonnenoberfläche. Doch wir haben den Einfluss der kosmischen Expansion vergessen! Während das befreite Licht des glühenden Plasmas den Raum durchquerte, dehnte sich das Universum in den 13,8 Milliarden Jahren bis heute um gut das Tausendfache aus, sodass auch die Wellenlänge des Lichts tausendmal gedehnt wurde und seine Temperatur um das Tausendfache fiel. Aus dem hellgelben Licht des glüBei der Bildung neutraler Atome rund 380 000 Jahre nach dem Urknall verwandelt sich das glühende Plasma in durchsichtiges Gas. geladenes Plasma undurchsichtig

neutrales Gas durchsichtig

Proton

Elektron

Genauere Rechnungen zeigen, dass unterhalb von rund 3000 Kelvin die Elektronen dauerhaft an die Wasserstoff- und Heliumkerne gebunden werden – diese Temperatur erreichte das Universum rund 380 000 Jahre nach dem Urknall. Das war der Moment, in dem das

WMAP-Homepage http://map.gsfc.nasa.gov/ Planck-Homepage http://www.cosmos.esa.int/web/planck

Photon Wasserstoffatom

49

Die ersten Atome

Plasma in dem Moment, als es durchsichtig wurde, wobei sein Licht auf dem weiten Weg zu uns tausendfach gedehnt und abgeschwächt wurde.

Längenverdopplung

λ

Temperaturhalbierung

Energie E E/2 Dehnung der Wellenlänge durch die kosmische Expansion. Die roten Punkte sind die Photonen, deren Wellenlänge und Energie unten dargestellt ist.

henden Plasmas wurde so eine schwache unsichtbare Mikrowellenstrahlung, die einer Temperatur von nur noch 2,7 Kelvin entspricht. Diese Mikrowellenstrahlung ist als kosmische Hintergrundstrahlung bekannt. Sie erreicht uns von jedem Punkt des Himmels und kann mit den entsprechenden Antennen nachgewiesen werden. Wenn wir also unsere Instrumente in den scheinbar leeren Himmel blicken lassen, so sehen wir weit hinter allen Sternen und Galaxien tatsächlich das glühende Wasserstoff-Helium-

Auf den ersten Blick ist die kosmische Hintergrundstrahlung eine sehr gleichmäßige schwache Wärmestrahlung, d. h. der leere Himmel scheint 2λ überall ziemlich genau 2,7 Kelvin warm – oder besser kalt – zu sein. Doch wenn man sehr genau hinschaut, findet man winzige Unregelmäßigkeiten von wenigen tausendstel Prozent, die feinen Dichteschwankungen im damaligen Plasma entsprechen. Diese Schwankungen enthalten jede Menge Informationen über unser Universum, sodass wir heute ziemlich genau wissen, wie alt es ist (13,8 Milliarden Jahre), wie schnell es sich ausdehnt, wie viele und welche Arten von Materie es enthält und dass seine mittlere Krümmung null beträgt. Darstellung der winzigen Temperaturschwankungen in der kosmischen Hintergrundstrahlung, gemessen vom Planck-Weltraumteleskop. Der gesamte Himmel ist in dem Bild auf eine Kugel projiziert worden, wie ein Globus vom Himmel. Die drei Ansichten zeigen die Kugel aus drei verschiedenen Richtungen.

50

2 Vom Urknall zu den Elementen

Erste Sterne und Galaxien entstehen Aufbruch zu den schweren Elementen

Die Materie ist heute im Universum nicht gleichförmig verteilt, sondern sie hat sich unter dem Einfluss der Schwerkraft zu Sonnensystemen, Galaxien und Galaxienhaufen zusammengezogen. Wie moderne Beobachtungen zeigen, ordnen sich die Galaxien auf Skalen von mehreren Hundert Millionen Lichtjahren wie Staubkörner in einem gigantischen wabenartigen Netzwerk an, dessen Filamente und Wände riesige Leerräume (Voids) umschließen und an dessen Knotenpunkten wir Galaxiensuperhaufen aus mehreren Zehntausend Galaxien finden.

Wäre die Materie nach dem Urknall vollkommen gleichmäßig verteilt gewesen, so hätte die Gravitation gar keine Angriffspunkte zur Bildung dieser Strukturen gehabt. Es muss also kleine Dichteschwankungen gegeben haben, die sich im Lauf der Jahrmilliarden unter der Wirkung der Gravitation verstärken konnten. Tatsächlich bestätigen die winzigen Unregelmäßigkeiten in der kosmischen Hintergrundstrahlung (), dass es solche Dichteschwankungen schon 380 000 Jahre nach dem Urknall gab. Sie reichen jedoch nicht aus, um das heutige Netzwerk aus Galaxien zu erklären – ein deut-

Gemessene Verteilung der Galaxien in einem schmalen Ausschnitt des Universums (Daten vom 2dF Galaxy Redshift Survey). Die Milchstraße befindet sich in der Bildmitte. Jeder Punkt ist eine komplette Galaxie.

Kosmische Hintergrundstrahlung: Die ersten Atome  S. 48 The 2dF Galaxy Redshift Survey http://www.2dfgrs.net/

Erste Sterne und Galaxien entstehen

51

auch die Atome der Gravitation folgen und in die Gravitationssenken hineinfallen, die sich durch die zunehmende Zusammenballung der dunklen Materie bereits gebildet hatten.

So könnten die ersten Sterne ausgesehen haben.

licher Hinweis darauf, dass da noch eine andere Gravitationsquelle im Spiel ist. Heute geht man davon aus, dass die massiven Geisterteilchen der dunklen Materie die Erklärung liefern, auch wenn ihr direkter Nachweis noch aussteht. Ihre Gesamtmasse ist fünfmal größer als die Gesamtmasse aller Atome und sie unterliegen als elektrisch neutrale Teilchen nicht dem Strahlungsdruck, mit dem die thermische Strahlung im frühen Universum das Plasma aus Elektronen und Atomkernen ständig auseinandertrieb. Die Gravitation konnte also bei der dunklen Materie schon viel früher die lokalen Dichteschwankungen verstärken, als dies beim heißen Wasserstoff-HeliumPlasma möglich war. Erst als sich neutrale Atome gebildet hatten und der Strahlungsdruck nachließ, konnten Die Galaxie z8_GND_5296 gehört zu den entferntesten bekannten Galaxien (Bild des Hubble-Weltraumteleskops). Wir sehen sie heute so, wie sie rund 700 Millionen Jahre nach dem Urknall aussah. Sie gehört damit zu den ersten Galaxien, die nach dem Urknall entstanden sind.

Nun stand der Bildung von Sternen und Galaxien nichts mehr im Weg. Die Wolken aus Wasserstoff und Helium konnten sich immer weiter verdichten, bis schließlich einzelne Bereiche instabil wurden und unter dem Einfluss der Gravitation zu Sternen kollabierten. Wenige Hundert Millionen Jahre nach dem Urknall zündeten so die ersten Sterne ihr nukleares Fusionsfeuer und machten damit den Weg frei zur Bildung all jener schweren Elemente, aus denen unsere Erde und wir selbst zum größten Teil bestehen.

52

2 Vom Urknall zu den Elementen

Im Fusionsofen der Sterne Wie man schwere Elemente macht

Sterne sind sich selbst regelnde Fusionsreaktoren. Zwei gewaltige Kräfte wirken hier gegeneinander: Die Gravitation, die den Stern zusammenzieht, und die Kernfusion, die im Zentrum des Sterns enorme Energiemengen freisetzt und so einen Gegendruck aufbaut, welcher den Stern stabilisiert. Je stärker die Gravitation einen Stern zusammenzieht, umso mehr wachsen Dichte und Temperatur in seinem Zentrum. Dadurch steigert sich die Kernfusionsrate und die Temperatur steigt weiter an, bis der notwendige Gegendruck geschaffen ist. Im Zentrum der Sonne entstehen so enorme Dichten von 150 Gramm pro Kubikzentimeter und Temperaturen von 15 Millionen Grad. Diese Temperatur ist zwar viel geringer als die eine Milliarde Grad, die bei den Fusionsprozessen in den Minuten nach dem Urknall herrschten, doch sie reicht aus, um bei der hohen Dichte im Sonnenzentrum ganz langsam Wasserstoffkerne zu Heliumkernen zu fusionieren.

Heliumkern

νe e

Die Sonne hat es dabei nicht eilig. Ihr Wasserstoffvorrat reicht für gut zehn Milliarden Jahre – wir haben also momentan ungefähr Halbzeit. Massereichere Sterne wie Beteigeuze und Rigel im Sternbild Orion sind da sehr viel verschwenderischer, denn sie müssen ihre Kernfusionsrate enorm steigern, um der stärkeren Gravitation Einhalt zu gebieten. Solche Sterne leben bis zu tausendmal kürzer als unsere Sonne. Was geschieht nun, wenn der Wasserstoffvorrat im Sternzentrum zur Neige geht? Die Gravitation lässt dann das Zentrum kontrahieren und steigert dadurch so lange Dichte und Temperatur, bis eine neue Energiequelle gefunden ist oder eine andere Kraft die Kontraktion stoppt.

Schema der Wasserstoff-Fusion im Sonnenzentrum

+

Der Eskimonebel ist ein planetarischer Nebel, der Überrest einer Sternhülle, in rund 5000 Lichtjahren Entfernung.

νe e+

Die nächste Energiequelle, die ab etwa 100 Millionen Grad bei einer Zentrumsdichte von einer Tonne pro Kubikzentimeter angezapft werden kann, ist die Fusion von Helium-4 zu Kohlenstoff-12. Dabei müssen drei Heliumkerne fast gleichzeitig mit hoher Energie

B. Bahr, J. Resag, K. Riebe Faszinierende Physik: Ein bebilderter Streifzug vom Universum bis in die Welt der Elementarteilchen Springer Spektrum 2013 Wikipedia Sonne Wikipedia Drei-Alpha-Prozess

53

Im Fusionsofen der Sterne

Heliumkern

Heliumkern

γ

Heliumkern

Berylliumkern

γ

Kohlenstoffkern

Der Drei-Alpha-Prozess. Aus drei Heliumkernen (Alphateilchen) mit je zwei Protonen (grau) und zwei Neutronen (rot) entsteht ein Kohlenstoffkern. Dabei werden energiereiche Photonen (γ) freigesetzt.

zusammenstoßen, da bei der Kollision von zwei Heliumkernen nur ein sehr instabiler Beryllium-8-Kern entsteht, der sofort mit einem dritten Heliumkern versorgt werden muss. Dieser sogenannte Drei-AlphaProzess () ist das Nadelöhr, das bei der Bildung schwerer Atomkerne überwunden werden muss. Erst in stark komprimierten Sternzentren sind Dichte und Temperatur dafür ausreichend. Die Fusion von Helium zu Kohlenstoff liefert pro KohlenstoffKern deutlich weniger Energie als die Fusion von Wasserstoff zu Helium, sodass diese Energiequelle sehr viel schneller erschöpft ist. Etwas Energie kann noch durch die Fusion von Kohlenstoff-12 und Helium-4 zu Sauerstoff-16 gewonnen werden, doch Sterne wie unsere Sonne sind nicht massereich genug, um noch höhere Dichten und Temperaturen in ihrem Inneren aufzubauen, wie sie für das Starten weiterer Fusions-

Drei-Alpha-Prozess: Radioaktive Zerfälle  S. 14

prozesse nötig wären. Während der letzten Brennphasen blähen sich diese Sterne zu Roten Riesen auf und blasen schließlich ihre äußeren Hüllen in den Weltraum, wo sie für einige Tausend Jahre wunderschöne planetarische Nebel bilden, während ihr ausgebranntes hoch verdichtetes Sternzentrum als erdgroßer Weißer Zwerg zurückbleibt. In den Hüllen Roter Riesen gibt es allerdings noch einen anderen Prozess, der schwerere Elemente produzieren kann: den langsamen Neutroneneinfang (s-Prozess). Dabei lagern sich einzelne freie Neutronen an Atomkerne an, die dann schrittweise zu immer schwereren Isotopen heranwachsen oder, wenn der neue Kern instabil ist, durch Betazerfall das jeweils nächsthöhere Element im Periodensystem bilden. Auf diese Weise können sterbende massearne Sterne noch Elemente bis Blei herstellen. Massereicheren Sternen wie Beteigeuze gelingt es, noch weitere Fusionsprozesse zu zünden, bei denen immer schwerere Atomkerne entstehen. Doch spätestens bei Eisen ist mit der Fusion endgültig Schluss, denn ab diesem sehr stabilen Atomkern lässt sich so keine weitere Energie mehr gewinnen. Das Sternbild Orion. Rigel ist der helle blaue Stern unten rechts, Beteigeuze der rötliche Stern oben links. Beides sind Riesensterne mit über zehn Sonnenmassen.

54

2 Vom Urknall zu den Elementen

Supernovae

Explosive Elemententstehung Welche Kraft stabilisiert ein ausgebranntes Sternzentrum gegen die enormen Gravitationskräfte, wenn dem Stern der Fusionsbrennstoff ausgeht? Immerhin sind dort die Gravitationskräfte mehr als hunderttausendmal so stark wie auf der Erdoberfläche. Bei relativ leichten Sternen wie unserer Sonne ist es der sogenannte Entartungsdruck der Elektronen, der am Ende den übrig gebliebenen Weißen Zwerg vor dem Kollaps bewahrt. Dieser starke Gegendruck hat seinen Ursprung im quantenmechanischen Pauli-Prinzip, nach dem Elektronen es vermeiden, allzu dicht zusammenzurücken – dieses Prinzip ist auch für den Schalenaufbau der Atomhüllen verantwortlich.

Bei Sternen, die deutlich massereicher als die Sonne sind, reicht dieser Entartungsdruck jedoch nicht aus. Wenn der letzte Fusionsbrennstoff im hoch verdichteten Eisenzentrum verbraucht ist, gibt es nichts mehr, das dieses vor dem Kollaps bewahren könnte. Innerhalb eines Sekundenbruchteils bricht das Zentrum in sich zusammen, wobei die Elektronen des Plasmas in die Protonen der Atomkerne hineingedrückt werden. Diese wandeln sich dadurch in Neutronen um und senden zugleich einen Blitz aus Neutrinos aus. Aus dem erdgroßen Sternzentrum entsteht ein Neutronenstern, der in einer Kugel von nur rund 20 km Durchmesser mehr als eine komplette Sonnenmasse enthält. Der quantenmechanische Entartungsdruck der Neutronen schafft es dabei bis zu einer Gesamtmasse von rund zwei bis drei Sonnenmassen, den Neutronenstern zu stabilisieren – wird er schwerer, so kollabiert er zu einem Schwarzen Loch. Der restlichen Sternmaterie wird durch den Zentrumskollaps schlagartig der Boden unter den Füßen weggezogen. Sie stürzt ins Zentrum und prallt am Neutronenstern zurück, wodurch sehr heiße Stoßfronten in Richtung Sternoberfläche entstehen. Diese Fronten werden durch den Neutrinoblitz zusätzlich angeheizt – die Sternmaterie ist in der Nähe des Zentrums so dicht, Der Krebsnebel ist der Überrest einer Kollaps-Supernova, in dessen Zentrum noch heute ein Neutronenstern pulsiert. Die orangegelben Bereiche bestehen hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium, blaue Filamente enthalten neutralen Sauerstoff und grüne Bereiche ionisierten Schwefel und zweifach ionisierten Sauerstoff. Auch Spuren von Stickstoff, Eisen und Neon konnten nachgewiesen werden.

B. Bahr, J. Resag, K. Riebe Faszinierende Physik: Ein bebilderter Streifzug vom Universum bis in die Welt der Elementarteilchen Springer Spektrum 2013 Wikipedia (englisch) Nucleosynthesis

55

Supernovae

sternsystem befindet und sein Begleiter sich zu einem Roten Riesen aufbläht. Wenn dabei so viel Materie auf den Weißen Zwerg übertragen wird, dass dieser die kritische Masse von rund 1,4 Sonnenmassen überschreitet, so kann auch der Weiße Zwerg der Gravitation nicht mehr genug Gegendruck bieten und kollabiert. In seinem Inneren werden dabei explosionsartig weitere Fusionsprozesse von Kohlenstoffkernen zu schwereren Elementen in Gang gesetzt, was den Weißen Zwerg letztendlich in einer thermonuklearen Supernova zerreißt.

Künsterlische Darstellung eines Weißen Zwergs, der von einem benachbarten Roten Riesen Material aus dessen Hülle einfängt

dass selbst diese geisterhaften Teilchen darin teilweise „stecken“ bleiben. Erst nach einigen Stunden erreicht die Stoßwelle die Sternoberfläche und katapultiert in einer gewaltigen Kollaps-Supernova-Explosion die Sternhülle ins Weltall, während n der Neutronenstern zurückbleibt. Diese Kollaps-Supernovae gibt es nur bei massereichen Sternen – doch auch die Weißen Zwerge als Überreste massearmer Sterne haben noch eine Chance auf ein spektakuläres Ende, falls sie von einem Begleitstern Materie einfangen können. Dies kann geschehen, wenn sich der Weiße Zwerg in einem Doppel-

In den Stoßfronten der Kollaps- und thermonuklearen Supernovae können durch explosive Kernfusion noch weitere schwere Elemente entstehen. Außerdem sind sehr viele energiereiche Neutronen unterwegs, die vom Zentrum nach außen mitgerissen wurden. In kurzer Zeit können sich viele dieser Neutronen an Atomkerne anlagern und so immer schwerere neutronenreiche Kerne aufbauen. Nach und nach wandelt sich dann ein Teil der eingefangenen Neutronen über den radioaktiven Betazerfall in Protonen um und erzeugt so einen Großteil der Elemente, die schwerer als Eisen sind. Entstehung schwerer Elemente durch schnellen Neutroneneinfang und anschließenden Beta-Zerfall

Atomkern, leichtes Element; starker Beschuss mit Neutronen (n )

γ

β–

radioaktives Zwischenprodukt; Elektronen (β –) und Energie (γ) frei

Atomkern, schweres Element

56

2 Vom Urknall zu den Elementen

Verschmelzung von Neutronensternen Elementschmiede bei kosmischer Kollision

Eines der derzeit interessantesten kosmischen Phänomene ist die Verschmelzung von Neutronensternen – ein Vorgang, der nach den neuesten Erkenntnissen auch wesentlich zur Entstehung schwerer Elemente beiträgt. Zu einer solchen Verschmelzung kann es kommen, wenn die Sterne eines Doppelsternsystems als Supernova () explodieren und dabei ihre ultradichten Kerne als Neutronensterne übrig bleiben. Die Neutronensterne kreisen zunächst weiter umeinander und strahlen dabei nach der Allgemeinen Relativitätstheorie sogenannte Gravitationswellen ab, Verzerrungen der Raumzeit, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Dadurch verlieren die Neutronensterne Energie und kommen sich im Lauf von Millionen oder gar Milliarden von Jahren immer näher und wirbeln immer schneller umeinander, bis sie letztendlich zu einem supermassereichen Neutronenstern oder einem Schwarzen Loch verschmelzen und einen kurzen, heftigen Gammablitz aussenden.

Zwei umeinander kreisende Neutronensterne senden Gravitationswellen aus, hier dargestellt als Wellen in einer zweidimensionalen Raumzeit.

Am 17. August 2017 begann eine neue Ära der Astronomie, als zum ersten Mal der direkte Nachweis einer solchen Neutronensternverschmelzung gelang: Die LIGO-Graviationswellendetektoren registrierten über 100 Sekunden lang Verformungen der Raumzeit, die auf ein solches Ereignis schließen ließen. Fast zur selben Zeit beobachtete das FERMI-Weltraumteleskop einen kurzen Gammastrahlenblitz in der 130 Mio. Lichtjahre entfernten Galaxie NGC 4993 – zum ersten Mal konnten sowohl Gravitationswellen als auch elektromagnetische Signale derselben Quelle beobachtet werden! Während einer solchen kosmischen Kollision wirken gigantische Kräfte, die Teile der Materie aus den Neutronensternen herausreißen, sodass sich um die verKünstlerische Darstellung der Verschmelzung von zwei Neutronensternen. In den umliegenden Trümmerwolken sowie dem ausgestoßenen Jet entstehen schwere Elemente wie Gold und Platin.

Supernovae  S. 54 E. Müller, B. Knispel Erste Beobachtung der Gravitationswellen von verschmelzenden Neutronensternen Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut), Potsdam, https://www.aei.mpg.de/2126607/gw170817 ESO ESO-Teleskope beobachten erstes Licht einer Gravitationswellen-Quelle Europäische Südsternwarte (ESO), http://www.eso. org/public/germany/news/eso1733/, 16.10.2017

57

Verschmelzung von Neutronensternen

schmelzenden Sternüberreste eine Trümmerwolke bildet. In dieser heißen Plasmawolke liegen Neutronen in noch höherer Konzentration vor als in den Stoßfronten von Supernova-Explosionen. Atomkerne werden dort so heftig mit Neutronen bombardiert, dass sich schwere instabile Atomkerne bilden, die sich recht schnell durch Betazerfall () in andere Elemente umwandeln. Aus den mit Neutronen angereicherten instabilen Atomkernen entstehen so die Kerne schwerer Elemente von Eisen über Gold und Platin bis hin zum Uran. Die bei diesen radioaktiven Zerfällen frei werdende Energie wird an die umliegende Materie abgegeben und bringt diese zum Glühen, was als sogenannte „Kilonova“ für einige Tage am Himmel sichtbar wird.

Platin und andere schwere Elemente. Man vermutet, dass bei diesem Ereignis bis zu 200 Erdmassen an Gold produziert wurden! Etwa die Hälfte der Elemente, die schwerer als Eisen sind, könnte bei der Kollision von Neutronensternen entstanden sein.

Damit ist man auf der Suche nach dem Ursprung der Elemente wieder ein Stück weiter gekommen. Neben der Kernfusion, langsamem Neutroneneinfang in den Hüllen Roter Riesen, schnellem Neutroneneinfang in Supernovae und bei Neutronensternverschmelzungen gibt es noch einige weitere Prozesse im Universum, die bei der Elementsynthese eine Rolle spielen. Beispielsweise werden die leichten Elemente wie Lithium, Beryllium und Bor nicht bei der Kernfusion im Sterninneren Auch auf das am 17. August 2017 detektierte Ereignis erzeugt, sondern hauptsächlich bei der Zertrümmefolgte eine solche Kilonova. Dutzende Teleskope aus rung von Atomkernen durch die kosmische Strahlung. aller Welt beobachteten das Nachglühen der Neutro- Geringe Mengen an Lithium entstehen auch bereits nensternverschmelzung in verschiedenen Wellenlän- in den Fusionsprozessen kurz nach dem Urknall. Begenbereichen. Dabei fanden sie in den aufgenommen trachtet man alle Prozesse insgesamt, so ergibt sich Spektren tatsächlich Hinweise auf Neodym, Gold, ein konsistentes Gesamtbild – wir haben heute eine recht genaue Vorstellung 1 2 Urknall Supernovae massereicher Sterne davon, wie die Elemente H He explodierende weiße Zwerge kosmische Strahlung unserer Welt entstanden 3 4 5 6 7 8 9 10 sind, auch wenn die DeLi Be B C N O F Ne Neutronensternverschmelzungen Hüllen Roter Riesen (massearme Sterne) tails noch weiter erforscht 11 12 13 14 15 16 17 18 radioaktive, instabile Isotope Na Mg Al Si P S Cl Ar werden müssen. 19

K 37

Rb 55

Cs 87

Fr

20

Ca 38

Sr 56

Ba 88

Ra

21

22

Sc 39

23

Ti 40

Y 57 – 71 89 – 103

24

V 41

Zr 72

25

Cr 42

43

Nb Mo 73

26

Mn

74

27

Fe 44

Tc 75

28

Co 45

Ru 76

29

Ni 46

Rh 77

30

Cu 47

Pd 78

48

Ag 79

32

31

Zn

Ga 49

Cd

50

In 81

80

33

Ge

34

As 51

Sn 82

35

Se 52

Sb 83

36

Br 53

Te 84

Kr 54

I

Xe

85

86

Hf

Ta

W

Re

Os

Ir

Pt

Au

Hg

Tl

Pb

Bi

Po

At

Rn

57

58

59

60

61

62

63

64

65

66

67

68

69

70

71

La 89

Ac

Ce 90

Th

Pr 91

Pa

Nd Pm Sm Eu 92

U

93

Np

94

95

Gd 96

Pu Am Cm

Tb 97

Bk

Dy 98

Cf

Ho 99

Es

Er 100

Tm 101

Lu

Yb 102

103

Fm Md No

Betazerfall, Radioaktive Zerfälle  S. 14 J. Johnson The Origin of the Elements http://www.astronomy.ohio-state.edu/~jaj/nucleo/

Lr

Herkunft der verschiedenen Elemente des Sonnensystems im Periodensystem nach Jennifer Johnson (Stand Januar 2018). Welche genauen Anteile die verschiedenen Prozesse an der Entstehung der jeweiligen Elemente haben, ist noch Gegenstand aktueller Forschung.

58

2 Vom Urknall zu den Elementen

Die Häufigkeiten chemischer Elemente ... und wie es dazu kommt

Schaut man sich die HäuSauerstoff figkeiten der chemischen Kohlenstoff Elemente im Sonnen0,13 % Neon system an, so ergibt sich 0,11 % Eisen zunächst ein recht einfaches 0,10 % Stickstoff Bild: 70,5 % sind Wasserstoff, 27,5 % sind Helium 0,07 % Silicium und nur 2 % entfallen auf 0,06 % Magnesium alle übrigen Elemente 0,04 % Schwefel zusammen, wobei sich die Prozentangaben auf die Gewichtsanteile beziehen. Betrachtet man die Anzahl der Atome, so entfallen von 1000 Atomen knapp 910 Atome auf Wasserstoff, knapp 89 Atome sind Helium und nur ein Atom ist ein anderes Element (genau gerechnet sind es 1,3 Atome). Jupiter und sein drittgrößter Mond Io, aufgenommen von Voyager 2. Auch unsere Erde erschiene im Vergleich zu Jupiter winzig, denn ihr Durchmesser ist nur rund dreimal größer als der von Io.

Wenn wir uns dagegen unsere Erde ansehen, so gewinnen wir einen ganz anderen Eindruck. Aber die Erde ist nicht reGewichtsanteile der acht häufigsten Elemente in präsentativ für das Sonder Milchstraße nach Wasnensystem und fällt kaum serstoff und Helium. Sie ins Gewicht gegenüber der entsprechen ungefähr den Sonne oder den GasplaHäufigkeiten im Sonnensystem. neten Jupiter und Saturn, die alle hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium bestehen. Wie winzig unsere Erde oder die etwa gleich große Venus im Vergleich zur Sonne sind, kann man gut bei einem Venustransit beobachten, bei dem sich die Venus vor die Sonne schiebt. Obwohl die Venus dabei nur ein Drittel so weit von uns entfernt ist wie die Sonne, sieht sie vor dem Hintergrund der Sonnenscheibe nur wie ein winziges dunkles Scheibchen aus. 1,04 %

0,46 %

Venustransit 2004. Die Venus ist der kleine schwarze Punkt unten rechts vor der Sonnenscheibe.

Wikipedia (englisch) Abundance of the chemical elements

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Die Häufigkeiten chemischer Elemente

Die Ursache für die große Dominanz von Wasserstoff und Helium kennen wir: Wasserstoff ist das Urelement, das bereits im Urknall entstand, während das meiste Helium in den ersten Minuten nach dem Urknall durch Fusionsprozesse gebildet wurde. Alle anderen Elemente sind erst später im Zentrum von Sternen oder während der Supernova-Explosionen entstanden und wurden am Lebensende der Sterne als Sternwind, Planetarischer Nebel oder Supernova-Wolke wieder ins Weltall geblasen, wo sie für die Bildung neuer Sterne zur Verfügung standen. Mehrere Generationen von Sternen waren nötig, um die schweren Elemente zu bilden, die wir heute im Sonnensystem vorfinden. Ältere Sterne aus der ersten Generation enthalten dagegen deutlich geringere Mengen dieser Elemente.

relativer Gewichtsanteil

Betrachtet man die Häufigkeiten der schweren Elemente im Sonnensystem genauer, so erkennt man große Unterschiede. Besonders häufig sind Elemente, die am Ende von stellaren Fusionsprozessen () übrig bleiben. Bei kleineren Sternen sind das Kohlenstoff und Sauerstoff, bei größeren Sternen dagegen beispielsweise Neon, Magnesium, Silicium und am Ende schließlich Eisen. Insgesamt erkennt man ein typisches Zick1010 zackmuster: Elemente 108 106

Kugelsternhaufen wie hier M80 bestehen vorwiegend aus alten Zwergsternen, die viel weniger schwere Elemente enthalten als unsere relativ junge Sonne.

mit gerader Protonenzahl sind meist häufiger als Elemente mit ungerader Protonenzahl. Das hängt damit zusammen, dass in den meisten stellaren Fusionsprozessen Heliumkerne angelagert werden, wobei sich die Protonenzahl in Zweierschritten erhöht. Den Ausgangspunkt bildet dabei Kohlenstoff-12, der im DreiAlpha-Prozess aus drei Helium-4-Kernen entsteht. Ab Eisen und Nickel fällt die Häufigkeit der Elemente deutlich ab, denn diese können nicht mehr effizient durch Kernfusion in Sternen erzeugt werden – sie entstehen erst in Supernovae oder bei der Verschmelzung von Neutronensternen. Auch manche der leichten Elemente wie Lithium, Beryllium, Bor oder Fluor sind relativ selten, da es keine effektiven Fusionsprozesse zu ihrer Erzeugung in Sternen gibt.

104 100 1 0,01 0

10

20

30

40

50

60

Ordnungszahl (Protonenzahl)

Im Fusionsofen der Sterne  S. 52

70

80

90

Relative Gewichtsanteile aller Elemente im Sonnensystem in logarithmischer Darstellung. Der relative Anteil von Silicium wurde willkürlich auf 106 normiert.

60

2 Vom Urknall zu den Elementen

Spektrallinien

Der optische Fingerabdruck der Elemente Als der Münchener Optiker und Physiker Joseph von Fraunhofer im Jahr 1814 das Licht der Sonne durch ein gutes Prisma lenkte und es so in seine Spektralfarben zerlegte, staunte er nicht schlecht: An bestimmten Stellen zeigten sich dunkle Linien, die Fraunhofer intensiv studierte und mit Buchstaben benannte, weshalb man sie heute auch als Fraunhofer-Linien bezeichnet. Erst später fand man heraus, was die Linien bedeuten: Sie haben etwas mit den Schwingungen der Elektronenwellen in Atomen und Molekülen zu tun. Licht kann nämlich einen Schwingungszustand der Elektronen in einen energetisch höher liegenden Schwingungszustand überführen, sofern es die dazu passende Frequenz besitzt. Die Energie der absorbierten Photonen, die proportional zur Lichtfrequenz anwächst, entspricht dabei genau der Energiedifferenz zwischen den beteiligten Elektronenwellen.

Atome in den oberen Schichten der Sonnenatmosphäre absorbieren so bei bestimmten Wellenlängen das Licht der Sonne und wandeln seine Energie in Wärme um oder strahlen sie als Licht in andere Richtungen wieder ab. Da nun jedes chemische Element und jede Molekülsorte seine bzw. ihre eigenen charakteristischen Elektronenschwingungen besitzt, bilden die zugehörigen Absorptionslinien einen unverwechselbaren optischen Fingerabdruck. Man kann also durch die genaue Analyse der Fraunhofer-Linien im Sonnenlicht feststellen, aus welchen Elementen unsere Sonne besteht. Auf diese Weise wurde im Jahr 1868 tatsächlich ein neues chemisches Element identifiziert, das bis dahin unbekannt war und das eine kräftige Spektrallinie im gelben Licht bei 587,5 nm Wellenlänge besitzt (1 Nanometer (nm) = 10–9 m). Man nannte es Helium nach dem altgriechischen Wort hélios (Sonne). Erst 1882 gelang es, dieses Element Gelbe Flammenfärbung durch Natrium auch auf der Erde nachzuweisen.

Die wichtigsten FraunhoferLinien im sichtbaren Licht. Die schwarzen Buchstaben sind die traditionellen Linienbezeichnungen. Darüber sind in farbiger Schrift einige zugehörige Elemente und Moleküle genannt.

Wikipedia Fraunhoferlinie

Spektrallinien

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Natrium leuchtet deshalb in gelbem Licht, weil es eine kräftige Doppellinie in diesem Farbton besitzt (Wellenlängen: 588,99 nm und 589,59 nm). Andere Elemente haben andere Emissionslinien und leuchten daher in anderen Farbtönen, was man beispielsweise beim Feuerwerk () ausnutzt.

Farbenfrohes Feuerwerk in Japan

Überraschenderweise findet man auch mehrere Absorptionslinien des molekularen Sauerstoffs (O2) unter den Fraunhoferlinien, obwohl Sauerstoffmoleküle auf der Sonne sofort in ihre atomaren Bestandteile zerlegt werden würden. Diese Linien entstehen auch gar nicht in der Sonne, sondern erst beim Durchgang des Sonnenlichts durch die Erdatmosphäre. Spektrallinien wirken sich nicht nur beim Sonnenlicht aus. Man findet sie überall dort, wo Elektronenschwingungen in Atomen oder Molekülen angeregt werden können. Bringt man beispielsweise etwas Kochsalz in eine heiße Gasflamme, so entsteht ein intensives gelbliches Leuchten. Hier werden die Natriumatome aus dem Kochsalz durch die Hitze in höherenergetische Zustände befördert und können dann beim Übergang zurück in niederenergetische Zustände Licht aussenden. Das geschieht mit genau denselben Wellenlängen wie bei der Absorption – aus Absorptionslinien werden hier also Emissionslinien.

Feuerwerk: Schwarzpulver  S. 208

Es hängt oft von den äußeren Bedingungen ab, welche Spektrallinien gerade aktiv sind. Polarlichter entstehen beispielsweise meist durch einzelne Sauerstoffatome, die in 100–200 km Höhe von geladenen Teilchen des Sonnenwindes getroffen werden. In größeren Höhen strahlen sie dabei rotes Licht mit einer Wellenlänge von 630,0 nm ab, während weiter unten grünes Licht bei einer Wellenlänge von 557,7 nm dominiert, da dort die rote Spektrallinie durch die häufigeren Stöße der Atome unterdrückt wird. Polarlicht, aufgenommen von der internationalen Raumstation ISS

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2 Vom Urknall zu den Elementen

Das interstellare Medium Gas und Staub im Weltraum

Auch wenn der Raum zwischen den Sternen nach den üblichen Kriterien als nahezu perfektes Vakuum gelten kann, so ist er doch keineswegs absolut leer. Im galaktischen Umfeld unserer Sonne beträgt die mittlere Materiedichte (ohne dunkle Materie) beispielsweise rund ein Atom pro Kubikzentimeter. Hinzu kommen Strahlung und galaktische Magnetfelder, die in enger Wechselwirkung mit der interstellaren Materie stehen, sodass man alle drei Komponenten unter dem Begriff des interstellaren Mediums miteinander vereint. Dabei ist dieses Medium keineswegs gleichförmig in einer Galaxie verteilt. Das liegt daran, dass es einem ständigen Materie- und Energiefluss unterliegt, der es fernab vom thermischen Gleichgewicht hält. Energiereiches Sternenlicht, Schockfronten und Sternexplosionen heizen es auf, Expansion und die Emis-

sion von Strahlung kühlen es ab, Sternwinde und Supernovae reichern es mit Materie und schweren Elementen an, während ihm die Entstehung von Sternen Materie entzieht. Auf diese Weise bilden sich verschiedene Gasphasen, die ganz unterschiedliche Dichten und Temperaturen aufweisen. Extrem dünnes heißes Gas finden wir im Außenbereich der Galaxien – dem sogenannten Halo. Es enthält weniger als 0,001 Atome pro Kubikzentimeter und wird bis zu einigen Millionen Grad heiß, sodass sich die Elektronen von den Atomkernen trennen und ein vollständig ionisiertes Plasma entsteht. In großen Galaxienhaufen füllt dieses Plasma als sogenanntes Intracluster-Medium den Raum zwischen den Galaxien aus und kann über 80 % der Gesamtmasse des Haufens ausmachen – dunkle Materie nicht mitgerechnet. Das linke Bild zeigt das interstellare Medium unserer Milchstraße und der beiden Magellanschen Wolken (benachbarte Zwerggalaxien) in einem großen Himmelsausschnitt (etwa 40°). Es wurde aus den Daten des Planck-Satelliten gewonnen. Interstellarer Staub ist orangerot dargestellt, während weitgehend leerer Raum blau erscheint. Die feine pinselartige Textur zeigt die Richtung des galaktischen Magnetfelds.

Bei der Galaxie NGC 4565 erkennt man deutlich die Gas- und Staubwolken in der Scheibe. So ähnlich dürfte auch unsere Milchstraße von der Seite aussehen.



Universität Erlangen Interstellares Medium http://www.sternwarte.uni-erlangen.de/~ai05/vorlesungen/sterne+ism/ism/ISM1. pdf K. S. de Boer Das interstellare Medium (ISM): Materiekreislauf http://www.astro.uni-bonn.de/~deboer/pdm/pdmismtxt.html F. Konitzer Eisige Molekülschmiede Bild der Wissenschaft 4-2014, S.52, auch im Internet

Das interstellare Medium

Der Schlüssellochnebel im Carina-Nebelkomplex

In den Scheiben von Spiralgalaxien ist das Gas dagegen sehr viel dichter und kälter, wobei der Wasserstoff meist in Form einzelner Atome vorliegt. Das ist ungewohnt, liegt doch auf der Erde Wasserstoff normalerweise als H2-Molekül vor. Doch bei den besonderen Bedingungen im Weltall gelten andere Regeln! So müssen sich zwei Wasserstoffatome erst einmal treffen, um sich zu einem Molekül vereinen zu können, was bei den geringen Gasdichten im Weltraum gar nicht so häufig vorkommt. In diesem Ausschnitt aus dem Galaxienhaufen Abell 1689 ist die Röntgenstrahlung des heißen Gases zwischen den Galaxien violett dargestellt.

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Rötlich leuchtende HII-Regionen reihen sich wie Perlen in den Spiralarmen der Whirlpool-Galaxie aneinander

Außerdem müssen sie bei ihrem Zusammentreffen die Bindungsenergie des Moleküls irgendwie loswerden – ansonsten fliegen die Atome einfach wieder auseinander. Beides wird sehr viel einfacher, wenn mikroskopische Staubpartikel vorhanden sind, die sich aus den schweren Elementen bilden können. Die Stauboberfläche kann andere Atome an sich binden, zu Molekülen zusammenführen und Energie als Infrarotstrahlung in den Weltraum abgeben. Der Staub kühlt damit das Gas auf bis zu zehn Kelvin herunter und lässt es dadurch immer dichter werden, was zur Bildung ausgedehnter Wolken mit Tausenden bis Millionen Molekülen pro Kubikzentimeter führt. Solche Molekülwolken () bilden die Brutstätte für neue Sterne. Die massereichsten dieser Sterne können mit ihrer intensiven UV-Strahlung das umgebende Wasserstoffgas wieder ionisieren und zum Leuchten bringen (HII-Regionen), was die Gasnebel in märchenhaftes rötliches Licht taucht.

Molekülwolken  S. 64

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2 Vom Urknall zu den Elementen

Molekülwolken

Staubkörner als kosmische Minilabore Molekülwolken gehören zu den für die Chemie interessantesten Objekten im Raum zwischen den Sternen. Diese gigantischen Nebel haben sich unter dem Einfluss der Schwerkraft zusammengefunden und bieten günstige Bedingungen, um Moleküle zu beherbergen: Sie sind dicht genug, um die Strahlung ferner Sterne weitgehend abzuschirmen. Nur so können sich entstehende Moleküle auch dauerhaft halten – zu viel Strahlung würde die Bindungen sofort wieder aufbrechen. Das häufigste Molekül in solchen Wolken ist molekularer Wasserstoff (H2). Er ist das Rohmaterial für zukünftige Sterngeburten. Spannender allerdings sind die Verbindungen mit den schwereren Elementen Sauerstoff und Kohlenstoff. Sie bilden molekularen Sauerstoff (O2), Wasser (H2O) und Kohlenmonoxid (CO), die neben Wasserstoff und dem Edelgas Helium am häufigsten vorkommen und an der Entstehung organischer Moleküle beteiligt sind. Hinzu kommen Stickstoff in Form von Blausäure (HCN) und in winzigen Spuren auch all die anderen Elemente, die zuvor in Sternen entstanden sind.

Ausschnitt aus den „Säulen der Schöpfung”, einer Sternentstehungsregion im Adlernebel

Mit dem Spitzer-Teleskop wurden Buckminster-Fullerene, Kohlenstoffbälle aus 60 Kohlenstoffatomen, in der Nähe des Pferdekopfnebels und im Irisnebel gefunden.

Die Chemie in solchen Molekülwolken funktioniert ganz anders als hier auf der Erde. Sie sind mit nur 10 bis 100 Kelvin extrem kalt; und obwohl sie dichter sind als andere Gebiete des interstellaren Raums, sind sie verglichen mit irdischen Zuständen immer noch so dünn wie ein Ultrahochvakuum. In diesem eisigen, hauchdünnen Nebel sind die größeren Moleküle noch einmal hunderttausendfach seltener als der Wasserstoff. Deswegen treffen sie nur extrem selten aufeinander. Doch Messungen der Spektrallinien () dieser Wolken beweisen, dass selbst unter diesen Bedingungen die Moleküle miteinander reagieren und komplexe Verbindungen bilden. Es wurde z. B. Diethylether gefunden, aber auch aromatische Kohlenwasserstoffe wie Benzol, einige Nitrile mit einer Dreifachbindung zwischen Stickstoff und Kohlenstoff und so seltsame

A. Hadhazy Spitzer Goes Buck Wild and Finds Buckyballs Floating Between the Stars Spitzer Homepage at Caltech, http://www. spitzer.caltech.edu/news/1212-feature10-18 L. Clemence, J. Cohen Space Sugar's a Sweet Find NASA Homepage, http://www.nasa.gov/vision/universe/starsgalaxies/interstellar_sugar.html, 2005

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Molekülwolken

Objekte wie das auf der Erde nicht stabile Molekül HC11N, das Ende der 1990er-Jahre im interstellaren Raum entdeckt wurde und aus einer geraden Kette aus Kohlenstoffatomen mit abwechselnden Einfach- und Dreifachbindungen besteht.

Bindungen einiger Moleküle wieder auf, aber dafür können die Zerfallsprodukte sich dann zu neuen, noch komplexeren Molekülen verbinden. Nur so lässt sich die Vielfalt der beobachteten Moleküle erklären. Benzol

Cyanodecapentain

Die bislang schwersten entdeckten Moleküle im interstellaren Raum sind die Fullerene () C60 und C70. Sie bestehen aus 60 bzw. 70 Kohlenstoffatomen, die wie bei einem Fußball angeordnet sind und recht stabile Minikäfige bilden. Doch wie können in diesen kalten Gebieten solche komplexen Moleküle entstehen? Vermutlich spielen neben Reaktionen im Gas vor allem Staubkörner eine wichtige Rolle. Diese weniger als einen Mikrometer großen Teilchen stammen aus den Überresten massereicher Sterne, die nach Supernova-Explosionen im interstellaren Raum verteilt wurden. Die Staubkörnchen besitzen einen festen Silicat- oder Kohlenstoffkern und sind von einer Eisschicht aus einfachen Molekülen wie Wasser, Methan und Ammoniak überzogen. Treffen Atome oder Moleküle auf die Oberfläche eines solchen Staubkorns, so gefrieren sie und bleiben daran haften – ähnlich wie Wasserdampf an einer kalten Fensterscheibe kondensiert. Dadurch finden sich genug Moleküle auf engem Raum zusammen, um sich miteinander zu verbinden; das Staubkorn dient quasi als Mini-Labor. Die UV-Strahlung, die in geringem Maße in die Wolke eindringen kann, sowie die schnellen, geladenen Teilchen der kosmischen Strahlung brechen zwar die

Die Eiskörner und die in ihnen entstandenen Moleküle machen nur einen winzigen Bruchteil der Masse einer Molekülwolke aus, doch ihre Rolle in der weiteren Entwicklung der Wolke ist eine ganz entscheidende. Wenn dann die Wolke unter ihrer eigenen Schwerkraft zu neuen Sternen zusammenfällt, ballen sich Eis und Staubkörner zusammen zu Kometen, Asteroiden und Planeten – und schließlich wird das Wasser auf einem dieser Planeten Ozeane bilden. Kometen werden im Lauf der Zeit kohlenstoff- und stickstoffhaltige Moleküle auf den Planeten schicken. Auf diese Weise finden sich all jene Stoffe wieder zusammen, die sich im Schatten der großen Wasserstoffwolke einst gebildet haben. In der Wärme des nahen Sterns und unter der schützenden Atmosphäre eines Planeten erfinden die Moleküle eine völlig neue Chemie – die Chemie des Lebens. An den Staubkörnern vereinen sich einfache Moleküle zu komplexeren Verbindungen, wie z. B. Methanol. UV-Strahlung Wasserstoff

Methanol

Methan Wasser Kohlenmonoxid

Ammoniak fester Silikatkern

Fullerene  S. 298 Wikipedia (englisch) List of interstellar and circumstellar molecules

Eismantel

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2 Vom Urknall zu den Elementen

Biomoleküle im Weltall

Auf den Spuren der Ursprünge des Lebens In den Molekülwolken des interstellaren Raums werden an den eishaltigen Staubkörnchen nicht nur einfache Verbindungen wie Ammoniak, Methan, Kohlenmonoxid und Formaldehyd gebildet. Astronomen konnten auch Spuren komplexerer Moleküle wie die ringförmigen Benzene, Aceton oder Glykolaldehyd aufspüren, da sie sich über ihre speziellen Signaturen in den Spektrallinien () der Nebel und Sternentstehungsgebiete verraten. In der Molekülwolke Sagittarius B2, einer Sternentstehungsregion in der Nähe des Milchstraßenzentrums, hat das Radioteleskop ALMA in Chile Ende 2014 sogar erstmalig das verzweigte Molekül iso-Propylcyanid entdeckt. Von solchen recht komplexen und verzweigten Molekülen ist der Schritt zur Bildung von Biomolekülen wie Stickstoffbasen, Zuckern und Aminosäuren () nicht mehr weit. Doch bisher konnte noch keine Aminosäure zweifelsfrei im interstellaren Raum nachgewiesen werden. Molekülwolken in der Milchstraße, aufgenommen mit dem Spitzer- Weltraumteleskop. Das Bild zeigt das emittierte Licht aufgeheizter polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoffe.

Illustation von Molekülen in einem Sternentstehungsgebiet. Aminosäuren wie Alanin oder Glycin wurden hier noch nicht entdeckt.

Im Sonnensystem befindet sich zwischen Mars und Jupiter der Asteroidengürtel, der Gesteinsbrocken aus den Anfängen des Sonnensystems enthält. Immer wieder kommt es vor, dass Bruchstücke dieser Asteroiden als Meteoriten auf der Erde einschlagen und damit eine direkte Untersuchung von Milliarden Jahre altem Material aus dem All erlauben. Auf dem MurchisonMeteoriten in Australien konnten sogar über 70 verschiedene Aminosäuren gefunden werden. Auch in Experimenten in Laboren auf der Erde, die die Bedingungen im interstellaren Raum nachahmen, konnten Aminosäuren generiert werden. Interessanterweise nutzt das irdische Leben jedoch nur 20 dieser Aminosäuren – warum die anderen gefundenen Aminosäuren auf der Erde gar keine Rolle spielen, ist bis heute ungeklärt.

Spektrallinien  S. 60 Aminosäuren: siehe Proteine  S. 178 Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn Interstellare Moleküle verzweigen sich http://www.mpifr-bonn.mpg.de/pressemeldungen/2014/10, 2014 Wikipedia (englisch) Homochirality

Biomoleküle im Weltall

Ein weiteres Rätsel ist die Form der Aminosäuren: In allen Lebewesen der Erde kommen die Aminosäuren der Proteine und Enzyme nur in der sogenannten LForm vor (Chiralität ). Ihre spiegelbildlich aufgebauten D-Formen existieren zwar auch, sind aber eher selten und spielen nur eine untergeordnete Rolle. Woher kommt diese Asymmetrie des Lebens? Diese Frage ist eine der großen Mysterien der Chemie und noch immer Gegenstand aktueller Forschung. Wenn erst einmal eine der beiden Formen etwas öfter vorkommt, so würde sich dieser Überschuss durch die selbstreplizierende Natur der Aminosäuren von selbst verstärken: L-Aminosäuren wirken nur als Katalysator für die L-Form, nicht die D-Form, und umgekehrt. Doch wie kam es überhaupt zu dem Überschuss? Forscher vermuten, dass zufällige, statistische Schwankungen in der Verteilung der Moleküle eine Rolle gespielt haben könnten. Oder es sind grundlegende asymmetrische Prozesse dafür verantwortlich, wie beispielsweise die Asymmetrie der elektroschwachen Wechselwirkung. Auch die zirkular polarisierte Strah-

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lung von Neutronensternen, starke Magnetfelder oder die Entstehung von Vorläufern heutiger Aminosäuren an asymmetrischen Quarzkristallen könnten dafür gesorgt haben, dass sich bevorzugt nur eine der Formen bildete. Um herauszufinden, ob sich der Überschuss an L-Aminosäuren nur auf der Erde findet oder seinen Ursprung im Weltall haben könnte, werden nicht nur die Aminosäuren in Meteoriten und in Laborexperimenten auf der Erde genauestens unter die Lupe genommen, sondern erstmalig sollte auch ein Komet im All nach L- und D-Aminosäuren untersucht werden. Ende 2014 war es Forschern gelungen, eine Sonde namens Philae auf einem Kometen abzusetzen und dort aus der Ferne Experimente durchführen zu lassen. Leider blieb die Suche nach Aminosäuren, und ob sie in der L- oder DForm vorliegen, vorerst erfolglos. Ähnliche Experimente sind für die zweite ExoMars-Mission im Jahre 2018 geplant. Vielleicht werden wir dann mehr über die Biolmoleküle im All – zumindest auf unserem Nachbarplaneten – erfahren und damit der Lösung des Rätsels vom Ursprung des Lebens etwas näher gekommen sein.

Die spiegelbildlichen Formen der Ami- Ein Bruchstück des Murchison-Meteoriten und dar- Illustration des Landers Philae auf dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko nosäure Alanin. Diese Aminosäure wur- aus isolierte Moleküle in einem Teströhrchen de in beiden Formen auch im Murchison-Meteoriten entdeckt.

Chiralität  S. 140 U. Meierhenrich Amino Acids and the Asymmetry of Life: Caught in the Act of Formation Springer-Verlag 2008 V. Koester, U. Meierhenrich How Amino Acids Formed in the Universe Chemistry Views, Wiley-VCH Weinheim, 01.12.2015, http:// www.chemistryviews.org/details/ezine/8598451/How_Amino_Acids_Formed_in_the_Universe.html, interessantes Interview

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2 Vom Urknall zu den Elementen

Wasser im Sonnensystem Vom Krater-Eis Merkurs bis zu den Eismonden

Wenn man nach Wasser () streift die Pole immer nur im Sonnensystem sucht, tangential und kann nie in so denkt man zunächst an die dortigen Krater hineinunsere Erde. Sie ist der einscheinen. Tatsächlich gibt zige Planet im Sonnensyses mehrere Hinweise dartem, der sich im richtigen auf, dass im ewigen SchatAbstand zur Sonne befinten der Kraterränder gerindet, sodass dort flüssiges ge Mengen an Wassereis Wasser in großen Mengen der Sonnenhitze entgehen existieren kann. Außerdem konnten. ist die Erde groß genug, um eine Atmosphäre binden zu Zwischen Merkur und Erde können, deren Treibhaus- Blick vom Space Shuttle Endeavour auf die Internationale zieht die Venus ihre Bahn. gase () die mittlere Erd- Raumstation (ISS) über dem Mittelmeer Sie hat ungefähr dieselbe temperatur bei angenehGröße wie unsere Erde und men 15 °C halten – ideal für flüssiges Wasser. kann daher eine dichte Atmosphäre an sich binden. In der Frühzeit des Sonnensystems, als die StrahlungsAuf dem sonnennahen Merkur ist das ganz anders. leistung der Sonne nur rund 80 % ihres heutigen Werts Mit 5,5 % der Erdmasse besitzt er nur eine geringe betrug, könnte es auf der Venus noch flüssiges Wasser Schwerkraft, und bei direkter Sonneneinstrahlung wird gegeben haben. Als jedoch im Lauf der Zeit die Sones auf seiner mondähnlichen Oberfläche bis zu ne zunehmend heißer wurde, muss es zu einer 430 °C heiß – beides Bedingungen, unter katastrophalen Kettenreaktion gekommen denen sich weder eine Atmosphäre noch sein: Immer mehr Wasser verdampfte Wasser lange halten können. und ließ als starkes Treibhausgas die Temperatur ständig weiter ansteiEs gibt allerdings einige wenige Stelgen. Vulkane setzten zusätzlich das len, die nie ein Sonnenstrahl erreicht: Treibhausgas KohMerkurs Norddie Böden von Einschlagskratern in lendioxid frei, das polarregion. Rot den Polargebieten. Da die Rotationsohne flüssiges Waseingefärbt sind achse von Merkur nahezu senkrecht ser nicht in Form von die Gebiete, die in zur Bahnebene steht, gibt es dort nämKalkgestein gebunewigem Schatten liegen. lich keine Jahreszeiten. Das Sonnenlicht den werden konnte,

Wasser  S. 128 Treibhausgase  S. 104

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Wasser im Sonnensystem

Größenvergleich der vier Gesteinsplaneten Merkur, Venus, Erde und Mars (von links nach rechts)

und heizten den Planeten damit weiter auf. Schließlich verflüchtigte sich der Wasserdampf in den Weltraum und übrig blieb eine ausgetrocknete Treibhaushölle, eingehüllt in eine dichte Atmosphäre aus Kohlendioxid.

Ehemaliges Flussdelta auf dem Mars

Wie sieht es weiter weg von der Sonne aus? Vieles deutet darauf hin, dass es auch auf dem Mars früher einmal flüssiges Wasser gegeben hat, doch der Mars ist mit nur 11 % der Erdmasse zu klein, um dauerhaft eine wärmende Atmosphäre halten zu können. Heute liegen die Überreste seines Wassers als Eisschichten verborgen unter rotem Staub. Noch weiter draußen treffen wir auf die Gasriesen Jupiter und Saturn. Sie bestehen wie unsere Sonne hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium – größere Wasservorkommen sucht man hier vergeblich. Auf den zahlreichen Monden der beiden Giganten wird man dagegen fündig: Sie sind häufig von dicken Eispanzern ummantelt, unter denen man tiefe Ozeane aus flüssigem Wasser vermutet. Dort könnte es sogar Leben geben, ähnlich wie im Umfeld heißer Tiefseequellen auf der Erde. Im äußeren Sonnensystem jenseits der Planeten gibt es ein weiteres Vorkommen von Wassereis: Kometen. Milliarden dieser schmutzigen Schneebälle aus Eis, Staub und gefrorenen Gasen umkreisen

Wikipedia Wasservorkommen im Universum

Modell des Saturnmonds Enceladus. Unten erkennt man Eisvulkane, die den E-Ring des Saturns mit neuen Eiskristallen versorgen.

dort langsam unsere Sonne. Wir sehen sie jedoch meist erst dann, wenn sie auf Bahnen ins Innere des Sonnensystems geraten und dort ihren wunderschönen Schweif ausbilden.

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2 Vom Urknall zu den Elementen

Meteoriten

Himmlisches Eisen und Widmanstätten-Figuren Als im Jahr 1808 der österreichische Naturwissenschaftler Alois von Beckh-Widmanstätten einen Eisenmeteoriten anschliff und die Fläche dann mit Säure anätzte, staunte er nicht schlecht: Ein filigranes Muster aus Balken und Linien erschien, das er so noch nie gesehen hatte und das heute seinen Namen trägt: die Widmanstätten-Struktur oder auch die Widmanstätten-Figuren. Wenn man ein solches Muster bei einem Stück Eisen entdeckt, dann kann man sicher sein, dass es

sich um einen Eisenmeteoriten handelt. Es ist nämlich bis heute in keinem Labor der Welt gelungen, dieses Muster künstlich herzustellen. Zu seiner Entstehung sind ganz bestimmte Bedingungen notwendig, die man unmöglich künstlich nachahmen kann.

Bruchstück eines Eisenmeteoriten

Widmanstätten-Struktur in der Oberfläche eines angeätzten Meteoriten aus dem Gibeon-Streufeld, Namibia. Die Taenitkristalle sind die hellen Bänder zwischen den dunklen Kamacit-Balken.

Wikipedia (englisch) Widmanstätten pattern

In einem größeren Asteroiden müssen dazu Eisen und Nickel unter dem Einfluss seiner geringen Schwerkraft ins Zentrum absinken, dort erstarren und dann extrem langsam über mehrere Millionen Jahre hinweg weiter abküh-

Widmanstätten-Struktur auf einem weiteren Meteoritenstück. Solche Strukturen können nur in Meteoriten entstehen, wenn Eisen und Nickel in ihrem Inneren extrem langsam abkühlen.

71

Meteoriten

len. Zunächst entsteht nach dem Erstarren dabei die Eisen-Nickel-Legierung Taenit. Unterhalb von rund 700 °C wird die Kristallstruktur des Taenits bei den typischen Mengenverhältnissen von Eisen und Nickel in Meteoriten jedoch energetisch ungünstig. Daher beginnen einige Nickelatome sehr langsam durch das bereits feste, aber zugleich noch einige Hundert Grad heiße Taenit zu diffundieren und bestimmte Bereiche darin zu verlassen, sodass sich dort eine andere Kristallstruktur namens Kamacit ausbilden kann. Auf diese Weise wachsen unmerklich langsam Kristalle aus Kamacit im festen Taenit heran. Sie orientieren sich dabei an der Kristallstruktur des Taenits und sind wie die Seitenflächen eines Oktaeders ausgerichtet. Je nachdem, wie man den Eisenmeteoriten Oktaeder aufschneidet, ergibt daher das Muster aus Taenit und Kamacit ein anderes Bild. Eisen-Nickel-Phasendiagramm für Meteoriten

900

Taenit

600 Kamacit

Temperatur [°C]

800

400 0

Kamacit + Taenit

10 20 30 40 Nickel-Anteil in Massenprozent

50

Erst wenn ein großer Asteroid mit Eisenkern bei einer Kollision zertrümmert wird, können uns Bruchstücke dieses Eisenkerns erreichen und als Eisenmeteoriten vom Himmel Chondrit fallen. Bruchstücke seiner äußeren Gesteinshülle kennen wir dagegen als Gesteinsmeteoriten. Natürlich gibt es auch viele kleinere Asteroiden, deren Temperatur und Schwerkraft für ein Absinken von Eisen und Nickel ins Zentrum nicht ausgereicht haben. Die Trümmer solcher Asteroiden nennt man Chondrite – sie bestehen aus einem Gemenge aus Gesteinsmineralen und Eisen-Nickel-Körnern und vermitteln einen guten Eindruck davon, wie die ursprüngliche Materie einmal aussah, aus der sich unsere Erde einst bildete. Tatsächlich haben sich die meisten Chondrite seit der Entstehung des Sonnensystems kaum verändert, sodass sie die ältesten und ursprünglichsten Gesteine im Sonnensystem darstellen. Mithilfe radioaktiver Zerfälle konnte ihr Alter auf 4,56 Milliarden Jahre bestimmt werden, sodass wir heute ziemlich genau wissen, wie alt unser Sonnensystem ist. Zugleich sagt uns diese Zahl auch, dass unser Universum mit seinen 13,8 Milliarden Jahren rund dreimal älter ist als unser Heimatplanet. So alt uns unsere Erde auch erscheinen mag – im Vergleich zum Universum ist sie noch relativ jung.

3 Chemie der Erde und der Planeten Sauerstoff, Eisen, Silicium und Magnesium sind die wichtigsten Elemente, aus denen unsere Erde besteht. Während sich das schwere Eisen zum großen Teil in den Tiefen des Erdkerns unseren Blicken entzieht, bilden die Elemente des Erdmantels und der Erdkruste Tausende verschiedene Minerale, die sich wiederum in Form winziger Kristalle zu ganz unterschiedlichen Gesteinen vereinen. Die Kräfte der Plattentektonik und der Erosion verändern dabei ständig das Gesicht der Erde, schmelzen alte Gesteine ein und lassen neue Gesteine entstehen. Unsere Erde ist geologisch ein sehr aktiver Planet, ganz anders als beispielsweise unser Mond. Und die Erde ist etwas ganz Besonderes: Sie ist der einzige bekannte Planet, auf dessen Oberfläche es flüssiges Wasser und Leben gibt. Wie viele Minerale gibt es eigentlich, welches sind die Wichtigsten, wie entstehen sie und wie verschwinden sie wieder? Warum gibt es in der Wüste so viel Sand? Was geschieht mit Materie, wenn sie im Inneren von Planeten oder bei Meteoriteneinschlägen unter enormen Druck gerät? Wo ist das Kohlendioxid unserer Erde geblieben – unser Schwesterplanet Venus enthält jede Menge davon in seiner Atmosphäre. Wie alt sind die ältesten Minerale und Gesteine und was verraten sie uns über die Geschichte unserer Erde? Woher stammt das Salz der Ozeane? Wie entstehen Bodenschätze wie Erdöl oder Kohle? Und warum sehen andere Welten wie die Monde Io und Titan so ganz anders aus als die Erde? Das sind einige der Fragen, mit denen sich Geologie, Geochemie und Planetologie beschäftigen und die wir uns in diesem Kapitel näher anschauen wollen.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Feil et al., Faszinierende Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57324-2_3

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Woraus bestehen Planeten? Auf dem Weg in das Energietal

Die chemische Zusammensetzung von Planeten hängt stark von ihrer Entstehungsgeschichte und den verfügbaren chemischen Elementen ab. Andererseits findet man viele Minerale der Erde auch auf anderen Planeten, und auch die Atmosphären enthalten immer wieder dieselben Moleküle, wenn auch in unterschiedlichen Mengenverhältnissen. Wie kommt das? Bei der Entstehung eines Planeten bilden sich typischerweise solche Verbindungen, bei deren Entstehung möglichst viel Energie freigesetzt wird – die Elemente suchen gewissermaßen das Energietal im Raum der möglichen chemischen Verbindungen. So können sich beispielsweise Elemente, die gerne Elektronen abgeben, mit Elementen zusammentun, die bevorzugt diese Elektronen aufnehmen. Zu den Ersteren gehören alle Metalle, beispielsweise Natrium (Na), Kalium (K) oder Calcium (Ca), zu den Letzteren zählen insbesondere Sauerstoff (O), Fluor (F) und Chlor (Cl). Natrium würde sich also mit Chlor zu Natriumchlorid (NaCl) oder mit Sauerstoff zu Natriumoxid (Na2O) vereinen und ein Kristallgitter aus elektrisch geladenen Na+-, Cl−- bzw. O2−-Ionen bilden, wobei viel Energie freigesetzt wird.

Einige Elemente können Elektronen sowohl aufnehmen als auch abgeben oder sich Elektronenpaare mit anderen Elementen teilen. Die im Universum weit verbreiteten Elemente Wasserstoff (H), Kohlenstoff (C), Schwefel (S), Stickstoff (N) oder Silicium (Si) gehören zu dieser Kategorie. Sie bilden oft einfache Moleküle wie H2, N2 sowie Ammoniak (NH3) und Methan (CH4). Aus diesen bestehen beispielsweise die großen Gasplaneten von Jupiter bis Neptun hauptsächlich, wobei Wasserstoff und Helium – das als Edelgas keine Moleküle bildet – dominieren. Besonders viel Energie wird freigesetzt, wenn sich diese Elemente mit Sauerstoff verbinden, dem nach Wasserstoff und Helium häufigsten Element im Universum. Viele der so entstehenden Oxide wie Wasser (H2O), Kohlendioxid (CO2), verschiedene Schwefel- und Stickoxide sowie Siliciumdioxid (SiO2) sind am Aufbau der Planeten beteiligt. Diese Gipsader auf dem Mars wurde im November 2011 vom Mars Rover Opportunity entdeckt.

Steinsalz (Halit, NaCl)

R. Hoffmann: Heute kochen wir Elemente-Suppe! Spektrum der Wissenschaft, April 2014, S. 82

Woraus bestehen Planeten?

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Wasser ist auf der Erde besonders wichtig, denn es kommt dort in flüssiger Form vor und kann mit seinen Dipolmolekülen sehr gut viele Salze wie NaCl, aber auch viele Oxide auflösen. Metalloxide reagieren dabei gerne mit Wasser zu basischen Hydroxiden – beispielsweise zu Calciumhydroxid (Ca(OH)2) – und Nichtmetalloxide zu Säuren wie Kohlensäure (H2CO3) oder Schwefelsäure (H2SO4). Diese Hydroxide und Säuren reagieren wiederum unter Wasserabspaltung miteinander, beispielsweise zu Calciumcarbonat (CaCO3, Kalk) oder Calciumsulfat (CaSO4, Gips). Tatsächlich sind Kalkgesteine und Gips auf der Erde häufig anzutreffen, während sie Riesige Gipskristalle (Calciumsulfat, CaSO4, mit eingelagertem Kristallwasser) in eiauf der wasserfreien Venus vermutlich ner der Höhlen der Mine von Naica im Norden von Mexiko. Der Größenvergleich mit fehlen (Carbonat-Silicat-Zyklus ). Auf der Person unten rechts zeigt, wie groß die Kristalle tatsächlich sind. dem Mars hat man dagegen Gipsablagerungen gefunden – ein Hinweis darauf, dass es dort Metallionen wie Na+, K+ oder Ca2+ und negativen einst flüssiges Wasser gab. molekularen Anionen wie Carbonat-Ionen (CO32−), Sulfat-Ionen (SO42−), Nitrat-Ionen (NO3−), PhosphatDamit sind wir auf eine neue Ionen (PO43−) oder Silicat-Ionen (SiO44−). Dabei sind Kategorie chemischer Ver- auch diese Anionen in ihrem Inneren fast schon selbst bindungen tief unten im Ionenverbindungen, denn der Sauerstoff zieht die verEnergietal gestoßen, die bindenden Elektronenpaare weit zu sich herüber. aus drei Elementen bestehen. Sie bilden ein stabiles Bei den Silicat-Ionen gibt es noch die Besonderheit, Ionengitter aus positiven dass sie sich gern über gemeinsame Sauerstoffatome zu Ketten, Schichten oder dreidimensionalen Netzen zusammenschließen, wobei auch andere Elemente wie Gitterstruktur von Calcit (Calciumcarbonat CaCO3). Die CalEisen, Magnesium oder Aluminium mit einbezogen 2+ ciumionen Ca sind grün und werden. So ergibt sich eine große Vielfalt an Silicatmi2− die Carbonat-Ionen CO3 rotneralen, die das Grundgerüst aller Gesteinsplaneten schwarz dargestellt (Sauerstoff rot, Kohlenstoff schwarz). bilden.

Der Carbonat-Silicat-Zyklus  S. 102

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Das Innere der Erde Eine Reise in die Tiefe

Würde man unsere Erde aufschneiden, so sähe sie einem Hühnerei recht ähnlich: Das Eigelb entspricht dem Erdkern, das Eiweiß darüber dem Erdmantel und die dünne Eischale außen der Erdkruste. Im Erdkern versammelt sich ein Großteil aller schweren Metalle des Materials, aus dem sich unsere Erde vor rund 4,6 Milliarden Jahren formte, wobei Eisen mit rund 80 % und Nickel mit rund 20 % weitaus am häufigsten vorkommen.

S Cr Al Ca 1,5 % 0,5 % 0,4 % andere 1,6 % 0,8 % Ni 1,7 %

Mg 16 %

O 32 %

Si 17 %

Der innere Aufbau der Erde

innerer Kern (fest; 5150–6370 km) äußerer Kern (flüssig; 2891–5150 km)

Mantel (zähplastisch; 40–2891 km)

Kruste (fest; 0–40 km)

Fe 29 %

Massenanteile der Elemente auf der gesamten Erde. Während man das schwere Eisen (Fe) vorwiegend im Erdkern findet, bilden Silicium (Si) und Sauerstoff (O) zusammen als Siliciumdioxid die Basis der Silicatgesteine im Erdmantel und in der Erdkruste, wobei die Gesteine des Erdmantels auch größere Mengen an Magnesium (Mg) und Eisen (Fe) enthalten

In der damals noch glutflüssigen Erde sanken diese Metalle nach unten ins Zentrum des Planeten und heizten mit der dabei freigesetzten Gravitationsenergie den gerade geborenen Planeten weiter auf. Noch heute weist der Erdkern in seinem Zentrum eine Temperatur von rund 5500 °C auf und ist damit ungefähr so heiß wie die Oberfläche unserer Sonne. Sein äußerer Bereich ist flüssig, während er in seinem Inneren aufgrund des extremen Drucks eine feste Konsistenz besitzt.

P. Rothe Die Erde: Alles über Erdgeschichte, Plattentektonik, Vulkane, Erdbeben, Gesteine und Fossilien Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2014

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Das Innere der Erde

0 kontinentale Kruste (2,8 g/cm3)

20 40

Die relativ leichte kontinentale Kruste schwimmt auf den dichteren basischen Gesteinen des Erdmantels.

ozeanische Kruste (3,0 g/cm3)

Erdmantel (3,4 g/cm3) km (horizontale Entfernung nicht maßstabsgerecht)

Der Erdkern ist von einem Erdmantel aus Silicatgesteinen umhüllt, die neben Siliciumdioxid einen relativ hohen Anteil an Magnesiumionen und schweren Eisenionen aufweisen. Man bezeichnet diese Gesteine in der Geologie oft als basisch, die leichteren siliciumdioxidreichen Gesteine der kontinentalen Erdkruste hingegen als sauer – etwas verwirrende Benennungen, die ihren Ursprung darin haben, dass sich Kieselsäuren wie Si(OH)4 durch Abspaltung von Wasser in Siliciumdioxid (SiO2) umwandeln können.

Der große Temperaturunterschied zwischen unterem Erdmantel und der Erdoberfläche erzeugt daher gewaltige Konvektionsströme, bei denen heißes Mantelgestein mit Geschwindigkeiten von einigen Zentimetern pro Jahr aufsteigt und dafür an anderen Stellen kälteres Material absinkt. Diese Bewegung überträgt sich auch auf die Erdkruste und den oberen recht starren Bereich des Erdmantels (zusammen Lithosphäre genannt) und lässt an den mittelozeanischen Rücken ständig neuen Ozeanboden entstehen, während an den Tiefseegräben alte ozeanische Erdkruste in den Erdmantel absinkt. Die relativ leichten Kontinente werden dabei vom langsam driftenden Ozeanboden mitgezogen, ähnlich wie Schiffe im Packeis, die der Bewegung des Eises folgen müssen. Das Verteilungsbild der Kontinente ändert sich also ständig, sodass man es nach 200–300 Millionen Jahren kaum wiedererkennt.

In seinem unteren Bereich weist der Erdmantel immer noch Temperaturen von bis zu 3500 °C auf, sodass man meinen könnte, er bestünde aus flüssigem Magma. Der hohe Druck bewirkt jedoch, dass er fast ausschließlich aus festem Silicatgestein besteht. Unterhalb einer aktiver mittelozeanischer Riftzone Tiefe von rund 100 km ist dieses Kontinentalrand Rücken Gestein zähplastisch, kann sich passiver passiver Kontinentalrand Kontinentalrand Tiefseerinne also ähnlich wie Gletschereis sehr langsam verformen. 35 Lithosphäre 75 100

Lithosphäre

Lithosphäre Asthenosphäre

Subduktionszone Plattentektonische Zusammenhänge

Tiefe (km)

ozeanische Kruste

kontinentale Kruste

R. Fortey Der bewegte Planet: Eine geologische Reise um die Erde Spektrum Akademischer Verlag 2005

lithosphärischer Mantel

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Der Ursprung der Minerale Eine kurze Entstehungsgeschichte

In den ersten Jahrmillionen nach dem Urknall enthielt unser Universum noch überhaupt keine Minerale, sondern nur Wolken aus Wasserstoff und Helium. Erst als Sterne genügend schwerere Elemente freigesetzt hatten, konnte sich Olivinkristalle wurden im Umfeld des Protosterns HOPS-68 gefunden (Pfeil im oberen Bild).

etwa ein Dutzend verschiedener Minerale bilden, darunter kleine Körnchen aus Graphit und Diamant, winzige Kristalle aus Siliciumcarbid (SiC) und Titannitrid (TiN) sowie einige Silicate und Oxide. Aus einer solchen Gas- und Staubwolke entstand vor 4,6 Milliarden Jahren unser Sonnensystem. Als die junge Sonne ihr nukleares Feuer zündete, bildeten sich durch Aufschmelzen in ihrem Umfeld weitere Minerale: Eisen-Nickel-Legierungen, Sulfide, Phosphide und Silicate wie Zirkon oder Olivin. Noch heute kann man diese Minerale in Meteoriten (Chondriten) aus der Frühzeit des Sonnensystems wiederfinden. Weitere Minerale entstanden bei der Bildung der Erde. Dabei schmolzen die herabfallenden Mineralkörner auf, schwere Metalle wie Eisen und Nickel sanken nach unten und es bildete sich eine feste Kruste aus schwarzem Basalt. Vulkanismus und einschlagende Meteoriten ließen wiederholt Teile der Basaltdecke aufschmelzen und wieder erstarren. Zusammen mit dem Wasser der frühen Ozeane sorgten diese Prozesse dafür, dass sich seltene Elemente wie Lithium, Beryllium und Bor konzentrieren und exotische Minerale wie Lepidolit, Beryll und Turmalin aufbauen konnten. Die Zahl der Minerale wuchs.

Basaltische Lava auf Hawaii

R. M. Hazen Die Evolution der Minerale Spektrum der Wissenschaft, August 2010, S. 80

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Der Ursprung der Minerale

Nach und nach sorgte die Plattentektonik mit ihrem ständigen Recycling der ozeanischen Kruste dafür, dass sich Siliciumdioxid in magmatischen Schmelzen anreichern konnte, sodass der Weg frei wurde für die Bildung von Quarz, Feldspat und Glimmer – typische Minerale der Kontinente, die auf diese Weise immer größer wurden. Auch viele andere Minerale entstanden, beispielsweise Sulfide oder auch Jadeit, der sich nur tief in der Erde unter hohem Druck bilden kann und später durch die Plattentektonik nach oben befördert wird. Schätzungen zufolge sind durch solche Prozesse in den ersten zwei Milliarden Jahren der Erdgeschichte etwa 1500 verschiedene Minerale entstanden. Den nächsten Schub erhielt die Mineralbildung durch den Einfluss des sich entwickelnden Lebens, das durch Photosynthese immer mehr Sauerstoff freisetzte. Bei der Verwitterung der Gesteine konnten so viele neue Minerale entstehen, beispielsweise Rhodonit oder Türkis. Außerdem begann die Erde vor rund zwei Milliarden Jahren, regelrecht zu rosten, wobei sich die zweiwertigen Eisen(II)-Ionen in braunrote dreiwertige Eisen(III)-Ionen umwandelten. In den letzten 600 Millionen Jahren blühte das mehrzellige Leben dann in großem Stil

Hazenit, KNaMg2[PO4]2t )2O, wird von Algen gebildet, die an solchen Kalktuffsäulen im Mono Lake wachsen, einem Natronsee in Kalifornien. Man hat dieses sehr seltene Mineral bisher nur dort gefunden.

auf und veränderte den Planeten grundlegend. In den flachen, warmen Meeresbereichen rieselten Kalkskelette herab und bildeten mächtige Schichten. Unter dem Einfluss von Pflanzen und Pilzen beschleunigte sich die Verwitterung und ließ vermehrt Tonminerale wie Kaolinit entstehen. Auch sehr seltene Minerale bildeten sich, beispielsweise Hazenit, ein biogenes Phosphat, das von bestimmten Mikroorganismen gebildet wird. Vermutlich beherbergt unsere Erde heute mehr als 4400 verschiedene Minerale – über die Hälfte von ihnen geht direkt oder indirekt auf das Konto des Lebens.

Beryllkristalle, Al2Be3[Si6O18], aus Namibia (links), Rhodonit, (Mn2+)SiO3, aus Peru und Jadeit, NaAl[Si2O6] (rechts)

Bilder unten links und Mitte von Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Olivin

Das grüne Mineral aus den Tiefen der Erde Wer sich zur südlichen Spitze der Insel Hawaii begibt, findet dort in der eingestürzten Ruine eines alten vulkanischen Schlackekegels etwas ganz Besonderes: Papakolea Beach, einen Strand mit grünem Sand! Dieser Sand sieht ganz anders aus als der gelbliche Quarzsand, den wir so gut kennen. Seine grün schimmernden durchsichtigen Körner bestehen aus dem Mineral Olivin, das bei besonders schön gewachsenen Kristallen auch als Edelstein Peridot bekannt ist.

dass sich die im Wasser immer vorhandenen Protonen (H+) an die Ecken der SiO4-Tetraeder des Olivins anlagern und so die in seinem Inneren befindlichen Magnesium- und Eisenionen herauslösen: Der Kristall zerfällt.

Dass Wasser hier überhaupt so aggressiv angreifen kann, hat den folgenden Grund: Die typischen SiO4Tetraeder, welche die Grundbausteine Olivin als geschliffener aller Silicatminerale darstellen, sind im Edelstein (Peridot) Olivin nicht an den Sauerstoffecken zu einem großen Gitter verknüpft – anders als Olivin in Sandform ist ein sehr seltener Anblick, denn beispielswiese bei Quarz. Sie liegen vielmehr als einanders als der fast unzerstörbare Quarz verwittert Oli- zelne vierfach negativ geladene Inseln im Olivinkristall vin relativ schnell an der Erdoberfläche. Das liegt daran, vor – man kommt auf diese Ladungszahl, indem man

Olivinsand auf Hawaii

Kristallgitter des Olivins, hier ausschließlich mit Magnesium. Für jeden (SiO4)4−-Tetraeder müssen zwei Mg2+-Ionen vorhanden sein, um dessen Ladung nach außen hin zu neutralisieren.

R. Fortey Der bewegte Planet: Eine geologische Reise um die Erde Spektrum Akademischer Verlag 2005 P. Rothe Die Erde: Alles über Erdgeschichte, Plattentektonik, Vulkane, Erdbeben, Gesteine und Fossilien Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2014

Olivin

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So besteht das sehr häufig vorkommende dunkle Ergussgestein Basalt aus vielen winzigen Kristallen der Minerale Olivin, Plagioklas (calciumreiche Feldspatkristalle) und Pyroxen (ein dunkles Kettensilicat).

Erstarrende Basaltlava

für das zentrale Siliciumatom vier positive und für jedes Sauerstoffatom zwei negative Elementarladungen rechnet. Olivin gehört daher zu den sogenannten Inselsilicaten, zu denen beispielsweise auch die Minerale Granat und Zirkon zählen. Zwischen den SiO4-Ionen befinden sich zum Ladungsausgleich die erwähnten zweifach positiv geladenen Magnesium- und Eisenionen, wobei Letztere dem Olivin seine typische grüne Farbe verleihen. Wo aber kommt nun der Olivinsand auf Hawaii her? Er wird ständig durch die Verwitterung basischer Vulkangesteine nachgeliefert, wobei das Wort basisch in der Geologie einen geringen Gehalt an SiO4-Tetraedern signalisiert.

Dünnschliffaufnahme von Basalt

Materie unter Druck  S. 118

Zerfallen solche Vulkangesteine, so werden die leichteren Mineralkristalle von Wind und Wellen schneller fortgespült als die schweren Olivinkristalle, die sich manchmal als Sand an bestimmten Stellen ansammeln können. Dabei ist der hohe Gehalt an Eisenionen für die relativ hohe Dichte des Olivins verantwortlich. Man bezeichnet solche Minerale, die reich an Magnesium und Eisen sind, auch als mafisch – ein Wort, das sich aus den ersten Buchstaben von Magnesium und Ferrum (Eisen) ableitet. Die eigentliche Heimat des Olivins liegt in den Tiefen der Erde, viele Kilometer unter unseren Füßen. Der Erdmantel besteht nämlich im oberen Teil überwiegend aus dem grünschwarzen grobkristallinen Tiefengestein Peridotit, das 50–98 % Olivin enthält. Das macht Olivin und seine verschiedenen Hochdruckvarianten (Materie unter Druck ) zum häufigsten Mineral der Erde, wenn man den Erdmantel mit einbezieht. Das Tiefengestein Peridotit

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Zirkon

Zeitkapseln aus der Frühzeit der Erde Es gibt auf der Erde ein Mineral, das nahezu unverwüstlich ist – es heißt Zirkon. Verwitterung kann ihm kaum etwas anhaben, und sogar die metamorphen Veränderungen, denen Gesteine unter großem Druck und hohen Temperaturen in mehreren Kilometern Tiefe normalerweise unterliegen, zerstören dort eingelagerte Zirkonkristalle meist nicht, sondern lassen sie im Gegenteil sogar weiter anwachsen.

den bei deren Verwitterung schließlich freigesetzt, sodass man sie später beispielsweise als Bestandteil von Sedimentgesteinen wiederfindet. Insgesamt ist Zirkon auf der Erde weit verbreitet, kommt allerdings in den einzelnen Gesteinen meist nur in relativ geringen Mengen vor.

Die große Widerstandskraft von Zirkon ist eigentlich eine Überraschung, denn Zirkon ist wie Olivin ein Inselsilicat, bei dem die SiO4Dieser schöne rund 2 mm großer Tetraeder nicht zu Ketten oder Gittern miteinZirkon bildet manchmal wun- Zirkonkristall stammt aus dem ander verbunden sind, sondern durch Metalliderschöne Kristalle, die als Steinbruch Poudrette in Québec, onen zusammengehalten werden. Beim leicht Kanada. Schmucksteine leicht mit Diaverwitternden Olivin handelt es sich dabei um manten verwechselt werden können. Meist findet man zweifach positive Magnesium- und Eisenionen, wähZirkon auf der Erde jedoch in Form winziger Kristalle, rend bei Zirkon vierfach positive Zirconium-Ionen diedie mit Größen von 0,1–0,3 mm noch kleiner als ein se Rolle übernehmen – chemisch handelt es sich bei Stecknadelkopf sind. Diese Kristalle entstehen bei der Zirkon also um das Zirconiumsilicat (ZrSiO4). Dieser Bildung magmatischer Gesteine wie Granit und wer- Unterschied in den Metallionen führt bei Zirkon zu einem anderen sehr stabilen Kristallgitter, das unempfindlich gegenüber Verwitterung ist. Uran Sandkorngroße Zirkonkristalle neben einer Münze



Blei



Alle 4,5 Milliarden Jahre halbiert sich die Menge des noch vorhandenen Uranisotops U-238 im Zirkon.

0

4,5 9,0 13,5 18,0 Zeit in Milliarden Jahren

R. Fortey Der bewegte Planet: Eine geologische Reise um die Erde Spektrum Akademischer Verlag 2005 J. W. Valley Urerde – Sauna oder Gluthölle Spektrum der Wissenschaft Mai 2006, S. 70

Zirkon

Ein 0,2 mm großer Zirkonkristall, aufgenommen mit einem Rasterelektronenmikroskop

Zu einem geringen Prozentsatz werden statt des Zirconiums auch andere Metallionen in den Kristall eingebaut, insbesondere radioaktives Uran. Das macht Zirkon für Geologen besonders wertvoll, denn es besitzt damit eine eingebaute radioaktive Uhr, an der man sehr genau das Alter eines jeden Zirkonkristalls ablesen kann. Das häufigste Uranisotop U-238 zerfällt beispielsweise mit einer Halbwertszeit von rund 4,5 Milliarden Jahren letztlich zu Blei, das im Zirkonkristall erhalten bleibt. Bei der Bildung von Zirkon wird dagegen überhaupt kein Blei in den Kristall eingebaut, da Blei nicht gut in das Kristallgefüge von Zirkon hineinpasst. Je mehr Bleiatome man also im Vergleich zu den Uranatomen im Zirkonkristall findet, umso älter ist er. Blick aus rund 700 km Höhe auf die Jack Hills im Westen Australiens, etwa 800 km nördlich von Perth (aufgenommen mit dem ASTER-Instrument des Satelliten Terra im Jahr 2004).

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Die ältesten Zirkonkristalle, die bisher auf der Erde gefunden wurden, stammen aus einer sehr alten Kiesschicht, die vor drei Milliarden Jahren in den Jack Hills im heutigen Westaustralien abgelagert wurde. Einige diese winzigen Kristalle sind 4,4 Milliarden alt, was sie zu den ältesten bekannten irdischen Mineralen macht. Die Erde existierte damals erst seit rund 150 Millionen Jahren und es wurde allgemein vermutet, dass sie zu dieser Zeit einer Gluthölle glich. Umso überraschter war man, als man die Mengenverhältnisse der Sauerstoffisotope in den uralten Zirkonkristallen untersuchte. Daraus lässt sich nämlich ablesen, dass die damaligen Gesteine Kontakt mit flüssigem Wasser gehabt haben müssen. Eingeschlossene Quarzkörner und bestimmte Spurenelemente lassen zudem vermuten, dass auch kontinentales Gestein bereits existierte. Demnach glich die Urerde zu dieser Zeit eher einer Sauna mit ersten Ozeanen und Kontinenten als einer Gluthölle, und das Leben hätte womöglich bereits sehr früh die Gelegenheit gehabt, auf der Erde Fuß zu fassen.

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Quarz

... und der Kreislauf des Sandes Wüsten sind vor allem für eines bekannt: Unmengen von Sand. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Quarzsand, denn nur dieses Mineral ist widerstandsfähig genug, um den Kräften der Verwitterung lange genug zu widerstehen, und zugleich häufig genug, um in Form kleinster Körner ganze Landstriche bedecken zu können. Nach dem schneller verwitternden Feldspat ist Quarz das zweithäufigste Mineral der Erdkruste. Die große Widerstandskraft von Quarz entsteht durch seine besondere Kristallstruktur, in der sich SiO4-Tetraeder an den Ecken dreidimensional miteinander vernetzen, wobei sich an jeder Verbindungsecke je zwei Tetraeder ein Sauerstoffatom teilen. In Summe kommen so auf jedes Siliciumatom zwei Sauerstoffatome, d. h. chemisch ist Quarz fast reines Siliciumdioxid (SiO2). Sanddünen im Tal des Todes (Death Valley)

Rechnet man wie immer für jedes Siliciumatom vier positive und für jedes Sauerstoffatom zwei negative Elementarladungen, so sieht man, dass sich hier die Ladungen gerade kompensieren, sodass man keine positiven Metallionen zur Ladungskompensation braucht. In Reinform entstehen so durchsichtige glasartige Kristalle, die durch den Einschluss verschiedener Spurenelemente auch eingefärbt sein können. Meist sind Quarzkristalle jedoch durch mikroskopische Einschlüsse milchig getrübt und sehen eher weißlich-grau bis grau-blau aus. Quarzkristalle bilden sich primär beim Erstarren von silicatreichem Magma, beispielsweise bei der Bildung von Granit. Da sie als eines der letzten Minerale auskristallisieren, müssen sie sich dabei in die kleinen Hohlräume zwischen den bereits auskristallisierten anderen Mineralen einfügen. Eine polierte Platte des seltenen blauen Kösseine-Granits aus dem Fichtelgebirge. Die dunkelgrauen Körner sind Quarz.

R. Fortey Der bewegte Planet: Eine geologische Reise um die Erde Spektrum Akademischer Verlag 2005 P. Rothe Die Erde: Alles über Erdgeschichte, Plattentektonik, Vulkane, Erdbeben, Gesteine und Fossilien Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2014

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Quarz

Beim Erstarren von silicatarmem Magma kann dagegen kein Quarz entstehen, da sich hier die SiO4-Tetraeder mit den vorhandenen Metallionen zu anderen Mineralen vereinen, beispielsweise zu Olivin. Daher wird man nie ein magmatisches Gestein finden, in dem zugleich Olivin und Quarz vorhanden sind. Quarz ist ein typisches Mineral der kontinentalen Kruste, während die Heimat des Olivins eher im Erdmantel zu finden ist. Wenn quarzhaltige Gesteine wie Granit verwittern, werden die darin eingeschlossenen Quarzkörner als Sand freigesetzt und können von Bächen und Flüssen bis in die flachen Meeresbereiche nahe der Küsten transportiert werden. Dort werden sie schließlich von weiteren Sedimenten bedeckt und geraten unter Druck. Im Wasser gelöste Mine- Im Upper Antelope Canyon in Arizona hat Wasser eine tiefe rale können zwischen die Körner ein- Schneise in den dortigen Sanddringen und sie miteinander verkitten, stein hineingefressen.  sodass nach einiger Zeit fester Sandstein entsteht. Wird dieser Sandstein dann irgendwann angehoben und freigelegt, kann die Verwitterung den Sand wieder befreien und der Kreislauf von Erosion und Sedimentation beginnt erneut. Besonders abgerundete Sandkörner haben schon einige dieser Zyklen hinter sich gebracht, sodass alle ihre Ecken und Kanten weggeschliffen wurden. Silicatschale einer Kieselalge,

Siliciumdioxid, aus dem Quarz ja be- aufgenommen mit einem steht, kann sich unter bestimmten Be- Elektronenmikroskop.  dingungen in geringem Maß in Wasser lösen und dort Kieselsäure bilden. Kieselalgen machen sich diese Kieselsäure zunutze und bauen daraus ihre filigranen Silicatschalen. Aber auch auf anderem Weg kann Quarz aus kieselsäurereichem Wasser auskristallisieren und beispielsweise Sandkörner bei der Sandsteinbildung miteinander verkitten oder abgestorbene Pflanzen versteinern lassen (Verkieselung). Manchmal können in größeren Hohlräumen im Gestein die Quarzkristalle besonders ungestört wachsen, sodass wunderschöne Kristalle entstehen, die man je nach Färbung unter Namen wie Bergkristall oder Amethyst kennt. Solche Edelsteine sind sicher die schönste Form, in der uns Quarz begegnen Bergkristall kann.



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3 Chemie der Erde und der Planeten

Feldspat

Baustoff der Erdkruste In den obersten Schichten unserer Erde – in der Erdkruste – ist der meist weiß bis rötlich gefärbte Feldspat mit rund 60 % des Mineralvolumens das weitaus häufigste Mineral. Im Erdmantel kommt er dagegen kaum vor. Da Feldspat recht früh aus dem abkühlenden Magma auskristallisiert, können seine Kristalle ihre tafelige oder säulenförmige Form relativ unbehelligt ausbilden, sodass Feldspat oft die größten und auffälligsten Minerale im Gestein bildet. Wenn man also große helle Kristalle in Gesteinen sieht, so bestehen diese häufig aus Feldspat. Genau genommen ist Feldspat ein Oberbegriff für eine ganze Reihe von Mineralen. Es gibt jedoch ein gemeinsames Grundprinzip: Alle Feldspäte bestehen aus einem dreidimensionalen Gerüst aus SiO4- und AlO4-Tetraedern, die an allen vier Ecken über gemeinsame Sauerstoffatome miteinander vernetzt sind. In Summe kommen daher auf jedes Silicium- und jedes Aluminiumatom jeweils zwei Sauerstoffatome. Wie immer müssen wir dabei für jedes Siliciumatom vier positive und für jedes Sauerstoffatom zwei negative Elementarladungen rechnen, sodass sich die Ladungen Struktur des Feldspats für Silicium und Sauerstoff wie bei Quarz gerade neutralisieren.

Augengneis aus dem Böllsteiner Odenwald. In der Mitte sieht man als Auge des Gneises einen hellen, etwa 2 cm großen Feldspatkristall.

Bei den AlO4-Tetraedern ist das anders, denn Aluminium besitzt in seinem Atomkern ein Proton weniger als Silicium. Für ein Aluminiumatom im Zentrum seines Sauerstofftetraeders ergeben sich daher nur drei positive Ladungen, sodass die AlO4-Tetraeder negativ geladen sind und sich gegenseitig abstoßen. Dadurch entstehen im Gitter Zwischenräume, in denen positive Natrium-, Kalium oder Calciumionen sitzen und so die negativen Ladungen neutralisieren (Magnesium- oder Eisenionen sind zu klein, um die Lücken zu füllen).

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Kevin Resag R. Fortey Der bewegte Planet: Eine geologische Reise um die Erde Spektrum Akademischer Verlag 2005 S. Schorn et al. Mineralienatlas: Feldspat http://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Mineralienportrait/Feldspat

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Feldspat

Kalium

Im Prinzip gäbe es noch die Möglichkeit, dass alle drei Elemente in ähnlichen Mengen vorkommen. Diese Möglichkeit ist jedoch stark eingeschränkt, denn Kalium (K+) und Calcium (Ca2+) vertragen sich im Kristallgefüge des Feldspats nicht gut miteinander. Trägt man die möglichen Mischungsverhältnisse in einem Dreieck auf, so gibt es darin eine Mischungslücke: Diese Mischungsverhältnisse kommen in einem einzigen Feldspatkristall nicht vor. Genthelvin (gelb) auf Aegirin (schwarz) und Albit (weiß). Albit ist ein reiner Natriumfeldspat und steht damit genau an der Grenze zwischen Alkalifeldspäten und Plagioklasen.

Alk alif eld spä te

Entscheidend für die Abgrenzung der verschiedenen Feldspatsorten untereinander ist nun das Mischungsverhältnis der Natrium-, Kalium- und Calciumionen im Kristall. Sind hauptsächlich Natrium und Kalium vorhanden, so hat man Alkalifeldspat vor sich. Er entsteht aus silicatreichen Magmen, wenn diese beispielsweise zu Granit erstarren. Kommen dagegen bevorzugt Natrium und Calcium vor, so handelt es sich um Plagioklas. Diese Feldspatsorte bildet sich in silicatarmen Magmen, aus denen beispielsweise Basalt hervorgeht.

