Expanded Senses: Neue Sinnlichkeit und Sinnesarbeit in der Spätmoderne. New Conceptions of the Sensual, Sensorial and the Work of the Senses in Late Modernity 9783839433621

This book responds to the »expansion of the senses« - which is so often mentioned in the context of the new moving image

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German Pages 432 Year 2015

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Expanded Senses: Neue Sinnlichkeit und Sinnesarbeit in der Spätmoderne. New Conceptions of the Sensual, Sensorial and the Work of the Senses in Late Modernity
 9783839433621

Table of contents :
Inhalt
Vladimir Nabokov
Wahrnehmung ist die Alltagsutopie der Befriedigung. Eine Einführung
René Fülöp-Miller
Phantasiemaschinen. Ein Exkurs zur technoimaginären Organisation mediatisierter Sinnlichkeit mit Hinweisen auf den vergessenen Autor René Fülöp-Miller
Antonin Artaud
Was Meine Finger Wussten. Das kinästhetische Subjekt oder die Wahrnehmung im Fleisch
Theodor W. Adorno
Mimikry und Berührung. Über Prothesen und Grimassen
Achille Mbembe
Corporate Cannibal
Gilles Deleuze
Dexters Plastisch Esgehirn. Empathie im Film durch Mentalisierung und Spiegelung
Béla Balázs
Der Körper am Werk. Sensorisch-motorische und emotionale Partituren im Film
Judith Butler
The Woman in the Blue Bra. Dem Video folgen
John Brian Harley
Die Karte als Aktionsraum. Digitale Weltbilder zwischen Logo-, Ethno- und Egozentrismus
Hans Blumenberg
Front Matter 2
Contents
Vladimir Nabokov
Perception is the everyday utopian dream of satisfaction. An Introduction
René Fülöp-Miller
Phantasy Machines. A discourse on the techno-imaginary organization of mediatized sensibility in view of the forgotten author René Fülöp-Miller
Antonin Artaud
What my Fingers Knew. The Cinesthetic Subject, or Vision in the Flesh
Theodor W. Adorno
Mimicry and Touch. On Prosthetics and Grimaces
Achille Mbembe
Corporate Cannibal
Gilles Deleuze
Dexter's Plastic Brain. Mentalizing and Mirroring in Cinematic Empathy
Béla Balázs
The Body at Work: Sensory-Motoric and Emotional Partitions of Film
Judith Butler
The Woman in the Blue Bra. Follow the Video
John Brian Harley
The Map as Home Range. Digital Worldviews between Logocentrism, Ethnocentrism and Egocentrism
Hans Blumenberg
Corporate Cannibal

Citation preview

Impressum B3 Biennale des bewegten Bildes 2015 expanded senses 07.10.– 11.10.2015 Frankfurt Rhein Main b3biennale.com

Veranstalter

Träger

Bibliografische Information der Deutschen ­National­bibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2015 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Herausgeber Bernd Kracke, Marc Ries Hochschule für Gestaltung Offenbach Schlossstr. 31, 63065 Offenbach am Main Gestaltung Marina Kampka, nach dem Entwurf von Karin Rekowski für die erste B3 Publikation EXPANDED NARRATION (2013). Mit Dank an Wolfgang Rademacher und Agnes Meyer-Wilmes.

Partner Redaktion Marc Ries, Mathias Windelberg Lektorat Keonaona Peterson, Christine Taxer, Simon Cowper

Förderer  Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung  Europäische Union Förderer B3 Parcours  kulturfonds frankfurtrheinmain

Übersetzungen Philipp Kleinmichel, Christian Kolb, Chris Michalski, Marc Ries, Alexander Schneider, Alan Shapiro, Mathias Windelberg Papier 90/150/300g m2 Fly Design, weiß Schriften Akkurat, Stone Serif Coverabbildung Videostill aus Corporate Cannibal von Nick Hooker und Grace Jones Produktion Henrich Druck + Medien GmbH, Frankfurt am Main

Print -ISBN 978-3-8376-3362-7 PDF -ISBN 978-3-8394-3362-1

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Neue Sinnlichkeit und Sinnesarbeit in der Spätmoderne

Hg. Bernd Kracke, Marc Ries Unter Mitarbeit von Mathias Windelberg

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Vladimir Nabokov

Marc Ries, Bernd Kracke Wahrnehmung ist die Alltagsutopie der Befriedigung.



Eine Einführung

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Sinnlichkeit und Sinnesarbeit 1

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René Fülöp-Miller Hans Ulrich Reck PHANTASIEMASCHINEN

Ein Exkurs zur techno-imaginären Organisation

mediatisierter Sinnlichkeit

mit Hinweisen auf den vergessenen Autor René Fülöp-Miller 37

Sinnlichkeit und Sinnesarbeit 2





40 43

Antonin Artaud Vivian Sobchack Was meine Finger wussten



Das kinästhetische Subjekt oder die Wahrnehmung im Fleisch

84

Sinnlichkeit und Sinnesarbeit 3

88 89

Theodor W. Adorno Karin Harrasser Mimikry und Berührung



Über Prothesen und Grimassen

99

Sinnlichkeit und Sinnesarbeit 4

104 105



Achille Mbembe Steven Shaviro Corporate Cannibal

134

Sinnlichkeit und Sinnesarbeit 5

136 137

Gilles Deleuze Patricia Pisters Dexters plastisches Gehirn

Empathie im Film durch Mentalisierung und Spiegelung 154

Sinnlichkeit und Sinnesarbeit 6

156 157

Béla Balázs Claire Châtelet Der Körper am Werk



Sensorisch-motorische und emotionale Partituren im Film

172

Sinnlichkeit und Sinnesarbeit 7

173 175

Judith Butler Kathrin Peters



The Woman in the Blue Bra



Dem Video folgen

189

Sinnlichkeit und Sinnesarbeit 8

192 195

John Brian Harley Pablo Abend Die Karte als Aktionsraum

Digitale Weltbilder zwischen Logo-, Ethno- und Egozentrismus 220

Sinnlichkeit und Sinnesarbeit 9

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Hans Blumenberg

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Grace Jones & Nick Hooker Corporate Cannibal

Vladimir Nabokov

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Anfangs merkte ich nicht, daß die Zeit, die auf den ersten Blick so grenzenlos scheint, ein Gefängnis ist. Wenn ich meine Kindheit erkunde (was nahezu der Erkundung der eigenen Ewigkeit gleichkommt), sehe ich das Erwachen des Bewußtseins als eine Reihe vereinzelter Helligkeiten, deren Abstände sich nach und nach verringern, bis lichte Wahrnehmungsblöcke entstehen, die dem Gedächtnis schlüpfrigen Halt bieten. Zählen und Sprechen hatte ich sehr früh und mehr oder weniger gleichzeitig gelernt, doch das innere Wissen, daß ich ich war und meine Eltern meine Eltern, hat sich anscheinend erst später eingestellt und hing unmittelbar damit zusammen, daß ich ihr Alter im Verhältnis zu meinem begriff. Nach dem hellen Sonnenlicht und den ovalen Sonnenflecken unter den sich überlagernden Mustern grünen Laubes zu urteilen, die mein Gedächtnis überfluten, wenn ich an diese Offenbarung denke, war es vielleicht am Geburtstag meiner Mutter im Spät­sommer auf dem Land, und ich hatte Fragen gestellt und die Antworten abgewogen. All das ist genau, wie es dem biogenetischen Grundgesetz zufolge sein soll; der Anfang reflektierenden Bewußtseins im Gehirn unseres entferntesten Vorfahren ist ganz gewiß mit dem Erwachen des Zeitsinns zusammengefallen. Als die mir eben enthüllte, noch frische und adrette Formel meines Alters, vier, den elterlichen Formeln, dreiunddreißig und sieben­ undzwanzig, entgegengehalten wurde, geschah etwas mit mir. Ich erhielt einen ungeheuer belebenden Schock. Als hätte ich eine zweite Taufe hinter mir, von göttlicherer Art als die russischorthodoxe Tauchübung, die ein schreiender, halbertrunkener Halbviktor fünfzig Monate zuvor über sich hatte ergehen lassen, fühlte ich mich mit einem Male in ein strahlendes und bewegliches Medium gestürzt, das nichts anderes war als das reine Element Zeit. Man teilte es – genau wie erregte Schwimmer das flimmernde Meer – mit Wesen, die anders waren als man selber und einem doch verbunden durch den allen gemeinsamen Strom der Zeit, eine Umgebung, die grundverschieden war von der des Raumes, welchen nicht nur der Mensch, sondern auch Affen und Schmetterlinge wahrnehmen können. In diesem Augenblick wurde mir deutlich bewußt, daß das siebenundzwanzigjährige Wesen in

Vladimir Nabokov

weichem Weiß und Rosa, das meine linke Hand hielt, meine Mutter war, und das dreiunddreißigjährige in hartem Weiß und Gold, das meine Rechte hielt, mein Vater. [...] Ja, von meinem jetzigen Höhenzug entlegener, isolierter, fast unbewohnter Zeit aus sehe ich mein diminutives Selbst an jenem Augusttag im Jahre 1903 die Geburt eines fühlenden Lebens feiern [...], und auf mehrere Jahre hinaus blieb mein Interesse am Alter meiner Eltern lebendig, hielt mich darüber auf dem laufenden, wie ein nervöser Passagier, der nach der Zeit fragt, weil er einer neuen Uhr nicht traut.

Vladimir Nabokov: Erinnerung, sprich. Wiedersehen mit einer Autobiographie. Reinbek 1999, S. 22-24.

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Übersetzung: Dieter E. Zimmer

Marc Ries, Bernd Kracke Wahrnehmung ist die Alltagsutopie der Befriedigung.* Eine Einführung

*Dieter Hoffmann-Axthelm: Sinnesarbeit. Nachdenken über Wahrnehmung. Frankfurt am Main, New York 1984, S. 19. Die konzeptuelle Arbeit an dieser Publikation wurde stark beeinflusst durch dieses mittlerweile kaum noch wahrgenommene Buch von Dieter Hoffmann-Axthelm.

Bernd Kracke, Marc Ries

Dieser Band ist das theoretische Gegenstück zur Biennale des Bewegten Bildes B3 in Frankfurt/Rhein-Main 2015 und ihrer thematischen Formel Expanded Senses. Am Jetztpunkt des Bewegungsbildes ist die Biennale Schauplatz und vielfältiger Austragungsort für die in Kunst und Medienindustrie ent­­­wickelten, experimentell erprobten, massenhaft wahrgenommenen und benutzten Bewegtbildanwendungen.

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Analog zur Veränderung aktueller Daseinsweisen in­­mitten post-industrieller, globalisierter, neoliberaler Lebens­­­­­verhält­­nisse, die hier mit dem Ausdruck »Spätmoderne« ihre Umschreibung finden, transformieren unsere Sinneswahrnehmungen an und durch Kommunikationstechnologien, Computerspiele, ästhetische Innovationen der Kino- und TV-Dispositive. Ihr Wirkfeld ver­ größert sich, alte sinnliche Qualitäten werden abgebaut, während neue sich ausgestalten. Die akustischen, optischen und zunehmend auch taktilen Sinnesleistungen, ihre Sinnesdaten, verändern sich in ungewöhn­lichem Ausmaße, sie vermögen vieles und mehr, bisher Unge­sehenes und anderes wahrzunehmen, sie arbeiten und partizipieren intensiv mit den technischen Bildern, Tönen und Daten, und sie tun dies schneller und komplexer, vielleicht auch willkür­licher und indifferenter als zuvor. Der aktuelle Wandel lässt sich medientechnisch in zwei Richtungen darstellen. Zum einen erzeugen softwarebasierte Simulations- und Animationstechniken in Kino- und FernsehPostproduktionen (VFX, Morphing bis 3D), Games, Videomapping oder der Werbung neue ästhetische und immersive Qualitäten. Die (kollektive) Wahrnehmung der Filme und Videos wird zum sinnlichen Spektakel, zum entgrenzenden Ereignis im Dienste von Affektökonomien. Eine andere Art der Anwendung zeigen jene Techniken, die den Einzelnen, seine Selbst-, Sozial- und Lokalwahrnehmung, zum mitunter kreativen (Co-)Akteur medialer Prozesse machen. Sie manifestieren sich in cross- und hypermedialen Projekten im Verbund einzelner Medien, in den Self Tracking-Systemen der Selbsvermessung (mit dem so genannten Quantified Self als Ziel), in der Games-Entwicklung, in vernetzten mobilen Geomedien, in Augmented Reality-Tools und ganz umfassend in der

Eine Einführung

Noosphäre sozialer Medien. Hier koppeln sich Technoimagi­ nationen und informative Qualitäten mit der Bildung von neuem Sozialkapital. Jedenfalls demonstriert die oftmals obsessive Nutzung neuer Medien die »Nähe« zu einer »Alltagsutopie« der Befriedigung durch Technik. Dies gilt es zu befragen.