Natrium

Mischungslücke

Plagioklase

Calcium

Mögliche Mischungsverhältnisse von Natrium, Kalium und Calcium in Feldspatkristallen

Die mit Metallionen gefüllten Zwischenräume stellen Schwachpunkte im Kristallgitter dar und führen dazu, dass sich Feldspat gut spalten lässt. Sie machen Feldspat zudem anfällig für Verwitterung (), wobei sich der harte Feldspat in weiche Tonminerale verwandelt. Orthoklaskristall, ein reiner Kaliumfeldspat

Verwitterung und Tonminerale  S. 94 S. Dutch, University of Wisconsin Feldspar Structure https://www.uwgb.edu/dutchs/petrology/feldsparstruct.htm

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Pyroxen, Amphibol und Glimmer Minerale zwischen Olivin und Quarz

Wenn basisches – also siliciumarmes – Magma abkühlt, ist das Inselsilicat Olivin () eines der ersten Minerale, das auskristallisiert, zum Teil nach unten sinkt und dem restlichen Magma so einen Teil seiner Eisen- und Magnesiumionen entzieht. Welches Mineral entsteht als Nächstes, wenn die Konzentration dieser Metallionen nicht mehr ausreicht, um Olivin zu bilden? Die SiO4-Tetraeder beginnen nun, sich beim Auskristallisieren an ihren Ecken über gemeinsame Sauerstoffatome zu langen Ketten zu vernetzen, sodass die Minerale der Pyroxengruppe entstehen. In Summe kommen dabei auf jedes Siliciumatom in der Kette drei Sauerstoffatome. Wenn wir wie immer für jedes Siliciumatom im Tetraeder vier positive und für jedes Sauerstoffatom zwei negative Elementarladungen rechnen, so erhalten wir insgesamt pro Tetraeder zwei negative Ladungen – bei den unvernetzten SiO4-Tetraedern im Olivin waren es noch doppelt so viele. Zur Ladungskompensation müssen also pro Siliciumatom sauer nur noch halb so viele Eisen- und Magnesiumionen (sowie manch andere Metallionen) zwischen den

Ketten eingelagert werden wie im Olivin. Pyroxen ist daher nicht mehr ganz so mafisch, also eisen- und magnesiumhaltig, wie Olivin. Pyroxenkristalle bilden typischerweise kurze dunkle Prismen und Säulen, wobei der Eisengehalt für die dunkle Färbung verantwortlich ist. Aufgrund der fehlenden direkten Vernetzungen zwischen den Ketten lassen sich diese Kristalle gut spalten. Man findet sie oft zusammen mit Olivin in basischen Gesteinen wie dem vulkanischen Ergussgestein Basalt oder in Peridotit, dem grobkristallinen Hauptgestein des oberen Erdmantels. Das Auskristallisieren des Pyroxens lässt die Konzentration an SiO4-Tetraedern im abkühlenden Restmagma weiter ansteigen. Sie beginnen sich nun auch zu Doppelketten (Bändern) zu vernetzen und die Mine600 °C

Quarz Muskovit (Hellglimmer) Orthoklas (Kalifeldspat) Biotit

viel Natrium

(Dunkelglimmer)

Die Bowensche Reihe illustriert die typische Kristallisationsreihenfolge bei der Abkühlung eines anfangs basischen heißen Magmas. Der linke Zweig wird im Text erläutert. Wie der rechte Zweig zeigt, durchlaufen auch Feldspäte im selben Magma eine zeitgleich ablaufende Kristallisationsreihenfolge.

Amphibol Plagioklas basisch

Pyroxen

Olivin

(Na-Ca-Feldspat)

gleichzeitiges Auskristallisieren

viel Calcium

1200 °C

Olivin  S. 80 R. Fortey Der bewegte Planet: Eine geologische Reise um die Erde Spektrum Akademischer Verlag 2005 J. Grotzinger, T. H. Jordan, F. Press, R. Siever Press/Siever – Allgemeine Geologie 5. Aufl., Spektrum Akademischer Verlag 2008

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Pyroxen, Amphibol und Glimmer

Kette, Doppelband und Schicht aus SiO4-Tetraedern. Siliciumatome sind grau, Sauerstoffatome rot dargestellt.

rale der Amphibolgruppe zu bilden. Zwischen den Doppelketten sind dabei Hohlräume für Metallionen unterschiedlicher Größen vorhanden, sodass es eine komplexe Vielfalt an Amphibolen gibt, die in vielen verschiedenen Gesteinsarten vorkommen. Äußerlich ähneln die zumeist dunklen bis schwarzen Amphibolkristalle den Pyroxenen, wobei sie ebenfalls gut spaltbar sind, wenn auch mit anderen Spaltwinkeln. Und was kommt nach den Amphibolen im nun schon recht siliciumreichen Magma? Jetzt können die Minerale der Glimmergruppe auskristallisieren, beispielsweise der dunklere Biotit und später auch der hellere

Ein schwarzer Aegirinkristall (ein Pyroxenmineral) auf hellem Feldspat

Muskovit. Die SiO4-Tetraeder verbinden sich dabei zu dünnen Schichten, die ähnlich wie Bienenwaben aussehen und von verschiedenen Metallionen nur relativ schwach zusammengehalten werden. Glimmerkristalle lassen sich daher sehr leicht in dünne elastische Blättchen zerlegen. Glimmer ist eine typische Beimischung silicatreicher Gesteine wie Granit. Wenn der Vorrat an Metallionen im Magma schließlich weitgehend erschöpft ist, bleibt den SiO4-Tetraedern nur noch eine Wahl: Sie müssen sich ganz ohne Metallionen komplett miteinander vernetzen. Was dabei am Schluss entsteht, ist klar: Es ist Quarz ()!

Edenit, ein Amphibolmineral

Bilder unten von Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0 Quarz  S. 84

Rosa Apatit auf blättrigem Muskovit (Hellglimmer)

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Magmatische Gesteine Basalt, Granit und Co.

Wenn Magma aus den Tiefen der Erde nach oben dringt und erstarrt, bilden sich daraus die magmatischen Gesteine (kurz: Magmatite), aus denen ein Großteil der Erdkruste besteht. Je nach chemischer Zusammensetzung des Magmas und der Tiefe, in der es erstarrt, entstehen dabei ganz unterschiedliche Gesteinstypen. Das häufigste Gestein der Erdkruste ist Basalt. Dieses dunkle Ergussgestein entsteht, wenn das Material des Erdmantels aufschmilzt und bis zur Erdoberfläche aufsteigt. In großem Stil geschieht dies an den mittelozeanischen Rücken, wo sich ständig frische ozeanische Basaltkruste bildet. Auch an den sogenannten Hotspots kann Magma aus tiefen Bereichen des Erdmantels nach oben dringen. Die Schildvulkane Hawaiis bilden dafür ein typisches Beispiel. Manchmal kann das dünnflüssige Magma auch aus großen Rissen in der Erdkruste hervorquellen und sich in riesigen Basaltfluten über das Land ergießen, so wie beim größten globalen Massensterben () der Erdgeschichte am Ende des Perm vor 250 Millionen Jahren. Typische Mineralzusammensetzung einiger Magmatite fein

Rhyolith

grob

Granit

Andesit

Basalt

Diorit

Gabbro

Peridotit

Quarz

Pyroxen

vie

lN

a

Mineralanteil

Plagioklas (Na-Ca-Feldspat)

vie lC a

Kalifeldspat

Mus

70

mer) llglim kelglimmer) n t (He kovi Biotit (Du

700 °C

Olivin

Amphibol

60 50 Anteil an Siliciumdioxid (Gew. %)

sauer

40

basisch / mafisch Schmelztemperatur

Globale Massensterben  S. 122

Basalt besteht haupt- Basaltische Stricklava auf Hawaii sächlich aus grünlichem Olivin, dunklem Pyroxen und hellem Plagioklas, einem calciumreichen Feldspat. Quarz kann sich dagegen in der siliciumarmen („basischen“) Lava nicht bilden, denn dafür ist der Gehalt an SiO2 zu niedrig.

1200 °C

Da die Basaltlava an der Oberfläche schnell erstarrt, haben die Mineralkristalle nur wenig Zeit zu wachsen und sind daher oft nur unter dem Mikroskop erkennbar. Das ist anders, wenn das Magma in einigen Kilometern Tiefe stecken bleibt und dort zum Tiefengestein Gabbro auskristallisiert. Da dies sehr langsam geschieht, können die Mineralkristalle hier wesentlich größer werden und sind auch mit dem bloßen Auge gut erkennbar.

91

Magmatische Gesteine

Gabbro weist also dieselbe chemische Zusammensetzung auf wie das Ergussgestein (Vulkanit) Basalt, besteht aber als Tiefengestein (Plutonit) aus sehr viel größeren Kristallen. Auf den Kontinenten findet man Gabbro an vielen Stellen. Seine eigentliche Heimat ist jedoch die ozeanische Kruste unterhalb ihrer Basaltdeckschicht. Wenn das Magma nicht mehr genug Eisen- und Magnesiumionen für die Bildung von Olivin enthält, entsteht neben dem dunklen Pyroxen vermehrt heller Plagioklas und dunkler Amphibol. Ein typisches Tiefengestein, das aus diesen Mineralen besteht, ist Diorit, das mit seinem schwarzweiß gesprenkelten Aussehen an eine Mischung von Salz und Pfeffer erinnert. Sein chemisch gleichartiges vulkanisches Gegenstück ist das Gestein Andesit, das mit seinen mikroskopisch kleinen Kristallen insgesamt eher dunkelgrau aussieht. Man findet Diorit oft am Rand großer Granitvorkommen, während Andesit in vielen Vulkangebieten der Erde vorkommt, beispielsweise in den Anden, woher sein Gesteinsname rührt. Aus besonders siliciumreichen („sauren“) Magmen kristallisieren schließlich hauptsächlich Feldspat (insbesondere Kalifeldspat), Quarz und Glimmer aus. Im Gabbro aus der Sierra Nevada in Kalifornien

Diorit

Freigelegter Granit/Granodiorit am Half Dome im Yosemite-Nationalpark (Kalifornien)

Inneren der Kontinente können sich so in mehreren Kilometern Tiefe riesige Granitvorkommen bilden, die man allerdings erst zu Gesicht bekommt, wenn sie angehoben und von der Erosion freigelegt werden. Schafft es das Magma dagegen aus eigener Kraft an die Erdoberfläche, so entsteht das sehr feinkristalline hellgraue Vulkangestein Rhyolith, das wegen der hohen Zähigkeit des sauren Magmas oft in verheerenden Vulkanexplosionen ausgestoßen wird. Andesit

Rhyolith

R. Fortey Der bewegte Planet: Eine geologische Reise um die Erde Spektrum Akademischer Verlag 2005 J. Grotzinger, T. H. Jordan, F. Press, R. Siever Press/Siever – Allgemeine Geologie 5. Aufl., Spektrum Akademischer Verlag 2008

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Metamorphe Gesteine

Kratone und die ältesten Gesteine der Erde Wo muss man eigentlich suchen, wenn man die ältesten Gesteine der Erde finden will? Was wäre das dann für ein Gestein? Als die Erde vor rund 4,5 Milliarden Jahren entstand und begann, sich abzukühlen, gab es in der sich bildenden dünnen Gesteinskruste nur eine einzige Gesteinsart: Basalt. Doch hat von dieser frühen Kruste irgendein Gesteinsstück die Jahrmilliarden bis heute überdauert? Immer wieder haben Meteoriteneinschläge die Erdkruste durcheinandergewirbelt und teilweise

aufgeschmolzen. Zusätzlich dazu ist die Erde ein tektonisch sehr aktiver Planet, der seine ozeanische Kruste ständig umwälzt und erneuert – kein Teil der ozeanischen Kruste ist heute älter als 200 Millionen Jahre! Wir müssen also auf den Kontinenten suchen, wenn wir ältere Gesteine finden wollen. Im Lauf der Erdgeschichte sind die Kontinente immer weiter gewachsen: Beim Abtauchen der ozeanischen Kruste unter eine andere Kontinentalplatte entstehen silicatreiche Schmelzen, dringen nach oben und bilden neues Gestein, das an die kontinentale Kruste angeschweißt wird. Uralte Gesteine können wir also nur in den ursprünglichen Bereichen der Kontinente finden, die sich bereits in der Frühzeit der Erde gebildet haben. Diese kontinentalen Kernbereiche nennt man Kratone. Es gibt auf der Erde einige Stellen, an denen die Erosion das uralte Gestein dieser Kratone freigelegt hat. Was man dort heute findet, ist allerdings nicht mehr

Alter des nordamerikanischen Grundgesteins. Die orangerötlichen Farben repräsentieren die präkambrischen Gesteine der alten Kratone im Kanadischen Schild (älter als 540 Mio. Jahre), die violettblauen Farben stehen für die Zeit des Erdaltertums (540–250 Mio. Jahre alt), die grünen Farbtöne stellen die Zeit des Erdmittelalters dar (250–65 Mio. Jahre) und die gelblichen Farben die Erdneuzeit (jünger als 65 Mio. Jahre).

R. Fortey Der bewegte Planet: Eine geologische Reise um die Erde Spektrum Akademischer Verlag 2005 J. Grotzinger, T. H. Jordan, F. Press, R. Siever Press/Siever – Allgemeine Geologie 5. Aufl., Spektrum Akademischer Verlag 2008

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Metamorphe Gesteine

das ursprüngliche Gestein. Die enormen Kräfte, die im Lauf der Jahrmilliarden immer wieder auf die alten Gesteine eingewirkt haben, haben sie verändert und in Gneise und Grünsteine umgewandelt. Allgemein entstehen solche metamorphen Gesteine immer dann, wenn die Ausgangsgesteine mehrere Kilometer tief unter die Erdoberfläche gelangen, was insbesondere bei der Bildung von Gebirgen geschieht. Dort unten werden sie bei hohen Temperaturen wie in einem Schraubstock zusammengepresst, ohne zu schmelzen. Ihre chemische Zusammensetzung bleibt dabei erhalten, aber die Mineralkristalle können sich verändern, umkristallisieren oder verformen. Ein bekanntes metamorphes Gestein ist Marmor, der aus Kalkstein entsteht. Die alten Grünsteine der Kratone bilden sich dagegen aus basischen Gesteinen wie Basalt, während Gneise aus unterschiedlichen eher sauren Gesteinen hervorgehen und ähnlich wie Granit hauptsächlich aus den Mineralen Feldspat, Quarz und Glimmer bestehen. Dabei bilden Gneise aufgrund des hohen Drucks bei der Metamorphose meist eine Schichtstruktur (Foliation) aus – solche Schichten weist Granit nicht auf.

Die ältesten Gneise, deren Alter zweifelsfrei feststeht, sind die 4,03 Milliarden Jahre alten Acasta-Gneise vom Slave-Kraton des kanadischen Schilds. Möglicherweise hat man in jüngerer Zeit im kanadischen Nuvvuagittuq-Grünsteingürtel sogar noch ältere Gesteine aufgespürt, die man auf 4,4 Milliarden Jahre datiert hat, wobei diese Altersangabe unter Fachleuten noch heftig umstritten ist. Die ältesten Mineralkristalle, die man heute sicher kennt, sind 4,4 Milliarden Jahre alte winzige Zirkone (). Das Gestein, in dem sie sich einst bildeten, ist wohl längst zerstört worden, sodass bis heute eine zeitliche Lücke zwischen diesen ältesten Mineralkristallen und den ältesten intakten Gesteinen klafft, deren Alter unstrittig ist. Diese Lücke wäre geschlossen, wenn sich das Alter der Gesteine im Nuvvuagittuq-Grünsteingürtel tatsächlich bestätigen ließe – eine überaus spannende Geschichte, die sicher noch so manchen Geologen in die kanadische Wildnis locken wird. Acasta-Gneis gehört zu den ältesten Gesteinen der Erde

Gesteine des NuvvuagittuqGrünsteingürtels an der Hudson Bay im nördlichen Kanada

Zirkon  S. 82 C. Zimmer Gesteine fast so alt wie die Welt? Spektrum der Wissenschaft, Oktober 2014, S. 68

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Verwitterung und Tonminerale Was der Zahn der Zeit übrig lässt

Wenn Gesteine an der Erdoberfläche ungeschützt zutage liegen, beginnen die Kräfte der Erosion unbarmherzig an ihnen zu nagen. Manche Gesteine wie Kalkstein werden sehr schnell vom Wasser aufgelöst, während Silicatgesteine oft erst von Temperaturschwankungen, Wind, Wasser und Eis mechanisch zerlegt werden müssen, bevor sie an der dadurch vergrößerten Oberfläche langsam auch chemisch zu verwittern beginnen. Besonders bei mittelalterlichen Steinkreuzen kann man sehr schön beobachten, wie die Gesteinsoberfläche dabei langsam zerfressen wird und die Schriftzeichen zunehmend unleserlich werden. Bräunlich verwitternder Columbia-Plateaubasalt, durchschnitten vom Palouse River Canyon im US-Bundesstaat Washington

Was man für die chemische Verwitterung braucht, ist Wasser. In trockenen Wüsten oder gar auf dem Mond verwittern Gesteine kaum chemisch, während in den feuchtwarmen Tropen die Verwitterung sehr tiefgründig erfolgt. Einen wichtigen Angriffspunkt bilden die verschiedenen Metallionen, die in den Mineralen der Gesteine eingebaut sind. Hier dringen die im Wasser vorhandenen H+-Ionen ein, lagern sich an die Sauerstoffionen der SiO4- und AlO4-Tetraeder an und verdrängen die dazwischenliegenden Metallionen aus dem Kristallgitter – man spricht hier von Hydrolyse. Je mehr Säure und damit H+-Ionen das Wasser dabei enthält, umso effektiver läuft diese Reaktion ab.

Steinkreuz bei Dresden

R. Fortey Der bewegte Planet: Eine geologische Reise um die Erde Spektrum Akademischer Verlag 2005 J. Grotzinger, T. H. Jordan, F. Press, R. Siever Press/Siever – Allgemeine Geologie 5. Aufl., Spektrum Akademischer Verlag 2008

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Verwitterung und Tonminerale

Da die H+-Ionen sehr viel kleiner als die verdrängten Calciumionen sind und sich fest mit den Sauerstoffionen im Feldspatgitter verbinden, wird das Kristallgitter nun komplett umgebaut. Ein Teil des Siliciumdioxids wird freigesetzt und in Form von Kieselsäure fortgespült. Außerdem wird Wasser im Kristall eingebaut.

Der Mars, fotografiert von der Viking-Sonde im Jahr 1976. Die farbgebenden Eisen(III)-kationen könnten in der Frühzeit des Planeten durch den Einfluss von flüssigem Wasser entstanden sein, aber es werden auch andere Mechanismen diskutiert.

Bei besonders eisenreichen Mineralen kommen die herausgelösten Eisen(II)-kationen (Fe2+) in Kontakt mit dem Luftsauerstoff und oxidieren zu Eisen(III)-kationen (Fe3+), wobei sich Eisenminerale wie der braune Goethit (FeOOH) oder der rötliche Hämatit (Fe2O3) bilden. Tatsächlich kann man beobachten, wie beispielsweise Basalt an seiner Oberfläche regelrecht rostet und sich mit einer rotbraunen Kruste überzieht. So wie die Fe2+-Ionen für die dunkle Farbe vieler Gesteine verantwortlich sind, sind die Fe3+-Ionen die Farbgeber für unsere braunen Böden, für die rötliche Farbe vieler Landschaften (man denke an das Outback Australiens) und sogar für die Farbe unseres roten Nachbarplaneten Mars. Auch Feldspat, die häufigste Mineralgruppe in der Erdkruste, verwittert durch Hydrolyse. Die eindringenden H+-Ionen aus dem Wasser verdrängen dabei beispielsweise die Calciumionen, die sich mit den OH−-Ionen des Wassers zu Calciumhydroxid vereinen und im Wasser auflösen, um irgendwann später zusammen mit dem Kohlendioxid der Luft Calciumhydrogencarbonat zu bilden.

Das weißlich erdige Mineral Si2Al2O5(OH)4, das bei diesem Umbau als typischer Verwitterungsrückstand entsteht, trägt den Namen Kaolinit. Seine Kristallstruktur ist völlig anders als die von Feldspat: Sie besteht aus übereinandergestapelten Doppelschichten, die nur von relativ schwachen Kräften zusammengehalten werden. Diese Schichtstruktur ist typisch für die Gruppe der Tonminerale, die mit ihren meist winzigen weichen Kristallschuppen einen wesentlichen Bestandteil unserer Böden bilden. Doppelschichtstruktur des Kaolinits – bei der Doppelschicht rechts sind nur die ersten Atome dargestellt.

Winzige blättrige Kaolinitkristalle, aufgenommen von einem Rasterelektronenmikroskop

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Eisensulfid

Vom Wattenmeer zum Katzengold Die Herstellung von Eisensulfid FeS ist ein beliebter Versuch im Chemieunterricht: Man mischt Eisen- und Schwefelpulver miteinander und erhitzt es kurz, worauf sich die beiden Elemente unter Wärmeabgabe zu braunschwarzem Eisensulfid verbinden.

ser Eigenschaft hat das Mineral seinen Namen zu verdanken, denn pyr steht im Altgriechischen für Feuer.

Pyrit ist das häufigste Sulfidmineral in der Erdkruste. Es kommt in Form kleiner undurchsichtiger Körnchen als Beimischung in vieIn der Natur findet man Eisensullen magmatischen Gesteinen vor. fid hauptsächlich in zwei Varian- Im Reagenzglas hergestelltes Eisensulfid Heißes Tiefenwasser kann Pyrit ten. Neben Eisen(II)-sulfid (FeS), teilweise auflösen und beim Abdas aus zweiwertigen Eisenkationen (Fe2+) und Sulfid- kühlen in Hohlräumen und Gesteinsklüften wieder Anionen (S2−) zusammengesetzt ist, existiert auch ablagern, sodass es sich dort ansammelt. Eisen(II)-disulfid (FeS2), bei dem Disulfid-Anionen (S22−) anstelle der Sulfid-Anionen im Kristallgitter An den sogenannten Schwarzen Rauchern () tritt in eingebaut sind. Meist tritt Eisendisulfid in Form des 2000–5000 m Wassertiefe heißes mineralreiches WasMinerals Pyrit auf, das wegen seiner goldglänzenden ser sogar direkt ins Meer aus. Sobald das heiße Wasser Farbe auch als Katzengold beauf das eiskalte Wasser der Tiefsee trifft, werden das kannt ist. darin gelöste Eisensulfid und anPyrit dere Minerale ausgefällt und bilVielen unserer frühen Vorfahren den eine dunkle Wolke, die wie war Pyrit wohlbekannt, denn schwarzer Rauch aussieht. Im man kann mit ihm Funken erzeuLauf der Zeit entstehen daraus gen und so ein Feuer entfachen. viele Meter hohe Mineralschlote Dazu schlägt man beispielsweise auf dem Meeresgrund. mit einem Feuerstein von einem Stück Pyrit kleine Splitter ab, die Auch biologische Prozesse könsich dabei durch die Reibungsnen Eisensulfid erzeugen: Wer wärme entzünden und mit dem schon einmal an der Nordsee Luftsauerstoff zu Eisenoxid und gewesen ist, wird sich vermutlich Schwefeldioxid verbrennen. Diean die schwarze Farbe erinnern,

Schwarze Raucher  S. 134

Eisensulfid

Ein Schwarzer Raucher auf dem Grund des Pazifiks, besiedelt von einer Kolonie Röhrenwürmer

die das Watt unterhalb seiner nur wenige Millimeter dicken hellen Deckschicht annimmt. Die dunkle Farbe stammt von fein verteiltem schwarzem Eisensulfid, das sich bildet, wenn organische Stoffe ohne Sauerstoffzufuhr von Bakterien zersetzt werden. Dabei entsteht zunächst gasförmiger Schwefelwasserstoff (H2S), der auch für den fauligen Geruch des Wattbodens verantwortlich ist. Dieser Schwefelwasserstoff verbindet sich dann mit vorhandenen Eisenionen zu schwer löslichem Eisensulfid.

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Aufgegrabener Wattboden. Die sauerstoffreiche oberste Bodenschicht ist mit Fo, die darunterliegende sauerstoffarme Schicht mit Fr bezeichnet. Pyritisierter Ammonit

Derselbe Vorgang findet auch in schwarzen Faulschlämmen statt, die hervorragende Entstehungsorte für Fossilien sind: Tote Tiere und Pflanzen verwesen bei dem dort herrschenden Sauerstoffmangel nicht sofort, sondern sie werden in die Schlammschichten eingebettet. Im Lauf der Zeit ersetzen dann Minerale wie Pyrit die organischen Bestandteile und konservieren so ihre Strukturen für die Nachwelt. Manchmal entstehen so wunderschöne Fossilien, denen Pyrit einen goldenen Glanz verleiht – eine bekannte Fundstätte für solche Fossilien in Deutschland ist der Hunsrückschiefer.

J. Grotzinger, T. H. Jordan, F. Press, R. Siever Press/Siever – Allgemeine Geologie 5. Aufl., Spektrum Akademischer Verlag 2008 G. K Kühl, C. Bartels, D. Briggs, J. Rust Fossilien im Hunsrück-Schiefer: Einzigartige Funde aus einer einzigartigen Region Quelle & Meyer 2011

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Meerwasser und Evaporite Wenn Meere austrocknen

Meerwasser schmeckt salzig – kein Wunder, denn 1 kg davon enthält im Durchschnitt rund 35 g Salz. Das meiste davon besteht aus Natrium- und Chlorid-Ionen, wie man sie von Kochsalz her kennt. Außerdem findet man Magnesium-, Calcium-, Kalium- und Sulfat-Ionen sowie Spuren anderer Ionen darin. Doch wo kommen all diese Ionen eigentlich her? Die meisten Metallionen werden bei der Verwitterung () von Mineralen wie Feldspat freigesetzt, in deren Kristallgitter sie eingebaut sind. Die Chlorid- und Sulfat-Ionen haben ihren Ursprung dagegen hauptsächlich in vulkanischen Schloten, die unter anderem Salzsäure (HCl) und Schwefeloxide ausstoßen. Diese Gase können sich gut in Wasser lösen und reagieren dort letztlich mit anderen Stoffen zu Salzen. Calcium (Ca2+) 1,2 % (0,42 g) Magnesium (Mg2+) 3,7 % (1,3 g)

Man weiß, dass der Salzgehalt des Meeres seit mindestens 600 Millionen Jahren annähernd stabil ist. Aber müsste das Meer nicht eigentlich immer salziger werden? Schließlich spülen Flüsse immer neues Salz in die Ozeane, aber nur das Wasser kann wieder aus ihnen verdunsten, während das Salz zurückbleibt. Es muss also Prozesse geben, die Salz wieder aus dem Meer entfernen. Ein wichtiger solcher Prozess besteht darin, dass salziges Meerwasser von den Sedimenten am Grund der Ozeane aufgenommen wird. An den Subduktionszonen (Tiefseegräben) sinkt die ozeanische Kruste schließlich mitsamt ihrer meerwassergetränkten Sedimente in den Erdmantel hinab und schmilzt dort teilweise auf. Hierbei spielt der Wassergehalt eine wichtige Rolle, denn er senkt den Schmelzpunkt des Gesteins.

Kalium (K+) 1,1 % (0,39 g) Restbestandteile 0,7 % (0,25 g)

Natrium (Na+) 30,6 % (10,7 g) Wasser 96,5 % (965 g)

Chlorid (Cl–) 55 % (19,25 g)

Tie fse eg rab en ozeanische Kruste

Vulkankette

kontinentale Kruste Lithosphäre Lithosphäre Asthenosphäre

Sulfat (SO42–) 7,7 % (2,7 g)

Meeressalze 3,5 % (35 g)

Mittlere Zusammensetzung von 1 kg Meerwasser

Verwitterung und Tonminerale  S. 94

Subduktion (Absinken) ozeanischer Kruste

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Meerwasser und Evaporite

Manche Salzionen gelangen so in das Magma und in die daraus gebildeten Gesteine, während andere chemisch zu Gasen wie Schwefeldioxid, Schwefelwasserstoff, Salzsäure und Kohlendioxid reagieren und zusammen mit Wasserdampf von Vulkanen wieder ausgestoßen werden. Wenn Wasser in flachen abgeschotteten Randmeeren oder in Salzseen verdunstet, bleibt das darin gelöste Salz zurück und wird damit ebenfalls dem Ozean entzogen. Im Lauf von Jahrmillionen können sich so mächtige Salzschichten bilden, die man Evaporite nennt, nach lat. evapore, „ausdünsten“. Dabei lagern sich bei steigender Salzkonzentration zuerst die am schwersten löslichen Bestandteile wie Kalk und Dolomit ab, später folgt Calciumsulfat (CaSO4 als Gips und Anhydrit) sowie Steinsalz (Kochsalz, NaCl) und am Schluss fallen gegebenenfalls auch die sehr gut löslichen Salze wie Kaliumchlorid (KCl) aus. Es kann sich also im Idealfall eine typische Schichtenabfolge bilden, die sich auch in vielen Salzablagerungen beobachten lässt.

Helgoland um das Jahr 1900

Im Norden Deutschlands und unter der Nordsee sind auf diese Weise im späten Perm vor rund 260 Millionen Jahren bis zu 1,5 km mächtige Salzschichten entstanden, als das flache Zechsteinmeer immer wieder die sich absenkende Landschaft überflutete, dann vom Ozean abgeschnürt wurde und austrocknete. Damals lag Mitteleuropa als Teil Pangäas noch recht nahe am Äquator in einer trocken-heißen Klimazone. Als sich das Land später weiter absenkte, wurden die Salzschichten von weiteren Sedimenten verschüttet, sodass sie heute in rund 3 km Tiefe liegen. Da sich Salz unter Druck ähnlich wie Gletschereis plastisch verformt, konnte es an einigen Stellen nach oben quellen und dort die typischen Salzstöcke formen, wie wir sie beispielsweise aus Gorleben kennen. Auch die Nordseeinsel Helgoland verdankt ihre Existenz einem unter ihr liegenden emporquellenden Salzstock. Salzablagerungen am Toten Meer (Israel). So könnte auch das Ufer des Zechsteinmeeres vor rund 260 Millionen Jahren ausgesehen haben.

P. Rothe Die Erde: Alles über Erdgeschichte, Plattentektonik, Vulkane, Erdbeben, Gesteine und Fossilien Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2014 J. Grotzinger, T. H. Jordan, F. Press, R. Siever Press/Siever – Allgemeine Geologie 5. Aufl., Spektrum Akademischer Verlag 2008

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Kalk und Dolomit Wenn Riffe zu Bergen werden

Wo es Wasser gibt, da gibt es meist auch Kalk – oder chemisch korrekt ausgedrückt: Calciumcarbonat (CaCO3). Eigentlich ist Kalk aber in Wasser kaum löslich. Das ändert sich, sobald Kohlendioxid (CO2) im Wasser gelöst ist. Ein Teil des Kohlendioxids reagiert mit dem Wasser dabei zu Kohlensäure (H2CO3), die wiederum ein Proton (H+) an das Carbonat-Ion (CO32−) des Kalks abgeben kann und es so in ein Hydrogencarbonat-Ion (HCO3−) umwandelt. In Summe entsteht dabei Calciumhydrogencarbonat (Ca(HCO3)2), das sich gut in Wasser löst: CaCO3 + H2O + CO2 o Ca(HCO3)2 Genau diese Reaktion läuft beispielsweise ab, wenn CO2-reiches Regenwasser in Karstgebieten in das Kalkgestein eindringt und tiefe Rinnen und Höhlensysteme hineinfrisst. Die Reaktion ist auch umkehrbar: Wenn das Kohlendioxid aus dem Wasser entweicht, was beispielsweise beim Erwärmen oder Verdunsten geschieht, wandelt sich das darin gelöste Calciumhydrogencarbonat wieder in schwer lösliches Calciumcarbonat um und scheidet sich als Kalkschicht ab. Genau das geschieht beispielsweise in einem Heißwasserkocher. Auch in der Natur scheidet sich auf diese Weise oft Kalk in großen Mengen ab. Ein Beispiel dafür sind die Bahamas: Hier steigt kaltes kalkhaltiges Tiefenwasser

Karstlandschaft in Andalusien (Spanien)

auf und erwärmt sich in den flachen Lagunen und Riffen der Bahama Banks. Seit mindestens 70 Millionen Jahren wird hier Kalk abgelagert, sodass auf dem absinkenden Meeresboden bis heute Carbonatplattformen von über 4 km Mächtigkeit angewachsen sind. Dabei spielen Meereslebewesen eine wichtige Rolle. Die meisten Kalkvorkommen auf der Erde sind durch ihre Aktivität entstanden. Viele Wasserbewohner filtern Calciumhydrogencarbonat aus dem Wasser, wandeln es in Calciumcarbonat um und bauen daraus Schalen oder Skelette auf. Nach dem Tod der Organismen bleiben diese erhalten und können zu mächtigen Schichten anwachsen. Wenn sie allerdings im offenen Ozean bis in die Tiefsee absinken, so lösen sie sich ab einer Wassertiefe von etwa 4 km – der sogenannten Carbonatkompensationstiefe – wieder auf, denn das kalte Tiefenwasser enthält die dafür notwendige Konzentration an CO2.

Spektrum Lexikon der Geowissenschaften Carbonat-Kompensationstiefe http://www.spektrum.de/lexikon/geowissenschaften/ carbonat-kompensationstiefe/2549

Kalk und Dolomit

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Calciumcarbonat kann in Form unterschiedlicher Minerale auskristallisieren, die zwar chemisch identisch sind, sich aber durch verschiedene Anordnungen der Ca2+- und CO32−-Ionen im Kristallgitter unterscheiden. Am häufigsten sind der stabile Calcit (auch Kalkspat oder Doppelspat genannt) und der metastabile Aragonit. Ein anderes häufig vorkommendes Mineral bildet sich, wenn Kalksedimente von magnesiumreichem Wasser durchdrungen werden. Dabei wird die Hälfte der Calciumionen (Ca2+) durch Magnesiumionen (Mg2+) ersetzt und es entsteht Dolomit (CaMg(CO3)2). Anders als Kalk ist Dolomit recht widerstandsfähig gegen Säuren: Wenn man beispielsweise Salzsäure über Dolomit gießt, geschieht kaum etwas, während Calciumcarbonat sich unter heftiger CO2-Entwicklung in Calciumchlorid umwandelt. Die Bahama Banks sind in diesem Satellitenbild gut als hellblaue Bereiche zu erkennen.

Der Einserkofel in den Sextener Dolomiten (Südtirol, Italien). Die Dolomiten bestehen größtenteils aus Dolomitgesteinen, die sich in der Trias vor über 200 Millionen Jahren im damaligen Tethysmeer bildeten. Damals sahen die Dolomiten so ähnlich aus wie die Bahama Banks heute. Korallenriff im Roten Meer

R. Fortey Der bewegte Planet: Eine geologische Reise um die Erde Spektrum Akademischer Verlag 2005 P. Rothe Die Erde: Alles über Erdgeschichte, Plattentektonik, Vulkane, Erdbeben, Gesteine und Fossilien Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2014

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Der Carbonat-Silicat-Zyklus Wo befindet sich das Kohlendioxid der Erde?

Im Vergleich zu anderen Planeten enthält die Atmosphäre der Erde nur relativ wenig Kohlendioxid – es sind gerade einmal 0,04 %. Das ist bei unserem Nachbarplaneten Venus ganz anders: Ihre Atmosphäre enthält 90-mal mehr Gas als die Erdatmosphäre und besteht fast nur aus Kohlendioxid. Wie kommt dieser Unterschied zustande? An der Größe kann es nicht liegen, denn die Venus ist fast genauso groß wie die Erde. Sie liegt aber deutlich näher an der Sonne und ist damit so heiß, dass sich kein flüssiges Wasser auf ihr halten kann. Und genau das macht den Unterschied aus, denn Kohlendioxid löst sich sehr gut in Wasser und bildet darin Kohlensäure, die Silicatgesteine angreift und verwittern ()

Größenvergleich von Venus (links als Radarkarte) und Erde mit Mond

lässt. Dabei werden unter anderem Calciumionen aus dem Gestein herausgelöst, die sich mit der Kohlensäure letztlich zu Calciumcarbonat (Kalk (), CaCO3) verbinden, das sich in dicken Schichten auf dem Boden der Meere ablagert. Dort liegt also das Kohlendioxid der Erde: gebunden in Form von Kalkgesteinen. Eigentlich dürfte es dann fast gar kein Kohlendioxid in der Erdatmosphäre mehr geben. Doch wenn der Meeresboden zusammen mit den darauf abgelagerten Kalkgesteinen nach vielen Jahrmillionen an den Tiefseegräben in den heißen Erdmantel absinkt, wird dort das enthaltene Kohlendioxid wieder befreit und findet über Vulkane seinen Weg zurück in die Atmosphäre. Die Kreidefelsen der Insel Rügen bestehen aus den mikroskopischen Kalkschalen abgestorbener Kalkalgen der Kreidezeit.

Verwitterung und Tonminerale  S. 94 P. F. Hoffmann, D. P. Schrag Als die Erde ein Eisklumpen war Spektrum der Wissenschaft, April 2000, S. 58 N. Shubin Das Universum in Dir S. Fischer 2014

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Der Carbonat-Silicat-Zyklus

Damit schließt sich der geologische Kreislauf, den man wegen des Wechsels zwischen Carbonat- und Silicatgesteinen auch als Carbonat-Silicat-Zyklus bezeichnet. Dieser Kreislauf hält den Gehalt des Treibhausgases () Kohlendioxid in der Atmosphäre über lange Zeiten hinweg relativ stabil und wirkt dadurch wie ein sehr träges Thermostat: Erhöht sich der CO2-Gehalt und damit die mittlere Erdtemperatur, so fallen mehr Niederschläge und die Verwitterungsrate steigt an. Dadurch wird wieder mehr CO2 als Kalk gebunden. In der Zeit vor 750–580 Millionen Jahren könnte dieser Erdthermostat allerdings versagt haben. Damals lagen vermutlich viele kleinere Kontinente in den warmen regenreichen Tropen, sodass die Verwitterung dort sehr intensiv war und das meiste Kohlendioxid aus der Atmosphäre gewaschen wurde. Die Temperatur fiel entsprechend ab und Eismassen schoben sich von den Polen in Richtung Äquator, reflektierten immer mehr Sonnenlicht und bedeckten schließlich die gesamte Erde – ein Szenario, das als Schneeball Erde bekannt wurde. Blick auf das Larsen-Schelfeis in der Antarktis. So könnte im Schneeball-Erde-Szenario zeitweise die ganze Erde ausgesehen haben.

Ausbruch des Mount St. Helens am 18. Mai 1980

Erst als Vulkane wieder genügend CO2 in die Atmosphäre geblasen hatten, konnte sich unser Planet aus seinem Eispanzer befreien und verwandelte sich womöglich innerhalb kurzer Zeit in ein globales Treibhaus. Dieser Wechsel zwischen Eiswüste und Sauna könnte sogar mehrere Male stattgefunden haben, bis vor 580 Millionen Jahren wieder ausreichend Landmassen in Richtung der Pole gedriftet waren und sich ein gemäßigtes Erdklima etablieren konnte – eine Chance, die das mehrzellige Leben in der anschließenden kambrischen Explosion dazu nutzte, die Ozeane in Besitz zu nehmen und alle modernen Tierstämme hervorzubringen, die wir heute kennen.

Kalk und Dolomit  S. 100 Treibhausgase  S. 104 J. Resag Zeitpfad: Die Geschichte unseres Universums und unseres Planeten Springer Spektrum 2012

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Treibhausgase Die Wärmedecke der Erde

Betrachtet man die Stärke der Sonneneinstrahlung auf der Erdoberfläche, so müsste die mittlere Temperatur dort eigentlich bei eisigen −18 °C liegen. Das Wasser der Ozeane wäre weitgehend gefroren und Leben wäre wohl nur sehr eingeschränkt möglich. Tatsächlich herrschen aber im Mittel angenehme +15 °C. Woher kommt diese lebenswichtige Temperaturerhöhung um immerhin 33 Grad? Der Grund ist in der Atmosphäre der Erde zu suchen. Bestimmte Gase darin wirken ähnlich wie das Glasdach eines Treibhauses, weshalb man sie auch Treibhausgase nennt. Sie lassen sichtbares Sonnenlicht weitgehend ungehindert durch, sodass sich die Erdoberfläche erwärmen kann. Die von ihr abgestrahlte Wärmestrahlung wird dagegen kaum durchgelassen und bleibt durch diesen Treibhauseffekt wie unter einer atmosphärischen Glaskuppel gefangen.

Sonnenstrahlen

Das wichtigste Treibhausgas ist gasförmiger Wasserdampf, der rund die Hälfte des natürlichen Treibhauseffekts auf der Erde bewirkt. Er ist der Grund dafür, warum sich die Luft in einer feucht-schwülen Sommernacht nur langsam abkühlt, während es in einer trockenen Wüstengegend nachts empfindlich kalt werden kann. Nach Wasserdampf ist das zweitwichtigste Treibhausgas Kohlendioxid (CO2), auch wenn es mit einem Volumenanteil von nur 0,04 % auf den ersten Blick vernachlässigbar erscheint. Nicht vergessen darf man auch das Treibhausgas Methan (CH4), das zwar nur in geringen Spuren in der Luft vorkommt, aber 20-mal stärker als CO2 wirkt.

Atmosphäre Wirkung der Treibhausgase

Im Spätsommer 2012 erreichte die Fläche des arktischen Meereises einen neuen Tiefstand. Die gelbe Linie zeigt die mittlere minimale Eisbedeckung von 1979 bis 2010.

Viel ausgeprägter als auf der Erde ist der Treibhauseffekt auf der Venus. Ihre sehr dichte CO2-Atmosphäre sorgt dort für mittlere Temperaturen von 460 °C. So

P. D. Ward Tod aus der Tiefe Spektrum der Wissenschaft, März 2007 J. Resag Zeitpfad: Die Geschichte unseres Universums und unseres Planeten Springer Spektrum 2012 Wikipedia Globale Erwärmung

105

Treibhausgase

Cm O S D

C

P Tr

J

°C vs. Durchschnitt 1960–1990

+14

K

Pal PETM

Eozän

Olig.

Miozän

Pliozän

Pleistozän

Holozän

Frühes Eozän

+12 +10 +8

K-T

+6 +4

2100

Eem letzteiszeitl. Maximum

+2 0 -2

2050

Holozän

Perm

-4

Jüngere Dryaszeit

-6

500

400 300

200

100 60

50 40 30 20 10 Millionen Jahre vor heute

5

4

3

2

1000 800

600 400 200 20 15 10 Jahrtausende vor heute (2015 CE)

5

0

Rekonstruierte Erdtemperatur in den letzten 540 Millionen Jahren, dargestellt in fünf Zeitfeldern mit jeweils unterschiedlichem Zeitmaßstab. Sie zeigen, dass die Erde meist deutlich wärmer war als heute. Die roten Punkte am rechten Rand zeigen Schätzwerte für die Jahre 2050 und 2100, die sich aufgrund der globalen Erwärmung ergeben.

heiß wird es selbst auf dem innersten Planeten Merkur nicht. Auch der Mars könnte vor langer Zeit eine dichtere CO2-Atmosphäre besessen haben. Ihr Treibhauseffekt hat vermutlich sogar die Existenz von flüssigem Wasser ermöglicht – heute ist es auf dem Mars dafür zu kalt. Der CO2-Gehalt der Erdatmosphäre lag in der fernen Vergangenheit meist deutlich über seinem heutigen Wert. Im Jura, zur Blütezeit der Dinosaurier vor rund 150 Millionen Jahren, war er beispielsweise rund fünfmal höher als heute. Das Erdklima war entsprechend warm, die Pole eisfrei und der Meeresspiegel lag deutlich höher. Gelegentlich kam es in der Erdgeschichte auch zu katastrophalen Freisetzungen von Treibhausgasen mit heftigen Folgen für das Erdklima. Am verheerendsten waren wohl die riesigen Basaltfluten im heutigen Sibirien am Ende des Perm vor 250 Millionen Jahren, die vermutlich zum größten Massensterben () der Erdgeschichte führten.

Globale Massensterben  S. 122

Auch wir Menschen sind momentan dabei, durch die Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas den Anteil an CO2 wieder deutlich zu erhöhen. Seit dem Beginn der industriellen Revolution ist der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre bereits um rund 40 % angestiegen. Zugleich hat die mittlere Erdtemperatur zwischen 1880 und 2012 um 0,85 Grad zugenommen und könnte bis zum Jahr 2100 um bis zu 5 Grad zulegen. Die Polkappen beginnen bereits zu schmelzen und der Meeresspiegel steigt aktuell um drei Zentimeter pro Jahrzehnt an. Wir sind also sicher gut beraten, den Ausstoß an Treibhausgasen so gering wie möglich zu halten.

106

3 Chemie der Erde und der Planeten

Wandlungsfähiger Kohlenstoff Graphit und Diamant – zwei ungleiche Zwillinge

Kohlenstoff ist ein sehr wandlungsfähiges Element. Mit seinen vier Außenelektronen kann er Bindungen mit bis zu vier Nachbaratomen eingehen, wobei er sowohl mit Metallen als auch mit Nichtmetallen reagiert. Neben einfachen Molekülen können dabei auch sehr komplexe organische Verbindungen aufgebaut werden – Leben wäre ohne Kohlenstoff wohl nicht möglich. Selbst in elementarer Form ist Kohlenstoff bemerkenswert, denn er kommt am häufigsten in zwei sehr gegensätzlichen Modifikationen vor: als Graphit sowie als Diamant. In Diamant verbindet sich jedes Kohlenstoffatom mit vier anderen Kohlenstoffatomen. Dabei entstehen Tetraeder, die sich an ihren Ecken zu einem dreidimensionalen Gitter vernetzen. Dieses Gitter ist extrem stabil und macht Diamant zum härtesten Stoff, den wir kennen. Ein ungeschliffener Rohdiamant und

Graphit und seine Gitterstruktur

In Graphit verbindet sich jedes Kohdie Gitterstruktur von Diamant lenstoffatom nur mit drei anderen Kohlenstoffatomen, wobei zweidimensionale Schichten entstehen, die wie Bienenwaben aussehen. geneinander verschieben. Graphit ist daher so weich, Diese Schichten sind nur durch relativ schwache Kräf- dass man beispielsweise Bleistiftminen daraus herte miteinander verbunden und können sich leicht ge- stellen kann und ihn als fettfreies Schmiermittel nutzt.

Wikipedia Kohlenstoff

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Wandlungsfähiger Kohlenstoff

Nach Rubidium und Cäsium ist Kohlenstoff in Form von Graphit das drittweichste Element. In einer Graphitschicht werden nur drei der vier Außenelektronen des Kohlenstoffs für die chemischen Bindungen zu den Nachbaratomen benötigt. Das vierte Diamant als geschliffener Schmuckstein Rohdiamant auf Kimberlit, einem ultramafischen (d. h. Elektron kann sich dagegen stark Mg- und Fe-haltigen) Gestein, das zu den Peridotiten gehört und oft Diamanten enthält wie in einem Metall relativ frei bewegen, weshalb Graphit viele metallische Eigenschaften aufweist: Er leitet gut Strom und Wärme, ab- Auf der Erde entsteht Diamant, wenn Kohlenstoff im sorbiert Licht und glänzt an der Oberfläche. Diamant Erdmantel in über 150 km Tiefe Temperaturen von ist dagegen ein Nichtleiter und in Reinform durchsich- rund 1400 °C und Drücken von mehreren Zehntautig wie Glas, wobei sein hoher frequenzabhängiger Bre- send ausgesetzt wird. Bei geringerem Druck wandelt chungsindex zu dem glitzernden Farbenspiel führt, das sich Diamant bei über 500 °C unter Luftabschluss wieihn als Schmuckstein so begehrt macht. der langsam in Graphit um, und an der freien Luft würden Diamanten ab 720 °C sogar langsam verbrennen. Schmelzen würde Kohlenstoff unter Luftabschluss allerdings erst bei über 3500 °C, was ihn zum temperaturbeständigsten aller Elemente macht. Damit Diamanten relativ unversehrt die Erdoberfläche erreichen, ohne sich unterwegs in Graphit zu verwandeln, muss diamanthaltiges Gestein wie Kimberlit sehr schnell aus großer Tiefe an die Oberfläche befördert werden. Die entsprechenden tief reichenden Vulkanschlote aus vergangenen Erdzeitaltern bilden heute wichtige Fundstätten für Diamanten.

Abbau von Diamanten im Udatschnaja-Vulkanschlot in Sibirien

108

3 Chemie der Erde und der Planeten

Methanhydrat Brennendes Eis

Unter normalen Bedingungen ist Wasser (H2O) eine Flüssigkeit und Methan (CH4) ein brennbares Gas. Wenn Methan jedoch bei hohem Druck durch kaltes Wasser perlt, entsteht etwas ganz Neues: Methanhydrat. Dabei bilden die Wassermoleküle mithilfe von Wasserstoffbrücken einen Käfig um jedes Methanmolekül und schließen diese so in einer Art Kristallgitter ein. Äußerlich erinnert Methanhydrat an Eis oder besser an den Brennstoff Esbit, denn an der Erdoberfläche zerfallen die Wasserkäfige des Methanhydrats und geben das Methan wieder frei, sodass man es entzünden kann. Atomare Struktur von Methanhydrat. Die Sauerstoffatome des Wasserkäfigs sind rot, die Kohlenstoffatome des eingeschlossenen Methans grün dargestellt, während die Wasserstoffatome weggelassen wurden. Auf jedes Methanmolekül kommen dabei in Summe 5,75 Wassermoleküle.

Methanhydratblock, der aus etwa 1200 m Wassertiefe geborgen wurde

Nur bei Drücken von mindestens 20 bar und Temperaturen von 2–4 °C bleibt Methanhydrat stabil. Solche Bedingungen finden wir auf der Erde an mehreren Orten: in den Meeressedimenten der Kontinentalränder ab einer Wassertiefe von wenigen Hundert Metern, unter den großen Eispanzern Grönlands und der Antarktis sowie tief unten im gefrorenen Permafrostboden der Arktis. An all diesen Orten kann Methanhydrat entstehen, wenn Methan – beispielsweise gebildet durch Mikroben – sowie Wasser vorhanden sind. Mittlerweile hat man an vielen dieser Stellen Methanhydrat gefunden und geht davon aus, dass in Methanhydrat mehr Kohlenstoff gebunden ist als in allen Erdöl-, Erdgas- und Kohlevorkommen zusammen.

USGS Gas Hydrates Primer http://woodshole.er.usgs.gov/project-pages/hydrates/primer.html F. Schätzing Der Schwarm Fischer 2005

Methanhydrat

Leider ist es aufgrund ihrer Lage nicht ganz leicht, an diese wertvollen Energievorräte heranzukommen, zumal das Methanhydrat nicht wie Kohle schön geordnet in abbaubaren Flözen im Boden vorliegt. Es ist vielmehr meist fein in den Porenräumen der Sedimente verteilt und klebt diese ähnlich wie Zement zusammen. Eine methanhydratBrennendes Methanhydrat haltige Schicht könnte dabei theoretisch mehrere Hundert Meter dick sein – darunter wird es durch die Erdwärme zu warm.

109

sogenannten Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum (kurz PETM) vor 55 Millionen Jahren. Damals, etwa zehn Millionen Jahre nach dem Ende der Dinosaurier, war die mittlere Erdtemperatur für etwa 200 000 Jahre um rund sechs Grad angestiegen. Eine andere Gefahr geht von den Kontinentalrändern aus, deren Sedimente vom eingelagerten Methanhydrat stabilisiert werden. Verschwindet das Methanhydrat dort, so kann es zu katastrophalen Rutschungen und entsprechenden Tsunamis kommen. Ein Beispiel dafür ist die Storegga-Rutschung vor rund 8000 Jahren, bei der sich vor der Küste Norwegens mehrere Tausend Kubikkilometer Material vom Kontinentalrand lösten, den Kontinentalabhang hinabrutschten und damit Tsunamis von zehn bis zwanzig Metern Höhe auslösten. Noch heute kann man an den Küsten Nordeuropas Ablagerungsspuren dieser verheerenden Tsunamis finden. Die Storegga-Rutschung (rot eingezeichnete Fläche)

Von der Instabilität des Methanhydrats geht eine gewisse Gefahr aus, die Frank Schätzing in seinem Roman Der Schwarm eindrucksvoll beschrieben hat: Steigt aufgrund der Erderwärmung die Temperatur oder ändert sich der Druck, so kann sich das Methanhydrat auflösen und sein Methan an die Umgebung abgeben. Methan ist ein sehr starkes Treibhausgas () – rund 20-mal stärker als Kohlendioxid – was die Erderwärmung weiter anheizt, sodass ein gefährlicher Teufelskreis entstehen kann. Man vermutet, dass eine solche Entwicklung in der Erdgeschichte bereits mehrmals stattgefunden hat, beispielsweise beim

Treibhausgase  S. 104

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Erdöl

Das schwarze Gold aus der Tiefe

Verschiedene Erdölsorten. Fundstätten (von links nach rechts): Kaukasus, Naher Osten, Arabien sowie Frankreich

Erdöl ist ein flüssiges Gemisch aus vielen verschiedenen organischen Molekülen, wobei lineare, verzweigte oder ringförmige Alkane sowie Aromaten wie Benzol am häufigsten sind. Zusammensetzung, Farbe und Zähigkeit können dabei je nach Fundort stark variieren. Ausgangsstoff für Erdöl sind die Überreste unzähliger Algen und anderer Mikroorganismen, die vor Hunderten Jahrmillionen in den Urozeanen die Energie des Sonnenlichts einfingen. Wenn diese Lebewesen nach ihrem Absterben zu Boden sanken und in sauerstoffarmes Milieu gerieten, blieben ihre organischen Stoffe vor der Zerstörung bewahrt und bildeten Faulschlämme. Weitere Sedimente überdeckten nach und nach diese Schlammschichten, sodass sie in immer größere Tiefen gelangten.

Der wachsende Druck und die ansteigende Temperatur verändern nach und nach die organischen Moleküle: Sie verketten sich zu Kerogen, einem natürlichen Polymer, das einen Großteil des organisch gebundenem Kohlenstoffs in der Erdkruste enthält.

undurchlässige Schicht

Erdgas Erdöl

poröses Speichergestein Ausgangsgestein

Erdöllagerstätte

P. Rothe Die Erde: Alles über Erdgeschichte, Plattentektonik, Vulkane, Erdbeben, Gesteine und Fossilien Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2014

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Erdöl

In Tiefen von 2–4 km spalten sich bei Temperaturen zwischen 50 und 150 °C kleinere Kohlenwasserstoffmoleküle aus dem Kerogen ab, aus denen Erdöl und Erdgas (Methan, CH4) entstehen, wobei der Erdgasanteil mit steigender Temperatur anwächst. Diese versuchen anschließend, dem hohen Druck in ihrem Ausgangsgestein zu entkommen und nach oben zu gelangen. Dazu nutzen sie poröse Gesteinsschichten wie Sandsteine oder Carbonatgesteine, in denen sie sich zusammen mit dem dort vorhandenen Grundwasser langsam fortbewegen. An manchen Stellen der Erde kann das Erdöl tatsächlich bis zur Erdoberfläche vordringen. Oft stößt es jedoch auf undurchlässige Schichten, die seine Reise an die Oberfläche stoppen. An den höchsten Stellen unter solchen Schichten sammelt es sich dann zusammen mit dem Erdgas an. Dort finden wir es heute und entlassen es mithilfe unserer Bohrtürme aus seiner geologischen Falle. Es ist gar nicht so einfach, die entsprechenden Stellen in der Tiefe aufzuspüren. Man kann beispielsweise den Untergrund mithilfe seismischer Wellen durchleuchten, doch damit lassen sich nur die größeren Lagerstätten entdecken, und die hat man mittlerweile wohl fast alle gefunden. Bei kleineren Lagerstätten mit Schichtdicken von nur wenigen Metern hilft die Mikropaläontologie weiter, also die Lehre von den mikroskopisch kleinen Fossilien. Solche Minifossilien kann man beim Bohren im austretenden Bohrschlamm finden. So verändern sich beispielsweise die Kalkskelette der sogenannten Foraminiferen – weit verbreitete, meist am Meeresboden lebende Einzeller – im Lauf der Evolution ständig. Daher kann man an ihrer Gestalt ablesen, aus welchem Zeitalter sie stammen. An der Farbe von winzigen Zahnresten bestimmter urtümlicher Wirbeltiere – der Conodonten – kann man wiederum ablesen, welche Temperaturen in den Schichten erreicht wurden: Je dunkler sie sind, umso heißer war es. Wenn sich also ein Mikropaläontologe über sein Mikroskop beugt, so ist es gut möglich, dass er sich gerade auf der Suche nach dem schwarzen Gold aus der Tiefe befindet.

Erdölförderung in Oklahoma im Jahr 1922

Foraminiferen unter dem Elektronenmikroskop

Conodonten-Zahnteile

L. Haas Auf der Spur des schwarzen Goldes Berliner Zeitung, http://www.berliner-zeitung.de/anhand-winziger-fossilienfinden-mikropalaeontologen-oel--und-gaslagerstaetten--das-macht-sie-zu-gefragten-experten-auf-der-spur-des-schwarzen-goldes15470192

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Kohle

Das Erbe urzeitlicher Wälder Die größten Kohlevorkommen der Erde sind aus Wäldern entstanden, die vor etwa 300–360 Millionen Jahren im Erdzeitalter des Karbon gediehen. Damals sah unsere Erde noch ganz anders aus als heute: Nordamerika und Teile Europas waren im Kontinent Laurussia vereint und lagen teilweise am Äquator, wo sie von ausgedehnten Sumpfwäldern bedeckt waren, ähnlich den Everglades im heutigen Florida. Große Insekten und Amphibien tummelten sich darin – Dinosaurier gab es damals noch nicht. Genau an diesen Stellen finden wir heute die großen Steinkohleflöze Mitteleuropas und Nordamerikas. Die südlichen Kontinente Südamerika, Afrika, Australien und die Antarktis bildeten den Großkontinent Gondwana, dessen Kollision mit Laurussia bereits begonnen hatte – der Superkontinent Pangäa stand am Beginn seiner Existenz.

Sumpfwald in den Everglades

Teile Gondwanas lagen am Südpol und waren zeitweise von mächtigen Gletschern bedeckt. Im Lauf der Jahrmillionen wechselten sich Warm- und Kaltzeiten ab, so wie wir das auch aus den letzten Jahrmillionen unseres gegenwärtigen Zeitalters kennen. Die Größe der Gletscher Gondwanas schwankte, der Meeresspiegel hob und senkte sich und immer wieder wurden die Sumpfwälder von Meeren überflutet und unter Sedimenten begraben, was sie vor der kompletten Verrottung schützte. Jedes unserer heutigen Steinkohleflöze geht auf einen solchen untergegangenen Wald zurück.

Die Erde im Karbon

P. Rothe Die Erde: Alles über Erdgeschichte, Plattentektonik, Vulkane, Erdbeben, Gesteine und Fossilien Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2014 J. Resag Zeitpfad: Die Geschichte unseres Universums und unseres Planeten Springer Spektrum 2012

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Kohle

noxid sowie ein teerartiges Gemisch aus einer Vielzahl organischer Stoffe austreten.

Kohleflöz bei Point Aconi, Nova Scotia (Kanada)

Je tiefer die Pflanzenreste begraben wurden, umso stärker wuchsen Druck und Temperatur an. Dabei setzt der Prozess der Inkohlung ein, bei dem Wasser und andere flüchtige Bestandteile zunehmend ausgetrieben werden. Der Anteil an Kohlenstoff steigt so immer weiter an, während der Anteil an Wasserstoff und Sauerstoff sinkt. Im ersten Stadium entsteht auf diese Weise Braunkohle, danach Steinkohle und bei besonders hohen Drücken und Temperaturen schließlich Anthrazit, der zu über 90 % aus Kohlenstoff besteht. Chemisch gesehen ist Kohle ein komplexes Gemisch aus organischen Makromolekülen, Mineralen und Wasser. Dass Kohle nicht aus reinem Kohlenstoff besteht, merkt man, wenn man sie unter Luftabschluss auf mehr als 1000 °C erhitzt: Sie beginnt zu dampfen, wobei Gase wie Wasserstoff, Methan und Kohlenmo-

Bild oben von Michael C. Rygel via Wikimedia Commons Farbstoffe  S. 270

Diese Verkokung von Kohle wurde im 18. und 19. Jahrhundert intensiv betrieben: Das Gas wurde als sogenanntes Stadtgas zum Kochen und für die Beleuchtung verwendet, was wegen des Gehalts an giftigem Kohlenmonoxid nicht ungefährlich war – deshalb bevorzugen wir heute das ungiftige Erdgas. Den zurückbleibenden Koks nutzte man zum Heizen und zur Herstellung von Eisen in den Hochöfen, und aus dem Teer gewann man organische Rohstoffe, die sich für eine Vielzahl chemischer Synthesen einsetzen ließen. In der Folge blühte die chemische Industrie im 19. Jahrhundert zunehmend auf und begann, mit Teerfarbstoffen () wie Mauvein und Indigo, Medikamenten wie Aspirin und anderen chemischen Produkten unser Leben nachhaltig zu verändern.

Die Synthese des Farbstoffs Indigo gelang Adolf von Baeyer im Jahr 1870.

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Titans eisige Welt Tholine und Seen aus Methan

Der größte Saturnmond Titan ist der Erde in mancherlei Hinsicht recht ähnlich. Er besitzt eine sehr dichte Atmosphäre aus Stickstoff, deren Gesamtmasse sogar etwas größer ist als die unserer Erde – und das obwohl Titans Durchmesser nur rund 40 % des Erddurchmessers beträgt. Der Atmosphärendruck ist auf Titan trotz seiner geringeren Schwerkraft mit rund 1,5 bar sogar 50 % höher als auf der Erde. Allerdings enthält Titans Atmosphäre keinen Sauerstoff. Dafür ist besonders in den höheren Schichten neben Stickstoff das leichte Gas Methan (CH4 ) vorhanden, das auf der Erde den Hauptbestandteil von Erdgas bildet – ohne Sauerstoff besteht auf Titan aber keine Gefahr, dass sich das Methan entzündet. Die Stickstoff- und Methanmoleküle werden stattdessen in der oberen Titanatmosphäre von energiereichen UV-Photonen des Sonnenlichts und anderen kosmischen Teilchen getroffen und chemisch aktiviert, sodass sich eine Vielzahl komplexer organischer Moleküle aus Kohlenstoff, Stickstoff und Wasserstoff bilden kann, die man auch als Tholine bezeichnet.

Echtfarbaufnahme der oberen Titanatmosphäre (Cassini 2005). In der blauen Schicht werden Methanmoleküle durch energiereiche Teilchen aufgebrochen. Darunter liegt der orangefarbene Dunst.

Solche Tholine sind auf den Oberflächen eishaltiger Körper wie beispielsweise Kometen im äußeren Sonnensystem weit verbreitet. Sie könnten auch auf der frühen Erde vorhanden gewesen sein und eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Lebens gespielt haben. Links: Titan im sichtbaren Licht Rechts: So könnte das Innere von Titan aussehen

Methan und Ethen  S. 264 S. Clark Kosmische Reise: Von der Erde bis zum Rand des Universums Springer Spektrum 2012

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Titans eisige Welt

In der Atmosphäre Titans verklumpen die rötlich braunen Tholine zu winzigen Partikeln und bilden eine orangefarbene Dunsthülle, die den Blick zur Oberfläche versperrt. Erst seit die Cassini-Sonde im Jahr 2004 Titan erreichte und ihr mitgebrachtes Landegerät Huygens mit dem Fallschirm auf Titan niederging, wissen wir, wie es unter dem Dunst aussieht. Dabei muss man bedenken, dass es auf Titan wegen der großen Entfernung zur Sonne und der Dunstglocke rund tausendmal dunkler als auf der Erde ist – es ist also gar nicht so leicht, hier überhaupt etwas zu erkennen. Daher wurde von Cassini auch Radar intensiv genutzt, der die dichte Atmosphäre durchdringen kann. Was Cassini und Huygens fanden, war sensationell: Es gibt auf Titan Flüsse, Seen und Tümpel – es regnet dort sogar. Da die mittlere Temperatur nur bei frostigen −180 °C liegt, kann es sich dabei nicht um flüssiges Wasser handeln. Es sind vielmehr Seen aus flüssigem Methan. Wasser () gibt es auf Titan auch, allerdings hauptsächlich in Form von Eis, das einen dicken Mantel um den Gesteinskern des Mondes bildet. Titans Oberfläche besteht demnach aus steinhart gefrorenem Eis, Tümpeln aus flüssigem Methan und Ansammlungen herabgesunkener Tholine. Tief unter dem Eis könnte es sogar flüssiges Wasser geben, so wie man es auch auf manchen anderen Eismonden der beiden großen Gasplaneten vermutet. Ob es in diesen verborgenen Ozeanen auch Leben gibt, ist eines der großen Rätsel unserer Zeit. Fotografie der Titanoberfläche während des Landeanflugs von Huygens. Die Landschaft erinnert an eine Küstenregion auf der Erde.



 Dieser Ausschnitt einer nachträglich eingefärbten Radaraufnahme von Cassini zeigt sehr wahrscheinlich Seen aus flüssigem Methan.

Wasser im Sonnensystem  S. 68

energiereiche Partikel Sonnenlicht

molekularer Stickstoff und Methan

komplexe, organische Verbindungen

negative, organische Ionen

Tholine

Titan

Mögliche Entstehung von Tholinen in Titans oberer Atmosphäre

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Ios vulkanische Schwefelwelt Calderen, Lava und Schwefelseen

Der Jupitermond Io sieht vollkommen anders aus als der Saturnmond Titan oder unsere Erde. Er ist nur rund 5 % größer als unser Erdmond und damit zu klein, um eine dichtere Atmosphäre halten zu können. Anders als auf dem größeren Titan gibt es auf Io weder Wasser noch Eis. Dafür besitzt er rund 300 aktive Vulkane, die Schwefeldioxid sowie Lavaströme aus Basalt und flüssigem Schwefel ausstoßen und auf seiner Oberfläche verteilen – mehr Vulkane gibt es sonst nirgends im Sonnensystem! Die schwefelhaltigen Ablagerungen der Vulkane lassen Ios fleckige Oberfläche in bunten Farben schillern, sodass man ihn scherzhaft auch als Pizzamond bezeichnet. Es gibt dort sogar Calderen (große Vulkankrater), die mit gelben Seen aus flüssigem Schwefel gefüllt sind. Während Titan von Eis, Methanseen und komplexen organischen Verbindungen geprägt wird, ist Io eine trockene vulkanische Schwefelwelt. Der Jupitermond Io (dritter von links) ist etwas größer als der Mond (zweiter), aber deutlich kleiner als der Saturnmond Titan (rechts) oder die Erde (links).

Vulkanausbruch auf Io

Was man auf Io nicht findet, sind Einschlagskrater von Meteoriten, wie sie beispielsweise unseren Erdmond bedecken. Offenbar erneuert die vulkanische Aktivität ständig Ios Oberfläche und verwischt so die Spuren früherer Einschläge.

S. Clark Kosmische Reise: Von der Erde bis zum Rand des Universums Springer Spektrum 2012

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Ios vulkanische Schwefelwelt

Eine 75 km große Caldera mit flüssigem Schwefel

Heiße Lavaflüsse auf Io

Aber woher stammt die Energie für diese Prozesse? Schließlich ist Io viel kleiner als unsere Erde und müsste ähnlich wie unser Erdmond im Inneren eigentlich schon längst ausgekühlt sein.

haft leicht verformt. Die Umlaufbahn ist aber aufgrund einer Bahnresonanz mit den Monden Europa und Ganymed leicht elliptisch, sodass die Gezeitenkräfte variieren und den Mond mal stärker und mal schwächer deformieren. Io wird daher ständig regelrecht durchgeknetet, was sein Inneres stark aufheizt und so den intensiven Vulkanismus auslöst.

Die Lösung des Rätsels liegt in der enormen Schwerkraft Jupiters begründet, die auf Io besonders stark einwirkt, da er der Innerste der vier großen Jupitermonde ist. Io umrundet seinen riesigen Heimatplaneten auf einer engen Umlaufbahn in nur 1,77 Tagen, während beispielsweise Titan für eine Saturn-Umrundung fast 16 Tage benötigt. Dabei wird die dem Jupiter zugewandte Seite Ios etwas stärker angezogen als die gegenüberliegende Seite, sodass Io etwas in die Länge gezogen wird. Diese sogenannten Gezeitenkräfte sind beispielsweise auch für die beiden Flutberge auf unserer Erde verantwortlich. Nun wendet Io dem Gasriesen Jupiter immer dieselbe Seite zu. Wäre die Umlaufbahn Ios exakt kreisförmig, würde daher wenig passieren – Io wäre einfach dauer-

Fester Schwefel kommt in der Natur meist in Form kronenartiger S8-Ringe vor. In flüssigem Schwefel können die Ringe aufbrechen und auch andere Ringformen oder Kettenstrukturen entstehen.

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Materie unter Druck Chemie bei beengten Verhältnissen

In der Tiefe der Erde nimmt der Druck mit jedem Meter nach unten weiter zu. Herrscht auf Meereshöhe noch der normale Luftdruck (etwa 1 bar oder 100 000 Pascal, kurz Pa), so sind es im Erdmittelpunkt rund 350 GPa (3,5 Millionen bar). Typische Gesteine würden bei solchen Drücken auf ein Fünftel ihres Volumens zusammengepresst. Beim Abstieg in Richtung Erdmittelpunkt versuchen sich die Atome in den Mineralen des Erdmantels immer platzsparender anzuordnen. In 410 km Tiefe ändert sich so beim häufigsten Mineral des Erdmantels – dem grünlichen Olivin () – die Kristallstruktur und es entsteht Wadsleyit. Bei 520 km gruppieren sich So verringert sich das Volumen von einem Mol Magnesium-Wadsleyit bei Zimmertemperatur und steigendem Druck. Die blauen Punkte sind experimentelle Werte. 41,0

Molvolumen (Kubikzentimeter)

40,5 40,0 39,5

Mg-Wadsleyit 39,0

die Atome erneut um und Ringwoodit bildet sich. Ab 660 km zerstört dann der wachsende Druck (dort etwa 25 GPa) auch dieses Kristallgefüge und es zerfällt in ein Mineral mit Perowskitstruktur sowie ein MagnesiumEisen-Oxid. Mit seismischen Wellen kann man diese Phasenübergänge im Erdmantel gut nachweisen. Doch nicht nur Kristallstrukturen ändern sich bei zunehmendem Druck. Es können sogar völlig neue chemische Verbindungen entstehen, die an der Erdoberfläche instabil sind. Methanhydrat () ist ein bekanntes Beispiel, das sich in mehreren Hundert Metern Tiefe im kalten Wasser der Ozeane bilden kann. Noch extremer ist das folgende Beispiel: In einer Hochdruck-Diamant-Stempelzelle hat man im Labor Kochsalz (NaCl) zusammen mit einer Extraportion Natrium oder Chlor bei einem Druck von 200 000 bar (20 GPa) zusammengepresst und erhitzt. Dabei sind so exotische Verbindungen wie Na3Cl oder NaCl3 entstanden, die den normalen Regeln der Chemie zu widersprechen scheinen. Doch diese Standardregeln gelten nur unter den üblichen Bedingungen an der Erdoberfläche.

38,5 38,0 37,5 37,0 36,5

0

5

10

Druck (GPa)

Olivin  S. 80 Methanhydrat  S. 108

15

20

Winziger künstlich hergestellter Ringwooditkristall (ca. 150 Mikrometer)

119

Materie unter Druck

Unter hohem Druck streben die Atome danach, Bindungen zu möglichst vielen Nachbaratomen einzugehen und so enger zusammenzurücken. Bei 1800 Kelvin und einem Druck von 35 GPa geht beispielsweise das Gas Kohlendioxid (CO2) in einen kristallinen Zustand über, der an die Kristallstruktur von Quarz (SiO2) erinnert. Jedes Kohlenstoffatom ist darin mit vier statt mit nur zwei Sauerstoffatomen direkt verknüpft.

Kraft

Schema einer Hochdruck-DiamantStempelzelle

Bei extrem hohen Drücken gehen die meisten Stoffe in einen metallischen Zustand über, in dem sich die Atome ihre Außenelektronen gemeinsam teilen. Solche Drücke herrschen beispielsweise im Inneren der großen Gasplaneten Jupiter und Saturn. Man vermutet daher, dass das Innere dieser Gasriesen zum größten Teil aus hochkomprimiertem metallischem Wasserstoff besteht.

Kraft

Struktur von NaCl3

Erde

Jupiter

Probe

Saturn

Uranus

Neptun

molekularer Wasserstoff

Wasserstoff, Helium, Methangas

metallischer Wasserstoff

Mantel (Wasser, Ammoniak, Methaneise) Kern (Gestein, Eis)

Wie stark lässt sich Materie eigentlich zusammendrücken? Die dichteste Materieform finden wir in Neutronensternen. Die Atomhüllen sind hier komplett zusammengebrochen – ihre Elektronen wurden durch die gewaltige Gravitation in die Protonen der Atomkerne hineingedrückt, wobei Neutronen entstehen. Presst man einen solchen Neutronenstern noch weiter zusammen, so kollabiert er zu einem Schwarzen Loch. Innerer Aufbau der Gasplaneten

R. Fortey Der Bewegte Planet, eine Geologische Reise um die Erde Spektrum Akademischer Verlag 2005 R. Hoffmann Moleküle in Platznot Spektrum der Wissenschaften, Oktober 2014, S. 74 DESY Salzige Überraschung – Forscher finden "verbotene" Verbindungen von gewöhnlichem Kochsalz http://www.desy.de/ infos__services/presse/pressemeldungen/@@news-view?id=6961

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3 Chemie der Erde und der Planeten

Meteoriteneinschläge Spurensuche im Gestein

Auf dem Mond erkennt man Einschlagskrater von Meteoriten auf den ersten Blick, sogar wenn die Einschläge schon lange zurückliegen. Anders auf der Erde: Die Kräfte der Erosion lassen sie dort schon nach relativ kurzer Zeit verschwinden. Doch zumindest einige Krater kann man immer noch mithilfe wissenschaftlicher Methoden aufspüren. Zwei bekannte Beispiele aus Süddeutschland sind das etwa 23 km große Nördlinger Ries und das nur 3,5 km große Steinheimer Becken, die nur 40 km voneinander entfernt nahe der Grenze zwischen Baden-Württemberg und Bayern liegen. Es handelt sich wahrscheinlich um die Krater von einem etwa 1,5 km großen Asteroiden und einem zehnmal kleineren Begleitkörper, die im Miozän vor 15 Millionen Jahren dort einschlugen. Süddeutschland war damals mit subtropischen WälDas Nördlinger Ries mit der Stadt Nördlingen im Zentrum

dern und Graslandschaften bedeckt, durch die Tiere streiften, welche den heutigen Arten wärmerer Klimazonen schon recht ähnlich waren – von der kommenden Eiszeit war noch wenig zu spüren. Lange Zeit war unklar, um was es sich bei diesen beiden Becken handelt. Man hatte beispielsweise vulkanische Prozesse im Verdacht, doch schließlich entdeckte man untrügliche Zeichen, dass für die Entstehung der Becken sehr starke Druckwellen und hohe Temperaturen erforderlich sind, wie sie von Vulkanen nicht erreicht werden können. So fand man beispielsweise konisch geformte Bruchflächen (Strahlenkegel) im Gestein und entdeckte zerrüttete (geschockte) Quarzkristalle sowie bestimmte Hochdruckmodifikationen von Quarz (Stishovit und Coesit). Diese Kristalle können mit zertrümmertem Grundgestein und zu Glas erstarrten In der Quarz-Hochdruckmodifikation Stishovit ist jedes Siliziumatom (grau) von sechs Sauerstoffatomen (rot) umgeben – in normalem Quarz sind es nur vier. Daher ist die Dichte von Stishovit etwa 1,6-mal höher als die von Quarz. Chemisch sind beide Siliciumdioxid (SiO2). Rechts ein Suevit aus dem Nördlinger Ries

Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Kevin Resag P. Seidel Steinheimer Becken www.steinheimer-becken.de D. A. Kring, D. D. Durda Der Tag, an dem die Erde brannte Spektrum der Wissenschaft, Februar 2005, S. 48

Meteoriteneinschläge

121

Schmelzen zum porösen Impaktgestein Suevit (Schwabenstein) verbacken sein, aus dem im Nördlinger Ries viele Gebäude errichtet wurden. Über viermal älter und deutlich größer war der Einschlag, der vor 65 Millionen Jahren am Ende der Kreidezeit sehr wahrscheinlich die Hauptursache für das globale Massensterben () war, dem die Dinosaurier zum Opfer fielen. Wie wir heute wissen, traf damals ein rund 10 km großer Asteroid mit mehr als vierzigfacher Schallgeschwindigkeit die Erde und verwüstete fast die komplette Erdoberfläche. Im Jahr 1980 hatte man erste Anzeichen für diesen Einschlag entdeckt. Man fand nämlich in der Grenzschicht zwischen den Erdzeitaltern Kreide und Tertiär – der sogenannten K/T-Grenze – deutlich erhöhte Konzentrationen von Iridium und später auch der anderen Platinmetalle Ruthenium, Rhodium, Palladium, Platin und Osmium. Diese schweren Edelmetalle sind in der Erdkruste sehr selten, kommen aber in Meteoriten häufiger vor. Künsterlische Darstellung des Asteroideneinschlags vor 65 Millionen Jahren

Computerkarte des Chicxulub-Kraters auf der Halbinsel Yucatán (Mexiko), erstellt anhand von Schwereanomalien. Der Krater erstreckt sich bis unter den Golf von Mexiko.

Globale Massensterben  S. 122

Im Jahr 1991 gelang es dann, den 180 km großen Einschlagskrater im Norden der Halbinsel Yucatán in Mittelamerika ausfindig zu machen. An der Oberfläche ist von diesem Krater allerdings heute nichts mehr zu sehen, denn er ist unter dicken Sedimentschichten begraben. Erst die Vermessung von Anomalien im Gravitations- und Magnetfeld der Erde machte ihn sichtbar. Bei Bohrungen fand man später dann unter anderem die Hochdruckminerale Coesit und Stishovit und konnte so nachweisen, dass hier tatsächlich ein mächtiger Asteroid eingeschlagen war.

122

3 Chemie der Erde und der Planeten

Globale Massensterben Wenn die Erde zur Todeszone wird

Wenn wir den Begriff „globales Massensterben“ hören, dann immer weniger Sauerstoff aufnehmen, während denken wir meist an das Aussterben der Dinosaurier in ihren Tiefen sauerstofffreie Todeszonen anwachsen. vor 65 Millionen Jahren. Seit vor rund 540 Millionen Dort gedeihen Bakterien, die aus herabsinkenden orgaJahren vielzelliges Leben die Erde erobern konnte, kam nischen Überresten auch ohne Sauerstoff Energie gewines immer wieder zu ähnlich katastrophalen Ereignis- nen können. Viele von ihnen nutzen beispielsweise die sen, denen große Teile der Tier- und Pflanzenwelt zum Sauerstoffatome der Sulfat-Ionen (SO42−) im MeerwasOpfer fielen. Dabei unterscheidet man meist fünf gro- ser zur Atmung (Sulfat-Atmung, anaerobe Atmung ), ße Massensterben. Das schlimmste ereignete sich am wobei Schwefelwasserstoff (H2S) entsteht, der schon Ende des Perm vor 250 Millionen Jahren. Damals star- in geringen Konzentrationen stark nach faulen Eiern ben an Land rund 70 % und im Meer sogar über riecht und ähnlich giftig ist wie Blausäure. 90 % aller Arten aus, wie man aus den Fossilien- Zeit in Mio. Jahren funden ermitteln konnte. Quartär 0

50 100

Tertiär

Kreide

Massensterben

Alpen, Himalaya

Eiszeit

Über die Ursachen dieser Massensterben wird intensiv geforscht. Während man das Ende der Dinosaurier gut mit dem Einschlag eines großen Asteroiden in Verbindung bringen kann, scheint es für die übrigen Massensterben andere Ursachen zu geben, wobei auch eine fatale Kombination mehrerer Ursachen infrage kommt.

150

Dinosaurier, Urvögel, Pangäa zerbricht

Trias

Ausbreitung der Saurier, erste Säugetiere

Perm

Superkontinent Pangäa, Reptilien

Karbon 350

Gärung und anaerobe Atmung  S. 158

500 Kambrium 550 Ediacarium

kaledon. Gebirgsbildung

Silur Ordovizium

große Sumpfwälder, Amphibien, erste Reptilien erste Wälder, Amphibien, Panzerfische

Devon

450

Die letzten 550 Millionen Jahre im Überblick. Die roten Pfeile kennzeichnen die fünf großen Massensterben der Erdgeschichte. Die blauen Schneeflocken stehen für die großen Eiszeitalter mit eisbedeckten Polen – auch in der Gegenwart herrscht in diesem Sinn also eine Eiszeit. Die orangefarbenen Kästen markieren Zeiten mit intensiver Gebirgsbildung.

variszische Gebirgsbildung

300

400

Dinosaurier, Vögel, Blütenpflanzen

Jura 200 250

Eine wesentliche Rolle dürfte das Auftreten von intensivem Vulkanismus spielen, bei dem große Mengen an Kohlendioxid und Methan freigesetzt werden – ein zunehmender Treibhauseffekt ist die Folge. Die wärmer werdenden Ozeane können

Blütezeit der Säugetiere

erste Landtiere, Laurussia erste Landpflanzen vielzelliges Leben erobert die Ozeane

123

Globale Massensterben

Trilobiten besiedelten 270 Millionen Jahre lang die Erde. Erst das Massensterben am Ende des Perm vor 250 Millionen Jahren bedeutete ihr endgültiges Ende.

Wenn nun die Zirkulation der Ozeane beispielsweise durch Landmassen behindert wird, könnten sich diese stinkenden Todeszonen bis in die obersten Wasserschichten ausdehnen und fast alles Leben dort ersticken. Der Schwefelwasserstoff kann sogar in die Atmosphäre aufsteigen und damit auch das Leben an Land vergiften. Zudem schädigt er die Ozonschicht, sodass gefährliche UVStrahlung das Leben zusätzlich bedroht. Wie kann man nun herausfinden, ob ein solches Szenario in der Vergangenheit tatsächlich eingetreten ist? Einen Hinweis liefert das Auftreten von grünen und purpurnen Schwefelbakterien. Sie betreiben Photosynthese, wobei sie als Wasserstoff- bzw. Elektronenquelle

kein Wasser (H2O) verwenden, sondern Schwefelwasserstoff (H2S) – statt Sauerstoff wird hier bei der Photosynthese also Schwefel freigesetzt. Diese Bakterien können in den oberen Bereichen der Todeszonen gedeihen, wenn diese sich der Wasseroberfläche so weit nähern, dass genügend Sonnenlicht vorhanden ist. Nun hinterlassen diese Schwefelbakterien keine direkten Fossilien in den Sedimenten. Man hat aber entdeckt, dass es auch chemische Fossilien gibt: verräterische Biomoleküle wie etwa Lipide der Zellmembranen, die von verschiedenen Bakterien erzeugt werden und in Spuren lange Zeit im Sediment überdauern konnten. Diese sogenannten Biomarker hat man in alten Schichten entdeckt, die beispielsweise zu den Massenaussterben am Ende des Perm und der Trias gehören – ein Hinweis darauf, dass damals die aufgeheizte Erde möglicherweise von lauwarmen stinkenden Ozeanen vergiftet wurde. Basaltschichten in Marokko. Sie sind Teil der Central Atlantic magmatic province (CAMP) und entstanden beim Auseinanderbrechen Pangäas am Ende der Trias zur selben Zeit, in der es zu einem globalen Massensterben kam. Ähnliche Basaltfluten ereigneten sich am Ende des Perm (Sibirischer Trapp) und der Kreide (DekkanTrapp in Indien).

Vor der Küste Namibias kommt es immer wieder zum Aufstieg von Schwefelwasserstoff bis an die Wasseroberfläche, was man in dem Bild an der blassgrünen Farbe erkennt: Sie stammt vom Schwefel, der sich aus dem Schwefelwasserstoff bildet.

P. D. Ward Tod aus der Tiefe Spektrum der Wissenschaft, März 2007, S. 27 J. Resag Zeitpfad: Die Geschichte unseres Universums und unseres Planeten Springer Spektrum 2012

124

3 Chemie der Erde und der Planeten

Mit Isotopen auf Spurensuche Was C-13, C-14 und O-18 uns verraten

Die Atomkerne eines Elements sind durch die Zahl ihrer Protonen gekennzeichnet. Die Zahl der Neutronen kann dagegen variieren, sodass es verschiedene Isotope desselben Elements gibt. Kohlenstoffkerne besitzen in der Natur beispielsweise neben ihren sechs Protonen normalerweise sechs Neutronen, also insgesamt zwölf Nukleonen – man spricht deshalb vom Isotop Kohlenstoff-12 oder kurz C-12. Etwa jeder hundertste C-Kern besitzt aber ein Neutron mehr, ist also ein C-13-Kern, und jeder billionste (10−12) C-Kern ist mit acht Neutronen ein C-14-Kern. Chemische und physikalische Prozesse können die Isotopenzusammensetzung eines Stoffes verändern und hinterlassen so ihre Spuren. Der Gehalt an C-14 verrät beispielsweise das Alter eines organischen Stoffes, denn C-14-Atomkerne sind radioaktiv und zerfallen mit einer Halbwertszeit von 5700 Jahren. In der oberen Atmosphäre wird durch die kosmische Höhenstrahlung ständig neues C-14 nachgebildet, sodass sich ein relativ konstanter C-14-Gehalt in der Luft einstellt. Dieses C-14 bauen Lebewesen über die Photosynthese und die Nahrungskette in ihr Gewebe ein – sie weisen daher ungefähr dasselbe Verhältnis von C-14 zu C-12 auf wie die Atmosphäre. Mit ihrem Tod beginnt die radioaktive Uhr dann zu ticken: Alle 5700 Jahre zerfällt jeweils die Hälfte der noch vorhandenen C-14-Atome. Der relative Gehalt an C-14 ist daher ein guter Anhaltspunkt für das Alter organischer Stoffe, solange ihr Alter etwa zehn Halbwertszeiten – also rund 60 000 Jahre – nicht übersteigt. Danach wird der Anteil an C-14 zu klein für verlässliche Messungen. Das berühmte Turiner Grabtuch wird von vielen Christen als das Tuch verehrt, in dem Jesus von Nazareth begraben wurde. Nach Datierungen mithilfe des C-14-Isotops stammt das Tuch jedoch aus der Zeit zwischen 1260 und 1390 n. Chr.

Mit einem solchen Massenspektrometer lassen sich Isotope trennen und ihre relativen Anteile bestimmen.

Einzellige Foraminiferen leben meist am Meeresboden und konservieren in ihren Kalkschalen die jeweiligen Isotopenverhältnisse von Kohlenstoff und Sauerstoff im Meerwasser.

Nun muss ein Isotop nicht unbedingt radioaktiv sein, um nützliche Informationen zu liefern. Das stabile Kohlenstoffisotop C-13 verrät beispielsweise etwas über die durchschnittliche Verbreitung von Lebewesen auf der Erde, die Photosynthese betreiben. Das liegt daran, dass Kohlendioxid mit C-13 etwas schwerer ist als mit C-12 und sich deshalb im Mittel etwas langsamer bewegt. Es ist daher

Wikipedia Isotopenuntersuchung P. D. Ward Tod aus der Tiefe Spektrum der Wissenschaft, März 2007, S. 27 J. Resag Zeitpfad: Die Geschichte unseres Universums und unseres Planeten Springer Spektrum 2012

125

Mit Isotopen auf Spurensuche

Tertiär

65,5

65

Millionen Jahre vor heute

wachsendes Eisvolumen

Höhepunkt der letzten Kaltzeit

letzte Warmzeit

600

500

400 300 200 Tausend Jahre vor heute

100

0

Vereisung Antarktis

Vereisung Arktis

Temperatur (°C)

Ebenfalls aufschlussreich ist das stabile Isotop Sauerstoff-18 (kurz O-18), das zwei Neutronen mehr enthält als das gängige O-16. Nur jedes 500. Sauerstoffatom Globales Eisvolumen in den ist O-18, während der letzten 600 000 Jahren, ermittelt über das O-18-Isotop. Man Rest fast ausschließlich erkennt den ständigen Wechsel auf O-16 entfällt. Da zwischen Kalt- und Warmzeiten O-18 etwas schwerer als im quartären Eiszeitalter, das O-16 ist, verdunsten O- seit rund 2,6 Millionen Jahren andauert. Aktuell leben wir also 18-Wassermoleküle erst in einer Warmzeit inmitten eibei höheren Tempera- ner längerfristigen Eiszeit. turen als O-16-Wassermoleküle. Je kälter es ist, umso mehr O-18-Wassermoleküle bleiben also in den Ozeanen zurück, können mit Kohlendioxid Carbonat-Ionen bilden und 12 schließlich von Meereslebewesen in ihre Kalkschalen eingebaut werden. Der 8 O-18-Gehalt der entsprechenden Sedi4 mente sagt also etwas über die Wassertemperatur und damit über das Erdkli0 ma vergangener Zeiten aus.

Kreide steigender C-13-Anteil

Beim Übergang von der Kreide zum Tertiär vor 65,5 Millionen Jahren fiel der C-13-Gehalt plötzlich ab und signalisiert damit einen plötzlichen Rückgang der Pflanzenwelt, zeitgleich mit dem Aussterben der Dinosaurier.

chemisch etwas weniger agil und wird bei der Photosynthese weniger effektiv in organische Stoffe eingebaut als C-12. Je mehr Pflanzen, Algen oder Cyanobakterien es gibt, umso mehr C-13 bleibt in der Atmosphäre zurück und kann etwa in Form von Kalk abgelagert werden. Auf diese Weise kann man mithilfe von C-13 beispielsweise das Aufkommen der Landpflanzen oder das Ausmaß von Massensterben () in der Erdgeschichte nachvollziehen.

Mittlere Temperaturkurve der Tiefsee in der Erdneuzeit nach dem Aussterben der Dinosaurier, ermittelt mithilfe des O-18-Isotops. Formale Temperaturen unter 0 °C repräsentieren den Vereisungsgrad der Pole. Kurzfristige Schwankungsbreiten sind als hellblauer Bereich angedeutet.

Globale Massensterben  S. 122

Quartär Pliozän Paläozän 70

60

Eozän 50

Oligozän

40 30 Zeit in Millionen Jahren

Miozän 20

10

0

4 Entstehung des Lebens Was ist Leben? Für Biologen zeichnet sich ein lebendes Wesen durch einen Stoffwechsel und Fortpflanzung aus. Der Physiker Erwin Schrödinger ging diese Frage aus thermodynamischer Sicht an und definierte Leben als etwas, das seine eigene Entropie niedrig hält. Chemiker untersuchen wiederum die Selbstorganisation der Moleküle in einer lebenden Zelle. Wann aber beginnt Leben? Etwa schon, wenn sich Moleküle zu einer umhüllenden Membran aneinanderlagern? Oder erst, wenn Merkmale und Informationen durch Makromoleküle gespeichert und vererbt werden? Bei ihrer Suche nach außerirdischem Leben stellt sich der NASA die Frage: Wie kann man es überhaupt erkennen? Die Wissenschaftler orientieren sich z. B. an der Definition von Noam Lahav, der in seinem Buch Biogenesis (1999) schrieb, Leben sei „ein sich selbst erhaltendes chemisches System, das eine (…) Evolution erfahren kann“. Damit sind wichtige Aspekte umrissen, ohne auf die irdische Biologie einzuengen: Ein Stoffwechsel und Energieaufnahme sorgen für den Selbsterhalt, Energieträger sind chemische Verbindungen und das Potenzial zu einer Anpassung an sich ändernde Umweltbedingungen wird durch eine Evolution im Sinne Darwins möglich. Wer nach dem Ursprung des Lebens sucht, dem stellen sich viele Fragen: Warum ist Wasser so wichtig für das Leben und seine Entstehung? Wie können sich erste Zellen gebildet haben? Wo herrschten die besten Randbedingungen, um Moleküle zu entwickeln, die einen Stoffwechsel aufbauen und steuern können? Woher nehmen Lebewesen die Energie für ihren Stoffwechsel? Wieso lagern sich Moleküle überhaupt geordnet zusammen? Seit wann gibt es überhaupt Leben auf der Erde und welche Spuren hat es hinterlassen? Diesen Fragestellungen wollen wir im vorliegenden Kapitel nachgehen.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Feil et al., Faszinierende Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57324-2_4

128

4 Entstehung des Lebens

Wasser

Ein besonderer Stoff Wasser ist eine Verbindung, deren chemische Formel H2O zum Allgemeinwissen zählt. Seine physikalischchemischen Eigenschaften sind aber alles andere als trivial. Wasser ist für Lebewesen essenziell. Es bedeckt 71 % unseres Planeten und bei Expeditionen ins Weltall ist die Frage, ob etwa auf dem Mars Wasser () vorkommt, von großer Bedeutung.

beim Wasser: In Wassereis ordnen sich die Moleküle in bis zu 17 verschiedenen Mustern an, deren Volumen rund 9 % über dem des flüssigen Wassers liegt.

Seine größte Dichte besitzt Wasser bei 4 °C. In Seen sinkt Wasser dieser Temperatur daher nach unten und erstarrt nicht. Nur so können viele Fische und andere im Wasser lebende Tiere überwinGriechische Philosophen betrachteten Wastern. Auch geologisch ist die Dichteanomalie ser als eines der vier Elemente – neben Feuer, einflussreich: Wasser sammelt sich in feinen Erde und Luft. Die Zerlegung in WasserGesteinsritzen und gefriert dort im WinEin Wassermolekül hat die stoff und Sauerstoff erfolgte erst viel später ter. Dabei dehnt es sich aus, sprengt die chemische Formel H2O. durch den englischen Forscher Henry Felsen und trägt so zum Verwittern der Cavendish, der so im Jahr 1784 Felsen bei. bewies, dass Wasser eine Verbindung und kein Element Im Weltall – etwa in Koist. Ganz nebenbei entmeten – kommt Wasser deckte er dabei das Elenormalerweise gefroren ment Wasserstoff. vor. In der Nähe der Sonne oder der Erde nimmt es Welche besondere BedeuEnergie auf, die zu Schwintung hat Wasser für das Legungen innerhalb der Binben? Es ist Hauptbestanddungen führt. Sobald sich Der blaue Planet – zu 71 % ist die Erde von Wasser bedeckt. teil vieler Lebewesen und Packt man das gesamte Volumen des Wassers in eine Kugel, rund 15 % der geordneten an vielen Reaktionen des Wechselwirkungen des Krisdann wäre sie nur 0,1 % so groß wie die Erde. Stoffwechsels beteiligt. Wastalls gelöst haben, wechselt ser zeigt einige ungewöhnliche Eigenschaften, was als der Aggregatzustand zu flüssig. Die Moleküle beginAnomalien beschrieben wird. Sein Schmelzpunkt nen zu diffundieren, sich also zu bewegen. Bei weiterer liegt bei 0 °C und der Siedepunkt bei 100 °C, was für Energiezufuhr entfernen sich irgendwann immer mehr die leichten Wassermoleküle recht hoch ist. Die höchs- Moleküle voneinander, sie wechselwirken kaum noch te Dichte erreicht ein Stoff normalerweise, wenn die untereinander: Das Wasser wird gasförmig und nimmt Moleküle ordentlich im Kristall verpackt sind. Anders ein größeres Volumen ein.

O

H

Wasser im Sonnensystem  S. 68

H

129

Wasser

Zugleich ist im Wasser immer ein Teil der Moleküle im Umbau: Für kurze Zeit wird ein Wasserstoffatom vom Nachbarmolekül gebunden, das Wassermolekül dissoziiert, weshalb Wasser auch saure und basische Eigenschaften hat. 2 H2O ප H3O+ + OH− All diese Eigenschaften zusammen erleichtern bei vielen Stoffwechselprozessen die Reaktion und den Transport, weshalb Wasser für das Leben so wichtig ist. Flüssiges Wasser. Die Moleküle sind als Winkel dargestellt. In Rot der Sauerstoff und in Weiß der Wasserstoff. Die Moleküle wechselwirken untereinander. Ihr Abstand beträgt etwa 1,8 Ångström, also 1,8.10-10 m.

Schaut man das Molekül genauer an, ist es gewinkelt und hat noch ungebundene Elektronen am Sauerstoffatom. Nun zieht das Sauerstoffatom die Elektronen deutlich stärker an als das Wasserstoffatom, seine Elektronegativität ist höher. Diese ungleiche Ladungsverteilung macht das Molekül zu einem Dipol. Die freien Elektronen am Sauerstoffatom wechselwirken mit benachbarten Wasserstoffatomen, was als Wasserstoffbrücke bezeichnet wird. Diese Wasserstoffbrücken sind relativ stark und sorgen dafür, dass sich Wassermoleküle gern zu mehreren versammeln. Viele Salze, die ja aus geladenen Ionen ausgebaut sind, lösen sich gut in Wasser und umgeben sich dabei mit Wassermolekülen. Eis schwimmt aufgrund seiner geringeren Dichte auf Wasser. Die Moleküle des Wasser können im flüssigen Zustand stark miteinander wechselwirken, was die Eigenschaften von Wasser so besonders macht.

J. Müller, H. Lesch Woher kommt das Wasser der Erde? – Urgaswolke oder Meteoriten Chemie in unserer Zeit. 2003 (37), ISSN 0009-2851, S. 242–246.

130

4 Entstehung des Lebens

Entstehung des Lebens Von Molekülen zu Lebewesen

Als das Einprasseln von Kometen endete, konnte sich auf der Erde nachhaltig flüssiges Wasser ansammeln, die Atmosphäre wurde stabiler und Vorläufermoleküle für Zucker und Proteine konnten Biomoleküle aufbauen: Erste Mikroben entstanden. Drei Viertel der Entwicklungsgeschichte des Lebens wurden von Einzellern bestritten. Im Wasser lebend oder als Biofilm – so begann die Geschichte des Lebens. Organismen mit einem membranumhüllten Zellkern, die Eukaryoten, entstanden vor 2,1 Milliarden Jahren. Sie nahmen Photosynthese-betreibende Bakterien symbiotisch in ihren Zellen auf, woraus sich die Chloroplasten der Pflanzen und Algen entwickelten. Ein weiteres Zellorganell, das ähnlich entstand und für die weitere Entwicklung in einer sauerstoffreichen Atmosphäre wichtig wurde, ist das Mitochondrium. Dieses Organell ermöglichte die Zellatmung und der vormals schädliche Sauerstoff wurde als energieliefernder Reaktionspartner zugänglich.

Künstlerische Darstellung der von Asteroiden bombardierten jungen Erde

Wie erfolgte der Schritt von Molekülen zu Lebewesen? Dass Leben aus Leben entsteht, wird Biogenese genannt, oder anders formuliert: Lebendig ist, was sich fortpflanzt. Zu den ältesten Fossilien mehrzelliger Tiere zählen 570 Millionen Jahre alte Embryonen. Das allererste Leben entstand jedoch unter den Bedingungen der jungen Erde. Nach der Vier-Stadien-Hypothese gab es zunächst eine chemische Evolution. Stickstoffhaltige Moleküle reagierten dabei zu Aminosäuren und verbanden sich mit einem Zuckermolekül und einer Phosphatgruppe zu einem Nucleotid. Im zweiten Schritt verknüpften sich dann die Nucleotide, die Bausteine von großen Molekülen, den Nucleinsäuren. Im dritten Stadium kam die Fähigkeit der Nucleinsäuren hinzu, sich selbst zu kopieren, also zu replizieren. Von jetzt an kann von Erbsubstanz gesprochen werden. Im letzten Schritt folgte die Umhüllung mit

N. A. Campbell, J. B. Reece Biologie Pearson Studium 2006, 978-3-8273-7180-5, S. 607 ff. F. Goesmann et al. Science 2015 349; doi: 10.1126/science.aab0689, 1-3

131

Entstehung des Lebens

entstand erst später. So lieferte die intensive UV-Strahlung viel Energie, um die Reaktionen von kleinen Molekülen zu größeren anzuregen. Recht bekannt ist das Experiment von Stanley Miller und Harold Urey, mit dem sie 1953 diese Uratmosphäre nachahmIn Sedimenten fanden chinesische Paläontologen gut erhaltene fossile Tierembryoten. Sie setzten Wasserdampf (H2O), nen (570 Millionen Jahre alt). Wasserstoff (H2), Methan (CH4) sowie Membranen, die das chemische Milieu von der Umge- Ammoniak (NH3) ein und ein Lichtbogen simulierte bung abschirmen. Die ersten Protobionten, Vorläufer die Blitze. Bei diesen Versuchen entstanden organische lebender Zellen, waren entstanden. Moleküle, also kurze Ketten von Kohlenstoffatomen verbunden mit Wasserstoff und anderen Atomen. Die Eine andere Hypothese geht von einer spontanen abio- neuesten Funde von ähnlichen Verbindungen auf Kotischen Entstehung aus. Die vulkanischen Gase der meten bestärken die Idee, dass es spontan zur Reaktion Uratmosphäre unterstützten die Bildung größerer Mo- zu organischen Molekülen kommen kann. leküle. Während Sauerstoff heute rund 20 % der Atmosphäre ausmacht und gern Elektronen aus Bindungen Weitere Bausteine für Aminosäuren fehlten jedoch im abzieht, trug die Uratmosphäre eher zur Bindungsbil- Experiment von Miller und Urey. So enthielt die Uratdung bei. Die UV-Licht abschirmende Ozonschicht mosphäre auch Blausäure (HCN), Schwefelwasserstoff (H2S) und Spuren von Sauerstoff. Insbesondere Chemische Evolution einfacher organischer Moleküle und mögli- Schwefelwasserstoff und Mineralien hat eine weitere cher Syntheseweg zu komplexeren Verbindungen Hypothese im Blick, die davon ausgeht, dass das Leben in der Nähe untermeerischer Vulkane entstanden sein NH3 H2O CO CH4 Methan Ammoniak Wasser Kohlenmonoxid könnte (Schwarze Raucher, ).

Alkohole

Carbonyle

Amine

Zucker

Carbonsäuren

Aminosäuren

Polymere

Nucleotide

Cyanide

Membranen entstehen, wenn sich Moleküle wie Lipide zusammenlagern. Sie waren ein wichtiger Schritt bei der Entstehung des Lebens.

Foto Embryonen mit freundlicher Genehmigung von Andrew H. Knoll, Harvard University Membranen  S. 132 Die frühe Erde  S. 136 Schwarze Raucher  S. 134

132

4 Entstehung des Lebens

Membranen

Wie ein abgeschlossener Reaktionsraum entsteht Wie kam es unter den ersten Molekülen zu Reaktionen? Wir können uns vorstellen, dass eine Lösung in Kontakt mit noch heißer Lava kam, wodurch ein Teil des Wassers verdampfte und die Lösung konzentrierter wurde. Dadurch kamen die wenigen bereits vorhandenen Moleküle einander näher und die Wärme erleichterte das Knüpfen neuer Bindungen.

Biologische Membranen setzen sich vor allem aus Phospholipiden zusammen. Ein einzelnes Phospholipid besteht aus hydrophob einem hydrophoben, also wasserabweisenden Teil und einer Phosphatgruppe, die gern mit Wasser wechselwirkt, also hydrophil ist. Mischt man Lipide () mit Wasser, meiden die hydrophoben Schwänze den Kontakt und drängen Die Vorläufer der lebenden Zelsich zusammen. So lagern len waren Moleküle, die sich zu sich die Moleküle zu Memgrößeren Verbänden sammelten branen oder kugeligen Sphäund interagierten. Sie werden als ren zusammen. Diese SelbstProtobionten bezeichnet. Dabei organisation geht bei Zellen ist interessant, dass sich Membranoch weiter, da sich zwei Lagen nen aus Lipiden selbstständig zuPhospholipide aneinander anlasammensetzen können. Leben wird gern und so in Kugeln die polaren also begleitet von einem hohen Phosphatgruppen ins Innere raGrad an Selbstorganisation – Moleküle wie Phospholipide ziehen sich an gen, wodurch auch hier Wasser und lagern sich zu Sphären zusammen. Sie ein Thema, das bezüglich organi- haben einen wasserfreundlichen, hydrophilen als Zellflüssigkeit (Cytosol) vorscher Computer sehr relevant ist. handen sein kann. Kopf und einen wasserabweisenden, hydrohydrophil

phoben Schwanz. Letzterer besteht vor allem aus Kohlenstoffketten. Oben ist ein einzelnes Molekül dargestellt.

Die Membran schafft einen chemisch abgeschlossenen Reaktionsraum. Somit kann die Konzentration an Ionen von der äußeren Umgebung abweichen, wodurch Membranpotenziale entstehen. Darüber hinaus werden Reaktionspartner durch Membranen auf begrenztem Raum zusammengehalten und Bausteine für komplexe Reaktionen bevorratet.

Fette  S. 174 Proteine  S. 178

Der Schritt von einem bloßen Bläschen mit gespeicherten Stoffen zu einer Zelle geschieht durch das Einschließen einer Erbinformation und sie ablesender Enzyme. Wenn im Inneren der Zelle Strukturen in Membranen gehüllt werden, ist dieser Reaktionsraum auf bestimmte Reaktionen spezialisiert und man spricht von Organellen.

133

Membranen

parallel ausrichten, sodass die Phosphatköpfe eine Fläche bilden, sind sie doch nicht starr aneinander gebunden, sondern wie in einer Flüssigkeit gegeneinander verschiebbar. Alkohol etwa oder in geringen Mengen auch Wasser kann sich hindurchzwängen. Die Zusammensetzung von Membranen hat sich im Lauf der Evolution unterschiedlich entwickelt. So gibt es Bakterien, die eine weitere äußere Membran haben – man bezeichnet diese Bakterien als Gram-positiv. Diese äußere Hülle besteht aus Molekülen, deren Köpfe Zucker enthalten, welche untereinander stärker vernetzt sind. Eine weitere große Gruppe, die Gramnegativen Bakterien, besitzt diese Membran nicht und ist daher weniger gut abgeschirmt. Die doppellagige Lipidschicht, etwa von Zellwänden. Wiederum ist ein einzelnes Phospholipid hervorgehoben, dieses Mal in Grün. Die Moleküle lagern sich eng aneinander.

Für die Kommunikation mit der Außenwelt haben Zellen Ein- und Austrittspforten in der Zellwand. Meist sind dies spezialisierte Proteine, die die Membran komplett durchtunneln. Im Zellinneren sind der Zellkern und Organellen wie die Mitochondrien von Membranen umgeben.

Eine Membran dient der Zelle nicht nur zur Abgrenzung sondern auch als Schnittstelle zur Außenwelt. So können beispielsweise Energieträger in die Zelle hinein- und Abfallprodukte heraustransportiert werden. Hierfür entwickelten sich im Lauf der Evolution verschiedene Durchlässe. Durch Poren oder Kanäle können Stoffe beispielsweise hindurchdiffundieren. Bei Pumpen wird ein Stoff dagegen aktiv durch die Membran geschleust und Energie dafür aufgewandt. Die Pumpfunktion übernehmen spezielle Proteine, die in der Membran eingebettet sind. Die Membran schirmt also das Zellinnere nicht vollkommen ab. So können einige Gase wie Stickstoff, Sauerstoff und Kohlendioxid einfach hindurchdiffundieren. Auch wenn die Schwänze der Lipide sich streng

D. S. Goodsell Wie Zellen funktionieren 2. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag 2010

134

4 Entstehung des Lebens

Schwarze Raucher

Seit Urzeiten bis heute ein Hotspot des Lebens Wo entstand das Leben auf unserem Planeten? Einiges spricht für seichtes Wasser oder feuchte Sedimente. Eine andere These zielt auf die Schwarzen Raucher, kleine Gesteinsschlote am Meeresboden, die heißes Wasser und dunkle Metallsalze ausstoßen. Im Vergleich zur Erdoberfläche waren hier die Bedingungen relativ konstant – in Bezug auf die Temperatur und die Stoffe, die die Umwelt prägen. Die Hydrothermalquellen kommen unterhalb von tausend Metern Meerestiefe dort vor, wo die Erdkrustenplatten auseinanderdriften, an den sogenannten Spreizungszonen. Durch schmale Spalten steigt über 1000 °C heißes Magma aus dem Erdinneren durch den Erdmantel bis zum Meeresboden auf. Einsickerndes Meerwasser erhitzt sich und bildet das hydrothermale Fluid, in dem sich Sulfide und gelöste Minerale anreichern, vermischt mit Gasen. In der Nähe von Magmakammern erreicht das Fluid eine Temperatur von 400– 500 °C, bleibt aber durch den hohen Druck flüssig.

Schwarzer Raucher am Mittelatlantischen Rücken in 2980 m Wassertiefe

Aus den Quellen strömt mit dem überhitzten Wasser viel Schwefelwasserstoff (H2S) mit aus, sodass der pH-Wert sinkt. Die gelösten Minerale reagieren zum Teil mit dem Schwefelwasserstoff. Sobald das Fluid ins 2 °C kalte Meerwasser ausgestoßen wird, sinkt die Temperatur und Eisensulfide () sowie andere Metallsulfide fallen aus, wodurch sich eine schwarze Fahne bildet. Zugleich färben die absinkenden Metallsulfide die Flanken des Schlots schwarz, was zu dem Namen Schwarze Raucher führte. Bereits zwei Meter entfernt vom Schlot sinkt die Diese Gesteinsprobe aus 690 m tieWassertemperatur fen Bohrungen enthält Einschlüsse auf rund 20 °C. mit Hinweisen auf frühes Leben im Meer aus der Zeit als vor 150–100 Millionen Jahren der Superkontinent Pangaea auseinanderdriftete.

Foto oben mit freundlicher Genehmigung von MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen Foto links unten von F. Klein, WHOI Eisensulfid  S. 96 Gärung und anaerobe Atmung  S. 158

135

Schwarze Raucher

schwarzer Raucher

350 °C

mittelozeanischer Rücken marine Sedimente ozeanische Kruste lithosphärischer Mantel

Schlot

Schmelze des Mantels

Meerwasser 2° C Meeresboden Sedimente einsickerndes Meerwasser hydrothermale Fluide

ca. 400 °C Magma 1200 °C

Erdmantel

Am Meeresboden entstehen immer wieder neue „Schwarze Raucher“ genannte Hydrothermalquellen. In der kleinen Abbildung ist die Spreizungszone des mittelozeanischen Rückens zu sehen.

Da es in der Tiefsee stockdunkel ist, gibt es keine Möglichkeit zur Photosynthese. Jedoch überziehen sulfidoxidierende Bakterien alle Oberflächen der hydrothermalen Felder. Sie binden Kohlendioxid und bauen daraus größere organische Moleküle auf, wobei sie die chemisch im Schwefelwasserstoff gebundene Energie nutzen. Diese Lebensweise nennt sich chemoautotroph. Daneben gibt es Methanbildner und wiederum methanoxidierende Bakterien. So bilden sich ganze Verwertungsketten von Archaeen und Bakterien, die Kohlendioxid (CO2) in Methan (CH4) und diese weiter in Zucker und andere Baustoffe umwandeln. Statt der Photosynthese nutzen sie alle die Wärme des Wassers und chemisch gespeicherte Energie.

Die Bakterien bilden die Basis für komplexe Nahrungsketten. So unterhalten die Röhrenwürmer Riftia pachyptila und Muscheln wie Calyptogena Lebensgemeinschaften mit diesen Bakterien, Krebse weiden Bakterienrasen von den Schloten ab. Der Borstenwurm Alvinella ist besonders hitzetolerant: Er baut aus Sektreten weiße Röhren an den Flanken der Schlote, aus denen nur seine Tentakel herausragen. Die Röhren setzen an den Außenflanken des Schlots an und sind dort rund 70 °C warm, während die Temperatur zur offenen Seite hin auf 20 °C fällt. Die Rolle der Bakterien, die Alvinella auf seinem Rücken beherbergt, ist bislang nicht genau untersucht, da noch kein Wurm die Dekompression lebend überstand.

Waren Hydrothermalfelder nun auch die Wiege des Lebens? Geologen wenden gegen diese These ein, dass ein solches Feld nach 20 bis 50 Jahren erlischt. Selbst wenn die Lebensgemeinschaften von Feld zu Feld ziehen würden, müssten sie doch in Form von Dauerstadien und Larven die kühlen Zonen dazwischen überwinden. Eine durchgehende Entwicklung erscheint den Forschern daher wenig wahrscheinlich. Der Borstenwurm Alvinella

G. Hempel, I. Hempel, S. Schiel (Hrsg.) Faszination Meeresforschung Hauschild 2006, ISBN 978-389757-310-9 F. Klein, S. E. Humphris, W. Guo, F. Schubotz, E. M. Schwarzenbach und W. D. Orsi Fluid mixing and the deep biosphere of a fossil Lost City-type hydrothermal system at the Iberia Margin Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), online am 31. August 2015, doi:10.1073/pnas.1504674112

136

4 Entstehung des Lebens

Die frühe Erde Erste Spuren des Lebens

Vor 3 Milliarden Jahren war unsere Erde bereits rund 1,5 Milliarden Jahre alt. Große Ozeane bedeckten ihre Oberfläche, und auch Kontinente waren vorhanden. Sie waren damals noch deutlich kleiner als heute und befanden sich an völlig anderen Stellen auf dem Planeten. Und sie waren kahl! Keine Pflanzendecke schützte ihre Oberfläche vor den Kräften der Erosion, denn Tiere und Pflanzen erblickten erst mehr als 2 Milliarden Jahre später das Licht der Welt. Dennoch war die Erde vor 3 Milliarden Jahren kein lebloser Ort. Winzige Bakterien und Archaeen besiedelten bereits unterschiedliche Lebensräume und bildeten teilweise klebrige Matten auf feuchten Sedimenten und Gesteinen. Sandkörner und Kalkpartikel rieselten auf sie herab, aber die Mikroben drangen immer wieder an die Oberfläche und bauten neue Biofilme auf. Im Lauf Heutige Stromatolithen in der Shark Bay im Westen Australiens

Foto rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Kevin Resag Meteoriteneinschläge  S. 120

der Zeit entstanden so feine Schichtstrukturen, die an versteinerten Blätterteig erinnern und die wir heute als Stromatolithen bezeichnen. Ein etwa eine Milliarde Jahre alter

Die ältesten Stroma- Stromatolith aus dem Glacier-Natitolithen sind rund 3,5 onalpark, Montana, USA Milliarden Jahre alt. Sie waren auf der frühen Erde weit verbreitet, denn es gab noch keine Tiere, die sie abweiden und damit zerstören konnten. Auch gegenwärtig entstehen noch Stromatolithen, allerdings nur an Orten, an denen Fressfeinde nicht vorkommen, beispielsweise in salzhaltigen Lagunen oder in Salz- und Sodaseen. Stromatolith aus dem Steinheimer Becken im Osten Baden-Württembergs. Dort war vor rund 15 Millionen Jahren ein Meteorit () eingeschlagen, sodass sich ein Kratersee bildete, in dem der Stromatolith entstand.

137

Die frühe Erde

zusammenbrach. In der Folge konnten sich neue Eisen(II)-Ionen im Meerwasser lösen, die Bakterien erholten sich und der Zyklus begann von Neuem. Man nimmt an, dass auf diese Weise die sogenannten Bändereisenerze entstanden sind, die zu den typischen Gesteinsarten der damaligen Zeit gehören. Dünne Lagen aus eisen(III)-haltigen Mineralen wechseln sich darin mit silicatreichen Lagen ab und spiegeln so vermutlich den Aufstieg und Niedergang des Sauerstoffs wider. Vor rund 2,5 Milliarden Jahren lernten viele Bakterien dann, mit Sauerstoff besser klarzukomBändereisenerz bei den Fortescue Falls im westaustralischen Karijini-Nationalpark men, sodass dieser im Lauf der Zeit bis auf wenige Prozent ansteigen konnte. Die Luft bestand vor drei Milliarden Jahren wie heute Doch erst mit der Entwicklung der Landpflanzen vor hauptsächlich aus Stickstoff, aber noch fehlte ihr der knapp 500 Millionen Jahren erreichte der SauerstoffgeSauerstoff. Das begann sich ganz langsam zu ändern, halt dann Werte von über 15 %, die dem heutigen Wert denn bestimmte Bakterien – Vorfahren unserer heuti- von 21 % nahe kommen. gen Cyanobakterien – beherrschten bereits den Prozess Sauerstoffanteil der Erdatmosphäre im Verlauf der letzten 1000 der Photosynthese (). Millionen Jahre 40 35 Sauerstoff (Vol. %)

Der Sauerstoff, den sie produzierten, hatte anfangs allerdings kaum Gelegenheit sich anzusammeln, denn er wurde sehr schnell wieder verbraucht. In den Ozeanen stieß er beispielsweise auf darin gelöste Eisen(II)-Ionen und oxidierte sie zu Eisen(III)-Ionen, die als schwer lösliche Eisenminerale zu Boden sanken. Sobald das gesamte gelöste Eisen oxidiert war, konnte sich der Sauerstoff kurzzeitig anreichern, was die Bakterien zu Opfern ihres eigenen Erfolgs gemacht haben könnte: Der ungewohnte Sauerstoff vergiftete womöglich viele von ihnen, sodass die Sauerstoffproduktion wieder

30 25 20 15 10 5 0 1000

800

600 400 Millionen Jahre vor heute

200

Photosynthese  S. 160 R. Fortey Der bewegte Planet: Eine geologische Reise um die Erde Spektrum Akademischer Verlag 2005 J. Grotzinger, T. H. Jordan, F. Press, R. Siever Press/Siever – Allgemeine Geologie 5. Aufl., Spektrum Akademischer Verlag 2008

0

138

4 Entstehung des Lebens

RNA-Welt

Vom Makromolekül zur Replikation Wenn von Vererbung die Rede ist, ist die Rollenverteilung klar. Die Erbinformation ist in DNA codiert, wird abgelesen und in Proteine umgesetzt. Die Vermittlerrolle übernimmt RNA. Geht man davon aus, dass Leben mit Fortpflanzung verbunden ist, kann man sich fragen, wie entstand die Vererbung? Als Trägerin der Erbsubstanz dient die DNS, Desoxyribonucleinsäure – meist international als DNA (engl. acid = Säure) abgekürzt. Sie wird in der Zelle abgelesen und in Form einer Vorlage für die Proteinsynthese gespeichert, dies ist die Ribonucleinsäure (ribonucleic acid, RNA). Uracil Von der RNA gibt es spezialisierte Formen wie etwa tRNA Adenin (Transfer-RNA), mRNA (Messenger- oder Boten-RNA) und rRNA (ribosomale RNA), die alle in irgendeiner Weise an der Cytosin Proteinsynthese beteiligt sind. Guanin

Für Biologen und Chemiker war es eine kleine Sensation, als die ersten selbstvervielfältigenden RNA-Stränge gefunden wurden. Thomas R. Cech zeigte im Jahr 1982 anhand des Erbguts von Wimpertierchen, dass RNA-Moleküle ähnlich wie Proteine katalytisch wirken können, also nicht nur als Vermittler, sondern auch aktiv steuernd. Für RNA-Moleküle mit einer solchen Enzymfunktion wurde der Begriff Ribozym geprägt. Cech und Sidney Altmann erhielten für diese Entdeckung 1989 den Nobelpreis für Chemie. Diese Entdeckung stützt die Hypothese der „RNA-Welt“, wonach die RNA bei der Entstehung des Lebens sich selbst ablesen und kopieren konnte. Zugleich agierten RNAs bei Bedarf als Enzym, ermöglichten also Reaktionen. Dieses System schloss also die Replikation und die Katalyse ein. Die Wendeltreppe des Erbguts. RNA, oben als Einzelstrang, unten mit einer zweiten Helix zum Doppelstrang gewunden.

Proteine  S. 178 Ribosomen  S. 166 D. S. Goodsell Wie Zellen funktionieren 2. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag 2010

139

RNA-Welt

RNA können sich verknäulen, Schlaufen bilden oder abschnittsweise aneinander liegen. All dies sind typische Faltmotive mit eigenen Namen wie Loop oder Haarnadel. Abschnitte mit katalytischer Bedeutung und Regionen, die der strukturellen Beweglichkeit dienen, können sich abwechseln. Mitunter werden die aktiven Abschnitte abgeschirmt, etwa um unempfindlicher gegenüber Temperaturschwankungen zu sein.

Das Wimpertierchen Tetrahymena thermophila. Sein Erbgut lieferte erste Belege für die hypothetische RNA-Welt.

Unter den Bedingungen, wie sie in der Uratmosphäre herrschten, entstehen Ribonucleinsäuren spontan, sofern alle Zutaten vorhanden sind. Die vier Basen der RNA sind Guanin (G), Cytosin (C), Uracil (U) und Adenin (A), während in der DNA Thymin (T) statt Uracil verwendet wird. Abfolgen von fünf bis zehn dieser Bausteine können spontan kopiert werden, wenn die RNA aktiviert wird. Die vulkanische Umgebung im Urmeer und an seinen Rändern stimulierte, dass sich bei niedrigen Temperaturen kurze RNA-Fragmente an längere anlagerten, sich beim Erwärmen miteinander verbanden und als kurzer Strang wieder lösten.

Unerwartet stießen Forscher im Jahr 2015 in Experimenten auf eine spontane Bildung von Hybriden, also eine RNA, an die Aminosäuren angeheftet sind. Diese Peptidyl-RNA könnte den Übergang zur Proteinsynthese darstellen. Insgesamt ist DNA im Vergleich zu RNA stabiler und ersetzte im Lauf der Zeit die RNA meist als dauerhafter Träger der Erbinformation. Proteine übernahmen wiederum die Aufgabe als Enzym, denn sie können sehr komplex aufgebaut sein, was letztlich auch das Erkennen eines ganz spezifischen Substrats erlaubt.

Dabei wirkten mineralische Oberflächen zusätzlich aktivierend: Wenn Zink vorhanden ist, erhöht sich die abgelesene Stranglänge auf 40 Basen. Wie kann die RNA steuern, welche Teile im Strang aktiviert werden? Während DNA immer in Doppelsträngen vorliegt, was sie so stabil macht, kommen RNA-Stränge auch einzeln vor. Die Einzelstränge der

Ein RNA-Thermometer, dessen Verknüpfung über Stickstoffbasen sich bei höheren Temperaturen löst und ein Ablesen ermöglicht.

Bild zum RNA-Thermometer mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Franz Narberhaus, Lehrstuhl für Biologie der Mikroorganismen, Fakultät für Biologie der Ruhr-Universität Bochum, veröffentlicht in Chowdhury S, Maris C, Allain FHT, Narberhaus F. Molecular basis for temperature sensing by an RNA thermometer. EMBO J *2006* ( 25), 2487-2497 Reproduced with permission from EMBO.

140

4 Entstehung des Lebens

Chiralität

Wenn Moleküle die Schwingungsebene des Lichts drehen So wie sich rechte und linke Hand nicht zur Deckung bringen lassen, gilt dies auch für einige organische Moleküle – sie sind nicht spiegelsymmetrisch, was als chiral bezeichnet wird. Diese Eigenschaft prägt auch den Aufbau von großen Molekülverbänden, wie Schneckengehäuse zeigen. Aminosäuren sind wichtige Bausteine, deren chemische Evolution entscheidend für die Entwicklung des Lebens war. In dieser Stoffklasse kommt Chiralität häufig vor. Unter den Protein-aufbauenden Aminosäuren gibt es nur eine Ausnahme: Glycin. Im Glycin, der am einfachsten aufgebauten Aminosäure, bindet das zentrale Kohlenstoffatom zwei Wasserstoffatome, daneben eine Säuregruppe (−COOH) und eine Aminogruppe (−NH2). In Alanin unterscheiden sich bereits alle vier gebundenen Partner, denn im Vergleich zum Glycin ist ein Wasserstoffatom durch eine Methylgruppe (−CH4) ersetzt. Damit ist das zentrale Kohlenstoffatom asymmetrisch geworden: Das Spiegelbild der Verbindung entspricht nicht mehr der Aus-

L-Alanin

D ninalA-

D-Alanin

D-Form von Alanin (rechts) und ihr Spiegelbild, das L-Alanin (links)

Schaut man auf die Spitze des Schneckenhauses, dreht sich die Wendel rechtsherum. Die linksdrehende Variante ist so selten, dass sie „Schneckenkönig“ genannt wird.

gangsverbindung. Analog zu rechter und linker Hand (griech. cheir = Hand) wird dieses Merkmal als Chiralität bezeichnet. Zwei spiegelbildliche Moleküle haben also die gleiche chemische Zusammensetzung, jedoch zeigen mindestens zwei Gruppen räumlich in andere Richtungen. Entdeckt wurde die Chiralität mit der Entwicklung von speziellen optischen Untersuchungsmethoden. Anfang des 19. Jahrhunderts begannen Forscher die Wechselwirkung von Licht beim Durchtritt durch Kristalle und Lösungen näher zu untersuchen. Bei einer Lichtwelle stehen die Wellenberge und -täler senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. Die Wellen des normalen Lichts können dabei eine beliebige Ausrichtung haben. Filtert man alle bis auf eine heraus, bleibt linear polarisiertes Licht übrig.

141

Chiralität

Sonnenlicht schwingt in alle Richtungen, bis es durch einen Filter polarisiert wird.

die prägende Note und LCarvon riecht nach Minze. Die asymmetrischen Proteine, die für den Genatürliches Licht Polarisationsfilter linear polarisiertes Licht ruchs- und GeschmacksBeim Durchtritt durch eine chirale Probe kommt die sinn verantwortlich sind, erkennen den Unterschied an Polarisationsebene leicht gedreht heraus. Diese Ab- dem chiralen Kohlenstoffatom. weichung kann im oder entgegen dem Uhrzeigersinn geneigt sein. In der Stoffklasse der organischen Säuren, In der chemischen Evolution entwickelte sich eine sehr beispielsweise bei Milchsäure in saurer Milch, gibt es genaue Erkennung jeweiliger Reaktionspartner. Ob die beide Formen. Dabei ist der Drehwinkel der Abwei- Selektion einer bevorzugten chiralen Form Zufall war, chung gleich groß, nur die Drehrichtung ändert sich. wird heiß diskutiert, andere mögliche Ursachen sind äußere Faktoren wie Meteoriteneinschläge oder StrahDa sich die Drehrichtung nicht vorhersagen lässt, wähl- lung bei der Entstehung der ersten Aminosäuren und ten die Chemiker die Molekülstruktur als Orientierung. weiterer Stoffklassen. Dabei gibt es räumliche Darstellungsformen, die verschiedene Regeln beachten. Im Wesentlichen gewichCH3 CH3 tet man die Substituenten und schaut, ob sie im oder O O gegen den Uhrzeigersinn angeordnet sind. Die beiden Formen nennt man Enantiomere. Chemische Moleküle enthalten mitunter mehrere chirale Zentren, die CH3 H2C H H sich teilweise aufheben. Ausbreitungsrichtung

CH3

Im allgemeinen Sprachgebrauch ist die Benennung nach Fischer (Strukturformeln ) geläufiger, die aussagt, ob in einer bestimmten Darstellung die unterste Molekülgruppe rechts (D) oder links (L) steht. L-Aminosäuren kommen in allen Lebewesen vor. D-Aminosäuren sind vereinzelt als Abwehrstoff bekannt. Während sich die Enantiomere chemisch schwer unterscheiden lassen, gelingt dies unserer Nase sehr gut. So verleiht D-Carvon dem ätherischen Öl des Kümmels

D-(+)-Carvon

Der räumliche Aufbau von Carvon entscheidet über den Geruchseindruck. In Kümmel kommt das D-(+)-Carvon vor, in Minze das L-(–)-Carvon. Die vier Bindungen am asymmetrischen C-Atom sind rot dargestellt. Die Angabe in Klammern gibt an, in welche Richtung das polarisierte Licht abgelenkt wird, also ein Pluszeichen für rechtsdrehend, ein Minuszeichen für linksdrehend.

Foto Minze mit freundlicher Genehmigung von Christian Schnettelker, www.manoftaste.de Strukturformeln  S. 32 Biomoleküle im Weltall  S. 66

CH2 L-(–)-Carvon

142

4 Entstehung des Lebens

Entropie und Leben Wie Ordnung im Chaos entsteht

Lebewesen sind durch die Entstehung und Aufrechterhaltung komplexer Strukturen geprägt. Aber wie ist das möglich? Strebt denn nicht alles in der Natur einem immer chaotischeren und zufälligeren Zustand entgegen? Genau das scheint der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik auszusagen, wenn er behauptet, die Entropie () – also die Unordnung – nehme immer nur zu oder bleibe bestenfalls konstant. Damit hat man allerdings diesen Hauptsatz missverstanden, denn man übersieht eine wesentliche Voraussetzung: Nur in einem abgeschlossenen System, das von seiner Umgebung vollkommen isoliert ist, nimmt die Entropie zu, bis sie im Gleichgewicht schließlich ihr Maximum erreicht. In einem nicht abgeschlossenen System kann die Entropie dagegen auch abnehmen. Ein einfaches Beispiel ist ein heißer Stein, den wir in kaltes Wasser werfen. Da der Stein Wärme an das Wasser abgibt, verliert er

auch Entropie. Dabei ist sein Entropieverlust aufgrund seiner höheren Temperatur kleiner als der Entropiegewinn des Wassers, denn für die Entropie muss man die Wärmemenge ja durch die Temperatur teilen. In der Summe wächst also die Entropie, so wie es der Zweite Hauptsatz für ein abgeschlossenes Gesamtsystem verlangt. Dies ist auch der Grund dafür, warum Wärme von alleine immer vom heißeren zum kälteren Körper fließt, denn nur in dieser Richtung wächst die Entropiesumme beider Körper. Bei offenen Systemen kann die Entropie also durchaus sinken, wenn es ein Kühlmedium gibt, an das Wärmeenergie abgegeben werden kann. Umgekehrt kann man von einem heißen Medium hochwertige Energie zu günstigen Entropiekonditionen beziehen und sogar einen Teil der Energie für nützliche Arbeit abzweigen. Letztlich ist es der Temperaturunterschied zwischen unserer Sonne und dem kalten Weltraum, der den lebensnotwendigen Energiefluss auf unserer Erde in Gang hält. 6000 K

Q

300 K

400 K

Heißer Stein (400 K) in kaltem Wasser (300 K)

ΔS s

Was ist Entropie?  S. 22

ΔS w 300 K

Energiefluss der Erde

143

Entropie und Leben

Wenn Energieflüsse durch offene Systeme hindurchfließen, können durch Rückkopplungsmechanismen alle möglichen geordneten Strukturen entstehen. Ein Beispiel dafür sind wandernde Sanddünen, die ganz von allein eine typische Sichelform annehmen. Auf die Spitze treibt dieses Prinzip das Leben, das es mit einem ganzen Arsenal raffinierter Rückkopplungen schafft, die komplexesten Strukturen im Universum zu erzeugen. Manche Prozesse können auch geordnete Strukturen hervorbringen, obwohl die Entropie dabei ansteigt. Gibt man beispielsweise zu einer Lösung mit großen Makromolekülen kleinere Makromoleküle hinzu, so lagern sich die großen Moleküle ganz von allein zu größeren Strukturen zusammen. Ein einfaches Modell mit vielen kleinen und einigen großen Kugeln zeigt, was hier vor sich geht: Um jede große Kugel gibt es aus Platzgründen einen Bereich, den die Mittelpunkte der kleinen Kugeln nicht einnehmen können. Lagern sich die großen Kugeln jedoch

Beispiel für eine Proteinfaltung (Chymotrypsininhibitor 2)

zusammen, so überlappen sich diese verbotenen Bereiche und das insgesamt unzugängliche Raumvolumen schrumpft. Die kleinen Kugeln gewinnen so mehr Bewegungsspielraum, was ihre Entropie erhöht – mehr als die Entropie der großen Kugeln schrumpft. Der Merksatz, nach dem Entropie gleich Unordnung ist, greift hier offenbar zu kurz. Das Leben macht sich diese spontane Entstehung geordneter Strukturen an vielen Stellen zunutze – man denke nur an Lipidmembranen oder an die Faltung von Proteinen. Kugelmodell für die spontane Entmischung

Kette wandernder Sicheldünen auf dem Mars

U. Lauth Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik http://theory.gsi.de/~vanhees/faq/entropie/zweithaupt.html Wikipedia Entropiekraft

5 Biochemie Lebende Zellen beherrschen die Tricks und Kniffe der Chemie mit einer Meisterschaft, die uns Menschen bis heute in Erstaunen versetzt. Zellen benötigen die unterschiedlichsten Moleküle, um eine Vielzahl von Aufgaben zu erfüllen und so ihre Lebensprozesse in Gang zu halten. Diese Prozesse müssen die Zellen in die Lage versetzen, sich von ihrer Umwelt abzugrenzen, Energiequellen und andere Ressourcen anzuzapfen, sich vor Gefahren zu schützen, sich fortzupflanzen, miteinander zu kommunizieren und vieles mehr. Um die Bausteine des Lebens – Proteine, Fette, Zucker und andere Moleküle – je nach Bedarf herzustellen oder abzubauen, verfügt eine Zelle über ein großes Arsenal komplexer Nanomaschinen: Sie verbinden oder spalten Moleküle, pumpen Protonen und andere Ionen durch Membranen, transportieren Moleküle durch die Zelle, reichen Elektronen weiter und fangen sogar die Photonen des Lichts ein. Dabei spielen auch anorganische Stoffe wie gelöste Natrium-, Kalium- oder Eisenionen eine wichtige Rolle. Zellen allein sind schon sehr komplex. Noch komplizierter wird es, wenn sie zusammenarbeiten und Organismen aus Billionen Zellen bilden – zum Beispiel uns selbst. Auch hier spielt die Chemie in vielfältiger Weise eine wichtige Rolle: Zellen kommunizieren über Botenstoffe miteinander, wobei Drogen und Gifte diese Kommunikation gefährlich durcheinanderbringen können. Pflanzen locken mit Duftstoffen Insekten an oder setzen sich mit Alkaloiden gegen Fressfeinde zur Wehr. Und manche Lebewesen erzeugen auf chemischem Weg sogar Licht. Streifen Sie in diesem Kapitel mit uns durch die komplexe Welt der Biochemie und lernen Sie die Vielfalt der Moleküle und Prozesse kennen, die die Evolution im Lauf von über drei Milliarden Jahren hervorgebracht hat.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Feil et al., Faszinierende Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57324-2_5

146

5 Biochemie

Die Nanowelt der Zellen Im Reich der Makromoleküle

Zellen sind winzig: Eine typische Zelle in einem unserer Fingerglieder hat eine Ausdehnung von gut 10 μm (Mikrometer, tausendstel Millimeter) und ist damit etwa tausendmal kleiner als das Fingerglied selbst. Wäre das Fingerglied so groß wie ein Zimmer, so hätten die Zellen darin ungefähr die Größe von Erbsen. Unsere Zellen sind randvoll gefüllt mit den verschiedensten Proteinmolekülen, die als winzige Nanomaschinen unsere Lebensvorgänge in Gang halten. Mit rund 10 nm (Nanometer) sind diese Makromoleküle ebenfalls ungefähr tausendmal kleiner als die Zelle selbst Ein Pantoffeltierchen (Paramecium aurelia) unter dem Lichtmikroskop. Man erkennt zwar einzelne Organellen, nicht aber die viel kleineren Makromoleküle. Diese lassen – würde man die Zelle also auf Zimmer- sich mit einem normalen Lichtmikroskop nicht beobachten, da sie rund 40- bis 80größe bringen, so wären die darin ent- mal kleiner sind als die Wellenlänge des Lichts (400–800 nm). haltenen Makromoleküle erbsengroß. Zwischen ihnen tummeln sich noch alle möglichen Oberfläche oder seinem Querschnitt abhängt, wie etwa kleineren Moleküle wie Zucker, Nucleotide, Amino- Reibungskräfte oder die Kraft eines Muskels. Daher säuren, Metallionen und nicht zuletzt viele Wassermo- kann beispielsweise eine Ameise ihre Beine viel schnelleküle, die mit nur 0,3 nm rund 30-mal kleiner sind als ler bewegen als wir die unseren und ein Wassertropfen typische Proteine. kann für sie zur tödlichen Falle werden. Für ein winziges Bakterium ist Wasser sogar ein sehr dickflüssiges In der Nanowelt einer Zelle gelten ganz andere Regeln Medium, in dem es sofort stecken bleibt, wenn es seials in unserer gewohnten Umgebung. Der Grund da- nen Antrieb abschaltet. für ist folgender: Alles, was mit dem Volumen eines Objekts zusammenhängt – beispielsweise seine Mas- In der Welt der Zellen spielt die Schwerkraft kaum eine senträgheit oder sein Gewicht –, nimmt bei einer Ver- Rolle, während elektrische Kräfte sehr wichtig werden, kleinerung viel schneller ab als alles, was von seiner da sich die lokalen Ladungsunterschiede der Moleküle

D. S. Goodsell Wie Zellen funktionieren 2. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag 2010 D. S. Goodsell Illustrations for Public Use http://mgl.scripps.edu/people/goodsell/illustration/public

147

Die Nanowelt der Zellen

bemerkbar machen. Entscheidend sind dabei die allgegenwärtigen Wassermoleküle, die wir uns als winzige elektrische Dipole vorstellen können. Sie versuchen, sich eng zusammenzuschließen und an andere elektrisch geladene Molekülbereiche anzudocken, während elektrisch neutrale Molekülbereiche weggedrängt werden. Erstere Bereiche nennt man daher hydrophil (wasserliebend), letztere dagegen hydrophob (wassermeidend).

In einer Zelle geht es sehr lebhaft zu, denn alle Moleküle unterliegen der zufälligen Wärmebewegung. Ein typisches Protein bewegt sich beispielsweise mit rund fünf Metern pro Sekunde, wobei es ständig seine Richtung ändert und innerhalb von Sekunden mit den meisten anderen erreichbaren Molekülen in seiner Zelle zusammenstößt. Oft muss ein Molekül einfach nur abwarten, bis ein passender Reaktionspartner zufällig vorbeikommt.

Diese Eigenschaft des Wassers () wirkt sich auf die Form vieler Strukturen einer Zelle aus: Bestimmte fettartige Lipide schließen sich zu Membranen () zusammen, indem sie ihre hydrophilen Köpfe dem Wasser zuwenden und ihre hydrophoben Schwänze im Inneren der Membran verstecken. Die Erbsubstanz DNA bildet eine Doppelspirale, in deren Inneren die hydrophoben Basen liegen, und Proteine falten sich so, dass ihre hydrophilen Bereiche möglichst außen liegen. Kleiner Ausschnitt aus einer Zelle des Darmbakteriums Escherichia coli. Nur die großen Makromoleküle sind dargestellt. In Grün sieht man die doppelschichtige Zellwand, die oben links von einem rotierenden Flagellum (Geißel) durchstoßen wird. Im Cytoplasma darunter erkennt man viele verschiedene Enzyme (blau) sowie große Ribosomen (violett), die sich an fadenförmigen mRNA-Strängen (weiß) entlanghangeln und dabei die Proteine der Zelle zusammenbauen. Im Kernäquivalent (Nucleoid) sieht man unten rechts in Gelb die DNA-Stränge der Zelle, die das Erbgut enthalten. Das Bild ist nur eine Momentaufnahme, denn in Wirklichkeit herrscht in der Zelle ein betriebsames Gewimmel.

Illustration mit freundlicher Genehmigung von David S. Goodsell, the Scripps Research Institute Wasser  S. 128 Membranen  S. 132

148

5 Biochemie

ATP-Synthase

Der rotierende Energiewandler In unserem Körper gibt es eine winzige Nanomaschine, deren technische Funktionsweise wirklich verblüffend ist: die ATP-Synthase. Sie produziert den universellen Energieträger aller Zellen: das Adenosintriphosphat, kurz ATP.

Die ATP-Synthase ist ein sogenanntes Transmembranprotein, d. h. sie schwimmt nicht frei im Zellplasma herum, sondern sie fügt sich in eine Membran ein. Bei Bakterien wie Escherichia coli sitzt sie in der Zellmembran, während sie bei komplexeren Zellen wie denen des Menschen die innere Membran der Mitochondrien besetzt. Damit werden die Mitochondrien zu den Kraftwerken unserer Zellen, die das lebenswichtige ATP produzieren. Sehr wahrscheinlich waren Mitochondrien in der Frühzeit des Lebens nichts anderes als frei lebende Bakterien, die wie E. coli ihr ATP an ihrer Zellmembran herstellten. Irgendwann haben sich unsere einzelligen

Triphosphat

Ribose

Adenin

Adenosintriphosphat (ATP) besteht aus der Nucleinbase Adenin, dem Zucker Ribose und drei Phosphaten

ATP ist ein energiereiches Molekül, das unter Wasseraufnahme relativ leicht zu Adenosindiphosphat (ADP) und Phosphat zerfällt. Die dabei frei werdende Energie nutzt die Zelle für viele molekulare Prozesse, indem sie diese mit dem Zerfall von ATP zu ADP koppelt. Ein frisch erzeugtes ATP-Molekül wird so innerhalb weniger Sekunden wieder verbraucht, sodass ständig ATP nachgeliefert werden muss, um die Lebensvorgänge in der Zelle in Gang zu halten. Pro Tag setzen wir auf diese Weise im Mittel 40 bis 80 Kilogramm ATP um.

Mitochondrien sind die Kraftwerke unserer Zellen. Sie besitzen eigene Ribosomen sowie eine eigene DNA und vermehren sich im Zellinneren durch Wachstum und Sprossung, was auf ihren Ursprung als frei lebende Bakterien hindeutet. ATP-Synthase-Partikel Membranzwischenraum Matrix

Ribosom

Cristae

Granula

Innenmembran Außenmembran DNA

O. Fritsche Biologie für Einsteiger: Prinzipien des Lebens verstehen 2. Aufl. Springer Spektrum 2015 Video zur ATP-Synthase http://www.dnatube.com/video/1197/ATP-Synthase--Part-I

149

ATP-Synthase

Vorfahren diese Fähigkeit wohl zunutze gemacht, indem sie sich diese Bakterien einverleibt haben und sie seitdem im Zellinneren wie nützliche Haustiere halten (Endosymbiontentheorie). Analog ist es bei den Chloroplasten der Pflanzenzellen, in denen die Photosynthese abläuft – sie ähneln den Cyanobakterien und tragen ebenfalls ATP-Synthase in ihrer Membran. Wenn Zellen Nährstoffe abbauen oder Photosynthese betreiben, so verwenden sie die verfügbare Energie oft teilweise dazu, um Protonen (genauer H3O+-Ionen) durch die Membran zu pumpen, in der die ATP-Synthase eingebettet ist. Dadurch überführen sie die Energie der Nahrung oder des Lichts in die elektrochemische Energie des Protonengradienten zwischen den beiden Seiten der Membran.

ATP

ADP und Phosphat

Durch spezielle Kanäle in der ATP-Synthase können die Protonen zurückfließen (hellblauer Pfeil in der Grafik) und treiben dabei einen molekularen Rotor an, an dem eine Art unregelmäßig ge- Die ATP-Synthase ist in eine Zellmembran eingebettet und setzt Adenosintriphosformter Löffel befestigt ist (in der Grafik phat (ATP) zusammen., damit es der Zelle als Energieträger zur Verfügung steht. blau dargestellt). Dieser Löffel ragt in einen topfförmigen Bereich hinein, in dem sich seitlich schließlich als ATP die Tasche wieder verlassen. Die drei spezielle Reaktionstaschen befinden (in der Grafik ATP-Synthase wandelt auf diese Weise die Energie des rot dargestellt). Bei seiner Rotation verformt der Löffel Protonengradienten in die chemische Bindungsenergie den Topf und seine Reaktionstaschen, sodass pro Um- des ATPs um. Im Internet findet man viele hervorralauf in jeder Tasche ein ADP und eine Phosphatgrup- gende Videos, die diesen erstaunlichen Vorgang im Depe andocken können, zusammengefügt werden und tail zeigen.

D. S. Goodsell Wie Zellen funktionieren 2. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag 2010

150

5 Biochemie

Glykolyse

Wie man aus Zucker Energie gewinnt Damit unsere Zellen überleben können, müssen sie die Energie anzapfen, die in energiereichen Molekülen steckt. Das muss streng kontrolliert in vielen kleinen Schritten geschehen, damit die Zelle handliche Energieportionen erhält und nicht durch zu große Energiemengen zerstört wird. Aber wie soll die Zelle dieses Wunder vollbringen?

ferring umgebaut (Schritt 2) und zwei Phosphatgruppen werden von ATP-Molekülen, den Energieträgern der Zellen, an die frei liegenden Kohlenstoffatome übertragen (Schritte 1 und 3) – ein energetisches Verlustgeschäft, da ATP verbraucht wird. Es lohnt sich aber in der Bilanz, wie wir bald sehen werden. Zunächst kann nun das so aktivierte Molekül in zwei kleinere Moleküle aufgetrennt werden.

Im Lauf der Evolution sind die unterschiedlichsten Wege entstanden, um dieses Problem zu lösen. Einer der gängigsten ist die Glykolyse, in der Glucose (Traubenzucker, C6H12O6) in das energieärmere Pyruvat (das Anion der Brenztraubensäure, CH3−CO− COO−) zerlegt wird. Die Glykolyse funktioniert sowohl unter aeroben als auch unter anaeroben Bedingungen, braucht also keinen Sauerstoff. Wenn Sauerstoff vorhanden ist, können sich weitere Prozesse anschließen, in denen das Pyruvat schließlich komplett in Wasser und Kohlendioxid umgewandelt wird – diese werden auf den nächsten Seiten besprochen. Wie die meisten biochemischen Prozesse ist auch die Glykolyse ein komplexer mehrstufiger Prozess. Er umfasst insgesamt zehn Einzelschritte. Für jeden von ihnen sind eigene Enzyme zuständig. In den ersten drei Schritten gilt es, das reaktionsträge Glucosemolekül für die Aufspaltung fit zu machen. Dazu wird der Glucose-Sechserring in einen Fructose-Fün-

Nach der Spaltung und einer Umwandlung wird in jedem der beiden kleineren Moleküle ein Wasserstoffatom durch eine Phosphatgruppe ersetzt, wobei das Wasserstoffatom auf ein Trägermolekül übertragen wird. Das neue Molekül ist mit zwei Phosphatgruppen so energiereich, dass es eine davon an ADP übertragen kann, sodass ATP entsteht – ab hier beGlucose ginnt sich die anfängliche Energie-Investition also auszuzahlen. Die übrig gebliebene PhosGlukolyse phatgruppe wird im Molekül verlagert, es Gärung Pyruvat CO2 wird ein Wassermolekül abgespalten und Ethanol die PhosphatgrupPyruvatoxidation CO2 pe dadurch so gelockert, dass auch sie an ein Acetyl-CoA ADP-Molekül übertragen werden kann – ein weiteres ATP-Molekül Citratzyklus 2 CO2 entsteht. NADH/FADH2

O2 Atmungskette

H2O

Nach der Glykolyse können bei Sauerstoffzufuhr die darunter dargestellten Prozesse folgen, die weitere Energie freisetzen. Ohne Sauerstoff können sich Gärungsprozesse anschließen.

D. S. Goodsell Wie Zellen funktionieren 2. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag 2010 O. Fritsche Biologie für Einsteiger: Prinzipien des Lebens verstehen 2. Aufl. Springer Spektrum 2015

151

Glykolyse

P

O

C

p g pp Phosphatgruppe vom ATP aufn aufnehmen f ehme h en

O

C

O

P

P

C

C

O

C C

C

C

O

C C

ATP

O

ADP

C

O

C

P

Phosphatgruppe verlagern

O

O

O

C C

P

O

NADH, H+ O

p g pp Phosphatgruppe an A ADP DP aab bgeb g ben abgeben

O

C C

ADP



ATP

H+

O

O

Pyruvat



ADP

O

O

C

O

Molekül spalten

P

O

C

C C

C C

O

O

P

O

O

+

NAD

Phosphatgruppe anfügen

P

C

O

umbauen

O

C

O

Glyceraldehyd- Dihydroxyaceton3-phosphat phosphat

Übersicht über die Glykolyse. Die Doppelpfeile stellen Schritte dar, die in beide Richtungen funktionieren – es gibt also nur drei Reaktionen, die die Gesamtrichtung bestimmen (orangefarbene Pfeile). Die Moleküle auf farbigem Hintergrund müssen in der Bilanz doppelt gezählt werden, da sich das Fructose-1,6-bisphosphatmolekül rechts in die beiden darunter dargestellten Moleküle aufspaltet, die sich wiederum ineinander umwandeln können.

Mit der Glykolyse schafft es die Zelle, bei der Spaltung von einem Glucosemolekül zu zwei Pyruvatmolekülen vier ATP-Moleküle zu erzeugen, wobei am Anfang zwei ATP-Moleküle investiert wurden – es sind also in der Gesamtbilanz zwei ATP-Moleküle entstanden, mit denen die Zelle ihren Energiehaushalt bestreiten kann. Eine Schwierigkeit besteht darin, das Trägermolekül NADH zu regenerieren: Es muss seinen Wasserstoff wieder abgeben, um sich so für weitere Wasserstoffaufnahmen bereit zu machen. Wenn Sauerstoff vorhanden ist, geschieht das in der Atmungskette (), in der aus dem Wasserstoff zusammen mit Sauerstoff analog zur Knallgasreaktion Wasser entsteht und weitere Energie freigesetzt wird. Ohne Sauerstoff muss die Zelle einen anderen Weg finden. Sie kann beispielsweise das ent-

Die Atmungskette  S. 156 Gärung und anaerobe Atmung  S. 158

C

Fructose-1,6-bisphosphat

1,3-Bisphosphoglycerat

C

Phosphoenolpyruvat



3-Phosphoglycerat

C

O

Phosphatgruppe an ADP abgeben

C

O

C

O

C

ATP

C

C



Wasser abspalten

H2O

O C

O

C

C

2-Phosphoglycerat

O

H2PO4

ADP

C

O

C

Fructose-6-phosphat

ATP

O

C

P

O

P

O

Phosphatgruppe p g pp vom ATP aufn aufnehmen f ehme h en

C

O

O

P

C

C

O C

Glucose-6-phosphat

O

O

C

O

C

O

Glucose

O

O

C

O

O

Sechserring zu Fünferring umbauen

doppelt

O

standene Pyruvat unter CO2-Abspaltung zu Ethanol (CH3−CH2−OH) umbauen und so den Wasserstoff entsorgen – ein Gärungsprozess (), den beispielsweise Hefen hervorragend beherrschen und den jeder Winzer sehr zu schätzen weiß. Aldolase ist für die Aufspaltung von Fructose-1,6-bisphosphat in zwei kleinere Moleküle zuständig, kann aber auch den umgekehrten Prozess katalysieren. Im Bild sind sowohl die innere Bandstruktur als auch die Oberflächenstruktur dargestellt.

152

5 Biochemie

Pyruvat-Oxidation

... und ein gigantischer Enzymkomplex In den beiden Pyruvatmolekülen (CH3−CO− COO−), die am Ende der Glykolyse () aus jedem Glucosemolekül entstehen, steckt noch viel Energie. Um an diese heranzukommen, kann die Zelle Anschluss zu einer zentralen Drehscheibe des Stoffwechsels knüpfen, die nur unter Sauerstoffeinfluss (aeroben Bedingungen) ablaufen kann: zum Citratzyklus (). Ein passender Einstiegspunkt in den Citratzyklus ist das Molekül Acetyl-CoA, in dem eine Acetylgruppe (CH3−CO−, die sich von der Essigsäure ableitet) an das Helfermolekül Coenzym A (CoA) gebunden ist, wobei eine relativ energiereiche Verbindung zwischen den beiden Molekülen entsteht – das Coenzym A aktiviert gewissermaßen die Acetylgruppe für weitere Reaktionen. Dies wird im Citratzyklus dazu ausgenutzt, um die beiden Kohlenstoffatome der Acetylgruppe zu Kohlendioxid reagieren zu lassen, während der Wasserstoff auf Trägermoleküle wie NAD+ (NicotinamidAdenin-Dinucleotid) übertragen und in der Atmungskette () später mit Sauerstoff zu Wasser oxidiert wird. ADP

ADP

Ribo

Ribo Reduktion

N

Oxidation

O H +

O H H

NH2 +

N



NAD + H + 2e

Glykolyse  S. 150 Der Citratzyklus  S. 154 Die Atmungskette  S. 156

NADH

NH2

Strukturmodell von Coenzym A. Kohlenstoff ist schwarz, Wasserstoff weiß, Stickstoff blau, Sauerstoff rot, Phosphor orange und Schwefel gelb dargestellt. Wichtig ist das gelbe Schwefelatom links: Im Acyl-CoA ersetzt hier die Acetylgruppe (CH3−CO−…) das Wasserstoffatom ganz links und verbindet sich so mit dem Schwefelatom, was man auch als CH3−CO−S−CoA schreibt.

Für die Umwandlung des Pyruvats in Acetyl-CoA ist einer der größten Enzymkomplexe zuständig, den wir kennen: der Pyruvat-Dehydrogenase-Komplex. Jedes sauerstoffatmende Lebewesen – ob nun Eukaryot, Bakterium oder Archaeon – besitzt eine Variante des Pyruvat-Dehydrogenase-Komplexes, denn er verbindet Glykolyse und Citratzyklus miteinander. Während bei Bakterien und Archaeen beide Prozesse einfach im NAD (Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid) kann in zwei Formen vorliegen, die man als NAD+ und NADH bezeichnet. Nimmt NAD+ zwei Elektronen auf, so wandelt es sich unter Aufnahme eines Protons in das energiereiche NADH um. Auch der umgekehrte Vorgang ist möglich. NAD ist also ein universelles Trägermolekül, das zwei Elektronen aufnehmen, transportieren und wieder abgeben kann. Die Protonen sind dabei nicht so wichtig, da sie in wässriger Umgebung sowieso jederzeit aufgenommen und abgegeben werden können. Man kann sich die Bildung von NADH auch so vorstellen, dass zwei Wasserstoffatome vom NAD+ aufgenommen werden und ein Proton abgegeben wird, sodass NADH auch als Trägermolekül für energiereichen Wasserstoff angesehen werden kann.

153

Pyruvat-Oxidation

Der Pyruvat-Dehydrogenase-Komplex (vereinfachte Darstellung)

Zellplasma stattfinden, läuft der Citratzyklus in eukaryotischen Zellen wie denen des Menschen im Inneren der Mitochondrien ab. Daher muss das Pyruvat von einem speziellen Carrier erst einmal in die Mitochondrien hinein geschafft werden. Im Pyruvat-DehydrogenaseKomplex haben sich viele Exemplare dreier verschiedener Enzymsorten zu einer komplexen Nanomaschine zusammengefunden. Außen befinden sich die Einheiten der eigentlichen Pyruvat-Dehydrogenase (E1), die dem Komplex seinen Namen gegeben hat. Sie leistet die Hauptarbeit und spaltet von den Pyruvatmolekülen deren Säuregruppe (COO−) als Kohlendioxidmolekül (CO2) ab. Als katalytisches Zentrum dient dabei das Vitamin B1 (Thiamin) – denken Sie also an Ihre Vitaminzufuhr! Damit die übrig gebliebene Acetylgruppe nicht einfach wegdiffundiert, wird sie von einer Art Greifarm (Liponamid) ins Zentrum des Komplexes weitergereicht, wo sie von der zweiten Enzymsorte (E2) an das Coenzym A angefügt wird – fertig ist das AcetylCoA, das nun im Citratzyklus weiter abgebaut werden

kann. Die überzähligen Elektronen werden wiederum von der dritten Enzymsorte (E3) an das Trägermolekül NAD+ übertragen, das dadurch zum energiereichen NADH wird – ein willkommener Rohstoff für die Atmungskette.

Illustration mit freundlicher Genehmigung von David S. Goodsell, the Scripps Research Institute D. S. Goodsell Wie Zellen funktionieren Spektrum Akademischer Verlag 2010 D. S. Goodsell and the RCSB PDB Pyruvate Dehydrogenase Complex http://www.rcsb.org/pdb/101/motm.do?momID=153 O. Fritsche Biologie für Einsteiger: Prinzipien des Lebens verstehen 2. Aufl. Springer Spektrum 2015

154

5 Biochemie

Der Citratzyklus

Drehscheibe des Stoffwechsels Das Molekül Acetyl-CoA haben wir auf der vorherigen Doppelseite bereits kennengelernt. Es ist ein zentrales Abbauprodukt vieler Stoffwechselprozesse und besteht aus einer Acetylgruppe (CH3−CO−), die an Coenzym A (CoA) gebunden ist und so chemisch für weitere Schritte aktiviert wurde.

in den Mitochondrien abläuft. In ihm werden die beiden Kohlenstoffatome der Acetylgruppe vollständig zu Kohlendioxid oxidiert, während der Wasserstoff auf Trägermoleküle übertragen wird – er wird erst im Folgeprozess (der Atmungskette ) mit Sauerstoff zu Wasser umgesetzt.

Acetyl-CoA entsteht nicht nur beim Abbau Der Citratzyklus ist wie die meisten biochevon Glucose, sondern auch beim Abbau von mischen Stoffwechselvorgänge ein kompleO Fetten und Eiweißen. Dabei gelingt es xer mehrstufiger Prozess, in dem jeder EinC CoA dem Körper, in diesen ProC S Der Citratzyklus O O zessen bereits einen Teil O O– Acetyl-CoA C O O im Überblick – C C der chemischen Energie O S CoA –O C C C C C H2O –O – freizusetzen. Der größte C C O O O Teil der Energie ist jedoch Acetyl + Oxalacetat Citrat O O– NADH/H+ immer noch im Wasser C O O anfügen Acetyl-CoA geOH-Gruppe NAD+ C C C Wasserstoff – –O O umlagern C C bunden. DieO abspalten – C C O Isocitrat se Energie O –O C C gilt es nun, NAD+ Malat O O mithilfe von Kohlendioxid + NADH/H+ Wasserstoff Wasser anfügen, d. h. Sauerstoff zu H2O abspalten Sauerstoff kommt O CO2 nutzen. O O hinzu –O

C

O

C C

Der erste große Schritt dazu ist der Citratzyklus (auch KrebsZyklus oder Citronensäurezyklus genannt), der bei eukaryotischen Zellen wie den unseren

Die Atmungskette  S. 156



α-Ketoglutarat

C

Fumarat

–O

C

C

O

Kohlendioxid + Wasserstoff abspalten, CoA anfügen

Wasserstoff abspalten

FADH2

CoA abspalten, GTP gewinnen

Succinat O C

O

C C

O S

NADH/H+

FAD

–O

CoA

NAD+

Succinyl-CoA –O

C

CoA O

S

GTP

GDP

CO2

O



+

C

S

C C

C

P O

C

C C

CoA

O



155

Der Citratzyklus

zelschritt von einem ausgeklügelten Enzym katalysiert und kontrolliert wird. Er bildet eine zentrale Drehscheibe im Stoffwechsel, denn an mehreren Stellen können andere Stoffwechselprozesse an ihn ankoppeln und bestimmte Moleküle hinzufügen oder entnehmen. Wie schafft es nun der Citratzyklus, den Kohlenstoff der Acetylgruppe zu oxidieren? Der erste Teilschritt überrascht, denn darin wird der Essigsäurerest vom Coenzym A abgekoppelt und an ein Oxalacetatmolekül angefügt, wodurch ein relativ großes Citratmolekül mit sechs Kohlenstoffatomen entsteht – daher der Name Citratzyklus. Warum baut die Zelle ein solches Molekül zusammen, wenn sie doch eigentlich die Aceytlgruppe weiter zerkleinern und oxidieren will? Der Grund liegt darin, dass das Citratmolekül ganz ähnlich wie das Pyruvatmolekül einen wichtigen Vorteil besitzt: Seine COO−-Säuregruppen können relativ leicht als Kohlendioxid (CO2) abgespalten werden. Dazu wird im nächsten Teilschritt eine OH-Gruppe vom zentralen Kohlenstoffatom des Moleküls an das benachbarte Kohlenstoffatom umgelagert. Dies lockert die zentral gebundene Säuregruppe so, dass sie im nächsten Teilschritt als CO2 abgelöst wird. Das entstehende α-Ketoglutarat hat deutliche Ähnlichkeit mit dem Pyruvat, das am Ende der Glykolyse entsteht. Es überrascht daher nicht, dass es ganz ähnlich wie bei der Pyruvat-Oxidation von einem riesigen Enzymkomplex (dem α-Ketoglutarat-Dehydrogenase-Komplex) bearbeitet wird, der seine Säuregruppe als CO2 freisetzt und den Rest an Coenzym A ankoppelt, wodurch das relativ energiereiche Molekül Succinyl-CoA entsteht. Diese Energie wird im nächsten Schritt bei der Abkopplung des Coenzym A genutzt, um GTP

(Guanosintriphosphat) herzustellen, das ganz ähnlich wie das universelle Energieträgermolekül ATP (Adenosintriphosphat) aufgebaut ist und sich problemlos in dieses umwandeln lässt. Damit sind die Freisetzung von CO2 und die Erzeugung von energiereichem GTP bereits beendet, wobei zusätzlich zwei Wasserstoff-Trägermoleküle NADH entstanden sind. Die nächsten Schritte dienen dann nur noch dazu, den Kreislauf zu schließen und das Ausgangsmolekül Oxalacetat zurückzugewinnen, wobei zwei weitere Wasserstoff-Trägermoleküle (NADH, FADH2) entstehen. Um diese Trägermoleküle geht es im nächsten Prozess: der Atmungskette. Der Citratzyklus ist eine wichtige Drehscheibe des Stoffwechsels. In ihm werden die beiden Kohlenstoffatome des Acetyl-CoA zu Kohlendioxid umgewandelt und die Wasserstoffatome auf Trägermoleküle (NADH, FADH2) geladen. Kohlenhydrate

Fettsäuren

Proteine

Glykolyse

β-Oxidation

Proteinkatabolismus α-Aminosäuren

Pyruvat Acetyl-CoA CoA

GTP

GDP

+

2 H2O

α-Ketosäuren

Citratzyklus 2 CO2

P

3 NAD+

3 NADH/H+ FADH2

FAD

Atmungskette

n ADP

+

P

2 O2

D. S. Goodsell Wie Zellen funktionieren 2. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag 2010 O. Fritsche Biologie für Einsteiger: Prinzipien des Lebens verstehen 2. Aufl. Springer Spektrum 2015

4 H2O

n ATP

156

5 Biochemie

Die Atmungskette

Knallgasreaktion in kleinen Schritten Über komplexe chemische Prozesse wie Glykolyse, Pyruvat-Oxidation und Citratzyklus gelingt es unseren Zellen, energiereichen Molekülen wie Glucose ihre Wasserstoffatome zu entreißen und die Kohlenstoffatome komplett zu Kohlendioxid zu oxidieren. Dabei entstehen bereits einige energiereiche ATP-Moleküle, die die Zelle als universelle Energieträger für ihre Lebensprozesse braucht.

Der Löwenanteil der Energie steckt aber immer noch ungenutzt in den Wasserstoffatomen (bzw. deren Elektronen), die an Trägermoleküle wie NADH und FADH2 gebunden sind. Um an diese Energie heranzukommen, führen die Zellen eine Art kontrollierte Knallgasreaktion durch, bei der sich der Wasserstoff mit Sauerstoff zu Wasser verbindet.

Membranzwischenraum

Komplex I NADHDehydrogenase-Komplex

Komplex II SuccinatDehydrogenase

Komplex III Cytochromb/c1-Komplex

H+

Komplex IV Cytochroma/a3-Komplex reduziert

H+

ATP-Synthase

H+

oxidiert

I innere Membran

UQH2 UQ

II e−

III

IV Cytochrom a3

Ubichinon Cytochrom c Succinat

NADH/H+

NAD+

FADH2

Fumarat

O2

H2O

FAD

Citratzyklus

ADP

+P

ATP

H+

Matrix

Die Atmungskette besteht aus vier großen Enzymkomplexen, die (bis auf Komplex II) über verschiedene Mechanismen Protonen vom Innenraum des Mitochondriums (der Matrix) auf die andere Seite der Innenmembran befördern. Angetrieben werden die Komplexe durch einen Strom energiereicher Elektronen (blaue Pfeile). Diese werden an den Komplexen I und II von Trägermolekülen abgegeben und gelangen schließlich zu Komplex IV, wo sie auf Sauerstoff übertragen werden, der unter Hinzunahme von Protonen Wasser bildet.

D. S. Goodsell Wie Zellen funktionieren 2. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag 2010 O. Fritsche Biologie für Einsteiger: Prinzipien des Lebens verstehen 2. Aufl. Springer Spektrum 2015

157

Die Atmungskette

Natürlich wäre es für die Zelle tödlich, den Wasserstoff direkt mit Sauerstoff zu verbinden, denn dabei würde viel zu viel Energie auf einmal frei. Stattdessen reicht die Zelle die Elektronen des NADH in der stark gefalteten Innenmembran der Mitochondrien von Molekül zu Molekül weiter und überträgt sie erst nach mehreren Zwischenschritten auf den Sauerstoff, der sich dann mit Protonen zu Wasser verbindet.

Häm

Im Detail ist diese sogenannte Atmungskette ein komplexer Prozess, bei dem mehrere ausgeklügelte Nanomaschinen in der Membran zusammenarbeiten und den Weg der Elektronen genau kontrollieren. Sie lassen die Elektronen dabei Stufe für Stufe eine Energietreppe herunterfallen, wobei sie in jedem Schritt etwas von ihrer Energie freisetzen. Diese Energie nutzen die Nanomaschinen, um Protonen aus dem Innenraum des Mitochondriums (der Matrix) nach außen zu befördern. Es entsteht ein elektrochemischer Gradient zwischen den beiden Seiten der Membran, dessen Energie für verschiedene Zwecke verwendet werden kann. Bakterien betreiben beispielsweise damit den rotierenden Motor ihrer Flagellen () und schieben sich so durch das zähe Wasser voran. Die Mitochondrien verwenden diesen Gradienten, um ein Wunderwerk der Nanotechnik anzutreiben, das in großem Stil ATP-Moleküle herstellt: die ATPSynthase – sie wird in diesem Buch an anderer Stelle ausführlich beschrieben (). Auch viele Bakterien und Archaeen stellen auf diese Weise den größten Teil ihres ATPs her, wobei die Atmungskette in ihrer Zellmembran abläuft – sie haben ja keine Mitochondrien.

Flagellen, Cilien  S. 168 ATP-Synthase  S. 148

Kupferion Sauerstoff

In Komplex IV werden die Elektronen am Ende der Atmungskette auf Sauerstoff (blau) übertragen.

Ein Molekül sollten die Zellen dabei unbedingt vermeiden: das Cyanid-Ion (CN−). Dieses Anion der Blausäure blockiert nämlich das letzte Enzym in der Atmungskette (Komplex IV), da es sich noch fester als Sauerstoff an dessen aktives Zentrum bindet. Das riesige Enzym wird so durch ein einziges winziges CyanidIon außer Gefecht gesetzt und die Elektronen können die letzte Stufe der Energietreppe bis zum Sauerstoff nicht mehr hinabfallen. Die Atmungskette kommt zum Erliegen und mit ihr die ATP-Produktion – die Zelle erstickt innerlich inmitten von Sauerstoff. Kein Wunder also, dass bereits geringe Mengen Cyanid tödlich sind.

158

5 Biochemie

Gärung und anaerobe Atmung Leben ohne Sauerstoff

Wenn kein Sauerstoff vorhanden ist, haben unsere Zellen ein Problem: Es fehlt die letzte Stufe in der Atmungskette, bei der die Elektronen aus Abbauprozessen wie Glykolyse und Citratzyklus auf Sauerstoffatome übertragen werden können.

Die Gärung hat allerdings einen großen Nachteil: Es wird nur relativ wenig Energie dabei freigesetzt. Viel günstiger ist es da, wenn man den Sauerstoff durch ein anderes von außen zugeführtes Molekül ersetzen kann. So lässt sich auch ohne Sauerstoff eine Art von Atmungskette in Gang halten, sodass die Nährstoffe komplett oxidiert werden können (anaerobe Atmung). Dafür kommen prinzipiell alle Atome und Moleküle infrage, die relativ gerne Elektronen aufnehmen, insbesondere Sulfat-, Carbonat- oder NitratIonen sowie Schwefel- oder Eisen(III)-Ionen. Wann immer sich auf diese Weise die Möglichkeit für eine andere Elektronentransportkette bietet, so findet das Leben auch meist einen Weg, sie zu nutzen und damit die unterschiedlichsten Lebensräume zu besiedeln. Sogar in engen Gesteinsporen bis zu zwei Kilometer unter dem Meeresboden hat man Leben entdeckt (tiefe Biosphäre).

Nun gibt es seit mindestens 3,5 Milliarden Jahren Leben auf dieser Erde, während unsere Atmosphäre erst seit rund 2,5 Milliarden Jahren nennenswerte Mengen an Sauerstoff enthält. Das Leben muss also auch ohne Sauerstoff in der Lage sein, die notwendige Energie zu erzeugen. Einen solchen Prozess haben wir bei der Glykolyse kurz gesehen: die Gärung. Dabei werden die Elektronen nicht auf Sauerstoff übertragen, sondern auf eines der organischen Moleküle, die in den Abbauprozessen entstehen. Bei der Milchsäuregärung wird so das Pyruvat aus der Glykolyse in Lactat (das Anion der Milchsäure) umgewandelt. Auch unsere eigenen Körperzellen beherrschen diesen Gärungsprozess und wenden ihn an, wenn beispielsweise bei besonderen Belastungen in unseren Muskeln nicht genügend Sauerstoff vorhanden ist. H H H

C

Anaerobe Atmung kennen wir alle von Faulschlämmen am Grund sauerstoffarmer Gewässer. Bestimmte Mikroorganismen nutzen hier oft Sulfat-Ionen (SO42−), die beispielsweise in Meerwasser reichlich vorkom-

H H

O

H

Lactat-Dehydrogenase

C

C

O H

C

O

H

C C

O–

Pyruvat

NADH, H+

NAD+

O Lactat

O–

Bei der Milchsäuregärung werden vom NADH zwei Elektronen auf das Pyruvatmolekül übertragen, sodass nach Aufnahme zweier Protonen ein Lactatmolekül entsteht. In Summe werden also zwei Wasserstoffatome übertragen. Das Pyruvat stammt ebenso wie das NADH aus der Glykolyse. Die Milchsäuregärung sorgt also dafür, dass das NADH auch ohne Atmungskette seine zwischengespeicherten Elektronen aus der Glykolyse wieder loswerden kann.

Gärung und anaerobe Atmung

159

men. Sie atmen gewissermaßen Sulfat anstelle von Sauerstoff (Sulfat-Atmung). Das übrig bleibende Sulfid-Ion (S2−) reagiert dann beispielsweise mit H+-Ionen zu Schwefelwasserstoff (H2S), der den Faulschlämmen ihren charakteristischen Geruch nach faulen Eiern verleiht. Oft vereinen sich die Sulfid-Ionen auch mit vorhandenen Eisenionen zu schwarzem Eisensulfid – daher stammt die typische schwarze Farbe solcher Schlämme. Je nach Verfügbarkeit verschiedener atembarer Stoffe finden auch viele andere anaerobe Atmungsvorgänge in der Natur statt. In Sümpfen und Reisfeldern, aber auch in Rindermägen oder im Darm von Termiten verwenden bestimmte Mikroorganismen oft Kohlendioxid für die sogenannte Carbonat-Atmung, da dieses durch Gärungsvorgänge dort meist reichlich gebildet wird. Dabei produzieren sie anstelle von Schwefelwasserstoff das starke Treibhausgas Methan und tragen auf diese Weise unfreiwillig zur globalen Erderwärmung bei.

Reisterrassen in der chinesischen Provinz Yunnan: Hier leben Mikroorganismen, die Kohlendioxid für ihre Carbonat-Atmung verwenden.

Über die nur etwa 0,2 mm großen Korsetttierchen (Loricifera) weiß man bis heute nur wenig. Im Jahr 2010 wurden am Grund des Mittelmeers in über 3000 Metern Tiefe drei Arten dieser Tiergruppe gefunden, die offenbar dauerhaft ohne Sauerstoff in den Sedimenten leben können – so etwas war von vielzelligen Tieren zuvor nicht bekannt. Diese Tiere besitzen keine Mitochondrien, sondern sogenannte Hydrogenosomen, in denen anaerobe Gärungsprozesse stattfinden.

Desulfovibrio vulgaris ist ein bekanntes Beispiel für ein Sulfat-atmendes Bakterium. Der schwarze Balken ist nur 0,5 μm lang.

G. Neulinger Tiefe Biosphäre – Die Wesen aus der Unterwelt http://www.spektrum.de/news/die-wesen-aus-der-unterwelt/1200897

160

5 Biochemie

Photosynthese

Das Licht der Sonne nutzen Vor gut drei Milliarden Jahren gelang den Vorfahren aufzubauen. Beim Zurückfließen durch die Membran der heutigen Cyanobakterien ein wichtiger Entwick- treiben die Protonen eine komplexe rotierende Nanolungsschritt: Sie lernten das Licht der Sonne zu nutzen, maschine an, die das universelle Energie-Speichermoum mit seiner Energie aus Kohlendioxid und Wasser lekül ATP zusammenbaut: die ATP-Synthase (). all die organischen Stoffe aufzubauen, aus denen Zellen beBei den Mitochondrien stammen äußere Membran Thylakoid stehen. Als später die ers- innere Membran die energiereichen Elektronen aus ten eukaryotischen Zellen Stroma dem Abbau von Nahrungsstof(Zellen mit Zellkern) entfen wie Glucose. Sie werden standen, machten sich einivom Trägermolekül NADH ge von ihnen die Fähigkeit angeliefert und am Ende der dieser Bakterien zunutze und Atmungskette auf Sauerstoff nahmen sie als Untermieübertragen, der sich unter ter in ihr Inneres auf – wir Aufnahme von freien ProtoLumen finden sie heute als Chlo- Chloroplast nen zu Wasser umwandelt. Granum Ribosom DNA Thylakoidmembran roplasten in den Zellen aller Pflanzen wieder. In der ThylakoGenau umgekehrt läuft idmembran dieser Organellen spielt sich die gesam- es bei der Photosynthese in den Chloroplasten: Hier te Photosynthese ab. Eine ähnliche Herkunft haben werden zu Beginn den Wassermolekülen einige ihrer auch die Mitochondrien, in denen Citratzyklus und Elektronen entzogen, sodass diese zu Protonen und Atmungskette stattfinden – auch sie stammen nach der molekularem Sauerstoff zerfallen – dort kommt er also Endosymbiontenhypothese von frei lebenden Bakte- her, der für uns so lebensnotwendige rien ab. Sauerstoff! Tatsächlich haben Mitochondrien und Chloroplasten viele Ähnlichkeiten. Sie besitzen beide in ihrer inneren Zellmembran mehrere große Enzymkomplexe, über die energiereiche Elektronen wie in einer Kette von Molekül zu Molekül weitergereicht werden und dabei schrittweise ihre Energie abgeben. Diese Energie wird dazu genutzt, um Protonen durch die Membran zu befördern und so einen elektrochemischen Gradienten

ATP-Synthase  S. 148

Modell des Chlorophyll-a-Moleküls. Kohlenstoff ist schwarz, Wasserstoff weiß, Sauerstoff rot, Stickstoff blau und das zentrale Magnesiumion grün dargestellt.

161

Photosynthese

Am Ende ihres Wegs werden die Elektronen dann auf das Trägermolekül NADP+ übertragen, das damit zu NADPH wird und die Elektronen für den Aufbau energiereicher organischer Verbindungen zwischenspeichert. Das Trägermolekül NADPH sieht fast genauso aus wie das NADH der Atmungskette und funktioniert auch genauso. Es enthält nur eine zusätzliche Phosphatgruppe (daher das zusätzliche P im Namen), sodass die Zelle abbauende und aufbauende Stoffwechselprozesse besser auseinandersteuern kann. Damit diese Elektronentransportkette überhaupt ablaufen kann, wird an zwei Stellen (Photosystem I und II) Energie auf die Elektronen übertragen. Das gelingt der Zelle mithilfe verschiedener Chlorophyllvarianten und anderer lichtabsorbierender Farbstoffmoleküle, die sie mit anderen Proteinen zu großen Lichtsammelkomplexen zusammenbaut. Die Elektronen dieser Moleküle können von den Photonen des Lichts besonders leicht in Schwingungen versetzt werden und so die Lichtenergie effektiv in sich aufnehmen. Die SchwinStroma gungen pflanzen sich dann durch die Sammelkomplexe fort, bis sie ein ReLicht aktionszentrum erreichen, dort ein Elektron herauslöH+ H+ sen und es so mit Energie versorgen. Dieser im Detail ThylakoidPQH2 membran sehr komplexe Prozess ist PC letztlich der Motor fast alLumen WOC − len Lebens auf dieser Erde 2 H2O 4 e O2 + 4 H+ H+ H+ – gut, dass die Evolution Photosystem II Cyt bf ihn vor gut drei Milliarden Jahren entwickelt hat.

Der Lichtsammelkomplex LHCII höherer Pflanzen befindet sich in der Thylakoidmembran der Chloroplasten und ist dort mit dem Photosystem II verknüpft. Die Farbstoffmoleküle Chlorophyll a (grün), Chlorophyll b (cyan) und verschiedene Carotinoide (gelb) werden von einem Proteingerüst (grau) in Position gehalten.

ATP

ADP

+P Licht

+

NADP

NADPH

+ H+ Fd

Fd Fp

PC

H+ Photosystem I

ATP-Synthase

Die Elektronentransportkette bei der Photosynthese weist einige Ähnlichkeiten mit der Atmungskette in den Mitochondrien auf. In den Photosystemen (PS) I und II werden die Elektronen mit Lichtenergie versorgt. Quelle für die Elektronen ist letztlich Wasser, das im wasserspaltenden Komplex (WOC, water oxidizing complex) in Sauerstoff und Protonen zerlegt wird. Am Schluss bringt das wasserlösliche Protein Ferredoxin (Fd) die Elektronen zum Enzym Ferredoxin-NADP+-Reduktase (Fp), wo sie auf das Trägermolekül NADP+ übergehen.

O. Fritsche Biologie für Einsteiger: Prinzipien des Lebens verstehen 2. Aufl. Springer Spektrum 2015

162

5 Biochemie

Der Calvin-Zyklus Photosynthese Teil II

Das Ziel der Photosynthese ist es, mithilfe der Energie des Lichts aus Wasser und Kohlendioxid organische Moleküle wie Glucose sowie energiereiche ATP-Moleküle für die Lebensprozesse der Zelle herzustellen.

von Glucose (C6H12O6) könnte also in Summe folgendermaßen aussehen: 6 CO2 + 24 e− + 24 H+ o C6H12O6 + 6 H2O

Den ersten Schritt haben wir auf der vorhergehenden Doppelseite bereits kennengelernt: Die Lichtenergie wird in einem komplexen Prozess dazu genutzt, Wassermoleküle zu zerlegen und ihnen zwei Elektronen (e−) zu entreißen: 2 H2O o 4 e + 4 H + O2 −

C

O

O

3-Phosphoglycerat (2 mal)

Ribulose-1,5-bisphosphat

+

Diese Elektronen geben dann auf einer Reise von Molekül zu Molekül ihre Energie schrittweise wieder ab und erzeugen dabei einen Protonengradienten, der zur Synthese der ATPMoleküle genutzt wird – dieses Teilziel wäre also schon mal erreicht.

Kohlendioxid

O C

O

O

– O

O

Enzym RuBisCo

C

O

O –O

C

P

O

C

C

O

O

O

O

C

– O

P

O

C C

O –

ATP

O

P O

Kohlenstofffixierung

ADP

ADP

ATP

Regeneration O C C

O

C C

P

O

O O

– O

O

O

C C

Aufbau von Glucose und anderen organischen Molekülen

M. Gross Fotosynthese mit Turbolader Spektrum der Wissenschaft Feb. 2015, S. 17 International Rice Research Institute C4 rice project http://c4rice.irri.org/

P

– O

O

P O

1,3-Bisphophoglycerat (2 mal)

Glycerinaldehyd-3-phosphat (2 mal) 5/6 O O 1/6

P

C

O

O –O

O

C C

C

O Am Schluss der Reise werden die O O − Elektronen (e ) an das TrägermoRibulose-5-phosphat lekül NADPH gebunden. Sie bilden mehrere zusammen mit Protonen (H+) aus der Zwischenwässrigen Umgebung einen wichtigen schritte Baustein für die Synthese organischer Moleküle.

Was jetzt noch fehlt, ist Kohlenstoff. Dieser ist in Form von Kohlendioxid in unserer Atmosphäre frei verfügbar. Die Herstellung

Reduktion

O

O

NADPH

– O

NADP+

C

O

O –O

O–

P O

Der Calvin-Zyklus

Der Calvin-Zyklus

RuBisCo

Das sieht recht einfach aus, ist aber in Wirklichkeit ein komplexer Prozess mit vielen Einzelschritten, dessen Herzstück der sogenannte Calvin-Zyklus ist. Dabei gibt es einen entscheidenden Schritt: das Anfügen von Kohlendioxid an ein Ribulose-1,5-bisphosphatmolekül durch das Enzym RuBisCo, wobei zwei Moleküle 3-Phosphoglycerat entstehen, die unter Aufnahme von Wasserstoff zu zwei Molekülen Glycerinaldehyd3-phosphat umgebaut werden. Jedes sechste dieser Moleküle kann für den Aufbau anderer Moleküle wie Glucose abgezweigt werden, während die übrigen fünf dazu dienen, in mehreren Einzelschritten die hineingesteckten Ribulose-1,5-bisphosphatmoleküle zurückzugewinnen und so den Kreis zu schließen.

Carboxysome im Inneren eines Bakteriums (links, gekennzeichnet durch Pfeile) sowie daraus extrahiert (rechts). Sie enthalten das Protein RuBisCo und schützen es vor Sauerstoff.

163

Das Enzym RuBisCo ist eines der häufigsten Proteine auf der Welt und bietet ein gutes Beispiel dafür, dass die Evolution nicht zielgerichtet abläuft. RuBisCo kann nicht besonders gut zwischen Kohlendioxid und Sauerstoff unterscheiden und baut deshalb oft versehentlich Sauerstoff statt Kohlendioxid ein. Als die Photosynthese entstand, war dies noch kein Problem, denn damals gab es noch reichlich Kohlendioxid und nur wenig Sauerstoff auf der Erde. Später ließ eben diese Photosynthese den Sauerstoffgehalt immer weiter ansteigen, doch da war es für einen grundlegenden Umbau von RuBisCo offenbar schon zu spät. Im Lauf der Zeit entstanden in der Evolution verschiedene Wege, um das Problem in den Griff zu bekommen: Während C3-Pflanzen wie Weizen oder Reis noch mit dem Grundtypus der Photosynthese arbeiten, fixieren die erdgeschichtlich später entstandenen C4-Pflanzen wie Mais und Zuckerrohr CO2 zunächst organisch vor und stellen es dann konzentriert bereit. Bakterien mit RuBisCo bauen wiederum eine Proteinhülle (Carboxysom) darum und schützen es so vor Sauerstoff. Es gibt erste Versuche, die recht langsame C3-Photosynthese beispielsweise von Reis gentechnisch auf die effizientere C4-Variante umzustellen, doch der Erfolg lässt noch auf sich warten.

164

5 Biochemie

Zellen simulieren Leben im Computermodell

Seit dem Jahr 2003 ist das menschliche Genom vollständig entschlüsselt. Wir kennen die komplette Sequenz der etwa drei Milliarden Basenpaare in unserer DNA, die sich zu mehr als 20 000 Genen gruppieren. Aber wir verstehen bis heute nicht im Detail, wie diese Gene die biochemischen Abläufe in unseren Zellen steuern und wie diese Abläufe sich gegenseitig beeinflussen. Das ist aber notwendig, wenn wir beispielsweise herausfinden wollen, wie Krebs entsteht und wie man ihn bekämpfen kann. Gelänge es, das komplexe biochemische Netzwerk einer Zelle realistisch in einem Computer zu simulieren, dann wäre man diesem Ziel schon sehr viel näher. Ein solches Modell müsste alle wesentlichen Lebensvorgänge der Zelle korrekt erfassen: den Umsatz von Energie, Nährstoffen und Abfallprodukten, den Aufbau neuer organischer Moleküle, das Ablesen der Gene (Genexpression), den Aufbau und die Entsorgung von Proteinen, die Reparatur von DNA, ihre Verdoppelung bei der Zellteilung und vieles mehr.

Die hier dargestellte Mycoplasma-Zelle ist nur rund 300 nm groß, also etwa 50-mal kleiner als eine typische menschliche Zelle. Man erkennt u. a. lange DNA-Stränge (gelb), große Ribosomen (violett), die sich bei der Proteinsynthese an mRNA-Fäden (hellviolett) entlang hangeln, rechts von der Mitte einen großen runden PyruvatDehydrogenase-Komplex (blau) und außen in Grün viele Membranproteine (u. a. ATP-Synthase).

Bei komplexen Zellen wie den unseren mit ihren gut 20 000 Genen steht man da heute noch ganz am Anfang. Sehr viel weiter ist man bei einfachen Bakterien der Gattung Mycoplasma. Diese Bakterien ohne Zellwand gehören zu den einfachsten Organismen, die wir im Labor züchten können. Da sie als Parasiten in Menschen, Tieren und Pflanzen leben und daher viele lebenswichtige Moleküle aus ihrer Umgebung beziehen können, ohne sie selbst synthetisieren zu müssen, kommen sie mit nur rund 500 Genen aus.

Im Modell muss man nun alle wichtigen Lebensprozesse dieser Zellen durch konkrete mathematische Gleichungen und passende Computeralgorithmen ausdrücken. Außerdem benötigt man möglichst präzise Werte von Tausenden von Parametern, die beispielsweise festlegen, wie schnell eine chemische Reaktion abläuft oder wie stark ein Enzym durch andere Stoffe aktiviert oder gehemmt wird. Man kann sich vorstellen, welche umfangreichen Recherchen notwendig sind, um all dieses Wissen zusammenzutragen.

M. W. Covert Die simulierte Zelle Spektrum der Wissenschaft, Feb. 2015, S. 76 Video einer Zellsimulation http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3413483/bin/NIHMS391296-supplement-04.mp4 D. S. Goodsell Illustrations for Public Use http://mgl.scripps.edu/people/goodsell/illustration/public

165

Zellen simulieren

Allerdings sind selbst Mycoplasmen immer noch so komplex, dass man ohne Vereinfachungen nicht auskommt. Man kann nicht ständig alle Wechselwirkungen zwischen den Prozessen zugleich beachten, sondern man muss die Prozesse zu Gruppen (Modulen) wie Stoffumsatz, Proteinaufbau, Genexpression oder Zellteilung zusammenfassen, deren Wechselwirkung man bei Zeiten unterhalb einer Sekunde vernachlässigt. Auf diese Weise kann man berechnen, wie die verschiedenen Module unab-

hängig voneinander innerhalb einer Sekunde den Gesamtzustand der Zelle verändern. Diesen veränderten Gesamtzustand verwendet man dann wieder als Basis für die Berechnung der nächsten Sekunde im Leben der Zelle.

Simulierte zeitliche Entwicklung der Zellform bis zur Teilung

Auf diese Weise ist es in den letzten Jahren tatsächlich gelungen, funktionierende Modelle für Mycoplasmen zu erstellen, in denen diese Zellen leben, atmen, wachsen und sich sogar teilen. Ein erster Schritt ist getan!

Bildschirmfoto der Computersimulation einer Mycoplasma-Zelle. Die verschiedenen Bereiche zeigen verschiedene Eigenschaften der simulierten Zelle. Obere Reihe: Zellform, Stoffwechsel, Genexpression; untere Reihe: DNA und RNA bei der DNA-Replikation, zeitlicher Verlauf der DNA-Replikation, Translation für die Proteinsynthese. Die Visualisierung ist auf http://www.wholecellviz.org/viz.php zu finden.

Bilder: Bildschirmfotos von WholeCellViz, http://www.wholecellviz.org/viz.php R. Lee, J. R. Karr, M. W. Covert WholeCellViz: data visualization for whole-cell models BMC Bioinformatics 2013, 14 (1), 253 http://bmcbioinformatics.biomedcentral.com/articles/10.1186/1471-2105-14-253 J. R. Karr, J. C. Sanghvi, D. N. Macklin, M. V. Gutschow, J. M. Jacobs, B. Bolival, G. N. Assad-Garcia, J. I. Glass, M. W. Covert A whole-cell computational model predicts phenotype from genotype Cell 2012, 150 (2), 389–401

166

5 Biochemie

Ribosomen

Molekulare Maschinen für die Proteinproduktion An den Ribosomen findet einer der wichtigsten Prozesse des Lebens statt: der Aufbau von Proteinen () aus Aminosäuren nach dem Rezept der DNA (). Ohne Ribosomen kann kein Lebewesen der Erde existieren, weder Mensch noch Schmetterling, Eiche oder Bakterium. Es handelt sich hierbei um komplexe Makromoleküle von etwa 25 nm Größe, die überall im Zellplasma und bei eukaryotischen Zellen auch am endoplasmatischen Reticulum sowie in den Mitochondrien und Chloroplasten vorkommen. In Abbildungen von Zellen sind sie meist als kleine schwarze Partikel erkennbar. Sie sind aus über 50 verschiedenen Proteinen und einigen ribosomalen RNA-Molekülen (rRNA) aufgebaut. Dabei geben die Proteine dem Ribosom seine Struktur, während der RNA-Anteil für die Funktionalität verantwortlich ist.

während die große Untereinheit einzelne Aminosäuren durch eine Peptidbindung verknüpfen kann. Das sind die Voraussetzungen dafür, dass hier Proteine aus ihren Aminosäuren zusammengebaut werden können.

Die Proteine und rRNA des Ribosoms ordnen sich in zwei Untereinheiten an, die unterschiedliche Aufgaben erfüllen: Die kleine Untereinheit besitzt eine Bindungsstelle für mRNA (Messenger-RNA, Boten-RNA),

Die große Untereinheit des Ribosoms besitzt noch drei zusätzliche Bindungsstellen, für die sogenannte Transfer- oder tRNA. Diese Stellen werden mit A (Aminoacyl), P (Peptidyl) und E (Exit) bezeichnet. Im Zellplasma schweben vieler solcher tRNA-Stücke frei umher. Sie sind so gefaltet, dass sich drei ihrer Basen durch Wasserstoffbrücken an der mRNA am Ribosom anlagern können – sofern ihre Basensequenzen zueinander passen. Nur komplementäre Basenpaarungen sind erlaubt, also Adenin mit Uracil und Guanin mit Cytosin.

Die beiden Untereinheiten des Ribosoms liegen zunächst getrennt voneinander vor und lagern sich erst zur Proteinsynthese am mRNA-Strang an. Bei Eukaryoten hat die mRNA zuvor die genetische Information eines Abschnitts der DNA im Zellkern in ihre eigene Basensequenz übertragen (Transkription), bei Bakterien liegt die RNA bereits frei im Zellplasma vor. Um die Information der mRNA abzulesen und in ein Protein zu übersetzen, lagert sich das Ribosom an einer bestimmten Startsequenz der mRNA an: AUG, was für die Basen Adenin, Uracil und Guanin steht.