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Die Neue Sinnlichkeit und Sinnesarbeit in der Spätmoderne, als Arbeitsformel für die hier versammelten Texte, wird mit Analysen aus Forschungen assoziiert, die das Bewegtbild in seiner Wirkmacht auf unsere sinnliche Vermögen beobachten, in Reflexion überführen, in systematischen Zusammenhängen weiterdenken. Das Nachdenken über Wahrnehmung verhält sich dabei wie ein zeitgeschichtliches Zögern, vergleichbar dem einer gelingenden Bildwahrnehmung. Wir wollen den im Raum der Neuen Medien wachstumsbeschleunigend handelnden ökonomischen Wertlogiken, ihren Konsumptionsdramaturgien, aber auch den sie begleitenden schnelllebig-affirmativen Diskursen eine Reflexionsruhe, eine Konzentration auf die Bedingungen, die Mächte wie die Freiheitsgrade medialer Dispositive der Bewegtbilder entgegensetzen. So haben wir Texte ausgewählt und angefragt, die neugierig, gelassen die Beziehung von Kino, Neuen Medien und Sinnlichkeit, Sinnesarbeit, Sinnesgenuss in großer Intensität erkunden. Dabei werden die unterschiedlichen Bedeutungs- und Handlungsebenen des Begriffs und seiner Synonyme Beachtung finden, womit der »Expansion« auch miteinander rivalisierende Semantiken zufallen, etwa die der Ausdehnung, der Ableitung, Vergrößerung, Entgrenzung, des Wachstums, der Überschreitung, Weitung und Verschwendung. Auf die skizzierten Entwicklungen reagiert unsere Konzeption mit einer umsichtigen Doppelbewegung. Zunächst gilt es, in einem genauen Befragen der für das Kino konstitutiven »kinästhetischen« Erfahrung in der Filmwahrnehmung (Sobchack) ein in die Medien stets schon eingeschriebenes Angebot zur sinnlichen (Selbst-)Entgrenzung und Überschreitung anzu­ erkennen. In der Folge wird im Wechselspiel konkreter Bewegt­ bilder aus den Produktionsszenarien der Neuen Medien mit philosophischen, gesellschaftstheoretischen und neuro­biologisch motivierten Theorien und Modellen der Wandel unserer sinn­

Bernd Kracke, Marc Ries

lichen und mentalen Vermögen durch Techniken der Modu­­lation, der Simulation, der Prothetik, der Vernetzung und der digitalen Kartographie befragt. Diese Doppelbewegung wird in der Textdramaturgie mit zwei Paratexten erweitert, die die Haupttexte reziprok begleiten. Da ist zunächst ein längeres Zitat, das beredt und selbst­gewiss dem dem eigentlichen Text vorausgeht, Ideen und Argumentationen vorstellt, die das Kommende in einem verwandten Theorie-, aber auch literarischen Raum vorbereiten. Ein weiterer Text läuft seriell, als eine Art Fortsetzungsgeschichte der Sinnlichkeit und der Sinnesarbeit, vor und zwischen den Haupttexten. Diese Text­fragmente berühren zu gewissen Momenten die Aussagen des Zitates und des Haupttextes, so dass sich alle drei für kurze Zeit ineinander zu spiegeln vermögen, sich also in gewisser Weise auch ineinander erweitern, überschreiten, verschwenden. Den drei verschiedenen Textsorten kommen variierende Temperaturen zu, verschiedene Lektüremodi und Affektionsdichten. Mit dieser Dramaturgie wollen wir dem Lesen ein Changieren der Stile, der Reflexionsebenen, der Stoffe ermöglichen. Das Buch also selber entgrenzen, es »spielbar« und also unabschließbar, offen, bewegt machen.

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In der Person René Fülop-Miller findet Hans Ulrich Reck einen frühen Beobachter einer produktiven Verschränkung politischökonomischen Expansionstreibens der Kinoindustrie mit dem Wunsch des Individuums, »seinen schäbigen Alltag durch ein Schattenspiel erfreulicher zu gestalten«. Wobei Fülop-Miller auch auf der Seite der Industrie sich nur für den »Menschen« interessiert, Menschen, »die als Produzenten für die ganze Welt rechnen, spekulieren, verdienen«. Das Kino erscheint dieserart als Membran zweierlei nur scheinbar konträrer Begehrensfiguren, die an Ausdehnung, Entgrenzung, Zuwachs ihrer jeweiligen Systeme in direkter Abhängigkeit vom jeweils anderen arbeiten. Die »Expansion sozialer Sinnlichkeit« wird von einer Apparatur provoziert, deren »libidinöse« Besetzung zugleich auch dem Gewinnstreben der Akteure als Wachstum »ihres« Kapitals zukommt. In einem zweiten Schritt verrechnet Reck die Wunschökonomie des Kinos mit der in der Gegenwart selbstauferlegten

Eine Einführung

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»Einpassung in den apparativen Verband des Techno-Imaginären«, jedoch ohne Aussicht auf eine »Errettung« der eigenen Wirklichkeit im Gefüge der Dispositive. Das Produktiv-Phantasmatische früherer Imaginationsmaschinen weicht einer in Vereinzelung eingeschlossenen Indifferenz und Intoleranz der Konsumenten. Ausgehend von einer phänomenologischen Beschreibung eigener leiblicher Eindrücke und konkreter Erfahrungen mit Jane Campions Film Das Piano (1993) stellt Vivian Sobchack repräsentationstheoretischen, sich stets in kritischer Distanz zum je besonderen Film fixierten Positionen der Filmwissenschaft eine »materialistische« Theorie verkörpernder Filme gegenüber. In diesem Rahmen beschreibt sie, wie inkarnierte, anfangs nicht streng differenzierte, sondern vielmehr synästhetisch und koenästhetisch, d.h. offen gegenüber mannigfaltigen Eindrücken aus der Welt operierende Sinne Sinn – auch als bewusste und sprachlich fassbare Bedeutung – erzeugen. Einerseits in reversibler Figur-Grund-Beziehung chiastisch im Fleisch des Filmbetrachters verankert, sind die leiblichen Sinne und deren bedeutende Sensationen andererseits aber auch buchstäblich mit dem Leib der Sprache verwoben. Sobchack kann daher argumentieren, dass diese nicht ausschließlich als figurativ und übertragen gelten müssen, sondern tatsächlich gefühlt werden können. So stellt es sich in ihrem Essay denn auch als legitim heraus, von haptischen, olfaktorischen und vielen anderen sinnlichen Erfahrungen im Kino nicht nur metaphorisch oder »irgendwie im Sinne des ›Als-ob‹ « zu sprechen, sondern diese als einem Betrachter de facto gegebene, berührende Wahrnehmungen anzuerkennen. Karin Harrasser variiert das Prothetische mit dem Proteischen, die Techniken der »Extension of Man« mit Techniken der Verwandlung, entlang einer kuriosen Berührung, die Adorno und Chaplin in Malibu zusammenführte. Während Adorno einer »Logik des Ersatzes« – auch als Kritik an Entfremdung – zuspricht, verkörpert Chaplin das »lebendige Prinzip der Mimikry, ein Prinzip der Fülle« und der »Rettung«. In der Koppelung mit dem Film Terminator Genisys, dessen Serie ja als »Langzeitbeobachtung der technischen Welt« gelten darf, wird indes sichtbar, dass in der Anwendung neuer Medientechniken die alte Prothese abgelöst wird von mimetisch-proteischen Werkzeugen, die nahezu ein

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Anverwandeln jeder Form ermöglichen. Zum anderen wird über rekursive Simulationen von Bewegung die »ontologische Differenz zwischen Maschine und Organischem ausgehebelt«, sie sind an »der Ausschaltung und Überbietung nicht bloß einiger Organe, sondern des Organischen überhaupt« (Gehlen) interessiert. Doch Harrasser will dem kybernetischen Schlachtross das Taktile, den Tastsinn als »Gemeinsinn«, nicht opfern. Es gelte, die Gegenwart als haptotechnisches Szenario unterschiedlichster Berührungsweisen – gewaltvoll, sublim, immersiv, punktuell... – von Medien und ihren Benutzern als Aufgabe einer zukünftigen Medientheorie einzusehen. Im Beitrag Corporate Cannibal untersucht Steven Shaviro den gleichnamigen, politischen Videoclip der Musikerin Grace Jones. Das durchweg digital produzierte Video weist, so Shaviro, nur noch wenige Überschneidungen mit klassisch filmischen Arbeiten und einer damit korrelierenden fordistischen Bildproduktion auf, zu welcher er auch das »Fließband Hollywoods« zählt. In Differenz zu derartigen Herstellungsformen stehe Corporate Cannibal auch nicht mehr nur in Beziehung zu einer Foucaultschen Disziplinargesellschaft, Jones’ Musikvideo sei vielmehr teilnehmender und produktiver Akteur einer jüngeren Gesellschaftsform, die sich durch engmaschige, innerhalb des entgrenzten Kapitalismus modulierte Kontrollen auszeichne. In diesem Musikvideo werden soziale Prozesse nicht mehr bloß repräsentiert, stattdessen ist die neuere, post-kinematographische Kunstform, zu welcher er Corporate Cannibal zählt, an einer permanenten Wiederhervorbringung der Gesellschaft beteiligt. Ein indexikalisches Verhältnis zur Realität, wie es beim klassischen Film noch der Fall war, steht folglich bei diesem Musikvideo nicht mehr im Vordergrund. Vielmehr generiert es, wie Shaviro in Übereinstimmung mit Brian Massumi und Gilles Deleuze argumentiert, Affekte, die immer vorsubjektiv, noch nicht signifizierend sind, aber spezifische Subjekte, Bedeutungen oder Bewusstseinsformen hervorbringen. Patricia Pisters führt, Gilles Deleuze’ Taxonomie der Zeichen und Bild des Kinos ergänzend, eine weitere Kategorie bewegter Bilder ins Feld: Das »Neuro-Bild«, welches ein spezifisches Verhältnis zwischen den im Film präsentierten Handlungen,

Eine Einführung

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Akteuren, Narrativen oder Situationen und den synaptischen Gehirnaktivitäten der Zuschauer postuliert. Pisters diagnostiziert diesen Bildtyp in vielfältigen zeitgenössischen Produktionen und nennt als ein paradigmatisches Beispiel die Serie Dexter. In einem Close Reading geht sie insbesondere der Empathie auf den Grund, die durch Filmbetrachter für Darsteller empfunden werden kann. Die zeitgenössischen Neurowissenschaften liefern Pisters für dieses Phänomen zwei als untereinander konkurrierend beschriebene Erklärungsmodelle. Es handelt sich dabei zum einen um die kognitiv-sprachliche Theory of Mind (Mentalisierung), zum anderen um eine ungleich schneller operierende, affektive und vorsprachliche verkörperte Simulation (Spiegelung). Obgleich beide Erklärungsmodelle für Empathie­ empfindungen von bildgebenden, empirischen Studien der modernen Neurologie bestätigt wurden, konnten diese auch nachweisen, dass je unterschiedliche filmästhetische Reize für die Aktivierung der Modelle verantwortlich zeichnen. Das limbische System übernimmt dabei eine Art moderierende Rolle zwischen beiden Nervenkreisläufen und kann diese plastisch variieren. Anstatt nun beide im Hauptprotagonisten der Serie zu beobachtende Modelle gegeneinander auszuspielen, formuliert Pisters in ihrem Artikel das Desiderat einer holistischeren Film­wissenschaft. Diese müsse den Brückenschlag zwischen phänomenologisch informierten Theorien, die von einem »vergeistigten« Leib ausgehen, und kognitiven Ansätzen und Theorien der Repräsentation, welche sich eher auf einen verkörperten Geist einigen können, wagen. Claire Châtelet fragt nach Modi von Interfaces, die ihre – taktile – Interaktivität überschreiten und sich mit einem »ampli­ fizierten Betrachter« austauschen, sich ihm zur Verkörperung anbieten. Wobei »Verkörperung« hier nicht »Vertretung« oder »Repräsentation« meint, sondern die intime Anverwandlung des jeweils – virtuell – anderen, seiner Aktionen und Affektionen, und die Herstellung eines »einzigen Körpers« ein möglicher Endpunkt ist. Dabei werden auch neue Begrifflichkeiten ausprobiert, die den Bildtypus kennzeichnen sollen, der sich mit den numerischen Schnittstellen einstellt. »Relationales Bild«, »kinästhetisches Bild« oder auch »enaktives Kino« möchten