Struktur des Ribosoms eines E. Coli Bakteriums mit großer Untereinheit (rot) und kleiner Untereinheit (blau). Die dunkleren Bereiche entsprechen rRNA, während die helleren Bereiche Proteine darstellen.

Proteine  S. 178 RNA-Welt  S. 138

Ribosomen

167

Für die Aufklärung der genauen atomaren Struktur des Ribosoms wurde übrigens 2009 der Nobelpreis für Chemie an Venkatraman Ramakrishnan, Thomas A. Steitz, Ada Yonath vergeben. Der exakte Aufbau und die feinen Unterschiede zwischen bakteriellen und eukaryotischen Ribosomen sind wichtig, um gezielt Antibiotika () herstellen zu können, die die Ribosomen schädlicher Bakterien angreifen, aber die Funktion der menschlichen Ribosomen nicht beeinträchtigen.

Die Translation der mRNA am Ribosom (grün)

Die tRNA erfüllt dabei eine wichtige Transportaufgabe: Sie bringt nämlich eine für ihr Basentriplett spezifische Aminosäure mit sich und spielt so bei der Übersetzung der mRNA-Information in die Sequenz der Aminosäuren eine Vermittlerrolle. Während das Ribosom am mRNA-Strang weiterrückt, wird die tRNA an die P-Stelle der großen Untereinheit verschoben und eine neue tRNA kann sich an der nun leeren A-Stelle anlagern. Ist bereits ein Stück einer Aminosäurekette vorhanden, so wird diese von der tRNA an der PStelle gelöst und an die Aminosäure der tRNA an der A-Stelle angehängt – wodurch das Protein um eine Aminosäure anwächst. Rückt das Ribosom noch ein Stück weiter, so wird die tRNA von der P-Stelle an die E-Stelle verschoben und die tRNA kann das Ribosom wieder verlassen. Gleichzeitig wird die A-Stelle wieder frei für eine erneute Anlagerung. Auf diese Weise wird Stück für Stück die Nucleotidsequenz der mRNA in eine Aminosäurekette übertragen – bis eine Stoppsequenz auf dem mRNA-Strang erreicht wird und das Ribosom das fertig synthestisierte Protein freilässt.

Start Stopp

Die vier Stickstoffbasen Adenin (A), Uracil (U), Cytosin (C) und Guanin (G) verschlüsseln den genetischen Code: eine Kombination aus drei Stickstoffbasen (Codon) steht für eine der etwa 20 verschiedenen Aminosäuren, die die Zellen für ihre Proteine benötigen. Eine Aminosäure kann durch mehrere Tripletts codiert werden.

Antibiotika  S. 280 O. Fritsche Biologie für Einsteiger: Prinzipien des Lebens verstehen 2. Aufl. Springer Spektrum 2015 B. Alberts, D. Bray, A. Johnson, J. Lewis, M. Raff, K. Roberts, P. Walter Lehrbuch der Molekularen Zellbiologie 2. Aufl. Wiley-VCH Weinheim 2001

168

5 Biochemie

Flagellen, Cilien

... und der Stammbaum des Lebens Für Bakterien und andere Einzeller ist Wasser ein sehr zähes Medium, in dem sie ohne Antrieb sofort stecken bleiben. Um darin voranzukommen, benötigen sie einen effektiven Antrieb. Bei Bakterien wie dem Darmbakterium Escherichia coli besteht dieser Antrieb aus einem rotierenden Nanomotor, an dem über einen Haken ein langer dünner Proteinfaden befestigt ist. Dieses sogenannte Flagellum sitzt in der Zellmembran und treibt wie eine Schiffsschraube das Bakterium mit rund 50 Umdrehungen pro Sekunde vorwärts. Als Treibstoff dient derselbe Protonengradient, den auch die ATP-

Synthase () nutzt: Wenn die Protonen durch den Motorkomplex des Flagellums auf die andere Seite der Membran zurückströmen, versetzen sie ihn in Rotation. Dabei kann sogar die Drehrichtung vorübergehend umgekehrt werden, wodurch das Bakterium taumelt und neu ausgerichtet wird. Auf diese Weise kann es auf einen chemischen Konzentrationsgradienten reagieren und zu günstigen Substanzen hinschwimmen oder vor schädlichen Substanzen fliehen (Chemotaxis). Bakterien sind recht einfache Zellen, die keinen Zellkern oder andere durch Membranen abgeteilte Zellbereiche besitzen. Ende der 1970er-Jahre erkannte man, Motor eines Flagellums (A) in der Zellmembran eines Bakteriums, bestehend aus Motorproteinen (B) und einem großen Rotor (C). Unter (D) sehen wir ein Sensorprotein, das die Nährstoffkonzentration misst und über lösliche Proteine (E) ggf. das Signal für einen Richtungswechsel an den Motor weitergibt. Archaeen lebe oft in extremen Umgebungen, beispielsweise in der Thermalquelle Grand Prismatic Spring im Yellowstone-Nationalpark

ATP-Synthase  S. 148 O. Fritsche Biologie für Einsteiger: Prinzipien des Lebens verstehen 2. Aufl. Springer Spektrum 2015 D. S. Goodsell Wie Zellen funktionieren Spektrum Akademischer Verlag 2010

169

Flagellen, Cilien

dass es neben den Bakterien eine zweite große Gruppe einfacher Zellen gibt, die sich in vielen biochemischen Details von den Bakterien unterscheiden: die Archaeen. Viele Archaeen sind an extreme Lebensräume angepasst: Man findet sie in heißen Quellen, Salzseen und in sehr saurem oder basischem Milieu. Auch Archaeen besitzen rotierende Flagellen, die sich allerdings in den molekulare Details – soweit bekannt – deutlich von den Flagellen der Bakterien unterscheiden. So wird ihr Motor nicht von Protonen angetrieben, sondern wie unsere Muskeln durch die Hydrolyse von ATP (Adenosintriphosphat). Wie man sieht, gibt es offenbar mehrere Wege, wie ein rotierender Motor in der Evolution entstehen kann. Neben den Bakterien und Archaeen gibt es eine dritte große Domäne des Lebens, zu der neben diversen Einzellern alle Pflanzen und Tiere – und damit auch wir selbst – gehören: die Eukaryoten. Die Zellen der Eukaryoten sind deutlich größer und komplexer als die einfachen Zellen der Bakterien und Archaeen. So besitzen sie einen Zellkern und andere durch Membranen abgetrennte Zellbereiche, beispielsweise Mitochondrien.

Methanosarcina Methanobacterium Methanococcus Planctomyceten Bacteroides Cytophaga

T. celer Thermoproteus Pyrodicticum

Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme des Flimmerepithels in der Luftröhre

Eukaryoten haben keine rotierenden Flagellen. Stattdessen besitzen viele einzellige Eukaryoten wie Dinoflagellaten und Pantoffeltierchen () sogenannte Geißeln und Cilien (Wimpern), die ganz anders gebaut sind: Sie sind fadenförmige Ausstülpungen der Zellmembran und werden durch eingelagerte Motorproteine (Dynein) aktiv verformt und bewegt. Auch manche unserer eigenen Zellen tragen als Erbe unserer einzelligen Vorfahren solche Geißeln oder Cilien, beispielsweise Spermazellen oder die Flimmerepithelzellen in den Schleimhäuten unserer Atemwege.

Thermotogae Aquifex

Stammbaum des Lebens, basierend auf genetischen Analysen. Pflanzen, Tiere und Pilze befinden sich in der Ecke rechts oben.

Pantoffeltierchen: Die Nanowelt der Zellen  S. 146 Motorproteine und Zellskelett  S. 170 R. Dawkins Geschichten vom Ursprung des Lebens: Eine Zeitreise auf Darwins Spuren Ullstein 2009 http://www.dnatube.com/video/1197/ATP-Synthase--Part-I

170

5 Biochemie

Motorproteine und Zellskelett Das Leben braucht Bewegung

Normalerweise bemerken wir nichts von der emsigen Aktivität der vielen biologischen Nanomaschinen in unserem Körper. Wenn sich aber viele von ihnen zusammentun und gemeinsam am gleichen Strang ziehen, dann ist ihre Wirkung in Summe nicht zu übersehen. Genau das geschieht in jeder Sekunde in unseren Muskeln. Das Motorprotein, das hier für Bewegung sorgt, trägt den Namen Myosin. Wenn sich einer unserer Muskeln zusammenzieht, hangeln sich zahlreiche Myosinmoleküle mit vielen winzigen Ruderschlägen an Filamenten aus Actin (einem Strukturprotein) entlang. Bei jedem Ruderschlag strecken sich die Myosinmoleküle ein weMyosinmoleküle (rot) hangeln sich an den Actinfilamenten (blau) in einem Muskel vorwärts

nig, binden dann an das jeweilige Actinfilament und krümmen sich anschließend, um sich ein wenig weiterzuziehen. Als Treibstoff dient dabei wie so oft ATP (Adenosintriphosphat), das beim Bewegungsvorgang an das Myosin bindet und unter Energieabgabe zu ADP (Adenosindiphoshat) und Phosphat zerlegt wird. Myosin und Actin wurden in der Evolution nicht etwa speziell für unsere Muskeln erfunden. Sie sind sehr viel älter als Muskeln und spielen in allen eukaryotischen Zellen (also Zellen mit Zellkern) eine wichtige Rolle, denn auch im dicht gedrängten molekularen Gewimmel des Zellinneren braucht man oft gezielte Bewegungen und Transporte. So sind sie beispielsweise für die kriechende Fortbewegung von Amöben unentbehrlich. Die Basis für solche Prozesse ist das Zellskelett (Cytoskelett) – ein feines Gespinst aus verschiedenen Proteinfilamenten, das den Zellen ihre Stabilität verleiht und sich dynamisch je nach Bedarf anpassen lässt. An diesen Filamenten hangeln sich dann dazu passende Motorproteine entlang. Mit Actin und Myosin haben wir bereits ein Paar aus Filament und zugehörigem Motorprotein kennengelernt. In der Zelle finden wir Actinfilamente besonders im Außenbereich, wo sie die Zähigkeit der Membran verstärken. Im Innenbereich der eukaryotischen Zellen dominiert eine andere Filamentsorte, die deutlich dicker ist: die röhrenförmigen Mikrotubuli. Auf ihnen laufen die Motorproteine Kinesin und das deutlich größere Dynein entlang, wobei Kinesin meist für die

D. S. Goodsell Wie Zellen funktionieren 2. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag 2010 O. Fritsche Biologie für Einsteiger: Prinzipien des Lebens verstehen 2. Aufl. Springer Spektrum 2015

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Motorproteine und Zellskelett

Mithilfe von Fluoreszenzfarbstoffen kann man die verschiedenen Filamente sichtbar machen: Actinfilamente leuchten in diesen Nervenzelllen lila, Mikrotobuli gelb und der Zellkern grün. Man erkennt hier sehr gut, wie die Mikrotobuli ähnlich einem dichten Schienennetz den Bereich des Zellkerns mit dem Außenbereich der Zelle verbinden.

 Kinesin besteht aus einem Kopfteil mit zwei Motordomänen sowie einem langen flexiblen Fortsatz, an den sich das Transportgut bindet (unten im Bild). Wenn das ATP (rot) in der Bindungstasche zu ADP und Phosphat gespalten wird, verändert das Protein seine Form und macht einen Schritt vorwärts.



Transporte vom Zellinneren zum Zellrand zuständig ist, während Dynein den umgekehrten Transport übernimmt. Dieses erstaunliche System aus Mikrotobuli und Motorproteinen erfüllt in der Zelle die unterschiedlichsten Aufgaben: Es transportiert in Nervenzellen Vesikel (Membranbläschen) mit Neurotransmittern zu den Synapsen, bildet bei der Zellteilung den Spindelapparat zur Trennung der Chromatiden oder bewegt Geißeln und Wimpern. In diesem kleinen Ausschnitt aus dem Zellplasma sieht man links einen großen Mikrotobulus, der sich noch im Aufbau befindet, quer dazu ein knorrig aussehendes Intermediärfilament und weiter rechts senkrecht zwei dünne Actinfilamente.

E. Dumont Kinesin protein walking on microtubule https://www.youtube.com/watch?v=y-uuk4Pr2i8, Ausschnitt aus The Inner Life of a Cell RCSB Protein Data Bank Kinesin http://dx.doi.org/10.2210/rcsb_pdb/mom_2005_4

172

5 Biochemie

Zucker

Kohlenhydrate sind mehr als nur süß Zucker ist ein universeller Speicherstoff für chemisch gebundene Energie – gleichermaßen bei Pflanzen, Tieren oder beim Menschen. Insbesondere Glucose (C6H12O6) ist schnell aufgebaut, aber auch leicht wieder abbaubar, die Energie also gut verfügbar.

Es sieht aus, als sei Wasser an Kohlenstoff gebunden. Dieser Schein trügt allerdings. Das Rückgrat des Moleküls bildet eine Kohlenstoffkette, an die Hydroxylgruppen (−OH), Wasserstoffatome, vor allem aber eine Carbonylgruppe (R2−CO) gebunden sind. Bei der Glucose steht diese am Kopfende als Aldehyd, daher auch Mit einem Zuckergehalt von der Begriff Aldose (die über 20 % ist die Zuckerrübe Endung -ose kennzeich- Spitzenreiter unter den Pflannet Zucker). Ketosen wie zen. Fructose tragen die Carbonylgruppe weiter innerhalb der Kette. In Wasser gelöst bilden sich aus den Ketten Ringe.

Die Grundstruktur von Glucose bildet eine Kohlenstoffkette, die sich zu einem Ring schließen kann. So kann Glucose Baustein für zusammengesetzte Zucker, also Mehrfachzucker (Polysaccharide), sein. Neben Glucose ist der Einfachzucker Fructose weit verbreitet. Der Mensch nimmt Zucker mit der Nahrung auf und spaltet sie bis zu den Einfachzuckern auf, welche über das Blut im ganzen Körper verfügbar sind. Die meiste Glucose verbraucht das Gehirn. Muskeln bevorzugen, neben Glucose für die schnelle Aktivierung den Mehrfachzucker Glykogen als Kohlenhydratspeicher.

Pflanzen produzieren Glucose bei der Photosynthese () aus Kohlendioxid und Wasser. In der Zuckerrübe wird dann enzymatisch die Transportform Saccharose, ein Zweifachzucker, aufgebaut – das ist unser beO kannter Haushaltszucker. Getreide baut noch längere Zuckerketten zu einem Polysaccharid zusammen, H der Speicherform Stärke. Der Begriff Saccharide leitet sich von dem lateinischen Wort Saccharum für Zucker ab, die Vorsilben (Mono-, Di-, Poly-) geben die Polymerisation an. Daneben ist der Begriff Kohlenhydrate gebräuchlich. Die allgemeine Formel Cn(H2O)m zeigt den Grund:

Photosynthese  S. 160

Einfachzucker in der Kettenform

H

O

H

H

OH

OH

HO

H

OH

H

OH CH2OH

Ribose C5H10O5 Aldose

O

H

H

OH

CH2OH O

H

HO

H

HO

H

OH

HO

H

H

OH

H

OH

H

OH

H

OH

CH2OH Glucose C6H12O6 Aldose

CH2OH Galactose C6H12O6 Aldose

H

CH2OH Fructose C6H12O6 Ketose

173

Zucker

glykosidische Bindung

Links die Glucose in Ringform, rechts die Sacharose (Haushaltszucker), bei der zwei Zuckerbausteine glykosidisch zum Zweifachzucker verbunden sind

Zucker mit sechs Kohlenstoffatomen sind Hexosen wie Glucose und Fructose, solche aus fünf Pentosen wie Ribose. Die Erbsubstanz ist aus Ribonucleinsäure aufgebaut, darin ist die Ribose zu Strängen verknüpft und trägt Phosphatgruppen (PO43−) sowie Stickstoffbasen als Seitenketten. Verknüpfen sich zwei Kohlenhydratbausteine, entsteht ein Zweifachzucker (Disaccharid) wie Saccharose mit einer glykosidischen Bindung, bei der eine Sauerstoffbrücke die Einfachzucker miteinander verbindet. Enzyme wie Amylase in unserem Speichel (Verdauung ) können diese Bindung leicht spalten. Ein weiteres Beispiel für ein Disaccharid ist Lactose, auch Milchzucker genannt: In Milch ist Glucose verknüpft mit Galactose gespeichert. Der süße Geschmack der Zucker hängt mit ihrer Struktur zusammen: Dazu tragen die vielen Hydroxylgruppen (−OH) bei. Je verzweigter ein Saccharid ist, desto unzugänglicher werden die Hydroxylgruppen – oder sind an Bindungen beteiligt. Daher schmeckt Fructose intensiver süß als Stärke oder gar Zellstoff (Cellulose ).

Verdauung  S. 180 Cellulose  S. 186

Amylose

Amylopektin

Stärke enthält zwei Polysaccharide: zu Ketten verknüpfte Amylose und das noch stärker vernetze Amylopektin.

Dem Aufbau von Ketten und Netzwerken sind eigentlich keine Grenzen gesetzt. Pflanzen sind Weltmeister darin, aus den Grundformen Fünferring und Sechserring große Gebilde zusammenzufügen. Für die Pflanzenzellen dienen diese als Speicherstoffe wie Stärke oder Stütz- und Baustoffe wie Cellulose. Chitin ist ein Beispiel für ein Polysaccharid als Baustoff bei Insekten, Spinnen- und Krebstieren wie dem Krill. Es enthält zusätzlich eine stickstoffhaltige Seitenkette. Beim Krill schützt ein harter Außenpanzer aus Chitin die Weichteile.

174

5 Biochemie

Fette

Energiespeicher und Baustoff für Membranen Fette sind Energiespeicher und wichtig für die Ernährung. Sie bestehen aus großen organischen Molekülen, sogenannten Makromolekülen. Ihr wichtigstes Merkmal: Sie sind wasserabweisend, also hydrophob. Das liegt daran, dass sie nur einige wenige Sauerstoffatome im Gerüst tragen, welche den dreifachen Alkohol Glycerin (Glycerol) mit Fettsäuren verbinden (verestern). Diese Fettsäuren sind lange Kohlenwasserstoffketten, die am Ende eine Carboxylgruppe (R−COO−R; R steht für Rest) tragen.

Die gebundenen Fettsäuren können sich in der Länge der Kohlenwasserstoffkette und in der Anzahl der vorhandenen Doppelbindungen unterscheiden. Obwohl das verbindende Glycerinende als „Kopf“ und die Fettsäuren als „Schwänze“ bezeichnet werden, kehrt sich die Nummerierung bei den hydrophiler Positionsbezeichnungen der DopKopf pelbindungen (C=C) um. Eine Omega-3-Fettsäure weist also an der dritten Position vom Schwanzende aus gezählt eine Doppelbindung auf.

Wieso sind Öle flüssig? Die Dophydrophober Da die Kohlenwasserstoffketten unpopelbindungen krümmen den Schwanz lar sind, lagern sich die polaren WasSchwanz, sodass sich die Fettsäusermoleküle nicht an sie an. In einer ren weniger eng zusammenlagern In einer wässrigen Umgebung bilden Mischung von Wasser und Öl bilden sich kleine Öltröpfchen, Micellen ge- und mehr Raum einnehmen – natürsich zwischen den Wassermolekülen nannt. licherweise immer wie ein Bogen als sogenannte Wasserstoffbrücken und sogenannte cis-Fettsäure. schließen so das Fett aus. Das Öl bildet als Micellen bezeichnete Tröpfchen, die aufgrund der geringeWenn ungesättigte Fette gehärtet werden, entsteren Dichte nach oben schwimmen. hen trans-Fettsäuren. Dabei wandeln Gesättigte und ungesättigte Fette sich nicht alle Doppelbindungen in Einfachbindungen, sondern einige bleiben übrig, ordnen sich nun allerdings ins Zickzackband der gesättigten Einfachbindungen ein. Daher O O C werden sie in unserem VerdauungsOH C OH trakt von Enzymen weder erkannt noch aufgespalten. Ihre Entsorgung erfolgt über die Leber und das Blut, wo sie die Fettwerte erhöhen. Stearinsäure

Ölsäure

O. Fritsche Biologie für Einsteiger: Prinzipien des Lebens verstehen 2. Aufl. Springer Spektrum 2015

175

Fette

Viele Fette tierischen Ursprungs enthalten kaum Doppelbindungen, sind also überwiegend gesättigt und entsprechend fest bei Raumtemperatur. Aus Pflanzen und Fischen werden Öle und Trane mit ungesättigten Fettsäuren gewonnen. Im Körper werden Fette in die Fettzellen ein- und ausgelagert. Diese dienen als Energiespeicher oder bauen isolierende Fettschichten auf. Rund um einige Organe bildet Fettgewebe sogar einen Stoßdämpfer. Bei der Fettverbrennung wird mehr Energie frei als bei der Verbrennung von Kohlenhydraten. Sportler wissen CH3 + N

hydrophiler Kopf

H3C

c Phospholipidsymbol

CH3

CH2

Cholin

CH2 O – O

P

O

Phosphat

O H2C

CH2

CH

O

C

O

CH2

hydrophobe Schwänze

CH2

C

Fettsäuren

 a Strukturformel

Tenside  S. 284

gut, dass sie nicht genügend Kohlenhydrate einlagern können, um damit ausdauernde Sportarten zu betreiben, sondern dass ihr Körper auf die Fettverbrennung zurückgreift. Es gibt eine wichtige Stoffgruppe, die eng mit den Fetten verwandt und ein wichtiger Membranbaustein ist: die Phospholipide. Statt einer dritten Fettsäure enthalten sie eine negativ geladene Phosphatgruppe. Hieran angelagert oder gebunden kann ein weiteres hydrophiles Molekül sein. Insgesamt spricht man vom hydrophilen Kopf. Phospholipide sind grenzflächenaktiv und amphiphil (Tenside ): Grenzen Wasser und Öl aneinander wird der Kopf ins Wasser ragen und der hydrophobe Schwanz ins Öl. Die Moleküle lagern sich zu Schichten zusammen, und wo zwei solcher Lagen übereinander liegen, bildet sich eine Membran. Wird ein Teil der Membran ausgestülpt und abgetrennt, lagern sich die Moleküle zu einer kleinen Kugel, einem Vesikel, zusammen. Solche Vesikel können Botenstoffe oder auch Viren transportieren oder bevorraten.

Glycerin

O

O

Doppellagige Membran aus Phospholipiden

b Kalottenmodell

Phospholipide tragen zwei Fettsäureschwänze. Die dritte Position nimmt ein Phosphatrest ein, an den hier das hydrophile Cholin gebunden ist. Dieses Molekül, das Lecithin, lagert sich spontan mit weiteren Molekülen zusammen und bildet so Schichten.

176

5 Biochemie

Kalium

Eine Banane zu viel? Der menschliche Körper besteht nicht nur aus Haut tenzial. In den Zellen sind kaum Natriumkationen und Knochen, vor allem besteht er bis zu vorhanden, dafür eine hohe Konzentration an Kali60 % aus Wasser. Dieses Wasser befindet umkationen. Außerhalb der Zelle ist es umgekehrt. sich zu etwa zwei Dritteln in den Daher wandern Kaliumionen nach Zellen und zu einem Drittel dazwiaußen, wo ihre Konzentration geschen als Blutplasma, Lymphe oder ring ist. Zugleich sind die Kanäle für Gewebsflüssigkeit. Die im Wasser den Natriumausgleich geschlossen, gelösten Ionen (Elektrolyte) sind sodass die Zelle in Summe positive für die elektrische KommunikatiLadungen verliert. on unter den Nervenzellen wichtig, aber auch für enzymatische Prozesse. JeDamit das elektrochemische Potenzial im der kennt die Infusionsbeutel mit KochsalzlöInneren nicht zu negativ wird, bringen sung, die dazu dienen, hohe Flüssigkeitsverdie Zellen Energie auf. So binden beluste des Körpers auszugleichen. Das darin stimmte Moleküle K+-Ionen stärker gelöste Natrium ist sehr wichtig für die Funkals Na+-Ionen, wodurch ein selektiver tion der Natrium-Kalium-Pumpe. OsmotiTransport durch die Zellmembran mögsche Effekte beeinflussen durch die lich wird. Das übernimmt die NaKonzentration der Elektrolyte auf Bändermodell des Proteins Natrium-Kali- trium-Kalium-Pumpe, ein Protein der einen Seite den Druck in den um-ATPase, bekannt als Natrium-Kalium- in den Zellmembranen, das durch Zellen und auf der anderen Seite Pumpe. Der obere Teil bildet den Kanal die hydrolytische Spaltung von ATP auch das Volumen des Bluts, also innerhalb der Membran, der untere Teil in ADP angetrieben wird. Dabei die Konformationsänderung und den Blutdruck. Weitere wichtige steuert werden drei Na+-Ionen aus der Zelist Bindungsstelle für die PhosphorylieElektrolyte sind Calcium und Mag- rung. le heraus- und zwei K+-Ionen hinnesium. Auch auf andere Prozesse eintransportiert. Die entstehende haben Ionen Einfluss. So aktiviert Potenzialdifferenz ist energetische Kalium den Abbau von Glucose (Glykolyse ) und ist Voraussetzung für die Reizauslösung in Muskel- und bei Pflanzen für die Photosynthese unverzichtbar Nervenzellen. Durch die kurzzeitige Öffnung von Ionenkanälen kommt es dabei zum Ausgleich der IonenEine herausragende Rolle kommt Kalium bei der konzentrationen. In der Folge ändert sich das Potenzial Elektrochemie an Membranen zu. Nervenzellen sind der benachbarten Zellen, während Ionenpumpen und für die Weiterleitung von Signalen auf ein Ungleich- K+-Kanäle den Ausgangszustand in der gereizten Zelle gewicht von Ionen angewiesen, das Spannungspo- wiederherstellen.

Glykolyse  S. 150 O. Fritsche Biologie für Einsteiger: Prinzipien des Lebens verstehen 2. Aufl. Springer Spektrum 2015

177

Kalium

Kalium gehört zu den sieben häufigsten Elementen auf der Erdoberfläche und steht im menschlichen Körper mit einem Anteil von 0,4 % am Körpergewicht an siebter Stelle. Damit ist es für uns ein essenzielles Element. Der tägliche Bedarf liegt bei 0,8 g, die durchschnittliche tägliche Aufnahme von Kalium liegt bei 2–4 g, die überwiegend über die Nieren wieder ausgeschieden werden. Als häufigste Elektrolytstörung tritt K+-Mangel auf, etwa als Folge von Erbrechen, Durchfall, einseitiger Ernährung oder Niereninsuffizienz. Er zeigt sich durch Appetitverlust, Muskelschwäche und Herzrhythmusstörungen. Ein guter Lieferant für Kalium ist die Banane, die neben vielen Kohlenhydraten etwa 4 g Kalium pro Kilogramm Frucht enthält. Aber es kann auch zu einer Muskeln und Nervenzellen wenden Energie auf, um mithilfe der Natrium-Kalium-Pumpe eine ungleiche Ionenverteilung an den Zellmembranen aufrechtzuerhalten.

Bananen sind ein beliebter Kaliumlieferant. Auch für die Pflanze ist Kalium für die Abläufe der Photosynthese und Glykolyse essenziell.

Kaliumüberversorgung durch Bananen kommen! Bei geschädigten Nieren, hohem Blutverlust oder Infusionen kann ein Überschuss an Kalium zu Muskelschwäche führen und die Erregbarkeit des Herzens schwächen, bis hin zum Kammerflimmern oder Stillstand. Zu viel Kalium ist also durchaus gefährlich! Aber keine Sorge: Bei gesunden Nieren werden verzehrte Bananen, Aprikosen oder Nüsse nicht zu einer Kaliumüberdosis führen.

Extrazelluläre Flüssigkeit K

P

Na Aus dem Cytoplasma werden 3 Na+-Ionen in das Innere des Pumpenproteins aufgenommen.

Cytoplasma

ATP

P

ADP

Die Bindung der Na+Ionen löst die Phosphorylierung durch ATP aus.

Das Protein ändert seine Konformation und gibt Na+-Ionen in die extrazelluläre Flüssigkeit ab.

P

Dafür werden 2 K+-Ionen aufgenommen. Zugleich löst sich die Phosphatgruppe auf der Cytoplasmaseite.

P

Das Protein nimmt seine ursprüngliche Konfiguration wieder ein. Die K+-Ionen werden ins Cytoplasma freigesetzt.

178

5 Biochemie

Proteine

Vielfältige Moleküle Aus einer Auswahl von 21 natürlichen Aminosäuren baut der menschliche Körper alle Proteine auf. Daneben gibt es in der Natur weitere Aminosäuren, die aber nicht am Aufbau von Proteinen beteiligt sind. In Aminosäuren (H−C−COOH−NH2−R) trägt ein Kohlenstoffatom eine Carbonsäure (−COOH), eine Aminogruppe (−NH2) und einen Rest (−R). Dieser Rest ist spezifisch für jede Aminosäure und bestimmt ihre Eigenschaften näher. Dabei kann er die Aminosäure wasserabweisend oder -anziehend machen; er kann begünstigen, dass sie Protonen aufnimmt (man spricht dann von basisch) oder dass sie Protonen abgibt (man spricht von sauer). Der Rest kann elektrisch geladen sein oder auch vernetzende Eigenschaften haben. Aminosäuren werden über sogenannte Peptidbindungen miteinander verknüpft. Für die körpereigenen Proteine, auch Eiweiße genannt, besitzen unsere Zellen detaillierte Baupläne in Form der DNA. Der Zusammenbau der Proteine erfolgt dabei in speziellen Organellen, den Ribosomen (). Aminogruppe

Carboxylgruppe

H H2N

C

Peptidbindung

O C OH

H2N

H

O

C

C

H NH

C

O C OH

R

R

Proteine fungieren einerseits als universeller Baustoff und andererseits als wichtige funktionelle Einheit. Als Letztere ermöglichen beispielsweise Rhodopsin das Sehen und Hämoglobin den Transport von Sauerstoff im Blut. Ein weiterer Die Tertiärstruktur wichtiger Transporter ist des menschlichen Insulins Insulin: Es bindet die im Blut gelöste Glucose und bringt sie durch die Membran in die Zelle. Viele Proteine agieren auch als Enzyme im Stoffwechsel. Beispiele für Baustoffproteine sind Keratin in den Haaren oder Kollagen in der Haut. Actin ist beteiligt am inneren Gerüst der Zellen.

R

Je nach Größe spricht man bei kleineren Proteinen auch von Peptiden. Für ihre Eigenschaften ist entscheidend, wie sich die lange Kette aus Aminosäuren zusammenfaltet und verknäult. Stets spezifisch ist für ein Protein die Reihenfolge der Aminosäuren, seine Primärstruktur.

Rest Allgemeiner Aufbau einer Aminosäure und die Verknüpfung durch eine Peptidbindung

Ribosomen  S. 166 O. Fritsche Biologie für Einsteiger: Prinzipien des Lebens verstehen 2. Aufl. Springer Spektrum 2015 D. S. Goodsell Wie Zellen funktionieren 2. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag 2010

179

Proteine

Gly

Ile

Val

Glu Gln Cys Cys

Thr

Ser

Ile

Cys

Ser Leu

Tyr

Ausschnitt aus der Primärstruktur der α-Kette von Insulin

Durch Wechselwirkungen zwischen den Seitenketten der Aminosäuren bildet sich als Sekundärstruktur eine Wendel (α-Helix) aus oder eine leicht gewellte Struktur, die man β-Faltblatt nennt. Beide können sich auch aus Abschnitten innerhalb eines Proteins bilden. Dazwischen befinden sich dann Schleifen oder ungeordnete Abschnitte. Die sogenannte Tertiärstruktur wird grafisch mitunter nur noch als Band dargestellt, um die Position der Helices und Faltblätter innerhalb eines Proteins zueinander darzustellen. Bei Enzymen kann man so die Tasche sichtbar machen, in der die katalysierte Reaktion stattfindet. Bei besonders großen Proteinen beinhaltet die Quartärstruktur auch noch mitwirkende Coenzyme und Metallatome. Abschnitte mit besonderer Funktion werden auch als Domäne bezeichnet.

verknüpft, ändert sich diese Region des Proteins minimal. Dies aktiviert das Protein und kann eine größere räumliche Änderung auslösen. Viele Membranen enthalten Proteine als Brücke zwischen der Innen- und Außenseite. Zum Beispiel tragen Nervenzellen Rezeptoren, die Noradrenalin () außerhalb der Zelle erkennen und im Inneren eine Reaktionskaskade auslösen, welche auch zur Öffnung von Calciumkanälen führt. Auch diese werden wiederum durch Proteine gebildet.

Wasserstoffbrückenbindung

Ausschnitt aus der Sekundärstruktur einer α-Helix (links) und eines β-Faltblatts (rechts) b-Ketten

Die bindende Tasche von Enzymen ist bei vielen Prozessen so spezifisch, dass das Substrat, also der Stoff, der enzymatisch geändert oder transportiert wird oder eine Reaktion auslöst, genau hineinpasst. Indem sich das Substrat an der Bindungsstelle mit dem Protein Proteine falten sich räumlich, sodass sich in der Tertiärstruktur (links) entfernt liegende Kettenabschnitte nah kommen und miteinander wechselwirken. Setzt sich ein Komplex aus mehreren Proteinen und Metallatomen zusammen, spricht man von einer Quartärstruktur (rechts).

Noradrenalin: Boten im Nervensystem  S. 190

a-Ketten

180

5 Biochemie

Verdauung

Von Salzsäure über Enzyme bis zum Mikrobiom Nahrung liefert Energie und Baustoffe. Um überall darüber verfügen zu können, wird die Nahrung zerkleinert und über das Blut im Körper verteilt. Bei den Kohlenhydraten () beginnt die Spaltung bereits mit dem ersten Bissen. Sie sind als Cellulose, Stärke oder als Mono- und Disaccharid in der Nahrung enthalten. Einen Teil der Glucose spaltet bereits das Enzym Amylase im Speichel. Mit dem Schlucken gelangt der Nahrungsbrei in den Magen, wo der Magensaft Hefen und andere Mikroorganismen abtötet, die etwa an Obst sitzen und eine Gärung bewirken könnten. Die Belegzellen im Magen sezernieren Salzsäure (HCl), sodass der Magensaft auf einen pH-Wert von unter 1 sinken kann – das ist sehr viel saurer als beispielsweise Essig. Eine zähe Schleimschicht schützt den Magen vor der Selbstverdauung. Wie entsteht die Salzsäure? Zunächst diffundieren die Chlorid-Ionen durch Ionenkanäle aus den Belegzellen in das Innere des Magens, das sogenannte Lumen. Um den Kreislauf und damit die Ladungsverteilung zu schließen, strömen Kaliumionen, ebenfalls passiv, in das Magenlumen. Im Gegenzug tauschen die Zellen Kaliumionen, die dabei in das Zellinnere transportiert werden, gegen Protonen aus. Zellen des Magens geben auch Pepsinogen ab. Aus dieser Vorstufe entsteht beim Kontakt mit der Salzsäure das proteinspaltende Enzym Pepsin. Dieses löst das Strukturprotein Kollagen aus dem Bindegewebe und Fleisch zerfällt.

Kohlenhydrate: Zucker  S. 172 Fette  S. 174 Seifen  S. 226 Tenside  S. 284

Wenn der Magen den Nahrungsbrei an den Zwölffingerdarm übergibt, überwachen an der Magenpforte Nervenzellen unter anderem den pH-Wert und die Dehnung des Darms. Die Ergebnisse steuern dann die Zumischung aus Galle und Bauchspeicheldrüse. Nun folgt der enzymatische Abbau en gros, denn hier mündet die Bauchspeicheldrüse. Neben Enzymen liefert sie Hydrogencarbonat (HCO3−), welches die Salzsäure neutralisiert. Der pH-Wert steigt also wieder an und das Milieu wird neutral. Im Dünndarm ragen Blut- und Lymphgefäße in die Darmzotten hinein. Die Blutgefäße nehmen Nährstoffe auf, die Lymphe fischt nach möglichen Krankheitserregern und trainiert damit das Immunsystem. Damit sich die Fette () im wässrigen Darmsaft lösen, vermitteln Gallensäuren. Diese sind amphiphil, besitzen also einen fettfreundlichen und einen wasserfreundlichen Molekülabschnitt und lagern sich ähnlich wie Seife () an die Fettmoleküle an. Auf diese Weise bilden sie Tröpfchen, deren große Oberfläche wiederum den Angriff der fettspaltenden Enzyme (Lipasen) erleichtert. Auch Disaccharide wie Saccharose und Lactose werden jetzt enzymatisch zerlegt. Bei weit über 90 % der Weltbevölkerung wird die körpereigene Produktion von Lactase, die Milchzucker (Lactose) spaltet, nach dem Abstillen eingestellt. Der Genuss von Milch führt dann zu Blähungen und Durchfall. Dass Nordeuropä-

181

Verdauung

e ylas Am

Speicheldrüsen Maltose

Magenlumen

Mundhöhle 30–40 s pH 5,5–7,7

Blut Belegzelle HCO3–

Protonenpumpe

H+ Cl–

Stärke

Fettsäure

Na

HCl

Gallensäure

+

K+

Speiseröhre 4–10 s pH 5,5–7,7

Ionenkanal

Fett

Lipase

Magen

Leber

1–4 h pH 0,8–1,5

Gallenblase fettlösliches Vitamin

Bauchspeicheldrüse Cellulose

Na-KPumpe

Cellulose

Zwölffingerdarm

Maltase

Lac

e

tas

Dünndarm 4–6 h pH 8–9

Lactose

Dickdarm 7–70 h

se yla Am

Glucose

Lactose Lactase

Maltose

Glucose Galactose

Enddarm Stärke

Bei der Verdauung arbeiten die spaltenden Enzyme in den unterschiedlichen Abschnitten des Magen-Darm-Trakts bei verschiedenen pHWerten, die zusätzlich zur Verweildauer der Nahrung angegeben sind. Die Salzsäure des Magens wird von speziellen Zellen konzentriert.

er noch rohe Milch verdauen können, ist als evolutionäre Anpassung zu sehen, die mit der Entstehung der Milchwirtschaft einherging. Im Polysaccharid Cellulose sind die Glucosebausteine anders zu Ketten verknüpft als in der Stärke. Unsere Enzyme passen deshalb nicht in die Bindungen der Glucoseketten und können sie nicht zerschneiden. Daher wandert Cellulose als Ballast weiter und erleichtert das Vorankommen des Breis im Dünndarm.

Der Dickdarm entzieht dem verwerteten Nahrungsbrei im Lauf eines Tages 7–8 Liter Wasser. Was die körpereigenen Enzyme bisher nicht zerlegt haben, wird nun dort von der Bakterienflora übernommen. Nach Schätzungen gehen bis zu zwei Kilogramm Körpergewicht auf unsere symbiontischen Mikroorganismen zurück. Man spricht auch vom Mikrobiom, das vor allem aus Bakterien, aber auch einigen Pilzen besteht. Sie setzen beim Aufschluss der restlichen Nahrungsbestandteile unter anderem Vitamine frei.

W. Müller, S. Frings Tier- und Humanphysiologie 4. Aufl., Springer-Verlag 2009

182

5 Biochemie

Alkaloide

Giftige Abwehr bei Pflanzen Der Stoffklasse der Alkaloide liegt kein einheitliches Strukturmerkmal zugrunde, weshalb ihre Definition umstritten ist. Gemeinsam ist den über 10 000 Substanzen dieser Stoffklasse, dass sie ein Stickstoffatom in einem Ring aus Kohlenstoffatomen enthalten und alkalisch reagieren. Der Name besagt, dass sich Alkaloide so ähnlich wie Alkalien verhalten – deren Name sich von dem arabischen Wort Alkali für Pflanzenasche ableitet. Verständlich, dass die Definition unklar ist. Schwämmt man Pflanzenasche, die ja den Stickstoff aus den Aminosäuren enthält, mit Wasser auf, nehmen die Verbindungen gern Wasserstoffatome auf, sodass die Lauge basisch oder alkalisch genannt wird. Wie der Name schon nahelegt, sind tatsächlich Pflanzen die Hauptproduzenten von Alkaloiden. Die im Pflanzensaft vorkommenden Stoffe erzeugen bei Mensch und Tier oft sehr starke Wirkungen. Berühmte Vertreter sind Betäubungs- und Rauschmittel () wie Morphin, Heroin und Lysergsäure. Dazu zählen auch die antibiotischen Penicilline und viele Pflanzengifte wie Aconitin aus Eisenhut oder Solanin aus Nachtschattengewächsen wie Tabak, Tomate und Kartoffel. Alkaloide lassen sich in mehrere Gruppen einteilen. Dabei erzielen chemisch nah verwandte Alkaloide nicht unbedingt die gleiche Wirkung. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich leicht in Fetten lösen und dass sie gut über die Schleimhäute aufgenommen werden – teilweise auch über die unverletzte Haut. So wirkt Solanin auf das Nervensystem zunächst anregend und im weiteren Verlauf lähmend. Oft ist das Atemzentrum

Drogen im Nervensystem  S. 192

Tabak enthält das Alkaloid Nicotin.

im Gehirn betroffen. Eine solche Atemlähmung, etwa durch Aconitin, kann zum Tod führen. Einige Alkaloide wie Nicotin passen in körpereigene Rezep- Die Strukturformel von toren der Nerven und blockieren Nicotin diese vorübergehend, andere wie Aconitin beeinflussen direkt den Rhythmus des Herzens und führen Kammerflimmern herbei. Alkaloide können Haut und Schleimhäute reizen und die Nieren schädigen, da sie nicht abgebaut werden. Aus Sicht der Pflanze sind Alkaloide nicht essenziell, sondern dienen der Abwehr von Fressfeinden. Häufig verleihen sie den Pflanzen einen bitteren Geschmack, was den Pflanzenfressern schon als Warnhinweis dient.

183

Alkaloide

So wirken die Alkaloide wie Vergällungsmittel: Sie verderben den Geschmack. Daher werden alkaloidhaltige Pflanze nur in der Not gefressen oder getrocknet als Heu. Eingelagert sind die Alkaloide vor allem in Blüten und Samen und sichern so die Fortpflanzung der Pflanze. Um sich jedoch nicht selbst zu gefährden, verpackt die Pflanze die Alkaloide in Vakuolen (membranumschlossene Behälter innerhalb der Zellen). Bei Kartoffeln sind verschiedene Alkaloide im Spiel, am bekanntesten ist Solanin. Zum Glück sind die Knollen ein Speicherorgan und der höchste Alkaloidgehalt findet sich in den grünen oberirdischen Beeren, die die Samen enthalten. Sie sehen wie kleine Kartoffeln aus und wurden bei der Einführung der Kartoffeln in Europa versehentlich für die essbare Frucht gehalten. Auch in den Knollen bilden sich bei Lichteinfall schützende Alkaloide, wobei die entsprechenden Stellen grün werden. Solche Knollen sollte man nicht mehr

CH3 OH

O

H3C O

H

O H O

H3C

N

H O

HO O H3C

O

O CH3

OH CH3

Eisenhut ist eine der giftigsten Pflanzen Europas und enthält das Alkaloid Aconitin, oben die Strukturformel dazu.

verzehren, da auch Hitze die Alkaloide nicht zerstört. Normalerweise wird Solanin beim Verzehr nicht gut aufgenommen und wieder ausgeschieden. Bei Tomaten wirkt der Lichteinfall anders: Die giftigen Alkaloide (Tomatin) der grünen Frucht werden abgebaut und die rote reife Frucht kann bedenkenlos verzehrt werden. Ausnahmen bilden hier die gezüchteten grünen Tomaten, die auch im Reifestadium grün, aber ungiftig sind.

Kartoffeln enthalten das Alkaloid Solanin vor allem in den grünen Pflanzenteilen, die höchste Konzentration ist in den Beeren zu finden. Unten: Strukturformel von Solanin

Bild unten rechts mit freundlicher Genehmigung von Anja Schawohl, Celle

184

5 Biochemie

Terpene

Von Lösungsmitteln bis Vitamin A Wer Blätter zwischen den Fingern zerreibt, riecht den Geruch von sogenannten Terpenen, leicht flüchtigen Stoffen, die sich rasch in der Luft verteilen. Pflanzen stellen Terpene mit 15 bis 20 Kohlenstoffatomen her. Bekannter ist der Begriff ätherische Öle; er bezeichnet meist eine Mischung von Terpenen und anderen organischen Verbindungen wie Aromaten. Ein Beispiel dafür ist Nadelöl. Der Begriff Öl beschreibt nur die flüssige Konsistenz, Fette sind nicht vorhanden. Den Hauptbestandteil, die Terpene, bauen Pflanzen aus Bausteinen mit fünf Kohlenstoffatomen auf: Diese Grundeinheit der Terpene ist das Isopren (2-Methyl-1,3-butadien, C5H8). Werden zwei oder mehr dieser Isoprenmoleküle verknüpft, spricht man von Terpenen. Ein Terpen aus vier Isoprenmolekülen wird auch als Diterpen bezeichnet. Insgesamt sind mehr als 8000 Terpene bekannt. Dabei kann das Grundgerüst auch zum Ring geschlossen werden. Das als Menthol bekannte Pfefferminzöl enthält einen Ring aus sechs Kohlenstoffatomen. Beim Campher teilen sich zwei Ringe zwei der Kohlenstoffatome. Dadurch sieht es aus, als schlage der kleine Ring eine Brücke über den größeren. Ein sehr komplexes

Kiefernnadeln geben Terpene wie beispielsweise Pinen ab.

Diterpen stammt aus den Nadeln der Eibe und heißt Taxol®. Es wurde 1962 isoliert und als Wirkstoff gegen Krebs erkannt. CH3 H3C

CH3

CH3

OH H3C

Ein Baustein der Terpene ist Isopren.

CH3

O

CH3

Strukturen der Terpene Menthol und Campher

185

Terpene

Das Lösungsmittel Terpentin zählt zu den schon lange genutzten Naturprodukten. Vor allem bei Kiefernarten des Mittelmeerraums wie Schwarzkiefern wird die Rinde angeschnitten und der austretende zähe Pflanzensaft eingesammelt. Dieses Kiefernharz wird gereinigt und aufgetrennt in Terpentinöl und Kolophonium. Das Terpentinöl enthält vor allem Pinen und ist Grundlage für Lacke, aber auch Schuhcreme und Bohnerwachs. Mit dem Kolophonium, das zyklische Terpene enthält, werden die Bögen von Violinen und anderen Streichinstrumenten behandelt: Das anhaftende Harz erhöht die Reibung auf den Saiten.

Waldbrände werden durch ätherische Öle befeuert.

Die ätherischen Öle sind auch der Grund, weshalb trockene Wälder oder auch Weihnachtsbäume so gut brennen. Während das Wasser aus den Nadeln verdunstet, sammeln sich im Inneren die leicht brennbaren Gase. Werden einzelne Nadeln gezündet, brechen schnell weitere Nadeln auf und der ganze Baum steht binnen weniger Sekunden in Flammen. CH3

H3C CH3 Strukturformel von Pinen

Farbstoffe  S. 270

Über Wäldern steigen die von den Bäumen abgegebenen Terpene auf – sie spielen eine Rolle bei der Wolkenbildung. Nadelwälder geben das Terpen Pinen ab. Dieses reagiert in der Atmosphäre mit Ozon oder anderen sehr reaktiven Sauerstoffverbindungen. Die sich dabei bildenden Dämp-

fe können zu feinen Tröpfchen kondensieren und so als Aerosol dazu beitragen, dass sich Wolken bilden. Der Einfluss dieser kleinen flüchtigen Verbindungen auf das Klima wird intensiv erforscht. Der pflanzliche Farbstoff () Carotin ist ein Tetraterpen und die Vorstufe von Vitamin A. Bei der Verdauung spaltet ein Enzym das Carotin in der Mitte und zwei Moleküle des fettlöslichen Vitamin A stehen bereit. In den Sehzellen der Netzhaut bindet Vitamin A an das Protein Rhodopsin, das am Sehvorgang beteiligt ist. Vitamin A kann auch im Zellkern gebunden sein und dort das Ablesen von Genen beeinflussen. Es entscheidet mit darüber, ob sich Hautzellen zu Schleimhaut oder Hornhaut entwickeln – Vitamin-A-Mangel kann Teile des Auges verhornen lassen und dadurch zum Erblinden führen.

186

5 Biochemie

Cellulose

Kohlenhydrate als Baustoff und nachwachsender Rohstoff Pflanzenzellwände werden durch Cellulose verstärkt. Dieses Stützpolysaccharid ist die häufigste organische Verbindung weltweit. Polysaccharide sind Vielfachzucker. Wieso ist Cellulose dann nicht in Wasser löslich? Der Grund hierfür ist ihre Struktur. Verknüpfen sich Zuckerbausteine zu Kohlenhydraten (), so teilen sich je zwei Glucosebausteine ein Sauerstoffatom. Dies ist die sogenannte glykosidische Bindung.

Die weitaus größte Zahl an Organismen besitzt stärkeabbauende Enzyme, aber nur wenige Organismen können Cellulose aufspalten. Dazu bedarf es spezieller Enzyme (Cellulasen). Rinder beherbergen in ihrem Pansen Mikroben, die mit ihren Cellulasen die Celluloseketten zerschneiden. Nur so können die Rinder aus Gras genügend Energie für Wachstum oder Milchproduktion gewinnen. Termiten beherbergen im Darm Geißeltierchen, die ihnen helfen, Holz zu verdauen. Daneben sind holzzersetzende Pilze bekannt.

In Stärke zeigen diese Sauerstoffbrücken alle in eine Richtung, allerdings nicht ganz in der gleichen Ebene wie der Sechserring. Daraus resultiert ein Neigungswin- Für Pflanzen sind diese großen Zuckermoleküle das, kel und die Stärkekette verdrillt sich wie eine Schraube. was im Hochhausbau der Stahlbeton ist: der Baustoff Bei der Cellulose dagegen zeigt diese Sauerstoffbrü- für stabile Außenwände. Cellulose und das verholzencke auf einer Seite des Moleküls über Cellulosefasern die Ringebene und am anderen Ende in der Zellwand darunter. Bei der Kettenbildung Pflanzenzellen kehrt sich deshalb jedes zweite Molekül um, sodass Fibrillenstrang der Winkel ausgeLumen glichen wird – die Cellulosekette ist Makrofibrille schnurgerade. Sie kann mit benachbarten Ketten WasserstoffCellulosemoleküle Mikrofibrille brücken, also anziehende Wechselwirkungen zwischen OH-Gruppen, ausbilden, wodurch die hohe Zugfestigkeit entsteht. Da aber keine vernetzenden Bindungen gebilCellulosefasern verstärken die Zellwände. Sie selbst sind aus Fibrillen aufdet werden, versteift das Molekül nicht, gebaut, die sich zusammenlagern. Die Cellulosemoleküle der Mikrofibrillen weshalb Zellwände elastisch bleiben. enthalten lange Ketten von verbrückten Glucosemolekülen.

Zucker  S. 172

187

Cellulose

de Lignin bilden die Zellwände. Die Samenkapseln der Baumwolle enthalten fast reine Cellulose; trockenes Holz besteht zu rund 50 % aus Cellulose und etwa 30 % aus Lignin. Bei Lignin handelt es sich zwar ebenfalls um ein Polymer, allerdings sind die Bausteine keine Zucker, sondern aromatische Verbindungen, die unter anderem Benzolringe () enthalten. Daher sind Lignine kaum wasserlöslich und versteifen zugleich die Struktur.

Für die Papierherstellung wird trockenes Holz entrindet, gemahlen und mit Wasser vermischt. Die dann etwa vier Millimeter langen Fasern bestehen zur Hälfte aus Cellulose und zu einem Drittel aus dem Bindemittel Lignin, welches ausgelaugt wird, da es das Papier schnell vergilben lassen würde. Je nach Verwendungszweck kommen etwa für hochwertige Druckpapiere Füllstoffe und Bindemittel hinzu, bevor der Brei ausgewalzt und getrocknet wird.

In den Fasern der Cellulose sind mehrere Hundert bis zu 10 000 Glucose-Einheiten miteinander verknüpft. In Zellwänden lagern sich bis zu 70 Molekülketten zu einer Fibrille zusammen. Wasserstoffbrücken stabilisieren die Anordnung innerhalb der Fibrillen, aber auch zwischen ihnen. Ihre mechanische Belastbarkeit zeigt, welchen Effekt Wasserstoffbrücken in ihrer großen Anzahl bewirken können.

Als nachwachsender Rohstoff ist Cellulose neben dem Einsatz als Baustoff auch für die energiewirtschaftliche Forschung interessant. Holzschnitzel von Restholz werden in Pilotanlagen für Bioraffinerien in die Hauptkomponenten Cellulose und Lignin zerlegt. Anschließend wird die Cellulose in Glucose aufgespalten und biotechnologisch zu Ethanol als Treibstoffzusatz oder -ersatz für Benzin umgesetzt.

Mooszellen unter einem Lichtmikroskop. Die festen Zellwände sind als helle Linien erkennbar, die grünen Kugeln sind Chloroplasten.

Zwischen den Ketten aus Glucosebausteinen ziehen sich die OHGruppen an, ohne jedoch versteifende Bindungen zu bilden. Die für sich relativ schwache Kraft der Wasserstoffbrücken summiert sich durch die große Anzahl zu einer hohen Zugfestigkeit. Glucosebaustein

OH

O

O

O C

OH

OH

OH

C

OH O

OH O

O

O

O OH

Cellulosemolekül

OH

OH C

O

O

O

C OH

glykosidische Bindung

Benzol  S. 36

O

O

C

OH

OH O

O

O

Wasserstoffbrücke

OH C

OH

C

OH

C OH

188

5 Biochemie

Eisen im Körper

Hämoglobin für den Sauerstofftransport Eisen ist ein lebensnotwendiges Spurenelement für den Menschen und viele andere Lebewesen. Am bekanntesten ist es als Bestandteil des Sauerstofftransporters Hämoglobin im Blut, daneben benötigen es auch Myoglobin für den Sauerstofftransport im Muskel sowie die Cytochrome unter anderem beim Elektronentransport der Zellatmung und der Photosynthese. In einem Liter Blut sind rund 200 ml Sauerstoff enthalten. Dabei lagert sich Sauerstoff an das Protein () Hämoglobin in den roten Blutkörperchen, den Erythrocyten, an. Hämoglobin setzt sich aus vier Proteinketten, den Globinen, zusammen. Jedes Globin trägt dabei eine Hämgruppe, die das eigentliche Kernstück bildet – die darin enthaltene Ringstruktur des Farbstoffs Porphyrin weist vier Stickstoffatome auf, die in ihrer Mitte das Eisenkation (Fe2+) festhalten, man sagt auch koordinieren. Dieses zweiwertige Eisenkation bindet auf einer Seite der aufgespannten Porpyrinebene die gasförmigen Sauerstoffmoleküle (O2) für den Transport, auf der

Hämgruppe mit farbig hervorgehobenem Porphyrinring und Eisenkation in der Mitte

anderen koordiniert das Kation eine Aminosäure, über die die Gruppe an die Proteinkette gebunden ist. Da je vier Hämgruppen gebunden sind, kann jedes Hämoglobinmolekül vier Sauerstoffmoleküle aufnehmen. Dabei ändert sich mit der Aufnahme des ersten Sauerstoffmoleküls die räumliche Struktur des Hämoglobins und die noch unbesetzten Bindungsstellen verlangen hundertfach stärker nach Sauerstoff, was dessen Aufnahme an den drei noch unbesetzten Bindungsstellen erleichtert. Voll beladen trägt Hämoglobin 1,39 ml Sauerstoff je Gramm Protein. Die Struktur des Myoglobins in den Muskeln ist dagegen nur eine einzelne Kette mit einer Hämgruppe. Myoglobin. Die Hämgruppe (flaches, graues Gerüst in der Mitte) trägt bereits Sauerstoff (rote Kugeln).

Wie kommt der Sauerstoff vom Blut ins Gewebe? Zum einen ist das wie beim Tauziehen: Wer stärker zieht, gewinnt. Das Myoglobin in den Muskeln, das aus nur einer einzelnen Proteinkette mit Hämgruppe besteht, bindet Sauerstoff stärker als das Hämoglobin im Blut. Zum anderen beeinflusst der Säuregehalt des Bluts, wie stark Sauerstoff an Hämoglobin gebunden ist. Je mehr Kohlendioxid im Blut gelöst ist, desto niedriger wird dessen pH-Wert und desto leichter wird Sauerstoff

Proteine  S. 178 W. Müller, S. Frings Tier- und Humanphysiologie 4. Aufl. Springer-Verlag 2009

189

Eisen im Körper



Blut

Cl

Erythrocyt CO2 + H2O

Carboanhydrase

H2CO3

CO2 + Hb(O2)

HCO3

Cl – H + HCO3 +

Carbomino-Hb

CO2 CO2 + H2O





H2CO3

+



H + HCO3

Gewebe CO2

O2

Hämoglobin

Hämoglobin (Hb) bindet in den Erythrocyten Sauerstoff und transportiert ihn so zum Gewebe. Bei hoher Kohlendioxidkonzentration lagert sich Kohlendioxid an Aminogruppen der Proteinketten an und Carbamino-Hämoglobin entsteht. Ein Erythrocyt enthält Millionen von Hämoglobinmolekülen.

abgegeben. Bei arbeitenden Muskeln etwa senkt die freiwerdende Milchsäure den pH-Wert zusätzlich. In den Erythrocyten wandelt ein Enzym, die Carboanhydrase, Kohlendioxid in Kohlensäure (H2CO3) um, die in Hydrogencarbonat-Ionen (HCO3−) und Protonen (H+) zerfällt. Ein Zehntel des gelösten Kohlendioxids lagert sich direkt an Aminogruppen des Proteinteils von Hämoglobin an. Dieser sogenannte „Bohr-Effekt“ erleichtert die Abgabe von Sauerstoff ans Gewebe. Wie Krimifans wissen, kann Kohlenmonoxid (CO) den Platz des Sauerstoffs am Hämoglobin einnehmen. Dieses Gas bindet sogar 300-fach stärker als Sauerstoff und kann somit schnell die Aufnahme und den Transport von Sauerstoff ausschalten. Der Tod tritt ein, wenn etwa zwei Drittel der Hämgruppen durch Kohlenmonoxid blockiert sind. Genau wie Sauerstoff wird aber auch dieses Gas nur locker gebunden, sodass Rettung naht, sobald reiner Sauerstoff 3D-Darstellung von roten eingeatmet wird. Blutkörperchen (flache Scheiben) in einer Arterie

Bild unten rechts: Eraxion www.fotosearch.com

Insgesamt gibt es in unserem Körper eine unvorstellbar große Anzahl von Erythrocyten: grob geschätzt 25 Billionen. Davon wird täglich rund 1 % erneuert, weshalb ein Nachschub von Eisen über die Nahrung unerlässlich ist. Daher sollten nicht nur Vegetarier und Schwangere auf eine ausreichende Eisenzufuhr achten. Einige Menschen leiden unter Abgeschlagenheit und Übellaunigkeit, ohne zu ahnen, dass Eisenmangel der Grund dafür ist!

190

5 Biochemie

Boten im Nervensystem Die chemische Signalübertragung

Die Wahrnehmung der Umwelt wird im Körper chemisch und physikalisch verarbeitet und als Signal weitergeleitet. Botschaften werden einerseits über den Blutkreislauf mithilfe von Hormonen transportiert oder deutlich schneller über das Nervensystem. Dessen Botenstoffe werden Neurotransmitter genannt. Die Nervenzellen kommunizieren untereinander vor allem über chemische Stoffe, eben diese Neurotransmitter, geben aber das Signal innerhalb der Zelle elektrisch weiter. Dabei schüttet eine Nervenzelle den Botenstoff über eine feine Verästelung, die Synapse, aus. Die nachgeschaltete Nervenzelle trägt Rezeptoren in der Membran, in welche die Botenstoffe hineinpassen und so die Zelle aktivieren können. Der Botenstoff wird von der erregenden Nervenzelle wieder aufgenommen, um erneut Signale auslösen zu können. Dies kann im Gehirn an jeder Synapse bis zu 1000 Mal pro Sekunde geschehen.

Signalübertragung zwischen Nervenzellen durch die Synapsen

Noradrenalin

Das Ion des Acetylcholins

Drogen im Nervensystem  S. 192

Es gibt viele verschiedene Botenstoffe. Einige wie Glutamat und Gamma-Aminobuttersäure (GABA) kommen im zentralen Nervensystem, also Gehirn und Rückenmark, zum Einsatz. Bei GABA handelt es sich um ein Amin (einfachste Summenformel R−NH2), eine Stoffklasse, von der weitere Vertreter im peripheren Nervensystem wichtig sind. Acetylcholin zählt hierzu oder die Catecholamine wie Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin (Drogen ), aber auch Serotonin und Histamin. Dabei enthält Adrenalin im Vergleich zu Noradrenalin nur eine weitere Methylgruppe (CH3), wodurch sich die Bindungsstärke an den adrenergen Rezeptoren ändert. Andere Botenstoffe sind Gase wie Stickstoffmonoxid (NO) oder Aminosäuren. Das Nervensystem kann aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden, eine Sichtweise bezieht sich auf die willkürliche (somatische) oder unwillkürliche (vegetative) Steuerung. Sinneswahrnehmungen basieren auf dem somatischen Nervensystem und ermöglichen, dass wir uns willentlich bewegen. Nahezu autonom läuft die Steuerung an-

191

Boten im Nervensystem

derer Muskeln wie beim Herzen, auch Atmung und Stoffwechsel werden unwillkürlich gesteuert. Nahezu autonom läuft die Steuerung anderer Muskeln wie beim Herzen, auch Atmung und Stoffwechsel werden unwillkürlich gesteuert. Am Beispiel der glatten Muskelzellen, welche die Blutgefäße umgeben, soll die Signalauslösung betrachtet werden (siehe Abbildung). Trifft ein Aktionspotenzial (1) ein, öffnen sich die Calciumkanäle in der Zellmembran der Synapse und Calciumionen strömen ein. Diese wirken wie ein Türöffner für die Vesikel, Membranbläschen, in denen die Nervenzellen Botenstoffe speichern.

Synapse einer Nervenzelle

1

Aktionspotenzial

Nor-speicherndes Vesikel

Ca2+

Ca2+ Nor

Ca2+

2 4

NorCarrier präsynaptische Membran

synaptischer Spalt

Ca2+

postsynaptische Membran

Rezeptor Die Vesikel wandern nun zur Zellmemb3 ran, verschmelzen damit (2) und setzen Nor = Noradrenalin so das Noradrenalin in den schmalen Zwischenraum zwischen der Synapse und der empfangenden Zelle, also in Botenstoffe im synaptischen Spalt den synaptischen Spalt, frei. Die Muskelzelle präsentiert dort ihre adrenergen Rezeptoren, Das Noradrenalin wird von der erregenden Syndie in ihrer Membran eine Brücke zwischen dem In- apse wieder aufgenommen und erneut in Vesikeln neren und Äußeren der Zelle bilden. Dockt das Nor- verpackt (4). Dies muss angesichts von Hunderten adrenalin auf der Außenseite der Membran an den Re- Signalen pro Sekunde enorm schnell und präzise gezeptor an, verändert sich dieses Protein räumlich und schehen. Hier helfen Proteine, darunter Carrier, welche löst so im Inneren der Zelle eine Kaskade von Signalen das Noradrenalin durch die Zellmembran schleusen. aus (3). Dadurch können nun auch hier die Calciumkanäle geöffnet werden. Das Rezeptorprotein entlässt Die erregten Muskelzellen geben das Signal weiter, woanschließend den Botenstoff wieder und nimmt seine bei sie sich koordiniert kontrahieren und die Blutgefäße alte Position ein. verengen, wodurch der Blutdruck steigt.

Gifte in der Nahrung  S. 196 W. Müller, S. Frings Tier- und Humanphysiologie 4. Aufl. Springer-Verlag 2009

192

5 Biochemie

Drogen im Nervensystem Konkurrenz um die Rezeptoren

Wenn von Glückshormonen die Rede ist, sind oft die Neurotransmitter () Serotonin und Dopamin gemeint. Im Gegensatz zu Hormonen werden sie nicht über das Blut transportiert, sondern direkt zwischen Nervenzellen ausgeschüttet. Serotonin zählt zu den Aminen und ist reichlich in Schokolade vorhanden. Seine Wirkung wird durch strukturähnliche Vertreter der Phenylethylamine verstärkt, indem diese die serotonergenen Rezeptoren der Nervenzellen länger blockieren. Dadurch werden Hochgefühle ausgelöst. Diese Eigenschaft haben verschiedene Amphetamine, die unter dem Sammelbegriff Ecstasy bekannt sind. Der häufigste Vertreter ist MDMA (3,4-Methylendioxy-Nmethylamphetamin). Serotonin wird im Gehirn von erregten Nervenzellen in den synaptischen Spalt zur nachgeschalteten NerSerotoninspeicherndes Vesikel

Aktionspotential

venzelle ausgeschüttet. Ist Ecstasy vorhanden, belegt es die Rezeptoren; die Empfängerzelle reagiert, als würde sie von Serotonin erregt werden. Zugleich erhält die erregende Nervenzelle weitere Aktionspotenziale, sodass sie fortwährend weitere Vesikel mit Serotonin zur Membran transportiert und es in den synaptischen Spalt ausschüttet. Ecstasy blockiert zudem die Proteine, die Serotonin wieder in die Nervenzelle aufnehmen würden. Die Erregung der Empfängerzelle dauert also an. Das Gleichgewicht muss aber wiederhergestellt werden, um andere Signale wie Durst verarbeiten zu können. So zählt Dehydrierung zu den Folgen solcher Partydrogen. Daneben gibt es viele weitere Gefahren. Am bedenklichsten ist, dass es kein reiner Stoff ist, der da geschluckt wird.

Synapse einer Nervenzelle

Links: Ausschüttung und Wiederaufnahme von Serotonin

Aktionspotential

Rechts: Ecstasy blockiert die Wiederaufnahme von Serotonin

Serotoninpumpe

Serotonin

serotonerge Rezeptoren

Boten im Nervensystem  S. 190

Ecstasy

blockierte Serotoninpumpe

193

Drogen im Nervensystem

Die Synthese erfolgt oft nicht unter kontrollierten Bedingungen. Somit kann das Gehirn durch einen Cocktail letztlich nicht bekannter Stoffe verändert oder bisweilen sogar geschädigt werden. Die Konkurrenz um die Rezeptoren zeigt ein Prinzip sehr deutlich: Die Proteine der Rezeptoren erkennen kleine strukturelle Bereiche der Botenstoffe. Die strukturellen Unterschiede der Stoffgruppe beeinflussen, wie stark ein Stoff an den Rezeptor bindet oder wie polar er ist. Werden am Ring von Phenylethylamin zwei Hydroxylgruppen (OH) eingebracht, binden die Rezeptoren den Stoff stärker. Die Seitenkette mit der Aminogruppe (−NH2) ist entscheidend dafür, ob die Verbindung die Blut-Hirn-Schranke passieren und im zentralen Nervensystem wirken kann. Eine polare Gruppe wie bei Adrenalin (−OH) verhindert dies. So wird das SerotoCH3

Phenylethylamin

Amphetamin

Dopamin

Noradrenalin

nin aus der Schokolade zwar aufgenommen, kann aber die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren. Im Gehirn wirkendes Serotonin wird dort aus Vorstufen gebildet. Das Phenylethylamin Crystal Meth löst die Ausschüttung von Dopamin aus. Dies bewirkt eine Dämpfung von Hunger, Müdigkeit und Schmerz, weshalb auch schon Soldaten im Zweiten Weltkrieg damit versorgt wurden. Zugleich setzen Sucht und andere Folgen wie Depressionen ein. Haut und Haarzellen werden gestört: Entzündungen und Haarausfall treten auf. Als Opiate werden die Inhaltsstoffe des Schlafmohns bezeichnet, die an Opioidrezeptoren binden. Eigentlich erkennen diese Rezeptoren Opioide; das sind Schmerzmittel, die unser Körper selbst produziert: Endorphine und Enkephaline. Ihre Struktur entspricht der des Hauptalkaloids () des Schlafmohns: Morphin, ebenso ein hervorragendes Schmerzmittel. Die Ambivalenz ist bekannt: Sofern nicht die Schmerzrezeptoren das Morphin binden, steigt seine Konzentration im Gehirn an und Rauschzustände können eintreten. Wird das Molekül chemisch zusätzlich so verändert, dass die Rezeptoren es noch stärker binden, kommt man zum Heroin. Davon werden höhere Dosen und eine regelmäßige Zufuhr von außen benötigt: Eine Sucht entsteht. CH3

CH3

O O Serotonin

Gifte in der Nahrung  S. 196 Alkaloide  S. 182

Adrenalin

HN Ecstasy (MDMA)

CH3

H HN

CH3 CH3

Methamphetamin

Strukturen von Botenstoffen und Drogen im Vergleich, denn von der Struktur hängt die Wirkung ab: Die Rezeptoren erkennen Botenstoffe anhand weniger Merkmale, aber wie intensiv die Wirkung ist, hängt z. B. von der Abschirmung vor spaltenden Enzymen ab. Zusätzliche polare Gruppen an der Seitenkette (orange) verhindern, dass die Blut-Hirn-Schranke passiert werden kann.

194

5 Biochemie

Sehen

Mit Licht Moleküle schalten Auf der Netzhaut in unseren Augen befinden sich zwei Sorten von Sehzellen: die Stäbchen, die für das Wahrnehmen von Grauwerten zuständig sind, sowie die Zäpfchen, mit denen wir Farben wahrnehmen können. In beiden Fällen verändert Licht die räumliche Struktur des Sehfarbstoffs und löst damit ein Signal aus, das dann als elektrischer Impuls verrechnet und ins Gehirn weitergeleitet wird.

mit einem gebogenen Draht an Holzstäben befestigt werden, drehen sie sich kaum, sondern schwanken allenfalls ein wenig. Ähnlich ist es bei den chemischen Bindungen – eine Doppelbindung kann das Gerüst versteifen.

Wirken die Doppelbindungen so, dass das Molekül abknickt und die an den Enden der Kette gebundenen Reste einander näher kommen, wird dies durch die Vorsilbe cis deutDer Sehfarbstoff besteht aus eilich gemacht. Dabei kommt es nem Opsin genannten Protein und auf die Ebene an, in der das Moledem daran gebundenen, elektronenkül betrachtet wird. Vereinfacht gesagt reichen Molekül 11-cis-Retinal. wird geschaut, ob die KohlenstoffFällt Licht darauf, ändert es seine Für den Bruchteil einer Sekunde streckt, wippt kette auf der gleichen Seite des und dreht sich eine entscheidende Bindung, Form und damit auch die Struktur bevor der Sehfarbstoff zerfällt und damit ein Moleküls weitergeht und damit des Proteins. Das 11-cis-Retinal Signal auslöst. beim cis-Molekül in einen Bogen ist ein Abkömmling von Vitaabknickt oder auf entgegengesetzmin A. Aufgebaut ist es aus einem Kohlenstoffsechs- ten Seiten im trans-Molekül und damit wie ein Zickring mit einer Seitenkette, in der sich Einfachbindun- zackband. gen mit insgesamt fünf Doppelbindungen abwechseln. Im Retinal ist dafür das elfte Kohlenstoffatom entDie Vorsilbe „cis“ verrät etwas über die räumliche scheidend. Die Zählung beginnt am Retinal-Rest und Anordnung der Seitenkette. Eigentlich kann sich das bezieht sich auf den Molekülteil, der an das Opsin Molekül um die Einfachbindungen drehen und belie- gebunden ist – deshalb 11-cis. Das Protein selbst bebige Positionen einnehmen. So lässt der Draht am Stab steht aus viel mehr Gerüstkohlenstoffatomen und ereiner kleinen Windmühle dem Windrad Freiheit, sich hält somit eine eigene Zählung. Sobald nun Licht auf zu drehen. Wenn im Herbst Laternen gebastelt und die gewinkelte Seitenkette trifft, können die Elektronen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von J.M. Harms/Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie

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Sehen

die eingestrahlte Energie, das Photon, aufnehmen. So angeregt lagert sich die Doppelbindung um und alltrans-Retinal entsteht. Denken wir zurück an den Draht, der mal gerade und mal gebogen ist. Zum Biegen braucht es ein wenig Kraft und tatsächlich ist auch das abknickende 11-cisRetinal unter Spannung. Es mag im ersten Augenblick verwundern, dass in der Netzhaut permanent Moleküle nur darauf warten, in einen energetisch günstigeren Zustand zu kommen, doch das ist physiologisch sehr geschickt. Das 11-cis-Retinal braucht nur ein einziges Photon, um die kleine Energiebarriere zur all-transForm zu überwinden. Zwar ist die all-trans-Form energetisch günstiger, doch muss sich das Molekül dafür ja umsortieren. Für einen kurzen Moment schwingen die Elektronen der Bindung am 11-C-Atom intensiver, die Bindung streckt, wippt und dreht sich.

Die kompaktere, abgeknickte cis-Form passt genau in ihre Umgebung, das Protein Opsin, hinein. Denn das große Molekül faltet sich so, dass passende Bindungstaschen entstehen. Die gestreckte all-trans-Seitenkette passt jedoch nicht hinein, sodass der Sehfarbstoff in Retinal und Opsin zerfällt. Dadurch ändert sich auch die Form des Opsins, was die Ausschüttung von Botenstoffen in den Nervenzellen der Netzhaut auslöst. Wie kann nun das Auge die drei Grundfarben rot, blau und grün erkennen? Von dem Protein Opsin gibt es Varianten, deren jeweils unterschiedliche Aminosäuresequenz eine andere Raumstruktur hervorruft. Je nachdem, wie das Protein geformt ist, regt Licht im blauen, grünen oder roten Bereich das Retinal an. Diese Varianten werden auch Photopsine genannt. Mit einer weiteren Variante können Vögel sogar UV-Licht und damit eine vierte Grundfarbe sehen. CH3

H3C CH3 Retinal

CH3

H3C

Disk 11-cis-Retinal

O

H

Licht

CH3

H3C CH3

Zellkern

CH3 O H

Synapse

Zapfen

CH3

Opsin

Rhodopsin

In der Sinneszelle formen Stapel von Disks ein Zäpfchen. Jede Disk enthält um die 50.000 Rhodopsine.

Farbstoffe  S. 270

all-trans-Retinal

Durch Lichteinfall ändert der Sehfarbstoff Retinal seine Form, was seine Ablösung vom Protein verursacht.

196

5 Biochemie

Gifte in der Nahrung

Was Menschen früher (versehentlich) umbrachte Der Brauch, mit gefüllten Bechern oder Krügen anzustoßen, zielte der Legende nach darauf ab, ein wenig in den Becher des Gegenübers schwappen zu lassen. So stellten Trinkende sicher, dass kein Gift beigemischt war. Berüchtigt ist noch heute der Schierlingsbecher, der dem antiken Philosophen Sokrates den Tod brachte. Aber auch ohne Absicht wurden unsere Vorfahren Opfer von versehentlichen Vergiftungen. Der Gefleckte Schierling enthält in allen Pflanzenteilen Coniin, ein Alkaloid, das dem Schierlingsbecher seine tödliche Wirkung verleiht. Vor allem der Samen ist auf diese Weise vor Fressfeinden geschützt. Obwohl Coniin brennend scharf schmeckt, werden coniinhaltige Pflanzenteile manchmal von Nutzvieh gefressen. Das Alkaloid gelangt über die Schleimhäute und sogar die Haut in den Körper. Die Lähmung beginnt in den Beinen und steigt das Rückenmark hinauf. Es kommt zu Erbrechen und Durchfall und letzlich tritt der Tod bei vollem Bewusstsein durch Ersticken ein. Chemisch sehr abwechslungsreich ist Amanitin, das Gift des KnollenblätStruktur von Coniin, dem wesentlichen Alkaloid des Gefleckten Schierlings

Ribosomen  S. 166

terpilzes. Insgesamt enthalten diese Pilze mehr als zehn Gifte – allesamt Proteine, die der menschliche Körper nicht spalten kann. Die giftigste Gruppe sind die genannten Amanitine, die selbst das Kochen Junge Knollenblätterpilze überstehen. Sie zersetzen die Membran der Leberzellen. Außerdem hemmen sie die Polymerasen, die das Ablesen der Erbsubstanz und Zwischenspeichern in mRNA (Ribosomen ) zur Aufgabe haben, wodurch die Proteinsynthese zum Erliegen kommt. Junge Knollenplätterpilze werden gelegentlich mit Champignons verwechselt. Gut acht Stunden nach dem Verzehr setzen Brechdurchfälle ein. Je nach aufgenommener Menge kann es innerhalb einiger Tage zu Leber- und Nierenschäden kommen oder sogar der Tod eintreten. Wie Mutterkornalkaloide wirken, war schon in früheren Jahrhunderten gut bekannt: Das „Antoniusfeuer“ war begleitet von Erbrechen, Leibschmerzen, auch Zittern und Frösteln, über epileptische Anfälle, Fehlgeburten bis hin zu Koma und Tod durch Herz- oder Atemlähmung. Nur kannte man die Ursache nicht: In der Getreideähre breitet sich das Pilzgeflecht von Claviceps purpurea parasitisch aus. Die Grundstruktur

Gifte in der Nahrung

197

Struktur von Lysergsäure, dem Alkaloid des Mutterkorns

In Japan gilt Kugelfisch als Delikatesse und als besondere Kunst wird seine richtige Zubereitung geschätzt, denn vor allem seine Innereien enthalten das Gift Tetrodotoxin. Dessen chemische Mutterkorn – der parasitische Pilz lässt einzelne Körner in der Ähre stärker wachsen. Struktur ist einerseits sehr sperrig, zuder darin enthaltenen Alkaloide leitet sich von Lyserg- gleich enthält sie viele Hydroxylgruppen (OH), wosäure ab. Damit ähneln sie sehr den Catecholaminen durch sich das Gift gut in Wasser löst. Eine stickstoff(Botenstoffe ). Heute werden befallene Ähren bei der haltige Gruppe macht die Verbindung extrem basisch, Getreideernte aussortiert und der Gehalt an Lysergsäu- sie zieht also Protonen (H+) stark an. All dies lässt Tere wird kontrolliert. trodotoxin sehr effizient Natriumkanäle in Zellmembranen verschließen. Nervenzellen können keine Signale Bei dem im Jahr 1943 auf der Suche nach einem Kreis- mehr weiterleiten und Lähmungen treten auf – je nach laufstimulans synthetisch hergestellten Lysergsäu- Dosis reichen diese von einem leichten Prickeln auf der rediethylamid (LSD) handelt es sich um ein starkes Zunge bis hin zum Tod. Halluzinogen, es ändert also das Der Nilkugelfisch Tetraodon Bewusstsein. Strukturell wurden lineatus wehrt Fressfeinde lediglich an der OH-Gruppe weite- mit Tetrodotoxin (unten) ab. re Seitenketten angefügt; dennoch wirkt LSD anders als Lysergsäure und ungleich stärker. Euphorie und Angstzustände wechseln sich ab; es kann durch das Handeln der Konsumenten zum Tod kommen.

Bild oben mit freundlicher Genehmigung der Saaten-Union GmbH, Isernhagen Boten im Nervensystem  S. 190 Drogen im Nervensystem  S. 192

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5 Biochemie

Geruchsstoffe im grünen Bereich Chemische Kommunikation liegt in der Luft

Pflanzen geben über Blätter und Blüten flüchtige Stoffe ab, mit denen sie Bestäuber anlocken und Fressfeinde abwehren. Pilze geben sogar unterirdisch Geruchsstoffe ab, um eine Lebensgemeinschaft mit Baumwurzeln anzustiften. Bäume profitieren von Pilzgeflechten rund um ihr Wurzelwerk, man spricht von einer Symbiose oder spezieller einer Mykorrhiza. Die Mykorrhizapilze versorgen die Wurzeln mit zusätzlichen Nährstoffen und schützen vor Schadpilzen, während sie vom Baum Kohlenhydrate abzweigen. Im Jahr 2015 erschienen die Ergebnisse einer Studie, bei der im Labor untersucht worden war, wie die Pilze die Keimlinge von Pappeln auf sich aufmerksam machen. In der Petrischale wuchsen, getrennt durch eine durchlässige Wand, Mykorrhizapilze und Pappelkeimlinge. Die von den Pilzen abgegebenen Terpene (), flüchtige Verbindungen, regten die Baumkeimlinge an, neue Seitenwurzeln zu bilden und so auf die Pilze zuzuwachsen. Der Kojotentabak (Nicotiana attenuata) hat eine Strategie entwickelt, um Bestäubung und Schutz vor Raupenfraß auszubalancieren. Den Hauptbestandteil seines Blütendufts bildet Benzylaceton, wobei allerdings Duftintensität und Nektargehalt der Pflanzen variieren. Wie wirken sich diese Faktoren auf Bestäuber wie den Tabakschwär-

In der Petrischale wuchsen auf der rechten Seite die Pilze und regten die Wurzeln über Geruchsstoffe an, mehr Seitenwurzeln zu bilden.

mer (Manduca sexta), eine Nachtfalterart, und den Kolibri (Archilochus alexandri) aus? Der Tabakschwärmer legt nach dem Verkosten von reichlich Blütennektar seine Eier auf der Pflanze ab. Die schlüpfenden Raupen fressen das Blattwerk der Tabakpflanze.

Links: Weibchen des Tabakschwärmers an einer Tabakpflanze

Rechts: Ein Kolibri an einer Tabakblüte

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung der Universität Göttingen Bilder unten mit freundlicher Genehmigung von Danny Kessler, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie Terpene  S. 184

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Geruchsstoffe im grünen Bereich

Links: Den Raupen des Großen Kohlweißlings Pieris brassicae schaden die Abwehrstoffe des Kohls nicht. Rechts: Die Raupe des australischen Weißlings Delias nigrina ernährt sich von Mistelblättern. Sie kann die Senfölbombe des Kohls nicht entschärfen

Bei duftenden Blüten, die gar keinen Nektar anbieten, bestäuben die Schwärmer durch ihren Besuch zwar die Blüte, aber die Weibchen legen keine Eier ab. Die Nektarmenge informiert sie also über die Attraktivität der Pflanze als Eiablageplatz. Aus welchem Grund lockt die Tabakpflanze mit dem Bukett ihres Blütendufts den Tabakschwärmer stärker an als den Kolibri? Der Schwärmer bringt den Vorteil eines weiteren Aktionsradius mit sich, sodass Pollen auch mit weiter entfernten Pflanzen ausgetauscht werden, während der Kolibri stets in Nestnähe bleibt.

Schaden richten auch die Raupen der Schmetterlingsfamilie der Weißlinge an. Kohlpflanzen speichern nichtgiftige Senfölglykoside. Getrennt davon bewahren sie Enzyme auf, die daraus eine „Senfölbombe“ machen. Beißt eine Raupe ins Blatt, bringt sie Enzym und Vorstufe in Kontakt, das System zündet, und giftige Abbauprodukte des Senfölglykosids strömen ihr entgegen. Menschen mögen diese Schärfe im Senf oder Meerrettich. Raupen einiger Arten wie die des Kohlweißlings können diese Stoffe entgiften. Andere meiden diese Pflanzen.

Derzeit entwickelt sich die Kirschessigfliege (DroDie Geschichte vom Fressen und Gefressenwerden sophila suzukii) zum neuen Schrecken der Winzer. geht noch weiter. Mit dem Verdauungssekret geben die Sie ist mit der Fruchtfliege verwandt und stammt urRaupen eine Substanz ab, die mit Duftstoffen auf der sprünglich aus Japan. Im Jahr 2011 wurde sie erstmals Blattoberfläche reagiert. Dabei entsteht der flüchtige in Deutschland nachgewiesen und zählt damit zu Aldehyd 2-Hexenal und entfaltet eine fatale Wirkung den Neozoen, tierischen Neubürgern. Sie finden die für die Raupe: Er lockt Raubwanzen Weinreben über einen Blattduftstoff, das Terpen BetaO H an und diese vertilgen neben Cyclocitral. Während Fruchtfliegen ihre Eier in überden Raupen auch gleich noch reifes Obst ablegen, sticht die asiatische Verwandte in H3C CH3 die eierlegenden Schwärmer. das noch ungeerntete Obst und So verteidigt sich die Pflanze H3C bringt dabei sogar noch Hefen Potenzieller Lockstoff für Fruchtfliegenfallen: Blattduftindirekt selbst. und Pilze mit in die Frucht ein. stoff β-Cyclocitral

Bild oben links mit freundlicher Genehmigung von Heiko Vogel, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Hanna Heidel-Fischer, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie

200

5 Biochemie

Biolumineszenz

Was Quallen und Glühwürmchen zum Leuchten bringt ten Zustand versetzt. Dieser Zustand des oxidierten Luciferins ist nicht sehr stabil, sodass das Molekül wieder in seinen Grundzustand übergeht und dabei seine überschüssige Energie in Form von Licht abgibt – das Lebewesen leuchtet. Bei den Leuchtkäfern handelt es sich um das bisher am besten studierte Luciferin-Luciferase-System. Hier werden zusätzlich ATP und Magnesiumionen benötigt, um zunächst Luciferyladenylat als Zwischenstufe zu erzeugen, bevor es Ein Großer Leuchtkäfer, auch als Glühwürmchen bekannt. Bei dieser Art können nur zu Oxiluciferin oxidiert werden kann. die Männchen fliegen. Die Leuchtsignale dienen der Partnersuche. Wegen der Notwendigkeit von ATP kann das Leuchtkäfer-Luciferin auch Wenn des Nachts im Wald kleine leuchtende Punkte zum Nachweis von ATP und daumherschwirren, dann handelt es sich um Glühwürm- mit Leben eingesetzt werden, chen, auch allgemeiner Leuchtkäfer genannt. Sie gehö- z. B. um die Verschmutzung ren zu den Lebewesen, die in der Lage sind, durch eine von Laborproben durch chemische Reaktion Licht zu produzieren und dadurch Bakterien zu untersuchen. von selbst zu leuchten. Diese sogenannte Biolumineszenz ist eine Form der Chemilumineszenz; es muss In der Quallengattung Aealso nicht vorher Licht aufgenommen werden, wie quorea funktioniert die Biolumies bei Fluoreszenz oder Phosphoreszenz () der Fall neszenzproduktion etwas anders: wäre, sondern die chemische Reaktion allein ist für die Hier wurde das Photoprotein AeLichtabgabe verantwortlich. quorin entdeckt, welches statt einer Luciferase-Enzym des Leuchtkäfers Luciferase an der Leuchtreaktion Die meisten Biolumineszenzreaktionen laufen sehr beteiligt ist. Das Photoprotein ist ein ähnlich ab: Ein komplexes Molekül, allgemein Lucife- Komplex aus einem Protein als Katalysator, dem darrin genannt, wird mittels eines Luciferase-Enzyms oder an gebundenen Luciferin und molekularem Sauerstoff. Photoproteins oxidiert und dadurch in einen angereg- Es wartet nur darauf, dass sich Calciumionen anlagern

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Radim Schreiber; Firefly Experience; http://www.fireflyexperience.org/ Fluoreszenz und Phosphoreszenz: Kaltes Leuchten  S. 294 Wikipedia Biolumineszenz S. H. D. Haddock The Bioluminescence Webpage http://biolum.eemb.ucsb.edu/

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Biolumineszenz

und es dadurch aktiviert wird: Seine Form verändert sich, die Oxidation von Luciferin wird ausgelöst und blaues Licht freigesetzt. Die Quallen leuchten jedoch blaugrün, weil noch ein zweiter Prozess beteiligt ist: Das vom Photoprotein erzeugte Licht regt im grün fluoreszierenden Protein (GFP) der Qualle eine Fluoreszenz an. Bei der Rückkehr in seinen Grundzustand gibt dieses Protein das Licht mit etwas geringerer Energie und dadurch grüner Farbe wieder ab. Da GFP hervorragend in der Gentechnik eingesetzt werden kann, wurde es zu einem universalen Werkzeug der Molekularbiologie.

Die Qualle Aequorea lebt im Pazifischen Ozean.

Im Lauf der Evolution hat sich Biolumineszenz auf mehrere verschiedene Weisen entwickelt und kommt bei den unterschiedlichsten Organismen vor: bei Bakterien und Pilzen, Algen, Quallen, Krebsen, Würmern, Käfern und Korallen. Dabei leben die meisten der selbst leuchtenden Arten im Meer. Gerade in der Tiefsee herrscht fast völlige Dunkelheit, sodass die Fähigkeit zum Selbstleuchten entscheidende Vorteile bietet: zum Anlocken von Beutetieren, Abschrecken von Feinden oder auch nur, um die Umgebung zu erhellen.

Das ist so praktisch, dass einige Tiere ohne diese Fähigkeit eine Symbiose mit biolumineszenten Bakterien eingegangen sind. Beispielsweise nutzen Anglerfische solche Bakterien in einem angelartigen Fortsatz als Lockmittel. Aber auch an der Meeresoberfläche gibt es Biolumineszenz: einzellige Algen, u. a. die Dinoflagellatten, sind für das geheimnisvolle Meeresleuchten verantwortlich, das Fischer schon zu Urzeiten in Staunen versetzte.

Dieser Pilz ist ein Zwergknäueling, der sich auf einem Baumstamm angesiedelt hat. Nur die amerikanische Art ist biolumineszent.

Meeresleuchten an sich brechenden Wellen, verursacht durch biolumineszierende Dinoflagellaten

O. Shimomura Discovery of Green Fluorescent Protein, GFP Nobel Lecture, https://www.nobelprize.org/nobel_prizes/chemistry/ laureates/2008/shimomura_lecture.pdf; 2008 – Bericht über die Entdeckung von Aequorin und GFP in der Qualle Aequorea Bioglyphs http://www.biofilm.montana.edu/Bioglyphs/ – Kunstausstellung mit biolumineszenten Bakterien

202

5 Biochemie

Die innere Uhr

Wie uns die Moleküle ticken lassen Wie unterscheiden Lebewesen Tag und Nacht? Was steuert die innere Uhr? Selbst wenn der Genuss von Kaffee für einige Menschen die Nacht zum Tag werden lässt, steuern doch letztlich Botenstoffe den SchlafWach-Rhythmus.

jeweils in das Protein PER und TIM übersetzt. Das TIM-Protein lagert sich daraufhin mit dem PER-Protein zusammen und bildet mit diesem ein Dimer, also ein Doppelmolekül. Zellplasma

Zellkern

Der Tagesrhythmus wird cirkadian genannt – ein Kunstwort aus lat. circa (ungefähr) und dies (Tag). Unabhängig voneinander suchten mehrere Teams amerikanischer Chronobiologen in den 1980er-Jahren nach der inneren Uhr der Fruchtfliege Drosophila melanogaster, die ein beliebter Modellorganismus in der Genetik ist. Das Team von Jeffrey C. Hall und Michael Rosbash fand ein Gen, das maßgeblich für die Länge des biologischen Tags verantwortlich war, und nannte es „period“. Ungefähr zeitgleich gelang dies auch Michael W. Young. Die Leistungen der drei Forscher wurden im Jahr 2017 mit dem Nobelpreis für Medizin oder Physiologie geehrt. Äußere Zeitgeber wie das Licht synchronisieren das Ablesen verschiedener Gene, die ihrerseits über Rückkopplungsschleifen gesteuert werden. Die „Uhrengene“ der Fruchtfliege kennen wir schon – sie waren das Forschungsobjekt der ersten Stunde und funktionieren so: Die Gene period und timeless werden nachts von der DNA im Zellkern abgelesen und dann als Abschrift aus dem Zellkern transportiert. Im Zellplasma werden sie an den Ribosomen ()

mRNA TIM per-Gen

Ribosom

PER

tim-Gen

Die Uhrengene werdenvon im Zellkern Im Zellplasma entstehen an Gene aktiv, Produktion PER- undabgelesen. TIM-Proteinen. den Ribosomen die Proteine Period (PER) und Timeless (TIM). Zellkern

Zellplasma

per-Gen

tim-Gen

Zusammengelagert unterdrücken die PER-TIM-Dimeregestoppt. die weitere Ablesung PER-TIM-Dimere blockieren Gene, Protein-Produktion ihrer Bauanleitung im Zellkern. Zellkern

Zellplasma Licht Cryptochrom

mRNA

Durch LichtCryptochrom aktiviertes Cryptochrom zerstört Abbau TIM-Proteine, PER wird ebenAktiviertes zerstört TIM-Protein, von PER; falls abgebaut aufgehoben, und die Genblockade ist aufgehoben, sodass die ProteinproGen-Blockade Protein-Produktion beginnt erneut. duktion erneut beginnt.

Ribosomen  S. 166 M. Rosbash The Drosophila Molecular Clock Model http://www.hhmi.org/biointeractive/drosophila-molecular-clock-model Howard Huges Medical Institute; Animation aus der Vorlesung von Michael Rosbash auf Englisch, Abruf am 25.02.2018

203

Die innere Uhr

Im Lauf der Nacht sammeln sich viele Dimere an und wandern schließlich zurück in den Zellkern. Wie bei einer Gangschaltung ist an den abzulesenden Genen ein Proteinpaar angeheftet. Indem sich das PER-TIM-Dimer dort anlagert, kommt die weitere Ablesung der Gene in den Leerlauf und stoppt. Wie dadurch weitere Regelkreise genau gesteuert werden, wird noch erforscht.

1 mm große Bereich steuert tagesrhythmische Abläufe über Hormonausschüttung sowie über neuronale Signale. Mit dieser inneren Hauptuhr sind andere, untergeordnete Uhren wie die Nebenniere verbunden. Diese produziert anregende Hormone wie Adrenalin und Noradrenalin.

Am Schlaf-Wach-Zyklus ist auch das Hormon Melatonin beteiligt. Es sammelt sich im Lauf der Nacht an und wird mit der Dämmerung abgebaut. Ein wichtiges Hormon ist das Cortisol, welches ebenfalls von der Nebennierenrinde ausgeschüttet wird und so zu den untergeordneten Uhren zählt. Seisteigende Adenosinne Konzentration ist direkt nach dem konzentration Aufwachen sehr hoch, was schnellste wiederum die Wirkung des 12 Uhr Reaktionszeit Mittag Coffeins () dämpft. Im Lauf des Tages besetzt Adenosin als Nebenprodukt des Stoffwechsels höchster Rezeptoren von Ner18 Uhr Blutdruck Abend venzellen und dämpft höchste so zunehmend ihre Körpertemperatur Aktivität – wir werden müde.

Durch Licht werden dann andere Proteine, die Cryptochrome, aktiviert. Sie zerlegen das TIM-Protein. Langsamer verläuft der Abbau des PER-Proteins durch ein weiteres spezielles Protein. Der Göttinger Chemiker Gregor größte Eichele erforscht unsere innere Aufmerksamkeit Uhr aktuell mit Mäusen. Er fragt sich, wie der innere Tag, der etwas länger starker Anstieg als 24 Stunden dauert, des Blutdrucks mit der Außenwelt Ausschüttung synchronisiert wird. 6 Uhr von Cortisol Morgen Die schon genannten Cryptochrome kommen wieder ins Spiel: niedrigste als Rezeptoren, die Körpertemperatur mit Licht geschaltet werden.

0 Uhr Mitternacht

Wer schon einmal Fernreisen durch mehrere Im Auge () gibt es NerZeitzonen unternomDie innere Uhr steuert im Lauf eines Tags, wie wach oder müde venzellen, die Helligkeit der Organismus gestimmt ist, dass die Körpertemperatur im Schlaf men hat, kennt den Jetmit einem bestimmten sinkt und dass der Blutdruck beim Aufwachen ansteigt. lag. Er ist eine direkte Opsin, dem Melanopsin, Folge davon, dass die wahrnehmen. Ihre Fortsätze reichen direkt bis ins Ge- innere Uhr nicht zur Umgebung passt – sonst würde hirn, und zwar in einen kleinen Bereich im Hypotha- entsprechend viel Schlaf helfen. Tatsächlich braucht lamus, den sogenannten Nucleus suprachiasmaticus. der Körper aber fast drei Tage, um die innere Uhr umHier tickt die innere Uhr. Dieser bei Mäusen nicht mal zustellen. Tiefschlaf

Auge, siehe: Sehen  S. 194 Coffein, siehe: Kaffee  S. 290

Melatoninausschüttung

6 Chemie in der Menschheitsgeschichte Schon lange bevor Universitäten gegründet wurden, beschäftigten sich Gelehrte und Heiler mit der Umwandlung von Stoffen. Als unsere Vorfahren begannen, das Feuer zu nutzen, gingen sie damit nicht nur einen ersten Schritt in Richtung Zivilisation, sondern begannen auch, systematisch Stoffe nach ihren Bedürfnissen zu verändern. Ob in Asien, Ägypten oder später im hohen Norden: Überall wurden Stoffe aus der Natur isoliert und technisch weiterverarbeitet. Es gibt Zeugnisse dafür, wie in einfachen Brennöfen aus Erzen Metalle gewonnen wurden. Vielleicht wurden dabei durch Zufall auch Veränderungen von tonhaltigen Erden beobachtet – jedenfalls entstand auch die Keramik durch Erhitzen. Weniger der Zufall, vielmehr genaue Beobachtung und mündliche Überlieferung waren über Jahrtausende die Quellen für die Heilkunst, bevor das tradierte Wissen durch die Alchemisten auch schriftlich weitergegeben wurde. Jagdgifte sind pharmazeutisch gesehen ausgeklügelte Substanzen, die Urvölker dagegen gewannen sie durch einfaches Reinigen und Konzentrieren von Naturstoffen und erhöhten so deren Wirksamkeit. Selbst die Biotechnologie ist eine alte Entdeckung, denn ohne sie wäre die Alkohol- und Essigherstellung nicht möglich gewesen. Schließlich entwickelten sich aus den Verfahren auch Berufsstände wie Seifensieder, Gerber und Bierbrauer. Die Erfindung des Schwarzpulvers bereitete dem Bergbau den Weg. Andere Verfahren sollten den Dampfmaschinen Brennstoff liefern und damit zum Voranschreiten der industriellen Revolution beitragen. Kommen Sie mit auf einen Streifzug durch die erstaunlich entwickelte Frühzeit der Menschheitsgeschichte bis hin zu den Universalgenies, die noch das Wissen von der Medizin bis zum Bergbau vereinten.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Feil et al., Faszinierende Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57324-2_6

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6 Chemie in der Menschheitsgeschichte

Feuer

Roden, Heizen, Trocknen, Licht und Kochen Wie man ein Feuer entfacht, entdeckten schon die Vorfahren des Menschen – vermutlich mehrfach und unabhängig voneinander. Funken schlagen mit Steinen ist eine Methode; harte Hölzer in weichen zu reiben eine andere. Daneben sorgten Blitzeinschläge für Brände, die als Feuer weiter gehegt wurden. Ablagerungen, die auf Holzfeuer schließen lassen, fand man in etwa 1,5 Millionen Jahre alten Höhlen in Afrika. Weiterhin wurden Reste von verbranntem Material mit einem Alter von mehr als 700 000 Jahren gefunden. Beim Verbrennen werden die langen Moleküle der Holzfasern – im Wesentlichen Kohlenhydrate – durch die hohe Temperatur aktiviert und reagieren mit LuftBlitzeinschläge dürften zu den frühesten Feuerquellen unserer Vorfahren zählen

sauerstoff. Chemisch gesehen oxidiert dabei das Kohlenhydrat: Elektronen werden in Bindungen mit Sauerstoff investiert und das große Molekül zerfällt in kleine Bruchstücke, insbesondere Kohlendioxid (CO2) und Wasserdampf, die als Gase frei werden. Wenn die Temperatur nicht hoch genug ist, ent- Rußende Flamme stehen Kohlenmonoxid (CO) und Ruß. Letzterer besteht hauptsächlich aus Kohlenstoff, enthält aber auch geringe Mengen von Kohlenwasserstoffen, die zu Ringen verknüpft sind. Diese polyzyklischen Kohlenwasserstoffe wirken sich schädlich auf die Atemwege aus. Insgesamt wird beim Verbrennen viel chemisch gebundene Energie frei, die dann in Form von Wärme und Licht abgegeben wird. Die Wärme wurde alsbald genutzt, um Lebensmittel zu trocknen und so länger haltbar zu machen. Durch das Feuer war man auch in der Lage, Nahrungsmittel zu garen und konnte so neue Nahrungsquellen wie Yamswurzeln erschließen. Diese tropischen Kletterpflanzen bilden Rhizome oder Knollen als Speicherorgane aus, die viel Stärke, aber auch Oxalsäure enthalten. Letztere löst sich beim Kochen im Wasser, sodass die Yamswurzel verträglicher wird.

207

Feuer

gen aufbrechen. Zurück bleibt ein Gemisch aus mehr als 90 % Kohlenstoff, in dem nur noch wenige andere Atome wie etwa Wasserstoff und Sauerstoff gebunden sind. Daher verbrennt Kohle erst bei höheren Temperaturen und ohne offene Flamme – die leicht flüchtigen Verbindungen sind ja schon verschwunden. Um die Reaktion rechtzeitig durch Ablöschen mit Wasser stoppen zu können, bewachten Köhler die Kohlenmeiler in den Wäldern. Für Terra preta wurden Pflanzenreste verkohlt, eine Methode, die heute wieder als Mittel zum Düngen getestet wird.

Bäume und Büsche wurden verbrannt, um Ackerland zu gewinnen.

Für die Entwicklung der Landwirtschaft erwies sich in der Steinzeit die Brandrodung als Fortschritt. Sie sorgte in einem Arbeitsgang für neue Anbauflächen und Düngung. Rund um den Amazonas findet man noch heute eine ungewöhnlich dunkle Erde, die Terra preta. Neben Holz- und Pflanzenkohle wurden jahrelang Tierdung, Knochen, Fischgräten und auch Tonscherben auf die Felder gebracht und mineralisierten teilweise. Daher vermögen diese Böden gut Wasser und Nährstoffe zu speichern und liefern hohe Ernteerträge.

Wird Kohle bei 1000 °C weiter zu Koks gebrannt, entweicht Holzgas, das Kohlendioxid (CO2), Kohlenmonoxid (CO), Methan (CH4), Wasserstoff (H2) und Ethen (CH2=CH2) enthält. Es wurde während des Zweiten Weltkriegs genutzt, um Motoren zu betreiben.

1. Anfeuerung

flüssige und leicht flüchtige Stoffe Die Farbe des Rauchs zeigt, ob die Kohlen fertig sind.

Erde, Gras und Moos

Ein weiterer Fortschritt war die Herstellung von Kohle, eines transportablen Brennstoffs mit hoher Energiedichte. Beim Verkohlen wird getrocknetes Holz unter Luftabschluss erhitzt, sodass die leichter flüchtigen Verbindungen entweichen. Diese enthalten viel Sauerstoff Holzscheite senkrechte Stangen bilden Schacht und entzünden sich etwa bei 200 °C. Bei Kohlenmeiler. Ein Schacht in der Mitte diente dem Anfeuern zu Beginn dieser Pyrolyse steigt die Temperatur auf etwa der Verkohlung und als Abzug für die verdampfenden flüssigen und leicht das Doppelte an, wodurch chemische Bindun- flüchtigen Bestandteile des Rauchs.

Bild oben links: Under the Yoke (Burning the Brushwood), 1893 (Öl auf Leinwand), Eero Nikolai Jarnefelt (1863–1937) / Ateneum Art Museum, Finnish National Gallery, Helsinki, Finland / Bridgeman Images

208

6 Chemie in der Menschheitsgeschichte

Schwarzpulver

Pyrotechnische Anwendungen Die Grundlagen der Feuerwerkskunst wurden vor rund 1000 Jahren in China entwickelt. Zur Herstellung von Schwarzpulver wurden Kalisalpeter (KNO3; 75 %), Holzkohle (C; 15 %) und Schwefel (S; 10 %) fein verrieben und gemischt. Die Farbe des Pulvers ist schiefergrau bis blauschwarz. Bei 270 °C zündet die Mischung und brennt mit heller Flamme, wobei gasförmiges Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff entstehen. Letzterer trägt zu dem typischen Geruch des Abbrands bei. Der Druck der Explosion entsteht dadurch, dass aus Feststoffen Gase werden. Bei der Verbrennung schmilzt zunächst der Kalisalpeter und die Kohle saugt ihn auf. Hier reagiert er zu Kohlenmonoxid (CO) und Stickstoffmonoxid (NO), eine weitere Zwischenstufe reagiert zu Feuerwerk – die heutzutage häufigste Anwendung von Schwarzpulver Distickstoffoxid (N2O). Durch die richtigen Anteile der Grundstoffe im Pulver entsteht so in der ersten Reaktionsphase ein explosives Gemisch Das Volumen, das diese Gase einnehmen, ist etwa dieser Gase. Erst jetzt kommt es zur eigentlichen Deto- 3000-fach größer als das der Feststoffe. Daher dehnt nation bei 2400 °C. Dabei geschieht Folgendes: sich mit der Zündung das Reaktionsgemisch schlagartig aus – sehr nützlich für Sprengungen im Steinbruch N2O + CO o N2 + CO2 oder für Böller in Papphülsen, die mit lautem Knall platzen. 2 NO + 2 CO o N2 + 2 CO2

Foto mit freundlicher Genehmigung von Frank Baudy, www.seitenstopper.de Chemie in unserer Zeit 4/2012, (46), 248–265

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Schwarzpulver

Der Schwefel hat vor allem die Aufgabe, das entstehende hochgiftige Kaliumcyanid (KCN) in Form des weniger gefährlichen Kaliumthiocyanats (KSCN) abzufangen.

Kappe Aufsatzhülse Pappdeckel

Neben den Gasen geht über die Hälfte des Schwarzpulvers in Rauch auf. Dieser enthält Carbonate (wie K2CO3) und Schwefelverbindungen. Für den Gebrauch in Kriegswaffen wurde im Mittelalter durchaus Schwarzpulver verwendet, dann aber seit etwa 1865 durch das rückstandsärmere „neuere Schießpulver“ ersetzt. Zunächst durch Schießbaumwolle (Sprengstoffe ), später durch Brisanzmunition auf der Basis von Pikrinsäure (Trinitrophenol, also ein Benzolring, der eine Hydroxylgruppe (−OH) und drei Nitrogruppen (−NO2) trägt). Noch heute zündet man Schwarzpulver bei Sprengungen und Pyrotechnik, da es bei der Explosion vor allem Schub verursacht und nicht so zertrümmernd wirkt. Soll die Druckwelle zum Auftrieb einer Feuerwerksrakete genutzt werden, wird eine einseitig geschlossene Papphülse mit Schwarzpulver befüllt. Darüber befindet sich ein Depot mit einem Leuchtsatz, abgeschlossen von einem aerodynamischen Plastikhütchen. Der Leuchtsatz enthält feine Tonkugeln, überzogen mit Schwarzpulver und einem Metallsalz. Den Kern des Granulats können Senf- oder Rapskörner bilden, die dann mit Bindemittel und Leuchtsatz überzogen werden. Dieses Verfahren erlaubt auch Abfolgen verschiedener Farben beim Abbrennen. Die Metallsalze enthalten Natrium für die Farbe Gelb, Lithium sorgt für Rot, Barium für Grün und Kupfer für Blau. Als zivile Nutzung für Feuerwerke erlebte Schwarzpulver im Barock seinen Durchbruch. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gelang es, das Feuerwerk farbig zu gestalten, als Salze wie Chlorate und Perchlorate Einzug erhielten. Ab Beginn des 20. Jahrhunderts erhöhten Metallpulver wie Magnesium, Aluminium und Titan die Brillanz. Sie sorgen z. B. für Funkenschweife, indem sie durch die hohen Temperaturen im Sprengsatz aktiviert mit Luftsauerstoff verbrennen.

Sprengstoffe  S. 246

Leuchtsatz Granulat mit Metallsalzen

Treibsatz Schwarzpulver

Zündschnur

Leitstab

Schematischer Aufbau einer Silvesterrakete

N2 CO2 CO

H2

CH4 H2S

Anteil der Gase, die bei der Explosion entstehen

210

6 Chemie in der Menschheitsgeschichte

Porzellan

Das weiße Gold aus China Als der Venezianer Marco Polo (1254–1324) von seiner ausgedehnten Reise ins ferne Asien zurückkehrte, berichtete er von einem wunderbaren weißen Material, aus dem in China schon seit Jahrhunderten kostbare Vasen, Tafelgeschirr und andere Gegenstände hergestellt wurden. Eine solche Keramik war in Europa völlig unbekannt. Die Italiener gaben ihr den Namen Porzellan nach dem italienischen Wort porcellana für die tropischen Kauri-Meeresschnecken, an deren Gehäuse das feine Material erinnert. Händler importierten zunehmend das kostbare Porzellan nach Europa, wo es immer beliebter wurde. Jeder, der es sich leisten konnte, wollte das erlesene Material aus China besitzen und war bereit, enorme Preise dafür zu bezahlen. Deshalb verlieh man ihm auch den Namen weißes Gold. Da lag es nahe, dass man auch in Europa in der Lage sein wollte, das edle Material selbst herzustellen. Doch erst um das Jahr 1708 gelang es den Alchimisten Johann Friedrich Böttger und Ehrenfried Walther von Tschirnhaus in der sächsischen Stadt Meißen, das Geheimnis der Porzellanherstellung zu lüften. Schale einer Kaurischnecke Noch heute ist Meißner Porzellan in aller Welt berühmt. Worin liegt das besondere Geheimnis bei Porzellan? Entscheidend ist besonders eine Zutat: Kaolin. Das Wort entstammt dem chinesischen Ortsnamen Gaoling, wo das feine weiße Tongestein bereits vor Jahrhunderten abgebaut wurde.

Vase aus der chinesischen Ming-Dynastie

Kaolin besteht hauptsächlich aus dem weißlich-erdigen Tonmineral Kaolinit (Si2Al2O5(OH)4), das sich bildet, wenn Feldspat unter dem Einfluss von Wasser im Lauf von Jahrmillionen chemisch verwittert (). Dabei werden die Natrium-, Kalium- und Calciumionen sowie ein Teil des Siliciumdioxids aus dem Feldspat verdrängt und als Ersatz wird Wasser eingebaut, sodass aus dem stabilen

Verwitterung und Tonminerale  S. 94 K. Krockenberger Was ist Porzellan? http://www.sammler.com/keramik/porzellan.htm R. Hoffmann Meißner Chymie Spektrum der Wissenschaft, Juli 2015, S.74

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Porzellan

wieder aus den Kaolinitkristallen ausgetrieben und es entstehen unter anderem feine Kristallnadeln aus Mullit (3 Al2O3 ∙ 2 SiO2). Der zugesetzte Quarz dient dabei als sogenanntes Magerungsmittel, das die Volumenverminderung durch den Wasserverlust abmildert. Als Flussmittel dient der Feldspat: Er schmilzt, nimmt amorphe Bestandteile in sich auf und bildet beim Abkühlen eine glasartige Masse, die alle kristallinen Komponenten miteinander verbindet. Porzellan ist also im Wesentlichen ein Glas, in das winzige Mullitnadeln und Quarzkristalle eingebettet sind. Dünnes Porzellan ist sogar leicht transparent, wodurch es sich von anderen Keramiken unterscheidet. Sächsische Porzellanmanufaktur im frühen 18. Jahrhundert

Kristallgitter des Feldspats ein eher weiches Schichtgitter entsteht. Lagerstätten von Kaolin entstehen also dann, wenn beispielsweise Granit über lange Zeit in feuchtwarmem Klima tiefgründig – also bis in größere Bodentiefen – verwittert, ohne dabei abgetragen zu werden.

Kaolinförderung bei Hirschau in der Oberpfalz im Nordosten Bayerns. Hier liegt das größte Kaolinvorkommen Deutschlands.

Um Porzellan herzustellen, muss man im Wesentlichen die folgenden drei Zutaten unter Zugabe von Wasser miteinander mischen: Kaolin, Quarz () und Feldspat (). Die entstehende tonige Masse wird zu einem passenden Rohling verarbeitet und vorgetrocknet. Anschließend geht es bei sehr hohen Temperaturen von über 1000 °C in den Brennofen. Beim Brennvorgang wird das Wasser, das einst bei der Verwitterung des Feldspats aufgenommen wurde,

Quarz  S. 84 Feldspat  S. 86 ARD Planet Wissen Porzellan http://www.planet-wissen.de/technik/werkstoffe/porzellan/index.html

212

6 Chemie in der Menschheitsgeschichte

Zement

Von Sand und Mörtel zum Baustoff der Römer Kleine Kinder versuchen sich in Sandkästen oft als Baumeister und mischen dazu Wasser mit Sand. Dabei stellen sie fest, dass verzahnte Sandkörner eine gewisse Stabilität aufweisen. Die Römer fügten dieser Mischung ein Bindemittel hinzu und schufen so Mörtel. Da sie für besonders belastbare Bauwerke als Zuschlag auch fein gemahlene Lavagesteine nutzten, verwendeten sie als Bindemittel bereits Zement (lateinisch caementitium, Bruchstein, Zuschlagstoff). Wer je in Rom das Kolosseum gesehen hat, kennt aus eigener Anschauung die Vorteile der Bauweise mit Zement gegenüber Marmor oder Sandstein als Baustoff. Die unglaublich kurze Bauzeit von weniger als einem Jahrzehnt bei zugleich hoher Altersbeständigkeit war möglich, weil die Römer den Raum zwischen zwei Ziegelsteinmauern mit Zement und Bruchsteinen auffüllten. Diese Konstruktion ist leichter als die Natursteine und tragfähiger als Holz, sodass mehrere Geschosse übereinander gebaut werden konnten.

Für Mörtel werden Wasser und Zuschlagstoffe wie Sand (Siliciumdioxid, SiO2) mit einem Bindemittel angerührt. Für das Bindemittel des Luftmörtels wird aus Kalkstein zunächst gelöschter Kalk hergestellt. Dazu wird der Kalkstein (CaCO3) gebrochen, gemahlen und gebrannt. Durch die Hitze entweicht dabei Kohlendioxid (CO2) und es bleibt gebrannter Kalk (Calciumoxid, CaO) bleibt zurück. Erhitzen

CaCO3o CaO + CO2 Gibt man nun Wasser hinzu, entsteht Löschkalk (Calciumhydroxid, Ca(OH)2), wobei viel Reaktionswärme frei wird. Auf der Baustelle kann dann der gelöschte Kalk mit weiterem Wasser und Sand angerührt werden. Beim Abbinden reagiert der gelöschte Kalk mit Kohlendioxid aus der Luft wieder zu Calciumcarbonat (CaCO3) und wird fest, daher auch der Name Luftmörtel. Da dieser Prozess wieder zur gleichen Verbindung wie zu Beginn führt, spricht man vom technischen Kalkkreislauf. Römisches Mauerwerk und Zement: Der Mörtel wird mit Bruchsteinen vermischt und in eine Schalung aus Tonziegel-Mauerwerk gegossen.

213

Zement

Luftmörtel, auch als Kalkmörtel bekannt, bildet die Grundlage für Kalkputz. Er eignet sich gut als Innenputz, weil er Feuchtigkeit aufnehmen kann und so ein gutes Raumklima ermöglicht. Für die Freskomalerei wird auf eine erste grobe Kalkmörtelschicht eine weitere Schicht mit feiner gemahlenen Sanden aufgetragen. Wenn diese formfest ist, werden die Pigmente auf den noch frischen (ital. fresco) Putz aufgemalt und sind nach dem Abbinden fest in die Schicht integriert. Etwas anders reagiert der hydraulische Mörtel, der auch ohne Luft, etwa unter Wasser, abbinden kann. Sein Bindemittel ist Zement, für den gemahlener Kalkstein zusammen mit Sand und Tonerde erhitzt wird. In der Tonerde bilden Aluminiumoxid (Al2O3) und Siliciumdioxid eine gemeinsame Kristallstruktur. Beim Erhitzen wird nicht nur der Kalk gebrannt, sondern die Oxide werden aktiviert und können so mit dem Calciumoxid reagieren: Das macht diesen Mörtel sehr viel beständiger. Das Abbinden verläuft in mehreren Stufen. Die Zugabe von Wasser löst die Calciumsalze und die Hydratation beginnt. Es bilden sich zunächst mit dem Siliciumdi-

H 2O

Kalkstein Calciumcarbonat CaCO3

Abbinden (bei Kalkmörteln)

Kalkbrennen CO2

CO2

Löschkalk

Branntkalk

Calciumhydroxid Ca(OH)2

Calciumoxid CaO

Der technische Kalkkreislauf

Kalk löschen, Wärme wird frei

oxidanteil kurze Fasern aus Calciumsilicat (CaSiO3) auf den Zementpartikeln. Sie wachsen in den ersten Stunden zu längeren Nadeln, das Gemisch steift an. Nach etwa einem Tag ist das Gefüge erstarrt, nun füllen Faserbüschel und blättrige Strukturen den Raum zwischen den Zuschlagstoffen. Die Oxide der Tonerde bilden langsam Alumosilicate (Zeolithe ), die zu Kristallnadeln anwachsen. Dabei gilt: Je feiner der Zement ist, desto fester bindet er ab.

Das Abbinden von Zement Ansteifen Zement

Wasser Kiesel

Beton  S. 214 Zeolithe  S. 266

Erstarren Calciumsilicat

H 2O

Erhärten

214

6 Chemie in der Menschheitsgeschichte

Beton

Baustoff der Moderne Ein altbekannter und zugleich ein hochmoderner Baustoff ist Beton. Beim Anmischen von Beton dient am häufigsten Zement () als Bindemittel, das zusammen mit Zuschlagstoffen wie zerkleinerten Steinen und Wasser vermengt wird. Wer auf die Entwicklung des Betons schaut, stößt schnell auf eine sprachliche Verwirrung: Mal ist zu lesen, das Pantheon in Rom sei mit Zement gebaut worden, mal mit Beton. Beides lässt sich vertreten, denn das dem Mörtel zugemischte, fein gemahlene Tuffgestein, der Puzzolan, den die Römer direkt unter ihrer Stadt abbauten, besteht aus ausgekühlter Lava und hat

damit genau den Prozess hinter sich, der heute in Öfen beim Ausglühen des Bindemittels vorgeht. Die Lava enthält einen hohen Anteil an Siliciumdioxid (SiO2) und reaktionsfähiges Aluminiumoxid (Al2O3), sodass Puzzolan kein gewöhnlicher Zuschlagstoff ist, sondern wie ein Bindemittel wirkt. Die römische Bauweise, etwa zerbrochene Tonziegel zuzumischen, entspricht quasi einem Beton. Die im Ton vorkommenden Eisensalze färben ihn rötlich, beim Abbinden lösen sie sich und reagieren mit dem Bindemittel, wodurch der fertige Beton deutlich wasserbeständiger ist. Daneben beeinflussen die Gesteinsmischungen, wie fein oder grob, fließfähig oder zäh der Beton in der Verarbeitung ist. Mischt man porösen Blähton zu, macht dies den Beton leichter, kompakte Materialen wie Kies, Schotter oder Splitt hingegen machen ihn belastbarer. Fundamente aus Beton sind witterungsbeständiger als solche aus Zement. Moderne Betons enthalten häufig Zusatzstoffe, die gezielt bestimmte Eigenschaften beeinflussen wie ein schnelleres Abbinden oder die Fließgeschwindigkeit beim Gießen. Noch recht jung ist der selbstverdichtende Beton, der beim Abbinden durch die Schwerkraft entlüftet und freitragende Konstruktionen ermöglicht. Für die Kuppel des Pantheons wurden nach oben hin immer leichtere Zuschlagstoffe verwendet. Da sie vulkanischen Ursprungs waren, die Puzzolane also ausgeglüht waren, kann man von Beton sprechen.

Zement  S. 212

215

Beton

Vielerorts werden Brücken und Industriebauten abgerissen und erneuert. Laut der Fraunhofer-Gesellschaft fielen im Jahr 2010 rund 130 Millionen Tonnen Beton bei Abbrüchen an, die zerschreddert und als Unterbau von Straßen verwendet werden können. Um die Baustoffe qualitativ hochwertig wiederzuverwerten, müsste man Bindemittel und Zuschlagstoffe trennen. Ein mögliches Verfahren hierfür könnte die sogenannte elektrodynamische Fragmentierung sein, bei der im Versuchslabor ein künstlich erzeugter Blitz in den Beton einschlägt. Der Blitz sucht sich einen Weg entlang der Grenzen zwischen Zuschlagstoffen und Zement. Das schwächt das Material mechanisch und die Druckwelle des Blitzes zerbricht das Gefüge. Das Wissenschaftsmuseum „phæno“ in Wolfsburg wurde aus selbstverdichtendem Beton gebaut.

Da die Zugfestigkeit von Beton begrenzt ist, wird etwa bei Brückenpfeilern ein Stahlgerüst von Beton umschlossen. Der Beton trägt das Gewicht des Bauwerks, fängt also den Druck ab, während das Stahlgerüst Zugspannungen ableitet.

Wieso überhaupt dieses Recycling? Es mag absurd klingen, doch geeigneter Sand wird knapp, denn Wüstensand eignet sich aufgrund seiner Körnung nicht. Ein Betonklumpen und die einzelnen Bestandteile, nach der Zerlegung durch einen elektrischen Blitz

Diese Stahl-Beton-Konstruktion macht Hochstraßen und Autobahnbrücken sehr stabil, jedoch sind sie – nicht nur der verbaute Stahl – durch Korrosion gefährdet. Der pH-Wert von Regenwasser liegt leicht unterhalb des neutralen Bereichs, zwischen pH 5 und 6. Je saurer der Regen ist, desto leichter greift er den Beton an. Das Bindemittel Zement beginnt dann zu leicht löslichen Salzen zu zerfallen. Bilden sich Sulfate und kristallisieren in den Poren des Betons, nimmt ihr Volumen ein Mehrfaches an Raum ein und durch den entstehenden Druck kann die Oberfläche des Bauteils aufplatzen.

Foto oben mit freundlicher Genehmigung von Klemens Ortmeyer Foto rechts unten mit freundlicher Genehmigung des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP Korrosion  S. 258

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6 Chemie in der Menschheitsgeschichte

Metalle unserer Vorfahren Wie Ötzi zu seinem Kupferbeil kam

Eines der ersten Metalle, das unsere Vorfahren bereits vor mindestens 6000 Jahren zu nutzen begannen, dürfte Gold gewesen sein. Es ist zwar selten, aber da es sich um ein sehr edles und damit reaktionsträges Metall handelt, findet man es in gediegener metallischer Form direkt in der Natur. Mit seinem gelben Glanz und seiner Beständigkeit fasziniert es uns bis heute.

zeug! Die knapp 10 cm lange Klinge war mit Birkenpech und Lederriemen an einem Schaft aus Eibenholz befestigt. Birkenpech gehört zu den ersten Klebstoffen der Menschheit. Man gewinnt es durch Verschwelung (Pyrolyse) aus Birkenrinde.

Ein anderes Metall, dessen Nutzung bereits vor über 8000 Jahren gelang, ist Kupfer. Das Wissen über die Kupfergewinnung hatte seinen Ursprung in Vorderasien und gelangte im Lauf der Zeit auch nach Europa. Die berühmte Gletschermumie „Ötzi“, die man im Jahr 1991 in den Ötztaler Alpen in Südtirol fand, trug ein Beil mit einer Kupferklinge bei sich – ein zu seinen Lebzeiten vor rund 5250 Jahren sehr wertvolles Werk-

Woher stammte das Kupfer in Ötzis Beil? Manchmal kann man Rekonstruktion des Kupfer in gediegener Form finetwa 60 cm den, doch meist ist es in Form langen Kupferverschiedener Minerale (Erze) beils von Ötzi chemisch gebunden und muss erst freigesetzt werden. Man kann dazu beispielsweise Malachit oder Azurit (beides Kupfercarbonate) in einem Tiegel oder Ofen mit Holzkohle mischen und die Kohle entzünden. In der Hitze entweicht das CO2 des Carbonats und Kupferoxid ent-

Die Shwedagon-Pagode in Myanmar wurde im Lauf der Jahrhunderte reich mit Gold verziert.

Feinkristalliner blauer Azurit (2 CuCO3t$V 0) 2) und grüner Malachit (CuCO3t$V 0) 2). Man findet diese Minerale oft miteinander verwachsen, da sich Azurit unter Wasseraufnahme in Malachit umwandelt.

L. Loges Kupfer für die alte Welt Spektrum der Wissenschaft, April 2015, S. 66 Wikipedia Metallurgie http://oetzi.com/de/kupferbeil

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Metalle unserer Vorfahren

Bronze kennen. Bronze wird seit etwa 5000 Jahren zur Herstellung von Waffen, Werkzeugen oder Kunstgegenständen verwendet.

Die riesige aus Bronze gegossene Buddha-Statue im Tōdai-ji-Tempel in der japanischen Stadt Nara wurde im Jahr 751 fertiggestellt. Mit einer Höhe von 15 Metern (ohne Sockel) ist sie die größte buddhistische Bronzestatue der Welt.

Der älteste bisher entdeckte Schmelzofen stammt aus der Bronzezeit und wurde auf Kreta im Palast von Kato Zakros (minoische Kultur) ausgegraben.

steht. Dann verbindet sich der Kohlenstoff bzw. das durch unvollständige Verbrennung daraus entstehende Kohlenmonoxid (CO) mit dem Sauerstoff des Kupferoxids, sodass das metallische Kupfer übrig bleibt. Sulfidische Erze wie Kupferglanz (Cu2S) kann man ebenfalls nutzen, muss sie aber zuvor rösten, damit sich der darin gebundene Schwefel in Form von Schwefeldioxid verflüchtigt und das benötigte Kupferoxid entsteht. Im Lauf der Zeit wurden die Öfen weiter verbessert, sodass immer höhere Temperaturen erreicht werden konnten. Ab 1085 °C schmilzt Kupfer schließlich und lässt sich in passende Formen gießen – man war also nicht mehr alleine auf die Schmiedekunst angewiesen. Auch Ötzis Kupferklinge wurde so gegossen. Kupfer selbst ist als Werkzeug oder Waffe allerdings nur begrenzt geeignet, da es relativ weich ist. Deutlich härter wird es, wenn man es mit etwa 10–20 % Zinn zu einer Legierung verarbeitet, die wir als

Noch besser geeignet als Bronze ist Eisen. Es ist aber gar nicht so einfach, mit glühender Kohle dem Eisenerz seinen Sauerstoff zu entziehen und brauchbares Eisen herzustellen, denn dafür sind hohe Temperaturen erforderlich – Eisen schmilzt erst bei 1538 °C. Man braucht also gute Öfen mit effektivem Kamin und stetiger Luftzufuhr (Blasebalg). Ab etwa 1200 v. Chr. begann Eisen langsam die Bronze zu verdrängen. In großem Stil erfolgte die Erzeugung von Eisen erst mit dem Beginn der industriellen Revolution vor gut 200 Jahren. Heutzutage erzeugt ein moderner Hochofen problemlos mehrere Tausend Tonnen Roheisen pro Tag. Mittelalterlicher Rennofen zur Eisenherstellung

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6 Chemie in der Menschheitsgeschichte

Alkoholische Gärung Hefe unter Atemnot

Bierbrauer (Holzschnitt von 1568)

Unserer Vorfahren entdeckten schon vor sehr langer Zeit, wie man alkoholische Getränke herstellt. Vermutlich merkten sie zufällig, wie Traubensaft oder Getreidebrei zu gären begannen, wenn man sie einige Tage stehen ließ – der Schritt zu Wein oder Bier war dann nicht mehr weit. Auch andere zuckerhaltige Ausgangsstoffe wie beispielsweise Honig lassen sich so vergären. Da Alkohol Bakterien abtötet, waren die entstandenen alkoholhaltigen Getränke oft bekömmlicher als das meist verunreinigte Wasser.

Erst Mitte des 19. Jahrhunderts fand man heraus, was bei der alkoholischen Gärung eigentlich vor sich geht: Winzige Hefezellen wandeln Zucker zu Alkohol (Ethanol) und Kohlendioxid um, wenn ihnen kein Sauerstoff zur Verfügung steht, um den Zucker vollständig zu Kohlendioxid und Wasser zu oxidieren. Solche Hefezellen sitzen ganz natürlich auf den Oberflächen von Trauben oder Getreidekörnern, werden aber heute auch künstlich zugesetzt, um die Gärung zu beschleunigen. Frische Weintrauben (links) und gärende Trauben bei der Weinherstellung (rechts).

In Summe kann man die alkoholische Gärung durch die folgende Reaktionsgleichung beschreiben: C6H12O6 o 2 C2H5OH + 2 CO2 Aus einem Traubenzuckermolekül entstehen also je zwei Moleküle Ethanol und Kohlendioxid, wobei Energie frei wird, mit der die Hefen ihre Lebensvorgänge in Gang halten – ganz ohne Sauerstoff. Im Detail ist dieser Prozess natürlich wesentlich komplizierter. Der erste Schritt ist die Glykolyse (), in der die Hefezellen in mehreren Einzelschritten das Traubenzuckermolekül in zwei Pyruvatmoleküle (CH3−CO−COO−, Anionen der Brenztraubensäure) zerlegen. Die frei werdende Energie wird zur Erzeugung von zwei Molekülen ATP (Adenosintriphosphat) genutzt, mit denen Bäckerhefe unter dem Mikroskop

Glykolyse  S. 150 O. Fritsche Biologie für Einsteiger: Prinzipien des Lebens verstehen 2. Aufl. Springer Spektrum 2015

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Alkoholische Gärung

H H H

C

O

Pyruvatdecarboxylase

C

H H H

C

O

Alkoholdehydrogenase

H

O

O–

Pyruvat

Acetaldehyd H+

CO2

die Zelle ihren Energiebedarf deckt. Außerdem werden Wasserstoffatome auf das universelle Trägermolekül NAD+ (Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid) geladen:

H

C

O

H

H C H

C

C

H H

Ethanol NADH, H+

NAD+

NAD+ + 2 Ho NADH + H+

weitere energiereiche ATP-Moleküle gewinnen. Zudem wäre das NADH seinen Wasserstoff wieder los und könnte als NAD+ erneut in der Glykolyse eingesetzt werden, denn NAD+ ist ein knappes Gut in der Zelle.

So weit, so gut, könnte man denken, doch nun hat die Zelle ein Problem: Wäre Sauerstoff vorhanden, so könnte sie den im NADH zwischengespeicherten Wasserstoff über die Atmungskette () in Wasser umwandeln und dabei viele

Ohne Sauerstoff muss die Zelle dafür einen anderen Weg finden. Hefezellen nutzen die folgende Methode: Sie spalten unter Aufnahme eines Protons die COOGruppe des Pyruvats als CO2 ab und übertragen anschließend zwei Wasserstoffatome vom NADH/H+ auf den entstandenen giftigen Acetaldehyd, sodass Ethanol entsteht. Den Alkohol entlassen sie dann zur Freude aller Bierliebhaber und Weinkenner in die Umgebung. Na dann – Prost!

NAD+ kann zwei Wasserstoffatome aufnehmen und wird so unter Abgabe eines Protons zu NADH. Alternativ kann man sich diesen Vorgang auch als Aufnahme zweier Elektronen und eines Protons vorstellen. Auch der umgekehrte Vorgang ist möglich. Zellen benutzen dieses Molekül daher bei vielen Abbauprozessen als universellen Elektronen- bzw. Wasserstoffträger, wobei das Augenmerk meist auf den Elektronen liegt, denn in der wässrigen Zellflüssigkeit können sowieso jederzeit nach Bedarf Protonen aufgenommen und abgegeben werden.

Die Atmungskette  S. 156

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6 Chemie in der Menschheitsgeschichte

Vom Alkohol zum Essig Wenn Wein sauer wird

Genau wie die Herstellung von Alkohol ist auch die Erzeugung von Essig unseren Vorfahren schon seit Jahrtausenden bekannt – kein Wunder, denn beides hängt eng miteinander zusammen: Überlässt man zuckerhaltige Flüssigkeiten ohne Sauerstoffzufuhr sich selbst, so wandeln einzellige Hefepilze den Zucker in Alkohol (Ethanol) um. Wenn man dann den Deckel abnimmt und Sauerstoff hineinlässt, so oxidieren Essigsäurebakterien den Alkohol weiter zu Essigsäure. Lässt man also Wein oder Bier offen an der Luft stehen, so werden sie sauer. Essigsäure ist als milde organische Säure schon seit Jahrtausenden ein sehr nützlicher Stoff: Man kann mit ihr nicht nur Speisen verfeinern, sondern auch Lebensmittel für lange Zeit haltbar machen, indem man sie Traditionelle Essigherstellung, Kupferstich von 1698

„sauer einlegt“. Verdünntes Essigwasser war bei den Römern in der Antike ein beliebtes Getränk – sie nannten es Posca. Oft wurde das mit Keimen belastete Wasser durch den antibakteriell wirkenden Essig so erst genießbar. Wie verbreitet Posca damals war, zeigt auch die Bibel: Als Jesus am Kreuz hing, reichte ihm ein Soldat einen damit getränkten Schwamm. In Summe sieht die Umwandlung von Alkohol zu Essigsäure recht einfach aus: C2H5OH + O2 o CH3COOH + H2O Dabei geschieht in den Bakterien im Detail Folgendes: Zunächst werden von einem Alkohol-DehydrogenaseEnzym zwei Wasserstoffatome vom Ethanol abgespalten und auf Trägermoleküle wie NAD+ übertragen. Das entspricht dem letzten Schritt bei der Vergärung von Zucker zu Ethanol – nur eben umgekehrt.

  Essig ist auch heute noch ein beliebtes Würzund Konservierungsmittel

Die biochemischen Hintergründe der Essiggärung http://www.chemieunterricht.de/dc2/essig/hac-17.htm

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Vom Alkohol zum Essig

H H H

C

O

H

Alkoholdehydrogenase

H H H

C

2H

H

C

O C

O

Acetaldehyd

Wenn unsere Leber nach einigen Gläsern Wein damit beschäftigt ist, den Alkohol wieder loszuwerden, läuft im Wesentlichen derselbe Prozess ab. Damit die entstehende Essigsäure keinen Schaden anrichtet, wird sie an ein Hilfsmolekül (Coenzym A) angebunden und als Acetyl-CoA in den Citratzyklus () eingeschleust, wo sie komplett zu Kohlendioxid und Wasser oxidiert wird.

Der Citratzyklus  S. 154

H H

H

Der entstehende Acetaldehyd ist giftig und muss sofort weiterverarbeitet werden. Dazu wird vom Enzym Aldehyd-Dehydrogenase ein Wassermolekül angefügt, anschließend werden zwei weitere Wasserstoffatome auf Trägermoleküle übertragen. Das Ergebnis ist Essigsäure.

Monomer einer Aldehyd-Dehydrogenase, die in ihrem aktiven Zentrum das Wasserstoffträgermolekül NAD+ binden kann.

Aldehyddehydrogenase

C

H C H

Ethanol

O

H2O

2H

H

Essigsäure

Auch manche Essigsäurebakterien sind dazu in der Lage, wenn genug Sauerstoff vorhanden ist. Aber nicht alle diese Bakterien besitzen die dafür notwendigen Enzyme – sie bleiben bei der Oxidation von Alkohol beim Essig hängen. Wenn eines der beiden Enzyme, die wir Menschen für den Abbau von Alkohol zu Essigsäure brauchen, nicht ausreichend vorhanden oder fehlerhaft ist, so vertragen wir Alkohol nur noch schlecht. Viele Bewohner Asiens sind beispielsweise davon betroffen. Vielleicht vertragen wir Europäer deshalb Alkohol besser als viele andere Völker, weil alkoholische Getränke in unserer Geschichte eine größere Rolle gespielt haben. Wasser war oft stark verkeimt – da war Bier die bessere Alternative. In Asien hat dagegen heißer Tee eine lange Tradition. Einen bestimmten Alkohol sollten ausnahmslos alle Menschen meiden: Methanol (CH3OH). Die obigen Enzyme machen daraus nämlich Formaldehyd und anschließend Ameisensäure, die beide sehr giftig sind. Also: Auch beim Alkoholkonsum sollte man wählerisch sein und nicht jedem Fusel zweifelhafter Herkunft blind vertrauen!

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Jagdgifte

Frösche und Pflanzen als Giftlieferanten Ganz gleich, ob mit Pfeil und Bogen oder mit einem Blasrohrpfeil gejagt wird, die verwendeten Gifte sollen das Beutetier lähmen, aber nicht das Fleisch ungenießbar machen. Mithin handelt es sich hier also um tradiertes pharmakologisches Wissen – die richtige Dosis zu kennen und die Wirkung einschätzen zu können. In Südamerika ist Curare legendär. Im Stromgebiet des Orinoko und Amazonas setzen Indianer dieses Pfeilgift für die Jagd mit dem Blasrohr ein. Das Gift gewinnen sie aus der Rinde und den Blättern verschiedener Lianen (vor allem Strychnos-Arten oder dem Behaarten Knorpelbaum, Chondrodendron tomentosum) gewinnen. Curare lähmt die Atemmuskulatur und kann zum Tod durch Atemstillstand führen. Der Forschungsreisende Alexander von Humboldt (1769-1859) beschrieb, wie die Ureinwohner Amerikas die Rinde zerstoßen und den Pflanzensaft abfiltrieren. Diesen dicken sie durch sanftes Erwärmen in Tongefäßen unter ständigem Rühren ein und verpacken die Paste oder den Sirup in Bambusröhren oder Flaschenkürbissen. Die Pfeilspitzen werden dann in diese noch warme Masse getaucht.

Curare enthält unter anderem verschiedene Alkaloide (), die schon in kleinsten Mengen wirken. Sie besetzen die Rezeptoren des Botenstoffs () Acetylcholin, die vor allem dort zu finden sind, wo Nervenzellen Signale auf Muskelzellen übertragen. Allerdings aktivieren sie dabei nicht die nachgeschaltete Zelle und greifen so in die Chemie der Nerven ein, welche die willkürlich beweglichen Muskeln steuern, also in Beinen, Armen, am Kopf und Zwerchfell. Die Muskeln erschlaffen und bei noch schlagendem Herzen tritt der Tod ein. Weil Curare vom Magen-DarmTrakt nicht gut aufgenommen wird, bleibt das Fleisch essbar. Deswegen ist es ideal, das Gift mit einer Pfeilspitze in die Blutbahn einzubringen. Zur Pflanzengattung Strychnos zählt auch die Gewöhnliche Brechnuss, die Strychnin enthält, früher ein verbreitetes Rattengift und beliebte Zutat in vielen Krimis. Das Nervengift lähmt die Muskulatur, verursacht Atemnot und Muskelzittern. Die Rinde, Früchte und Blätter der Gewöhnlichen Brechnuss (Strychnos nux-vomica) enthalten Strychnin.

Alkaloide  S. 182 L. Roth, M. Daunderer, K. Kormann Giftpflanzen – Pflanzengifte 4. Aufl. Ecomed Verlagsgesellschaft AG & Co. KG, Landsberg 1994 J. Soentgen, K. Hilbert Präkolumbianische Chemie Chemie in unserer Zeit (5) 2012, 322–334

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Jagdgifte

O O N

HO

O HO

NH

O

H

Struktur von Batrachotoxin, einem hochwirksamen Alkaloid im Pfeilgift Curare

Die Vergiftungserscheinung wird als Rückenmarkskonvulsion beschrieben, kurzum Krampfanfälle bei vollem Bewusstsein. Normalerweise führt ein Auslösereiz zur Aktivierung der Muskeln – entweder der Beuge- oder der Streckmuskel wird aktiviert, der andere gehemmt. Hier greift Strychnin ein: Es hebt die Hemmung des anderen Muskels auf, wodurch beide Muskeln kontrahieren. Die unkontrollierte Bewegung führt zum Krampf. Erste Symptome treten ungefähr eine halbe Stunde nach der Aufnahme des Giftes über die Schleimhäute auf. Auch Tiere werden als Quelle für Jagdgifte genutzt. Danach benannt sind die Pfeilgiftfrösche. Sie kommen in Mittelund Südamerika vor und sondern über ihre Haut Batrachotoxin ab. Dieser Pfeilgiftfrosch trägt den Namen Schrecklicher Blattsteiger (Phyllobates terribilis). Seine Haut ist mit giftigem Schleim überzogen.

Boten im Nervensystem  S. 190

Wieso überziehen sich Pfeilgiftfrösche mit einem giftigen Schleim? Dies ist ein einfacher und wirksamer Schutz vor Fressfeinden. Das im Giftschleim enthaltene Alkaloid Batrachotoxin öffnet Natriumkanäle in Membranen von Nervenzellen und ist ein sogenanntes Krampfgift. Innerhalb von zwanzig Minuten kann der Tod durch Atemlähmung eintreten. Man nimmt an, dass die Frösche mit der Nahrung aufgenommene Alkaloide anreichern. Beim Schrecklichen Blattsteiger (Phyllobates terribilis) reicht es schon, mit der Pfeilspitze über die Haut zu streichen, um sie ausreichend mit Sekret für die Jagd zu benetzen. Daneben gibt es lokal viele weitere Rezepturen für die Jagd mit Schlangengiften, Giften aus Käfern, Wolfsmilchgewächsen und Lilien.

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6 Chemie in der Menschheitsgeschichte

Gerben

Wie aus Haut Leder wird Wenn Höhlenmenschen dargestellt werden, sind sie oft in wärmende Felle gehüllt und in Leder gekleidet. Auch heute noch sind Schuhe, Taschen, Jacken und Möbel aus Leder beliebt. Die Häute dafür werden beim Schlachten von Rindern, Schafen oder Ziegen gewonnen. Sie bestehen zu etwa 30 % aus Kollagen, einem hochvernetzten Protein (). Durch den Prozess des Gerbens wird die Haut, die viel Feuchtigkeit enthält, zu Leder, das vor Nässe schützt. Im fertigen Leder macht Kollagen 70 % der Trockenmasse aus. Ganz typisch für Kollagen sind Abschnitte mit einer Tripelhelixstruktur mit einem hohen Anteil der Aminosäure Hydroxyprolin. In einer Tripelhelix sind drei Proteinstränge zu einer Schraube gewunden; untereinander bilden sie Schwefelbrücken und Wasserstoffbrücken aus. Diese Molekülstränge lagern sich zu Fasern zusammen, die wiederum ein Netzwerk mit Poren und Kapillaren bilden. Diese sind fest und zugleich dehnbar, weich und lassen Wasserdampf sowie Luft hindurch. Die große innere Oberfläche bietet viel Raum für Drei Proteinstränge Reaktionen. winden sich wie eine Schraube: die KollagenTripelhelix.

Proteine  S. 178

Trocknet Kollagen ungegerbt, ist es spröde und hart. Das Gerben verhindert das Verkleben der Fasern beim Trocknen. Es klingt wie ein Widerspruch: Indem die gegerbte Faser versteift, bleibt das Netzwerk weich. Ähnlich wie bei einem Kettenhemd bleiben die Fasern beweglich, wohingegen sie sich sonst aneinanderlagern würden. Gerber sprechen vom Kollabieren – die nötige Distanz zwischen den Fasern würde fehlen. Bevor es ans Gerben geht, werden die Häute in der Wasserwerkstatt in mehreren Schritten vorbereitet. Im Wesentlichen lässt der Gerber Natriumsulfid einwirken und entfernt so die Haare und die oberste Hautschicht, die Epidermis. Das Unterhautbindegewebe, auch Leimleder genannt, wird mechanisch entfernt. Die Kollagenfasern bilden Bündel und vernetzen sich.

225

Gerben

den Gerbstoffen handelt es sich chemisch gesehen um Polyphenole, die sich über die OH-Gruppen am Benzolring mit den Kollagenfasern verbinden und so zusätzlich vernetzen. In dieser Lohgerberei entstanden grobe Leder für Stiefel, Taschen und Sättel.

Gerberei in Fès, Marokko. Die Häute können bei den einzelnen Arbeitsschritten mehrere Tage im Bottich bleiben.

Nun wird das Gewebe gelockert, damit die Gerbstoffe gut eindringen und die Proteine erreichen. Dabei werden die nicht-kollagenen Bestandteile herausgelöst. Dies geschieht zunächst durch Einweichen in wässriger Kalklösung. Moderne Verfahren beschleunigen die Prozesse mit Enzymen und Tensiden. Das eigentliche Gerben erfolgt in zwei Schritten. Im ersten Schritt wird das Wasser wieder entfernt, im zweiten Schritt wirkt der Gerbstoff auf das Kollagen ein, reagiert mit ihm und fixiert es so. Den Abschluss bilden das Färben und Fetten. Frühgeschichtlich wurde Leder weich gekaut und eingefettet: Das Wasser wurde mechanisch herausgepresst und Fett verhinderte das Härten. Später wurde Baumrinde, vor allem von Fichte, Eiche oder Kastanie, ausgelaugt und dieser Auszug zum Gerben verwendet. Bei

Dünnere Leder wie die Häute von Kälbern und Ziegen wurden in der Sämischgerberei mit Fetten gegerbt oder in der Weißgerberei mit Alaun. Bei Alaun handelt es sich um gemischte Salze von Aluminium- und Kaliumsulfat. Beim Gerben hellt Alaun die Häute auf, daher rührt der Name Weißgerberei.

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist in der industriellen Lederherstellung die Chromgerberei üblich. Bei der Chromgerbung wird Chromsulfat (Cr2(SO4)3) eingesetzt. Dabei verknüpfen sich die Chromkationen mit den Kollagenfasern und stärken so das Netzwerk. Für chromfreie Leder wird mit Glutaraldehyd (C5H8O2) vorgegerbt. Diese Verbindung ist durch die Aldehydgruppen (CHO) an beiden Enden sehr reaktiv und vernetzt.

Struktur von Glutaraldehyd. Die Carbonylgruppen an den Enden machen das Molekül zum Vernetzer.

Foto oben mit freundlicher Genehmigung von Hugo Koroschetz, Graz

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6 Chemie in der Menschheitsgeschichte

Seifen

Was die Germanen den Römern voraus hatten Wie sich Seife herstellen lässt, hielten die Sumerer bereits etwa 2200 v. Chr. in Keilschrifttafeln fest. Sie stellten aus Öl und Pflanzenasche Seife für die Behandlung von Hautkrankheiten her. Für das tägliche Reinigen war diese Seife viel zu kostbar. Bedeutend für die Chemie ist, dass die Schrifttafeln eine chemische Reaktion beschreiben: Die Verseifung. Der griechische Forschungsreisende Poseidonios (135– 51 v. Chr.) beschrieb den Gebrauch von Seifen bei den Germanen: Sie hellten damit ihre Haare auf. Die schäumenden Kessel in seinen Reiseberichten standen wahrscheinlich Pate für den Kessel des Druiden in Asterix und Obelix. Die Römer und Griechen hingegen ölten sich ein und kratzten dann den gebundenen Staub und Schweiß ab. Seife wurde alsbald von Kelten und Galliern gehandelt – allerdings wohl hauptsächlich zu kosmetischen Zwecken, noch nicht zumReinigen. Olivenöl ist ein hochwertiges Fett für Handseifen.

Allem Anschein nach geriet die Seifensiederei dann wieder in Vergessenheit. Die nächste Popularitätswelle begann im 7. Jahrhundert vom Nahen Osten aus. Ihre moderne Bedeutung für die tägliche Pflege und Hygiene erlangte Seife erst im 17. Jahrhundert, ausgehend von Frankreich. Mit den Seifenfabriken in Marseille, Lyon und Toulon wurde Seife als Reinigungsmittel populär. Reinheitsgebote führten zu einer gleichbleibenden Qualität, Duftöle machten sie salonfähig. Die Herkunft des Fetts zur Seifenproduktion war ursprünglich gleichgültig. Neben aus Pflanzen gewonnenen Ölen verwerteten Seifensieder minderwertige tierische Fette () wie Schmalz, Talg und aus Knochen ausgekochtes Fett. Der französische König Ludwig XVI. forderte, dass mindestens 72 % Öl zu verarbeiten seien. Praktischerweise war Olivenöl im Mittelmeerraum reichlich zugänglich.

Talg ist festes Körperfett und wird beim Schlachten gewonnen; er bildete die Grundlage für Salben und Seife oder Schmierfett für Takelage in der Seefahrt. Hier sieht man Talg, das die Niere eines Kalbs umgab.

Zur Herstellung von Seife werden Fette mit alkalischen Lösungen erhitzt. Fette bestehen aus Fettsäuren, die sich mit dem dreifachen Alkohol Glycerin (C3H5(OH)3) verbunden haben, also verestert sind. Diese Veresterung löst sich bei der Verseifung wieder auf und die Fettsäuren reagieren mit dem Metallkation aus der Lösung zu einem Salz. Der dreifache Alkohol wird wieder frei. Chemisch gesehen handelt es sich bei der Verseifung also um eine alkalische Hydrolyse.

Fette  S. 174 J. Soentgen Wie man mit dem Feuer philosophiert Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2015

227

Seifen

H2C

COO

(CH2)a

CH3 + OH–

H2C

OH +

COO

(CH2)a

CH3

Verseifungsreaktion

Historisch war Soda ein wichtiger Faktor auf dem Weg zu industrieller SeiH2C OH + COO (CH2)c CH3 H2C COO (CH2)c CH3 + OH– fe, denn sie ersetzte die aus Pottasche gewonnene Fett Glycerin Seifen-Anionen Kalilauge. Es handelt sich Alkalische Lösungen werden auch als Lauge bezeich- dabei um Natriumcarbonat (Na2CO3), das Natriumnet. Unter dem Begriff Alkalien fasst man Stoffe zu- salz der Kohlensäure (H2CO3), von dem es große Lasammen, die aus Pflanzenasche gewonnen werden. gerstätten gibt. Soda löst sich leicht in Wasser auf und Daher stammt auch der Name Pottasche für Kalium- bildet dann Natriumhydrogencarbonat (NaHCO3). carbonat (K2CO3). Als Nebenprodukt entsteht Natronlauge. So reagiert Soda mit Wasser zu einer Lösung, die einen pH-Wert Bei der Verwendung von Kalilauge (KOH) entsteht von 11,3 hat. Damit lieferte Soda eine wichtige Base. zunächst eine pastöse Seife, die als Rohprodukt für Schmierseife dient. Kocht man diese mit Wasser auf Na2CO3 + H2O o NaHCO3 + NaOH und gibt Natriumchlorid hinzu, bildet sich an der Oberfläche eine feste Schicht aus Kernseife: Die Na- Seit dem 18. Jahrhundert wird Soda industriell aus Nattriumsalze der Fettsäuren lösen sich schlechter und riumchlorid gewonnen und erlaubt eine Seifenprodukscheiden sich ab. tion im großen Maßstab. H

C

COO

(CH2)b

CH3 + OH–

Verseifung

H

C

Im ruhenden Vulkan Emi Koussi im Tschad lagerte sich Soda ab. Auch in einigen Seen ist es in hohen Konzentrationen enthalten und war so als natürlicher Rohstoff verfügbar.

OH +

COO

(CH2)b

CH3

Hand- und Rasierseifen setzten sich erst im 19. Jahrhundert in der täglichen Hygiene durch.

228

6 Chemie in der Menschheitsgeschichte

Naturmedizin

Arzneien aus Wäldern und Wildtieren Unsere Vorfahren gingen nicht nur zur Nahrungsbeschaffung mit Giften auf die Jagd, sie jagten auch nach Naturstoffen. Schon früh wuchs das Wissen um heilende Pflanzen und auch Produkte aus Tieren. Eine große Rolle spielte dabei der Glaube an Magie, manches jedoch versuchen Chemiker und Pharmazeuten heute noch zu entschlüsseln. Insbesondere Klöster pflegten das Wissen um Heilpflanzen. Mit dem Zeitalter der Kolonisation wuchs auch die Gefahr durch bis dato unbekannte und importierte Krankheiten. Bei der Suche nach Arzneien am Ort des ursprünglichen Krankheitsherds halfen oft Ureinwohner mit ihrem traditionellen Wissen.

Heilpflanzen im Garten des Klosters Murbach im Elsass

Die Chinarinde war seit Beginn des 17. Jahrhunderts in der westlichen Welt das einzig wirksame Mittel gegen Malaria, die mit hohem Fieber und Zerstörung der roten Blutkörperchen einhergeht. Noch heute sterben an Malaria weltweit rund eine Million Menschen nach Stichen von Mücken, die den Malaria verursachenden Parasiten in sich tragen. Allerdings wussten die Europäer nicht, welche Arten der Chinarindenbäume (Cinchona spec.) tatsächlich viel Wirkstoff enthielt. Denn nicht alle Arten dieser Gattung produzieren große Mengen des Alkaloids Chinin.

Die Rinde des Chinarindenbaums wurde jahrhundertelang in Form eines Pulvers gegen Malaria verabreicht.

Gegen Malaria wurde pulverisierte Rinde verwendet. Versuche, den wirksamen Stoff in reiner Form zu gewinnen, um ihn dosieren zu können, führten zur ersten Isolierung durch französische Apotheker im Jahr 1820. Das Mittel war so begehrt, dass im 19. Jahrhundert Setzlinge und Samen des Baums aus Südamerika einge-

229

Naturmedizin

Im Mittelalter behandelte man damit Fieber, Schmerzen, Rheuma, auch Blindheit und Epilepsie. 1976 wurde das Sekret untersucht und es wurden 14 Alkaloide daraus isoliert. Eine dieser Verbindungen wirkt im Körper ähnlich wie das Hormon Oxytocin, das während der Geburt ausgeschüttet wird. Das spricht dafür, dass die gynäkologischen Beschwerden tatsächlich mit einem probaten Mittel behandelt wurden.

Der Biber wurde in Europa fast ausgerottet: Sein Fell ist dicht, sein Fleisch essbar und auch sein Fellpflege-Sekret war als Arznei begehrt. Hier sieht man ein Exemplar der amerikanschen Art.

schmuggelt wurden. Erst 1908 wurde die Struktur von Chinin aufgeklärt und damit ein weiterer Schritt getan, um das Medikament etwa 40 Jahre später synthetisch herzustellen. In den 1940er-Jahren kamen andere, synthetisch hergestellte Malariamittel auf den Markt, die den Naturstoff vorübergehend ablösten. In Asien entwickelte sich ebenfalls schon früh eine eigene Heilkunde. Eine Gruppe von Alkaloiden (), die aus Teichrosen gewonnen werden, die Nuphar-Alkaloide, zählen zu der traditionellen Medizin. Aus einer anderen Quelle stammend waren diese Stoffe auch in Europa schon zur Zeit der Antike in der Geburtshilfe bekannt. Hier nannte man sie Castoreum, zu Deutsch Bibergeil. Biber produzieren in Drüsensäcken nahe am After ein Sekret. Sie verteilen das Sekret auf ihrem Fell, sodass es gut trocknet, und markieren damit ihr Revier. Aus den getrockneten Drüsensäcken wurde Castoreum gewonnen.

Alkaloide  S. 182

„Welches Medikament kam als Erstes klinisch getestet im Jahr 1899 auf den Markt?“, so könnte eine Quizfrage lauten. Die Erfolgsgeschichte von Aspirin® dauert schon fast 120 Jahre an. Der Name leitet sich vom Trivialnamen Spirsäure der Grundstruktur Salicylsäure ab, das A steht für die Acetylgruppe. Diese Gruppe macht das Medikament verträglicher, aber auch die Salicylsäure wirkt bereits gegen Kopfschmerzen, Fieber und Schwellungen. Schon die Ägypter und Hippokrates nahmen einen Auszug aus der Rinde von Weiden oder auch Spiersträuchern wie Mädesüß ein. Chemiker suchten im 19. Jahrhundert intensiv nach der wirksamen Substanz des Extrakts. Isoliert wurde Salicylsäure im Jahr 1828. Mit der ersten Synthese von 1874 begann man, davon Verbindungen abzuleiten, die weniger bitter schmecken und die Schleimhäute von Mund und Magen weniger reizen. So wurde 1899 mit Acetylsalicylsäure der erste pharmazeutische Blockbuster auf den Markt gebracht.

Struktur von Salicylsäure und Acetylsalicylsäure

230

6 Chemie in der Menschheitsgeschichte

Naturfarben und -lacke Ausdrucksmittel und Handwerk

Mit den ersten uns bekannten Farben wurden die berühmten Höhlenmalereien angefertigt. Kohle färbte schwarz, Pflanzenfarbstoffe ergaben Rottöne, Pigmente aus Mineralien oder Kreide ergänzten Weiß. Später kamen weitere Farbstoffe hinzu: Das rötliche Henna wird aus getrockneten und dann zermahlenen Blättern des Hennastrauchs gewonnen. Das mit Wasser angerührte Farbpulver diente schon im Altertum im Vorderen Orient zu rituellen Körperbemalungen. Die Farbe Blau erfuhr kulturell eine unterschiedliche Bewertung. Für die Römer war sie die leidige Farbe der Barbaren. Die Kelten kannten Blau aus der Pflanze Färberwaid, die Perser als zerstoßenes Mineral, den Lapislazuli (Kristallfarben ). Kelten und Germanen färbten ihre Gewänder blau und bei Schlachten auch ihre Gesichter. Die Römer hatten keinen Zugang zu Färberwaid. Sie unterhielten jedoch Beziehungen nach Asien, wo man Färberwaid (Isatis tinctoria), der im zweiten Standjahr blüht. Zum Blaufärben werden die Blattrosetten des Kreuzblüters im ersten Jahr geerntet.

Verzierung von Lackwaren in einer Fabrik in Myanmar

mit Blättern des Indigostrauchs färbte. Die Römer nannten dieses Blau indicum („aus Indien kommend“). Sie verwendeten das Pigment nur in der Buchmalerei. Zum Färben der Kleider hatte es keine Bedeutung, ebenso wenig wie Gelb oder Grün.

Schon zu Zeiten der Römer wurden Lacke in Asien seit Tausenden von Jahren aus dem Lackbaum oder Lacksumach gewonnen. In China wurden Oberflächen bereits vor 4000 Jahren mit Lack aus Latex veredelt. Typisch sind noch bis heute Schalen mit Deckel in Myanmar.

Indigopulver in einem Kübel

Zur Latexgewinnung wird die Baumrinde angeschnitten und der Baumsaft (Latex) gesammelt: eine zähe, weiß-gräuliche Flüssigkeit, die mit Luftsauerstoff schnell dunkel wird. Zum Lagern wird Wasser darüber geschichtet, sodass keine Luft an den flüssigen Lack gelangt. Dünn aufgetragen, trocknet der Lack schnell und ist dann wasserfest und wärmebeständig.

Kristallfarben  S. 232 Farbstoffe  S. 270 A. Golloch, M. M. Sein Lackarbeiten aus Myanmar Chemie in unserer Zeit 2004, (38), 190–200

231

Naturfarben und -lacke

OH OH R

Grundstruktur der Naturlacke wie Urushiol vom Lackbaum. Das R steht für Rest, hier ist eine lange Kohlenwasserstoff-Seitenkette gebunden, die aus dem aromatischen Diol ein Öl macht.

Der Latex besteht aus Ölen, die sich von Brenzcatechin ableiten – Benzolringe, die zwei OH-Gruppen tragen und zusätzlich eine lange Seitenkette aus Kohlenwasserstoffen. Diese Seitenketten sind 15 bis 17 Kohlenstoffatome lang und können mehrere Doppelbindungen enthalten, sodass die Verbindungen ein Öl bilden. Daneben enthält die Lackmischung noch etwa ein Drittel Wasser und rund 10 % Pflanzengummi und Proteine. Das Enzym Laccase ist zwar nur in geringen Mengen vorhanden, steuert aber das Erhärten zum Lack. Dieses Enzym enthält Kupferionen (Cu2+), die für die Polymerisation, das Verknüpfen der Moleküle im Öl zum Lack, eine wichtige katalytische Rolle spielen. Diese Kationen führen zu einer Reaktion zwischen Luftsauerstoff und dem Öl. Die Verknüpfung der Monomere zum Polymer erfolgt dabei zwischen einer OH-Gruppe eines Brenzcatechins und der Seitenkette eines weiteren. Dabei wandelt sich das Öl in eine unlösliche, hochpolymere Substanz um.

Strukturformel des roten Farbstoffs Alizarin

Doch erweitern wir noch die Farbstoffpalette: Für leuchtend rote Gewänder wurde im 13. und 14. Jahrhundert mit Türkischrot gefärbtes Garn verwendet. Der eigentliche Farbstoff ist Alizarin, das seit 1869 synthetisch zugänglich ist. Bis ins 18. Jahrhundert wurde es aus Färberkrapp gewonnen. Nach der Behandlung mit Beizmitteln wie Alaun wurde das Garn zunächst gefärbt und dann in einem wochenlangen Prozess weiter behandelt. Unter anderen zählt die Reaktion mit Zinnsalzen dazu, was für das leuchtende Rot sorgte. Die synthetische Gewinnung von Farbstoffen wie Indigo und Alizarin sollte später zum Wachstumsmotor der chemischen Industrie werden. Verschiedene mit Färberkrapp eingefärbte Garnfasern

Mit dem Lacküberzug wandten Chinesen und Japaner demnach schon die Prinzipien der Katalyse, also der Reaktionserleichterung durch Enzyme, und der Polymerisation an.

Foto rechts mit freundlicher Genehmigung von Anke Culemann, http://wollenaturfarben.blogspot.de/2013/09/wintervorrat-mit-krapp-gefarbt.html

232

6 Chemie in der Menschheitsgeschichte

Kristallfarben

Minerale als Rohstoff für Pigmente Schmuck- und Edelsteine zeichnen sich durch schöne Farben aus. Das beste Blau für Malerfarben lieferte Lapislazuli und war damit sehr wertvoll. Zum Pigment zerstoßen wurde er ab dem frühen Mittelalter von weither importiert. Die wichtigsten Vorkommen gab es in Afghanistan – also jenseits des Meeres. Daher rührt der Name Ultramarin für die mit Bindemitteln zur Paste angerührte Farbe Blau.

benachbarten Sauerstoffatomen beteiligt. Die Positionen der Siliciumatome können auch durch Aluminiumatome eingenommen werden, die dann allerdings eine Bindung weniger ausbilden. Dadurch kann das Sauerstoffatom nicht alle Elektronen wie gewünscht in Bindungen unterbringen und es ensteht eine negative Ladung, die durch ein Natriumkation ausgeglichen wird.

Um zu verstehen, wie die Farben entstehen, bedarf es eines Blicks in den Aufbau des Kristalls. Lapislazuli ist ein Alumosilicat (Feldspat ) mit der Formel Na4[Al3Si3O12]Sn. Silicate sind eine große Gruppe von Gerüstbildnern. Formal bildet Siliciumdioxid (SiO2) Ketten, indem ein Siliciumatom zwei Sauerstoffatome bindet und sich dabei zugleich an den Bindungen zu

Die Ketten dieser Alumosilicate lagern sich zusammen, sodass lange Kanäle mit vielen Poren entstehen. Die Kationen besetzen Hohlräume. Die Farbe kommt mit den zusätzlichen Schwefelanionen (Sn−) ins Spiel, die ebenfalls Hohlräume besetzen. Der Index n am Elementsymbol für Schwefel weist darauf hin, dass hier zwei bis vier Schwefelatome ein Molekül bilden.

Al

Si

Si Al Al

Si

Die Kristallstruktur des Lapislazuli (Foto rechts) entspricht der des Minerals Sodalith. Blaue Kugeln stehen für Siliciumatome und grüne für Aluminiumatome; auf den roten Verbindungslinien befinden sich Sauerstoffatome. Im Inneren des „Käfigs“ befinden sich Ionen zum Ladungsausgleich oder weitere Anionen des Schwefels (links). Die Käfige lagern sich zusammen zu Ketten und Netzwerken (rechts).

Der Ursprung der Minerale  S. 78 Feldspat  S. 86

233

Kristallfarben

Die Farbe von Mineralen wie dem leuchtstarken Zinnober rührt von den Metallkationen her. Elektronen in deren ausgedehnter Atomhülle nehmen leicht Energie aus dem Licht auf und strahlen sie wieder ab. Die Alchemisten nannten dieses Rotpigment auch Drachenblut (). Es handelt sich um Quecksilbersulfid (HgS). Chemisch betrachtet ist Zinnober also ein Salz, das leicht synthetisch herstellbar ist. Zinnober kristallisiert ähnlich wie Steinsalz. In der Malerei wurde es bis ins 20. Jahrhundert verwendet. Allerdings dunkelt das Rot durch eine hohe Lichteinstrahlung im Lauf der Zeit nach.

Zinnober auf Calcit

Am häufigsten ist dabei das Trisulfidanion (S3−), in dem drei Schwefelatome direkt miteinander verknüpft sind. Ein ungepaartes Elektron macht das Molekül zum Anion und zugleich zum Radikal. In molekularen Verbindungen ist es energetisch günstiger, wenn zwei Elektronen zusammen ein Elektronenpaar bilden; einzelne Elektronen speichern viel chemische Energie – weshalb sie reaktiv sind. Sie nehmen leicht noch mehr Energie auf, etwa aus dem Sonnenlicht, was sie potenziell zu noch attraktiveren Reaktionspartnern macht. Nun befindet sich in dem Hohlraum im Silicat kein Atom, das noch reagieren möchte. Also fällt das Elektron in den Ausgangszustand zurück und strahlt die Energie wieder ab. Dem Sonnenlicht sehen wir nicht an, welche Energie aufgenommen wird. Aber dem Radikal, wenn es sie wieder in Form von blauem Licht abgibt. Enthält ein Lapislazuli neben dem Trisulfid auch Disulfid (S2−), verschiebt sich die Farbe ins Grünliche, beim Tetrasulfid (S4−) ins Violette.

Foto oben von Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0 Drachenblut: Der Stein der Weisen  S. 234

Viele Synonyme gibt es für das gelbliche Auripigment, etwa Rauschgold oder Königsgelb. Auch dieses Mineral wurde fein vermahlen häufig als Pigment in der Malerei verwendet. In sehr reiner Form ist dieses Arsentrisulfid (As2S3) nicht giftig. Da es sich weder in Wasser noch in Säuren löst, wird es nach dem Verzehr im Körper nicht gelöst und damit auch nicht aufgenommen. Ist es jedoch mit Arsentrioxid verunreinigt, kann es der Gesundheit schaden. Das goldgelbe Auripigment

234

6 Chemie in der Menschheitsgeschichte

Der Stein der Weisen Alchemie

Der legendäre Stein der Weisen, „Lapis philosophorum“, sollte angeblich in der Lage sein, unedle Metalle in edle zu wandeln, vor allem natürlich in Gold. Zugleich würde er heilen und vor dem Tod bewahren. Tatsächlich faszinierte es die Menschen zu Zeiten, in denen die Chemie noch keine eigene universitäre Naturwissenschaft war, dass Stoffe sich ineinander umwandeln ließen und dabei Eigenschaften wie den Aggregatzustand und die Farbe wechseln konnten. Ob in Europa, Ägypten oder dem alten China: Alchemisten gaben ihr Wissen über Arzneimittel und Stoffumwandlungen über Tausende von Jahren an Eingeweihte weiter.

Getrocknetes Harz vom Drachenbaum (Daemonorops draco) als Brocken (rechts) und zu Pulver gemahlen (links) wurde Drachenblut genannt. Es fand als Räucherwerk und für Arzneien Verwendung.

Mit ihren Experimenten legten die Alchemisten den Grundstein für die moderne Chemie. Sie schrieben die entsprechenden Rezepturen auf, was späteren Labortagebüchern entspricht: Eine Reaktion musste dabei so beschrieben werden, dass sie wiederholbar war. Gleichwohl gab es einen eigenen Sprachkodex: Drachenblut war nicht etwa das Blut von Drachen, sondern meist ein harziger Pflanzensaft. Zinnober (Quecksilbersulfid, HgS ) wiederum ähnelt der Farbe dieses gehärteten Harzes, sodass in einer Rezeptur mit Drachenblut als Inhaltsstoff allerlei Verschiedenes gemeint sein konnte: Von Blut über Harz bis hin zu Quecksilbersulfid. Besonders alt und wertvoll ist der von der Leipziger Universitätsbibliothek gehütete Papyrus Ebers. Die altägyptische Schriftrolle stammt aus dem 16. Jahrhundert v. Chr. und enthält unter anderem Rezepte für die Zubereitung von Philippus Aureolus TheophrasArzneimitteln. tus Bombast von Hohenheim, genannt Paracelsus (1493–1541)

Zinnober: Kristallfarben  S. 232

235

Der Stein der Weisen

Paracelsus gründete die Iatrochemie, wonach sich chemische Veränderungen der Bestandteile des Körpers in physiologischen oder gar pathologischen Zuständen auswirken. Fußend auf den Urelementen Erde, Wasser Luft und Feuer nach Aristoteles erklären sich die Bedürfnisse des Menschen nach Essen, Trinken, Atem und Wärme. Die fünfte Essenz (Quintessenz) war der Geist oder eine übernatürliche Aura, die sich aus dem Zusammenwirken aller vier Urelemente ergibt – hier setzt die Suche nach dem Stein der Weisen an. Im Körper wirken „chemische Kräfte“, worunter Paracelsus verstand, dass Salz, Quecksilber, Schwefel und Metalle miteinander wechselwirken.

Miniaturen der „Retortengenese“: Der Drache heizt die Phiole auf. Schmelzöfen, Retorten und Destillationen sind Errungenschaften dieser frühen Phase der Chemie.

Zu den frühen Alchemisten in Deutschland zählt Paracelsus (1493–1541). Er durchwanderte Europa und brachte medizinisches Wissen von Fürstentum zu Fürstentum. Zu seiner Zeit, wurden unerklärliche Phänomene noch mystisch begründet. Dieser Nimbus umgab auch die Alchemisten. Allerdings war ihr Werk auch nicht immer nur heilsbringend, manche Rezeptur war schlicht gesundheitsgefährdend.

Georgius Agricola (1494–1555) war ein deutscher Universalgelehrter. Nachdem er in Bologna Medizin studiert und bereits im Erzgebirge als Arzt praktiziert hatte, wurden dort Silbererzvorkommen entdeckt. Leidenschaftlich wandte sich Agricola dem Bergbau zu, um im Sinne von Paracelsus neue Erze mit heilsamer Wirkung zu finden. Sein technisch getreues Protokoll zu Lagerstätten, Abbau und vor allem zur Neubestimmung der Minerale wurde zum Grundstein für Mineralogen und Mediziner. Für die Geschichte der Chemie interessant ist, dass Fürsten Labore für Alchemisten einrichteten – meist in der Hoffnung, dass diese Gold herstellen würden. Das konnte für die Alchemisten durchaus gefährlich werden, da diese Erwartung nicht erfüllbar war. Bei all den Versuchen des Umschmelzens, Umwandelns und Destillierens wurde jedoch viel Grundlagenwissen erarbeitet. Das Okkulte sollte die Alchemisten später in Verruf bringen. Die ersten chemischen Fakultäten an den Universitäten entstanden erst im 19. Jahrhundert.

J. Soentgen Wie man mit dem Feuer philosophiert – Chemie und Alchemie für Furchtlose Peter Hammer Verlag 2015 Porzellan  S. 210

7 Chemie der Moderne Zu Beginn dieses Kapitels steht Stickstoff im Fokus. Fritz Haber und Carl Bosch gelang es einst, dieses Gas mit einem der heute weltweit bedeutendsten Verfahren aus der Luft zu gewinnen und in biologisch verwertbaren Verbindungen zu fixieren. Damit stand Stickstoff für Kunstdünger zur Verfügung, aber auch für Sprengstoffe wie Dynamit. Es schließt sich ein Streifzug durch die Welt der Metalle an – von ihrer Gewinnung bis zu ihrer Anwendung, von Schwermetallen bis zum Leichtmetall Aluminium, von besonders wertvollen Metallen wie Tantal bis zu ihrem Schutz vor Korrosion. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Lebensmittelchemie. Wie werden Lebensmittel vor Keimen geschützt? Was geschieht beim Anrösten? Warum riecht Kaffee so gut? Viele weitere Themenfelder werden entscheidend von der Chemie geprägt. Einen kurzen Einblick in den Energiesektor gibt Methan. Wie kann eine Methanolwirtschaft aussehen? Welche Einsatzfelder gibt es für Silicium und seine Verbindungen wie das Katalysatormaterial Zeolith? Auch auf Phänomene wie die Lumineszenz oder den Lotuseffekt gehen wir hier ein. Diese Themen zeigen schon, dass Chemie eine Grundlagenwissenschaft ist, die in zahlreichen Prozessen angewandt wird. Entdecken Sie in diesem Kapitel die Vielfalt der modernen Chemie!

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Feil et al., Faszinierende Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57324-2_7

238

7 Chemie der Moderne

Stickstoff

Aus der Luft gegriffen: Haber-Bosch-Verfahren Im Zuge der Industrialisierung wuchs die Weltbevölkerung im 19. Jahrhundert stark an. Dank dem von Justus von Liebig entwickelten ersten Universaldünger erlangte die Landwirtschaft eine höhere Produktivität, doch zeichnete sich bereits ein Ende des dafür benötigten Salpetervorkommens in Chile ab. An der Wende zum 20. Jahrhundert beherrschte eine drohende Ernährungskrise die Politik und Wissenschaft. In England kam das geflügelte Wort vom „Weizenproblem“ auf. Mehrere Arbeitsgruppen befassten sich damals damit, für die Landwirtschaft den Stickstoff aus der Atmosphäre verfügbar zu machen, der mit 78 % den größten Anteil ausmacht. Es war bekannt, dass sich bestimmte Pflanzen als Dünger () für andere eignen. Sie gehen unterirdisch Lebensgemeinschaften mit sogenannten Knöllchenbakterien ein. Diese besitzen ein Enzym, das den eigentlich reaktionsträgen Stickstoff der Luft so akCarl Bosch (1874-1940)

Fritz Haber (1868-1934)

tiviert, dass er chemische Reaktionen eingeht und von den Pflanzen genutzt werden kann. Wie konnten die Menschen mithilfe der Chemie dem Vorbild der Natur nacheifern? Im Jahr 1909 gelang es dem Chemiker Fritz Haber in Karlsruhe tatsächlich, im Labor aus den Gasen Stickstoff (N2) und Wasserstoff (H2) Ammoniak (NH3) herzustellen, wobei er die Idee der Katalyse () aufgriff. Die Chemiker Carl Bosch und Alwin Mittasch von der BASF verbesserten den Prozess dahingehend, dass 1913 in Oppau die industrielle Produktion von Ammoniak anlaufen konnte. Das Ammoniak wird leicht aus den Böden gewaschen und wurde daher mit dem Ostwald-Verfahren in Nitrate (R−NO3) umgewandelt und so für Dünger und zugleich auch für Sprengstoff verfügbar. Was steuert die Synthese von Ammoniak nach dem Haber-Bosch-Verfahren? Da beide Ausgangsstoffe gasförmig sind, halbiert sich bei vorgegebenem Druck und vorgegebener Temperatur das eingenommene Volumen: Vier Moleküle reagieren zu zwei Molekülen. Die Aktivierung am Katalysator aus porösem Eisen führt bei 450 °C zu einem zufriedenstellenden Umsatz. N2 + 3 H2 ප 2 NH3 Dabei ist es günstig, den Druck zu erhöhen. Dadurch werden die Moleküle dichter zusammengedrängt und es erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie aufeinandertreffen. Außerdem versucht das System dem Druck auszuweichen, indem es die Teilchenzahl re-

Dünger  S. 240 Katalysatoren  S. 26 G. Ertl, J. Soentgen N – Stickstoff – ein Element schreibt Weltgeschichte Oekom-Verlag 2015 J. Soentgen Vom ‚Weizenproblem‘ zur ‚Neuen Stickstofffrage‘ Chemie in unserer Zeit 2014 (48) 72–75

239

Stickstoff

derholt, bis sich die Luft bei etwa –170 °C verflüssigt. Nun können Sauerstoff und Stickstoff durch Destillation getrennt werden. Ohne das Haber-Bosch-Verfahren wäre den Deutschen im Ersten Weltkrieg die Munition ausgegangen. Haber war ein Patriot und sah das zweischneidige Potenzial seiner Erfindung als Dienst fürs Vaterland an. Als er 1915 chemische Waffen () entwickelte und ihren Einsatz feierte, verzweifelte seine Frau Clara Immerwahr daran und nahm sich das Leben. Mit dem Zwiespalt militärisch und zivil nutzbarer Stoffe musste sich kurz darauf auch Alfred Nobel () auseinandersetzen.

Der zentrale Baustein der ersten Anlage in Oppau (1913): der Reaktor aus dem dicksten damals verfügbaren Stahl für das HaberBosch-Verfahren. Auf dem Werksgelände der BASF entstand eine eigene Produktion für Hochdruckreaktoren.

duziert (Gibbs-Energie ). Als drittes entscheidendes Kriterium kam die Wahl eines geeigneten Katalysators hinzu. Der benötigte Wasserstoff wird meist aus Methan (CH4) gewonnen, dem Hauptbestandteil von Erdgas. Stickstoff ist durch Luftverflüssigung zugänglich, ein Verfahren, das Carl von Linde (1842–1934) um 1903 entwickelte. Zuerst wird Luft mit 200 bar zusammengepresst. Dabei erwärmt sie sich und wird von außen gekühlt. Danach darf sich die Luft „entspannen“ – sie strömt in Röhren ohne Druck und kühlt dabei von etwa 45 auf –30 °C ab. Am Kompressor angekommen, wird sie wieder verdichtet. Dieser Prozess wird so oft wie-

Gibbs-Energie: siehe Die Triebkraft chemischer Reaktionen  S. 24 Chemische Kampfstoffe  S. 242 Alfred Nobel: siehe Sprengstoffe  S. 246

200 bar

Austrittsventil

Eintrittsventil

Wärmeaustauscher

Entspannungsventil 20 bar Schema des Prinzips, wie mit dem Linde-Verfahren Luft verflüssigt werden kann

flüssige Luft

240

7 Chemie der Moderne

Dünger

Gegen den Hunger der Millionen Ohne Düngung wäre ein Drittel der Weltbevölkerung von Hunger bedroht. Rund 120 Millionen Tonnen Stickstoff werden pro Jahr weltweit nach dem HaberBosch-Verfahren als Ammoniak fixiert und zu Dünger verarbeitet. Eine übermäßige Düngung schafft aber neue Probleme: Einerseits gelangen Nitrate ins Grundwasser und andererseits setzen im Boden lebende Mikroorganismen Stickoxide frei, die ausgasen und die Luftqualität mindern. Die Anfänge der Mineraldünger liegen rund 200 Jahre zurück. Nach einem „Jahr ohne Sommer“ infolge eines Vulkanausbruchs in 1816 und den damit einhergehenden Hungersnöten befasste sich Justus von Liebig intensiv mit der Nährstoffversorgung von Pflanzen. Dazu äscherte er Pflanzen ein und untersuchte, welche Elemente in der Asche vorhanden waren. Nach Ausschluss all jener, die aus dem Boden stammten und somit in ausreichenden Mengen verfügbar waren, gelang-

Kormoran beim Absondern von Guanin

Stickstoff  S. 238

te er zu der Überzeugung, dass sich das in geringster Konzentration vorhandene hemmend auf das Wachstum auswirkt. Er empfahl den Einsatz von Düngemitteln und brachte 1840 ein Buch mit dem Titel Agrochemie heraus, das zum Lehrwerk wurde. Neben biologisch verfüg- Justus von Liebig (1803–1873, baren Verbindungen von dargestellt um 1866) war ein Stickstoff () und Phos- Wegbereiter des Düngemittephor ist eine Reihe von leinsatzes Mineralsalzen – unter anderem von Calcium und Kalium – nötig, damit Pflanzen wachsen können.

Mit Guano überzogener Felsen und die Guanoproduzenten, die Kormorane

Vögel koten Guanin ab, das mit Kalkstein reagiert und zu Guano verwittert. Dessen weitere Bestandteile, Phosphate und Kalk, machen ihn zu einem guten Dünger.

241

Dünger

Weltbevölkerung

Weltbevölkerung in Mrd.

6

40

5 4 3

50

30 geschätzte Weltbevölkerung ohne Dünger aus Ammoniak-Synthese

20

2 Düngemitteleintrag

1 0 1900

1920

1940

1960 Jahr

1980

2000

10

0

durchschnittlicher Eintrag von Stickstoffdüngemitteln pro Hektar in Kilogramm (bezogen auf Stickstoff)

7

Gegenüberstellung der Entwicklung der Weltbevölkerung (blaue Kurve) mit Schätzungen der Entwicklung ohne Düngemitteleinsatz (rote Kurve)

Eine alte, natürliche Quelle für Dünger bilden Ausscheidungen wie Tierdung. So war Guano, verwitterte Vogelexkremente, lange Zeit ein wichtiges Importgut. Während viele Tiere den leicht löslichen Harnstoff als Urin ausscheiden, entsorgen Vögel Stickstoffverbindungen als pastöse Masse, die neben Harnstoff auch Guanin enthält. Sie können diese im Flug absondern und müssen weniger Wasser aufnehmen. Auf Kalkfelsen verwittert Guanin zu Guano, das auch viel Phosphat enthält. Peru begann 1841 große Mengen davon zu exportieren. Um 1870 wurden in Chile große Salpeterlagerstätten entdeckt; diese Salze der Salpetersäure (HNO3) werden leicht von Pflanzen aufgenommen und wurden im Bergbau abgebaut. Im Jahr 1879 brach der „Salpeterkrieg“ zwischen Bolivien und Chile um die salpeterreiche Atacama-Region und die Besteuerung dieser Ressource aus.

Die Furcht, dass die chilenischen Lagerstätten bald erschöpft seien, stachelte um die Wende zum 20. Jahrhundert die Forscher an, Stickstoff aus der Luft zu fixieren. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs spürte Deutschland schnell die Folgen der britischen Seeblockade. In dieser Zeit ebnete das Haber-BoschVerfahren den Weg zum Kunstdünger. Seit der Erfindung des künstlichen Düngers stieg der Düngemitteleinsatz kontinuierlich an. In letzter Zeit rückten die Phosphatvorkommen ins Blickfeld. Phosphate spielen eine zentrale Rolle im Energiestoffwechsel und beim Aufbau der Erbsubstanz. Rund 180 Millionen Tonnen Rohphosphate werden jährlich abgebaut, von denen 90 % zu Düngemitteln verarbeitet werden. Da die einfach erschließbaren Phosphatvorkommen mittlerweile weitgehend abgebaut sind, werden nun solche genutzt, bei denen Schwermetalle wie Uran und Cadmium abgetrennt werden müssen. Im 20. Jahrhundert gelangten durch Dünger, Exkremente und Waschmittel so viele Phosphate in die Gewässer, dass es zu Algenblüten kam: Dabei vermehren sich Algen massenhaft, sterben und sinken zu Boden. Ihr Abbau verbraucht Sauerstoff, der dann den anderen im Wasser lebenden Organsimen fehlt. In Waschmitteln werden Phosphate mittlerweile nicht mehr eingesetzt. In Klärwerken werden sie ausgefällt und so dem Abwasser entzogen, die anfallenden Klärschlämme kommen dann als Dünger auf die Felder. Allerdings soll dies bis 2025 vollständig abgeschafft werden, da die Schlämme Schwermetalle und Medikamentenrückstände enthalten. Einige Forschungsgruppen arbeiten daran, Phosphate aus Abwässern zurückzugewinnen.

Daten der Grafik aus: J. W. Erisman, M. A. Sutton, J. Galloway, Z. Klimont & W. Winiwarter How a century of ammonia synthesis changed the world Nature Geoscience 1, 636–639 (2008) Published online: 28 September 2008, doi:10.1038/ngeo325 J. Soentgen Vom ‚Weizenproblem‘ zur ‚Neuen Stickstofffrage‘ Chemie in unserer Zeit 2014 (48) 72–75

242

7 Chemie der Moderne

Chemische Kampfstoffe Giftgas und Nervengifte

Im August 1913 hatte der deutsche Chemiker Fritz Haber die Inbetriebnahme der ersten Ammoniakproduktionsanlage erlebt. Im Lauf des im September 1914 ausgebrochenen Ersten Weltkriegs begannen ihn neue Projekte zu beschäftigen. Die deutsche Munition versagte mitunter und der Stellungskrieg führte zu hohen Verlusten. Der sich abzeichnende Engpass beim Schwarzpulver bahnte einer anderen Waffenart den Weg. Als Chemiker, der sich viel mit Gasen beschäftigte, kannte Haber die tödliche Wirkung von Chlor. Am 22. April wurden in der belgischen Kleinstadt Ypern Chlorgasflaschen geöffnet und der Wind trug 170 Tonnen des giftigen Gases in die Schützengräben der Franzosen. Es verätzte die Lungenbläschen und die Lunge füllte sich mit Wasser. Die Zahl der Toten allein bei diesem Einsatz betrug mehrere Tausend. Überlebende litten lebenslang an Atemnot. Gegen Chlor konnten schon feuchte Lappen Luftbild von der Ostfront 1916: Deutsche Soldaten haben Gasflaschen geöffnet und warten darauf, dass das Gas seine Wirkung tut, bevor sie voranschreiten.

als Atemschutz helfen, besser noch getränkt mit Urin. Die Schutzkleidung der Armee spielte in diesem Krieg also eine große Rolle. Das Völkerrecht ächtete bereits 1899 den Einsatz von tödlichen Substanzen. Haber rechtfertigte sich damit, er habe nur Gasflaschen verwendet, keine Granaten bestückt. Dennoch war er nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nicht mehr so hoch angesehen. Dessen ungeachtet wurde ihm 1918 der Nobelpreis für Chemie zugesprochen. Daneben wurden im Ersten Weltkrieg noch weitere chemische Stoffe als Waffe eingesetzt, etwa Senfgas und Phosgen. Das Genfer Protokoll untersagte 1925 den Ersteinsatz von chemischen und bakteriologischen Waffen. Bei der Lektüre von Berichten drängt sich nur ein Grund auf, weshalb im Zweiten Weltkrieg tatsächlich darauf verzichtet wurde: Die Nationen waren Deutsche Soldaten der Flugabwehr schützen sich im Ersten Weltkrieg vor einem Gasangriff mit Masken.

G. Ertl, Jens Soentgen N – Stickstoff – ein Element schreibt Weltgeschichte Oekom-Verlag 2015 M. Höfer Giftgas gegen den Feind Spektrum der Wissenschaft Sep. 2014, 46–51. E. Vaupel Krieg der Chemiker Chemie in unserer Zeit 2014 (48) 460–475

243

Chemische Kampfstoffe

Stoff

Wirkungsweise und Einsatz

Chlor, Cl2

Gas reagiert in der Lunge zu Salzsäure und verätzt sie; war 1915 als erster tödlicher Kampfstoff im Einsatz

Phosgen, O=CCl2

Gas wirkt auf die Lunge; seit 1916 im Einsatz; riecht süßlich, nach faulem Obst

Senfgas, S-LOST, S(C2H4Cl)2

Flüssigkeit, ölig, dringt durch die Haut ein, ist ein schweres Nervengift, zeitweises Erblinden, auf der Haut schwer heilende Wunden; riecht nach Senf; wurde 1917 erstmals in Ypern eingesetzt; Kleidung schützt nicht, wird durchdrungen

Lewisit, Cl2As–CH=CHCl

Flüssigkeit; reizt die Haut und durchdringt auch die Kleidung; riecht nach Geranien; seit 1918 im Einsatz

Tabun, H3C–CH2–O–PO(CN)–N(CH3)2

Nervengas, Flüssigkeit; schwächt die Sehfähigkeit, Muskellähmungen bis hin zum Ersticken

Sarin, H3C–PO(F)–O–CH(CH3)2

Nervengas, leicht flüchtige Flüssigkeit, viermal giftiger als Tabun

Soman, H3C–PO(F)–O–CH(CH3)– CH(CH3)3

Nervengas, Flüssigkeit, nochmal doppelt so giftig wie Sarin

VX, H5C2O–PO(CH3)–S–C2H4– N(CH(CH3)2)2

Nervengas, sirupartig, zehnmal giftiger als Soman; in den 1950er-Jahren entwickelt

H 5C 2

O

H 3C

N CH3

schon so gerüstet, dass ein Vergeltungsschlag verheerend gewesen wäre. Wie es sich darstellt, hatten die Alliierten vor allem Senfgas, Phosgen und Lewisit in Granaten gefüllt. Deutschland verfügte über die Nervengifte Tabun, Sarin und Soman. Diese drei Stoffe sind chemisch gesehen organische Phosphorsäureester und hemmen das Enzym Acetylcholinesterase. Das hat verheerende Auswirkungen: Bei der Informationsweitergabe zwischen Nervenzellen wird der Neurotransmitter Acetylcholin in den Zwischenraum zweier Nervenenden ausgeschüttet. Wird er nicht anschließend durch das Enzym Acetylcholinesterase wieder abgebaut, kommt es zur Dauererregung der Nerven. Sehstörungen und Muskelkrämpfe sind erste Anzeichen; Koliken und Erbrechen, abfallender Blutdruck bis hin zur Atemlähmung sind weitere Folgen.

1992 wurde die Chemiewaffenkonvention verabschiedet, die auch die Produktion und den Besitz von Chemiewaffen ächtet. Die USA und Russland ratifizierten diese und vernichten seither fachgeH3C recht ihre Bestände. Sie werden voraussichtlich 2023 damit fertig O H O sein. Syrien trat dem Abkommen unter politischem Druck 2013 O bei. Als sicher gilt, dass 2013 in einem Vorort von Damaskus TaH3C P P bun gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt wurde. In 2014 kam CN H3C F in dem Bürgerkrieg Chlor zum Die Nervengifte Tabun und Sarin leiten sich von der Struktur der Einsatz. Phosphorsäure ab. Organische Seitenketten und ein Cyanid (–CN) oder Halogenid (bei Sarin Fluor) sind gebunden.