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zugleich auf jene singuläre Tätigkeit verweisen, die dem Betrachter, der zugleich »Operator« ist, zukommt, denn die Sinnesarbeit konzentriert sich hier auf die »Spielbarkeit« (jouabilité) von Assemblagen, sie will den Körper einem anderen Ort überspielen. Dies wird an drei experimentellen filmischen Projekten vorgeführt, die auf je unterschiedliche Weise den »Körper an der Arbeit« in »offenen Kunstwerken« spielend vorführen. Kathrin Peters befragt ein Bildobjekt, das sich direkt aus den neuen Bedingungen der Gebrauchsweisen von Video ableiten lässt. Mit einer digitalen Kamera, vermutlich der eines Mobiltelefons, aufgenommen, wird eine Straßenszene einer Demonstration in Kairo im Dezember 2011 über diverse Formen der Aneignung, Manipulation, Dissemination, Medien­mutation und rekursiven Veröffentlichung zu einem deutungsoffenen Sinnbild für eine politische Krise. Das Objekt-Werden des Videos The Woman in the Bue Bra wird in seinen unterschiedlichen Phasen rekonstruiert, ebenso seine nachmaligen Rekontextualisierungen. Die leitende Frage nach visueller Zeugenschaft wird umgeleitet von dem »Was zeigt dieses Video« zu einer neuen politisch-ästhetischen Ars Quaerendi: »Wem zeigt es was?«. Dabei ist schnell evident, dass viele Regeln und Begrifflichkeiten der vor-digitalen, vor-netzbasierten Bildanalyse überdacht, relativiert, verworfen werden müssen. Mit Judith Butler argumentiert Peters für ein Verständnis von »Expansion«, das die »Ausdifferenzierung von Relationen« mitdenkt, also jene netzwerkartigen Allianzen in die Analyse einbezieht, die sich aus den komplexen Verhältnissen der Bilder zu den Körpern und Orten, zu ihren Gebrauchsweisen, ihrer Verteilung und ihrer Rezeption zusammenfügen. Der Beitrag von Pablo Abend führt im Titel an, warum eine Analyse gegenwärtiger kartographischer Techniken not­ wendiger Bestandteil eines Nachdenkens über den Status Quo des Bewegtbildes ist: Die »Karte als Aktionsraum« verweist auf eine bemerkenswerte Entgrenzung des alten allozentrischen Karten­ modells, das ein externes Bezugssystem etabliert, in welchem sich die Repräsentation von Geographie als distanziert-stabiles und also immobiles Bild artikuliert. Die mit dem digitalen Umbruch eingeführten kartographischen Medien (GPS, Augmen-

Eine Einführung

ted Reality-Apps, Geobrowser) folgen einem egozentrischen Bild-Raum-Modell, das sich beweglich, veränderbar, reaktiv in Relation zum Betrachter verhält. Digitale Karten rekonstruieren den Realraum in 3D-Umgebungen, die sich immersiv verhalten und dem Nutzer eine Eigentätigkeit, eine Selbstbewegung in der Karte suggerieren. Zoomen, Scrollen, virtuelle Kamera­ bewegungen, Geobrowsen... vermitteln Formen eines real-imaginären Handelns, das metaphorisch als Navigation, Exploration, Flanieren umschrieben wird. Karten werden nun nicht mehr »gelesen«, sondern ein spielerisch-relationaler Umgang lässt das »Geoweb« als subjektzentriertes Netzwerk erfahren: Ich bin die Mitte der kartographisch-medialen Welt, die um mich herum expandiert; ein »flexibler Egozentrismus« ermöglicht eine leibliche Präsenzerfahrung im Datenraum. Der jedoch zugleich die exakte Leib-Lokalisierung voraussetzt und auf diese Weise uns in der Karte gefangenhält bzw. endlos viele Kontrollszenarien ermöglicht. In zwei, neun, achtzehn oder überhaupt multiplen Sprachen verfasst, gravitieren die theoretischen Aufsätze in einer bewegten und zu bewegenden, durch Grace Jones verkörperten, gemeinsam mit Nick Hooker produzierten und von Marina Kampka in das Buchformat übersetzten Bildstrecke: Corporate Cannibal. Durch Kampkas Transformationen gelingt eine Aufführung von Jones’ Musikvideo – des Mediums stetiger Modulationen innerhalb eines Bilderstroms – selbst in einem Buch. Solange der Fluss – hier des Blätterns durch um die Seitenränder geschlagene Bilder – nicht versiegt, kann das Bewegbild auch im Buch, in kapitalistischer Logik operierend, den Kapitalismus zugleich subvertieren (Shaviro). Es ist deshalb keinesfalls übertrieben zu behaupten, das Buch habe kein Ende, sondern ein mit den theoretischen Texten gleichberechtigtes, höchst populäres Kunstwerk zum Zentrum, von welchem eine ikonische Radialkraft aus wirkt.

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Wir möchten uns bei allen Autorinnen und Autoren für die Mitarbeit an der Analyse der »lichten Wahrnehmungs­blöcke« (Nabobov) bedanken, von denen die neue Sinnlichkeit und die Sinnesarbeit in der Gegenwart berichten. Gedankt sei ebenso

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den Übersetzern, Gernot Kamecke, Philipp Kleinmichel, Christian Kolb, Chris Michalski, Alexander Schneider, Alan Shapiro. Marina Kampka hat mit sublimer Gestaltungskraft, großer Ausdauer und viel Feingefühl die Texte in ihre graphische Existenz überführt. Und Christine Taxer hat mit umsichtiger Eloquenz die Texte lektoriert. Zum Gelingen dieses Bandes wesentlich beige­tragen hat, durch sein unbeirrbar präzises und beharrl­iches Mitwirken an den Übersetzungen der wieder­veröffentlichten Texten, der inhaltlichen und redaktionellen Arbeit, Mathias Windelberg.

Bernd Kracke Bernd Kracke lehrt als Professor für Elektronische Medien seit 1999 an der Hochschule für Gestaltung (HfG) Offenbach und ist seit 2006 deren Präsident. Von 2001 bis 2006 leitete er den Fachbereich Visuelle Kommunikation. Er gründete 2000 das CrossMediaLab als Forschungs- und Experimentalplattform zur Vernetzung analoger und digitaler Technologien sowie deren innovativen Einsatz im Kontext von Kunst und Gestaltung. Dabei stützte er sich auf Erfahrungen aus seinen Tätigkeiten am M.I.T. Cambridge/USA (1979–1985) und der Kunsthochschule für Medien Köln (1990–1999) sowie aus seiner Praxis als selbständiger Mediengestalter und Medienkünstler. Seit 2008 ist er Präsidiumssprecher der Hessischen Film- und Medien­­akademie (hFMA), dem Netzwerk der 13 hessischen Hoch­­schulen. 2012 übernahm Bernd Kracke die Gesamtleitung der von ihm mitinitiierten B3 Biennale des bewegten Bildes Frankfurt Rhein/Main.

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Marc Ries Promotion 1995 am Institut für Philosophie der Universität Wien. Ausgehend von kulturtheoretischen und ästhetischen Fragekomplexen entstehen Studien zu Massenmedien, Gesellschaft und Kunst. Vertretungsprofessuren an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und an der Hochschule für Graphik und Buchkunst Leipzig. Seit 2010 Professor für Soziologie und Theorie der Medien an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach. 2009 Konzept und Co-Kurator der Ausstellung talk.talk Das Interview als ästhetische Praxis, Leipzig/Graz/Salzburg. Ausgewählte Publikationen: Medienkulturen (2002). Herausgeber­ schaften: DATING.21 Liebesorganisationen und Verabredungskulturen (2007). Expanded Narration. Das neue Erzählen (2013, gemeinsam mit Bernd Kracke).

Sinnlichkeit und Sinnesarbeit 1

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1 Siehe das erste Zitat in diesem Band aus Vladimir Nabokov: Erinnerung, sprich. Wiedersehen mit einer Autobiographie. Reinbek 1999.

Das schockartige, »ungeheuer belebende« Hervortreten eines neuen Sinns, des Zeitsinns, feiert Vladimir Nabokov in seiner Erinnerungsstudie als »die Geburt eines fühlenden Lebens«.1 Die ausgereifte sinnliche Existenzweise ist selber erst das Resultat einer zunehmend ausgreifenden Beziehung des Einzelnen zu seiner Umwelt. Das Erwachen der Zeitempfindung, als vielleicht letzter Vorgang im »fühlenden« Werden eines Menschen, ging bereits aus einem reflexiven Akt hervor, aus dem Vergleich des eigenen Alters mit dem der Mutter und dem des Vaters. Und also gewannen alle drei in dieser »zweiten Taufe« allererst ihre eigentliche Identität für das Kind – das »innere Wissen, daß ich ich war und meine Eltern meine Eltern«. Nabokovs Beschreibung jener »lichte[n] Wahrnehmungsblöcke«, aus der die Zeiterfahrung heraustritt, lässt das »diminutive Selbst«, dem die Zeit sich rauschhaft zu erkennen gibt, nicht einfach der neuen Instanz gegenübertreten, so als ob man nun der Zeit habhaft werden könnte. Sie beschwört die Medialität des Zeitsinns als »Umgebung«, die zu der des Raumes hinzutritt und nur den Menschen zukommt. Ein »strahlendes und bewegliches Medium«, von dem ich Teil bin, das mich trägt und leitet. Die Zeit umgibt uns, zunächst als jenes Fluidum, das in direkter Beziehung zu unserem Körper, zur Natur steht. Das uns in der Folge aus uns heraustreten lässt in eine temporale Beziehung zu allen anderen. Also ist die »Offenbarung« des Zeitsinns zugleich eine Initiation in Gesellschaft, ist er Medium der Gesellschaft. Die Zeit »teilen« ist Bindungskraft für Gemeinschaft. Doch die Verhältnisse kippen. Unsere gegenwärtige Gesellschaftsform lässt die Zeit für sich arbeiten, diminuiert sie zu einer Vollzugszeit von Produktivität, Leistung und »Selbst­ ausarbeitung« (Talbot Brewer). Der ursprünglichen Entdeckung ihrer konstituierenden Rolle für menschliche Sinnesexistenz folgt nun ihre Instrumentalisierung als Teil umfassender Sinnesarbeit. »Bewegtbilder« oder »zeitbasierte Medien« sind zwei Begriffsformeln, die die Verkörperung der Zeit in Bild­ techniken manifestieren, den Betrachter oder Benutzer auffordern, sie in ihrer nunmehr anderen Medialität – nicht einer Umgebungs-

Man ist viel unterwegs. Und alleine. Man hat ein Ziel. Oder auch nicht. Man tut immer das Gleiche, man bewegt sich zu den gleichen Orten jeden Tag. Man ist nicht zu Hause. Man ist auch nicht auf der Arbeit. Also irgendwo dazwischen. Man hat Leerzeit. Maschinen ziehen uns voran. Die sinnlich erfahrbare Umwelt ist auch in Bewegung, oftmals kann man keinen Bezug zu ihr herstellen, allzu oft bewegt man sich in Tunnels, oder zu schnell, oder aber sie offenbart ihre Monotonie. Zugleich sind wir nicht allein in diesen Bewegungen, vielfach von anderen, unbekannten Menschen umgeben. Die wiederum, wie wir selber, die große Nähe als soziale Enge empfinden und sie abzuwehren versuchen. Es bedarf einer Gegenbewegung, einer Wendung hin zum Inneren. Wir beziehen uns auf eine nur uns zugängliche Innenwelt. Wir träumen in uns hinein. Oder aber wir lesen und entnehmen diesem Akt eine notwendige Gegenkraft, eine Kraft, ein Innen auszufüllen. Wir verknappen unsere sinnliche Aufmerksamkeit nach außen, erweitern sie in Innenräume. Oder aber wir erweitern unseren Hörraum, indem wir Musik hören, über Kopfhörer, befinden uns also mit der Musik alleine, in unserem Kopf. Oder aber wir nehmen zusätzlich Kontakt auf über das Mobiltelefon. Wir wählen also ein Gespräch mit einem uns nahen fernen Menschen. Verschwinden über die Zeit des Telefonierens aus der Außenwelt und reden mit einem abwesend-anwesenden anderen. Schaffen eine uneindeutige Präsenz. Wir erweitern also unseren Sozialraum, nicht auf die real Anwesenden bezogen, sondern auf eine medial herbeigerufene Wirklichkeit anderer,

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2 Dieter Hoffmann-Axthelm: Sinnesarbeit. Nachdenken über Wahrnehmung. Frankfurt am Main 1984, S. 19.

medialität, sondern als formalisierte Medialitäten der Distanz – wahrzunehmen und mit ihr wertschöpfend zu arbeiten. Und sei es, dass die erste Zeitform, die Lebenszeit, in dieser ihrer Umwandlung verblasst, ja alle Dinge der Lebenswelt im instrumentellen Zeithorizont selber uns entrücken. »Daß die Gegenstände blaß bleiben, unplastisch, nur in ihren Merkmalen der Befriedigung vorhanden, das sagt nichts anderes, als daß sie unkörperlich bleiben: daß es mir nicht oder nur zu spät oder nur in gebrochener Form gelingt, meine Wünsche in ihnen verkörpert zu finden und damit mich selbst wahrnehmend in ihnen zu verkörpern.«2

die anderswo sind. Es ist das nahe Hörbild einer räumlich ent­ fernten Person als künstlicher Sinneseindruck, als »Idee« oder »Sensation« (Locke), als Sinnesdatum, das sich mir offenbart. Die Medien erweitern die Seh- und Hörweite bzw. ermöglichen eine artifizielle Nähe, eine »Medialität der Nähe«. Die Gleich­ zeitigkeit im Hörraum oder die Gleichräumlichkeit von Stimmen, die sich im Realraum weit voneinander entfernt befinden, ist ein medial-erweiterter Sozialgenuss. Der mich aus Situationen erlöst, die auf unterschiedliche Weisen bedrängend sind. Steigern lässt sich der Genuss noch über das unerwartete Angerufenwerden. Plötzlich ist da jemand, der mir begegnen will. Jemand anderer, zumeist vertrauter, bewirkt über die Technik des mobilen Telefonierens eine Erweiterung meiner sozialdiminutiven Existenz – erhöht mein im Massenraum äußerst verknapptes Dasein. Und doch erwarten wohl die meisten nicht eine solche Anrufung. Sie nutzen das Gerät zum Spielen einfacher Strategien der Geschicklichkeit. Sie bewegen ihre Finger gemäß den Erwartungen des Interface, arbeiten in das Spielgefüge hinein, ein Einmerken und Einleben in die Maschine. Die Technik ist das Mittel zur Schaffung einer Gegenwelt. Zur Vermeidung einer Leere. Zum Herbeizaubern eines Genusses. Die Zeit, mit der wir in dieser Weise uns zwischen algorithmischen Entspannungs­ übungen halbbewusst verlieren, lädt zu keinen Vergleichen mehr ein, sie ist Gebrauchszeit für ein Leben in Ambivalenz geworden.

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Marc Ries

René Fülöp-Miller

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DIE HAUPTLINIE – Seit langem sind psychologische Analytiker aller Schulen eifrig bemüht, die religiösen, sozialen und sexuellen Komponenten der mensch­lichen Seele zu durchforschen; hierbei wird zumeist außer acht gelassen, daß den Menschen nicht bloß Gläubigkeit, Liebeslust oder Klassenkampf erschüttern, sondern nicht minder auch die Erwerbsgier. Die Überzeugung, daß eine vorur­teilslose Betrachtung des Geschäftes wesentliche Einblicke in das Getriebe der Menschen­ natur eröffne, hat den Verfasser dazu veranlaßt, sich mit der Film­industrie, als symptomatischer Erscheinungsform des modernen Geld­machens, aufmerksamer zu befassen. Aber auch die Persönlichkeiten, die uns in diesem Milieu begegnen, sind überaus typisch für unsere Zeit, und so mußte es den Autor verlocken, ihrem Werdegang und ihrer Rolle innerhalb größerer Kulturzusammenhänge nachzuforschen. Denn unsere Epoche kann sich ja ihres gewandelten ­Verständnisses für die Heroengestalt rühmen: Wir haben gelernt, daß Menschen mit unbedeutenden, banalen Zügen aus dem Dunkel aufsteigen und dennoch in irgend­einer Weise zu Helden werden. Wir haben den Blick für die Phantastik der Laufbahn und Leistung solcher Profitmacher gewonnen, wie sie schon vor einem Jahrhundert von dem genialen Seher Balzac ins Unvergängliche gehoben worden sind. Die Magnaten des Film­geschäftes hätten es somit gar nicht nötig gehabt, sich in voreiliger Ungeduld mittels bezahlter Biographien auf ihr Teilchen Unsterblichkeit vormerken zu lassen; ihr Andenken wäre auch ohne die Fabrikate ihrer Soldschreiber der Nachwelt überliefert worden. Mit Vorsatz werden die Leitideen dieses Buches gerade an dem amerikanischen Filmgeschäft demonstriert, denn obgleich sich die Produktion anderer Erdteile in mancher Hinsicht von dem Einfluß Amerikas emanzipiert hat, ist der Gott, dem alle diese Produzenten, Regisseure und Darsteller dienen, doch stets der gleiche – der Publikumserfolg. Hiervon macht selbst der künstlerisch oft hervorragende russische Film keine Ausnahme, nur daß dieser neben dem Gewinn aus den Kassen­rapporten obendrein noch einen Extraprofit an bolsche­ wistischer Propagandawirkung verbuchen kann. Wenn also

René Fülöp-Miller

diese Arbeit vorwiegend von Amerika handeln wird, wo die kommerziellen Methoden der Produzenten und die Instinkte der Kino­ besucher weder durch europäische Kunst­tradition, noch durch bolsche­wistische Klassen-Ethik verfälscht sind, so bedeutet dies keine Beschränkung in der seelischen Geographie. Denn in diesem Falle können die Amerikaner geradezu als diejenigen Akteure angesehen werden, die auf der Bühne unseres Daseins allgemeingültige Gestalten verkörpern, die als Produzenten für die ganze Welt rechnen, spekulieren und verdienen, die als Publikum für die ganze Welt begehren, hoffen und lachen. Aus dem Gesagten ergibt sich, was der Zweck dieses Buches nicht ist: Es will weder der filmhistorischen, noch der film­ ästhetischen oder gar der technischen Fachliteratur ins Gehege kommen. Denn der Verfasser interessiert sich bei seinen Studien allein für den Menschen, sei es, daß dieser in der Kirche um sein Seelenheil ringt, in Parteilokalen das Tausendjährige Reich des Kommunismus herbeiführen will, auf indischen Gefilden die Politik zur Gewaltlosigkeit zu bekehren sucht, sei es aber auch bloß, daß er bemüht ist, mit den Wunschträumen der Menge Geschäfte zu machen oder sich seinen schäbigen Alltag durch ein Schattenspiel erfreulicher zu gestalten.

René Fülöp-Miller: Die Phantasiemaschine. Eine Saga der Gewinnsucht. Berlin, Wien & Leipzig 1931, S. 7–9.

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Zitatauswahl: Hans Ulrich Reck

Hans Ulrich Reck PHANTASIEMASCHINEN Ein Exkurs zur technoimaginären Organisation mediatisierter Sinnlichkeit mit Hinweisen auf den vergessenen Autor René Fülöp-Miller

Hans Ulrich Reck

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1. Ein inzwischen archäologisch gewordenes Zeugnis der massenmedial organisierten Moderne Mit dem hier dargebotenen Auszug beginnt eine Analyse des damals berühmten, heute nahezu vergessenen Autors René Fülöp-Miller, die sich in essayistischer Weise an einer politischen Ökonomie der Filmindustrie versucht und diese zugleich als eine Differenzierung medial verschalteter Sehnsüchte in der modernen Gesellschaft entziffert. Es handelt sich um ein inzwischen wohl erratisch wirkendes, gewiss aber singuläres Buch. Das wird schon am Titel Die Phantasiemaschine deutlich: Das US-amerikanisch entfesselte Gewinnstreben liefert die Matrix für eine Theorie der libidinös besetzten Kinematographie als einer massenmedialen Modellierung sozial verfasster Sinnlichkeit, wie sie sich einige Jahrzehnte später – im Diskurs nach MacLuhan – als eine Weise der »Industrialisierung des Bewusstseins« durchsetzen wird. Bevor Weiteres zum einschlägigen Buch von René Fülöp-Miller referiert wird, sind wenige Angaben zum Autor anzubringen. René Fülöp-Miller wurde 1891 in Karansebesch, einer österreichisch-ungarischen Kleinstadt, geboren, die heute zu Rumänien gehört. Sein Geburtsname war Philipp René Maria Müller. Er studierte Chemie und Pharmazie an der Universität Wien, versuchte sich als Literat, lernte Stefan Zweig kennen, setzte seine Studien in Berlin, Paris und Lausanne fort. Nach dem Abschluss in Lausanne unternahm Fülöp-Miller Studienreisen durch Asien und Amerika, berichtete als Journalist aber auch aus der Sowjetunion, in welcher er u.a. die Aneignungen der Prinzipien der Handlungsökonomie und Zeitregie, wie sie im Kapitalismus Frederik W. Taylor entwickelte, für die revolutionierte Arbeit mit Blick auf Gastjeff und das gewerkschaftliche Institut für Arbeits­wissenschaft analysierte. Fülöp-Miller betätigte sich als Berichterstatter an den Friedenskonferenzen von Genf (1922) und Lugano (1924), 1930 reiste er nach Hollywood, von wo er die hier in Debatte stehende

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Studie über die Politische Ökonomie der Filmindustrie und Traum-Maschine entwickelte. 1939 emigrierte Fülöp-Miller, der während der ersten Jahre der Nazi-Herrschaft unter Pseudonymen veröffentlichte, über Norwegen in die USA. Nach 1950 lehrte er am Dartmouth College in Hanover (New Hampshire) Soziologie und russische Kulturgeschichte, 1954 wechselte er in derselben Funktion für einige Jahre an das Hunter College nach New York City, kehrte 1962 nach Hanover zurück, wo er 1963 starb. Seine letzte Veröffentlichung war der Roman The Silver Bacchanal. Fülöp-Miller wurde in den 1920er Jahren zu einem erfolgreichen Journalisten, der zahlreiche Sachbücher schrieb, von denen viele zu Beststellern wurden. Das ist wohl mit ein Grund, weshalb seine Analysen später vergessen wurden. Ihnen haftete der Geruch des kommerziellen Kalküls an. Besonders die euro­päische Kulturgeschichte wendet sich regelmäßig gegen diesen Typus des Autors. Autoren wie Fülöp-Miller, aber auch Egon Friedell, später Günther Anders, können ein Lied singen von den Verlusten oder Kostenseiten dieser kulturgeschichtlichen Privilegierung einer bequem marginalisierbaren Hermetik abseits der massen­medialen Ökonomie. Zu Fülöp-Millers weitherum beachteten Buchpublikationen gehörten damals zahlreiche, zum Teil groß­artige kulturhistorische Darstellungen, deren thema­ tisches Spektrum, auch dies rufschädigend für die akademische Adelung zum romantisierten »großen Philosophen«, ­unver­­gleich­­­lich breit war. Es finden sich leicht­­händig geschriebene, genau recherchierte und klug argumentierende Abhand­ lungen über Rasputin, Lenin und Ghandi, die Internationale der Jesuiten, Dostojewskis Spielsucht, als Fortsetzung der Phantasie­ maschine zwei Abhandlungen über das amerikanische Kino und Theater, Studien über große Weltbeweger wie Augustinus, Franziskus, Ignazius, Teresa sowie eine Botschaft des Trostes und der Zuversicht im Blick auf den heiligen Franziskus. Die hier nur fragmentarisch, aber doch beispielhaft gegebene Erinnerung an René Fülöp-Miller stattet diesem die Achtung ab, die seine Leistungen verdienen. Mit dieser angebrachten Hommage kehren wir zu der hier als exemplarisch – im Kontext der Expansivität der Sinnlichkeit und ihrer techno-imaginären, polit-ökonomischen und massenmedialen

Hans Ulrich Reck

2 Vgl. zur europäischen Evolution des Techno-Imaginären aus einer vortechnischen archaischen Kultur: Hermann Bausinger: Volkskultur in der technischen Welt. Stuttgart 1961.