244

7 Chemie der Moderne

Säuren

Ein Rundgang Immer wieder begegnen uns im Alltag Säuren (): Schwefelsäure ist der Elektrolyt der herkömmlichen Autobatterie; zum Entkalken von Haushaltsgeräten verwendet man Essigsäure oder Citronensäure; Erfrischungsgetränke werden mit Citronensäure angesäuert und mit Kohlensäure aufgesprudelt; Bakterien produzieren Buttersäure aus unserem Schweiß. Ameisensäure brennt nicht nur auf der Haut, wenn wir über Brennnesselblätter streichen, sie ist ein altbekanntes Antirheumatikum. Außerdem wird sie eingesetzt, um Start- und Landebahnen auf Flughäfen zu enteisen. Dieser Rundgang durch die Welt der Säuren ließe sich beliebig fortsetzen. In der chemischen Industrie sind Säuren als Lösungsmittel notwendig, wie im Übrigen auch in der Metallurgie, um die Salze der Metalle, die Erze, aufzulösen. Bei Säuren, wie sie im Labor in Vorratsflaschen stehen, handelt es sich um wässrige Lösungen. Je nach Wassergehalt spricht man von konzentrierten oder verdünnten Säuren. Hat die Säure ein Proton abgegeben, bleibt

Ameisen wie diese Waldameise (Formica) verteidigen sich mit der nach ihnen benannten Ameisensäure. Sie ist die einfachste organische Säure, wie die Formel zeigt.

Säuren und Basen  S. 28 J. Blecker Chemie für jedermann Compact Verlag 2015

Die in Zitronen enthaltene Citronensäure bildet längliche Kristalle, die unterm Mikroskop mit Polarisationsfilter bunt schillern.

das negativ geladene Säureanion zurück. Dieses reagiert gern auch mit metallischen Kationen, wobei die entstehenden Salze schwer löslich sein können und aus der wässrigen Lösung ausfallen. Für organische Säuren ist die COOH-Gruppe charakteristisch, womit die Ameisensäure die einfachste Vertreterin dieser Stoffklasse ist. Die stärkste Säure ist Schwefelsäure (H2SO4). In konzentrierter Form enthält sie nur noch 4 % Wasser. Sie ist so reaktiv, dass sie Baumwollfasern oder Haut Wasser entzieht: Nebst einem Loch im Kittel verkohlt dann das Kollagen der Haut darunter. In noch höher konzentrierter Schwefelsäure ist SO3 gelöst, welches aus offenen Behältern in die Luft aufsteigt. Dabei bildet sich ein Nebel, der wie Rauch aussieht, was zu dem Namen rauchende Schwefelsäure führte.

Säuren

245

störte es den Stoffwechsel der Bäume und verursachte so massive Waldschäden. In Deutschland konnte das Problem des sauren Regens durch Filteranlagen zur Rauchgasreinigung und Autokatalysatoren mittlerweile weitgehend beseitigt werden. Konzentrierte Salzsäure (HCl) stellen Menschen selbst im Magen her. Sie desinfiziert und bereitet Eiweiße zur Verdauung () vor. Die ebenfalls starke Salpetersäure (HNO3) braucht man z. B. zur Herstellung von Sprengstoffen (). Aus Schwefel wird Schwefelsäure hergestellt

Schwefelsäure ist mit Wasser beliebig mischbar. Da sie sich beim Verdünnen erwärmt, gibt es eine sehr wichtige Faustregel: Gib das Wasser nie zur Säure, sonst geschieht das Ungeheure! Beim Verdünnen wird Lösungswärme frei; gibt man die Säure langsam zum Wasser, nimmt das Wasser die Wärme sofort auf. Im umgekehrten Fall kann infolge eines Siedeverzugs Säure herausspritzen. Gewonnen wird Schwefelsäure durch die Verbrennung von Schwefel zu Schwefeldioxid (SO2). Dieses oxidiert, katalysiert durch Vanadiumpentoxid (V2O5), weiter zu Schwefeltrioxid (SO3), das in Wasser gelöst wird und zusammen mit den Wassermolekülen Schwefelsäure bildet.

Eine etwas schwächere Säure, aber biologisch enorm bedeutsam, ist Phosphorsäure (H3PO4). Wenn Energie in Zellen chemisch zwischengespeichert wird, geschieht dies meist in Form von Adenosintriphosphat (ATP), in dem drei Phosphatgruppen, die Anionen der Phosphorsäure, enthalten sind (ATP-Synthese ). Zu den weniger starken, also nicht ganz so verätzenden Säuren zählt die konservierende Essigsäure (). Sie ist eine der wichtigsten organischen Säuren und eines der ältesten biotechnologischen Produkte. Bakterien stellen sie aus Alkohol her. Die ätzende Wirkung von Schwefelsäure: Sie wurde auf Proben von Filterpapier (links), Baumwolle (vorn), Schreibpapier (hinten) und Zucker (rechts) getropft.

Bevor beispielsweise Zementfabriken die Schwefelverbindungen aus ihren Abgasen entfernten, entwickelte sich in der Atmosphäre aus den Schwefeloxiden und Stickoxiden (NOx) Schwefel- und Salpetersäure. Regen wusch diese aus und brachte sie ins Erdreich. Dieser saure Regen löste Aluminium aus der Erde, welches dann von Pflanzenwurzeln aufgenommen wurde. Hier

Fotos Schwefelsäure und Wirkung der Schwefelsäure mit freundlicher Genehmigung von Dr. Bernhard F. Sieve, IDN Hannover Verdauung  S. 180 Sprengstoffe  S. 246 ATP-Synthase  S. 148 Vom Alkohol zum Essig  S. 220

246

7 Chemie der Moderne

Sprengstoffe

Dynamit, TNT, Hexogen Am Ende des 19. Jahrhunderts schossen Kanonen noch mit Schwarzpulver-Sprengladungen () aus einer Entfernung von 2 km. Die Einführung der Brisanzsprengstoffe und neue Rohrformen aus Stahl statt Bronze erlaubten bereits vier Jahrzehnte später eine Reichweite von bis zu 15 km. Zunächst erhöhte Schießbaumwolle um 1880 herum die Durchschlagskraft der Sprengladungen und löste Schwarzpulver ab. Für ihre Herstellung wurden Cellulose und Glycerin mit Salpetersäure verbunden, wobei Schwefelsäure die Reaktion unterstützte. Überschüssige Säure wurde ausgewaschen und die Cellulose danach getrocknet, wodurch die Schießbaumwolle nun leicht entzündlich wurde. Der Treibsatz bestand immer noch aus Schwarzpulver. Diese Schießwollgranaten durchschlugen bis zu 7 m starke Erddecken und Explosionen bei einer Militärshow in San Diego

Alfred Nobel (1833-1896), der Erfinder des Dynamits

Gewölbe. Ein Nachteil war, dass sie bei der Lagerung Wasser aufsogen und somit nicht mehr gut zündeten. Wie kein anderer ist der Name Alfred Nobel (1833– 1896) mit Sprengstoffen verbunden. Zwar entdeckte der Italiener Ascanio Sobrero die hohe Sprengkraft von Nitroglycerin, doch erst Nobels Erfindung der Zündschnur zur Initialzündung machte daraus einen handhabbaren Sprengstoff. Wird zu Glycerin vorsichtig konzentrierte Schwefel- und Salpetersäure zugetropft, entsteht Nitroglycerin, eine ölige Flüssigkeit. Im Jahr 1863 begann in Schweden die Fabrikation von Sprengstoffen für den Bergbau. Ein Problem der ersten Sprengstoffe war ihre Schlagempfindlichkeit. Bereits durch Erschütterungen und Stöße wurden sie zur Detonation gebracht. Das Mischen von Kieselgur, also fein zermahlenen fossilen Kieselalgenschalen, mit Nitroglycerin im Verhältnis 3:1 minderte die Gefahr der unbeabsichtigten Selbstzün-

Schwarzpulver  S. 208 G. Ertl, J. Soentgen N – Stickstoff – ein Element schreibt Weltgeschichte Oekom-Verlag 2015

Sprengstoffe

247

Anders als Sprengschlämme, bei denen es sich um eine Mischung von Mineralöl und wässrigen Ammoniumnitratlösungen handelt, enthalten einige Dünger Ammoniumnitrat (NH4NO3) als feines Granulat oder Pulver. Der größte CheNitroglycerin (C3H5N3O9) Trinitrotoluol (TNT, C7H6N6O6) Hexogen (C3H6N6O6) mieunfall in der Geschichte Deutschlands wurde durch 4500 Tonnen Amdung. So entwickelte Nobel im Jahr 1866 Dynamit und moniumnitrat auf dem Gelände der BASF in Oppau arbeitete weiter an raucharmen Sprengstoffen für Waf- verursacht. Als am 21. September 1921 dieser Rohstoff fenmunition und an Sprenggelatine. für Dünger explodierte, starben 561 Menschen und der Detonationsdruck beschädigte viele Gebäude. Ambivalent war Nobels Haltung zur militärischen Nutzung. Er glaubte an einen Frieden durch Abschre- Sprenggelatine enthält neben Nitroglycerin ungefähr ckung. Dem widersprach Bertha von Suttner, die kur- ein Viertel Ammoniumnitrat. Damit wurde die Röhre ze Zeit seine Sekretärin war, vehement. Die spätere für den 15 km langen Gotthardtunnel gesprengt. Das Schriftstellerin unterhielt einen regen Briefwechsel mit größte in Deutschland kontrolliert mit Dynamit geNobel. sprengte Gebäude gehörte zur Frankfurter Universität. Der AfE-Turm war 116 m hoch und wurde im Jahr 2014 Nobel stiftete sein Erbe seinen Leidenschaften und mit rund einer Tonne Sprengstoff „abgebaut“. Dabei zeichnete damit Fortschritte in der Chemie, Medizin, entstand eine Baulücke mit 50 000 Tonnen Schutt. Physik und Literatur aus. Den fünften Preis widmete er dem Frieden. Fünf Jahre nach seinem Tod begann im Jahr 1901 die Verleihung der Nobelpreise; von Suttner erhielt 1905 den Friedensnobelpreis. Brisanzsprengstoffe zeichnen sich durch ihre zertrümmernde Stärke aus. Zu ihnen zählen Trinitrotoluol (TNT) und Hexogen. Letzterer wurde im Zweiten Weltkrieg als plastischer Sprengstoff (Plastiksprengstoff) eingesetzt, wobei zu 88 % Hexogen jeweils 12 % Vaseline beigemischt wurden. Sprengung des AfE Turms 1 in Frankfurt

ZDF Mission X: Alfred Nobel – Der Lohn des Schreckens http://www.zdf.de/terra-x/mission-x-alfred-nobel-der-lohn-des-schreckens-5219168.html

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7 Chemie der Moderne

Quecksilber, Cadmium und Blei Vom Nutzen und Schaden von Schwermetallen

Bestimmte Metalle braucht der Körper, so benötigen einige Enzyme für ihre Arbeit Cobalt, Selen, Kupfer, Mangan und Zink. Sie wirken erst in Überdosen schädlich. Dagegen wirken Schwermetalle wie Blei, Cadmium und Quecksilber auf den Organismus schon in geringen Dosen giftig. Sind sie erst einmal als Kation gelöst aufgenommen worden, reagieren sie mit den polaren Gruppen in Proteinen: allen voran mit Thiolen (−SH), aber auch mit Hydroxylen (−OH), Aminen (−NH2) und Säuren (−COOH). Die eingelagerten Kationen verhindern, dass die Proteine ihre ursprüngliche Form einnehmen, wodurch sie ihre biologische Funktion verlieren, also denaturieren. Quecksilber war lange in Amalgamen für Zahnfüllungen beliebt. Dieses einzige bei Raumtemperatur flüssige Metall bildet mit anderen Metallen Legierungen, die mal pastös, mal fest sind. Spiegel wurden einst in einem Quecksilberbad versilbert. In der Gold- und Chlorgewinnung wird Quecksilber nach wie vor eingesetzt.

Mittlerweile wurde das Schwermetall aus Thermometern verbannt, kam jedoch als Bestandteil von Energiesparlampen wieder zurück in die Wohnhäuser. Gering dosiert lässt sich die toxi- Quecksilbertropfen sche Wirkung von Quecksilberverbindungen etwa in Fungizidsalbe gegen Fußpilz nutzen. Methyliertes Quecksilber (CH3−Hg−X; X ist ein Platzhalter etwa für OH− oder Cl−) wird leicht im Körper aufgenommen, da es sich besonders gut in Fettgeweben löst und auch eingelagert wird. Chronische Quecksilbervergiftungen führen zu einer Ablagerung von Quecksilbersulfid (HgS) im Zahnfleisch, zu Geschwüren, psychischen Störungen wie Erregbarkeit oder Konzentrationsschwäche und zu Sprachstörungen wie Stammeln.

Energiesparlampen enthalten Quecksilber

Cadmium wird häufig als korrosionshemmender Bestandteil in Legierungen verwendet. In Nickel-Cadmium-Batterien ist es ein Elektrodenmaterial, wird hier jedoch zunehmend durch Lithium-Ionen-Akkus ersetzt. Recht jung ist der Einsatz in Solarzellen für die Dünnschichtphotovoltaik (Cadmiumtellurid-Zellen, CdTe). In die Natur gelangt es beispielsweise über Klärschlämme. Über Wildpilze, die Cadmium anreichern, kann es dann Eingang in die Nahrungskette finden.

J. Blecker Chemie für jedermann Compact Verlag 2015

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Quecksilber, Cadmium und Blei

Sphalerit enthält neben Zinksulfid (ZnS) einen hohen Anteil an Cadmium und wird für die industrielle Gewinnung abgebaut.

Im menschlichen Körper sammelt sich Cadmium in der Nierenrinde an und kann diese schädigen. In den Knochen führt es zum Ausschwemmen von Calcium. Cadmiumvergiftungen kommen in Industrien vor, die mit cadmiumhaltigen Materialien arbeiten, wie bei der Produktion von Elektrodenmaterial oder Legierungen. Wird es über die Lunge aufgenommen, treten Symptome wie Husten oder Lungenödeme auf. Beim Verzehr sind Übelkeit, Erbrechen und Kollaps möglich.

der Weg über die Lunge, was bleihaltige Autoabgase einst so gefährlich machte. Blei lagert sich an das Hämoglobin an und verteilt sich im ganzen Körper. Die knochen- und zahnaufbauenden Phosphate reagieren mit ihm zu stabilen Bleikomplexen, sodass es sich hier im Körper anreichert. Chronische Belastungen führen zu neuronalen Schäden wie Lähmungen, zu Blutarmut und Muskelschäden.

Blei lässt sich bereits über Kerzenflammen schmelzen. Es reicht eine Temperatur von 328 °C.

Aus dem leicht formbaren Blei wurden die Buchstaben für den Buchdruck geformt.

Das Schwermetall Blei ist als Batteriebestandteil bekannt. Aus Benzin und Farben wurde es in den 1970er-Jahren verbannt. Das leicht schmelz- und formbare Metall führte schon früh zu Vergiftungen, die als solche erkannt wurden. Dennoch wurde es lange Zeit als Munition verwendet. Für Wasserleitungen dürfen heute keine Bleirohre mehr verwendet werden, es gibt sie aber mitunter noch in alten Häusern. Im Magen wird das Blei kaum aufgenommen, gefährlicher ist

Bilder der Gesteine von Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0

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7 Chemie der Moderne

Metallurgie

Vom Bergbau bis zu Eigenschaften nach Wunsch Im Bergbau werden Erze gefördert, aus denen man verschiedene Metalle gewinnt. Ihre physikalischen Eigenschaften sind weithin bekannt, etwa gut Strom und Wärme zu leiten sowie verformbar zu sein. Der Grund dafür liegt in ihrem Materialaufbau, der atomaren Struktur. Bei Metallen wird das Gitter von Atomrümpfen – den Kationen – gebildet, die an festen Gitterplätzen verharren. Metallatome geben nämlich ihre äußeren Elektronen relativ leicht ab, sodass sich diese über größere Distanzen bewegen können. Sie bilden ein Elektronengas, das die Atomrümpfe zusammenhält und so die metallische Bindung () erzeugt. Die Eigenschaften der Metalle können beeinflusst werden, wenn man sie miteinander mischt und dadurch eine Legierung herstellt. Um dies zu verstehen, betrachten wir die Anordnung der Atomrümpfe im Metallgitter. Nimmt man nur einen Ausschnitt und betrachtet eine einzige Atomlage, lässt sich das Bild wie ein Karton beschreiben, dessen Boden vollständig von einer Lage Kugeln bedeckt ist. Kommt eine zweite Lage

Modelle zur Kristallisation von reinem Kupfer (links) und der Mischung von Kupfer und Zinn (Bronzelegierung, rechts)



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+

− −

freie Elektronen



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+ −

+ +

Metall-Atomrumpf

Die metallische Bindung kann man sich als Elektronengas zwischen den Atomrümpfen vorstellen.

hinzu, so liegen die neuen Kugeln in den Mulden zwischen den unteren Kugeln. Die dritte Lage kann nun genau wieder senkrecht über der untersten Lage liegen oder etwas verschoben sein. Dies sind die möglichen sogenannten dichtesten Kugelpackungen. Da in Legierungen nicht alle Kugeln gleich groß sind, kommt es zu Störungen der Kugelpackung. Bei kleineren Kugeln rücken die nächsten Nachbarn enger zusammen. Größere weiten mitunter sogar den Karton, also das Gitter, auf. Führen wir das Gedankenmodell noch etwas weiter. Beim Gebrauch eines Werkstücks entsteht Spannung: Der Karton neigt sich zur Seite und eine Lage der Kugeln kommt in Bewegung. Sind alle gleich groß, geschieht dies leicht und das Metall verformt sich. Sind sie unterschiedlich groß, behindern sich die Kugeln über die eigene Schicht hinaus: Deshalb sind Legierungen härter und temperaturbeständiger.

Die chemische Bindung  S. 18 J. Evers, L. Möckl Wichard von Moellendorff Chemie in unserer Zeit 2015 (49), 236–260 D. Lohmann, N. Podbregar Im Fokus: Bodenschätze Springer 2012

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Metallurgie

Nun halten die Elektronen die Kugeln wie Kitt zusammen und das Kugelmodell ist nur eine ganz grobe Skizze. In realen Legierungen treten immer auch Gitterfehler auf oder es bilden sich verschiedene Mischkristalle, also lokal unterschiedliche Mischungsverhältnisse der beteiligten Atomsorten. Diese Bereiche folgen grob dem Metallgitter, weichen aber doch etwas ab: Diese sogenannten Fehlstellen behindern das Gleiten der Lagen und härten die Legierung zusätzlich wie bei Superlegierungen. Die wahrscheinlich am längsten bekannte Legierung ist Bronze (). Vermischt man Kupfer mit Zinn (9–13 %), erhält man Bronze, die härter ist als reines Kupfer. Damit ließen sich erstmalig Werkzeuge herstellen. Für spezielle Anwendungen, etwa in Gasturbinen und Triebwerken, wo hohe mechanische Belastungen und Temperaturen auftreten, werden Superlegierungen auf Nickelbasis verwendet. Sie setzen sich aus vielen Metallen zusammen, den Hauptanteil macht Nickel aus. Coltangewinnung im Tagebau erfolgt im Kongo oder wie hier in Mosambik weitestgehend von Hand. Andere Länder wie Australien und Kanada bauen das Erz industriell ab.

Die Turbinenschaufeln in Flugzeugen bestehen aus Superlegierungen auf Nickelbasis.

In der Tagespresse ist immer wieder von dem „Metall“ Coltan zu lesen. Tatsächlich handelt es sich um ein Erz, das nur in kleinen Lagerstätten zu finden ist. Einige wichtige Lagerstätten kommen in der Demokratischen Republik Kongo vor, wo im Jahr 2002 eine UN-Kommission zu dem Schluss kam, der Bürgerkrieg habe den kaum mechanisierten, „artisanalen“ Das Erz Coltan Kleinbergbau gefördert. Die billigen Arbeitskräfte machten den illegalen Export lukrativ, der wiederum zur Finanzierung des Bürgerkriegs diente. In dem Erz mischen sich die Oxide der Metalle Niob (Nb), Tantal (Ta) sowie Eisen (Fe), Mangan (Mn) und Antimon (Sb). Das daraus gewonnene Tantal hält aufgrund seiner hohen Schmelztemperatur von rund 3000 °C sehr hohe Temperaturen aus. Da es sehr beständig gegenüber Säuren und Basen ist, wird es als Implantat in der Medizin genutzt. Der größte Teil der jährlich produzierten rund 1400 Tonnen Tantal wird zu Mikrokondensatoren in Laptops, Handys und Digitalkameras verarbeitet. Aufgrund ihrer Seltenheit gelten sowohl Tantal als auch Niob als „kritische“ Rohstoffe.

Foto rechts von Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0 Foto unten mit freundlicher Genehmigung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) Bronze, siehe: Metalle unserer Vorfahren  S. 216 Aluminium  S. 254

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7 Chemie der Moderne

Seltene Erden

… sind auch bloß Metalle, aber wertvolle! Im Periodensystem gibt es 17 auch als Seltene Erden bezeichnete Metalle, die sich in ihren Eigenschaften sehr ähneln. Dies sind die 14 Lanthanoide (Ln) und das namensgebende Lanthan (La). Außerdem sind ihnen Scandium (Sc) und Yttrium (Y) ähnlich, welche in den Perioden über Lanthan stehen und eine Nebengruppe mit ihm bilden. Physikalisch und chemisch großen Einfluss hat der abnehmende Ionenradius der dreifach positiv geladenen Metallkationen, die sogenannte Lanthanoidenkontraktion. Die Erklärung findet sich im Aufbau der Elektronenhülle – quantenmechanisch kann man herleiten, weshalb die Ladung des Atomkerns bei den schwereren Lanthanoiden weniger abgeschirmt wird

und die äußeren Elektronen daher stärker angezogen werden. Dadurch nimmt einerseits der Ionenradius ab, andererseits bleiben die chemischen Eigenschaften dieser Elemente sehr konstant, was die Trennung Industriell verwertete Erze sind Monazit und der abgebildete Bastnäsit, erschwert. (Ce,La,Nd,Y)[(F,OH)CO3]

Die ersten Seltenen Erden wurden Ende des 18. Jahrhunderts in Schweden auf der Insel Ytterby gefunden. Diese „Yttererde“ entpuppte sich als Mischung verschiedener Metalloxide. Das seltenste Seltenerd-Element ist Promethium, es ist aber immer noch häufiger in der Erdkruste zu finden als Gold oder Platin. Das häufigste, Cer, übertrifft im Vorkommen sogar Blei, Arsen und Quecksilber. Allerdings kommen diese Metalle nicht gediegen in Lagerstätten vor, sondern fein verteilt in verschiedenen Mineralien. Die größten Vorkommen, die sich zum Abbau eignen, gibt es in China, den USA und Australien. In den Gondeln von Windrädern wandeln Dauermagneten, die Seltenerd-Metall enthalten, mechanische in elektrische Energie um.

57 6. Periode

Lanthan

La 58 Cer

Ce 59

Pr 60

Praseodym

Foto oben von Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0

Nd 61

Neodym

Pm 62

Sm 63

Promethium Samarium

Eu

Europium

253

Seltene Erden

Zu den Anwendungen der Lanthanoide zählen beispielsweise Hybridfahrzeuge: Ihre Nickel-Metallhydrid-Batterien enthalten unter anderem Cer und Lanthan. Sehr bedeutend ist der derzeit stärkste Dauermagnet, der aus einer Neodym-Eisen-Bor-Legierung besteht. Wie bei einem überdimensionalen Dynamo wird er in die Gondel von Windkrafträdern gebaut. Lange Zeit waren die Seltenen Erden schwer voneinander zu trennen und der hierfür nötige Aufwand machte sie teuer. In den Erzen führt die kristallchemische Verwandtschaft der relativ kleinen Ionenradien dazu, dass die dreiwertigen Lanthanoide untereinander austauschbar und mischbar sind. Früher wurde für die Trennung oft tausendfach das pulverisierte Mineral aufgelöst, ein Teil als Salz ausgefällt, abgetrennt und erneut ausgefällt. Dabei fielen große Mengen konzentrierter Schwefelsäurelösungen an, die mitunter auch Thorium und Uran enthielten, also radioaktive Elemente. Abraum und Abwässer waren entsprechend schwer zu entsorgen. Ein anderes Trennungsverfahren nutzt Ionenaustauscher. An einer sogenannten Austauschersäule werden die Lanthanoide aus einer Lösung adsorbiert. Im nächsten Schritt werden die verschiedenen Metalle wieder gelöst, also heruntergewaschen. Dazu muss die Lösung ein Anion enthalten, das über mehrere Gruppen das Metallkation bindet und einen Komplex bildet. Feine Unterschiede in Ionenradius und Löslichkeit entscheiden, wer zuerst in Lösung geht. Aus den

64

Gd 65

Gadolinium

Terbium

Tb 66

Dy 67

Die Oxide seltener Erden. Die enthaltenen Metalle im Uhrzeigersinn, von oben in der Mitte beginnend: Praseodym, Cer, Lanthan, Neodym, Samarium und Gadolinium. Sie werden für analytische Zwecke verwendet.

einzeln aufgefangenen Lösungen lassen sich dann die Elemente gewinnen. Das Recycling lohnt vor allem bei Dauermagneten, da hier der Anteil an Seltenerdmetallen wie Dysprosium und Neodym höher ist als beispielsweise in ausgedienten Mobiltelefonen. Ein potenzieller Weg könnte die Beimischung fein zermahlener Altmagnete bei der Produktion neuer Magnete sein. Ähnlich wie einst beim Blei im Benzin wird zunehmend überwacht, wie sich Seltene Erden in der Natur verteilen. So wurden Samarium und Lanthan aus Katalysatoren der Erdölindustrie in Muscheln aus dem Rhein gefunden und in einem in Brasilien untersuchten See reichert sich das Röntgenkontrastmittel Gadolinium an.

Ho 68

Dysprosium Holmium

Erbium

Er 69

Tm 70

Thulium

Yb 71

Ytterbium

Lu

Lutetium

J. Soentgen Wie man mit dem Feuer philosophiert – Chemie und Alchemie für Furchtlose Peter Hammer Verlag 2015 D. Lohmann, N. Podbregar Im Fokus: Bodenschätze Springer 2012

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7 Chemie der Moderne

Aluminium

Das schwer zugängliche Leichtgewicht Aluminium kommt in der Natur nicht gediegen, also als elementares Metall, vor, sondern als schwer lösliches Salz. Den Rohstoff für seine Gewinnung bilden Erze wie Bauxit, das Oxide (AlO(OH)) und Hydroxide (Al(OH)3) von Aluminium enthält, vermengt mit solchen von beispielsweise Eisen. Letzteres verleiht dem Bauxit die rote Farbe. Daneben sind häufig noch Silicate und Titanverbindungen vorhanden. Der Name „Bauxit“ leitet sich von der ersten Fundstätte in Les Baux, Frankreich, ab.

Bauxit, ein Aluminiumerz mit hohem Anteil an rotfärbendem Eisenoxid

Bauxit kann im Tagebau aus Lagerstätten abgebaut werden.

Da auch Tone und Erden Aluminium enthalten, ist es insgesamt in der Erdkruste mit ca. 8 % noch häufiger als Eisen (rund 5 %). Schmelzflusselektrolyse macht Aluminium als Metall zugänglich. Zunächst werden die Begleitstoffe abgetrennt und Aluminium wird als Hydroxid in heißer konzentrierter Natronlauge (NaOH) gelöst. Die Begleitstoffe bleiben als toxischer Rotschlamm zurück. Dieser ist sehr alkalisch und wird in Absetzbecken, den Rotschlammdeponien, gelagert. Das abgekühlte Aluminiumhydroxid wird dann in Öfen zum Aluminiumoxid (Tonerde, Al2O3) geglüht. Damit die Ionen für die Elektrolyse beweglich sind, muss das Oxid geschmolzen werden. In der Schmelze wird dann das Aluminiumkation an der GraphitRotschlammbecken, aus der Luft aufgenommen, im Bützflether Moor nahe dem Aluminiumwerk bei Stade an der Elbe. In der Deponie setzen sich die begleitenden Salze ab, die Natronlauge kann wiederverwendet werden.

Foto Rotschlammdeponie (rechts) mit freundlicher Genehmigung von Ralf Bösch/Wikimedia Commons J. Blecker Chemie für jedermann Compact Verlag 2015

255

Aluminium

kathode unter Elektronenaufnahme zu Aluminium reduziert. An der Graphitanode wiederum reagiert der Graphit mit Sauerstoff zu Kohlendioxid (CO2) und entweicht aus der Schmelze. Deshalb müssen die als Elektroden geschalteten Graphitstäbe immer wieder nachgeführt werden. An der Oberfläche der Schmelze bildet sich eine Aluminiumoxidkruste, die das neu gebildete Aluminium vor der weiteren Reaktion mit Sauerstoff schützt. Die Schmelztemperatur für Tonerde liegt bei 2050 °C. Wird das Aluminiumsalz Kryoltih (Na3AlF6) zugemischt, fällt die Schmelztemperatur auf 960 °C, was den hohen Energieverbrauch senkt. Im Prozess muss darauf geachtet werden, dass die entstehenden giftigen Nebenprodukte, darunter auch reaktive Fluorverbindungen, abgesaugt werden und nicht in die Umwelt gelangen. Die vier Aluminiumhütten in Deutschland benötigen für jedes Kilogramm Aluminium zwischen 13 und 16 Kilowattstunden Strom. Eine moderne Elektrolysezelle Elektrolysezelle für Schmelzflusselektrolyse

Gase

Tonerde und Kryolith

Anode, Graphit

V

Zerknüllte Aluminiumfolie

Zu den Vorteilen von Aluminium zählen das geringe Gewicht und die Eigenschaft, dünne Oxidschichten zu bilden, die es vor einer weiteren Reaktion mit dem Luftsauerstoff schützen. Dünn ausgewalzt ist Aluminium sehr gut verformbar (Alufolie). Ein modernes Auto enthält im Durchschnitt 140 kg Aluminium meist als Legierung mit Zink, Magnesium und Kupfer. Heutzutage sind Aluminiumfolien und Grillschalen aus dem täglichen Gebrauch nicht mehr wegzudenken. Nach der Entsorgung im Müll werden diese Wertstoffe nach dem Schreddern ausgeblasen und wieder zu Sekundäraluminium eingeschmolzen. Die Eigenschaften des recycelten Metalls entsprechen denen des aus den Erzen gewonnen, dem Primäraluminium, jedoch werden nur etwa 5 % der Energie verbraucht, die für die Neuproduktion einer vergleichbaren Menge benötigt würde.

Wie sehr sich das Recycling lohnt, wird deutlich, wenn man die Gesamtproduktion betrachtet: Von Kruste aus den jährlich in Deutschland produzierten rund Aluminiumoxid 1100 Tausend Tonnen Aluminium stammen Schmelze 600 Tausend Tonnen aus dem Recycling. Damit entspricht der Anteil des SekundäralumiAluminium niums 55 % der Jahresproduktion und dadurch Kathode, einer sehr hohen Recyclingquote. Graphit

Die elektrochemische Spannungsreihe  S. 38 Metallurgie  S. 250

liefert 2,5 Tonnen Aluminium pro Tag. Insgesamt werden in Deutschland jährlich rund 500 Tausend Tonnen Aluminium neu produziert (weltweit über vierzig Millionen Tonnen).

256

7 Chemie der Moderne

Metalle aus dem Meer Manganknollen und Tiefseefräsen

Die Tiefsee galt lange Zeit als noch unerforschter als der Mond. Nichtsdestotrotz arbeiten einige Unternehmen an Technologien, um auch aus der Tiefsee Bodenschätze zu gewinnen. Manganknollen sollen in Zukunft durch Einsammeln geerntet werden. Neben 20–40 % Mangan, das meist in Legierungen zugesetzt wird, enthalten die Knollen wertvolle Metalle wie Nickel, Kupfer und Cobalt. Sie sind ähnlich wie Kiesel oval oder rundlich geformt und dabei bis zu 20 Zentimeter lang. Allerdings liegen sie im Sediment in vier bis sechs Kilometern Wassertiefe – man kann sie also nur schwer erreichen. Nach Berechnungen von Forschern der Bundesanstalt für Bergbau und Ressourcen (BGR) liegen auf dem Meeresboden 300 Milliarden Tonnen Manganknollen verstreut – Ressourcen, die für das 21. Jahrhundert ausreichen würden. Wie entstehen Manganknollen? Die vergesellschafteten Metalle Mangan, Cobalt, Nickel und Kupfer strömen in heißem Wasser gelöst aus den Zonen von mittelozeanischen Rücken, wo sich neue ozeanische Erdkruste bildet (Schwarze Raucher ). Jedoch fallen sie nicht als Sulfide aus, sondern werden mit der Meeresströmung in angrenzende Gebiete transportiert. Unterhalb Manganknolle aus dem Pazifik der Zone, in der sich auch

Ein Greifarm schneidet den aus Metallsulfiden entstandenen Schlot eines Schwarzen Rauchers ab.

die Kalkschalen von Algen und Muscheln auflösen, kommen die gelösten Metalle mit sauerstoffreichen Wasserströmen in der Tiefsee in Kontakt und reagieren zu Oxiden. Einer gängigen These zufolge besitzen bestimmte Bakterien als Schutz vor Umwelteinflüssen eine Proteinschicht, in der sich diese Minerale gut ablagern. Wo immer diese Bakterien eine Kolonie bilden, gibt es einen Ausgangspunkt zur Biomineralisation. Ihre äußere Schutzschicht bildet einen Kristallisationskeim, der dann weiter zu Knollen anwächst. Allerdings ist unklar, ob dies innerhalb von Millionen von Jahren oder in einer Zeitspanne von Hunderten von Jahren geschieht. Geologen gehen davon aus, dass Fische und Seegurken die Knollen beim Gründeln unbeabsichtigt wenden und so ihre Form mitbestimmen.

Schwarze Raucher  S. 134 S. Rentzing Tagebau in der Tiefsee Technology Review 2015 (4), 96-97 D. Lohmann, Najdja Podbregar Im Fokus: Bodenschätze Springer 2012

257

Metalle aus dem Meer

Die Umweltbedingungen der Tiefsee stellen für die Ingenieure eine Herausforderung dar. Die „Erntemaschinen“ müssen dem hohen Druck standhalten, dürfen aber nicht so schwer werden, dass sie ins weiche Sediment sinken. Außerdem müssen sie autonom fahren. Für den Abbau sulfidischer Erze aus den Schloten und Ablagerungen rund um Schwarze Raucher, die Kupfer, Gold, Eisen, Zink und Silber enthalten, hat sich die kanadische Firma „Nautilus Minerals“ Schürfrechte gesichert. Ihre Abraummaschinen räumen Sedimente zur Seite und zerkleinern Erze, sodass diese als Sediment-Mineral-Brei gepumpt werden können. Ein Rohr verbindet die Pumpstation mit dem Versorgungsschiff und überwindet so je nach Wassertiefe bis zu 1500 Metern Wassersäule, etwa bei der ersten Tiefseemine, die 2018 vor Papua-Neuguinea in Betrieb genommen werden soll. Ökologen sorgen sich um die Folgen für die Lebensgemeinschaft im Meer, da durch diese Methode beträchtliche Mengen Sediment aufgewirbelt würden. In der Fischerei richten Schleppnetze ähnliche Schäden an, weil sie den Boden glattraspeln. Ist dies in der Tiefsee weniger problematisch?

Als sicher gilt, dass sich die Lebensgemeinschaft nicht so schnell wiederherstellen würde. Maßnahmen, um Beeinträchtigungen gering zu halten, treiben die Abbaukosten der Knollen in die Höhe. Daher folgte auf den Hype am Ende des 20. Jahrhunderts zunächst ein Stillstand. Aufgrund der begrenzten Kupfer- und Manganvorkommen an Land wird jedoch künftig sicherlich auch in der Tiefsee geschürft werden. 1500 Meter tief im Wasser werden Eisensulfide zermahlen und als Brei zu einem Versorgungsschiff gepumpt.

Versorgungsschiff

Mit einer solchen Fräse lässt sich das Sediment beseitigen, um Erze am Meeresboden zugänglich zu machen.

Transportrohr

Pumpe

Abraummaschinen

Bilder auf dieser Seite und linke Seite oben mit freundlicher Genehmigung von Nautilus Minerals

258

7 Chemie der Moderne

Korrosion

Wenn Sauerstoff einen alt aussehen lässt Nach der Zerstörung durch Bomben im Zweiten Weltkrieg wurden in vielen Innenstädten die Straßen neu gebaut. Dabei setzten Stadtplaner auf Stahlbetonbrücken. Viele von ihnen sind mittlerweile in einem Alter, in dem sie zu schwächeln beginnen: Der Stahl rostet, der Beton korrodiert. Mit Dehnungsstreifen messen Ingenieure die Belastungen und entscheiden, ob die Brücken noch tragfähig sind, insbesondere für Lkws. Ein 40 Tonnen schwerer Lkw schadet der Brücke so sehr wie 100.000 Pkws. Industrienationen geben jährlich etwa 3–4 % des Bruttoinlandprodukts für Korrosionsschutz aus. Bei der Korrosion wirken Luft und Wasser zusammen und machen aus einer glatten Eisenoberfläche eine zerklüftete, zernagte (lat. corrodere, zernagen) und Die Kölner Severinsbrücke wird durch bis zu 200 Meter lange Stahlseile gehalten. Im Jahr 2013 wurde die Neubeschichtung unter anderem mit Zinkfarbe abgeschlossen: Die Gesamtfläche allein der Seile liegt bei 2000 Quadratmetern.

Verrostete Getränkedose aus Weißblech

poröse Schicht. Chemiker sprechen von einer Oxidation. Der Name entstand in einer Zeit, als man diese Reaktion vor allem mit Sauerstoff (engl. oxygen) in Verbindung brachte. Heute definiert sich eine Oxidation allgemeiner als eine Elektronenabgabe: Das metallische, ungeladene Eisen wird bei der Reaktion mit Sauerstoff oxidiert, indem es zwei Elektronen abgibt und zu Eisen(II)-kationen wird. Der Sauerstoff nimmt die Elektronen auf und seine negative Ladung erhöht sich, wobei man von einer Reduktion spricht. Zusammengefasst wird das Geschehen als Redoxreaktion bezeichnet. Kupfer ist edler als Eisen, weil es seine Elektronen nicht so leicht abgibt, also nicht so schnell oxidiert. Wertvolle Objekte wie Kirchendächer und Statuen werden daher oft aus Kupfer gestaltet. Mit der Zeit bildet sich dabei an der Oberfläche eine grüne Patina aus Kupfersulfat

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von der Deutschen Lackinstitut GmbH (DLI)

259

Korrosion

Luft Wasser (H2O)

Sauerstoff O2

OH



OH



OH



O2

2+

Fe O2

FeO(OH) Fe(OH2) Fe

Fe

Stahl (Eisen, Fe)

– –

Fe(OH2)

Fe

– –

2+

FeO(OH)

Elektronen

Fe

Eisen bleibt metallisch. Daher verwendet man für die Dächer von Schuppen und Werkhallen oft verzinkte Eisenbleche. Das Zink überzieht sich an der Luft mit einer dünnen, fest haftenden Schutzschicht aus Oxid und Carbonat, sodass nur die oberste Schicht oxidiert. An Schiffsrümpfen aus Stahl werden Opferanoden aus Zink angebracht. Der im Meerwasser gelöste Sauerstoff reagiert mit dem Zink, das in Lösung geht und dabei mit seinen Elektronen ähnlich wie eine Gleichstromquelle das Eisen vor Oxidation schützt.

Wenn Eisen rostet, spielen Wasser und Luft eine Rolle

(CuSO4 ∙ 3 Cu(OH)2), die das Metall vor weiterem Lufteinfluss schützt.

Hingegen bricht bei Weißblech, also Eisen mit einem Zinnüberzug, durch eine geschädigte Stelle der Schutz zusammen: Das edlere Zinn bleibt metallisch und das Eisen rostet.

Beim Rosten von Eisen entsteht zunächst Eisen(II)hydroxid (Fe(OH)2). Durch weiteren Luftsauerstoff reagiert das Hydroxid langsam weiter zu dem rotbraunen Eisen(III)-oxidhydroxid (FeO(OH)), in dem dreifach positiv geladene Eisenionen vorliegen. Je dunkler die Rostflecken sind, desto älter sind sie. Im Lauf der Zeit bilden sich dann gemischte Eisenoxide mit zwei- und dreifach positiv geladenen Eisenionen.

Die Stahlbleche für Kühlschränke, Waschmaschinen oder auch Autokarosserien werden in ein Bad mit Zinkdihydrogenphosphat (Zn(H2PO4)2) getaucht. Dabei bilden sich feinkristalline Schichten aus Zinkphosphat (Zn3(PO4)2 ∙ 4 H2O), die den Lack besser haften lassen und vor Korrosion schützen.

2 Fe + O2 + 2 H2O o 2 Fe(OH)2

Bei den Opferanoden an Schiffsrümpfen wie hier dem ehemaligen Seenotkreuzer H. J. Kratschke geht Zink als unedleres Metall in Lösung und schützt so den Stahlrumpf.

4 Fe(OH)2 + O2 o 4 FeO(OH) + 2 H2O Mit Anstrichen oder metallischen Überzügen kann man Eisen vor sich tiefer fressendem Rost schützen. Eine andere Methode besteht darin, eine geringe Gleichspannung anzulegen: Diese sorgt für den notwendigen Nachschub an Elektronen, sodass das Eisen nicht oxidiert. Bei einem metallischen Überzug wie Zink oxidiert zunächst das unedlere Zink und das

Bild unten rechts von Ralf Bösch (RaBoe)/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 Beton  S. 214

260

7 Chemie der Moderne

Kupfer und Gold Abbau und Gewinnung

Die Edelmetalle Kupfer, Silber und Gold wurden schon früh als Schmuck- und Gebrauchsmetalle entdeckt (). Während Silber vor allem aus Bergwerken gewonnen wird, ist Kupfer als Erz an der Erdoberfläche zu finden.

Kupfererze wie Kupferkies (CuFeS2) enthalten rund 70 % Kupfer. Der wichtigste Begleitstoff ist Eisensulfid, das zunächst in einem Röstprozess mit Koks und kieselsäurehaltigen Zuschlagstoffen in eine Schlacke überführt wird. Das resultierende Eisensilicat (FeSiO4) schwimmt über dem Kupferstein (Cu2S) und kann so leicht getrennt werden.

Der derzeit größte Kupferexporteur ist Chile. Dort werden Kupfererze im Tagebau gefördert, also aus offenen Schließlich reagiert die KupfersteinMinen, die sich stetig weiter in die schmelze mit eingeblasenem SauerLandschaft graben und eine immer stoff zu Rohkupfer und Schwefeldioxid größere Fläche einnehmen. Die Chu(SO2). Das Rohkupfer enthält noch etwa quicamata-Mine ist seit rund 100 Jahren 2 % andere Metalle und wird deshalb in in Betrieb und liegt auf 3000 Meter Höhe – Schwefelsäure gelöst und elektrolysiert. Kupfer-Nugget wobei die Grube an sich mittlerweile rund Dabei sinken die Fremdstoffe zu Boden, 900 Meter tief ist. Etwa 30 Millionen Tonnen Kup- während sich an der Elektrode reines Kupfer abscheifer wurden hier seit 1915 gewonnen. Für eine Ton- det. ne Kupfer müssen dabei 200 Tonnen Erz verarbeitet werden – entsprechend groß sind die Abraumhalden. Wo immer Abraum des Erztagebaus offen gelagert Damit verbunden sind eine hohe Feinstaubbelastung wird, kann Wasser zum Problem werden. Regenwasser, und giftige Abwässer. das durch die Abraumhalden sickert, und SchlammbeDie größte Kupfermine der Welt ist die chileni- Das Erz Kupferkies (CuFeS2) auf ei- Gerösteter Kupferkies, der sogenannte Kupfersche Chuquicamata-Mine. ner Mischung von Bleiglanz (PBS, stein links) und Zinkblende (ZnS)

Foto mit Kupferkies auf Bleiglanz und Zinkblende von Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0 Metalle unserer Vorfahren  S. 216

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Kupfer und Gold

cken von Bergwerken enthalten viele Sulfide und sind deshalb meist sauer. Diese Abwässer, auch als „Acid Mine Drains“ bekannt, fördern die Verwitterung von Materialien, die damit in Kontakt kommen. Für Lebewesen sind die hohen Metallkonzentrationen darin toxisch. Ein noch junger Ansatz zur Gewinnung von Kupfer, aber auch anderen Metallen aus den Abraumhalden ist die Biolaugung. Bei einem der Verfahren werden Halden aufgeschüttet und mit Wasser besprüht. Grob vereinfacht oxidieren vorhandene Eisensalze die Schwefelanionen der Sulfide zu Schwefel (S2− o S). Anschließend oxidieren natürlich vorkommende Bakterien wie Acidithiobacillus beim Durchsickern den Schwefel weiter zu Schwefelsäure (SO42−), wodurch sich Kupfersulfat im nun angesäuerten Wasser löst. Aus der aufgefangenen Lösung wird dann Kupfer abgeschieden. Noch heute wird bei Karlsruhe aus den Sedimenten des Rheins Gold gewonnen.

Saure Abwässer vom Kohletagebau tragen Eisenverbindungen in einen Zulauf des Flusses Missouri (USA) ein.

Gold ist so edel, dass es auch in der Natur gediegen, also elementar, vorkommt. Will man bei der Goldgewinnung das umgebende Gestein chemisch abtrennen, hat man daher ein Problem: Das edle Gold löst sich nicht so leicht auf. Industriell wird Gold mit einer Cyanidlösung (NaCN) ausgelaugt. Dabei wird das Gold als Cyanidsalz gebunden und anschließend durch Trocknen und Reduktion mit Zink zurückgewonnen, während die Lauge erneut eingesetzt wird. Dagegen ist die Gewinnung durch einen sogenannten Aufschluss umweltfreundlicher. Dazu wird Natriumborat (Na2B4O7) mit fein gemahlenem Erz geschmolzen. Vorhandene Oxide und Silicate reagieren mit dem Borat und schwimmen wegen ihrer geringeren Dichte oberhalb des Golds. Beim Abbau von Rheinsedimenten werden die drei Produkte Sand, Kies und Gold gewonnen. Hierbei wird Gold noch allein durch sein Gewicht physikalisch ausgewaschen und als „Biogold“ zu Schmuck und Medaillen verarbeitet.

Die elektrochemische Spannungsreihe  S. 38 Metallurgie  S. 250 D. Lohmann, N. Podbregar Im Fokus: Bodenschätze Springer 2012

262

7 Chemie der Moderne

Silicium und seine Oxide Facetten eines universellen Gerüstbildners

Im Periodensystem steht Silicium in der 4. Hauptgruppe und damit direkt unter dem Nichtmetall Kohlenstoff – darunter kommen in derselben Hauptgruppe Germanium, Zinn und Blei. Bei Zinn und Blei ist der metallische Charakter klar, da bei diesen großen Atomen die äußeren Elektronen nur schwach gebunden sind. Silicium und Germanium stehen als Halbmetalle dazwischen. Siliciumdioxid (SiO2) ist nicht gasförmig wie Kohlendioxid, sondern sucht ganz im Gegenteil die Verknüpfung zu benachbarten Molekülen. Es ist ein Gerüstbildner und entsprechende Silicate sind aus Ketten oder Netzwerken aufgebaut. Kieselalgen besitzen eine schützende Hülle aus Silicaten.

Betrachtet man die Zusammensetzung der Erdkruste, so stellen Sauerstoffatome einen Massenanteil von rund der Hälfte, ein weiteres Viertel nimmt Silicium ein. Es liegt in Gesteinen wie Feldspaten () und in Quarzen () wie Sand vor, aber man findet es auch im Pflanzen- und Tierreich. Pflanzen scheiden aus Kieselsäure (H4SiO4) ) an Kanten und Oberflächen von Gräsern und Halmen kleine Siliciumdioxidkristalle aus. Wie Glasfasern stabilisieren Silicate die Stängel von Bambus, weshalb diese ein so hervorragender Baustoff sind. Kieselalgen tragen die Säure, die ihre Schalen aufbaut, bereits im Namen. Die fossilen Sedimente aus abgestorbenen Kieselalgen heißen Kieselgur und dienen als wichtiges Adsorptionsmittel im Labor. Dabei bleiben Moleküle oder Atome aufgrund von physikalischen Anziehungskräften an der Oberfläche des Silicats haften. Soll im Labor ein Stoffgemisch getrennt werden, wird Kieselgur in Glassäulen geschichtet und die oben eingefüllte Lösung der Stoffe rinnt hindurch. Die Strukturen von Silicaten im zweidimensionalen Modell: kristalliner Quarz (links), Quarzglas (Mitte) und Alkalisilicatglas (rechts). Metalle der Alkaligruppe sind Natrium (blau) und Kalium (lila).

Feldspat  S. 86 Quarz  S. 84

263

Silicium und seine Oxide

Kübel mit Gemenge aus Sand, Soda (Na2CO3) und Kalk (CaCO3) für die Glasschmelze (links) und farbige Gläser in der Glashütte Lamberts

Die Wechselwirkungen sind für jeden Stoff typisch, sodass einige stärker haften als andere. Mit einem weiteren Lösungsmittel kann man nun gezielt einzelne Stoffe wieder von der Kieselgur lösen.

Schmelzen Fäden gezogen. In Kunststoffen verstärken sie Bauteile, als Glaswolle dämmen sie. Mit Eisenoxiden in der Schmelze erhält man braune Flaschen, in denen z. B. Bier besser vor Licht geschützt ist.

Quarz ist fast reines Siliciumdioxid und wird zur Herstellung von Glas benötigt. Bereits im 12. Jahrhundert entstanden dort, wo guter Quarzsand für die Schmelze und viel Wald zum Verheizen verfügbar waren, Glashütten.

Für technische Anwendungen als Halbleiter benötigt man elementares Silicium. Dazu wird Siliciumdioxid mit Kohle reduziert. Gereinigt wird das Silicium, indem man es zunächst in eine flüchtige Verbindung wie etwa Trichlorsilan (SiHCl3) umwandelt, die dann destilliert wird. Das hieraus abgeschiedene Silicium eignet sich bereits für Solarzellen. Für Wafer, also letztlich Computerchips, wird es eingeschmolzen und ein hochreiner Einkristall hergestellt. Dazu wird ein Impfkristall langsam aus der Schmelze gezogen und das Silicium lagert sich unten an.

Im Gegensatz zu etwa Quarz im Bergkristall, der eine hochgeordnete Kristallstruktur hat, erstarrt die Schmelze bei der Glasherstellung schneller, als die Kristalle zum ungestörten Wachsen brauchen. Dadurch wechseln sich die Ausrichtungen der kristallisierenden Bereiche im Glas schnell ab – diese Unordnung führt zum amorphen, wenngleich erstarrten Zustand. Daher wird Glas auch als unterkühlte Schmelze bezeichnet.

Einkristalle von hochreinem Silicium und Wafer

Die Basis für das normale Gebrauchsglas für Fenster, Trink- und Spiegelgläser bildet Natron-Kalk-Glas (13 % Na2O, 12 % CaO, 75 % SiO2). Für die im Bau viel verwendeten Glasfasern und auch Glaswolle werden beispielsweise aus Calcium-Aluminiumborsilicat-

Fotos oben von Sylvia Feil, mit freundlicher Genehmigung der Glashütte Lamberts, Waldsassen

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7 Chemie der Moderne

Methan und Ethen

Fossile Alkane, Alkene und Petrochemie Die einfachste Kohlenwasserstoffverbindung ist Methan (CH4), gefolgt von Ethan (C2H6). Während aber Methan zu den wichtigsten Grundchemikalien zählt, trifft dies auf Ethan nicht zu – jedoch wiederum auf Ethen, wie wir sehen werden. Mit einem Anteil von mindestens 75 % ist Methan neben Ethan, Propan und Butan der Hauptbestandteil von Erdgas. Es entsteht unter Luftausschluss bei der bakteriellen Zersetzung organischer Materialien, wodurch es sich im Erdreich in Lagerstätten sammelt und oft Strukturformel auch Schwefelverbindungen enthält. von Methan

Offshore-Vorkommen von Erdgas wie im „Entenschnabel“ in der Nordsee vor Borkum in rund 2600 Metern Tiefe werden konventionell durch Bohrungen erschlossen. Dazu wurde im Jahr 2000 eine neue Pipeline horizontal durch den Meeresboden unter der Nordsee getrieben.

Kohleflöz undurchlässige Schicht Schiefergestein Gas Gas, im Gestein eingeschlossen

Riss

Unkonventionelle Lagerstätten stellen eine größere technische Herausforderung dar, etwa Gaslager im Schiefer, auch Shale Gas genannt. Beim sogenannten Fracking werden Gesteinsschichten hydraulisch aufgebrochen und so unterirdische Kanäle geschaffen, durch die das Gas entweichen kann. Außer enormen Wassermengen sind dafür auch Chemikalien nötig, deren Einsatz wiederum das Grundwasser gefährden kann. Weitere Methanquellen sind Gashydrate, Käfige aus Wassereis, die Methan beherbergen (). Von ihnen soll es Schätzungen zufolge weltweit 1500 Billionen Kubikmeter geben. Die Hydrate entstehen in Tiefen, in denen der Druck das Gas enorm zusammenpresst. Werden Gashydrate gehoben, lösen sie sich aufgrund des Druckunterschieds auf. Aus einem Volumen von einem Liter Gashydrat setzen sich rund 164 Liter Methan frei und etwa 0,8 Liter Wasser bleiben zurück. Der Abbau von Gashydraten ist noch umstritten. Methan wird auch aus Grubengas, den MethanLuft-Mischungen in den Gängen (Flözen) im Kohlebergbau, gewonnen. Es wird abgepumpt, um die Explosionsgefahr zu mindern und in Kleinkraftwerken verwertet, um Strom zu erzeugen. Lagerstätten und mögliche Wege der Förderung. In der Lupe wird das Prinzip des Frackings skizziert: Durch Druck werden Risse in kleinere Gesteinshohlräume gesprengt, sodass eingeschlossenes Gas entweichen kann.

Die Petrochemie gewinnt aus fossilen Brennstoffen Energie und stellt chemische Grundchemikalien

Methanhydrat  S. 108 D. Lohmann, N. Podbregar Im Fokus: Bodenschätze Springer 2012 T. K. Zimmermann, F. E. Kühn Molekulare Katalysatoren zur Bindungsaktivierung Chemie in unserer Zeit 2015 (49), 248–259

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Methan und Ethen

her. Das Kernstück zur Auftrennung der im Erdöl () vermischten Kohlenwasserstoffe ist die Destillation, man spricht auch von der Raffination. Dazu wird das Erdöl auf 400 °C erhitzt und der Dampf steigt in riesigen Raffination Erdöl Säulen, den Kolonnen, auf. Die Kolonnen enthalten Zwischenböden, an denen zuerst die schwers- Wichtige petrochemische ten Bestandteile konden- Prozesse sieren – beim Aufsteigen kühlt der Dampf ab, und da die Schweröle den niedrigsten Siedepunkt haben, wandeln sie sich zurück in eine ölige Flüssigkeit.

> 350 °C

Rückstand Schweröle, Bitumen

250–350 °C

Gasöle Diesel, Heizöle

150–250 °C

Cracken 500 °C, Katalysator

kurzkettige Alkane, Alkene, ringförmige Kohlenwasserstoffe

Kerosin Flugbenzin

30–150 °C

< 30 °C

Benzine

Reformer

Lösemittel, Autobenzin

500 °C, Katalysator

verzweigte und ringförmige Kohlenwasserstoffe

Gase

Siedebereich

Alkane, Alkene

gen, was im Namen durch die Endung „-en“ deutlich wird, wie beispielsweise bei Ethen (C2H4).

Je kürzer die Kohlenwasserstoffketten der Moleküle, desto höher steigen sie auf. Für Benzin sind dies vier bis fünf Kettenglieder. Die Fraktion, die zwischen 75 und 160 °C kondensiert, wird anschließend im Reformer erneut erhitzt. An Katalysatoren reagieren die Kohlenwasserstoffe zu verzweigten Ketten und zu geschlossenen Ringen.

Aus Ethen wird nicht nur der Kunststoff Polyethylen hergestellt, sondern auch andere wichtige Ausgangsstoffe für Kunststoffe () wie PVC und Polystyrol. Außerdem ist Ethen ein Phytohormon, das für die induzierte Nachreifung von Tomaten und Äpfeln Verwendung findet.

Die langkettigen, hochsiedenden Fraktionen der Destillation werden hingegen aufgespalten – im sogenannten Cracker. Dabei bilden sich neben ringförmigen Kohlenwasserstoffen auch solche mit Doppelbindun-

Erdöl wird auch heute noch als Hauptquelle für Petrochemikalien genutzt, da alternative Verfahren, das Gas Methan in die Flüssigkeit Methanol (CH3OH) zu wandeln, bislang zu teuer sind.

H

H C C

H

H

Struktur von Ethen, Nebenbestandteil von Erdgas und Produkt des Erdgas-Crackens

Erdöl  S. 110 Kunststoffe  S. 278

Erdölraffinerie im Abendlicht

266

7 Chemie der Moderne

Zeolithe

Katalysatormaterial und Wasserenthärter Etwa 85–90 % aller chemischen Erzeugnisse werden mithilfe von katalysierten Reaktionen hergestellt. Dabei spielen seit mehr als vier Jahrzehnten die mikroporösen Zeolithe eine wichtige Rolle. Etwa 150 verschiedene synthetische Zeolithe katalysieren selektiv Reaktionen im Sinne einer Wirt-Gast-Chemie. Ein Wirtsgitter nimmt dazu mit seinen mikroskopischen Hohlräumen Gastatome oder Gastmoleküle auf und aktiviert sie so für chemische Reaktionen. Dies ist auch der Fall bei einem mineralischen Silicat, das eines der rund 50 bekannten natürlichen Zeolithe ist: Lapislazuli. Eingelagerte Schwefelanionen färben ihn blau Tetraeder (Kristallfarben ).

Sauerstoffbrücken bilden die Kanten

eckenverknüpfte Tetraeder

Auf atomarer Ebene mischen sich in Zeolithen Aluminiumund Siliciumoxid, dabei sind AlO4-Tetraeder mit SiO4-Tetraedern verknüpft, ähnlich wie bei Feldspat (). Die Anzahl der Siliciumdioxid-Einheiten ist immer gleich oder größer als die der AluminiumoxidEinheiten. Die zentralen MetallKationen und je ein Sauerstoff-Anion sind nicht zu sehen.

O2–

Aluminium bildet nur ein dreiwertiges Kation (Al3+), sodass der Aluminiumtetraeder eine negative Ladung trägt. Da viel Wasser eingelagert ist, gleichen Protonen (H+) die Ladung aus. Daher spricht man von einem sauren Katalysator. Zugleich wird auch deutlich, dass das Verhältnis von Aluminium- zu Siliciumtetraedern steuert, wie stark negativ der Zeolith geladen ist. Die allgemeine Formel zeigt, dass auch eingelagerte Kationen der Alkali- (MI) und Erdalkalimetalle (MII) diesen Ladungsunterschied ausgleichen können. Zeolithe wirken dadurch wie eine Feststoffsäure und können in einer Anzahl industrieller Prozesse flüssige Säuren als Katalysatoren ersetzen. Die Tetraeder bilden Grundstrukturen, die an Käfige erinnern: Hohlräume, die von „Sauerstoffbrücken-Gitterstäben“ umgeben sind. Im Falle von Zeolith ZSM-5 heißt diese Baueinheit Pentasil.

Si4+ oder Al3+

Darstellungen von eckenverknüpften Silicium- und Aluminiumtetraedern

Kristallfarben  S. 232 Feldspat  S. 86 Silicium und seine Oxide  S. 262

Die allgemeine Strukturformel für diese Alumosilicate lautet: (MI2,MII)n+x/n [(AlO2)−x(SiO2)]y ∙ z H2O.

Pentasil besteht aus acht Fünferringen, die über Sauerstoffbrücken vernetzt sind. Zehn dieser Einheiten bilden die

Zeolithe

267

ten den sogenannten Kesselstein bilden, der vor allem aus den Carbonaten (CaCO3 und MgCO3) besteht. Hartes Wasser enthält besonders viele dieser Carbonate, sodass der Kesselstein die Heizstäbe als weißer Belag überzieht und deren Leistung mindert. Zeolithe, die frei übersetzt siedende Steine heißen, haben die Eigenschaft, beim Erwärmen das eingelagerte Wasser abzugeben. Ausgeglühte Zeolithe nehmen erneut Wasser auf und können als Trocknungsmittel eingesetzt werden.

Dreidimensionale Struktur: Die zehn porenbildenden Pentasile sind gut erkennbar.

Pore zu einem Kanal, der den Kristall durchzieht. Diese lockere Struktur zeichnet Zeolithe aus. Die innere Oberfläche ist mit bis zu 2000 Quadratmetern pro Gramm sehr groß, was für Katalysen wichtig ist. Zugleich sind die Porendurchmesser im Bereich von 0,5–1,2 Nanometern durch die verwendeten Käfige festgelegt. Daher eignen sich Zeolithe als molekulare Siebe: Nicht jedes Gastmolekül passt durch die Poren.

Der Katalysator H−ZSM−5 spielt beim Cracken von Erdöl eine wichtige Rolle. Dabei entstehen aus langkettigen Kohlenwasserstoffen beispielsweise Ethen, Propen oder Aromaten, je nach Druck, Temperatur und Verweildauer. Modifizierte H−ZSM−5-Katalysatoren liefern in Reformern verzweigte und ringförmige C5- bis C9-Bausteine für Benzin. Die Prozessbedingungen steuern also, welches Produkt entsteht. Kalottenmodell eines Zeoliths. Die Metallkationen sind grau und die Sauerstoffbrücken rot dargestellt. Bei dieser raumfüllenden Darstellung sind die Kanäle gut erkennbar.

Diese selektive Wirkung wird noch durch die bereits erwähnte Ladung verstärkt, wenn Ionen ausgetauscht werden sollen. Etwa wenn Zeolithe als Wasserenthärter in Waschmitteln Magnesium- und Der Zeolith Pentasil. Nur Calciumkationen aus hartem die Metallkationen sind Wasser entfernen sollen. Diedargestellt, die Kanten se Kationen würden ansonssind Sauerstoffbrücken.

Bild oben links mit freundlicher Genehmigung von Christian Bärlocher T. K. Zimmermann, F. E. Kühn Molekulare Katalysatoren zur Bindungsaktivierung Chemie in unserer Zeit 2015, (49), 248-259 M. Bertau, K. Räuchle, H. Offermanns Methanol – die Basischemikalie Chemie in unserer Zeit 2015, (5), S. 312-329

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7 Chemie der Moderne

Methanol und Ethanol Alkohole für Kraftstoffe

Methanol und Ethanol haben hohe Brennwerte und sind damit ideal als Energielieferanten. In vielen Nationen werden sie dem Benzin zugemischt: Ethanol (CH3−CH2−OH) dem Benzin in Brasilien, den USA und Deutschland, Methanol (CH3−OH) in China. Mit Methanol lässt sich auch ein Typ von Brennstoffzellen betreiben. Kugel-StabModelle von Methanol und Ethanol

Der hohe Brennwert von Methanol wurde bereits früh erkannt. Die Gase, die beim Verkohlen von Holz entstehen, bestehen zu einem großen Teil aus Methanol. Mit der Erfindung eines katalysierten Hochdruckverfahrens konnte Methanol auch unabhängig von Holz aus Braunkohle gewonnen werden. In den Leunawerken wird Methanol seit 1923 aus dem bei der Braunkohleproduktion anfallenden Gasgemisch, auch als Synthesegas (H2/CO) bekannt, hergestellt. Das Verfahren wurde seither mehrfach verbessert: Von 100 bar sank der benötigte Druck auf 50 bar, die Temperatur von anfangs 400 °C auf 260 °C.

Friedrich Asinger (1907-1999) legte den Grundstein zur Idee einer „Methanol-Wirtschaft“

Methanol verbindet sich zu Dimethylether und wandelt sich – unter der Nutzung einer Aluminiumoxid-Oberfläche als Katalysator – in Ethen um.

Die Vision einer „Methanol-Wirtschaft“ geht auf Friedrich Asinger (1907–1999) zurück und wurde wesentlich von George Andrew Olah (geb. 1927; Nobelpreis für Chemie 1994) weiterentwickelt. Demnach ist es das Ziel, Methanol aus Kohle, dem Kohlendioxid der Luft und Wasserstoff herzustellen. Die Schlüsselidee ist, dass sowohl das Synthesegas als auch Methanol ausgehend von verschiedenen Rohstoffen gewonnen und ineinander überführt werden können. Vorausgesetzt, Wasserstoff stünde aus regenerativ gewonnener Energie bereit, könnte das Kohlendioxid aus Verbrennungsprozessen in Methanol umgewandelt und nachhaltig genutzt werden. China, das große Kohlelagerstätten besitzt, setzt beim Wirtschaftswachstum auf eine hierauf aufbauende Coal-to-Chemicals-Strategie. Darin ist Methanol die

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Aleix Comas Vives und Christophe Copéret A. Comas-Vives, M. Valla, C. Copéret, P. Sautet Cooperativity between Al–sites Promotes H-Transfer and Carbon–Carbon Bond Formation upon Dimethylether Activation on Alumina ACS Cent. Sci. 2015 (1), 313–319

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Methanol und Ethanol

Schlüsselkomponente und stellt wichtige Basischemikalien wie Ethylenglykol, Dimethylether (C2H6O), Ethen und Propen bereit. Dimethylether ist ein wichtiger Zusatz von Dieselkraftstoffen; die übrigen CheMethanol − H2O Dimethylether 2 CH3OH + H2O H3C O CH3 mikalien bilden die Basis für zahlreiche Anwendungen, etwa für die Polymerisation zu Kunststoffen. 2 CH3OH o H3C−O−CH3 + H2O Der Begriff Methanol-to-Hydrocarbons (MTH) oder auch Mobilprozesse bezeichnet eine Reihe von Reaktionen, in denen aus Methanol, das nur ein CAtom enthält, Chemikalien mit zwei bis zehn Kohlenstoffatomen gewonnen werden. Ein Index am C-Atom gibt die Anzahl der verknüpften Kohlenstoffatome an; so spricht man beispielsweise von C2-Bausteinen. Der Aufbau größerer Moleküle erfolgt dabei an Katalysatoren aus künstlichen Zeolithen (). Ihre engen Kanäle bringen die Reaktionspartner so nah zusammen, dass sich leichter eine neue Bindung zwischen zwei Kohlenstoffatomen bildet. Als Grundchemikalie wird Methanol zu einer Vielzahl von Produkten verwertet. Methanol-DimethyletherGemische ersetzen beispielsweise schwefelhaltiges Schweröl im Schiffsverkehr. Weitere Produkte sind Methyl-tert-butylether, ein Antiklopfmittel im Benzin, und Formaldehyd, das selbst wieder eine Grundchemikalie für viele Reaktionen und auch für Polymerisationen zu Kunststoffen ist. Essigsäure wird aus diesem Alkohol gewonnen. Zudem dient Methanol als wichtiges Lösungsmittel in der organischen Chemie.

Alkene Ethen (C2H4), Propen (C3H6) und höhere

H2C CH2 H2C CH CH3

Bildung der C-C-Bindung

CH3

Aromaten Benzol, Toluol und andere Katalysator H-ZSM-5

Schema der Mobilprozesse

Benzin

CH3

C4- bis C12-Bausteine H C 3 wie das verzweigte Neopentan (C5H12)

C

CH3

CH3

Ethanol ist in alkoholischen Getränken enthalten und ebenso wie Methanol in jedem Verhältnis mit Wasser mischbar. Hefen erzeugen Ethanol aus Glucose (Gärung ): C6H12O6 o 2 C2H5OH + 2 CO2 Wie nachhaltig Kraftstoffe auf der Basis von Ethanol sind, wurde intensiv in der „Teller gegen Tank“ betitelten Debatte diskutiert. Kern des Diskurses ist, dass Agrarflächen mit der Landwirtschaft für Nahrungsmittel konkurrieren. Hefe (angefärbt) produziert Ethanol

Zeolithe  S. 266 Alkoholische Gärung  S. 218 M. Bertau, K. Räuchle, H. Offermanns Methanol – die Basischemikalie Chemie in unserer Zeit 2015, (5), 312–329

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7 Chemie der Moderne

Farbstoffe

Es ist alles so schön bunt hier Der Spruch „Möhren sind gut für die Augen“ hat den Hintergrund, dass im Körper aus Carotinoiden Vitamin A entsteht, was wiederum wichtig für den Aufbau des Sehfarbstoffs Rhodopsin ist. Die Farbstoffe der Möhre sind also für Menschen essenziell. Wie aber sehen wir die Farbe der Möhre? Aus dem Spektrum des sichtbaren Lichts absorbieren Farbstoffe jeweils einen bestimmten Bereich von Wellenlängen. Im Falle von β-Carotin wird Licht im blauen Bereich absorbiert, sodass die Komplementärfarbe ohne Gegenpart hervorsticht: Das Auge nimmt Orange wahr. Verantwortlich für die Absorption des grünen Lichts ist das sogenannte Chromophor, jener Teil des β-Carotin-Moleküls, der die Energie des Lichts aufnimmt. Genauer betrachtet nehmen die Mehrfachbindungen in dem organischen Molekül die Energie auf, und zwar besonders dadurch, dass sich Einfach- und Doppelbindungen abwechseln. Chemiker sprechen von konjugierten Bindungen, die delokalisieren. LetzMöhren, auch Karotten genannt (Daucus carota)

teres besagt, dass die Elektronen der Doppelbindungen sich nicht für eine Seite des Kohlenstoffatoms entscheiden, sondern wie beim Benzol () hin und her wechseln. Die Energie aus dem Licht macht sie mobiler. Das Chromophor von β-Carotin umfasst elf Doppelbindungen und zählt damit zu den Polyenen (die Silbe -en weist in der chemischen Benennung auf eine Doppelbindung hin). Spezialisten ahnen schon: Es handelt sich um ein Terpen (). Struktur von β-Carotin (oben) und seinem Spaltprodukt Vitamin A, auch Retinol genannt (unten). Das Protein Opsin bindet Retinol und bildet so Rhodopsin, den Sehfarbstoff.

Benzol  S. 36 Terpene  S. 184

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Farbstoffe

Spannend war der Beginn der Farbenindustrie. So wurde 1856 Mauvein entdeckt, als man versuchte Chinin, den gängigen Naturstoff gegen Malaria, zu synthetisieren. Als möglicher Ausgangsstoff galt Anilin mit seinem Benzolring (C6H6) und anhängender Aminogruppe (−NH2), welches seit 1834 aus Steinkohleteer () zugänglich war. Das blaue Mauvein war der erste beständige synthetische Farbstoff.

Mauvein in der historischen Farbstoffsammlung der TU Dresden

Ein schönes Naturschauspiel bietet der Herbst, wenn die Blätter der Bäume ihre Farbe wechseln. So treibt Ahorn im Frühjahr grün aus, während er im Herbst Farben von leuchtend gelb bis rot bietet. Die grünen Blattfarbstoffe, Chlorophylle, dienen der Energieaufnahme aus dem Sonnenlicht für die Photosynthese (). Rote Blattfarbstoffe wie die Anthocyane hingegen dienen eher als Sonnenschutz und werden vermehrt im Herbst gebildet. In den kühlen Morgenstunden würde insbesondere der UV-Anteil des Sonnenlichts im Blatt Radikale erzeugen, die zerstörerisch auf das Gewebe wirken. Wie ein UV-Filter nehmen die gelben und roten Blattfarbstoffe diese Energie auf und schützen so das Blatt. NH2

Anilin (links) und Nitrophenol (rechts) sind Ausgangsstoffe zahlreicher Teerfarben. Auch der Wirkstoff Phenacetin (unten) basiert auf Nitrophenol.

OH

NO2

Photosynthese  S. 160 Kohle  S. 112 Kristallfarben  S. 232

Damit begann die Erfolgsgeschichte der Teerfarben, die eine synthetische Alternative zu den Naturfarbstoffen boten. Anilin und viele weitere Farbstoffe verhalfen der chemischen Industrie zum Durchbruch. Der Boom der Textilindustrie führte vor rund 150 Jahren zur Gründung gleich mehrerer Firmen wie Hoechst, Bayer, BASF und Agfa. Auch in die entgegengesetzte Richtung funktionierte der Transfer: Auf der Suche nach Farbstoffen werden bis heute immer wieder pharmakologisch interessante Stoffe gefunden. Durch Zufall entdeckten Farbstoffchemiker im Jahr 1886, dass eine Verbindung namens Phenacetin Fieber senkt. Ausgehend von Anilin fiel bei der Herstellung eines blauen Farbstoffs als Nebenprodukt der Grundstoff Nitrophenol (C6H5NO3) an, der für die Synthese von Phenacetin gebraucht wurde. Mit Phenacetin gelang der Firma Bayer im Jahr 1888 der Einstieg in die pharmazeutische Sparte. Bereits 1899 folgte Aspirin®, das zusammen mit Phenacetin zu den ersten industriellen Arzneimitteln überhaupt zählt. Die Grundstoffe für dieses Schmerzmittel fielen ebenfalls bei der Destillation von Steinkohleteer an. Ein weiteres heute bekanntes Schmerzmittel, Paracetamol, entsteht im Körper als Abbauprodukt von Phenacetin. Das zeigten klinische Tests 1948 und verhalfen damit Paracetamol zum Durchbruch als Einzelpräparat.

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7 Chemie der Moderne

Ozon

Am Boden gefährlich, darüber unentbehrlich Bei geringer Ozonkonzentration in der Atemluft werden zunächst unsere Atemwege gereizt, die Augen beginnen zu tränen und man neigt zu Kopfschmerzen. In höherer Konzentration ist Ozon sogar giftig und wir nehmen einen stechenden chlorartigen Geruch wahr – es ist also wichtig, dass unsere Atemluft möglichst wenig Ozon enthält.

Der Smog über Los Angeles, vom Flugzeug aus gesehen

Normalerweise kommt elementarer Sauerstoff in unserer Atmosphäre als zweiatomiges Molekül vor, also als O2. Unter bestimmten Bedingungen können aber auch dreiatomige Sauerstoffmoleküle (O3) in der Luft entstehen, die man als Ozonmoleküle bezeichnet. Ozon ist ein sehr reaktionsfreudiges Gas, das in der Luft innerhalb einiger Tage zu normalem Sauerstoff (O2) zerfällt. Kommen Ozonmoleküle mit organischen Stoffen in Berührung, dann geben sie gern Sauerstoffatome ab und zerstören so diese Stoffe durch Oxidation. Das kann man beispielsweise dazu nutzen, um bei der Wasseraufbereitung gefährliche Keime abzutöten.

Problematisch wird es bereits, wenn der Grenzwert von 100 Mikrogramm pro Kubikmeter in Bodennähe deutlich überschritten wird, was beispielsweise beim sogenannten Sommersmog unter Mitwirkung von UV-Strahlung, Stickstoffdioxid (NO2) und Kohlenwasserstoffen geschehen kann. Je mehr unverbrannte Kohlenwasserstoffe und NO2 unsere Motoren, Heizanlagen und Kraftwerke ausstoßen, umso mehr schädliches Ozon kann sich im Sonnenlicht bilden. Auch deshalb ist es so wichtig, dass unsere Autos Katalysatoren besitzen, denn diese wandeln Kohlenwasserstoffe und Stickoxide in Wasser, Stickstoff und Kohlendioxid um. Das Ozonmolekül (O3) ist ähnlich wie das Wassermolekül gewinkelt (Winkel: 117°) und trägt ebenfalls ein Dipolmoment, wobei das mittlere Sauerstoffatom positiv geladen ist, die anderen beiden negativ (im Bild durch Farben dargestellt).

Wikipedia: Ozon Mike Bettwy A Season in the Life of the Antarctic Ozone Hole: A Quarter Century of Satellite Measurements by TOMS NASA Goddard Space Flight Center, http://www.nasa.gov/vision/earth/lookingatearth/25TOMSAGU.html

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Ozon

So gefährlich Ozon in Bodennähe ist, so wichtig ist es in den oberen Schichten der Atmosphäre, denn es schützt vor den gefährlichen UV-Strahlen der Sonne. In der unteren Stratosphäre in 15 bis 30 Kilometern Höhe entsteht es, wenn besonders kurzwelliges UV-Licht Sauerstoffmoleküle in ihre Atome zerlegt. Diese lagern sich an andere Sauerstoffmoleküle an, sofern weitere Gasmoleküle die dabei freigesetzte Reaktionsenergie als Wärme abführen können. Das so entstandene Ozon kann nun seinerseits UV-Strahlung abfangen, wobei es ein Sauerstoffatom abspaltet, das anschließend wieder neues Ozon bilden kann. In Summe wird durch diesen Kreislauf schädliche UV-Strahlung in Wärme umgewandelt. Wenn Ozonmoleküle direkt mit freien Sauerstoffatomen zusammenstoßen, so entstehen wieder normale Sauerstoffmoleküle – die Ozonkonzentration in der Stratosphäre kann also nicht beliebig anwachsen. Es gibt bestimmte Atome und Moleküle, die diesen Abbau des Ozons zusätzlich beschleunigen, insbesondere Chloratome. Das wurde Anfang der 1980er-Jahre zum echten Problem, als Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW, z. B. Trichlorfluormethan, CCl3F) noch breite Verwendung als Treibgas in Spraydosen oder als Kältemittel in Kühlschränken fanden.

Ozonloch über der Antarktis am 11. September 2003

Diese schwer abbaubaren Stoffe steigen bis in die Stratosphäre auf, wo die UV-Strahlung die Chloratome abtrennt und so den Abbau des Ozons einleitet. Über der Antarktis begann sich ein wachsendes Loch in der Ozonschicht auszubilden, das zu einem ständigen Thema in den Nachrichten wurde. Erst seit die Verwendung der FCKW um die Jahrtausendwende weitgehend verboten wurde, begann sich das Ozonloch wieder langsam zu schließen.

Blick von der Internationalen Raumstation ISS auf die Atmosphärenschichten am Erdhorizont. In orangerot erkennt man die dünne Troposphäre (0−15 km), in der sich der Großteil des Wettergeschehens abspielt, darüber hell leuchtend die Stratosphäre (15−50 km) und schließlich die Mesosphäre (50−80 km).

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7 Chemie der Moderne

Selbstreinigende Oberflächen Wasser und Schmutz einfach loswerden

Um von festen Oberflächen leicht Schmutz zu entfernen, werden im Wesentlichen zwei Strategien verfolgt. Der Lotuseffekt lässt beim Kontakt mit Wasser den Schmutz abperlen. Hingegen benötigt die photokatalytische Reinigung direktes Sonnenlicht, um Schmutz zu zersetzen. In Asien gelten Lotusblumen (botanisch korrekt: Lotosblumen) als Symbol der Reinheit. Die Blätter dieser Pflanzen lassen Wasser abperlen und dabei wird auch gleich jedweder Dreck mit abgewaschen. Der Botaniker Wilhelm Barthlott (geb. 1946) entdeckte diesen Effekt in den 1970er-Jahren. Blätter überziehen sich als Schutz vor Verdunstung mit Wachs, beim Lotus bildet das Wachs auf der unebenen äußersten Zellschicht Luft

α

Wasser

hydrophil

hydrophil und rau gleitender Tropfen Schmutzpartikel

α hydrophob Lotus-Effekt

rollender Tropfen

α hydrophob und rau

Die Lotus-Pflanze symbolisiert Reinheit (links). Auf einem Lotusblatt sammelt sich Wasser zu Tropfen und perlt ab (rechts)..

(Epidermis) der Blätter zusätzlich Noppen aus. Tropfen, die auf eine solche Oberfläche gelangen, perlen geradezu rollend daran ab und reißen so Schmutzpartikel mit sich. Im Gegensatz dazu reißt ein gleitender Tropfen auf einer glatten Oberfläche zwar auch Partikel mit sich, lagert sie am hinteren Saum aber zum Teil wieder ab. Dabei haben die Wachse einen zusätzlichen Effekt: Sie sind hydrophob, bieten dem Wasser also keine elektrische Wechselwirkung an und vermindern so die Kontaktkraft. Es wirken also die Faktoren Kontaktfläche und elektrochemische Wechselwirkung zusammen, wenn es um die Hydrophobie einer Oberfläche geht. Polare Oberflächen wie Glas lassen Wasser gut anlagern, da auch die Wassermoleküle polar sind. Eine flache Pfütze auf Glas hat eine große Kontaktfläche und das Wasser haftet an, die Adhäsion ist also hoch. Effekte an verschiedenen Oberflächen

C. Neinhuis et al. Reinigen mit Licht und Regen Chemie in unserer Zeit 2014 (2), 92–100

Selbstreinigende Oberflächen

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Wintergärten können mit einer Oberfläche zur photokatalytischen Reinigung versehen sein. Titandioxid (TiO2) ist sowohl ein viel verwendetes weißes Pigment als auch ein Halbleiter. Unter Lichteinstrahlung nehmen die Elektronen darin so viel Energie auf, dass sie auf ein höheres Energieniveau angehoben werden und ihr angestammtes Titandioxidmolekül im Kristallgitter verlassen können. Sie hinterlassen dabei eine Elektronenlücke, ein Titandioxidkation (TiO2+), an ihrem Ursprungsort. Solche aktivierten Elektronen warten quasi nur darauf, dass ein Molekül zum Reagieren vorbeikommt. Die Noppen auf dem Lotusblatt (in einer 3D-Grafik) entstehen aus sich selbst organisierendem Wachs, das die Epidermis überzieht.

Ein gutes Maß für die Hydrophobie ist der Kontaktwinkel (α), der zwischen der Oberfläche und dem anhaftenden Wasser gemessen wird. Auf hydrophoben Oberflächen beträgt der Kontaktwinkel über 90°, auf hydrophilen unter 90°. Gleitet der Tropfen wie beim Lotusblatt über Noppen, zwischen denen sich zusätzlich noch ein Luftpolster bildet, reduziert sich die Kontaktfläche nochmals und der Kontaktwinkel wird größer als 150°, eine solche Oberfläche ist superhydrophob und lässt bei geringster Neigung Wasser abperlen. Für Duschkabinen und Autokarosserien, Verglasungen und Solarzellen gibt es Oberflächenbeschichtungen, die den Lotuseffekt nachahmen. Wenn bei Werkstoffen die Eigenschaften von natürlichen Vorbildern nachgeahmt werden, spricht man von Biomimetik. Eine andere Methode macht sich die photokatalytische Reinigung zunutze. Gebäudefassaden, Dachpfannen und -fenster oder auch Scheiben für

Photokatalytische Oberflächen enthalten feinste Titandioxidpartikel. Fettfilme und Staubkörner werden mit Licht durch das reaktionsfreudige Elektron des Titandioxids zur Spaltung angeregt und zerfallen, wobei vor allem Kohlendioxid entsteht. Regenwasser wäscht den Rest ab. Genauso können Titandioxidpartikel eingesetzt werden, um Abgase photokatalytisch zu oxidieren. Schwefeloxide und Stickoxide wandeln sich auf diese Weise zu Sulfaten und Nitraten um. Photokatalytische Baustoffe oxidieren mithilfe des Sonnenlichts Abgase, können Fette spalten und damit Algenbewuchs hemmen.

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7 Chemie der Moderne

Ionische Flüssigkeiten Flüssige Salze

Beim Begriff „Salze“ denkt man in der Regel zunächst an kristalline Feststoffe wie Kochsalz oder Minerale. Es gibt jedoch auch Salze, die bei Raumtemperatur bereits flüssig sind, die sogenannten ionischen Flüssigkeiten. Salze setzen sich aus Ionen zusammen, die sich durch die entgegengesetzten Ladungen stark anziehen und dabei eine Gitterstruktur bilden. Darin nehmen die Ionen feste Plätze ein, sodass die Salze in der Regel leicht auskristallisieren. Bei ionischen Flüssigkeiten bestehen die Kationen aus sperrigen, organischen Ionen. Dies behindert einerseits die Ausbildung eines Kristallgitters, andererseits bestehen die starken elektrischen Anziehungskräfte, sodass die Flüssigkeiten bis 100 °C nur wenig flüchtig sind. Diese Eigenschaften machen ionische Flüssigkeiten zu spannenden Lösungsmitteln. Viele organische Lösungsmittel, zu denen auch Aceton und Ethanol zählen, bekannt als Nagellackentferner und Brennspiritus, sind leicht flüchtig und entzündlich. Wird mit ihnen gearbeitet, sollten die Apparaturen geschlossen sein

Eine räumliche Darstellung von [BMIM]PF6 zeigt, wie sperrig die Ionen sind. Die farbigen Kugeln symbolisieren die Atome von Kohlenstoff (schwarz), Wasserstoff (hellgrau), Stickstoff (blau), Fluor (grün) und Phosphor (orange).

Ionische Flüssigkeiten werden maßgeschneidert auf ihre Verwendung abgestimmt.

und zusätzlich die Raumluft gereinigt werden. Einige Alkohole und Ether sind zudem explosiv. Daher ist es ein großer Vorteil, hier mit einem Lösungsmittel arbeiten zu können, das die guten Lösungseigenschaften hat, aber nicht leicht verdampft. Viele ionische Flüssigkeiten wurden für spezifische synthetische Fragestellungen entwickelt, weshalb sie als „Design-Lösungsmittel“ gelten. Erstmals beschrieben wurden ionische Flüssigkeiten vor rund 100 Jahren. Eines der ersten, bereits bei Raumtemperatur flüssigen Salze war eine Mischung aus 1-Ethyl-3-methylimidazoliumchlorid mit AluminiZum Vergleich: Kristallstruktur von Kochsalz (lila: umchlorid (AlCl3). Dieses Natriumkationen, grün: zersetzt sich jedoch in Wasser. Chlorid-Anionen)

A. Kuchenbuch, R. Giernoth Ionic liquids beyond simple solvents ChemistryOpen 2015 (4), 677–681

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Ionische Flüssigkeiten

bilden sich zwei Phasen: Das Wasser sammelt sich unten und die ionischen Flüssigkeit schwimmt oberhalb, wodurch sich die nun in den verschiedenen Phasen gelösten Stoffe leicht trennen lassen. Anschließend kann die ionische Flüssigkeit bis zum Verdampfen erhitzt werden und steht für einen neuen Einsatz bereit, während das gereinigte Produkt übrig bleibt.

Strukturformeln der ionischen Flüssigkeiten 1-Ethyl-3-methylimidazoliumchlorid (auch abgekürzt als [EMIM]Cl, oben) und 1-Butyl-3-methylimidazolium-hexafluorophosphat [EMIM][NTf2] (unten)

Die Entdeckung einer wasserunlöslichen ionischen Flüssigkeit wie 1-Butyl-3-methylimidazolium-hexafluorophosphat ([BMIM]PF6) öffnete dann die Tür für Anwendungen. Am Ende einer Reaktion liegen die Produkte häufig im Lösungsmittel gelöst vor, aus dem sie noch abzutrennen sind. Am liebsten erhalten Chemiker sie ohne begleitende Stoffe, als Reinstoff. Eine Aufarbeitungsmethode dafür ist die Extraktion. Dafür wird Wasser zu der Lösung gegeben und alles durchgeschüttelt, wobei sich entweder die Produkte oder die Nebenprodukte im Wasser lösen. Sobald das System ruht, Ionische Flüssigkeiten eignen sich besonders gut für Extraktionen, hier schichtet sich das organische Lösungsmittel über die ionische Flüssigkeit.

Im Rahmen eines Forschungsprojekts wurde untersucht, ob sich ionische Flüssigkeiten als Lösungsmittel für die Extraktion von Cellulose eignen. Herkömmlich werden die Holzfasern mit Natronlauge (NaOH) und Natriumsulfid (Na2S) erhitzt. Aus der stark alkalischen Lösung entweichen flüchtige Schwefelverbindungen. In ionischen Flüssigkeiten hingegen lösen IminiumSalze (enthalten R2C=N−R, R sind Reste) sehr effektiv die Cellulose und das verholzende Lignin bleibt zurück. Mischt man nun die Celluloselösung mit Wasser, fällt die Cellulose als Feststoff aus. Im Vergleich mit herkömmlichen Verfahren werden hierbei weniger Chemikalien verbraucht, da die ionische Flüssigkeit abgetrennt und wieder verwendet wird. Die Cellulose lässt sich anschließend zu Papier weiterverarbeiten. Wenn dieses Verfahren technisch ausgereift ist, könnten auch Pflanzenabfälle verwertet werden.

Cellulosefasern lösen sich in ionischen Flüssigkeiten

Foto auf der linken Seite und oben mit freundlicher Genehmigung der BASF Foto der Cellulose mit freundlicher Genehmigung von Prof. Thomas Heinze, Institut für Organische Chemie und Makromolekulare Chemie, Friedrich-Schiller-Universität Jena

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7 Chemie der Moderne

Kunststoffe

Mit Neugier und Glück zu neuen Stoffen Polyethylen ist der allgegenwärtige Grundstoff für Flaschen und Folien, Polypropylen für Ordner, Verpackungen und auch Stoßstangen. Die Einzelbausteine (Monomere) dieser Polymere enthalten vor der Polymerisation jeweils eine Doppelbindung wie Ethen (CH2=CH2) und Propen (CH2=CH−CH3) und verknüpfen sich dann zu unendlichen Ketten miteinander. Allerdings sind diese Alkene nicht reaktionsfreudig genug, um als Kohlenwasserstoffe miteinander zu reagieren. Als Karl Ziegler (1898–1973) zum ersten Mal Polyethylen herstellte, war das Zufall und kein geplantes Experiment. Ziegler arbeitete seit 1943 im Mülheimer Max-PlanckInstitut für Kohlenforschung und widmete sich metallorganischen Verbindungen. Sie galten damals als Exoten, verbanden sie doch die anorganische Chemie von Metallkationen mit Resten organischer Anionen, die auf Kohlenwasserstoffen basierten. Eine dieser Verbindungen war Butyllithium, C4H9Li. Ziegler versuchte es mit einer Destillation zu reinigen, wobei es jedoch zerfiel. Unter den Bruchstücken fand er Lithiumhydrid (LiH) und Buten (C4H8).

Butyllithium – eine Verbindung der ersten Stunde in der metallorganischen Forschung

Triethylaluminium Al(C2H5)3 reagiert mit der Doppelbindung in Ethen oder Propen, wodurch sich lange Ketten bilden lassen

Modell einer Polyethylenkette (Kohlenstoff in dunkelgrau, Wasserstoff hellgrau)

Es kam die Idee auf, durch das Mischen von Lithiumhydrid mit anderen Alkenen neue metallorganische Stoffe zu entdecken. All dies war reine Grundlagenforschung, die Chemie dazu neu und interessant. Die Umkehr des Zerfalls glückte jedoch nicht. Erst die Variation des Lithiumsalzes brachte den Durchbruch: Zieglers Mitarbeiter füllten Ethen und Lithiumaluminiumhydrid (LiAlH4) in einen Druckreaktor. Als sie das Ergebnis betrachteten, war das Gas nicht mehr da, sondern stattdessen eine ölige Flüssigkeit: Die Ethenmoleküle hatten dieses Mal zu längeren Ketten reagiert. Bei näherer Untersuchung stellte sich heraus, dass die Aluminiumkationen (Al3+) und nicht Lithiumhydrid die Reaktion beeinflusst hatten. Für echte Polymere waren die Molekülketten jedoch noch zu kurz. Wieder half ein Zufall. Ein Reaktionsansatz schlug fehl und bei der Fehlersuche bemerkte Ziegler, dass auch andere Metalle die Reaktion beeinflussen. Bei der systematischen Prüfung der katalytischen Eigenschaften weiterer Metallionen kombinierte Ziegler auch Triethylaluminium mit Titantetrachlorid, mit denen Ethen bei normalem Druck und Raumtemperatur reagierte.

H. J. Quadbeck-Seeger, A. Fischer Die Babywindel WILEY-VCH-Verlag, Weinheim 2000 J. Blecker Chemie für Jedermann Compact-Verlag 2015

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Kunststoffe

ordnung dieser Gruppen können sich die Ketten leicht oder weniger gut zusammenlagern. Im ersten Fall entstehen harte Kunststoffe, im zweiten elastische.

Eine Tüte aus Polyethylen (PE) und ein Messbecher aus Polypropylen (PP)

Der italienische Chemiker Giulio Natta testete Zieglers Katalysatoren mit Propen und stellte damit Polypropylen her. Er reichte sein entsprechendes Patent genau 14 Tage vor Ziegler ein. Im Jahr 1963 erhielten sie gemeinsam den Nobelpreis. Die Reaktionsgleichung von Ethen zum Polymer sieht einfach aus: n CH2=CH2 o (−CH2−CH2−)n

Polypropylen als Modell aus Kugeln und Stäben (Kohlenstoff in Blau)

Der Faktor n steht für beliebig viele Moleküle. Das Aluminium-Kation (Al3+) im Katalysator tritt in Wechselwirkung mit den Elektronen in der Doppelbindung, sodass sich die Ketten direkt am Metallkation verlängern. Beim Propen ragt dann jeweils noch eine Methylgruppe (−CH3) heraus. Je nach An-

Seither wurden viele weitere Kunststoffe entwickelt. Die Ausgangsstoffe hierfür werden bislang vorwiegend bei der Ölraffination gewonnen. Diese Quellen durch andere zu ersetzen ist einer der Forschungsaufträge für die Zukunft. Im Jahr 2014 wurden weltweit 311 Millionen Tonnen Plastik hergestellt, davon rund zwölf Millionen Tonnen in Deutschland. Auf Verpackungen entfallen allein etwa 40 %. In den Weltmeeren schwimmen schätzungsweise bereits 150 Millionen Tonnen Plastik, eingetragen durch den Wind, durch Flüsse und Schiffe. Fünf gigantische Meereswirbel mit Plastikmüll sind bekannt. Inwieweit Organismen kleinste Plastikpartikel aufnehmen und diese so in die Nahrungskette gelangen oder auch Entzündungen verursachen, wird am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven untersucht. Vor der brasilianischen Küste sammelt sich Plastikmüll im Meer.

In den Weltmeeren sorgen Driftströme für fünf große Wirbel, in denen sich Plastikmüll ansammelt.

Bild unten rechts mit freundlicher Genehmigung von William R. Schepis/Instituto EcoFaxina

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7 Chemie der Moderne

Antibiotika

Mit den Waffen der Pilze gegen Bakterien Im Ersten Weltkrieg starb eine noch größere Zahl von Soldaten an Wundinfektionen im Lazarett als während der Kampfhandlungen. Händeringend suchte man deshalb nach Mitteln, um die Wundinfektionen heilen zu können. Entdeckt wurden diese eher zufällig. Legendär ist die Geschichte, wie der britische Arzt Alexander Fleming (1881–1955) im September des Jahres 1928 nach seinem Urlaub eine Petrischale mit einer Bakterienkultur aus Streptokokken mit einem Schimmelpilz befallen vorfand. Durch Zufall entdeckte Fleming die bakterienfreie Zone rund um den Schimmelpilz, was als Hemmhof benannt wurde. Im Jahr 1941 wurde in London erstmals einem Menschen das aus Schimmelpilzen gewonnene Antibiotikum Penicillin verabreicht. Damit begann die Erfolgsgeschichte der Antibiotika zur Bekämpfung von krankheitserregenden Bakterien. So hemmen Penicilline den Aufbau neuer Bakterienzellwände und stören damit die Vermehrung der Bakterien.