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1 Vgl. Marie-Louise Lienhard: Das amerikanische Bilderalphabet. Über das Zeichenhafte der visuellen Kultur Amerikas. In: Kunstforum International 112 (1991): Outside USA I, S. 276–278

Modellierung – behandelten US-amerikanischen Traumfabrik zurück, die in den Jahren des Besuchs Hollywoods von Fülöp-Miller und der Abfassung seiner Abhandlungen über das US-amerikanische Kino und Theater gerade dabei war, sich als Tonfilm, also als eigentlicher, multimediale Sinnlichkeit und Sinne verschaltender Apparat zu etablieren. Fülöp-Miller erfasste das Potential der werdenden und rasant wachsenden Traum­fabrik diagnostisch genau. Für ihn ist – dies die Kernthese seiner Abhandlung – die politische Ökonomie der kapitalistischen Industrialisierung von Film und Kino die Kehrseite der untrennbar damit einhergehenden Modellierung gesamtgesellschaftlich relevanter, also im Grunde ihrerseits dadurch erst vergesellschafteter Sinnlichkeit. Das Kino ist also nichts anderes als eine Expansion der sozialen Sinnlichkeit mittels eines apparativ ermöglichten Artefaktes, das zugleich als Lingua Franca fungiert. Diese ist in einer »hieroglyphischen Kultur« wie beispielhaft der der USA geradezu zum Erfolg verurteilt. Bereits 1915 stellte Vachel Lindsay mit Blick auf die werdende Traumfabrik fest, Amerikas Zivilisation sei hieroglyphisch, schillere zwischen Bildlichem und Begrifflichem im Register des Visuellen selbst.1 Zum einen gibt es US-amerikanische Kultur – im Gegensatz zur europäischen – historisch von Anfang an nur als Industriekultur und damit Techno-Folklore2. Zum anderen erweist sich der kinematographisch expandierende technische Bilderkult immer auch als Einstimmung in soziale Sinne und systemische Mytho­logie – Aufstieg, Erfolg, Ruhm, Individualismus, Freiheit durch Eigentätigkeit, selbsterarbeitetes Glück etc. – als Möglichkeit einer Immigrationsgesellschaft, die zwar eine bürokratische Meta-Sprache hat, im sozialen Leben aber nach Communities und damit diversen Ideolekten sich gliedert. So wurde die Traumfabrik zur sozialen Sinnlichkeit eines Techno-Imaginären von Anfang an und ermöglichte der Film eine Lingua Franca, eine allgemein verbindende Sprache in einer technisierten Medien­kultur, deren Funktion und Leistungsfähigkeit in ganz anderem Kontext man mit dem Latein als die Ideolekte und Regionalsprachen übergreifende Meta-Sprache in der Gelehrten­republik Europas seit der ausgehenden Antike und bis ins hohe Mittelalter vergleichen kann.

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Fülöp-Miller ist nicht an einer kulturkritischen ›Zerlegung‹ der außerkinematographischen Wirklichkeit interessiert. Er beschreibt die wirklichen Akteure und die Netzwerke oder Dispositive der Durchsetzung, Produktion wie Rezeption von Film und Kino. Dazu gehören die Pioniere und Unternehmer ebenso wie die Medienstrategien hinter der Leinwand, aber auch die mythologisierten, stets mythenanfälligen Figuren, Akteure, Schauspieler auf der Leinwand. Hier erweist sich der sozial­ psychologische Mechanismus der modellierten Imagination, der kinematographischen Extension der Sinnlichkeit als ein Medium, das geradezu organisch den freien Unternehmer, den Imaginationsspekulanten auf den Plan ruft. Die Porträts der ins Filmgeschäft Eingestiegenen illustrieren den Boom oder, schlichter, Erfolg, den die Allianz der Vergnügungs- mit der Gewinnsucht illustriert, ermöglicht und befördert zugleich. Trotz und in aller Diversität und Heterogenität der Themen, Stoffe sowie ihrer diskursiven Formung bei Fülöp-Miller gibt es natürlich auch ein synthetisierendes, auf je aktualisierende, situativ wechselnde, aber doch konstante Einheitlichkeit im Denken von Fülöp-Miller wirkendes Motiv. Man kann es als Resistenzkern machtvoller, ebenso gewaltiger wie gewaltbereiter Phantasien und ihre machtstrategische Ausformung zu sozial­ wirksamen Phantasmen bezeichnen. Es gilt hier orientierend die Macht der Phantasie als historisch-kritische, archaische Urgewalt in einer kontrafaktischen Setzung. Also das, was Ernst Bloch als »Wärmestrom der Phantasie« im Zusammenwirken von Latenz und Tendenz innerhalb historischer Dynamiken bezeichnet hat. Zusammenfassend, pointiert und verkürzt: Fülöp-Miller ist ein aus meiner Sicht eigenständiger, unver­wechselbarer und wesentlicher Zeuge der medialen Modellierung der Sinnen­ tätigkeiten der Menschen, wie wir sie prägend für die technisch apparativ gestützte Imaginationsgesellschaften des zunehmend techno-imaginär geprägten 20. Jahrhunderts vorfinden.

Hans Ulrich Reck

4 Antonio Gramsci: Gefängnishefte. Bd. 6: Philosophie der Praxis, Hg. v. Wolfgang Fritz Haug. Berlin 1994. S. 1376.

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3 Vgl. Alexander Kluge; Oskar Negt: Öffentlichkeit und Erfahrung. Zur Organisationsanalyse von bürgerlicher und proletarischer Öffentlichkeit. Frankfurt am Main 1972. Alexander Kluge: Der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit. Frankfurt am Main 1985. Außerdem: Klaus von Bismarck; Günter Gaus; Alexander Kluge; Ferdinand Sieger: Industrialisierung des Bewußtseins. Eine kritische Auseinandersetzung mit den »neuen« Medien. München 1985. Hans Ulrich Reck (Hrsg.): Kanalarbeit. Medienstrategien im Kulturwandel. Basel / Frankfurt am Main 1988.

2. Historische Anthropologie und Sinnenkritik Die bis heute geduldig und hartnäckig, subtil und elaboriert von Oskar Negt, Alexander Kluge und Weiteren vorgetragenen Überlegungen zum Verbundsystem der medial modellierten historischen Sinne3 können nicht nur im Blick auf Fülöp-Miller neu situiert werden, sondern haben auch eine Vorprägung in der Kulturphilosophie Antonio Gramscis. Seine Auffassung von kultureller Hegemonie integriert die später von Louis Althusser so benannten »ideologischen Apparate« in eine sozial geprägte Mentalität, die das Alltagsleben als Inter-Medium politischer Ökonomie und organisierter Sinnlichkeit zugleich versteht. Dafür sei nur eine Stelle aus dem reichverzweigten reflexiven Werk des italienischen Kulturphilosophen und militanten »Operaisten« zitiert. Gramsci erörtert während der langjährigen Gefangenschaft in den 1930er Jahren, dass im »Alltagsverstand« die »eigene Persönlichkeit auf bizarre Weise zusammengesetzt ist: Es finden sich in ihr Elemente des Höhlenmenschen und Prinzipien der modernsten und fortgeschrittensten Wissenschaft, Vorurteile aller vergangenen, lokal bornierten geschichtlichen Phasen und Intuitionen einer zukünftigen Philosophie, wie sie einem weltweit vereinigten Menschengeschlecht zu eigen sein wird.«4 Natürlich dachte Gramsci hierbei an die kommunistische Selbst­befreiung eines sich egalitaristisch und differentiell zugleich assoziierenden Menschen-Kollektivs. Er hatte die historische Tatsache noch nicht im Blick, dass sich diese intuitive Philosophie als Internationale eines massenmedial organisierten Konsums und deshalb auch als eine mittels Apparaten des steuernden Medien­­verbundes techno-imaginär modellierte Sinnlich­keit realisieren würde. Hier war Fülöp-Miller klarsichtiger. Wenig verwunderlich: Gramsci saß im Kerker ein, Fülöp-Miller konnte reisen, beobachten, empirisch untersuchen, konnte sich den Stoffen und Realien in ganz anderer Weise aussetzen, nicht zuletzt durch Wirkenlassen einer affirmativen Emphase, die so deutlich im Gegensatz steht zu den techno-phobischen, bedingungslos kritischen Kulturphilosophien der zur Flucht gezwungenen europäischen akademischen wie außer­ akademischen Intelligenz. Die Perspektive historisch-kritischer

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Anthro­pologie spielt aber auch bei Fülöp-Millers Studien der avancierten Medienkultur der beginnenden 1930er Jahre eine markante Rolle. Im Kapitel Phalluskult und Urrhythmus des Buches Die Phantasie­maschine. Eine Saga der Gewinnsucht schreibt Fülöp-Miller: »Geistvolle Verteidiger des Films haben eine Theorie aufgestellt, die zwar durch die Erfindung und den Sieg des Tonfilms zum Teil überholt worden ist, die aber trotzdem noch immer der Beachtung würdig erscheint. Das Kino, meinen sie, habe unserer ganzen Kultur eine neue Wendung zum Visuellen gegeben, die nach den vielen Jahrhunderten einer rein begrifflichen Geistes­kultur höchst notwendig gewesen sei. Die Menschheit, die seit dem Sieg des Humanismus sich daran gewöhnt habe, immer nur in Worten zu denken, werde durch den Film dazu erzogen, wieder zu der Bilder – phantasie einer mythischen Vorzeit zurückzukehren und somit eine Fähigkeit in sich neu zu erwecken, die unter dem Wust von Gedachtem und Gedrucktem beinahe völlig verschüttet gewesen sei. [...] In Perioden starker subjektiver, intellektueller Kultur setze immer wieder eine Flucht der Massen in das Bild ein, und wenn der Intellektualismus des humanistischen Zeitalters eine ungeheure Bildsehnsucht und damit die Kunst der Renaissance hervorgerufen habe, so scheine es, als ob das Kino den Beginn einer neuen, ähnlichen optischen Kultur, einer neuen Renaissance darstelle. Auch enthülle der Film wiederum die beinahe schon vergessene Urbeziehung zwischen Gestalt und Charakter, indem er die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf das Mienenspiel der handelnden Personen konzentriere und sie auf die Über­ein­ stimmungen zwischen Sein und Schein hinweise. Die große mythische Kunst der Gebärde hat, nach der Überzeugung dieser Autoren, im Film ihre Neubelebung erfahren, und da das Kino die Fähigkeit habe, innere Vorgänge mit körperlichen Mitteln sichtbar zu machen, sei es zu einem einzig­artigen Ausdrucksmittel der Seele geworden. Die Gebärde, das Urbereich aller seelischen Mitteilung, sei der Menschheit verlorengegangen, und der Film, der sie ihr zurückgebe, führe daher zu der Urverständigung alles Naturhaften zurück. Die Mimik des Gesamtleibes, diese überreiche Sprache, die allen lebendigen Wesen auf der ganzen Welt verständlich sei, werde uns erst

Hans Ulrich Reck

3. Perspektiven und aktuelle Fragen Es ist hier nicht der Ort, es besteht nicht der Raum, die Analyse Fülöp-Millers in Bezug zur entfalteten Mediengesellschaft und der erweiterten technischen Expansion der Sinne und Sinnlich­keit zu setzen. Man müsste dazu viele, gemessen an den Möglich­keiten dieser fragmentarischen Betrachtung: allzu viele Zwischen­schritte

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5 René Fülöp-Miller: Die Phantasiemaschine. Eine Saga Der Gewinnsucht. Berlin, Wien & Leipzig 1931, S. 132–134 .

durch den Film von neuem erschlossen, und damit vollbringe das Kino eine Leistung, um die alle expressionistischen Künstler seit langem gerungen hätten. Auch das Symbol, dieses ›tiefgründigste Wissen und Erkennen‹, soll uns durch den Film neu geschenkt worden sein. Ohne daß der Zuschauer sich der immanenten Symbolik bewußt sei, die jedes gute Filmwerk durchziehe, empfinde er doch unbewußt die Gemütswirkung, die von diesen symbolischen Bilderreihen ausstrahle, denn jedes Bild eines Films besitze eine bestimmte affektive Tonalität, die instinktmäßig erfühlt werde. Dinge und Menschen dienten in jeder Filmhandlung der großen Aufgabe des stimmungs­ symbolischen Aufbaues. Sogar die Schöpfung einer neuen Mythologie wird dem Film zugeschrieben. Das allgemeine Interesse für das Kino und seine Stars ist nämlich nach der Ansicht der klugen Rebecca West nichts anderes als eine Art religiösen Kultes. Das Publikum habe seine Aufmerksamkeit so intensiv auf die Stars gerichtet, daß diese zu Göttergestalten geworden seien, das heißt, sie hätten sich in Typen verwandelt, die im Unter­bewußtsein der Menschheit von jeher beschlossen gewesen seien. Mary Pickford spiele in der Phantasie der Massen die Rolle der jungfräulichen Göttin, der verherrlichte ›Vamp‹ sei an die Stelle der Aphrodite getreten, und man könne sagen, daß der ›extravagante Valentino-Kult, die wilde Hysterie, die durch die dreitägige Aufbahrung eines toten Kinostars hervor­ gerufen wurde, einfach das Aufleben eines alten Phallus-Kults gewesen ist.‹«5 Diese einprägsame zweite längere Passage aus der Saga der Gewinnsucht möge die Neugierde auf die Lektüre der gesamten Abhandlung der Phantasiemaschine, wie überhaupt den Autor René Fülöp-Miller, reizen.

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erörtern. Auch soll nicht behauptet werden, man könne die Analyse, die die Phantasiemaschine trägt, für heutige Debatten linear umsetzen. Es soll mit Fülöp-Miller aber ein Fokus bezeichnet werden, in dessen Brennkraft aktuelle Motive gerade dann neu gebündelt werden können, wenn man den affirmativen Behauptungen einer Befreiung der Sinne durch technische Expansion ebenso entgehen will wie einer apokalyptischen Denunzierung jeder apparativ gestützten Techno-Imagination. Inzwischen sind wir – dies der hier tentativ und radikali­ siert fragende Ausblick – gehalten, die Kosten der Macht modellierter Sinnesarbeit in medial fortgeschrittenen Gesell­ schaften wahr­zunehmen und im Hinblick auf Techno-Imagination und erweiterte ästhetische Illusionen zu thematisieren. Wagen wir aus Gründen der Zeit- und Raumknappheit große Bögen und postulieren die These, dass die soziale Organisation von Sinnes­ arbeit und damit auch Sinnenkritik in den letzten zweihundert Jahren großen Verschiebungen unterliegt, geformt durch drastisch mobilisierte, schubweise wirkende Energien eines dispositionalen Zugriffs stetig erweiterter Apparate. Die humanoid verharmlosende Rede von der »Expansion der Sinne« läuft Gefahr, hierzu eine einfach durchschaubare Deckgeschichte zu liefern. Sie kontinuiert die vorkritische Macht der Illusionen und Selbstbeschwörungen, deren kompensatorischer Mechanismus in Folgendem bestehen könnte: Die konsumistische Technisierung der Bedürfnisse des Individuums verspricht sich als solipsistische Handlungserfüllung in dem Maße, wie es auf das nunmehr seriell geformte Individuum nicht mehr ankommt. Die industrielle, an der Maschine getestete, als emanzipationsträchtig betrachtete Modellierung der Sinnlichkeit des tätigen, lebendig arbeitenden Subjekts weicht seit geraumer Zeit einer freiwilligen Zustimmung zur Internalisierung von apparativ erschlossenen, techno-imaginativ ausgerichteten Selbstmodel­ lierungen. Diese betreiben Verinnerlichung technischer Dispositive. Verwandlung von Fremd- in Selbstzwänge galt Norbert Elias als Kennzeichen des Prozesses der Zivilisierung. Man kann also die permanente Überschreibung eines Selbst an technische Dispositive heute als Zivilisierungsschub bezeichnen, da offenkundig die Selbstzwänge steigen, auch und gerade

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wenn sie sich als freie Entwürfe drapieren oder beschreiben. Unter dem Regime der Sinnes-Expansion ergibt sich als Paradoxon: Selbst­verwirklichung durch Fremdbestimmung mit der Tendenz, Außensteuerung als freie Innen- oder Selbststeuerung zu behaupten. Die Wirklichkeit setzt sich als Wirkung dieses Phantasmas. Es ist erfolgreich. Es lebt von der permanenten Wiederholung des Ausschlusses der Differenzen, die es als ge­­löschte permanent in sich ›hineinnimmt‹, um sie zu verlebendigen und zu morti­ fizieren zugleich. Das ist weiter auszuführen. Die Entfaltung des Subjekts ist in heutigen Reichtums­ gesellschaften nicht mehr ein Faktor der als Arbeit disponierten individuellen Sinnlichkeit, sondern vollzieht sich kraft technischer Disponierung nach vermeintlich freiheitlichen, ästhetischen, techno-imaginären Vorgaben. Deren Steuerungs­impulse bleiben verborgen und werden gegenläufig besetzt: Individuelle Unter­ werfung unter die techno-imaginären Dispositive des apparativen Steuerungssystems erscheint als freier, intrinsisch bestimmter Selbstentwurf. Unterwerfung erscheint nicht nur als, sondern ist Selbstverwirklichung, Selbstverwirklichung ist ultimativer zeitgeschichtlicher Horizont einer bindenden Verpflichtung. Das Subjekt ist nicht mehr darauf angewiesen, Ressourcen der Resistenz auszubilden, sondern erweist sich als umfassend Fähiges in dieser neuen, dialektischen bis paradoxalen Figur der Unterwerfung. Die Teilhabe an sozialen, in Wahrheit immer auch de-sozialisierenden Netzwerken vollzieht sich nach dem Muster einer partialisierenden und fragmentierenden Partizipation. Die Telekommunikationsmaschinen (Smartphone, Iphone etc.) zu bedienen, also zu nutzen, bedeutet: immer anderswo sein zu müssen. Unmittelbarkeit des Agierens mündet in permanente Selbstbespiegelung, ohne dass vitale Erfahrungen gemacht werden müssten. Was sind die neuen Narrative einer techno-imaginär verschalteten Generation, die solches erlebt? Was ist das Erleben? Wie kann es artikuliert werden, wenn es doch der kritischen Differenz nicht bedarf, sondern die Artikulation mit Erleben und Nutzung zusammenfällt, aber nicht mehr reflexiv geformt ist, nicht mehr so geformt werden muss?

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Es stellt sich wahrscheinlich auch ein Gefühl eines ubiquitär möglichen, zugleich nicht unerzwungenen Tei­l­­nehmens an allem ein. Im kritisch ausgeweiteten Umraum eines offenen Nach­denkens würden sich Selbstrelativierung und Kontingenz einstellen. Darauf scheint es immer weniger anzukommen. Das technisch expandierte, Sinnlichkeit apparativ bindende Narrativ verspricht Angstvermeidung, Leidvermeidung, Unlust­vermeidung. Es stellt Schweigsamkeit her. Deshalb tendiert alles zum für evident gehaltenen Bild. Die Narrative der neuen sozialen Medien ermöglichen optimale Indifferenz bei gesteigerter Aufmerksam­keits­­­­abstinenz. So kommt es auf libidinöse Besetzung und phantasmatisch besetzte Imaginationsmaschinen immer weniger an. Sie bleiben rhetorische Figuren der Erfüllung unter historisch wirksam werdender Depotenzierung der damit ursprünglich verbundenen Energiepotentiale. Subjekt ist, was auf angepasste, sozial-äquivalente Modellierung eines vordem kontingenten Selbst abzielt. Die Einpassung in den apparativen Verband des Techno-Imaginären erscheint heute als ebenso freiwilliger wie letztgültiger Horizont der Bedingung der Möglichkeit von Handeln. Maschinisch modellierte, sensuell expandierte, technisch kontrollierte Sinnentätigkeit wird zum legitimatorischen, symbolischen Kapital des Eintretens in die Anerkennung als gesellschaftsfähiges Subjekt. Fragen bleiben oder drängen sich, erst recht, auf: Gibt es ein anderes Konzept, ist solches noch denkbar? Kann Kreativität als Befähigung zur Zerstörung, zur Anerkennung des Ephemeren, Transitorischen gedacht werden? Gibt es einen kritischen Standort, von dem aus solche Sinnentätigkeit als Radikalisierung von Kontingenz, Augenblick, Überschreibung an nicht-progredierende, nicht-akkumulative Systeme, also auch Überschreitung des Nutzens und der Effizienzen gedacht werden kann? Was ermöglicht eine Einsicht in den Überschuss der Verschwendungen durch lebendige Sinnentätigkeit? Folgt daraus noch eine Kritik im Hinblick auf soziale Sinnendefinition und sinnliche Selbsttätigkeit von Subjekten? Sprach Herbert Marcuse vor wenigen Jahrzehnten noch von einer repressiven Toleranz, wäre heutige, medien­­kritisch ansetzende Reflexion der Sinnes-Expansionen im Techno-Imaginären als Beobachtung

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einer libidinös-libertären Intoleranz zu beschreiben. Die Figuren bisheriger Sinnen- und Technikkritik wären in solchem zuge­spitzten und umgestülpten Sinne heute neu zu reflektieren, anzueignen, zu transformieren. Kritische Reflexion ist immer auch eine Frage des sozialen Ortes, von dem aus eine differenzierende Wahrnehmung und Reflexion möglich sind. Mancherlei Gedanken und Gespräche drehen sich um die Frage solchen Ortes und des Handlungs­ potentials, den Richtungen und Resultanten, den agierenden Dynamiken zu diesem Thema. Das Fragen geht weiter, die Antworten bleiben tentativ, suchend. Und auch, unvermeid­ licherweise, fragmentarisch. Aber sie sind je epochal weiter zu stellen und zu entwickeln.

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Hans Ulrich Reck Der Philosoph, Kunstwissenschaftler, Publizist und Kurator Hans Ulrich Reck ist seit 1995 Professor für Kunstgeschichte im medialen Kontext und seit April 2014 auch Rektor der Kunsthochschule für Medien in Köln, davor Professor und Vorsteher der Lehrkanzel für Kommunikationstheorie an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien (1992–1995, Dozenturen in Basel und Zürich (1982–1995). Hans Ulrich Reck veröffentlichte u. a.: Pier Paolo Pasolini - Poetisch Philosophisches Porträt (Doppel-CD Audio, 2012); Spiel Form Künste. Zu einer Kunstgeschichte des Improvisierens (2010); Pier Paolo Pasolini (2010); Traum. Enzyklopädie (2010); Index Kreativität (2007); Eigensinn der Bilder. Bildtheorie oder Kunstphilosophie? (2007); Das Bild zeigt das Bild selber als Abwesendes, (2007); Kunst als Medientheorie. Vom Zeichen zur Handlung (2003); Mythos Medienkunst (2002) und Junggesellenmaschinen (erw. Neuausgabe zusammen mit Harald Szeemann, 1999).