Hemmhöfe durch Antibiotika

Penicillin zählt zu den β-Lactamen und wird aus Schimmelpilzen gewonnen. Der β-Lactam-Ring ist ein im Kohlenstoffring geStrukturformel natürlich vorbundenes Amid (R3N), kommender Penicilline. R sind dessen übernächster Nach- Reste, die auch als Seitenkette bar, ein Kohlenstoffatom, bezeichnet werden. eine Aminogruppe (−NH2) trägt. Die Seitenketten der Grundstruktur werden in chemischen Reaktionen variiert. Auf diese Weise kann man die Eigenschaften des Moleküls verändern, sodass halbsynthetische Medikamente entstehen. Bei der Modifikation sind verschiedene Faktoren von Bedeutung, etwa wie stabil die Verbindung ist, sodass sie als Tablette geschluckt werden kann und die Passage durch den sauren Magen übersteht. Oder wie gut sie sich in Wasser löst, um in die Blutbahn aufgenommen zu werden.

Eine Resistenz gegen β-Lactam-Antibiotika erlangen Bakterien, indem sie ein Enzym aktivieren, Eine Kolonie des Schimmelpilzes Penicillium chrysogenum, dessen Antibioti- mit dem sie den Ring öffnen und das Mittel ka sich gegen Bakterien richten. unwirksam machen. Zugleich können verschiedene Bakterienarten über kleine Genfähren Teile ihres Erbguts austauschen und so Resistenzen weiterreichen. Sogenannte Reserve-Antibiotika kommen daher nur in Ausnahmefällen und gut kontrolliert zum Einsatz, damit sich bei den Bakterien keine Resistenz bilden und ausbreiten kann.

O. Fritsche Biologie für Einsteiger: Prinzipien des Lebens verstehen 2. Aufl. Springer Spektrum 2015 A. S. Ziegler Moleküle, die Geschichte schrieben (Hörbuch) Hirzel 2011

281

Antibiotika

Elektronenmikroskopische Aufnahme des Bakteriums Staphylococcus aureus, ein gefürchteter „Krankenhauskeim“

Zellen werden durch Bakterien bedroht.

Bakterien sind wahre Meister der Anpassung. Brechen Patienten eine Therapie ab, bevor sie vollständig beendet ist, können sich gerade jene Bakterien wieder gut vermehren, die bis dato das Medikament überlebt haben, und ihr resistentes Erbgut dadurch weiter verbreiten.

ren. Daher ist die Natur der erfolgreichste Designer von Antibiotika.

Ein bekanntes Beispiel für die Entstehung von Resistenzen ist Methicillin, ein Nachfolger des Penicillins, dessen Lactamring besser vor den Enzymen der Bakterien geschützt ist. Sein gefürchteter Gegenspieler ist das weit verbreitete Bakterium Staphylococcus aureus, das bei geschwächten Personen Lungenentzündungen und Blutvergiftungen auslösen kann. Von diesem Bakterium haben sich bereits resistente Varianten entwickelt, die insbesondere in Krankenhäusern vorkommen. MRSA ist die gefürchtete Abkürzung dafür und steht für Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus. Es ist schwierig, neue Leitstrukturen für Antibiotika zu finden. In der Natur verteidigen Pilze sich und ihren Lebensraum gegen Bakterien mit Antibiotika; aber auch Bakterien können damit gegen andere Arten agie-

Aktuell dienen Fluorchinolone als gängige ReserveAntibiotika. Chinolone sind eine Gruppe von synthetischen Antibiotika, die wiederum ein Ringsystem mit einem Stickstoffatom haben. Sie hemmen ein bestimmtes Enzym, das die Bakterien für ihre Zellteilung benötigen. Ist am Benzolring ein Fluoratom gebunden, handelt es sich um Fluorchinolone. Diese Fluorchinolone setzen auch Tierärzte ein. Im Jahr 2013 betrug ihr Anteil in Deutschland 12 Tonnen von insgesamt 1452 Tonnen verbrauchten Antibiotika. Derzeit wird diskutiert, ob etwa Rückstände, die beim Düngen mit Exkrementen in die Umwelt gelangen, die Bildung von Resistenzen fördern. Grundstruktur aller ChinolonAntibiotika: der blau gezeichnete Rest R ist meist Piperazin; enthält die Verbindung Fluor (rot), ist es ein Fluorchinolon.

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7 Chemie der Moderne

Glyphosat

Der umstrittene Unkraut-Killer Glyphosat ist mittlerweile nicht nur Chemikern und Landwirten ein Begriff. Es ist eines der am häufigsten verwendete Herbizide und wird in großem Stil zur Bekämpfung unerwünschter Unkräuter auf unseren Feldern verwendet – kein Wunder, denn es ist ebenso wirksam wie günstig und galt lange Zeit als vergleichsweise harmlos für Mensch und Tier.

Worin besteht die Wirkung dieses universellen Unkrautvernichters? Glyphosat besteht aus relativ kleinen organischen Molekülen, die in ihrer Struktur einem wichtigen Stoffwechsel-Zwischenprodukt ähneln: dem Phosphoenolpyruvat (PEP). In der Glykolyse () ist dieser Stoff beispielsweise die direkte Vorstufe des Pyruvats.

Diese Sichtweise hat sich teilweise relativiert, als im März 2015 die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hat. Andere Institute widersprechen dieser Einschätzung, sodass die Lage umstritten bleibt. Im November 2017 wurde die Zulassung von Glyphosat von der EU-Kommission in einer knappen Entscheidung um fünf Jahre verlängert, was heftige politische Diskussionen auslöste.

Pflanzen und die meisten Mikroorganismen verfügen über einen weiteren Stoffwechselprozess, bei dem PEP eine wichtige Rolle spielt. Mithilfe des sogenannten Shikimatwegs sind sie in der Lage, die drei wichtigen aromatischen Aminosäuren Phenylalanin, Tyrosin und Tryptophan herzustellen. Tiere und Menschen können das nicht und müssen diese Aminosäuren über die Nahrung aufnehmen.

Ausbringung eines Herbizids

Rechts ein Feld, das mit einem Herbizid behandelt wurde

Glykolyse  S. 150

283

Glyphosat

O P HO HO

O H N

OH

HO O HO P O

O OH CH2

Struktur des Glyphosatmoleküls (links) und zum Vergleich das sehr ähnliche Phosphoenolpyruvat (rechts)

Beim Shikimatweg spielt das Enzym 5-Enolpyruvylshikimat-3-phosphat-Synthase (EPSPS) eine entscheidende Rolle: Es sorgt dafür, dass das PEP-Molekül mit einem anderen Molekül zusammengebaut werden kann. An dieser Stelle kommt nun das Glyphosat ins Spiel: Da seine Moleküle den PEP-Molekülen ähneln, können sie an das EPSPS andocken und es so unbrauchbar machen. Die Pflanze kann die drei Aminosäuren nicht mehr herstellen und stirbt ab. Menschen und Tieren schadet Glyphosat dagegen zumindest auf diesem Weg nicht, denn sie können den Shikimatweg sowieso nicht beschreiten. Pflanzen nehmen Glyphosat über ihre Blätter und andere grünen Pflanzenteile auf. Daher kann man es beispielsweise kurz vor der Aussaat auf das Feld sprühen, wo es alle bereits gekeimten Unkräuter abtötet. Seit den 1990er-Jahren wurden verschiedene Nutzpflanzen gentechnisch so verändert, dass ihnen Glyphosat nicht mehr schadet. Dabei macht man sich zunutze, dass viele Bakterien in ihrem Shikimatweg ein etwas anderes EPSPS-Enzym verwenden, das von Glyphosat nicht blockiert wird. Das entsprechende bakterielle Gen hat man nun in die Pflanzen eingeschleust, sodass auch sie über die unempfindliche Form dieses Enzyms

verfügen. Für den Landwirt entsteht so eine komfortable Situation: Er kann jederzeit Glyphosat einsetzen, um störende Unkräuter zu beseitigen, ohne dass dies seinen glyphosatresistenten Nutzpflanzen schadet. Der massenhafte Einsatz von Glyphosat hat allerdings auch seine Schattenseiten: Ein Feld ohne jedes Unkraut bietet Vögeln und Insekten keine Nahrung mehr – die Artenvielfalt leidet. Gentechnisch veränderte Monokulturen bedeuten oft sinkende Sortenvielfalt und teures Saatgut, das man als Landwirt nicht mehr selbst von der Ernte abzweigen kann. Außerdem entwickeln manche Unkräuter durch Mutationen Resistenzen gegen Glyphosat und werden so zum Problem. Vielleicht müssen wir uns also früher oder später nach Alternativen zur Unkautbekämpfung umsehen. Die Diskussion darüber ist jedenfalls in vollem Gang. Moderne landwirtschaftliche Monokulturen sind für Vögel und Insekten oft wie eine Wüste.

284

7 Chemie der Moderne

Tenside

Aktiv an Oberflächen Tenside sorgen dafür, dass sich Schmutz und Fett leicht mit Wasser umgeben und so von der Faser ablösen und wegspülen lassen. Sie sind grenzflächenaktiv, setzen also die Oberflächenspannung von Wasser herab. Gießt man Wasser ganz vorsichtig in ein Glas, so kann es sich aufgrund der Oberflächenspannung bis über den Rand hinaus aufwölben. Ein Tropfen Spülmittel mit Tensiden lässt die Spannung zusammenbrechen und das Wasser überschwappen. Wasser mit gelösten Tensiden dringt daher leichter in Poren und Kapillaren ein, was seine Waschleistung erhöht. Die Tensidmoleküle vermitteln zwischen verschiedenen Phasen. Sie gliedern sich in eine Kopfgruppe, die wasseranziehend, hydrophil, ist, und einen Schwanzteil, der aus Kohlenwasserstoffketten besteht. Diese sind unpolar und damit hydrophob – sie wenden sich vom Wasser ab. Dafür wirken zwischen ihnen Van-der-Waals-Kräfte, weshalb sich die Schwänze gern zusammenlagern. Da auch Fette () durch die Fettsäureketten unpolar sind, ragt der Schwanzteil der Tenside gern in diese hinein, was als lipophil bezeichnet wird. Von Wasser umgeben lagern sich die hydrophoben Schwänze zu kugelförmigen Micellen oder offenen Lamellen zusammen. Eine solche Schaumblasen Micelle enthält Hunderte bis Tausende TenLuft sidmoleküle.

Wasser

Micelle Lamelle

Fette  S. 174

Tenside richten sich an der Grenzfläche von Luft und Wasser aus. Im Wasser bilden sie Micellen und Lamellen.

Seifenblase

An der Wasseroberfläche ragen deren Schwänze heraus und lockern so die Oberflächenspannung. Wirbelt man etwa in der Badewanne oder im Spülbecken mit einem Wasserstrahl Luft in das Wasser, umschließen die auf der Oberfläche schwimmenden Tensidmoleküle diese Luftblasen. Ein dünner Wasserfilm wird mitgerissen und es entstehen Seifenblasen. Bei Reinigungsmitteln werden Tenside auch Detergenzien genannt. Hierzu zählen verschiedenste Tenside: nichtionische und ionische, die in kationisch und anionisch unterschieden werden. Die allen gemeinsame Eigenschaft nennen Chemiker amphiphil – der Freund von beidem. Die Moleküle sind also fett- und wasserliebend – lipophil und hydrophil zugleich. Die aufgezählten Kategorien orientieren sich am polaren

285

Tenside

Tenside

anionisch

nichtionisch

amphoter

positiv geladener Kopf

kationisch

Gruppen am Kopf tragen keine Ladung, sondern sind polarisiert

am Kopf mehrere, gegensätzlich geladene Gruppen

Merkmal

negativ geladener Kopf

Beispiel für Gruppe am Kopf

Carboxylate (–COO ), – Sulfate (–SO4 ) – Sulfonate (–SO3 )

Ammonium + (–NH4 )

Hydroxyl (–OH), Ether (–C–O–C–)

Carboxylat (–COO ) und + Ammonium (–NH4 )

Beispiel für Detergens

Seife, Waschmittel

Weichspüler

Niotensid wie Fett-AlkoholEthoxylate (FAEO); Waschmittel, Spülmittel, Neutralreiniger

Betain-Tensid, Haarshampoo



Kopfteil. Dieser bildet Wasserstoffbrücken mit dem Wasser aus: Es kann entweder ein Proton (H+) oder eine Hydroxylgruppe (OH−) angelagert werden. Die Tabelle gibt einen Überblick über die verschiedenen Kopfgruppen. Dabei sind amphotere Tenside nicht nur in einen hydrophilen und hydrophoben Molekülteil gegliedert, die Kopfgruppe selbst enthält nochmals gegensätzlich geladene Gruppen. So sind besonders hautverträgliche Tenside aufgebaut. Beim Waschen entsteht eine Suspension. Wasser und Öl bilden eigene Phasen, feste Schmutzpartikel liegen nach dem Ablösen fein verteilt vor.

Micelle Öl



Eine Herausforderung stellen Erdalkalisalze wie Kalk im Waschwasser dar. Anionische Tenside bilden mit Magnesium- und Calciumkationen (Mg2+ und Ca2+) schwer lösliche Salze, die sogenannten Kalkseifen. Diese lagern sich an Heizstäben an und behindern so die Heizleistung. Zugleich fehlen die Tenside im Waschvorgang. Daher gibt man Waschmitteln Zeolithe zu, welche die Metallkationen einlagern. Nichtionische Tenside haben dagegen den Vorteil, dass sie nicht so sehr zur Schaumbildung neigen und weniger mit Erdalkali-Kationen zu Kalkseife reagieren. Allerdings finden wir Tenside nicht nur in Reinigungsmitteln, sondern auch beim Vermitteln zwischen Öl und wässrigen Phasen als Emulgatoren () in Lebensmitteln. Biologisch sehr bedeutend sind die Phospholipide, die Membranen () aufbauen und ebenfalls zu den Tensiden zählen. Allgemeine Strukturformel für Betaine, also amphotere Tenside. Der Rest (R) enthält ein bis 20 Kohlenstoffatome.

O CH3 H3C N

Schmutz Gewebe

Emulgatoren  S. 292 Membranen  S. 132 J. Blecker Chemie für jedermann Compact Verlag 2015

H N

R

O O

286

7 Chemie der Moderne

Maillard-Reaktion Röststoffe: kross und duftend

Für eine Spargelcremesuppe reicht es nicht, die Brühe nach dem Kochen mit Stärke zu binden – diese Suppe wäre fad. Stattdessen bereitet man zunächst eine Mehlschwitze. Aus dem Mehl tritt beim Erwärmen die Stärke aus, durch die Reaktion mit dem Fett entstehen Geschmacksstoffe. Die dabei stattfindende Reaktion wurde nach dem französischen Chemiker Louis Camille Maillard (1878–1936) benannt. Eine nicht nur für den Geschmack, sondern auch für die braune Färbung von Lebensmitteln wichtige Stoffgruppe sind die Melanoidine. Bei hohen Temperaturen entstehen sie durch Maillard-Reaktionen, etwa in Brotkruste oder beim Rösten von Kaffee- oder Kakaobohnen, aber auch bei der Herstellung von Kondensmilch. Die Reaktion startet zwischen einem Zucker, bevorzugt einem Einfachzucker wie Fructose oder Glucose, und Brotkruste schmeckt intensiver als das Innere vom Brotlaib

Struktur eines Pronyl-Lysins; der linke Molekülteil leitet sich von der Aminosäure Lysin ab. Dieses Maillard-Produkt ist unbedenklich genießbar.

einer freien Aminogruppe (R−NH2). Die Aminogruppen stammen aus Aminosäuren wie beispielsweise Lysin, aber es sind auch Reaktionen mit in Proteinen gebundenen Aminosäuren etwa im Casein der Milch oder im „Weizenkleber“, dem Gluten, möglich. In einer Abfolge von Reaktionen verketten sich mehrere Zwischenstufen und bilden Polymere. Je geringer der Wassergehalt des erhitzten Gemischs ist, desto mehr Melanoidine werden gebildet. Die entstehenden Stoffe sind noch weitgehend unerforscht. Es wird untersucht, wie sie in Magen und Darm agieren. Offenbar fangen sie reaktive Stoffe ab, die beispielsweise Enzyme oder auch die DNA in den Darmzellen angreifen würden. Als ein Beispiel hierfür wurde Pronyl-Lysin aus der Brotkrume näher untersucht. Es entsteht durch die Maillard-Reaktion der Aminosäure Lysin in den Seitenketten von Proteinen.

G. Ertl, J. Soentgen N – Stickstoff – ein Element schreibt Weltgeschichte Oekom-Verlag 2015 V. Somoza Gesundheitliche Bedeutung von Melanoidinen Ernährungs-Umschau 2005 (7), 260–264

Maillard-Reaktion

287

Bei sehr hohen Temperaturen entsteht Acrylamid, das im Blut aufgenommen krebsauslösend ist. Aus der Nahrung wird relativ wenig Acrylamid ins Blut aufgenommen.

Bei Pommes frites treffen beim Frittieren hohe Temperaturen, Fett und Kohlenhydrate zusammen. Neben Maillard-Produkten entsteht dann auch Acrylamid.

Dem gegenüber stehen mögliche krebsauslösende, also kanzerogene Wirkungen. Stoffe wie Acrylamid entstehen im Temperaturbereich ab 200 °C aus den Aminosäuren Asparagin und Glutamin, die in der Stärke von Kartoffeln oder auch Getreide vorhanden sind. Je trockener die Erhitzung, desto höher die Wahrscheinlichkeit für Acrylamid – etwa bei der Chipsproduktion. Allerdings nimmt der Körper bei der Verdauung relativ wenig Acrylamid ins Blut auf. Zusätzlich kann man Acrylamid vermeiden, wenn die Temperatur beim Frittieren von Pommes frites reduziert wird; bei anderen Rezepturen können gekochte statt rohe Kartoffeln verwendet werden. Besonders bei Kartoffeln spielt die Lagerung eine wichtige Rolle. Altbekannt ist, dass zu kühl gelagerte Kartoffeln süß schmecken. Enzyme bauen dann Stärke zu Einfachzuckern ab, was vor möglichen Frostschäden schützt. Diese Zucker fördern jedoch bei der Verarbeitung der Kartoffeln die Bildung von Acrylamid. Daher sollten Kartoffeln bei mehr als 8 °C gelagert werden.

Foto oben von Christian Schnettelker, www.manoftaste.de Proteine  S. 178

Beim Grillen laufen hingegen Verkohlungen ab und es entstehen andere Stoffe, die ebenfalls kanzerogen sind. Tropft Fett in die Holzkohleglut, reagiert es unter Abgabe der Sauerstoffatome. Im Dampf steigen mehrere miteinander verbundene Benzolringe auf, wie etwa das bekannte Benzpyren, und lagern sich am Grillgut ab. Auch in verkohlten Stellen von Fleisch und Wurst stecken viele dieser polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK), die entsprechend nicht mitgegessen werden sollten. Eine weitere Möglichkeit, bräunende und geschmacksfördernde Stoffe herzustellen, ist das Karamellisieren von Zuckern. Dazu wird Zucker geschmolzen und bildet lange Ketten. Zugegossene Säfte oder Wasser werden ins Netzwerk eingeschlossen und eine Sauce entsteht. Bei einigen Süßspeisen wird das Karamell gezielt als harte Kruste erzeugt.

Beim Grillen entstehen an verkohlten Stellen, und wenn Fett auf Grillkohle tropft, verbundene, kondensierte Kohlenwasserstoffringe wie Benzpyren, die krebsauslösend sind.

288

7 Chemie der Moderne

Lebensmittelzusätze

Verdickungsmittel, Konservierungsstoffe und mehr Die Lebensmittelchemie bildet einen eigenen Fachbereich der Chemie. Einerseits wünschen Verbraucher sichere, lang haltbare Lebensmittel, andererseits haben sie Bedenken wegen chemischer Zusätze. Doch es gibt unzählige Arten von Zusätzen mit verschiedenen Funktionen. Beispielsweise schützen Antioxidantien die Lebensmittel vor Alterung, Farbstoffe und Süßungsmittel hingegen beeinflussen den Genuss. Verdickungsmittel erlauben, den Fettgehalt von Mayonnaisen zu reduzieren. Es handelt sich hierbei um Polysaccharide, die auf chemisch veränderter, also modifizierter, Stärke basieren. Durch das Einfügen weiterer funktioneller Gruppen in die Molekülbausteine, etwa Carboxylgruppen (−COOH) oder Phosphatgruppen (−PO43−), vernetzen sich die Moleküle stärker, werden wasserlöslicher oder beständiger gegenüber Säuren. Da die Verknüpfungen innerhalb der Polysaccharide denen von Stärke entsprechen, werden sie genauso verdaut. Basieren die Verdickungsmittel jedoch auf Cellulose, handelt es sich um einen unspaltbaren Ballaststoff. Solche Verdickungsmittel sind extrem quellfähig: Agar-Agar ersetzt in der vegetarischen

Küche so die Gelatine. Ebenfalls zum Andicken eignen sich Johannisbrotkernmehl und Guarkernmehl. Zucker süßt und konserviert. Noch Ende des 18. Jahrhunderts galt er als kostbarer Rohstoff und so war es damals auch von wirtschaftlichem Interesse, einen Ersatz dafür zu finden. Seit den frühen 1960er-Jahren galten Süßstoffe meist als unbedenklicher als Zucker, da sie weder dessen hohen Nährwert besitzen, noch beim Abbau den pH-Wert im Mund senken, was Karies fördert. Um kalorienarm zu süßen, werden Acesulfam, Aspartam, Cyclamat oder Saccharin zugesetzt. Mittlerweile wurde die Empfehlung an Diabetiker, Zuckeraustauschstoffe zum Süßen zu verwenden, da diese den Blutzucker nicht beeinflussen, wieder aufgehoben. Denn Studien legten nahe, dass das Gehirn den süßen Konsum ohne das Kohlenhydrat Zucker mit einem gesteigerten Appetit quittiert, was eine Gewichtszunahme begünstigt.

Als jüngster Ersatzstoff kam Stevia auf den Markt. Dieser wird wie Zucker aus Pflanzen gewonnen, dann aber synthetisch weiterverarbeitet. Sein Geschmack Aus den Zellwänden ähnelt sehr dem von Zucker – ein großer Vorteil einiger Arten von gegenüber den bisherigen Süßstoffen. Rotalgen, wie hier Sphaerococcus coronopifolius, wird AgarAgar gewonnen.

Agarose ist der Netzwerkbildner des gelierenden Agar-Agars

289

Lebensmittelzusätze

Blätter der Steviapflanze (Stevia rebaudiana) wurden in Paraguay schon von den Ureinwohnern zum Süßen verwendet.

Struktur des Stevia-Glykosids. Auffallend sind die vielen Hydroxylgruppen (OH), die zum süßen Geschmack beitragen.

Schon lange werden für biotechnologische Konservierungsmethoden Säuren verwendet. Sauerkraut, Essiggurken und saure Heringe sind länger haltbar als die unbehandelten Lebensmittel, weil die verderbenden Mikroorganismen im sauren Milieu nicht gut wachsen. Die für diese Konservierung benötigten Säuren werden einfach als Zutat aufgeführt. Die Zugabe anderer Konservierungsstoffe ist dagegen reglementiert. Essigsäure gilt übrigens in Fällen nichttraditioneller Anwendung als Zusatzstoff und muss entsprechend mit einer ENummer deklariert werden. Alle europaweit zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe werden mit E-Nummern aufgelistet. Dass auch Vitamine unter den Lebensmittelzusatzstoffen zu finden sind, liegt an ihren chemischen Eigenschaften. Antioxidationsmittel schützen Lebensmittel vor Oxidationen, indem sie selbst mit dem Sauerstoff reagieren und ihn so abfangen. Hierzu zählen Vitamin C (Ascorbinsäure) und Vitamin E (Tocopherol). Wer einen Apfel für Obstsalat aufschneidet, verhindert das Braun-Werden durch einige Tropfen Zitronensaft – eine Vitamin-C-Lösung.

Ähnlich den Säuren muss Vanille bei traditionellen Rezepturen nicht als Lebensmittelzusatzstoff angegeben werden, sondern kann als Zutat deklariert sein. Die Hauptkomponente Vanillin wird schon lange synthetisch als Aromastoff hergestellt. Bei vielen Aromen wie beispielsweise dem sehr komplexen Aroma von Erdbeeren gäbe es ohnehin nicht genügend Pflanzen, um den Bedarf auf rein natürliche Weise zu decken.

Struktur von Vanillin, der Hauptkomponente des Vanillearomas

K. Roth, E. Lück Die E-Klasse Chemie in unserer Zeit 2009, (4), 232-248 J. Blecker Chemie für jedermann Compact-Verlag, München, 2015

Die Samenschoten der Gewürzvanille (Vanilla planifolia), einer Orchidee, werden fermentiert und zum Aromatisieren verwendet.

290

7 Chemie der Moderne

Kaffee

Ein Extrakt aus gerösteten Bohnen Kaffee ist ein altbekanntes Genussmittel und enthält über 1000 Aromastoffe, darunter mit Koffein die weltweit am meisten konsumierte psychoaktive Substanz. Um Kaffee herzustellen, muss zunächst das Fruchtfleisch der Kaffeekirsche entfernt werden. Die übrig bleibenden grünen Bohnen werden bei 150 °C getrocknet und anschließend bei 160–240 °C

geröstet. Dabei geschehen drei Dinge: Es bilden sich Farbe und Aromen und die Bohne wird mahlfähig. Die Zellwand der Kaffeebohne bleibt intakt, während bei den zahlreichen in ihrem Inneren ablaufenden Reaktionen Kohlendioxid entsteht: pro Kilogramm Röstbohnen bis zu 12 Liter, was einen Druck von bis zu 25 bar verursacht. Das Kohlendioxid bleibt nach dem Rösten in der Bohne und tauscht sich erst beim Lagern gegen Luft aus. Die braunen bis schwarzen Pigmente entstehen durch MaillardReaktionen () zwischen Aminosäuren und Zucker, daneben auch durch die Reaktion von Einfachzuckern mit Chlorogensäure. Bei der Kaffeezubereitung gibt es zwei ganz unterschiedliche Methoden: Bei der einen wird Kaffeemehl im Papierfilter mit heißem Wasser übergossen und der Extrakt ist der Filterkaffee, bei der anderen wird durch das Kaffeemehl unter Druck heißes Wasser hindurchgepresst, wodurch die Kontaktzeit kürzer und zugleich die Temperatur höher ist, hierbei entsteht Espresso.

Gemahlene Kaffeebohnen ergeben das weltweit beliebteste Heißgetränk.

Die Kaffeekirsche enthält die grüne Bohne.

Durch das heiße Wasser werden Lipide geschmolzen und verteilen sich als feine Emulsion. Diese winzigen Tröpfchen tragen Aromastoffe mit sich und sorgen für den unvergleichlichen Geschmack und Duft. Die Papierfilter halten einen Teil dieser Crema zurück, was u. a. den intensiveren Geschmack des Espressos erklärt. Zugleich gelangen ohne Filter mehr solcher Stoffe wie die Terpene () Cafestol und Kahweol in den Espresso, die indirekt zu einer Erhöhung des Cholesterinspiegels im Blut des Kaffeetrinkers führen. Der trinkfertige Kaffee ist mit einem pH-Wert von 5 leicht sauer. Während die enthaltenen Zucker dem Kaffee eine leichte Süße geben, wird der bittere Geschmack durch Koffein und andere Stoffe hervorgerufen.

Maillard-Reaktion  S. 286 Terpene  S. 184 E. Richling, M. Habermeyer Ist Kaffeetrinken gesund? Chemie in unserer Zeit 2014 (1), 12–20 E. Richling Kaffeetrinken und DNA schützen Chemie in unserer Zeit 2015 (5), 348–349

291

Kaffee

Zu den geschmacksprägenden Komponenten zählen Kaffeesäure und Chlorogensäure. Die Erstgenannte kommt häufig in Pflanzen, vor allem ihren Schalen, vor. Sie ist ein Baustein für Lignine, dem verholzenden Baustoff der Pflanzen. Kaffeesäure wirkt antioxidativ, sie fängt also reaktive sauerstoffhaltige Moleküle ab, bevor diese etwa die Doppelbindungen in ungesättigten Fetten angreifen. Lange Zeit galten Kaffeesäure und ihr Ester Chlorogensäure als magenreizend. Neuere Studien weisen jedoch auf schützende Effekte hin. Der biologisch aktivste Inhaltsstoff ist das Alkaloid Koffein. Aktuellen Studien zufolge kommt es jedoch zu einer Reduzierung des Risikos von Diabetes mellitus Typ 2 und Dickdarmkrebs. Ebenso soll Kaffee vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen. Eine Tasse Espresso enthält 60–70 mg Koffein, eine Tasse (125 ml) gefilterter Kaffee 80–100 mg. Was genau bewirkt Koffein? Das Herz pumpt schneller, Bronchien und Blutgefäße weiten sich und das Gehirn ist besser durchblutet. An den Nervenzellen hemmt Koffein kompetitiv den Signalstoff Adenosin. Während des Wachzustands sammelt sich Adenosin im Stammhirn an und dämpft mit steigender Konzentration die Aktivität der Nervenzellen – man wird müde. Erst im Schlaf wird das Adenosin wieder von den Rezeptoren gelöst.

Verbindung

grüne Bohne

Koffein

1,2 %

1,3 %

Aminosäuren

0,5 %

0%

Proteine

9,8 %

7,5 %

Saccharose

8,0 %

0%

Polysaccharide

49,8 %

38,0 %

Chlorogensäure

6,5 %

2,5 %

Weitere organische Säuren

1,5 %

2,4 %

16,2 %

17,0 %

0%

25,4 %

4,2 %

4,5 %

Lipide Karamellisierungsprodukte Minerale

Die Tabelle gibt die Inhaltsstoffe vor und nach dem Rösten der Kaffeebohnen bezogen auf das Trockengewicht an. (Quelle: Chemie in unserer Zeit 2003 (3), 215)

Blockiert nun Koffein die Rezeptoren, kommt das Einschlafsignal vom Adenosin nicht an, der Schlaf wird hinausgezögert. Zugleich verstärkt sich die Ausschüttung von Botenstoffen () wie Adrenalin und NorStruktur von Kaffeesäure. Sie adrenalin ins Blut. Der Körper benötigt etwa vier ist eine Carbonsäure (COOHStunden, um die Hälfte des Koffeins abzubauen. Gruppe) und reagiert mit der HO Eine vier bis fünf Tassen entsprechende Koffein- Hydroxylgruppe (OH) von menge besetzt rund die Hälfte der Adenosinrezep- Alkoholen zu Estern wie HO der Chlorogensäure. toren. Wer mehr trinkt, bekommt Nebenwirkungen wie Nervosität oder Herzrasen zu spüren. Es Struktur von Chlorogensäure, einem O sei denn, das Gehirn ist bereits an hohe Dosen Ester der Kaffeesäure mit der Chinagewöhnt – dann braucht es auch mehr Koffein, um säure, die hier die Rolle eines Alkohols spielt länger wach zu bleiben.  HO

Boten im Nervensystem  S. 190

geröstet

Struktur von Koffein

O O OH OH

OH

292

7 Chemie der Moderne

Emulgatoren

Das Gelbe vom Ei in Saucen Flüssigkeiten wie Dressings und Saucen bestehen aus verschiedenen Phasen, die aneinandergrenzen. Das können Phasen unterschiedlicher Dichte wie Öl und Wasser sein oder Grenzflächen zwischen festen und flüssigen Stoffen wie bei einem Kakao, bei dem sich Pulverteilchen fein in Milch verteilen. Ebenso gibt es auch viele Effekte zwischen festen oder flüssigen und gasförmigen Stoffen – sie bilden Schäume, Teige oder Mousse. Die Stoffe, die hier zwischen den Phasen vermitteln und ihre Durchmischung stabilisieren, nennt man Emulgatoren.

Emulgatoren sind Tenside, die in einem Molekül polare und unpolare Anteile vereinen. Zu diesen grenzflächenaktiven Stoffen gehören auch die im Eigelb vorhandenen Lecithine. Lagern sich Lecithine an der Grenzfläche zwischen Öl und Wasser an, verringern sie die Oberflächenspannung, was wiederum größere Grenzflächen erlaubt. Treffen zwei emulgierte Öltröpfchen aufeinander, kann sich das Öl nicht mehr unmittelbar in einem größeren Tropfen vereinen. Stattdessen stoßen die polaren Seiten der Lecithine aufeinander: Die Tröpfchen sind deutlich stabiler.

Salatdressing aus Öl und Essig ist eine Emulsion, die sich recht leicht wieder in die Phasen trennt. Je mehr Energie durch Schütteln aufgewendet wird, desto kleiner werden die Öltropfen und desto stabiler wird die Emulsion. Die Moleküle des Öls sammeln sich zu Tröpfchen, weil sich die Fettsäuren untereinander anziehen, jedoch vom angrenzenden Wasser abwenden. Aufgrund ihrer geringeren Dichte haben Öltröpfchen einen Auftrieb und steigen auf, sodass sich an der Oberfläche des Wassers ein Fettfilm sammelt.

Beim Anrühren einer Mayonnaise werden vier Teile Öl mit einem Teil Essig aufgeschlagen. Ein Eigelb würde reichen, um 20 Liter Mayonnaise aufzuschlagen. Dann allerdings wäre der geschmackliche Beitrag des Eigelbs nur noch gering.

Cholesterin 6 %

Schale 11 % Eiklar 58 % Eigelb 31 %

Wasser 48 %

Proteine 17,5 % Lipide 32,5 %

Fette 66 %

Phospholipide 28 %

Warme Saucen können durch Eigelb „legiert“ werden. Beispielsweise wird eine Spargelcremesuppe sämiger, wenn man der noch heißen, nicht mehr kochenden Suppe ein Eigelb zufügt. Die Viskosität erreicht ihren Höhepunkt bei 73 °C. Bei dieser Temperatur lösen sich die Membranen der Lipoproteine im Eigelb auf. Diese Strukturen ähneln Micellen und speichern im Inneren unpolaPhosphatgruppe re Verbindungen, sodass nun noch mehr Vernetzer zur Verfügung stehen. Bei noch Fettsäuren höheren Temperaturen stockt das Eigelb Phospholipid jedoch und flockt in der Suppe aus.

Mineralien 2 %

Zusammensetzung eines Hühnereis (Gewichtsanteile in Prozent)

K. Roth Von der Sauce Vinaigrette zur Mayonnaise Chemie in unserer Zeit 2008 (2), 160–172 J. Blecker Chemie für jedermann Compact Verlag, München 2015

293

Emulgatoren

CH3 H3C

N

CH3

CH2 CH2 O O

P

O

Strukturformel für Lecithine der Gruppe der Phosphatidylcholine, wie sie für Schokolade verwendet werden. R1 und R2 sind Kohlenwasserstoffreste; der namensgebende Phosphor steckt in der Kopfgruppe aus Phosphat (–PO43–), deren Ladung durch eine Ammoniumgruppe (–NC2H4(CH3)3+) ausgeglichen wird , daher ist die Gruppe amphoter.

O H2C

H C

CH2

Emulgatoren spielen auch bei der Herstellung von Schokolade eine wichtige Rolle. Schokolade O C C O besteht hauptsächlich aus Kakaobutter, die bei Raumtemperatur R 1 R2 fest ist und im Mund schmilzt. Sie wird aus den gerösteten und aufgebrochenen Kakaobohnen abgepresst und ist das teuerste Fett. Für O

O

Selbstgemachte Mayonnaise: Eigelb enthält Lecithine, welche die Emulsion aus Öl und Essig stabil halten.

Tenside  S. 284

Schokolade werden zum verbleibenden Presskuchen, dem Kakaopulver, erneut Kakaobutter sowie Zucker und Lecithine im Promillebereich hinzugefügt. Schon die Werbung verrät, dass die Schmelze für die Qualität der Schokolade entscheidend ist. Genauer gesagt die Conche, in der die Zutaten gewalzt werden. Dabei werden die festen Teilchen aus den Kakaobohnen feiner gemahlen, das Fett erwärmt sich und schmilzt. Die Scherkräfte bei diesem Zermahlen sorgen dafür, dass sich eine feine Suspension fester Teilchen umhüllt von flüssigem Fett bildet. Beim Walzen überzieht das Fett die Kakaopartikel. Lecithine, gewonnen aus Sojabohnen, binden an die polaren Zuckermoleküle und verteilen – emulgieren – sie im unpolaren Fett. Diese feine Durchmischung sorgt dafür, dass sich das Aroma gleichmäßig entfalten kann und auf der Zunge ein sahniger Schmelz entsteht statt eines eher krümeligen, sandigen Eindrucks. Schokolade ist eine erstarrte Suspension aus Kakaobutter, Kakaopulver, Zucker und dem Emulgator Lecithin. Auch wenn Suspensionen stabilisiert werden, wird von Emulgatoren gesprochen. Das Foto zeigt handgemachte Schokoladenbruchstücke für Trinkschokolade aus der Goldhelm Schokoladen Manufaktur in Erfurt.

294

7 Chemie der Moderne

Kaltes Leuchten

Fluoreszenz, Phosphoreszenz und Chemilumineszenz Was haben Neonmarker, nachtleuchtende Spielzeugdinos und Knicklichter gemeinsam? Sie strahlen Licht aus, ohne sich dabei zu erwärmen. Es handelt sich um das Phänomen der Lumineszenz, auch kaltes Leuchten genannt. Es entsteht, wenn Moleküle angeregt werden, ihre Außenelektronen also in höhere Energieniveaus gelangen, und sie bei der Rückkehr in den Grundzustand ihre überschüssige Energie in Form von Licht wieder abgeben. Die Energie des ausgesendeten Lichts ist dabei in der Regel geringer als die Anregungsenergie. Die Anregung kann auf verschiedene Weise erfolgen: durch Licht, thermisch, mechanisch, elektrisch, durch radioaktive Bestrahlung oder auch chemisch – je nach Anregungsart werden auch die verschiedenen Arten der Lumineszenz unterschieden. Neben der Elektrolumineszenz in Leuchtdioden, die mittlerweile in jedem Haushalt anzutreffen sein dürften, entsteht eine der bekanntesten Formen von Lumineszenz durch die Anregung mit Licht, die Photolumineszenz. Dabei wird ein Stoff beleuchtet und sendet daraufhin selbst wieder Licht aus.

Wird das Licht sofort, innerhalb von weniger als einer millionstel Sekunde abgegeben, so spricht man von Fluoreszenz. Praktisch bedeutet dies, dass der Stoff nur so lange leuchtet, wie er von Licht angestrahlt wird. Das kann auch für uns unsichtbares UV-Licht sein, wie es zur Überprüfung von Geldscheinen oder als Schwarzlicht in der Disco eingesetzt wird. In Weißmachern im Waschmittel befinden sich oft fluoreszierende Stoffe, die UV-Licht aufnehmen und als blauweißes Licht wieder abstrahlen, wodurch die Wäsche reiner und weißer wirkt. In Slums auf den Philippinen werden sogar mit Wasser und Bleichmittel gefüllte Plastikflaschen als Solarlampen für die Hütten eingesetzt. Einen ähnlichen Leuchteffekt kann man an einem frisch geschnittenen Rosskastanienzweig beobachten, der in Wasser gestellt wird: Das in der Rinde enthaltene Aesculin löst sich und leuchtet unter UV-Bestrahlung blau. Auch in Neonmarkern werden fluoreszierende Stoffe eingesetzt und in der Biochemie spielen sie eine wichtige Rolle zum Markieren von farblosen Biomolekülen in der Fluoreszenzmikroskopie (). Die Fluoreszenz eines 50-Euro-Scheins unter UV-Licht

Frische Rosskastanienzweige enthalten Aesculin, welches unter UV-Licht fluoresziert.

Fluoreszenzmikroskopie  S. 310 M. E. Kollenberg Licht für die Ärmsten: Flaschentrick erleuchtet Manilas Slums Spiegel Online, http://www.spiegel.de/politik/ ausland/licht-fuer-die-aermsten-flaschentrick-erleuchtet-manilas-slums-a-783898.html D. Weiß Lumineszenz http://www.chemie.uni-jena.de/institute/oc/weiss/lumineszenz.htm

295

Kaltes Leuchten

Nachtleuchtende Aufkleber (Phosphoreszenz)

Wenn ein Stoff auch dann noch nachleuchtet, wenn er nicht mehr von Licht bestrahlt wird, dann spricht man von Phosphoreszenz. Das ist dann der Fall, wenn die angeregten Elektronen bei der Rückkehr in den Grundzustand ihren Spin () umkehren müssten. Da solch ein Übergang eigentlich quantenmechanisch verboten ist und deshalb seltener auftritt, dauert es einige Zeit, bis alle Elektronen wieder im Grundzustand angekommen sind. Dieser Verzögerungseffekt wird bei Nachtleuchtfarben ausgenutzt, die vielerlei Anwendung in Kinderspielzeug, aber auch bei den Leuchtziffern und -zeigern von Uhren finden. Das früher verwendete radioaktive Material wird heute nicht mehr eingesetzt. Übrigens verdankt die Phosphoreszenz ihren Namen dem weißen Phosphor, der sich an Luft bei über 50 °C selbst entzünden kann. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Phosphoreszenz nach der heutigen Definition, sondern eine Form der Chemilumineszenz.

Knicklichter in verschiedenen Farben

Die Chemilumineszenz ist eine Reaktion, bei der sich Stoffe chemisch inLuminol leuchtet unter Zugabe einander umwandeln und dabei Energie von Wasserstoffperoxid und in Form von Licht freisetzen. Einer der einem Katalysator wie Eisen bekanntesten chemilumineszenten Stof- (Blut) oder Kupfer blau. fe ist das Luminol. Es reagiert mit Oxidationsmitteln wie beispielsweise Wasserstoffperoxid (H2O2) und setzt geringe Mengen an blauem Licht frei. Allerdings wird das Licht erst dann für das menschliche Auge sichtbar, wenn ein Katalysator wie Eisen oder Kupfer die Reaktion beschleunigt. Da im Blutfarbstoff Hämoglobin Eisenionen () vorhanden sind, ist Luminol ideal zur Entdeckung winzigster Blutspuren in der Kriminalistik. Ein anderes Beispiel für Chemilumineszenz sind die allseits bekannten Knicklichter, auch Leuchtstäbe genannt, die sich bei Anglern, aber auch zunehmend auf Kindergeburtstagen großer Beliebtheit erfreuen. Sie bestehen aus einem flexiblen Kunststoffstab, der mit einer fluoreszenzfähigen Flüssigkeit gefüllt ist. In dieser Flüssigkeit steckt ein mit Wasserstoffperoxid (H2O2) gefülltes Glasröhrchen. Wird dieses zerbrochen, vermischen sich die Flüssigkeiten und es wird Licht freigesetzt. Die Lichtfarbe hängt dabei vom jeweils verwendeten Stoff ab – mittlerweile kann man damit schon den ganzen Regenbogen im Dunkeln abdecken.

Spin: Das Schalenmodell der Atomhülle  S. 8 Eisen im Körper  S. 188 Biolumineszenz  S. 200 E. Fuchs, J. Steiner, V. Wu, P. Kurzweil, R. Mayer, R. Dragosek Faszination Kaltes Licht http://kaltes-licht.fsla.at/

8 Chemischer Ausblick Wie wird unsere Welt in zehn, zwanzig oder hundert Jahren aussehen? Viele der aktuellen Forschungsergebnisse werden noch Jahrzehnte benötigen, bis sie sich als neue Werkstoffe und Methoden bewähren. In anderen Fällen steckt dagegen selbst die Forschung noch in den Kinderschuhen. Der Nobelpreisträger Peter Agre (geb. 1949) motiviert Studierende, immer weiter zu experimentieren und die Ergebnisse mit Forschern anderer Fachrichtungen zu diskutieren. Auf einer Konferenz für Nachwuchswissenschaftler feuerte Agre im Jahr 2014 in Norwegen die jungen Forscher an: „Du weißt nie, ob dies der Tag ist, an dem du das entscheidende Experiment machst!“ Diese Begeisterung dafür, Rätseln auf den Grund zu gehen, lassen Forscherinnen und Forscher Materialien wie Graphen entwickeln, für die es zunächst noch keine Anwendung gibt, mit denen man aber womöglich eines fernen Tages sogar einen Fahrstuhl bis hinauf in den Weltraum bauen könnte. Aerogel ist ein anderes Beispiel für einen Werkstoff, der zunehmend erste Schritte aus der Exotenecke heraus unternimmt. Die Fluoreszenzmikroskopie könnte sich als Katalysator für neue Entdeckungen erweisen, denn mit ihr lässt sich das Auflösungsvermögen von Lichtmikroskopen enorm steigern. Eine simple Frage führte zum einfachsten und zuverlässigsten Werkzeug der Gentechnik, das bis jetzt entwickelt wurde: Wenn Bakterien Gene schneiden können, kann man das nicht auch in der Gentechnik nutzen? Dieses Kapitel vereint sehr unterschiedliche Themen und fordert die Neugier heraus, um vom Weltall bis in mikroskopisch kleine Welten einzutauchen.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Feil et al., Faszinierende Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57324-2_8

298

8 Chemischer Ausblick

Fullerene

Nanofußbälle aus Kohlenstoff In Graphit () ist jedes Kohlenstoffatom mit drei anderen Kohlenstoffatomen verbunden, wobei alle drei Bindungen in einer Ebene liegen. Auf diese Weise entsteht eine zweidimensionale Schicht aus miteinander verbundenen Sechsecken, ganz ähnlich wie in einer Bienenwabe.

Wenn sich Fünfecke lückenlos an den Kanten miteinander verbinden, so entsteht ein sogenannter Dodekaeder (Zwölfflächner), denn es werden dafür zwölf Fünfecke benötigt, die insgesamt zwanzig Kohlenstoffatome beherbergen. Die chemische Summenformel dieses Gebildes wäre also C20.

Doch müssen es unbedingt Sechsecke sein? Was würde geschehen, wenn sich stattdessen Fünfecke bildeten? Der Dodekaederstruktur von C . Die Koh- In einem Dodekaeder stünden 20 Unterschied liegt darin, dass man mit lenstoffatome sitzen in den Ecken. die drei bindenden ElektronenFünfecken eine zweidimensionale Ebepaare an jedem Kohlenstoffatom ne nicht lückenlos ausfüllen kann – mit Sechsecken da- unter relativ großer Spannung, denn sie lägen – anders gegen schon. als bei Graphit – nicht in einer Ebene, was sie aufgrund ihrer elektrischen Abstoßung aber bevorzugen würden. Man könnte diese Spannung verringern, indem man zusätzliche Sechsecke einbaut. So kann man beispielsweise jedes Fünfeck mit einem Kranz aus Sechsecken umgeben, sodass die Fünfecke nicht mehr aneinanderstoßen.

Das BuckminsterFulleren C60

Fußball aus 12 schwarzen Fünfecken und 20 weißen Sechsecken

Graphit: siehe Wandlungsfähiger Kohlenstoff  S. 106 Wikipedia Fullerene NASA Telescope Finds Elusive Buckyballs in Space http://www.nasa.gov/mission_pages/spitzer/news/spitzer20100722.html

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Fullerene

nennt man es auch einfach buckyball). Fuller war berühmt für seine geodätischen Kuppeln, die ähnlich wie Fullerene aussehen.

C60-Fullerenkristalle

C60 in Lösung

Zählt man nach, so benötigt man neben den zwölf Fünfecken zusätzlich zwanzig Sechsecke für dieses Gebilde, das man Ikosaederstumpf oder Fußballkörper nennt, denn genau so sehen viele Fußbälle aus. Insgesamt braucht man sechzig Kohlenstoffatome für diesen Kohlenstoff-Nanofußball, d. h. seine chemische Formel wäre C60. Durch Einfügen weiterer Sechsecke sind theoretisch viele weitere Kohlenstoffbälle konstruierbar. Aber gibt es diese Gebilde überhaupt, oder wären sie aufgrund der Spannungen an den Ecken instabil? Im Jahr 1985 konnte diese Frage geklärt werden, denn es gelang, solche Moleküle tatsächlich herzustellen und nachzuweisen. Dazu kann man beispielsweise Graphit unter einer Schutzatmosphäre mit einem Laser oder einem Lichtbogen punktuell verdampfen, wobei sich im entstehenden Ruß unter anderem die Kohlenstoffbälle bilden. Das fußballartige C60 entsteht dabei am häufigsten und wurde auch als Erstes entdeckt. Zu Ehren des Architekten Richard Buckminster Fuller gab man ihm den Namen Buckminster-Fulleren (auf Englisch

Im Fusionsofen der Sterne  S. 52

Heute weiß man, dass Fullerene auch in der Natur vorkommen, wie beispielsweise in ganz normalem Kerzenruß. Sogar im Weltraum gibt es Fullerene: Sie konnten im Jahr 2010 vom Weltraumteleskop Spitzer im planetarischen Nebel Tc 1 im Infraroten nachgewiesen werden, also in den abgestoßenen äußeren Hüllen eines ausgebrannten mittelgroßen Sterns (). Wenn man bedenkt, dass solche Sterne an ihrem Lebensende jede Menge Kohlenstoff enthalten, ist diese Entdeckung vielleicht gar nicht so überraschend. Fullerene in einem planetarischen Nebel (künstlerische Darstellung)

300

8 Chemischer Ausblick

Kohlenstoff-Nanoröhren Aufgerollter Kohlenstoff

man versucht, längere Fasern aus den Röhren herzustellen, kommen weitere Effekte ins Spiel, die die Reißfestigkeit beeinflussen.

Im Inneren einer Kohlenstoff-Nanoröhre

Wenn sich Kohlenstoffatome zusammenfinden, dann entstehen meist bienenwabenartige Ebenen aus Sechsecken, die sich übereinanderstapeln und Graphit bilden. Unter bestimmten Bedingungen können sich diese Ebenen aber auch einrollen und winzige Röhren im Nanometerformat bilden, über 1000mal dünner als ein menschliches Haar.

Heute werden Nanoröhren gelegentlich herkömmlichen Kunststoffen beigemischt, um deren mechanische Eigenschaften zu verbessern. Auch die Herstellung von feinem Nanogarn ist im Labor bereits gelungen – es wurde beispielsweise zur Herstellung künstlicher Muskelfasern verwendet. Wenn man es eines Tages schafft, aus solchem Garn extrem reißfestes und zugleich leichtes Textilgewebe herzustellen, dann könnte sogar ein Kleidungsstück ähnlich wie Frodos Mithril-Hemd aus der Herr der Ringe-Trilogie Wirklichkeit werden. Kohlenstoff-Nanoröhren werden zu einem Nanogarn-Faden gesponnen.

Erst um das Jahr 1991 begann man, die erstaunlichen Eigenschaften dieser Kohlenstoff-Nanoröhren genauer zu untersuchen. So ist die Zugfestigkeit der Röhren mehr als zehnmal so hoch wie die von Stahl – und das bei einer rund fünffach geringeren Dichte. Allerdings gilt das zunächst nur im Nanomaßstab, denn sobald

Bild unten von CSIRO Wikipedia (engl.) Carbon nanotube Welt der Physik Künstliche Muskeln aus Nanoröhrchen http://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/news/kuenstliche-muskelnaus-nanoroehrchen/

301

Kohlenstoff-Nanoröhren

Aus Nanoröhren lässt sich die schwärzeste bekannte Substanz herstellen: Vantablack, bestehend aus einem Wald senkrechter Nanoröhren, die das Licht einfangen und nicht mehr entkommen lassen. Nur knapp 0,04 % des einfallenden Lichts werden noch reflektiert. Unter einem Vantablack-Tarnumhang wäre man nachts praktisch unsichtbar. Auch in der Nanotechnik bieten sich verschiedene Anwendungsmöglichkeiten. Je nach der genauen Aufrollstruktur sind Kohlenstoff-Nanoröhren beispielsweise sehr gute Strom- und Wärmeleiter oder zumindest Halbleiter, aus denen sich winzige, hoch belastbare Transistoren bauen lassen.

Eine mit Vantablack beschichtete Alufolie

Nanoröhren können zudem als Bauteile für Nanomaschinen dienen. So könnte man winzige Zahnräder bauen, indem man veränderte Benzolringe (sogenannte Arine) außen als Zähne an einer Nanoröhre anbringt. Viele weitere Anwendungsbereiche sind denkbar und werden intensiv erforscht, doch es wird wohl noch einige Jahrzehnte dauern, bis das Potenzial der Nanoröhren Nahaufnahme eines vantablackähnlichen Materials der NASA. Das Loch in der Mitte macht die senkrechte Ausrichtung der Nanoröhren sichtbar.

Nanozahnräder

voll zum Tragen kommt. Außerdem ist noch nicht absehbar, welche gesundheitlichen Gefahren von einer weiten Verbreitung der Nanoröhren ausgehen könnten – immerhin ähneln sie mit ihrer länglichen Struktur den Asbestfasern, die bekanntermaßen Lungenkrebs auslösen können. Wie bei jeder neuen Technik wird es also auch bei den Nanoröhren darauf ankommen, die faszinierenden Möglichkeiten zu nutzen und zugleich die damit verbundenen Gefahren im Auge zu behalten.

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8 Chemischer Ausblick

Graphen

Hauchdünne Lagen aus Kohlenstoff

Die gewellte Struktur einer Graphenschicht

Bienenwabenartige Schichten aus Kohlenstoff gibt es in unterschiedlicher Form: Sie können sich übereinanderstapeln und Graphit bilden, sie können sich zu Nanoröhren einrollen oder sie können kleine FullerenKugeln bilden. Aber gibt es diese Schichten auch in Reinform? Kann man beispielsweise von einem Graphitkristall eine einzelne Schicht – Graphen genannt – ablösen, die nur ein einziges Atom dick ist? Lange Zeit war man skeptisch, denn es gibt theoretische Argumente, nach denen solche zweidimensionalen Strukturen instabil sein sollten. Umso überraschter war man, als es im Jahr 2004 tatsächlich gelang, mit einfachem Klebeband in mehreren Schritten letztlich einzelne Graphenschichten von einem Graphitkristall abzulösen. Für die erfolgreiche Umsetzung dieser geni-

alen Idee erhielten Konstantin Novoselov, Andre Geim und ihre Mitarbeiter im Jahr 2010 den Nobelpreis für Physik. Man kann eine einzelne Graphenschicht sogar mit dem bloßen Auge erkennen: Sie ist zwar transparent, absorbiert aber rund 2,5 % des durchscheinenden Lichts, was für eine Schicht von Graphen im durchscheinenden Licht. Das einschichtige Graphen sieht man in der Mitte, während rechts eine Graphendoppelschicht (Bilayer) zu sehen ist.

Wikipedia Graphen D. Saße Welt der Physik: Graphen aus dem Küchenmixer http://www.weltderphysik.de/gebiet/stoffe/news/2014/graphen-ausdem-kuechenmixer/

Graphen

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Graphitpulver, Wasser und etwas Geschirrspülmittel. Die rotierenden Schlagmesser des Mixers zerlegen dabei den Graphit in der Seifenlauge mechanisch in viele winzig kleine Graphenflocken.

Eine Graphenschicht

nur einem Atom Dicke ziemlich viel ist. Dieses hohe Absorptionsvermögen hängt wie beim Graphit mit der guten Beweglichkeit der überschüssigen Elektronen zusammen, die nicht für die chemischen Bindungen zu den Nachbaratomen benötigt werden. Graphen ist daher wie Graphit ein guter Strom- und Wärmeleiter. Ähnlich wie Kohlenstoff-Nanoröhren besitzt auch Graphen viele bemerkenswerte Eigenschaften. So ist es das Material mit der höchsten Steifheit und Reißfestigkeit, das wir kennen – mehr als 100-mal besser als Stahl und zugleich deutlich leichter. Könnte man aus Graphen eine Hängematte von einem Quadratmeter Größe herstellen, so wäre diese stark genug, um eine vier Kilogramm schwere Katze zu tragen. Die Hängematte selbst wäre dabei hauchdünn und würde mit weniger als einem Milligramm nur so viel wiegen wie eines der Schnurrhaare der Katze. Heutzutage kann man Graphen mit verschiedenen mechanischen und chemischen Methoden herstellen. Es klappt sogar mit einem leistungsstarken Küchenmixer,

Man weiß heute noch nicht so genau, was man mit diesem einzigartigen Material Nützliches anstellen kann. Wie bei den Fullerenen und den Nanoröhren gibt es viele aussichtsreiche Ideen, von der Mikroelektronik über die Nanotechnik bis hin zum Weltraumlift. Es werden aber wohl noch viele Jahre an Forschung und Entwicklung nötig sein, bis uns Graphen auch im Alltag begegnen wird. Winzige Graphenflocken, abgebildet mithilfe der hochauflösenden Transmissionselektronenmikroskopie (HRTEM)

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8 Chemischer Ausblick

Der Weltraumlift Fahrstuhl zu den Sternen

In den Jahren 1887 bis 1889 entstand in Paris ein für die damalige Zeit monumentales Bauwerk: der Eiffelturm. Kurz darauf – im Jahr 1895 – stellte sich der russische Wissenschaftler Konstantin Ziolkowski erstmals folgende Frage: Könnte man so einen Turm nicht auch als Weltraumlift dazu nutzen, um Lasten bis in den Weltraum hinauf zu befördern, wenn man ihn nur hoch genug bauen würde? Seit dem Start des russischen Satelliten Sputnik im Jahr 1957 vollbringen Raketen diese Aufgabe, doch das ist aufwendig und teuer. Ein Weltraumlift wäre da eine gute Alternative, wenn sich die enormen technischen Herausforderungen meistern ließen. Um beispielsweise die Umlaufbahn der Internationalen Raumstation (ISS) zu erreichen, müsste ein Turm rund 400 km hoch sein. Der Eiffelturm erreicht gerade einmal 324 m, und selbst das höchste heute existierende Gebäude, das Burj Khalifa in Dubai, ist mit 830 m bei Weitem nicht hoch genug. Bei noch höheren Gebäuden erreicht man schnell die Grenze der Belastbarkeit der Baumaterialien. Das Burj Khalifa (links) und der Eiffelturm (rechts)

A. C. Clarke Fahrstuhl zu den Sternen Heyne 1979 Wikipedia Weltraumlift

Gerade abgekoppelte Sojus -Raumkapsel aus Sicht der Internationale Raumstation (ISS) in rund 400 km Höhe

Zum Glück gibt es eine andere Möglichkeit: In einer Höhe von 35 786 km über dem Erdboden befindet sich die geostationäre Umlaufbahn, in der ein Satellit pro Tag genau einmal die Erde umkreist. Dadurch kann er immer senkrecht über einem festen Punkt des Äquators stehen, wobei Erde und Satellit synchron um den Erdmittelpunkt rotieren. Man könnte nun ein langes Seil vom Satelliten bis zur Erdoberfläche hinunterlassen und dort verankern. Damit das Gewicht des Seils den Satelliten nicht nach unten zieht, müsste man zum Ausgleich das Seil in die entgegengesetzte Richtung verlängern und mit einem Gegengewicht versehen. Die Fliehkraft überwiegt oberhalb der geostationären Bahn gegenüber der Erdgravitation, sodass das Gegengewicht das Seil wie bei einem sich drehenden Hammerwerfer straff ziehen würde.

305

Der Weltraumlift

Das Problem bei dieser Idee ist nur, dass das Seil mit über 35 000 km extrem lang ist. Zwar nimmt die Schwerkraft mit zunehmendem Abstand zum Erdmittelpunkt quadratisch ab, aber dennoch kommt bei einem so langen Seil ein enormes Gewicht zusammen. Ein nahe der Erdoberfläche frei herabhängendes Hochleistungsstahlseil zerreißt beispielsweise bereits bei einer sogenannten Reißlänge von rund 30 km unter seinem eigenen Gewicht. Da hilft es auch nicht, das Seil dicker zu machen, denn dadurch wird es auch schwerer.

So könnte der Blick von der geostationären Station des Weltraumlifts hinunter zur Erde aussehen.

Schema eines Weltraumlifts, der synchron mit der Erde um den Erdmittelpunkt rotiert. Die Fliehkraft (rot) wächst linear mit zunehmendem Abstand zum Erdmittelpunkt, während die Gravitation (grün) quadratisch abnimmt. Bei der geostationären Station kompensieren sich beide Kräfte gerade gegenseitig.

Besser als Stahl sind beispielsweise die organischen Kunststoffe Kevlar und Dyneema, aus denen man u. a. schusssichere Westen und Kletterseile herstellt. Leider sind diese Materialien mit Reißlängen von 200–400 km immer noch nicht stark genug. Erst Kohlenstoff-Nanoröhren () und Graphen () weisen ausreichend große Reißlängen auf – zumindest theoretisch. Allerdings muss man es erst einmal schaffen, aus diesen Materialien extrem lange robuste Seile herzustellen, was heute noch nicht machbar ist. Sollte es aber eines Tages gelingen, dann könnte die Vision eines Weltraumlifts tatsächlich Wirklichkeit werden.

geostationäre Station

Seil Gravitation

Kohlenstoff-Nanoröhren  S. 300 Graphen  S. 302

Fliehkraft

Gegengewicht

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8 Chemischer Ausblick

Molekulare Maschinen Wie man sie entwirft und baut

In der Nanowelt einer lebenden Zelle wimmelt es nur so von den unterschiedlichsten Makromolekülen, die als winzige Nanomaschinen die Lebensvorgänge der Zelle in Gang halten. Es ist also ganz offensichtlich möglich, molekulare Maschinen zu erschaffen – die Natur macht es uns vor. Aber sind auch wir Menschen dazu in der Lage? Auch wenn wir von der Kunstfertigkeit der Natur sicher noch ein gutes Stück entfernt sind, so gibt es mittlerweile die ersten Erfolge: Im Jahr 2016 erhielten Jean-Pierre Sauvage, Sir J. Fraser Stoddart und Bernard L. Feringa den ChemieNobelpreis „für den Entwurf und die Synthese molekularer Maschinen“. Um eine solche Maschine zu bauen, muss man meist mehrere Bauteile beweglich miteinander verbinden. Che-

Nanoauto: Die Räder (schwarz) können durch Anregung mit Elektronen ihre Konfiguration ändern, drehen sich dadurch um ihre Achse und bewegen das „Auto“ (grau) damit vorwärts.

mische Bindungen sind dafür oft zu starr – man muss die einzelnen Moleküle also anders zusammenfügen. Im Jahr 1983 gelang dem französischen Chemiker Jean-Pierre Sauvage erstmals eine solche Verbindung, indem er zwei ringartige Moleküle wie die Glieder einer Kette zu einem sogenannten Catenan verknüpfte.

Struktur eines Catenans (links) und eines Rotaxans (rechts)

Die Nanowelt der Zellen  S. 146

Die meisten Maschinen bestehen allerdings nicht aus solchen Ketten, sondern sie besitzen beispielsweise rotierende Räder und Achsen. Eine solche Konstruktion glückte im Jahr 1991 dem britisch-US-amerikanischen Chemiker

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Molekulare Maschinen

Fraser Stoddart. Er fädelte ein Ringmolekül auf eine molekulare Achse, entlang der es sich bewegen und hin- und herspringen konnte, und schuf so ein sogenanntes Rotaxan. Auf dieser Basis konnte er später einen Nanoaufzug bauen, einen Nanomuskel und sogar einen molekularen Nanocomputerchip mit 20 kB Speicherplatz. Um eine molekulare Maschine anzutreiben, benötigt man einen Nanomotor. Im Jahr 1999 erzielte der niederländische Chemiker Bernard Feringa den Durchbruch: Er konstruierte ein molekulares Rotorblatt, das mit Licht angetrieben werden kann, sodass es immer in dieselbe Richtung rotiert. Die Funktionsfähigkeit dieses Motors demonstrierte er, indem er einen winzigen Glaszylinder rotieren 1 ließ, der immerhin zehntausendmal größer als ein einzelner Motor war. Und da Bewegungen in der Nanowelt viel schneller erfolgen können als in unserer makroskopischen Welt, brachte es der winzige Motor im Leerlauf schließlich auf Das obere Rotorblatt rasante 12 Mio. Umdrehungen pro springt über das untere. Sekunde. Sogar die Konstruktion Die Rückrotation wird erneut blockiert. eines winzigen Nanoautos gelang. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl weiterer molekularer Nanomaschinen wie molekulare Pumpen und Fließbänder, schaltbare Katalysatoren und vieles mehr.

Auch wenn alle diese Maschinen sicher beeindruckend sind, so stehen wir doch erst am Anfang einer faszinierenden Entwicklung. Noch ist es schwierig, brauchbare Anwendungen zu finden – dafür ist es einfach noch zu früh. Auf Nanoroboter, die Krebs bekämpfen können, oder auf neuartige Materialien, die vielleicht sogar komplett aus Nanomaschinen bestehen, werden wir also noch eine Weile warten müssen. Die Wunderwelt einer lebenden Zelle führt uns aber vor Augen, was alles möglich ist. Eines Tages werden molekulare Nanomaschinen wohl ebenso selbstverständlich sein wie heute schon die Mikrochips unserer Computer und Smartphones. Das UV-Licht lässt das obere Rotorblatt (orange) nach links rotieren und erzeugt so Spannung im Molekül. UV-Licht

2

Die Spannung löst sich, indem das untere Rotorblatt über das obere springt. Dadurch wird die Rückrotation blockiert.

UV-Licht

4 So funktioniert der molekulare Motor von Bernard Feringa.

3 Das UV-Licht lässt das obere Rotorblatt erneut nach links rotieren.

Lars Fischer Nobelpreise 2016: Die Maschinen der Zukunft sind unsichtbar http://www.spektrum.de/news/die-maschinen-derzukunft-sind-unsichtbar/1425334 Nobel Media AB 2016 The Nobel Prize in Chemistry 2016 https://www.nobelprize.org/nobel_prizes/chemistry/laureates/2016/

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8 Chemischer Ausblick

Werkzeuge aus Keramiken Messerscharf und härter als Stahl

Viele Dinge bestehen aus Keramik: Leicht zerbrechliches Geschirr, das stabile Waschbecken im Badezimmer, Klingen und Schleifköpfe, die härter sind als Stahl. Wie kann ein Werkstoff so unterschiedlich sein? Zunächst einmal handelt es sich um einen nichtmetallischen anorganischen Festkörper, der thermisch und chemisch stabil ist, also hohe Temperaturen aushält und nicht von Säuren und alkalischen Lösungen angegriffen wird. Unterschieden wird zwischen Keramik für Geschirr und dickwandiger Keramik für Baustoffe. Für die Herstellung werden Aluminiumoxid (Al2O3) und Siliciumdioxid (SiO2). gemischt, geformt und gebrannt. Mikroskopisch betrachtet sind in einer fertigen Keramik feine Kristalle von Poren und glasartigen Bindesubstanzen umgeben: Amorphes Siliciumdioxid umgibt kristallinen Korund (Al2O3) und nadelförmige Mullitkristalle (Mischoxid 3 Al2O3 ∙ 2 SiO2). Je höher die Temperatur und je länger die Brenndauer ist, desto fester und weniger porös ist die Keramik. Unter den Baustoffen finden sich sogenannte Oxidkeramiken. Sie enthalten keinen Quarz und benötigen zum Verfestigen höhere Temperaturen. Beim Sintern werden die in Formen gepressten Pulver fast bis zur Schmelztemperatur erhitzt. Die Aluminiumoxidkörner verschweißen dabei zu festgefügten, nicht deformierten Körpern. Außer Aluminiumoxid werden auch Oxide von Zirconium, Magnesium, Beryllium oder entsprechende

Kristallstruktur von Zirconiumdioxid. Rote Kugeln stellen den Sauerstoff (O2–) dar, graue das Zirconium (Zr4+)

Mischungen verwendet. Diese Oxidkeramiken können beispielsweise für Werkzeuge zum Schleifen und Schneiden genutzt werden. Außerdem sind sie Knochenersatz und Reaktorwerkstoff. Als Werkstoff ist Keramik deshalb beliebt, weil sie Strom nicht leitet und nicht korrodiert. Dadurch eignet sie sich z. B. ideal für Isolatoren an Hochspannungsmasten. Für Schneidewerkzeug verwendet man Keramiken aus Zirconiumdioxid. Diese sind sehr hart und lassen sich nur durch Diamant schleifen. Zusätze wie Titancarbid (TiC), Wolframcarbid (WC) und Titannitrid (TiN) machen die Keramik stabiler gegenüber wechselnden Temperaturen und die Kanten der Werkzeuge werden fester. Titancarbid und

A. F. Hollemann, N. Wiberg Lehrbuch der Anorganischen Chemie 102. Aufl., Walter de Gruyter & Co. 2007

Werkzeuge aus Keramiken

Zirkon (ZrSiO4), ein silicatisches Mineral, ist weit verbreitet und Rohstoff für Oxidkeramik auf Basis von Zirconiumdioxid.

Wolframcarbid zeichnen sich durch hohe Schmelztemperaturen und eine große Härte der Kristalle aus. Sie sind die wichtigsten technischen Hartstoffe und härten als Legierungszusatz auch Edelstahl. Werkzeuge und Maschinenteile werden dünn mit Titannitrid überzogen, um ihre Verschleißfestigkeit zu erhöhen.

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zu einer glasartigen Masse. Je nach Anwendung wird es pur gesintert oder mit Calcium- und Magnesiumoxid versetzt. Zirconiumdioxid kann in verschiedenen Kristallgittern, also Anordnungen der Sauerstoff- und Zirkonatome, erstarren. Calcium- und Magnesiumkationen begünstigen und stabilisieren das gewünschte Gitter und machen die Oxidkeramik weniger spröde. Für Zahnersatz wird Yttriumoxid beigemischt. Autokatalysatoren bekommen Luftsauerstoff durch die Lambda-Sonde zugeführt. Darin fungiert Zirconiumdioxidkeramik wie ein molekulares Sieb für den Sauerstoff.

Zirconiumdioxid ist mittlerweile nach Aluminiumoxid die meist verwendete Oxidkeramik und wird aus Zirconiumsilicat (Zirkon , ZrSiO4) hergestellt. Bei der Produktion von Porzellan () wird es als Weißpigment zugegeben. Das Oxid schmilzt bei 2680 °C

Neben Keramikmessern sind Mörser und Schleifaufsätze für die Nagelpflege aus dem Alltag bekannt. Keramikmesser aus Zirconiumdioxid bleiben zehnmal länger scharf als Stahlklingen und sind dabei deutlich leichter. Allerdings sind sie nicht so bruchsicher und lassen sich nicht am Wetzstahl nachschärfen, sondern nur in Werkstätten mit einer Diamantscheibe nachschleifen. Die Elastizität wird wiederum durch Zusätze wie Titancarbid oder Silber erhöht.

Aus Zirconiumdioxid mit etwas Yttriumoxid vermischt werden Zahn-Inlays, Kronen und Brücken hergestellt.

Ein handelsübliches Keramik-Küchenmesser aus Zirconiumdioxid kann hervorragend Tomaten schneiden.

Foto oben von Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0 Zirkon  S. 82 Porzellan  S. 210

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8 Chemischer Ausblick

Fluoreszenzmikroskopie

Mit Leuchtfarbstoffen jenseits der Auflösungsgrenze Bestimmte Stoffe können durch Bestrahlung mit Licht angeregt werden und daraufhin selbst wieder Licht ausstrahlen: Sie fluoreszieren (). Das macht man sich in der Fluoreszenzmikroskopie zunutze. Bei der Anregung gelangen die Elektronen der fluoreszierenden Moleküle auf ein höheres Energieniveau und fallen kurz darauf wieder in den Grundzustand zurück, wobei sie Licht mit einer für diesen Übergang charakteristischen Energie aussenden. Das Fluoreszenzlicht hat also je nach Art des Moleküls eine ganz bestimmte Energie und damit auch Wellenlänge und Farbe, sodass man mit Farbfiltern im Mikroskop genau dieses Licht herausfiltern und dadurch die fluoreszierenden Bereiche oder sogar einzelne Moleküle aufspüren kann. Einige biologische Stoffe leuchten schon von selbst (Primärfluoreszenz oder Autofluoreszenz), wie etwa der grüne Farbstoff Chlorophyll. Will man andere, nicht-fluoreszente Bereiche einer Zelle untersuchen, so wird ein zusätzlicher spezieller Marker, ein FluoroZellen, eingefärbt mit DAPI (blau, DNA), Phalloidin (rot, Actinfilamente) und Fluorescein-Isothiocyanat (FITC, grün, Mikrotubuli)

Fluoresceinpulver ist dunkelrot, leuchtet aber in Wasser aufgelöst und mit UV-Licht bestrahlt grün.

phor, benötigt (Sekundärfluoreszenz). Beispielsweise kann man Zellen mit 4',6-Diamidin-2-phenylindol (kurz: DAPI) einfärben. Dieses Molekül kann Zellwände durchdringen und lagert sich bevorzugt in der kleinen Furche unserer Erbsubstanz, der DNA, an. In Kombination mit DNA fluoresziert es sogar stärker als allein, was es zu einem idealen DNA-Marker macht. Der blaue Farbstoff DAPI (im Bild pink) bindet an adenin-/thyminreiche Abschnitte an der kleinen Furche der DNA-Doppelhelix.

Weitere beliebte Marker sind Abwandlungen des grün leuchtenden Fluoresceins, das Phalloidin aus dem Grünen Knollenblätterpilz oder auch das grün fluoreszierende Protein (kurz: GFP), das erstmals in der Aequorea-Qualle entdeckt wurde (Biolumineszenz ). Mikroorganismen in einem Biofilm auf rostfreiem Stahl im Labor, eingefärbt mit dem Farbstoff DAPI, welcher an die Erbsubstanz bindet und unter UV-Bestrahlung blaues Licht aussendet

Fluoreszenz, siehe Kaltes Leuchten  S. 294 Biolumineszenz  S. 200

Fluoreszenzmikroskopie

Proteinfarbstoffe wie das GFP und dessen Abwandlungen können von gentechnisch manipulierten Zellen sogar selbst hergestellt werden: Dazu wird die Gensequenz von GFP mittels Gentechnik in die DNA der Zellen eingeschleust. Im Verlauf der Proteinsynthese an den Ribosomen () wird das Fluoreszenzprotein zusammengesetzt, dockt dann an ganz spezifische Biomoleküle an und markiert sie. Wird daraufhin die Zelle mit Licht der passenden Wellenlänge bestrahlt, leuchtet das Fluoreszenzprotein auf und verrät so seinen Aufenthaltsort. Durch Einsatz von Fluoreszenzfarbstoffen mit verschiedenfarbigem Emissionslicht lassen sich auf diese Weise z. B. die Actinfilamente einer Zelle rot und ihre DNA im Zellkern blau markieren. Gerade im Bereich der Lichtmikroskopie von Zellen wäre der Kontrast der einzelnen Zellbestandteile ohne Fluoreszenzmarkierungen einfach nicht hoch genug, um sie gut voneinander unterscheiden zu können. Die Fluoreszenztechnik wurde schon vor über einhundert Jahren entwickelt, hat aber gerade in den letzten Jahrzehnten durch neu entwickelte Farbstoffe und neue Verfahren einen starken Aufschwung erfahren. Dabei gelingt es sogar, die in der Lichtmikroskopie durch Beugung bedingte Abbesche Auflösungsgrenze von etwa 200 nm zu unterschreiten.

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Illustration zum Laserfokus beim STED-Mikroskop: kreisförmiger Anregungsfokus (links), ringförmiger Ausschaltefokus (stimulierte Emission) und verbleibender scharfer Zentralbereich (rechts)

ten an. Der zweite Laser hat ein ringförmiges Profil und strahlt mit der Emissionswellenlänge des Fluoreszenzfarbstoffs. Dadurch fallen die Elektronen des Farbstoffs von ihrem angeregten Energieniveau in den Grundzustand zurück, werden also durch diese stimulierte Emission quasi ausgeschaltet. Deshalb bleibt nur ein wesentlich kleinerer, schärferer Bereich in der Mitte des ersten Laserstrahls übrig. Auf diese Weise können Strukturen von nur 20 nm Ausdehnung beobachtet werden. Ist das Aufnahmeverfahren schnell genug, lassen sich dabei sogar Bewegungen einzelner Moleküle, Transportvorgänge oder die Botenstoffbläschen (Vesikel) bei der Signalübertragung zwischen Nervenzellen studieren. Die Techniken werden immer ausgereifter und wir dürfen auf die weiteren Entwicklungen gespannt sein. Actinfilamente einer Zelle, eingefärbt mit Phalloidin, das an Actin bindet; links mit einem konfokalen Mikroskop, rechts mit einem STED-Mikroskop aufgenommen

Eine der vielversprechendsten Techniken ist die STEDMethode, was für STimulated Emission Depletion steht. Ihr Erfinder, Stefan Hell, teilte sich dafür mit zwei anderen Wissenschaftlern 2014 den Nobelpreis für Chemie. Dabei sind zwei Laser im Einsatz: Der erste bestrahlt die Probe in einem kleinen Bereich mit Licht der Anregungswellenlänge und regt sie zum Leuch-

Ribosomen  S. 166 Nobel Media AB 2014 The Nobel Prize in Chemistry 2014 http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/chemistry/laureates/2014/ press.html U. Deffke Tricksereien an der optischen Grenze Max-Planck-Gesellschaft, 19.06.2009, http://www.mpg.de/forschung/portraet/ stefan-hell-optische-grenzen

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8 Chemischer Ausblick

Kryo-Elektronenmikroskopie Tiefe Einblicke in die Nanowelt des Lebens

Chemiker und Biologen träumen seit Langem davon, die komplexen Strukturen in einer biologischen Zelle bis in die kleinsten atomaren Details beobachten zu können. Mit einem gewöhnlichen Lichtmikroskop ist aber bereits bei einer Auflösung von rund 200 Nanometern (nm) Schluss, denn die Bildauflösung kann nicht wesentlich besser sein als die Wellenlänge der verwendeten Strahlung, die bei Licht zwischen 400 und 800 nm liegt. Größere Organellen lassen sich damit noch erkennen, aber bei großen Molekülstrukturen wie beispielsweise Ribosomen (), deren Durchmesser bei rund 20 nm liegt, hat man so keine Chance mehr. Darstellung einiger Kernelemente der Kryo-Elektronenmikroskopie. Oben links sieht man das Drahtnetz mit der Eisschicht, in die die Makromoleküle (hier β-Galactosidase) eingebettet sind. Beim Durchleuchten mit dem Elektronenstrahl entsteht das zweidimensionale Bild, das man im Hintergrund sieht. Computerprogramme berechnen daraus die dargestellte dreidimensionale Molekülstruktur.

Nur mit besonderen Tricks wie beispielsweise der Fluoreszenzmikroskopie () kann man noch in diesen Größenbereich vorstoßen. Um eine bessere Auflösung zu erreichen, braucht man Strahlung mit kürzerer Wellenlänge. Eine Möglichkeit bieten Röntgenstrahlen. Ihre Wellenlänge ist klein genug, um die atomare Struktur von Makromolekülen auflösen zu können (Röntgenstrukturanalyse). Bei Molekülen, die sich zu Kristallen zusammenfügen lassen, funktioniert diese Methode auch gut. Die regelmäßige Anordnung der Moleküle im Kristall erzeugt nämlich charakteristische Röntgenbeugungsbilder, aus denen sich auf die Molekülstruktur zurückschließen lässt. Oft bilden die großen, komplex gefalteten Proteinmoleküle aber einfach keine geordneten Kristalle. Wie sieht es mit Elektronenmikroskopen aus? Da sich Elektronen nach den Regeln der Quantenmechanik als kurzwellige Quantenwellen durch den Raum bewegen, erreicht man mit ihnen ein Auflösungsvermögen von bis zu 0,2 nm – das reicht knapp aus, um sogar einzelne Atome unterscheiden zu können. Man hat allerdings mit Schwierigkeiten zu kämpfen, wenn man mit Elektronenstrahlen biologische Makromoleküle untersuchen will. Insbesondere zerstören die energiereichen Elektronen die komplexe Struktur der Moleküle, wenn man sie zu lange damit bestrahlt. Nach und nach ist es gelungen, diese Schwierigkeiten im Rahmen der sogenannten Kryo-Elektronenmikro-

Ribosomen  S. 166 Fluoreszenzmikroskopie  S. 310

Kryo-Elektronenmikroskopie

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Nun durchleuchtet man die dünne Eisschicht zwischen den Drahtmaschen mit einem Elektronenstrahl, wobei die tiefen Temperaturen die Moleküle vor der Zerstörung durch die Elektronen eine Zeit lang schützen. Wie bei einem Dia erhält man so in einer einzigen Aufnahme viele hochaufgelöste Schattenbilder der darin eingebetteten Makromoleküle – allerdings nur in zweidimensionaler Durchsicht.

Diese Darstellung zeigt, wie sehr sich das Auflösungsvermögen der Kryo-Elektronenmikroskopie im Lauf der Zeit verbessert hat. Konnte man früher die Form eines Makromoleküls nur grob erahnen (links), stößt man mittlerweile bis in atomare Dimensionen vor (rechts).

skopie zu überwinden – eine Meisterleistung, für die Jacques Dubochet, Joachim Frank und Richard Henderson im Jahr 2017 mit dem Chemie-Nobelpreis geehrt wurden. Hier sind die entscheidenden Tricks: Statt wie bei der Röntgenstrukturanalyse Kristalle aus den Proteinmolekülen zu bilden, belässt man sie einfach in ihrer natürlichen wässrigen Umgebung, was die natürliche Struktur des Proteins erhält. Man taucht nun ein feines Drahtnetz in die Proteinlösung ein, sodass zwischen den Maschen ein dünner Flüssigkeitsfilm hängen bleibt. Dann schockfrostet man diesen Film in Sekundenbruchteilen auf unter −150  °C herab und fixiert so die Moleküle. Das Wasser erstarrt dabei schlagartig zu glasartigem (amorphem) Eis, ohne dass sich störende Eiskristalle bilden können – sie haben dafür einfach zu wenig Zeit.

Glücklicherweise sind die Moleküle mit ganz unterschiedlichen Orientierungen in der Eisschicht eingebettet, sodass man sie in den verschiedenen Schattenbildern von allen möglichen Seiten sehen kann. Man muss also nicht mehr ein einziges Molekül in verschiedene Richtungen kippen und immer wieder mit Elektronen bestrahlen, wodurch es letztlich zerstört würde. Moderne hochempfindliche Elektrondetektoren liefern dabei mittlerweile so gut aufgelöste Schattenbilder, dass ausgeklügelte Computerprogramme die entsprechende Orientierung der Moleküle ermitteln und schließlich ein dreidimensionales Modell des Moleküls errechnen können. Dank der heute möglichen hohen Bildauflösung erscheinen die Möglichkeiten der Kryo-Elektronenmikroskopie äußerst vielversprechend. Es sieht ganz so aus, als könne sie tatsächlich tiefe Einblicke in die molekulare Nanowelt der Zellen liefern und so vielleicht dabei helfen, Krankheiten wie den Krebs zu besiegen oder gefährliche Viren zu bekämpfen. Kryo-elektronenmikroskopische Aufnahme eines Chaperonproteins in amorphem Eis in 50.000-facher Vergrößerung. Aus einem solchen Bild berechnet der Computer die 3D-Molekülstruktur.

National Cancer Institute High Resolution Electron Microscopy https://electron.nci.nih.gov/ Nobel Media AB 2017 The Nobel Prize in Chemistry 2017 https://www.nobelprize.org/nobel_prizes/chemistry/laureates/2017/

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8 Chemischer Ausblick

Spinnenseide

Aus der Natur zur Biofabrikation Spinnlösung im Spinndrüsensack

Die Zucht von Seidenraupen ist ein jahrhundertealtes Handwerk. Spinnen hingegen besiedeln zwar gern die menschlichen Häuser, um Insekten zu jagen, aber lassen sich schlecht als Nutztiere halten und „melken“. Bezogen auf das Gewicht sind ihre Seidenfäden zugfester als Stahl und dabei um das Fünffache der Ausgangslänge dehnbar. Einzig das Polyamid Kevlar (), genutzt für kugelsichere Westen, hat ähnliche Eigenschaften. An der Universität Bayreuth wurde näher untersucht, wie Spinnen ihre Proteine zu einem Netz verarbeiten. Dabei verknüpfen sich Millionen einzelner Proteinmoleküle zu Strängen (Polymeren). Den Kernbereich des Proteins () bilden sich wiederholende Aminosäuresequenzen. Die häufigsten Aminosäuren hierin sind Glycin, Alanin und Serin. Die Enden des Proteins unterscheiden sich in ihren verknüpfenden Eigenschaften. Man spricht vom C- bzw. N-Terminus, da ein Ende eine Carboxylgruppe (−COOH) trägt und das andere eine Aminogruppe (−NH2).

β-Faltblatt-Stuktur Nanofibrille

Kevlar: siehe Der Weltraumlift  S. 304 Proteine  S. 178

Spinnwarzen Spinnkanal

Spinne im Längsschnitt. Die Spinnlösung sammelt sich in Spinndrüsensäcken und gelangt durch den Spinnkanal zu den Spinnwarzen. Auf dem Weg wird der Lösung Wasser entzogen und die Proteine verknüpfen sich zum Biopolymer Seide.

Die Spinne sammelt die produzierten Proteine als salzige Lösung im Spinndrüsensack, wo sie kugelförmige Strukturen, also Micellen, bilden. Die C-Termini sind paarweise verknüpft, die N-Termini offen, während die Kernbereiche im Inneren geschützt lagern. Daher verknäulen sich die Fasern nicht in der Spinne, sondern polymerisieren erst, wenn die Spinnlösung mit den Micellen durch den Spinnkanal gestreckt wird. Zeitgleich werden die Ionen des Salzes Natriumchlorid (NaCl) gegen Phosphorsäure (H3PO4) ausgetauscht und das Wasser wird durch die Membran wieder von der Spinne aufgenommen. Der sinkende pH-Wert bewirkt, dass sich die N-Termini nun ebenfalls verknüpfen und quer vernetzen. Die Spinnenfaser besteht aus Proteinen, Aus der Spinnderen Faltstruktur quasi kristalline Berei- warze kommt der che bildet, verbunden durch eher lose gewundene Bereiche. So vereinen sich hohe noch klebrige FaElastizität und zugleich Zugfestigkeit. Un- den und härtet an tereinander sind die Bereiche über Was- der Luft aus. serstoffbrücken verbunden.

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Spinnenseide

Seidenspinnen (Nephila sp.) produzieren stabile Haltefäden. Die Spinnwarzen können ein weiteres Herausziehen nicht stoppen, sodass bis zu 400 m lange Fäden „gemolken“ werden können.

An der Medizinischen Hochschule in Hannover gibt es drei Räume, in denen die tropische Seidenspinne Nephila ihre stabilen Fangnet-

die Proteine zu Fasern zusammen, was über die Temperatur und die Konzentration der Lösung beeinflussbar ist. Das verwobene Garn verspricht extrem leichte und doch reißfeste Gewebe auch für Kleidung. Bayreuther Forscher nutzen Bakterien zur künstlichen Seidenproduktion. Aktuell untersuchen sie, wie seidenumhüllte Brustimplantate die Heilung beeinflussen. Sie hoffen, dass sich dadurch Entzündungen vermeiden lassen.

Spinnenseidelösung eignet sich auch als Biotinte, um gewebeähnliche Strukturen im 3D-Druck herzustellen. Diese sind praktisch als ze spinnt. Mit einer Kurbel werGerüste zum Nachzüchten von den aus den Tieren bis zu 400 Gewebe. Für Gewebe des HerzMeter lange Fäden „gemolken“, muskels, der Haut oder Nerven die direkt auf einen Rahmen werden bislang poröse Gerüste gewebt werden. Dass Spinnenin Tissue-Engineering-Verfahren seide nicht zelltoxisch ist, keine mit lebenden Zellen überzogen. Immunantwort auslöst und vom Die neue Forschungsrichtung Körper langsam abgebaut wird, Biofabrikation vereint den Gemacht sie für medizinische Zwerüstbildner Spinnenseide mit cke interessant. den gewebebildenden Zellen in Ein Gerüst aus biotechnologisch hergestellten Seidenproteinen wird von Zellen des Bindegewe- einer Lösung. Mit einem DruckDerzeit werden die Spinnfäden bes einer Maus besiedelt. Die Spinnenseide wur- kopf wird diese Biotinte als Gel als Gitter auf einen Rahmen ge- de von Bakterien produziert. platziert und härtet wie das nawickelt und darauf Hautzellen türliche Vorbild an der Luft aus. von Versuchstieren aufgetragen, die dann zu Lederhaut Erste Versuche mit Herzund Oberhaut heranwachsen. Dabei werden die Nähr- muskelzellen verliefen gut. lösung, Wärme und Luft reguliert, bis sich ein optima- Als weiteres Ziel hofft man, les Wachstum der Hautschichten zeigt. durch Unfälle unterbrochene Nervenbahnen wieder Amerikanische Forscher pflanzten Gene von Spinnen verbinden zu können. in Hefen ein, mit dem Ergebnis, dass diese tonnenweise das Seidenprotein herstellen. Die Proteine werden Dieses Gerüst eines Ohrs wurde als wässrige Lösung durch dünne Poren gepresst, wobei im 3D-Druck aus biotechnolosie sich ausrichten. In einer weiteren Lösung lagern sich gisch gewonnener Spinnenseide hergestellt.

K. Bourzac, V. Szentpétery Kleidung aus Spinnenseide Technol. Review 2015 (Nov), 60 FAZ Plastische Chirurgie: Im Zeichen der Weber http://www.faz.net/aktuell/wissen/medizin/plastische-chirurgie-im-zeichender-weber-11752492.html

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8 Chemischer Ausblick

Aerogel

Ein anorganisches Leichtgewicht Im Weltall treffen Partikel auf den Staubfänger aus Aerogel (im Bild von links nach rechts). Durch ihre hohe Geschwindigkeit zerschlagen sie das Netzwerk aus Siliciumdioxid und hinterlassen eine Bremsspur aus Glasbruch.

Im Rahmen der NASA-Weltraummission „Stardust“ sammelte der Werkstoff Aerogel um die Jahrtausendwende in der Nähe eines Kometen interstellaren Staub ein. Er bremste die Staubpartikel im Weltall ab, fing sie ein und transportierte sie erstmals intakt zur Analyse auf die Erde. Benötigt wurde dafür ein leichtes und hitzeunempfindliches Material – Aerogel, das einem Schwamm aus Glas und Luft ähnelt, ist für diese Aufgabe ideal. Für die Herstellung von Aerogel gibt es verschiedene Verfahren. Ein Bestandteil ist gelöstes Siliciumdioxid wie das organische Silicat Tetramethylorthosilicat (TMOS, Si(OCH3)4). Das Bestimmungswort ortho im Namen gibt an, dass alle Positionen am Siliciumkation (Si4+) belegt sind und somit die höchste Oxidationsstufe erreicht ist. Die Herstellung nach dem Sol-Gel-Verfahren unter Druck und hoher Temperatur geht von gelöstem Siliciumdioxid, Ethanol (C2H5OH), Wasser und AmmoHydrolyse und Kondensation

Sol: Nanoteilchen in wässriger Lösung

H3C H3C

Gel

Si O

O

CH3

Struktur von Tetramethylorthosilicat (TMOS)

niak (NH3) aus. Im ersten Schritt kommt es zur Hydrolyse, bei der im Austausch mit Wasser Methanol (CH3OH) entsteht. Si(OCH3)4 + H2O o Si(OCH3)3OH + CH3OH Sol-Gel-Verfahren: Das Sol ist eine Mischung von winzigen festen Teilchen in einer Flüssigkeit. Die Solpartikel verknüpfen sich und bilden ein Gelgerüst aus, das zum Aerogel wird. Austausch des Lösungsmittels gegen Alkohol

Gelierung

CH3

O

O

Trocknung durch Austausch des Fluids gegen Luft

Aerogel aus Siliciumdioxid und Luft

H. Broeg Das leichteste Material der Welt Technol. Review 2015 (Juli), 78 NASA Catching Comet Dust NASA Jet Propulsion Laboratory http://stardust.jpl.nasa.gov/tech/aerogel.html

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Aerogel

Aerogel ist ein leichter, durchschimmernder Werkstoff

Der zweite Reaktionsschritt ist eine Kondensation: Die OH-Gruppen zweier Moleküle verknüpfen sich zu einer Sauerstoffbrücke und spalten dabei Wasser ab. Da dies gleichzeitig bei vielen Molekülen geschieht und diese so zu Ketten verknüpft werden, spricht man von einer Polykondensation. 2 Si(OCH3)3OH o (H3CO)3Si-O-Si(OCH3)3 + H2O Mehrere der Seitenketten hydrolysieren und kondensieren, sodass sich ein Netzwerk bildet. Die Reaktionsmischung wird viskos und ein Gelgerüst bildet sich aus. Lässt man ein solches Gel an der Luft trocknen, schrumpft es durch den Flüssigkeitsverlust. Um die Form zu erhalten, bedient man sich eines Tricks und ersetzt das Wasser zunächst durch Alkohol. Durch Druck und hohe Temperaturen entsteht ein Zustand, in dem das Lösungsmittel nicht mehr flüssig ist, aber auch nicht siedet. Bei Druckentlastung entweicht es, ohne dass das Netzwerk schrumpft, und Luft füllt die verbliebenen Hohlräume. Die Oberfläche von Aerogel fühlt sich rau an und gibt bei Druck elastisch nach; dabei ist es enorm tragfähig. Wird die Belastungsgrenze überschritten, zerspringt Aerogel wie Glas. Das Material ist nicht nur hitzestabil, es leitet Wärme auch nicht. Durch die feinen Poren kommt nämlich kaum Luft. Zudem absorbiert es auch Schall sehr gut.

Die bläuliche Farbe von Aerogel beruht auf einem Streuungsseffekt des Lichts. Die Moleküle bilden ein so feines Netzwerk, dass die Wellenlänge des Lichts deutlich größer ist als die Hohlräume. Je kurzwelliger (blauer) das Licht ist, desto stärker wird es abgelenkt, wodurch die blaue Farbe wie beim Blau des Himmels entsteht. Aerogel ist hochporös; dadurch bietet es enorme innere Oberflächen von einhundert bis zu zweitausend Quadratmetern pro Gramm. Leider ist das Material derzeit noch extrem teuer und es werden nur geringe Mengen produziert. Da die Dämmung viel besser ist als die von Styropor oder Mineralwolle, erreicht man mit dünneren Schichten die gleiche Wirkung. Granulate oder Verbundmaterialien aus Aerogel und Polyesterglasfasern werden bereits als lichtdurchlässige Wärmedämmung in Dächern und Fassaden eingesetzt. Weitere Ideen zielen darauf ab, das Material für optische Bauteile, als katalytische Unterstützung oder als Filter zu nutzen. In Relation zum eigenen Gewicht ist Aerogel enorm tragfähig (links). Außerdem ist es ein guter Wärmeisolator, wie die dünne Platte Aerogel über dem Bunsenbrenner (rechts) beweist.

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8 Chemischer Ausblick

Das gentechnische Werkzeug CRISPR Mit Geneditierung Krankheiten herausschneiden?

Eines der ersten gentechnischen Produkte war Insulin, es bot Diabetikern eine Alternative zu Insulin von Schweinen. Proteine durch Mikroorganismen wie Bakterien oder Hefen produzieren zu lassen hat den Vorteil, dass diesen menschliche Gene eingebaut werden und die Proteine später nach der Reinigung und Einnahme vom Immunsystem als körpereigen angesehen werden. Noch besser wäre es, die körpereigenen Zellen zu reparieren, um Krankheiten zu heilen. Mit dem neuen gentechnischen Werkzeug des CRISPRCas-Verfahrens bahnt sich der nächste Schritt an: die Änderung des Erbguts in situ, direkt im Körper. Es

Virus

1

Repeats

virale DNA

bakterielle DNA

wird auch von Genscheren gesprochen, wobei ein Tandem von Enzym und Erkennungssequenz bestimmte Genabschnitte erkennt und bearbeitet. Vor rund 30 Jahren wurden im Erbgut des Bakteriums Escherichia coli scheinbar funktionslose Abschnitte entdeckt und zunächst nicht weiter untersucht. Diese Spacer, anfangs für reine Abstandshalter gehalten (daher der Name), sind zwischen 26 und 72 Nucleobasen lang. Dabei handelt es sich um jene DNA-Abschnitte, die heute als CRISPR – abgekürzt für Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats – bekannt sind. Wie CRISPR das Bakterium gegen Viren verteidigen, Bakterium wurde erst ab 2005 erforscht: Nach einer viralen Infektion baut ein CRISPR-assoziiertes pre-crRNA Enzym (Cas) Abschnitte der Vi(Vorläufer crRNA)

Spacer

2 3

„reife” crRNA

CRISPR-Cas9 erkennt virale DNA, zerschneidet sie und verhindert so eine Infektion

Enzym Cas9

Der CRISPR-Cas9-Prozess als Virenabwehr bei Bakterien. In Phase (1) wird die virale DNA als Spacer in die bakterielle DNA eingebaut. In Phase (2) wird die CRISPR-Region abgelesen und die RNA-Abschnitte zu reifen crRNAFragmenten aufbereitet. In der dritten Phase (3) kontrolliert das mit crRNA bestückte Cas die Zelle auf eindringende virale DNA und zerstört sie. Indem die Erkennungssequenz der RNA umcodiert wird, werden entsprechend andere Erbgutabschnitte geschnitten.

Redaktion Pflanzenforschung.de Wie CRISPR/Cas funktioniert: Eine einfache Technologie verbessert die Effizienz der Genom Editierung http://www.pflanzenforschung.de/de/journal/journalbeitrage/wie-crisprcas-funktioniert-eine-einfache-technologieve-10496 A. Regalado Wem gehört die größte Biotech-Entdeckung des Jahrhunderts? Technol. Review 10.12.2014 J. Albrecht, S. Kastilan Können wir es besser? FAZ 22.03.2015

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Das gentechnische Werkzeug CRISPR

rus-DNA ins eigene Erbgut als Spacer ein. Eingebettet werden sie in sich willkürlich wiederholende Abfolgen von DNA-Bausteinen, die wie Palindrome aufgebaut sind, also vorwärts und rückwärts gelesen gleich sind, und Repeats genannt werden. Diese Informationsblöcke aus Spacer und Repeats bilden die CRISPR-Region. Der CRISPR-Abschnitt der DNA wird abgelesen und in Form gebracht, wodurch crRNA-Abschnitte entstehen. Diese werden in das Enzym Cas eingebettet, um damit ähnlich wie ein Immunsystem auf Virenjagd zu gehen: Dringen erneut Viren ein, erkennt die spiegelbildliche DNA in Cas die virale DNA und bindet sie. Das Enzym trennt den viralen Doppelstrang auf und zerschneidet die DNA, wodurch die Viren unschädlich gemacht werden. Einen entscheidenden Schritt für den Durchbruch als generell nutzbare Genschere beschrieben 2012 die Mikrobiologinnen Emmanuelle Charpentier (geb. 1968) und Jennifer Doudna (geb. 1964). Sie fischten aus einer Vielzahl möglicher CRISPR-Cas-Systeme die Nummer „9“ heraus, die mit nur einem Protein die ZielDNA erkennen und schneiden kann. Die andere Aufgabe lautete, die Spacer für neue Ziele umzuprogrammieren.

Emmanuelle Charpentier forscht am Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie.

Die Genscheren verändern und reparieren das Erbgut direkt in den Körperzellen, womit die Änderungen bei der Zellteilung weitergegeben werden. Zunächst sind Erbkrankheiten im Fokus der Forschung, die durch wenige Genänderungen verursacht werden. Dazu zählen beispielsweise Blutgerinnungsstörungen.

Modell von Cas9 mit gebundener DNA

Agrarfirmen haben bereits begonnen mit CRISPRSystemen Pflanzen zu verändern. Dass es sich hierbei nicht um transgene Pflanzen handelt, weil sie keine künstlich eingebrachten Gene enthalten, vereinfacht ihre Markteinführung erheblich. Da Änderungen des Erbguts schwer rückgängig gemacht werden können, diskutieren auch die Forscher kontrovers die Vorteile und Risiken. Trotz des genau programmierten Zielgens schneidet das Enzym dennoch manchmal an den falschen Stellen im Erbgut. Besonders sensibel sind Änderungen an menschlichen Ei- und Samenzellen oder Embryonen, die in Deutschland verboten, aber zum Beispiel in England möglich sind. Gerade erweitern sich die Einsatzmöglichkeiten der Genschere auch auf RNA, wodurch auch Viren das Ziel sein könnten – entweder in der Diagnose oder sogar in der Behandlung.

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Emmanuelle Charpentier H. Ledfor Gentechnik: CRISPR verändert alles http://www.spektrum.de/news/gentechnik-crispr-erleichtert-die-manipulation/1351915 F. Luerweg DNA-Schere kann auch RNA zerschneiden https://www.uni-wuerzburg.de/sonstiges/meldungen/single/news/dnaschere-kann-auch-rna-zerschneiden/, 02.03.2018

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Das Periodensystem der Elemente

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Feil et al., Faszinierende Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57324-2

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Bildnachweis

Bildnachweis Im Bildnachweis werden folgende Abkürzungen verwendet: SF JR KR

Sylvia Feil Jörg Resag Kristin Riebe

Einleitung S. V: oben rechts (Ausschnitt OrionNebel): Rogelio Bernal Andreo, via Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. V: Mitte (Luciferase-Enzym): KR, Strukturdaten von Conti, E., Franks, N.P., Brick, P. (1996) Structure 4: 287298; RCSB PDB; erstellt mit Protein Workshop S. V: unten links (Sanddünen im Death Valley): Jon Sullivan/Wikimedia Commons S. VI: oben (Buckminsterfulleren): Jynto/ Wikimedia Commons S. VI: Mitte rechts (Änderung der Auflösung durch Kryo-EM): oben: Veronica Falconieri, National Cancer Institute (NCI) S. VI: unten links (Kübel mit Indigopulver): Gitane/Wikimedia Commons, angepasst von KR, CC BY 3.0 S. VII: oben rechts: oben (Ionische Flüssigkeiten): BASF S. VII: Mitte links (Goldklumpen): Rob Lavinsky, iRocks.com, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. VII: unten rechts (Nanoauto): KR S. VIII: oben (Thermalquelle): Jim Peaco, National Park Service/Wikimedia Commons S. VIII: Mitte (Autorenfoto): Marko Riebe S. VIII: unten (Gravitationswellen): R. Hurt/Caltech-JPL

Inhalt S. IX: Mitte (Wellenfunktion und Moleküle): KR S. X: oben (Schlüsselloch-Nebel): NASA, The Hubble Heritage Team (AURA/ STScI) S. X: unten (Erde): STS-118 Shuttle Crew, NASA S. XI: oben (Riesengipskristalle): Alexander

Van Driessche/Wikimedia Commons, CC BY 3.0 S. XI: unten (Illustration frühe Erde): NASA's Goddard Space Flight Center Conceptual Image Lab, CC BY 2.0 S. XII: Mitte (Blutzellen): Eraxion/www. fotosearch.com S. XIII: oben (Raupe): Hanna Heidel-Fischer/Max-Planck-Institut für chemische Ökologie S. XIII: unten (Gerberei): Hugo Koroschetz, Graz S. XIV: oben (Schlot eines schwarzen Rauchers): Nautilus Minerals S. XIV: unten (Schwefelpulver): James Shook (JShook)/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. XV: Mitte (Kohlenstoffnanoröhre): KR

1 Die Basis der Chemie Kapiteleingangsseite S. 1: Kugel-Stab-Modelle: Ben Mills/Wikimedia Commons; Periodensystem: KR, auf der Grundlage des PSE von Joshua D.wondrousch, Mattlaabs/Wikimedia Commons; Strukturformeln, Grafik zu Katalysator, Atom, Wellenfunktion: KR; Collage von KR Der Weg zum Atom S. 2: unten links: Johann Wilhelm Ritter, vektorisiert und verändert von JR S. 2: unten rechts: Parent Géry/Wikimedia Commons S. 3: oben links: Ben Mills/Wikimedia Commons S. 3: oben rechts: PAR/Wikimedia Commons S. 3: unten links: Zeitschrift für Physikalische Chemie, Band 40, 1902 S. 3: unten rechts: Taner Yildirim, The National Institute of Standards and Technology – NIST Die Substruktur der Atome S. 4: oben: KR S. 4: unten: Marcin Białek/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 5: oben links und rechts: KR S. 5: unten: Jan Homann/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Feil et al., Faszinierende Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57324-2

Die Wellenfunktion im Wasserstoffatom S. 6: oben: JR, KR S. 7: oben rechts: PoorLeno/Wikimedia Commons S. 7: Mitte links: JR, KR S. 7: unten rechts: Geek3/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 Das Schalenmodell der Atomhülle S. 8: oben: JR, zusammengestellt aus Bildern von Sven/Wikimedia Commons und Geek3/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 9: JR, KR, zusammengestellt aus Bildern von Flexxxv/Wikimedia Commons, Dhatfield/Wikimedia Commons Das Periodensystem S. 10: links oben: JR, KR S. 10: links unten: Kelson/Wikimedia Commons S. 10: rechts: Serge Lachinov/Wikimedia Commons S. 11: KR, auf der Grundlage des PSE von Joshua D.wondrousch, Mattlaabs/Wikimedia Commons, Werte aktualisiert nach „Periodic table“, http://www.rsc. org/periodic-table von Royal Chemistry Society Die Stabilität der Atomkerne S. 12: oben: KR S. 12: unten: Fastfission, Cepheiden, Pieter Kuiper auf Wikimedia Commons, bearbeitet von KR S. 13: BenRG/Wikimedia Commons, übersetzt von KR Radioaktive Zerfälle S. 14: KR S. 15: oben: B. Bahr, J. Resag, K. Riebe, Faszinierende Physik, Springer Spektrum 2013; angepasst von KR S. 15: unten: Matthias M. und Mapmaster/ Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 Chemische Reaktionsgleichungen S. 16: Kevin Dooley/Flickr, CC BY 2.0 S. 17: oben rechts: Antek123/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 17: unten links: Dennis "S.K"/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

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Die chemische Bindung S. 18: beide: Ben Mills/Wikimedia Commons S. 19: KR Das Wasserstoffmolekül S. 20: oben: KR, auf der Grundlage von Bildern von Kreuvf/Wikimedia Commons S. 20: unten: Johannes Seeger S. 21: oben: KR S. 21: unten: JR Was ist Entropie? S. 22: oben rechts: Theo Schafgans, Zeitschrift für Physikalische Chemie, Band 21, von 1896 S. 22: unten links: Daderot/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 23: links: JR, Hi-Res Images of Chemical Elements, http://images-of-elements. com/bromine.php S. 23: rechts: JR, KR Die Triebkraft chemischer Reaktionen S. 24: NASA S. 25: JR, KR Katalysatoren S. 26: Gus Pasquerella, U.S. Navy S. 27: oben und links unten: JR, KR S. 27: unten rechts: aus Projekt Runeberg/ Wikimedia Commons Säuren und Basen S. 28: links unten: Svíčková/Wikimedia Commons S. 28: rechts oben: Perhelion/Wikimedia Commons S. 29: oben: Ben Mills/Wikimedia Commons S. 29: unten links: Martyn F. Chillmaid/ SPL/Agentur Focus S. 29: unten rechts: JR pH-Wert und Mol S. 30: links: JR S. 30: rechts: JR, KR, unter Verwendung eines Fotos von 9591353082/Wikimedia Commons S. 31: links: MarkusZi/Wikimedia Commons S. 31: rechts: OpenStax College, Illustration aus Anatomy & Physiology, Connexions Web site, CC BY 4.0; übersetzt von KR Strukturformeln S. 32: links unten: KR S. 32: rechts oben: Ben Mills/Wikimedia

Bildnachweis

Commons S. 33: links oben: Slashme, K!roman/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0; S. 33: Glycerinaldehyd: Roland Mattern/ Wikimedia Commons S. 33: links unten: KR S. 33: rechts oben und unten: Ben Mills/ Wikimedia Commons Die Oktettregel S. 34: Mitte links: JR, KR S. 34: Strukturformeln: KR S. 35: oben links, beide 3D Darstellungen: Ben Mills/Wikimedia Commons S. 35: unten rechts: JR, KR Benzol S. 36: Mitte links: NEUROtiker/Wikimedia Commons S. 36: unten links: Robin Müller, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 36: unten Mitte: KR S. 36: Foto unten rechts: Materialscientist/ Wikimedia Commons, abgeleitet von http://ihm.nlm.nih.gov/images/B16099 S. 37: oben: KR S. 37: unten: Ben Mills/Wikimedia Commons Die elektrochemische Spannungsreihe S. 38: links: Andrew Lambert Photography/ SPL/Agentur Focus S. 38: rechts oben: KR S. 39: oben: JR, KR S. 39: unten Mitte: Rob Lavinsky, iRocks. com, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 39: unten rechts: Martyn F. Chillmaid/ SPL/Agentur Focus

2 Vom Urknall zu den Elementen Kapiteleingangsseite S. 41: Sonne: Hintergrund: Courtesy of NASA/SDO and the AIA, EVE, and HMI science teams, Farbe angepasst von KR; Atomkern: KR; Säulen der Schöpfung (Nebel unten links): NASA, ESA, and the Hubble Heritage Team (STScI/ AURA); Supernovaüberrest (Mitte): X-ray: NASA/CXC/Caltech/S.Kulkarni et al., Optical: NASA/STScI/UIUC/ Y.H.Chu & R.Williams et al., IR: NASA/ JPL-Caltech/R.Gehrz et al.; Mikrowellenhintergrundstrahlung (Kugel, unten rechts): KR, Karte von ESA and the Planck Collaboration; Collage von KR

Der Urknall S. 42: JR S. 43: oben: B. Bahr, J. Resag, K. Riebe, Faszinierende Physik, Springer Spektrum 2013 S. 43: unten: KR Materie im expandierenden Universum S. 44: links: JR, KR S. 44: rechts: X-ray: NASA/CXC/UVic./A. Mahdavi et al. Optical/lensing: CFHT/ UVic./H. Hoekstra et al. S. 45: oben: NASA/WMAP Science Team, etwas bearbeitet von Yikrazuul/Wikimedia Commons S. 45: unten rechts: KR Die nukleare Heliumsynthese S. 46: oben: JR, KR S. 46: unten: JR, KR S. 47: oben: KR, auf der Grundlage einer Grafik von Carlos Bertulani/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 47: unten: KR Die ersten Atome S. 48: JR, KR S. 49: oben: JR, KR S. 49: unten: KR, Karte von ESA and the Planck Collaboration Erste Sterne und Galaxien entstehen S. 50: B. Bahr, J. Resag, K. Riebe, Faszinierende Physik, Springer Spektrum 2013 S. 51: oben: NASA/WMAP Science Team S. 51: unten: NASA, ESA, V. Tilvi (Texas A&M University), S. Finkelstein (University of Texas, Austin), and C. Papovich (Texas A&M University), CC BY 3.0 nicht portiert Im Fusionsofen der Sterne S. 52: oben: NASA, ESA, Andrew Fruchter (STScI), and the ERO team (STScI + ST-ECF), CC BY 3.0 nicht portiert S. 52: unten: JR, KR; Hintergrund: Courtesy of NASA/SDO and the AIA, EVE, and HMI science teams, Farbe angepasst von KR S. 53: oben: KR, nach einem Bild von Borb/Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.5 generisch S. 53: unten: Rogelio Bernal Andreo, via Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert Supernovae S. 54: NASA, ESA, J. Hester und A. Loll

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Bildnachweis

(Arizona State University) S. 55: oben: ESO, CC BY 3.0 S. 55: unten: KR

S. 67: Mitte: United States Department of Energy S. 67: rechts: JR

Verschmelzung von Neutronensternen S. 56: oben: R. Hurt/Caltech-JPL S. 56: unten: NSF/LIGO/Sonoma State University/A. Simonnet S. 57: KR, nach einer Grafik von Jennifer Johnson, http://www.astronomy.ohiostate.edu/~jaj/nucleo/

Wasser im Sonnensystem S. 68: oben: STS-118 Shuttle Crew, NASA S. 68: unten: NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/ Carnegie Institution of Washington/National Astronomy and Ionosphere Center, Arecibo Observatory S. 69: oben links: KR S. 69: oben rechts: Jim Secosky, modified NASA image /Wikipedia S. 69: Mitte rechts: NASA/JPL-Caltech

Die Häufigkeiten chemischer Elemente S. 58: oben: KR S. 58: unten links: NASA S. 58: unten rechts: Gestrgangleri/Wikimedia Commons S. 59: oben rechts: NASA, The Hubble Heritage Team, STScI, AURA S. 59: unten links: JR Spektrallinien S. 60: oben: Herge/Wikimedia Commons S. 60: unten: JR, unter Verwendung einer Grafik von Saperaud/Wikimedia Commons S. 61: oben: ஂ␃⡿ᕷẸ (KurumeShimin)/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 61: unten: NASA Das interstellare Medium S. 62: links: ESA and the Planck Collaboration S. 62: rechts: ESO, CC BY 4.0 international S. 63: oben links: NASA, The Hubble Heritage Team (AURA/STScI) S. 63: oben rechts: NASA, ESA S. 63: unten: X-ray: NASA/CXC/MIT/E.H Peng et al; Optical: NASA/STScI Molekülwolken S. 64: links unten: NASA, Jeff Hester, and Paul Scowen (Arizona State University) S. 64: rechts oben: NASA/JPL-Caltech/T. Pyle (SSC/Caltech) S. 65: oben: Ben Mills und Jynto/Wikimedia Commons S. 65: Mitte: Ben Mills/Wikimedia Commons S. 65: unten: KR Biomoleküle im Weltall S. 66: oben: KR, Hintergrundbild: NASA, ESA, J. Hester (ASU) S. 66: unten: NASA/JPL-Caltech S. 67: links: DLR, CC BY 3.0

Meteoriten S. 70: oben: Dr. Svend Buhl/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 70: unten links: Kevin Walsh/Wikimedia Commons, CC BY 2.0 generisch S. 70: unten rechts: Dr. Patrick M. Len, Cuesta College Physical Sciences Division, California Polytechnic State University Physics Department meteorite collection, CC BY 2.0 generisch S. 71: oben: H. Raab/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 71: Mitte: KR S. 71: unten: JR, KR, nach einem Bild von Tobias1984/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert

3 Chemie der Erde und der Planeten Kapiteleingangsseite S. 73: Sandstein: Lucas Löffler/Wikimedia Commons; Vulkan: Austin Post, scanned photograph by USGS, cleaned by and adjusted by carol/Wikimedia Commons; Korallenriff: Mahmoud Habeeb, United States Agency for International Development (USAID); Erde: KR, Textur von NASA; Riesengipskristalle: Alexander Van Driessche/Wikimedia Commons, CC BY 3.0; Collage von KR Woraus bestehen Planeten? S. 74: links: U.S. Geological Survey S. 74: rechts: NASA/JPL-Caltech/Cornell/ ASU S. 75: oben: Alexander Van Driessche/Wikimedia Commons, CC BY 3.0 S. 75: unten links: Ben Mills/Wikimedia Commons

Das Innere der Erde S. 76: links unten: ZEIT WISSEN Edition (Schuber): Planet Erde, Spektrum Akademischer Verlag (2008) S. 76: rechts oben: KR S. 77: beide: ZEIT WISSEN Edition (Schuber): Planet Erde, Spektrum Akademischer Verlag (2008) Der Ursprung der Minerale S. 78: links: NASA/JPL-Caltech/University of Toledo S. 78: unten: Brocken Inaglory/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 79: oben rechts: Octagon/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 79: unten links und Mitte: Rob Lavinsky, iRocks.com, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 79: unten rechts: Dave Dyet/Wikimedia Commons Olivin S. 80: oben: Michelle Jo/Wikimedia Commons S. 80: links: Brocken Inaglory/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 80: rechts: Perditax/Wikimedia Commons S. 81: oben und unten links: U.S. Geological Survey S. 81: unten rechts: Woudloper/Wikimedia Commons Zirkon S. 82: oben: Modris Baum, thanks to Ralph Thomas/Wikimedia Commons S. 82: unten links: U.S. Geological Survey and the Mineral Information Institute S. 82: unten rechts: JR, KR S. 83: oben: Gunnar Ries/Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.5 generisch S. 83: unten: NASA/GSFC/METI/ ERSDAC/JAROS, and U.S./Japan ASTER Science Team Quarz S. 84: oben: Ben Mills/Wikimedia Commons S. 84: unten links: Jon Sullivan/Wikimedia Commons S. 84: unten rechts: Roll-Stone/Wikimedia Commons S. 85: oben: Lucas Löffler/Wikimedia Commons S. 85: Mitte: University of Tasmania Scanning Electron Microscope, Jmpost/

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Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 85: unten: Parent Géry/Wikimedia Commons Feldspat S. 86: oben rechts: Kevin Resag S. 86: unten links: KR S. 87: oben rechts: JR S. 87: unten rechts: Parent Géry/Wikimedia Commons S. 87: unten links: Modris Baum, via Wikimedia Commons Pyroxen, Amphibol und Glimmer S. 88: JR, in Anlehnung an Press/Siever: Allgemeine Geologie, Abb. 4.5 S. 89: oben: Ben Mills/Wikimedia Commons S. 89: unten: Rob Lavinsky, iRocks.com, CC BY-SA 3.0 Magmatische Gesteine S. 90: links unten: JR, in Anlehnung an Press/Siever Abb. 4.4 S. 90: rechts oben: Tari Noelani Mattox, U.S. Geological Survey S. 91: oben rechts: Jon Sullivan/Wikimedia Commons S. 91: unten links: Mark A. Wilson/Wikimedia Commons S. 91: unten Mitte links: Siim Sepp, CC BY-SA 3.0 S. 91: unten Mitte rechts: U.S. Geological Survey S. 91: unten rechts: James St. John/Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.0 Metamorphe Gesteine S. 92: U.S. Geological Survey S. 93: links: NASA S. 93: rechts: Pedroalexandrade/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert Verwitterung und Tonminerale S. 94: links: Williamborg/Wikimedia Commons S. 94: rechts: Dr. Bernd Gross/Wikimedia Commons S. 95: oben: NASA S. 95: unten rechts: Krizu/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 95: unten ganz rechts: U.S. Geological Survey Eisensulfid S. 96: oben: Johannes Sieger/Wikimedia Commons

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S. 96: unten: Vassil/Wikimedia Commons S. 97: oben links: NOAA S. 97: oben rechts: Begonia/Wikimedia Commons S. 97: unten rechts: Didier Descouens/ Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert Meerwasser und Evaporite S. 98: links: Hannes Grobe/Wikimedia Commons, verändert von JR, KR S. 98: rechts: KR S. 99: oben: Library of Congress, Detroit Photographic Company, 1905 S. 99: unten: Mark A. Wilson/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert Kalk und Dolomit S. 100: oben: Jebulon/Wikimedia Commons S. 101: oben rechts: Steffen 962/Wikimedia Commons S. 101: unten links: NASA S. 101: unten rechts: Mahmoud Habeeb, United States Agency for International Development (USAID) Der Carbonat-Silicat-Zyklus S. 102: oben: KR, Texturen von NASA S. 102: unten: KR S. 103: oben rechts: Austin Post, scanned photograph by USGS, cleaned by and adjusted by carol/Wikimedia Commons S. 103: unten links: NASA Photo by Jim Ross Treibhausgase S. 104: oben: NASA/Goddard Space Flight Center Scientific Visualization Studio, The Blue Marble data is courtesy of Reto Stockli (NASA/GSFC) S. 104: unten: KR S. 105: oben: Glen Fergus, hg6996/Wikimedia Commons, angepasst von KR, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 105: unten: publicdomainvectors.org Wandlungsfähiger Kohlenstoff S. 106: oben links: Ausschnitt aus Cmglee/ Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 106: oben rechts: Anton (rp) 2004, Yoschi/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 106: unten links: Helgi/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 106: unten rechts: United States

Geological Survey and the Mineral Information Institute S. 107: oben links: Mario Sarto/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 107: oben rechts: Parent Géry/Wikimedia Commons S. 107: unten: Stapanov Alexander/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert Methanhydrat S. 108: links: Andrzej Falenty/Wikimedia Commons, CC BY 3.0 nicht portiert S. 108: rechts oben: Wusel007/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 109: oben: USGS S. 109: unten: NASA Worldwind-globe, Politikaner/Wikimedia Commons; JR, CC BY-SA 3.0 Erdöl S. 110: oben: Glasbruch2007/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 110: unten: KR S. 111: oben: G. H. Farnum, Okemah, Oklahoma/Wikimedia Commons S. 111: Mitte: National Oceanic and Atmospheric Administration NOAA S. 111: unten: USGS Kohle S. 112: oben rechts: National Park Service S. 112: unten links: RoRo/Wikimedia Commons, JR, KR S. 113: oben links: Michael C. Rygel/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 113: unten rechts: David Stroe/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 Titans eisige Welt S. 114: oben rechts: NASA S. 114: unten links: NASA/JPL/Space Science Institute S. 114: unten rechts: NASA, Mysid und FrancescoA/Wikimedia Commons S. 115: oben rechts: NASA Jet Propulsion Laboratory (NASA-JPL), chris/Wikimedia Commons S. 115: unten links: NASA/JPL/ESA/University of Arizona S. 115: unten rechts: NASA/JPL-Caltech/ USGS Ios vulkanische Schwefelwelt S. 116: oben rechts: NASA's Galileo spacecraft S. 116: unten links: KR, Texturen von Io:

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NASA/JPL/USGS, Titan: NASA/JPLCaltech/Space Science Institute S. 117: oben links: PD-USGOV-NASA S. 117: oben rechts: NASA Planetary Photojournal S. 117: unten: Ben Mills/Wikimedia Commons Materie unter Druck S. 118: links: TomR/Wikimedia Commons, verändert von JR, KR, CC BY-SA 4.0 international S. 118: rechts: Jasperox/Wikimedia Commons, CC BY 3.0 nicht portiert S. 119: oben rechts: Pbroks13/Wikimedia Commons, verändert von JR, KR S. 119: Mitte: KR S. 119: unten links: Lunar and Planetary Institute, NASA Meteoriteneinschläge S. 120: links: Created with NASA WorldWind by User:Vesta using Landsat 7 (Visible Color) satellite image/Wikimedia Commons S. 120: Mitte: Krizu/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 120: rechts: Kevin Resag S. 121: rechts oben: Don Davis/NASA S. 121: links unten: Virgil L. Sharpton, University of Alaska, Fairbanks, NASA Globale Massensterben S. 122: JR, KR S. 123: oben: Mark A. Wilson/Wikimedia Commons S. 123: links unten: NASA image courtesy Jeff Schmaltz, MODIS Land Rapid Response Team at NASA GSFC S. 123: rechts unten: Mente et malleo/Wikimedia Commons Mit Isotopen auf Spurensuche S. 124: oben rechts: Radiogenic/Wikimedia Commons S. 124: unten links: Giuseppe Enrie, 1931 S. 124: unten rechts: USGS S. 125: oben: JR S. 125: Mitte: NASA, gespiegelt und beschriftet von JR, KR S. 125: unten: B. Bahr, J. Resag, K. Riebe, Faszinierende Physik, Springer Spektrum 2013

4 Entstehung des Lebens Kapiteleingangsseite S. 127: Illustration frühe Erde

(Hintergrund): NASA's Goddard Space Flight Center Conceptual Image Lab, CC BY 2.0; DNA-Helix (links) und Micelle (oben): David S. Goodsell; Collage von KR Wasser S. 128: oben: KR S. 128: unten: Visible Earth; NASA S. 129: oben links: KR S. 129: unten rechts: heckepics/iStock Entstehung des Lebens S. 130: NASA's Goddard Space Flight Center Conceptual Image Lab, CC BY 2.0 S. 131: oben: Andrew H. Knoll, Harvard University S. 131: unten links: KR S. 131: unten rechts: ClaudioVentrella/ iStock Membranen S. 133: oben und vorherige Seite: David S. Goodsell, Wie Zellen funktionieren, 2. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag 2010 S. 133: unten: alexluengo/iStock Schwarze Raucher S. 134: oben: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Universität Bremen S. 134: unten: F. Klein, WHOI S. 135: oben: KR S. 135: unten: National Science Foundation (University of Delaware College of Marine Studies) Die frühe Erde S. 136: oben: P. Carrara, NPS/Wikimedia Commons S. 136: unten links: Paul Harrison/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 136: unten rechts: Kevin Resag S. 137: oben links: Graeme Churchard/ Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.0 generisch S. 137: unten rechts: LordToran/Wikimedia Commons, angepasst von KR RNA-Welt S. 138: David S. Goodsell, Wie Zellen funktionieren, 2. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag 2010 S. 139: oben links: Robinson R (2006) Ciliate Genome Sequence Reveals Unique Features of a Model Eukaryote. PLoS

Biol 4(9): e304. doi:10.1371/journal. pbio.0040304, CC BY-SA 2.5 S. 139: unten rechts: Prof. Dr. Franz Narberhaus, Ruhr-Universität Bochum, EMBO Chiralität S. 140: oben: Uwe Potthoff/Flickr, CC BY 2.0 S. 140: unten: KR S. 141: oben: KR S. 141: Mitte links (Kümmel): Ben_pcc, Spice Hunter, Wikimedia Commons S. 141: Mitte rechts (Strukturformeln): KR S. 141: unten rechts: Christian Schnettelker/ Flickr, www.manoftaste.de, CC BY 2.0 Entropie und Leben S. 142: JR, KR S. 143: oben rechts: DrKjaergaard/Wikimedia Commons, Farbe angepasst von KR S. 143: unten links: NASA/JPL/University of Arizona S. 143: unten rechts: KR

5 Biochemie Kapiteleingangsseite S. 145: Raupen: Hanna Heidel-Fischer/ Max-Planck-Institut für chemische Ökologie; Nervenzellen (Fluoreszenzmikroskopie): Dr. Torsten Wittmann/ SPL /Agentur Focus; Synapse (mit Botenstoffen, Mitte rechts): Alexandr Mitiuc/Fotolia; Glühwürmchen: Radim Schreiber, http://www.fireflyexperience. org; Collage von KR Die Nanowelt der Zellen S. 146: Gerd Guenther/SPL/Agentur Focus S. 147: David S. Goodsell, the Scripps Research Institute ATP-Synthase S. 148: oben links: NEUROtiker/Wikimedia Commons, angepasst von KR S. 148: unten rechts: Mariana Ruiz Villarreal/Wikimedia Commons S. 149: David S. Goodsell, Wie Zellen funktionieren, 2. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag 2010 Glykolyse S. 150: JR, KR S. 151: oben: KR, JR S. 151: unten: Ayacop/Wikimedia Commons

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Pyruvat-Oxidation S. 152: oben rechts: Ben Mills/Wikimedia Commons S. 152: unten links: KR, JR nach einer Vorlage von Fvasconcellos/Wikimedia Commons S. 153: David S. Goodsell and the RCSB PDB, CC BY 3.0 Der Citratzyklus S. 154: KR, JR S. 155: KR, JR nach Peter Krimbacher/Wikimedia Commons Die Atmungskette S. 156: KR, nach O. Fritsche, Biologie für Einsteiger, Spektrum Akademischer Verlag 2010 S. 157: David S. Goodsell, Wie Zellen funktionieren, 2. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag 2010 Gärung und anaerobe Atmung S. 158: JR, KR S. 159: oben: Carolyn Gast, National Museum of Natural History S. 159: unten links: Jialiang Gao, www. peace-on-earth.org, GFDL/CC-by-sa-2.5 S. 159: unten rechts: Graham Bradley/Wikimedia Commons Photosynthese S. 160: oben: KR S. 160: unten rechts: Ben Mills/Wikimedia Commons S. 161: oben rechts: Aegon/Wikimedia Commons, GFDL und CC BY-SA S. 161: unten links: KR Der Calvin-Zyklus S. 162: KR, JR S. 163: oben: ARP (Archie Portis)/Wikimedia Commons S. 163: unten: Tsai Y, Sawaya MR, Cannon GC, Cai F, Williams EB, Heinhorst S, Kerfeld CA, Yeates TO, via Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert Zellen simulieren S. 164: David S. Goodsell, the Scripps Research Institute S. 165: Bildschirmfotos von http://www. wholecellviz.org/viz.php, R. Lee, J. R. Karr, M. W. Covert Ribosomen S. 166: Vossman/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

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S. 167: oben: LadyofHats, Matt/Wikimedia Commons S. 167: unten: Mouagip/Wikimedia Commons, leicht angepasst von KR Flagellen, Cilien S. 168: links: David S. Goodsell, Wie Zellen funktionieren, 2. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag 2010 S. 168: rechts: Jim Peaco, National Park Service/Wikimedia Commons S. 169: oben rechts: Louisa Howard/Wikimedia Commons S. 169: unten links: NASA Astrobiology Institute, KR Motorproteine und Zellskelett S. 171: oben: Dr. Torsten Wittmann/SPL/ Agentur Focus S. 171: links unten, rechts und auf der vorherigen Seite: D. S. Goodsell, Wie Zellen funktionieren, 2. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag 2010 Zucker S. 172: oben: Markus Hagenlocher/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 172: unten: KR, nach Vorlagen von NEUROtiker/Wikimedia Commons S. 173: oben links: NEUROtiker/Wikimedia Commons, angepasst von KR S. 173: oben rechts: KR S. 173: unten rechts: Uwe Kils/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert Fette S. 174: oben: KR S. 174: unten: O. Fritsche, Biologie für Einsteiger, Spektrum Akademischer Verlag 2010 S. 175: oben rechts: KR S. 175: unten: O. Fritsche, Biologie für Einsteiger, Spektrum Akademischer Verlag 2010 Kalium S. 176: D. S. Goodsell: Wie Zellen funktionieren, 2. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag 2010 S. 177: oben: SF S. 177: unten: KR Proteine S. 178: oben: David S. Goodsell, Wie Zellen funktionieren, 2. Aufl. Spektrum Akademischer Verlag 2010 S. 178: unten: KR

S. 179: O. Fritsche, Biologie für Einsteiger, Spektrum Akademischer Verlag 2010 Verdauung S. 181: KR Alkaloide S. 182: oben: 3268zauber/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 182: unten: NEUROtiker/Wikimedia Commons S. 183: oben links: SF S. 183: oben rechts: KR, nach Vorlage von Srychnov/Wikimedia Commons S. 183: unten links: Calvero/Wikimedia Commons S. 183: unten rechts: Anja Schawohl, Celle Terpene S. 184: oben: KR S. 184: unten: KR S. 185: oben: Nelson, Shannon USFWS S. 185: unten: NEUROtiker/Wikimedia Commons, eingefärbt von KR Cellulose S. 186: KR, Foto der Rosenblätter von SF S. 187: links: Alan John Lander Phillips/ iStock S. 187: rechts: KR Eisen im Körper S. 188: links: Yikrazuul/Wikimedia Commons, bearbeitet (Farbe) von KR S. 188: rechts: AzaToth/Wikimedia Commons S. 189: oben: KR; Hämoglobinmodell aus O. Fritsche, Biologie für Einsteiger, Spektrum Akademischer Verlag 2010 S. 189: unten: Eraxion/www.fotosearch. com Boten im Nervensystem S. 190: oben: Alexandr Mitiuc/Fotolia S. 190: Mitte und unten: NEUROtiker/ Wikimedia Commons S. 191: KR Drogen im Nervensystem S. 192: KR S. 193: KR Sehen S. 194: J.M. Harms/Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie S. 195: KR, Rhodopsin-Struktur erstellt mit RCSB Protein Workshop

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Gifte in der Nahrung S. 196: oben rechts: Stanisław Skowron/ Wikimedia Commons S. 196: unten links: Saxo/Wikimedia Commons S. 196: unten rechts: Jü/Wikimedia Commons, angepasst von KR S. 197: oben links: Saaten-Union GmbH, Isernhagen S. 197: oben rechts: Maciejo93/Wikimedia Commons S. 197: unten: links: Yikrazuul/Wikimemia Commons S. 197: unten rechts: Earedien/Wikimedia Commons

6 Chemie in der Menschheitsgeschichte

Geruchsstoffe im grünen Bereich S. 198: oben: Universität Göttingen S. 198: unten links und rechts: Danny Kessler/Max-Planck-Institut für chemische Ökologie S. 199: oben links: Hanna Heidel-Fischer/ Max-Planck-Institut für chemische Ökologie S. 199: oben rechts: Heiko Vogel/MaxPlanck-Institut für chemische Ökologie S. 199: unten: KR

Feuer S. 206: oben rechts: KR S. 206: unten links: Edward Aspera Jr., US Air Force S. 207: Bild oben links: Under the Yoke (Burning the Brushwood), 1893 (Öl auf Leinwand), Eero Nikolai Jarnefelt (1863f) / Ateneum Art Museum, Finnish National Gallery, Helsinki, Finland / Bridgeman Images S. 207: oben links: Under the Yoke (Burning the Brushwood), 1893 (oil on canvas), Jarnefelt, Eero Nikolai (1863-1937) / Ateneum Art Museum, Finnish National Gallery, Helsinki, Finland / Bridgeman Images S. 207: unten rechts: KR

Biolumineszenz S. 200: oben: Radim Schreiber, http:// www.fireflyexperience.org S. 200: rechts: KR, Strukturdaten von Conti, E., Franks, N.P., Brick, P. (1996) Structure 4: 287-298; RCSB PDB; erstellt mit Protein Workshop S. 201: oben: Sierra Blakely/Wikimedia Commons, CC BY S. 201: unten links: Ylem/Wikimedia Commons S. 201: unten rechts: catalano82/Wikimedia Commons, CC BY 2.0 S. 201: kleines Bild rechts: Maria Antónia Sampayo, Instituto de Oceanografia, Faculdade Ciências da Universidade de Lisboa, http://planktonnet.awi.de, CC BY 3.0 Die innere Uhr S. 202: KR, nach „The Drosophila Molecular Clock Model“ von M. Rosbash, http://www.hhmi.org/biointeractive/ drosophila-molecular-clock-model, Howard Huges Medial Institute S. 203: KR, nach „The Body Clock Guide to Better Health“ von M. Smolensky, L. Lomberg, H, Holt, 2000

Kapiteleingangsseite S. 205: Seifenberg: Maik Meid/Flickr, CC BY 2.0; Pflanze (Brechnuss): Franz Eugen Köhler/Wikimedia Commons; Kübel mit Indigopulver: Gitane/Wikimedia Commons, bearbeitet von KR, CC BY 3.0; Eingefäbte Garne: Anke Culemann, http://wollenaturfarben. blogspot.de/2013/09/wintervorrat-mitkrapp-gefarbt.html; Foto Gerberei: Hugo Koroschetz, Graz; Hintergrund: Mörtel: SF; Collage von KR

Schwarzpulver S. 208: Frank Baudy, www.seitenstopper.de S. 209: KR Porzellan S. 210: links unten: Philipp66/Wikimedia Commons S. 210: rechts oben: ᬒᚫ㙠❔/Wikimedia Commons S. 211: oben: Herrick/Wikimedia Commons S. 211: unten: Zonk43/Wikimedia Commons Zement S. 212: beide Fotos von SF S. 213: oben und unten: KR Beton S. 214: SF S. 215: links oben: Klemens Ortmeyer S. 215: rechts unten: Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP

Metalle unserer Vorfahren S. 216: links: Hybernator/Wikimedia Commons S. 216: Beil oben rechts: Bullenwächter/ Wikimedia Commons, CC BY 3.0 nicht portiert S. 216: unten rechts: Parent Géry/Wikimedia Commons S. 217: oben links: Frank „Fg2“ Gualtieri/ Wikimedia Commons S. 217: oben rechts: Markoz/Wikimedia Commons S. 217: unten rechts: John commons/Wikimedia Commons, Vlastní fotografie Alkoholische Gärung S. 218: oben links: Jost Amman (1539-1591) S. 218: unten links: Marco Verch/Flickr, CC BY 2.0 S. 218: unten Mitte: Agne27/Wikimedia Commmons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 218: unten rechts: Zappys Technology Solutions/Flickr, CC BY 2.0 S. 219: oben: JR, KR S. 219: links: Ben Mills/Wikimedia Commons S. 219: rechts: Jon Sullivan (PD Photo.org) Vom Alkohol zum Essig S. 220: links: Kupferstich von Christoph Weigel 1698, Deutsche Fotothek/Wikipedia S. 220: rechts: Alexas_Fotos/Pixabay, Farben angepasst von KR S. 221: oben: JR, KR S. 221: unten links: Pleiotrope/Wikimedia Commons S. 221: unten rechts: KR Jagdgifte S. 222: Franz Eugen Köhler/Wikimedia Commons S. 223: oben: Calvero/Wikimedia Commons S. 223: unten: Wilfried Berns/Wikimedia Commons, tierdoku.com, CC BY-SA 2.0 Gerben S. 224: links: Vossman/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 224: rechts: Susumu Nishinaga/SPL/ Agentur Focus S. 225: oben: Hugo Koroschetz, Graz S. 225: rechts: NEUROtiker/Wikimedia Commons

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Seifen S. 226: links: Rainer Deml/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 226: rechts: FotoosvanRobin/Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.0 S. 227: oben: KR S. 227: unten links: Stefan Thüngen/Wikimedia Commons S. 227: unten rechts: Maik Meid/Flickr, CC BY 2.0 Naturmedizin S. 228: oben rechts: Alex Anlicker/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 228: unten: H. Cell/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 229: oben: Steve from washington, dc, usa/Wikimedia Comomns, CC BY-SA 2.0 S. 229: unten: NEUROtiker/Wikimedia Commons, KR Naturfarben und -lacke S. 230: oben: Zzvet/iStock S. 230: Mitte: gitane/Wikimedia Commons, CC BY 3.0, bearbeitet von KR S. 230: unten: H. Zell/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 231: oben links und rechts: NEUROtiker/Wikimedia Commons S. 231: unten rechts: Anke Culemann, http://wollenaturfarben.blogspot. de/2013/09/wintervorrat-mit-krappgefarbt.html Kristallfarben S. 232: links und Mitte: KR S. 232: rechts: James St. John/Flickr, CC BY 2.0 S. 233: oben links: Rob Lavinsky, iRocks. com, CC BY-SA 3.0 S. 233: unten rechts: Parent Géry/Wikimedia Commons Der Stein der Weisen S. 234: oben: Andy Dingley/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 234: unten: Universitätsbibliothek Leipzig, [Bibliotheca Albertina, Ms 0398] S. 235: Universitätsbibliothek Leipzig, [„Multiplicatio Fermen.“, fol. 184 r; Bibliotheca Albertina, Sondersammlungen, Ms 0398. Foto: Karin Kranich]

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7 Chemie der Moderne Kapiteleingangsseite S. 237: Dose: Darkone/Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.0; Kugel-Stab-Modell von Polyproylen: Ilmari Karonen/ Wikimedia Commons; Schwefelpulver: James Shook (JShook)/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0; Schokoladenstücke: KR; Vögel auf Felsen mit Guano: Gerry Thomasen, Flickr, CC BY 2.0; Collage von KR Stickstoff S. 238: links: The Nobel Foundation S. 238: rechts: BASF S. 239: oben: BASF S. 239: unten: Martin Kossick, angepasst von KR, CC BY-SA 2.0 Dünger S. 240: oben: US National Library of Medicine, über Wikimedia Commons S. 240: unten links: Ingrid Taylar/Flickr, CC BY 2.0 S. 240: unten Mitte: Gerry Thomasen/ Flickr, CC BY 2.0 S. 240: unten rechts: NEUROtiker/Wikimedia Commons S. 241: KR, mit Daten aus Erisman et al. Nature Geoscience 1, 636, 2008 Chemische Kampfstoffe S. 242: links: Bundesarchiv, Bild 183-F03130208-007, CC BY-SA 3.0 S. 242: rechts: Bundesarchiv Bild 183R52907, CC BY-SA 3.0 S. 243: KR Säuren S. 244: oben rechts: Jan Homann/Wikimedia Commons S. 244: unten links: KR S. 244: unten Mitte: Bryan Derksen/Wikimedia Commons S. 245: oben links: James Shook (JShook)/ Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 245: unten Mitte und rechts: Dr. rer. nat. Bernhard F. Sieve, IDN Hannover Sprengstoffe S. 246: oben links: fergregory/Fotolia S. 246: oben rechts: Gösta Florman/The Royal Library, www.imagebank.sweden. se, via Wikimedia Commons S. 246: unten links: Jon Sullivan (PD Photo. org)/Wikimedia Commons

S. 247: oben: Strukturformeln von Jü, Ronhjones und NEUROtiker/Wikimedia Commons S. 247: unten: Martin Krolikowski/Flickr, CC BY 2.0 Quecksilber, Cadmium und Blei S. 248: oben: alswart/Fotolia S. 248: unten: Björn Wylezich/Fotolia S. 249: links und rechts oben: Rob Lavinsky, iRocks.com, CC BY-SA 3.0 S. 249: unten: Willi Heidelbach/Wikimedia Commons, CC BY 2.5 Metallurgie S. 250: oben und unten: KR S. 251: oben rechts: compidoc/Flickr, CC BY-ND 2.0 S. 251: Mitte rechts: Rob Lavinsky, iRocks. com, CC BY-SA 3.0 S. 251: unten links: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) Hannover Seltene Erden S. 252: oben: Rob Lavinsky, iRocks.com, CC BY-SA 3.0 S. 252: unten: Andrea & Stefan/Flickr, CC BY 2.0 S. 252: Ausschnitt Periodensystem diese und gegenüberliegende Seite: KR S. 253: oben: Peggy Grebb/Agricultural Research Service/USDA Aluminium S. 254: Mitte links: Björn Wylezich/Fotolia S. 254: unten links: uva51/Fotolia S. 254: unten rechts: Ralf Bösch (RaBoe)/ Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 255: Foto und Grafik: KR Metalle aus dem Meer S. 256: links unten: Walter Kölle/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 256: rechts oben und folgende Seite: Nautilus Minerals Korrosion S. 258: oben: Darkone/Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.0 S. 258: unten: Deutsches Lackinstitut GmbH (DLI) S. 259: oben: KR S. 259: unten: Ralf Bösch (RaBoe)/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 Kupfer und Gold S. 260: oben: Jurii/Wikimedia Commons,

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CC BY 3.0 S. 260: unten links: Carol Meneses/Fotolia S. 260: unten Mitte: Rob Lavinsky, iRocks. com, CC BY-SA 3.0 S. 260: unten rechts: Christian Schröder (ChristianSchd)/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 261: oben rechts: D. Hardesty, USGS Columbia Environmental Research Center S. 261: unten: aus: Aloys Schreiber: Trachten, Volksfeste und charakteristische Beschäftigungen im Großherzogtum Baden, Freiburg um 1825; Seite des Exemplars der Badischen Landesbibliothek, 86 C 13 RH Silicium und seine Oxide S. 262: links: Mary Ann Tiffany, San Diego State University. – Bradbury J: Nature's Nanotechnologists: Unveiling the Secrets of Diatoms. PLoS Biol 2/10/2004: e306. doi:10.1371/journal.pbio.0020306 S. 262: Strukturbilder: KR S. 263: oben: Fotos von SF, mit freundlicher Genehmigung der Glashütte Lamberts, Waldsassen S. 263: unten rechts: Petr Sobolev/iStock Methan und Ethen S. 264: Strukturformel: NEUROtiker/Wikimedia Commons S. 264: unten: KR S. 265: oben: KR S. 265: unten links: McMonster/Wikimedia Commons S. 265: unten rechts: chalermchai k/Fotolia Zeolithe S. 266: KR S. 267: oben: Ch. Baerlocher and L. B. McCusker, Database of Zeolite Structures, http://www.iza-structure.org/databases/ S. 267: unten links: KR S. 267: unten rechts: Thomas Splettstoesser (www.scistyle.com)/Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0 Methanol und Ethanol S. 268: oben links, 3D-Modelle: Ben Mills/ Wikimedia Commons S. 268: oben rechts: Aleix Comas Vives und Christophe Copéret S. 268: unten links: Jü/Wikimedia Commons S. 269: oben: KR S. 269: unten: Usere6035d91_515/iStock

Farbstoffe S. 270: oben: KR S. 270: unten links: Infrogmation/Wikimedia Commons S. 270: unten rechts: NEUROtiker/Wikimedia Commons S. 271: oben: JWBE/Wikimedia Commons S. 271: unten: NEUROtiker/Wikimedia Commons, KR Ozon S. 272: oben: Daniels, Gene, photographer, Environmental Protection Agency, via Wikimedia Commons S. 272: unten: Ben Mills/Wikimedia Commons S. 273: oben: NASA S. 273: unten: NASA/JSC Gateway to Astronaut Photography of Earth Selbstreinigende Oberflächen S. 274: oben links: Jon Sullivan/Public Domain Images S. 274: oben rechts: H. Zell/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 274: unten links: KR S. 275: oben: William Thielicke, via Wikimedia Commons, GFDL, CC BY-SA 4.0 S. 275: unten: Christoph Zebe – Initiative Photoaktive Baustoffe (www.photoaktivebaustoffe.de), CC BY-SA 3.0 de Ionische Flüssigkeiten S. 276: oben: BASF S. 276: unten links: Jynto/Wikimedia Commons S. 276: unten rechts (NaCl): KR S. 277: oben: Jü/Wikimedia Commons, NEUROtiker/Wikimedia Commons, KR S. 277: unten links: BASF S. 277: unten rechts: Prof. Thomas Heinze, Institut für organische und Makromolekulare Chemie, Friedrich-SchillerUniversität Jena Kunststoffe S. 278: oben: Ben Mills/Wikimedia Commons S. 278: unten links: Jü/Wikimedia Commons S. 278: unten rechts: Leyo/Wikimedia Commons S. 279: oben links: Lilly_M/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 279: oben Mitte: Yanachka/Wikimedia Commons

S. 279: Mitte: Ilmari Karonen/Wikimedia Commons S. 279: unten links: NOAA S. 279: unten rechts: William R. Schepis/ Instituto EcoFaxina Antibiotika S. 280: oben rechts: Yikrazuul/Wikimedia Commons S. 280: unten links: CDC/Dr. JJ Farmer (PHIL #3031) S. 280: unten rechts: Crulina 98/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 281: oben links: Eric Erbe, Christopher Pooley/U. S. Department of Agriculture server S. 281: oben rechts: psdesign1/Fotolia S. 281: unten rechts: Reubot/Wikimedia Commons Glyphosat S. 282: links: USFWS Mountain-Prairie S. 282: rechts: Wolfgang Ellsässer/Wikimedia Commons S. 283: oben: 3D-Modell: Ben Mills/Wikimedia Commons; Strukturen: Yikrazuul und Jü/Wikimedia Commons, KR S. 283: unten: X posid/publicdomainpictures.net Tenside S. 284: oben: Martin Fisch/Flickr, CC BY-SA 2.0 S. 284: unten: KR S. 285: links: KR S. 285: rechts: KR Maillard-Reaktion S. 286: oben: Matthias M./Wikimedia Commons S. 286: unten: KR S. 287: oben links: Christian Schnettelker/ Flickr; www.manoftaste.de S. 287: oben rechts: NEUROtiker/Wikimedia Commons S. 287: unten: Emeldir/Wikimedia Commons Lebensmittelzusätze S. 288: unten links: Gronk/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 288: unten rechts: Yikrazuul/Wikimedia Commons S. 289: oben links: Flyingbikie (Robert Lynch, Melbourne/Australia)/Wikimedia Commons

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S. 289: oben rechts: Yikrazuul/Wikimedia Commons S. 289: unten links: NEUROtiker/Wikimedia Commons S. 289: unten rechts: Everglades National Park Kaffee S. 290: oben: Mirko Waltermann/Flickr, CC BY-ND 2.0 S. 290: unten: weisserstier/Flickr, CC BY 2.0 S. 291: obere Strukturformeln: NEUROtiker/Wikimedia Commons S. 291: Struktur Chlorogensäure: Ayacop/ Wikimedia Commons Emulgatoren S. 292: KR S. 293: oben: KR S. 293: unten links: Lachlan Hardy/Flickr, CC BY 2.0 S. 293: unten rechts: KR Kaltes Leuchten S. 294: links: Opuntia/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 294: rechts: H. Grobe/Wikimedia Commons, CC BY 3.0 S. 295: links: KR S. 295: Mitte: David Mühlheims/Wikimedia Commons S. 295: rechts: David Mühlheims/Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.5

8 Chemischer Ausblick Kapiteleingangsseite S. 297: Seidenspinne: Ltshears/Wikimedia Commons; Enzym (Cas9): Cas9 wiki project/Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0; Nanozahnräder: NASA; Kohlenstoffnanoröhre im Hintergrund: KR; Collage von KR Fullerene S. 298: oben: DTR/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 298: unten links: Jynto/Wikimedia Commons S. 298: unten rechts: flomar/Wikimedia Commons S. 299: oben links: Jochen Gschnaller/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 299: oben rechts: Alpha six/Wikimedia Commons, CC BY-SA 2.0 generisch

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S. 299: unten rechts: NASA/JPL-Caltech, Hubble Bild: NASA, ESA, STScI Kohlenstoff-Nanoröhren S. 300: links oben: Michael Ströck/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 300: unten: CSIRO, CC BY 3.0 nicht portiert S. 301: oben rechts: Surrey NanoSystems, via Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 301: Mitte rechts: NASA S. 301: unten links: Stephanie Getty, NASA Goddard Graphen S. 302: oben: KR S. 302: unten: Rahul Nair (Manchester group), via Wikimedia Commons S. 303: oben: KR, inspiriert von einer Grafik von AlexanderAlUS/Wikimedia Commons S. 303: unten: materialesnano.com/Wikimedis Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert Der Weltraumlift S. 304: oben: NASA S. 304: unten ganz links: lusp/openclipart. org S. 304: unten daneben: Alexandre JABORSKA/Wikimedia Commons S. 305: oben: NASA S. 305: unten: JR, KR Molekulare Maschinen S. 306: oben: KR, nach einem Modell von Bernard Feringa S. 306: unten: M stone / Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 nicht portiert S. 307: JR, KR, nach einer Grafik von Johan Jarnestadt/The Royal Swedish Academy of Sciences Werkzeuge aus Keramiken S. 308: oben: Orci/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 309: oben: Rob Lavinsky, iRocks.com, CC BY-SA 3.0 S. 309: unten links: bgbs/iStock S. 309: unten rechts: SF Fluoreszenzmikroskopie S. 310: oben rechts: Richard Wheeler (Zephyris)/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

S. 310: unten links: National Institutes of Health S. 310: unten Mitte: Bricksnite/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 310: unten rechts: Ricardo Murga und Rodney Donlan, Centers for Disease Control and Prevention in Rodney M. Donlan: „Biofilms: Microbial Life on Surfaces“ S. 311: oben: KR S. 311: unten: Howard Vindin/Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0 Kryo-Elektronenmikroskopie S. 312: Veronica Falconieri, National Cancer Institute (NCI) S. 313: oben: Veronica Falconieri, National Cancer Institute (NCI) S. 313: unten: Vossman/Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0 Spinnenseide S. 314: oben: KR S. 314: unten: KR S. 315: oben: Factumquintus/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 S. 315: Mitte: Hendrik Bargel, Universität Bayreuth, eye of science/Agentur Focus S. 315: unten: Universität Würzburg Aerogel S. 316: Foto oben: NASA/JPL-Caltech S. 316: Strukturformel oben und Grafik unten: KR S. 317: NASA/JPL-Caltech Das gentechnische Werkzeug CRISPR S. 318: KR S. 319: oben: Cas9 wiki project/Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0 S. 319: links: Hallbauer & Fioretti, mit freundlicher Genehmigung von E. Charpentier

Das Periodensystem der Elemente S. 320: KR, auf der Grundlage des PSE von Joshua D.wondrousch, Mattlaabs/ Wikimedia Commons, Werte aktualisiert nach „Periodic table“, http://www.rsc. org/periodic-table von Royal Chemistry Society, Pauling-Werte der Elektronegativität von Wikipedia: Elektronegativität

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Index

Index A

Alkaloid 182 f, 193 f, 222, 228 f, 291

Aspirin 229, 271

abgeschlossenes System 22, 24, 142 abiotische Entstehung 131 Absorption 270, 303 Absorptionslinie 60 f Acasta-Gneis 93 Acetaldehyd 219, 221 Acetylcholin 190, 222, 243 Acetylcholinesterase 243 Acetyl-CoA 152, 154 Acetylgruppe 152–155, 229 Acetylsalicylsäure 229 Aconitin 182 f Acrylamid 287 Actin 170 f, 310 f Adenin 138, 148, 152, 166 f, 310 Adenosin 291 Adenosindiphosphat siehe ADP Adenosintriphosphat siehe ATP ADP 148–151, 170 f, 176 Adrenalin 190, 193, 291 Adsorptionsmittel 262 Aerogel 316 f Agar-Agar 288 Aggregatzustand 128, 234 Agricola, Georgius 235 Aktionspotenzial 191 f Aktivierungsenergie 26 f Alanin 67, 140, 314 Alaun 225, 231 Albit 87 Alchemie 233–235 Aldehyd-Dehydrogenase 221 f Aldolase 151 Alizarin 231 Alkali 182, 227 Alkalifeldspat 87 alkalisch 28, 182, 226, siehe auch  Basen (Laugen)

Alkan 110, 264 f Alken 264 f, 278 Alkohol 218–221, 226, 268 f Alkohol-Dehydrogenase 220 Allgemeine Relativitätstheorie 42 Alphateilchen 4 f, 14 f, 53 Alphazerfall 14 f Aluminium 86, 232, 245, 254 f, 266, 278 Aluminiumoxid 213 f, 254 f, 266, 268, 308 f Alumosilicat 213, 232, 266 Amalgam 248 Amanitin 196 Ameisensäure 221, 244 Aminosäure 66 f, 130 f, 139–141, 166 f, 178 f, 282, 286 f, 314 Ammoniak 25, 28 f, 65, 131, 238, 240, 316 Ammonit 97 Ammoniumnitrat 247 Amphetamin 192 f Amphibol 88 f, 91 amphiphil 175, 180, 284 amphoter 285, 293 Amylase 173, 180 f anaerobe Atmung 122, 158 f Andesit 91 Anilin 271 Anthocyan 271 Anthrazit 113 Antibiotikum 167, 280 f Antioxidationsmittel 289 Antiteilchen 15, 44 Aragonit 101 Archaeen 136, 157, 168 f Arin 301 Aromastoff 289, 290 Aromat 110, 269 Aromatizität 37 Arznei 228 f, 234, 271

Asteroid 66, 70, 120–122, 130 ätherisches Öl 184 Atmosphäre 68 f, 102–105, 104 f, 124, 130, 272 f Atmungskette 151 f, 154, 156–158, 219 Atom 2–11, 48 f Atomkern 4 f, 12–15, 46 f, 53, 55, 124 Atommodell 4 f, 8 Atomschale 8 f ATP 148–151, 156 f, 160, 162, 169–171, 176, 200, 218 f ATP-Synthase 148 f, 160 Aufenthaltswahrscheinlichkeit 7, 20 f Auflösungsgrenze 310, 312 Auge 194 f Augengneis 86 Auripigment 233 Autoprotolyse 30 Avogadro, Amedeo 2 Avogadro-Konstante 30 Azurit 216

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018 S. Feil et al., Faszinierende Chemie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-57324-2

B Bahama Banks 100 f Bakterium 133, 135–137, 148, 159 f, 163 f, 166 f, 181, 201, 220, 261, 280 f, 318 Cyano- siehe Cyanobakterium Schwefel- siehe Schwefelbakterium Banane 177 Bändereisenerz 137 Barium 209 Basalt 78, 81, 90–92, 95, 116 Basaltflut 123 Basen (Laugen) 28 f, 31 Basenpaar 164, 166 Basensequenz 166 Basentriplett 167

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Index

basisch Gestein 77, 81 Lösung siehe alkalisch Batrachotoxin 223

Blut-Hirn-Schranke 193 Bohr, Niels 5 Boltzmann-Konstante 23 Boltzmann, Ludwig 3, 22

chemischer Kampfstoff 239, 242 f chemoautotroph 135 Chemotaxis 168 Chinarinde 228

Batterie 38, 248 Baumwolle 187 Schieß- siehe Schießbaumwolle Bauxit 254 Benzin 265, 268 f Benzol 36 f, 64, 187, 231 Bergbau 250 f Bergkristall 85 Beryllium 47, 53, 59 Betazerfall 13–15, 55, 57 Beton 214 f, 258 Bibergeil 229 Bindemittel 187, 212, 214 f Bindung chemische 18 f Ionen- 19 kovalente 18 metallische 250 Wasserstoffbrücken- siehe  Wasserstoffbrückenbindung Bindungsenergie 12–14 Biofabrikation 314 Biofilm 136, 310 Biogenese 130 Biolaugung 261 Biolumineszenz 200 f Biomarker 123 Biomimetik 275 Biosphäre tiefe 158 Biotinte 315 Biotit 89 Birkenpech 216 Blausäure 64, 131, 157 Blei 83, 248 f Blitz 131, 206, 215 Blut 188 f, 295 Drachen- siehe Drachenblut

Bor 59 Bosch, Carl 238 Botenstoff 190 f, 222, 291 Bowensche Reihe 88 Branntkalk 213 Braunkohle 113, 268 Bronze 217, 250 f Brotkruste 286 Brownsche Bewegung 3 Buchdruck 249 Buckminster-Fulleren 299

Chiralität 67, 140 f Chitin 173 Chlor 16 f, 242 f, 273 Chlorgas 242 Chlorophyll 160 f, 271, 310 Chloroplast 149, 160, 187 Chondrit 71 Chromgerberei 225 Chromophor 270 Chromsulfat 225 Cilie 168 f Citrat 154 f Citratzyklus 152, 154 f Citronensäurezyklus siehe Citratzyklus Clausius, Rudolf 22 Coenzym A 152, 154 f Coesit 120 f Coltan 251 Computersimulation Zelle 164 f Coniin 196 Conodont 111 Cortisol 203 Cracken 265, 267 CRISPR 318 f CRISPR-Cas-Verfahren 318 Cryptochrom 202 f Crystal Meth 193 Curare 222 Cyanid 157, 261 Cyanobakterium 137, 149, 160 Cytosin 138, 166 f Cytoskelett siehe Zellskelett

C C3-Pflanze 163 C4-Pflanze 163 Cadmium 248 f Calcit 2, 75, 101, 233 Calcium 87, 95, 100 f, 191 Calciumcarbonat siehe Kalk Calciumhydrogencarbonat 95, 100 Calciumhydroxid 29 Calciumsulfat 75, 99 Calvin-Zyklus 162 f Campher 184 Carbonat-Atmung 159 Carbonatkompensationstiefe 100 Carbonatplattform 100 Carbonat-Silicat-Zyklus 102 f Carboxysom 163 Carotin 161, 185, 270 Cassini-Sonde 115 Catenan 306 f Cellulase 186 Cellulose 181, 186 f, 277, 288 Cer 252 f Chemilumineszenz 200, 295 chemische Bindung 18 f chemische Evolution 130 f, 141

D 3D-Druck 315 Dalton, John 3 Dauermagnet 253

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Index

delokalisieren 270 Demokrit 2 Detergens 284 f Deuterium 46 f

Eiszeit 122, 125 Eiweiß siehe Protein elektrochemischer Gradient 157, 160, 176 Elektrolyse 2, 254 f

Essigsäure 29, 155, 220 f, 245 Essigsäurebakterium 220 Ethanol 218–221, 268 f, 316 Ethen 264 f

Diamant 78, 106 f, 308 Dimethylether 268 f Dinoflagellat 169, 201 Dinosaurier 122 f Diorit 91 Dipol 19, 129, 272 Dissoziation 21, 25 Dissoziationsenergie 21 DNA 138 f, 147, 164, 166 f, 310, 318 Döbereiner-Feuerzeug 27 Dodekaeder 298 Dolomit 99–101 Domäne 179 Dopamin 190, 192 f Doppelspat siehe Calcit Drachenblut 233–235 Drei-Alpha-Prozess 53 Droge 192 f Druck 118 f, 238 f negativer 42 f Dünger 238, 240 f dunkle Energie 45 dunkle Materie 45, 51 Dynamit 246 f Dyneema 305 Dynein 169–171

Elektrolyt 176 Elektron 4, 10 f, 14 f, 18 f, 44, 294 f delokalisiertes 37 Elektronegativität 18 f, 129 Elektronendichteverteilung 18, 33 Elektronenmikroskopie 312 f Elektronenpaarbindung 18 Elektronentransportkette 158, 161 E = m∙c2 14, 43 Emissionslinie 61 Emulgator 292 f Emulsion 290, 292 Enantiomer 141 Enceladus 69 Endosymbiontenhypothese 149, 160 endotherm 24 Energie Gibbs- 24 f innere 25 Energieniveau 9, 21, 275, 294, 310 Energiesparlampe 248 Energietal 74 Entartungsdruck 54 Entropie 22–25, 142 f Enzym 178, 180 f, 200, 220, 231, 318 Erde 68 f, 73, 136 Aufbau 76 f Erdgas 111, 264 f Erdkern 76 f Erdkruste 77, 86 Erdmantel 77, 81, 118 Erdöl 110 f, 265 Erdzeitalter 121 f Ergussgestein 88, 90 f Erythrocyt 188 f Erz 216 f, 250 f, 260 f Escherichia coli 147 f, 168, 318 Essig 220 f, 292

Eukaryot 160, 166, 169, 170 Evaporit 98 f Evolution 127, 163, 169, 170 chemische siehe chemische Evolution exotherm 24 Expansion inflationäre 42 f Explosion 26, 208 f Extraktion 277

E Ecstasy 192 f Edelgas 11, 34 Edelgasregel siehe Oktettregel Edelmetall siehe Metall, edles Eigelb 292 Einstein, Albert 14 Eisen 53, 59, 70 f, 76, 95, 188 f, 217, 258 Eisenhut 183 Eisenmeteorit 70 f Eisensulfid 96 f, 134, 159

F FADH2 155, 156 E-Faltblatt 179 Farbenindustrie 271 Färberkrapp 231 Färberwaid 230 Farbstoff 230–233, 270 f Faser 187, 213, 224, 300, 314 Faulschlamm 97, 110, 158 FCKW 273 Feldspat 79, 86 f, 91, 95, 210 Fett 174 f, 226 f, 284, 292 f Fettsäure 174 f, 226, 284 Feuer 60, 96, 206 f Feuerstein 96 Feuerwerk 61, 208 Feuerzeug Döbereiner- 27 Fischer-Projektion 32, 141 Flagellum 147, 168 f Fleming, Alexander 280 Flimmerepithelzelle 169 flüchtige Stoffe 184, 198 Flugzeugturbine 251 Fluor 35, 59, 74, 276 Fluorchinolon 281 Fluorchlorkohlenwasserstoff 273 Fluorescein 310

334

Index

Fluoreszenz 171, 201, 294, 310 Fluoreszenzmikroskopie 310 f Fluorophor 310 Foliation 93

Gezeitenkraft 117 GFP siehe grün fluoreszierendes Protein (GFP) Gibbs-Energie 24 f

Halbleiter 263, 275, 301 Halbmetall 11, 262 Halbwertszeit 13 f, 83, 124 Halo 62

Foraminifere 111, 124 Formaldehyd 221 Formel Molekül- 32 f Skelett- 32 f Valenzstrich- 32, 35 Fossil 97, 111, 123, 131 chemisches 123 Fracking 264 Fraunhofer-Linie 60 Freie Enthalpie 24 f Fruchtfliege 199 Fulleren 65, 298 f Fuller, Richard Buckminster 299 Fusion 46 f, 52 f

Gift 182 f, 196 f, 222 f, 242 f Giftgas 242 f Gips 74 f, siehe auch Calciumsulfat Glas 211, 262 f Gleichgewicht 14, 26 f Gleichgewichtsabstand 21 Glimmer 79, 88 f, 91 Globin 188 Glückshormon 192 Glucose 150 f, 162, 172 f, 186 f Glühwürmchen 200 Glutaraldehyd 225 Glycerin 174 f, 226 f, 246 Glycin 140, 314 Glykolyse 150–152, 158, 218 glykosidische Bindung 173, 186 Glyphosat 282 f Gneis 93 Goethit 95 Gold 39, 57, 216, 234, 260 f Goldnugget 39 Granit 84, 90 f, 211 Graphen 302 f Graphit 78, 106 f, 298, 300, 302 Gravitation 42, 51 f, 54, 305 Gravitationswelle 56 grenzflächenaktiv 175, 284, 292 grün fluoreszierendes Protein (GFP) 201, 311 Grünstein 93 GTP siehe Guanosintriphosphat (GTP) Guanin 138, 166 f, 240 f Guano 240 f Guanosintriphosphat (GTP) 155

Hämatit 95 Hämoglobin 178, 188 f, 249, 295 Häufigkeit chemischer Elemente 58 f Haut 224 f, 315 Hawaii 78, 80, 90 Hazenit 79 Hefe 218–220, 269 Heilpflanze 228 Helgoland 99 Helium 13 f, 21, 34, 46 f, 52 f, 60 Heliumsynthese 46 f D-Helix 179 Herbizid 282 Heroin 193 Hexogen 246 f Hochdruck-Diamant-Stempelzelle 118 f Holzgas 207 Holzkohle 208, 216, 287 Hotspot 90, 134 Hunsrückschiefer 97 Huygens-Lander 115 Hybridfahrzeug 253 Hydrolyse 94, 226, 316 hydrophil 132, 147, 175, 275, 284 f hydrophob 132, 147, 174, 274, 284 Hydrothermalquelle 134 f Hydroxidion 28, 30 Hydroxyprolin 224

G GABA siehe Gamma-Aminobuttersäure Gabbro 90 Galaxie 50 f, 62 Gamma-Aminobuttersäure 190 Gammastrahlen 56 Gammazerfall 14 f Gärung 151, 158 f, 218 f Gashydrat 264 Geißel 147, 169 Gen 164, 202 f, 318 Geneditierung 318 f Genexpression 164 Genom, menschliches siehe  menschliches Genom Genschere 318 geostationäre Umlaufbahn 304 Gerben 224 f Gerbstoff 225 Germane 226, 230 Geruchsstoff 141, 198 f Gerüstbildner 232, 262, 315

H Haber-Bosch-Verfahren 25, 238 f Haber, Fritz 238 f, 242

I Ikosaederstumpf 299 Indigo 113, 230 Indikator 31 industrielle Revolution 105, 217 Infektion 280, 318 inflationäre Expansion 42 f Inflatonfeld 42

335

Index

innere Energie 25 Inselsilicat 81 f Insulin 178, 318 interstellares Medium 62 f

Kartoffel 183, 287 Katalysator 26 f, 266–268, 272, 295 Katalyse 231, 238, 278 Kathodenstrahlung 4

Kolophonium 185 Komet 67, 69, 316 Konformation 32 konjugierte Bindung 270

Io 116 f Ionenaustauscher 253 Ionenbindung 19 ionische Flüssigkeit 276 f Iridium 121 Isomer 33 Isopren 184 Isotop 124 f

Katzengold 96 Keilstrichformel 32 Kekulé, August 36 Keramik 210, 308 f Keramikmesser 309 Kernfusion 52 f, 59 Kernkraft 12 f Kernspaltung 14 Kerogen 110 Kevlar 305 Kieselalge 85, 246, 262 Kieselgur 246, 262 f Kieselsäure 77, 85, 262 Kilonova 57 Kimberlit 107 Kinesin 170 f Knallgasreaktion 26, 156 Knicklicht 295 Knollenblätterpilz 196, 310 Kochsalz 16, 28, 61, 98 f, 118, 176, 276 Koffein 290 f Kohle 112 f, 207 f, 230, 263 Kohlendioxid 99 f, 102–104, 122, 155, 218 Kohlenhydrat 172 f, 186 f Kohlenmeiler 207 Kohlenmonoxid 113, 189 Kohlensäure 100, 102 Kohlenstoff 53, 59, 106 f, 298–300, 302 Kohlenstoff-12 124 Kohlenstoff-13 124 Kohlenstoff-14 124 Kohlenstoff-Nanoröhre 300 f Kohlenwasserstoff 32, 206, 264, 272, 287, siehe auch polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoff (PAK) Koks 113, 207 Kollagen 180, 224 f

Konservierungsstoff 245, 288 f Kontinent 77, 79, 92 kontinentale Kruste 77, 85, 92 Konvektionsstrom 77 Korrosion 215, 258 f Korsetttierchen 159 Korund 308 kosmische Hintergrundstrahlung 49 f, 57 kosmische Höhenstrahlung 124 kovalente Bindung 18 Krater 68, 120 f Kraton 92 f Krebs-Zyklus siehe Citratzyklus Kreide 121 f Kristallfarbe 232 f Kryo-Elektronenmikroskopie siehe Elektronenmikroskopie K/T-Grenze 121 Kugelfisch 197 Kugelpackung 250 Kugel-Stab-Modell 33 Kunststoff 278 f, 305 Kupfer 38 f, 209, 216 f, 258, 260 f Kupferkies 260 Kupfersulfat 38 f, 258

J Jadeit 79 Jagdgift 222 f Jupiter 58, 69, 116 f, 119 Jura 105, 122 K Kaffee 290 f Kakaobutter 293 Kalilauge 227 Kalisalpeter 208 Kalium 87, 176 f, 262 Kaliumcarbonat siehe Pottasche Kaliumchlorid 99 Kaliumcyanid 209 Kalk 75, 93, 99–102, 212 f, 263, 285 Kalkkreislauf 212 f Kalkseife 285 Kalkspat siehe Calcit Kalottenmodell 33, 267 kaltes Leuchten 294 f Kaltzeit 112, 125 Kamacit 71 kambrische Explosion 103 Kaolin 210 f Kaolinit 95, 210 Karamellisieren 287 Karbon 112, 122

L Lackbaum 230 Lactam 280 Lactat 158 Lactose 173, 180 Lanthan 252 f Lanthanoid 11, 252 f Lapislazuli 230, 232 f, 266 Laser 311 Latex 230 Lauge siehe Basen (Laugen)

336

Index

Laurussia 112 Leben Entropie 142 Entstehung 67, 127, 130 f

Maillard-Reaktion 286 f, 290 Makromolekül 138, 146, 166, 174 Makrozustand 22 f Malachit 216

Micelle 174, 284 Mikrobiom 180 f Mikropaläontologie 111 Mikrotubulus 170 f, 310

Lebensmittelzusatz 288 f Lecithin 292 f Leder 224 f Legierung 250 f Leuchtkäfer 200 Leukipp 2 Licht 160, 294 f, 310, siehe auch Photon Lichtsammelkomplex 161 Liebig, Justus von 240 Lignin 187 Linde, Carl von 239 Linde-Verfahren 239 Lipase 180 Lipid 132 f, 147, 290, siehe auch Fett Phospho- siehe Phospholipid lipophil 284 Lithium 47, 59, 209 Lithosphäre 77 Löschkalk 212 f, siehe auch  Calciumhydroxid Lösungsmittel 184 f, 244, 269, 276 f Lotuseffekt 274 f LSD 197 Luciferase 200 Luciferin 200 Lumen 180 Lumineszenz 294 f Luminol 295 Lysergsäure 197

Malaria 228 Mangan 251, 256 f Manganknolle 256 f Marmor 93 Mars 69, 74 f, 95, 105 Massendefekt 15 Massenspektrometer 124 Massensterben 90, 105, 121–123, 125 Mauvein 271 Mayonnaise 292 Medikament 113 f, 229 Medizin 228 f, 235, 315 Meerwasser 98 f Mehlschwitze 286 Melanoidin 286 Membran 132 f, 147–149, 174–176 Membranpotenzial 132 Mendelejew, Dmitri 10 menschliches Genom 164 Menthol 184 Merkur 68 f, 105 Metall 19, 74, 250–257, 260 f edles 38 f, 258–261 unedles 38 f Metallgitter 18 f, 250 metallische Bindung 19, 250 metallischer Wasserstoff 119 metallorganischer Stoff 278 Metallurgie 250 f metamorphes Gestein 92 f Meteorit 66 f, 70 f, 120 f, 136 Methan 104, 108, 111, 114, 122, 131, 159, 264 f Methanhydrat 108 f, 118 Methanol 65, 221, 268 f Methanol-Wirtschaft 268 Methicillin 281 Meyer, Lothar 10

Mikrowellenhintergrundstrahlung siehe kosmische Hintergrundstrahlung Mikrozustand 22 f Milchsäure 158 Milchsäuregärung 158 Milchzucker siehe Lactose Mineral 73 f, 78 f, 232 f Miozän 120 Mischungslücke 87 Mithril 300 Mitochondrium 148, 153 f, 160 Mittasch, Alwin 238 mittelozeanischer Rücken 77, 90, 135, 256 Mobilprozess 269 Mol 30 f Molekülformel 32 Molekülorbital 20 f, 35, 37 Molekülwolke 63–66 Monomer 278 Morphin 193 Mörtel 212–214 Motorprotein 169, 170 f MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) 281 Mullit 211 Munition 242, 249 Muskel 170, 222 f, 243 Muskovit 89 Mutterkorn 197 Mycoplasma 164 Mykorrhiza 198 Myoglobin 188 Myosin 170 f

M Mach, Ernst 3 mafisch 81, 88 Magma 79, 88, 134 f magmatisches Gestein 85, 90 f Magmatit siehe magmatisches Gestein Magnesium 59, 80 f, 88, 91, 101, 160 Maillard, Louis Camille 286

N NAD 152 NADH 151 f, 155–157, 160 f, 219

337

Index

NADPH 161 f Nanomaschine 146, 306 f Nanomotor 307 Nanozahnrad 301

O Oberflächenspannung 284, 292 Oktettregel 34 f Öl 174 f, 184 f, 226, 231, 292

Periodensystem 10 f, 252 f, 320 Perm 90, 99, 105, 122 Petrochemie 264 f Pfeilgiftfrosch 223

Natrium 16 f, 60, 87, 176 f, 209, 262 Natriumchlorid 16, 19, 227, siehe auch Kochsalz Natriumfluorid 34 Natrium-Kalium-Pumpe 176 f Natronlauge 28, 227, 254 Natta, Giulio 279 Naturfarbe 230 f Naturlack 230 f Naturmedizin 228 f Naturstoff 228 f negativer Druck 42 f Nervenbahn 315 Nervengift 222, 242 f Nervenzelle 171, 190–192, 195, 203, 222, 243, 291 Netzhaut 194 f Neurotransmitter 171, 190 f, 192 Neutralisation 28 Neutrino 14 f, 44, 54 Neutron 10, 12 f, 44–47, 55, 124 Neutronenstern 54 f, 55, 56 f, 67, 119 Neutronensternverschmelzung 56 f Nickel 59, 70 f, 76, 251 Nicotin 182 Niob 251 Nitroglycerin 246 f Nobel, Alfred 246 f Nobelpreis 138, 167, 242, 247, 268, 279, 297, 302, 311 Noradrenalin 190, 291 Nördlinger Ries 120 Nucleinsäure siehe DNA, RNA Nucleoid 147 Nucleotid 130 Nucleotidsequenz 167 Nukleon 12–14 Nuvvuagittuq-Grünsteingürtel 93

Olivin 78, 80 f, 85, 88, 90 Omega-3-Fettsäure 174 Opferanode 259 Opiat 193 Opioid 193 Opsin 194 f, 203 Orbital 6 f, 9, 20 f Molekül- siehe Molekülorbital Organell 132, 146, 160 Orthoklas 87 Ötzi 216 Oxalacetat 155 Oxidation 258, 272, 289 Pyruvat- siehe Pyruvat-Oxidation Oxidationsstufe 316 Oxidkeramik 308 Oxoniumion 28, 30 ozeanische Kruste 91 f, 98 Ozon 272 f Ozonloch 273 Ozonschicht 123

Pflanzengift 182 Phalloidin 310 f Phenacetin 271 Phenylethylamin 192 f Phosgen 242 f Phosphate 240 f Phospholipid 132, 175, 285 Phosphoreszenz 295 Phosphorsäure 243, 245 photokatalytische Reinigung 274 f Photon 4, 6, 15, 44, 48 f, 60, 161 Photoprotein 200 f Photosynthese 125, 137, 160 f, 162 Photosystem I 161 Photosystem II 161 pH-Wert 30 Pigment 230, 232 f, 290 Pilz 196, 198, 201, 280 Pinen 184 f Plagioklas 81, 87, 90 Plancksches Wirkungsquantum 8 Planet 68 f, 73–75, 102, siehe auch Erde, Jupiter, Mars, Merkur, Saturn, Venus planetarischer Nebel 53, 299 Plasma 44, 48 f, 62 Plastik siehe Kunststoff Plastiksprengstoff 247 Platin 27, 57 Plattentektonik 79 Plutonit siehe Tiefengestein polarisiertes Licht 141 Polarität 18 f Polarlicht 61 Polo, Marco 210 Polyethylen 278 f Polykondensation 317 Polymer 278, 286, 314 Polymerisation 172, 231

P Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum 109 Pangäa 99, 112, 123 Pantoffeltierchen 146, 169 Papier 187 Papyrus Ebers 234 Paracelsus 234 f Paracetamol 271 Pauli-Prinzip 8, 21, 37, 54 Penicillin 280 Pentasil 266 f Pepsin 180 Peptid 178 Peptidbindung 178 Peridot 80 Peridotit 81

338

Index

Polypropylen 279 Polysaccharid 172 f, 186, 288 polyzyklischer aromatischer Kohlenwasserstoff (PAK) 66, 206, 287

Recycling 215, 253, 255 Redoxreaktion 17, 258 Reformer 265, 267 Reißlänge 305

Sauerstoff 53, 59, 61, 79, 160, 163, 188, 220, 258 f Sauerstoff-18 125 Sauerstoffmolekül 35

Porphyrin 188 Porzellan 210 f Posca 220 Positron 15 Potenzialkurve 21 Pottasche 227 Primärstruktur 178 f Protein 166 f, 178 f, 314 Proteinfaltung 143 Proteinsynthese 138, 166 f, 196, 311 Protobiont 132 Proton 10, 12–15, 28, 44–47, 124, 157 Protonengradient 149, 162, 168 Pyrit 96 Pyrolyse 207, 216 Pyrotechnik 208 f Pyroxen 81, 88–90 Pyruvat 152 f, 218 f, 282 Pyruvat-Dehydrogenase-Komplex 152 f Pyruvat-Oxidation 152 f

Replikation 138 Resistenz 280 f Retinal 194 f Rezeptor 182, 190–193, 222, 291 Rhodonit 79 Rhodopsin 178, 185, 270 Rhyolith 91 Ribosom 147, 164, 166 f Ribozym 138 Ringwoodit 118 RNA 138 f, 166 f, 319 Messenger-, m- 138, 147, 164, 166 f, 196 ribosomale, r- 138, 166 Transfer-, t- 138, 166 f RNA-Welt 138 f Römer 212, 214, 220, 226, 230 Röntgenstrahlen 312 f Röntgenstrahlung 63 Röststoff 286 Rotaxan 306 Rotschlamm 254 RuBisCo (Ribulose-1,5-bisphosphat) 163 Rutherford, Ernest 4 f

Säuren 28–30, 244 f, 289 Schalenmodell 8 f Schierling 196 Schießbaumwolle 209, 246 Schimmelpilz 280 Schlaf 202 f Schmelzflusselektrolyse 254 f Schneeball Erde 103 Schokolade 192, 293 Schwarzer Raucher 96, 134 f, 256 f Schwarzes Loch 54, 56, 119 Schwarzpulver 208 f, 242, 246 Schwefel 116 f, 123, 208, 245 Schwefelbakterium 123 Schwefeldioxid 33, 116, 245 Schwefelhexafluorid 34 Schwefelsäure 27–29, 244–246, 260 Schwefelwasserstoff 97, 99, 122, 134, 159 Schwermetall 248 f Sediment 98 f, 110, 112 Sehfarbstoff 194 f Seidenspinne 315 Seife 226 f Seifenblase 284 Sekundärstruktur 179 Selbstorganisation 132, 143 selbstreinigend 274 f Seltene Erden 252 f Senfgas 242 Senfölglykosid 199 Serotonin 192 f Shikimatweg 282 f Silicat 65, 78, 80, 262, 266 Silicatgestein 77, 102 Silicium 59, 262 f Siliciumcarbid 78 Siliciumdioxid 84 f, 262, 308, 316 Skelettformel 32

Q Qualle 200 f Quantengravitation 43 Quantenmechanik 6–8, 13, 18, 20 f, 54 Quantenzahl 9 Quartärstruktur 179 Quarz 79 f, 84 f, 89, 91, 120, 211, 262 f Quecksilber 234, 248 f Quintessenz 235 R Radikal 35, 233, 271 radioaktiv 4, 83, 124, 253, 295 radioaktiver Zerfall 12–15, 55, 71 Raffination 265, 279 Raupe 199 Reaktionsgleichung 16 f

S Saccharid 173, siehe auch Polysaccharid Salicylsäure 229 Salpetersäure 241, 245, 246 Salze 19, 28, 75, 98 f, 244 f, 276 f Salzgehalt 98 Salzsäure 28 f, 99, 180 f, 245 Salzstock 99 Sand 80, 84 f, 212 f, 215, 262 f Sandstein 85 Sarin 243 Satellit 304 Saturn 58, 69, 114, 119 sauer (Gestein) 77, 91

339

Index

Smog 272 Sobrero, Ascanio 246 Solanin 182 Solarzelle 248

Suevit 121 Sulfat-Atmung 122, 159 Sulfid 96, 261 Summenformel siehe Molekülformel

TNT 246 f Tomate 183 Ton 214 Tonerde 213, 254 f

Sol-Gel-Verfahren 316 Soman 243 Sonne 52, 58, 60 Sonnensystem 68 Spannungspotenzial 176 Spannungsreihe 38 f Spektrallinie 5, 21, 60 f Spiegelbild 140 Spin 8, 35, 295 Spinne 314 f Spinnenseide 314 f Sprengstoff 238, 246 f Sprengung 208, 247 Stäbchen (Auge) 194 Stadtgas 113 Stahlbeton 258 Stammbaum des Lebens 168 f Stärke 172 f, 186, 288 Staub 3, 62 f, 316 Stein der Weisen 234 f Steinheimer Becken 120, 136 Steinkohle 112 f Steinkohleteer 271 Steinsalz 99 Stern 50–53 Stevia 288 f Stickoxide 3, 35, 240, 272 Stickstoff 114, 238–241 Stishovit 120 Storegga-Rutschung 109 Strahlenkegel 120 Stratosphäre 273 Streuversuch Rutherford 5 Stromatolith 136 Strukturformel 32 Strychnin 222 Subduktionszone 98

Superlegierung 251 Supernova 54 f Süßstoff 288 Suttner, Bertha von 247 Symmetrie 140 f Synapse 190–193 Synthesegas 268 System abgeschlossenes siehe  abgeschlossenes System

Tonmineral 79, 94 f, 210 Totes Meer 99 Trägermolekül 150–155 Transkription 166 Transmembranprotein 148 Traubenzucker 150, 218, siehe auch  Glucose Treibhauseffekt 104 f, 122 Treibhausgas 68, 103–105, 109, 159 Trias 123 Trilobit 123 Tritium 46 f Tröpfchenmodell 12

T Tabakpflanze 182, 198 f Tabakschwärmer 198 f Tabun 243 Taenit 71 Tagebau 251, 254, 260 f Tantal 251 Teer 113, 271 Teerfarbstoff 113, 271 Tensid 284 f, 292 Terpen 184 f, 198 f, 270, 290 Terpentin 185 Terra preta 207 Tertiär 121 f, 125 Tertiärstruktur 179 Tetrodotoxin 197 Tholin 114 f Thomson, Joseph John 4 Thylakoidmembran 160 f Tiefengestein 81, 90 f Tiefsee 100, 135, 201, 256 f Tiefseefräse 256 f Tiefseegraben 77, 98, 102 Tissue-Engineering-Verfahren 315 Titandioxid 275 Titannitrid 78, 308 f Titan (Saturnmond) 114 f

U Uhrengen 202 f Universum Entstehung 42 f Expansion 44 f Unkraut 282 f Uracil 139, 166 f Uran 83 Uratmosphäre 131 Urknall 42 f UV-Strahlung 63, 65, 123, 131, 271–273, 294 V Valenzstrichformel 32, 34 f Van-der-Waals-Kraft 284 Van-der-Waals-Radius 3 Vanille 289 Vantablack 301 Venus 58, 68 f, 75, 102, 104 Verdauung 174, 180 f, 185, 287 Verdickungsmittel 288 Veresterung 226 Verkohlung 207, 287 Verkokung 113

340

Index

Verseifung 226 f Verwitterung 79, 82, 94 f Vesikel 171, 175, 191 f, 311 Vitamin 181, 289

Zelle 130, 132 f, 146 f, 187 Nerven- siehe Nervenzelle Zellsimulation 164 f Zellskelett 170

Vitamin A 185, 194, 270 Vitamin B1 153 Vulkan 28, 68 f, 81, 90 f, 99, 102 f, 116 f, 131, 227 Vulkanismus 78, 122 Vulkanit siehe Ergussgestein

Zellteilung 164 f Zellwand 133, 147, 186 f Zement 212–215 Zeolith 213, 266 f, 269, 285 Zerfall Alpha- siehe Alphazerfall Beta- siehe Betazerfall Gamma- siehe Gammazerfall radioaktiver siehe radioaktiver Zerfall Ziegler, Karl 278 f Zink 27, 38 f, 259 Zinn 217, 250 f, 259 Zinnober 233 f Zirconium 82, 308 Zirconiumdioxid 308 f Zirkon 82 f, 93, 309 Zucker 33, 66, 150, 172 f, 186 f, 218, 220, 286–288, 290, 293 Zuckerrübe 172 Zündtemperatur 26 Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik 22, 24, 142

W Wadsleyit 118 Wärmebewegung 23, 147 Warmzeit 125 Wasser 68 f, 108 f, 128 f, 132, 146 f, 176, 244 f, 258, 266, 274, 284, 292 Meer- siehe Meerwasser Wasserenthärter 267 Wasserstoffatom, Wellenfunktion 6 f Wasserstoffbrücke 19, 108, 129, 174, 186 f Wasserstoffbrückenbindung 19 Wasserstoffmolekül 20 f Watt 96 f Wein 218–221 Weißer Zwerg 53 f Weißgerberei 225 Welle 7 Wellenfunktion 6 f, 20 f Weltkrieg 193, 207, 239, 241 f, 247, 280 Weltraumlift 304 f Widmanstätten-Figur 70 f X Xenontetrafluorid 35 Y Yucatán 121 Z Zäpfchen (Auge) 194 f Zechsteinmeer 99

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Faszinierende Wissenschaft – verständlich und reich illustriert! Benjamin Bahr Jörg Resag Kristin Riebe

1 Faszinierende Physik

Faszinierende Physik Ein bebilderter Streifzug vom Universum bis in die Welt der Elementarteilchen . Auflage

•• Unterhält und informiert durch klar verständliche Texte und eindrucksvolle Abbildungen •• 150 Themen aus der Physik von GPS und Schwarzen Löchern bis Supersymmetrie •• Drei Autoren, die ihre Begeisterung für die Schönheit unserer Welt und die Wunder der Physik erfolgreich weitergeben

Von den Rätseln der Quantenwelt bis zum Polarlicht – von Schwarzen Löchern bis zum GPSSystem – von Teilchenbeschleunigern, dem Higgs und der Supersymmetrie bis zum Foucaultschen Pendel – dieses Buch bietet einen packenden Streifzug durch die spannendsten und aktuellsten Themen der modernen Physik! Auf jeweils einer Doppelseite wird dem Leser dabei mit vielen Bildern ein kompakter und klar verständlicher Einstieg in jeweils ein Thema und den Stand der Forschung geboten – zu insgesamt etwa 150 verschiedenen Themen. Benjamin Bahr, Jörg Resag, Kristin Riebe Faszinierende Physik Ein bebilderter Streifzug vom Universum bis in die Welt der Elementarteilchen 2. Aufl. 2015, XIV, 304 S. 680 Abb., 600 Abb. in Farbe, Hardcover, *29,99 € (D) | 30,83 € (A) | CHF 31,00 ISBN 978-3-662-45347-6

•• Ergänzt in der Neuauflage durch Kapitel zu CRISPR/Cas9 und Künstlicher Intelligenz •• Bietet atemberaubende Einblicke in die spannende Welt unseres Gehirns •• Begeistert durch spektakuläre und einzigartige Bilder •• Unterhält und informiert durch eine lockere und verständliche Darstellung Von den spektakulären Windungen des Großhirns bis zu den filigranen Formen einzelner Nervenzellen – von den einzigartigen Schleifen, Schichten und Schlaufen des Kleinhirns bis in die feinen Verästelungen der Nervenfasern unserer Muskeln – von der Funktion unserer Sinne bis an die Grenzen der modernen Hirnforschung: Dieses Buch nimmt Sie mit in die spannende Welt des Gehirns und bietet atemberaubende Einblicke in die Architektur und Funktion der Nervenzellen. Doppelseitige Kurzkapitel, gespickt mit spektakulären Abbildungen, stellen jeweils ein konkretes Thema der Neurobiologie kompakt und verständlich vor. Henning Beck, Sofia Anastasiadou, Christopher Meyer zu Reckendorf Faszinierendes Gehirn Eine bebilderte Reise in die Welt der Nervenzellen 2. Aufl. 2018, XV, 346 S., 370 Abb., Book + eBook, *24,99 € (D) | 25,58 € (A) | CHF 25,50, ISBN 978-3-662-54755-7

•• Einzigartige Einblicke in die Welten unseres Sonnensystem •• Stellt aktuellste Forschungsergebnisse rund um unsere kosmische Nachbarschaft dar •• Begeistert durch anschauliche Erklärungen •• Fasziniert durch atemberaubende Fotos und klare Abbildungen Tauchen Sie mit diesem Buch in die atem­beraubenden Welten unserer kosmischen Nachbarschaft ein: Lassen Sie sich auf faszinierende Monde entführen, erfahren Sie, welche geologischen Mechanismen die Planeten unserer Nachbarschaft formen, finden Sie heraus, mit welchen Kräften Jupiter seine Monde durchknetet, wie Saturns Ringe gespeist werden und welche Geheimnisse die Zwergplaneten in unserem Sonnensystem bergen. R. Jaumann, U. Köhler, F. Sohl, D. Tirsch, S. Pieth Expedition zu fremden Welten 20 Milliarden Kilometer durch das Sonnensystem 1. Aufl. 2018, XV, 381 S. 55 Abb., Hardcover, *29,99 € (D) | 30,83 € (A) | CHF 31,00, ISBN 978-3-662-54995-7

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