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1 Dieter Hoffmann-Axthelm: Sinnesarbeit. Nachdenken über Wahrnehmung. Frankfurt am Main 1984, S. 51.

Gehen wir davon aus, dass es primäre Sinnestätigkeiten gibt, die einer »passiven Empfänglichkeit z.B. der Augen für Licht, der Ohren für Schall« gegenüberstehen: »Horchen, Betasten, Kosten, Beriechen, Hinsehen sind reizaufsuchende« Tätigkeiten, sie »können sowohl zur Orientierung benutzt werden, wie auch um etwas aufzufinden oder zu erforschen [...], sie sind ›Aufmerker‹ für alles, was in den wechselnden Situationen konstant bleibt«.1 Man könnte auch sagen, sie schaffen Aufmerksamkeit, sie erar­beiten sich einen Vorteil im intentionalen Wahrnehmen von Umwelt, der jeweiligen Situationen, einen Vorteil im Orientieren, im Finden, im Erkennen. Die Sinne folgen einer planvollen, sich über sich selbst hinaus entwerfenden Tätigkeit. Insoferne ist ihre Arbeit eine lebenssteigernde Aktivität. Sicherlich hat die reizaufsuchende Tätigkeit der Sinne sich nie nur in unmittelbarer Effizienz begrenzt, die Überschreitung des Zweckhaften, Normalen ist ihrer Arbeit eigen, Hinhören, um etwas bisher Nicht-Gehörtes, Über-Hörtes aufzunehmen, oder Schmecken, um Ungewöhnliches, die Sinne Herausforderndes zu genießen. Damit schafft sie stets auch Mehrwert. Zusätzliche Werte im sinnlichen Gewahrwerden, die eher auf Erfüllung von Lust, denn von Konditionen hinarbeiten. Oder, einfacher, es tritt hier eine Rekursion ins Spiel. Zu fragen ist in allen Überschreitungen nach »der Sinnlichkeit des Sehens«, nach der Sinnlichkeit des Hörens und des Tastens. Danach also, inwieferne das Sehen, Hören und Tasten sich selbst und in ihren Überschreitungen als sinnlich wahrnehmen. Wenn von Sinnesarbeit im Zusammenhang mit Expansion oder Extension die Rede ist, dann scheint die hier angedachte »Arbeitsform« zunächst sich in ökonomischen Kategorien abzu­bilden. Wozu sollte etwas expandieren ohne Vorteil, ohne Gewinn? Etwas scheint nicht ausreichend in seinem Vermögen, es gilt, ein Ungenügen, einen Mangel zu beseitigen oder vor­ wegzunehmen. Hier wird ein Verwertungsgedanke wichtig, der die Sinnes­tätigkeiten drängt, mehr, anderes wahrzunehmen, und dies zu unterschiedlichen Zwecken. Zugleich ist eine Instanz in einem Außerhalb der Sinne mitgedacht. Die Sinnestätigkeiten

werden von außerhalb in eine Expansion gedrängt. Von der Unterhaltungsindustrie, der Informationsindustrie, dem Kapital.



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2 Siehe für diesen Absatz Ulrich Gaier: Goethes Traum von einem Faust-Film. In: Fausts Modernität. Essays. Stuttgart 2000, S. 92–136.

Goethes Faust-Film Eine imaginär-filmische Überschreitung der Sinne findet sich in der Einlösung einer Bilderfahrung vor, die Goethe in Faust 1 und vor allem in Faust 2 mit Bildtypen provozierte und die Ulrich Gaier bewog, von »Goethes Traum von einem Faust-Film« zu sprechen, der mit den Mitteln der Bühne so nicht umsetzbar war. 2 Tatsächlich hatte sich Goethe auf die Phantasmagorien der Laterna Magica bezogen, um die Vertauschung von Illusion und Realität darstellbar zu machen, jedoch lässt sich, so Gaier, die Progression der fantastischen Bilderproduktion in den späteren Faust-Akten nur mit neuesten Animationstechniken, Special Effects der Post-Production, einlösen. Interessant ist, dass Goethe selber sich von in seinem Besitz befindlichen Radierungen und Stichen inspirieren ließ – so ist etwa die Walpurgisnachtszene figurativ und dramaturgisch entlehnt dem Blatt Die Zauberei von Matthäus Merian d. Ä. (1626), die Höllenfahrt Fausts ist der Illustration einer Wanderung durch den umgekehrten Höllentrichter Dantes nachempfunden. Diese unbewegten Bilder der bildenden Kunst enthielten den imaginär-fiktionalen Code für die (post-)romantische Literatur, die nun ihrerseits jene spektakulären Bewegtbilder beschrieb, die erst mit der Digitalisierung des Kinos eine fulminante neue Bilderfahrung ermöglichen. Im 5. Akt von Faust 2 finden wir »eine Flucht von Bildern, die ineinander collagiert sind und die Handlung bis zum Schluß gewissermaßen aus eigener Macht zu Ende bringen«. Also, in die Gegenwart umgedeutet, aus algorithmischer Kraft entstehen fantastische, sich aus sich selbst generierende Bildwelten, die unsere Sinnesproduktion stets von Neuem erregen. Die von Goethe weit über die Bühnenwirklichkeit hinaus von den Lesern erwartete teil­nehmende Imagination findet sich heute materialisiert in den filmischen Digitalkörpern und ihren Aktionen und verbiegt die Sinne heutiger Kinozuschauer mit Faustschen Sinnlichkeitsexzessen.

Marc Ries



Antonin Artaud

Position des Fleisches Ich denke an das Leben. Kein System, das ich erstellen könnte, wird jemals die Schreie erreichen, die ich als ein Mensch ausstoße, der sein Leben zu erneuern sucht. Ich stelle mir ein System vor, an dem der ganze Mensch beteiligt wäre, der ganze Mensch mit dem Fleisch seines Körpers und seinen Höhenflügen, der intellektuellen Projektion seines Geistes. Aus meiner Sicht ist vor allem mit dem unverständlichen Magnetismus des Menschen zu rechnen, mit etwas, das ich in Ermangelung eines treffenderen Ausdrucks wohl die Lebenskraft des Menschen nennen muss. Die unausgesprochenen Kräfte, die mich belagern, wird mein Verstand eines Tages aufnehmen müssen. Sie werden sich an der Stelle des hohen Denkens einrichten müssen, diese Kräfte, die äußerlich die Form eines Schreis annehmen. Es gibt Schreie des Geistes, verstehende Schreie, die aus der Feinheit des innersten Marks entstammen. Dies nenne ich das Fleisch. Ich trenne mein Denken nicht von meinem Leben. Mit jeder Regung meiner Sprache gehe ich alle Wege meines Denkens in meinem Fleisch noch einmal neu.

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Man muss des Lebens, der nervösen Strahlung der Existenz, der bewussten Vollständigkeit des Nervs einmal beraubt worden sein, um sich darüber klar zu werden, inwieweit der Sinn – und die Wissenschaft – jedes Denkens in der nervlichen Vitalität des Marks verborgen liegt, und wie sehr jene sich täuschen, die ihr Augenmerk allein auf die Intelligenz oder die absolute

Intellektualität richten. Über allem steht die Vollständigkeit des Nervs. Eine Vollständigkeit, die das gesamte Bewusstsein umfasst, und die geheimen Wege des Geistes im Fleisch. Was aber bin ich inmitten dieser Theorie des Fleisches oder, um es besser zu sagen, der Existenz? Ich bin ein Mensch, der sein Leben verloren hat und mit allen Mitteln danach strebt, es wieder in Position zu bringen. In gewisser Weise bin ich der Erreger meiner eigenen Lebendigkeit: meiner Vitalität, die mir kostbarer als das Bewusstsein ist. Denn was bei den Menschen nur die Art ist, ein Mensch zu sein, ist bei mir der ganze Grund. Im Verlauf jener Suche, die mich in das Zwischenreich meines Bewusstseins führte, glaubte ich, Explosionen zu verspüren, wie durch Stöße okkulter Steine oder die plötzliche Versteinerung von Feuern. Feuern, die wie unmerkliche und durch Wunder belebte Wahrheiten wären. Aber man muss langsamen Schrittes über die Straße der toten Steine gehen, was zuerst für jene gilt, die die Kenntnis der Worte verloren haben. Die Kenntnis der Worte ist eine unbeschreibliche Wissenschaft, die in langsamen Schüben ausbricht. Und wer sie besitzt, kennt sie nicht. Aber auch die Engel kennen sie nicht, denn jede wahre Erkenntnis ist dunkel. Der helle, klare Geist gehört der Materie an. Ich meine den Geist, der zu einem bestimmten Zeitpunkt klar ist. Aber ich bin gezwungen, diesen Sinn des Fleisches, der mir eine Metaphysik des Seins und die endgültige Kenntnis des Lebens geben soll, genau zu untersuchen.

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Wer Fleisch sagt, sagt aus meiner Sicht zuerst Angst, gesträubtes Haar, nacktes Fleisch, mit der ganzen intellektuellen Tiefgründigkeit dieses Spektakels des reinen Fleisches und all seinen Konsequenzen für die Sinne, das heißt, für das Gefühl.

Antonin Artaud

Und wer Gefühl sagt, sagt Vorahnung, das heißt direkte Kenntnis und zurückgeleitete Kommunikation, die sich von innen erhellt. Es gibt einen Geist im Fleisch, aber dieser Geist ist so unmittelbar wie der Blitz. Und dennoch ist der Aufruhr des Fleisches an der hohen Substanz des Geistes beteiligt. Und trotzdem, wer Fleisch sagt, sagt auch Sensibilität. Sensibilität, das heißt Aneignung, intime, heimliche, tiefe, absolute Bemächtigung meines Schmerzes durch mich selbst, und folglich einsame und einzigartige Erkenntnis dieses Schmerzes.

Antonin Artaud: Position de la chair.

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Zitatauswahl: Mathias Windelberg Übertragen durch Gernot Kamecke

Vivian Sobchack

Was meine Finger wussten Das kinästhetische Subjekt oder die Wahrnehmung im Fleisch

Zuerst veröffentlich unter dem Titel: What My Fingers Knew. The Cinesthetic Subject, or Vision in the Flesh. In: Vivian Sobchack: Carnal Thoughts. Embodiment and Moving Image Culture. Berkeley 2004, S. 53–84.

Vivian Sobchack

[M]ein Leib ist nicht einfach ein Gegenstand unter all den anderen Gegenständen, […] er ist ein für alle anderen Gegenstände empfindlicher Gegenstand, der allen Tönen ihre Resonanz gibt, mit allen Farben mitschwingt und allen Worten durch die Art und Weise, in der er sie aufnimmt, ihre ursprüngliche Bedeutung verleiht. Maurice Merleau-Ponty: Phänomenologie der Wahrnehmung

Was ist die Signifikanz? Es ist der Sinn, insofern er sinnlich hervorgebracht wird Roland Barthes: Die Lust am Text

2 Bob Straus: The Piano Strikes Emotional Chords. In: Los Angeles Daily News (19.11.1993). 3 Stuart Klawans: Films. In: Nation (6.12.1993), S. 704. 4 Daniel Heman: It’s a Bumpy Ride, but This Film’s Built for Speed. In: Richmond Times-Dispatch (10.6.1994). 5 Henry Sheehan: Speed Thrills. In: Orange Country Register (10.6.1994.) 6 Joe Leydon: Breakneck Speed. In: Houston Post (10.6.1994).

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1 Godfrey Cheshire: Film. Auteurist Elan. In: Raleigh (North Carolina) Spectator Magazine (18.11.1993).

Fast jedes Mal, wenn ich eine Zeitung oder Illustrierte aufschlage und dort eine Filmrezension lese, fällt mir der Unterschied auf, der zwischen unserem tatsächlichen Erleben im Kino und den Theorien besteht, die wir akademischen Filmwissenschaftler entwickeln, um diese zu erklären – vielleicht zutreffender: um diese mit Erklärungen zu überdecken. Nehmen wir beispielsweise einige Rezensionen von Jane Campions Film Das Piano (1993): »Am eindrucksvollsten ist die taktile Kraft der Bilder. Fast ist das Salz in der Luft zu schmecken, das wilde Peitschen des Windes zu spüren.«1 Der Film sei »ein nicht enden wollendes sinnliches Erleben von Musik und Materialien, von Schlamm und Fleisch«2. »Gedichte wird man schreiben über die vom Kerzenlicht konturierten Gesäßkurven der Darsteller; über die Atmosphäre, die das Abwerfen jedes einzelnen Kleidungsstücks umgibt; über die unmittelbare taktile Erschütterung, wenn Fleisch erstmals anderes Fleisch im Close-Up berührt.«3 Ein völlig anderer Film, Jan de Bonts Speed (1994), hat Folgendes ausgelöst: »Was Gefühle angeht, ein atemberaubender Trip.«4 Er sei »ein klassischer sommerlicher Adrenalinrausch«5. »Dieses aufregende, vor Spannung kaum erträgliche Action-Opus ist ein echtes Ereignis«6, ein »aberwitzig aufregender Nervenkitzel, der so ernst daherkommt, dass man vor Anspannung um Luft ringen muss, und es einem doch erlaubt zu kichern, während man die

Was meine Finger wussten

8 Anthony Lane: Faster, Faster. In: New Yorker (13. 6.1994), S. 103. 9 Stephen Hunter: As Cosmic Battles Go, Kombat Is Merely Mortal. In: Baltimore Sun (19.8.1995). 10 Janet Weeks: Is Faux Violence Less Violent?. In: Los Angeles Daily News (19.8.1995). 11 Stephanie Griest: Mortal Kombat’s Bloodless Coup. In: Washington Post (28.8.1995).

12 Owen Gleiberman: Plastic Fantastic. In: Entertainment Weekly (14.11.1995), S. 74.

13 Peter Wollen: Signs and Meaning in the Cinema. Indiana 1969, S. 57, 59.

Armlehnen umklammert«7. »Der Wahn und die Erleichterung haben uns vollkommen ermattet. Während der Film glücklich ausgeht, treten wir, wie in Stücke gerissen, unseren Heimweg an.«8 Die Rezensenten von Paul Andersons Adaption des Kung Fu-Video-Games Mortal Kombat (1995) heben den »Soundtrack von […] brachialer, einschlagender Dringlichkeit«9 hervor oder auch die endlosen Szenen von »kick, sock, pow […] Todeskämpfen«10, in denen »Rücken, Handgelenke und Genicke mit übelerregendem Knacken zerschlagen werden«11. Und von John Lasseters durch­ gehend am Computer animierten Film Toy Story (1995) sagt ein weiterer Rezensent: »Eine Tyrannosaurus Rex-Puppe wirkt so glänzend und greifbar, dass der Eindruck entsteht, als müsse man bloß den Arm ausstrecken, um ihren harten, leuchtenden Kopf streicheln zu können. […] Wenn die Spielzeugsoldaten zum Leben erwachen, wird der wächserne Schimmer ihrer grünen Uniformen einen Proustschen Klang der Erinnerung in jedem anstimmen, der in seinem Kinderzimmer einmal über eine Spielzeugarmee geherrscht hat. […] [D]ieser Film […] lädt dazu ein, die Texturen der physischen Welt mit neuen Augen zu betrachten. Was Bambi und Schneewittchen für die Natur gemacht haben, macht Toy Story nun auf beeindruckende Weise für die Welt des Plastik.«12 Was haben wir, als heutige Medientheoretiker, mit derart taktilen, kinetischen, duftenden, klingenden und manchmal sogar geschmacklichen Beschreibungen von Film­ erlebnissen zu tun? I In früheren Phasen der Geschichte der Filmtheorie gab es ver­ schiedene Versuche, die bedeutsame Beziehung zwischen dem Kino und unseren sinnlich wahrnehmenden Leibern zu verstehen. Peter Wollen weist darauf hin, dass der große, von der symbolistischen Bewegung faszinierte sowjetische Filme­ macher und Theoretiker Sergei Eisenstein sich in seinem Spätwerk damit befasste, die »Synchronisation der Sinne« zu erforschen, und dass seine »Schriften über die Synästhesie von großer Gelehrsamkeit und beträchtlichem Interesse, trotz ihrer grundsätzlich unwissenschaftlichen Natur«, seien.13 So »erinnert Eisenstein unablässig daran«, schreibt Gilles Deleuze

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7 David Ansen: Popcorn Deluxe. In: Newsweek (136.1994), S. 53.

Vivian Sobchack

15 Lesley Stern: I Think, Sebastian, Therefore … I Somersault. Film and the Uncanny. In: Para*doxa 3.3–4 (1997), S. 361. 16 Relevante Untersuchungen zu den Payne Studien finden sich bei W. W. Charters: Motion Pictures and Youth. A Summary. New York 1933. Im Zusammenhang damit siehe auch Alison Landsberg: Prosthetic Memory. Total Recall and Blade Runner. In: Mike Featherstone; Roger Burrows (Hg.): Cyberspace/Cyberbodies/ Cyberpunk. Cultures of Technological Embodiment. London 1995. Die Autorin schreibt, dass die Payne Studios »von der Annahme ausgingen, dass das Eindringen der Technologie in die Subjektivität – ein Vorgang, der wesentlich zum filmischen Erlebnis dazugehört – physiologische Symptome am Körper aufweisen könnte« (S. 180). 17 Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In: Rolf Tiedemann; Hermann Schweppenhäuser (Hg.): Walter Benjamin. Gesammelte Schriften I.I. Frankfurt am Main 1991, S. 505. Walter Benjamin: Über das mimetische Vermögen. In: Rolf Tiedemann; Hermann Schweppenhäuser (Hg.): Walter Benjamin. Gesammelte Schriften II.I. Frankfurt am Main 1991, S. 210–213.

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14 Gilles Deleuze: Das Zeit-Bild. Kino 2. Frankfurt am Main 1997, S. 208.

seinerseits, »daß das ›intellektuelle Kino‹ das ›sinnliche Denken‹ oder den ›emotionalen Verstand‹ zum Korrelat hat und anders keine Gültigkeit besitzt«.14 Und in einem wunderbaren Essay beschreibt Lesley Stern – den Salto als Trope verwendend, um die Beziehung zwischen dem Kino und dem Leib zu thematisieren –, wie für Eisenstein der bewegte Leib »filmisch konzipiert und gestaltet [war:] […] nicht nur [als] eine Sache der Repräsentation, sondern [als] ein Element jenes Kreislaufs sinnlicher Schwingungen, die Betrachter und Filmleinwand miteinander verbinden«.15 Dieses frühe Interesse an den somatischen Wirkungen des Kinos kulminierte wohl auf der einen Seite in den empirischen Studien, die die Payne Studios in den USA der 1930er Jahre durchführten; hier ging man quantitativ vor: maß unter anderem die »galvanischen Reaktionen« und den Blutdruck von Film­ zuschauern.16 Auf der anderen, qualitativen Seite verfügen wir über die phänomenologisch geprägten, materialistischen Arbeiten von Walter Benjamin und Siegfried Kracauer aus den 1930er und 1940er Jahren. In seiner berühmten Schrift Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit spricht Benjamin vom Filmverstehen mit Begriffen wie der »taktilen Rezeption«, und an anderer Stelle bezeichnet er das »mimetische Vermögen« des Betrachters als eine sinnliche und körperliche Form der Wahrnehmung.17 Für Kracauer wiederum liegt die Einzigartigkeit des Kinos in dem wesentlichen Vermögen dieses Mediums, uns körperlich und sinnlich anzuregen; in der Folge versteht er den Betrachter als ein »körperlich-materielles Wesen«, einen »Menschen mit Haut und Haaren« und erläutert: »Die materiellen Elemente, die sich im Film darstellen, erregen direkt die materiellen Schichten des Menschen: seine Nerven, seine Sinne, seinen ganzen physiologischen Bestand.«18 Und doch hat die zeitgenössische Filmtheorie bis vor Kurzem sowohl die dem Kino eigene sinnliche Adressierung des Betrachters als auch dessen »körperlich-materielles Wesen« weitgehend ignoriert oder sogar verneint.19 Wenn man sich durch die vorliegende englischsprachige Literatur arbeitet, findet man daher kaum Arbeiten zur leibhaften Sinnlichkeit im Filmerleben und der Frage, wie diese Sinn konstituiert. Zu den wenigen Ausnahmen gehören Linda Williams’ Untersuchungen der von

Was meine Finger wussten

19 Als akademische Bezeichnung meint »zeitgenössische Filmtheorie« normalerweise die Periode der späten 1960er und frühen 1970er Jahre, als Semiotik, Strukturalismus und Psychoanalyse methodologisch gegen die ›softe‹ und unwissenschaftlich-humanistische Filmkritik etabliert wurden und als die marxistische Kulturkritik und feministische Theorie ideologisch gegen einen bourgeoisen und patriarchalischen Ästhetizismus Stellung bezogen. Neben einer ausgearbeiteten Kritik der gegenwärtigen theoretischen Methoden findet man in meiner Studie The Address of the Eye auch eine Diskussion der historischen und theoretischen Ursachen für das Vergessen (wenn nicht sogar für die Unterdrückung) des gelebten Leibs des Betrachters in der gegenwärtigen Filmtheorie. Siehe Vivian Sobchack: The Address of the Eye. A Phenomenology of Film Experience. Princeton 1992. 20 Siehe hierzu Linda Williams: Film Bodies. Gender, Genre, and Excess. In: Film Quarterly 44.4 (1991), S. 2–13. Außerdem Linda Williams: Corporealized Observers. Visual Pornographies and the Carnal Density of Vision.

ihr so genannten »Körper-Genres«20; Jonathan Crarys Konzept der leiblichen Dichte (carnal density) des Betrachtens21, die, wie er in seinem Buch Techniken des Betrachters zeigt, mit den neuen visuellen Technologien des 19. Jahrhunderts entstand; Steven Shaviros Deleuzianische Betonung des Filmschauens als einem viszeralen Ereignis, die er in The Cinematic Body22 ausführt; Laura Marks’ Arbeiten23 über die »Haut des Films« und die »Berührung«, die sich auf die von ihr beschriebene »haptische Visualität« im Verhältnis zu Leib und Bildern konzen­ trieren; mehrere Essays von Elena del Río24, die beabsichtigt, die »rigiden binären Grenzziehungen zwischen Externalität und Internalität« aus einer phänomenologischen Perspektive aufzulösen; die in Kürze erscheinende Arbeit von Jennifer Barker25, die eine Phänomenologie filmischer Taktilität entwickelt. Wie auch immer, die meisten Filmtheoretiker scheinen noch immer entweder peinlich berührt oder verwirrt von Leibern zu sein, die in Filmen liederlich oder derb agieren und damit ungewollt Feinsinnigkeit, intellektueller Differenzierung und dem Vokabular kritischer Reflexion zuwiderhandeln. In der Tat – wie Williams in Bezug auf die von ihr bevorzugt untersuchten ›niedrigen‹ Körper-Genres Porno, Horrorfilm und Melodrama bemerkt – entsteht ein gewisses Unbehagen, wenn wir einen »offensichtlichen Verlust der angemessenen ästhetischen Distanz, eine Art sinnliche und emotionale Über-Einbindung« erleben. Sie schreibt: »Wir fühlen uns von diesen Texten manipuliert – ein Eindruck, der in umgangssprachlichen Ausdrücken wie ›Tear-Jerker‹ und ›FearJerker‹ Ausdruck findet – wir könnten noch die krudere Wirkung von Pornos anfügen, die einige Leute dazu bringen, sich ›einen runter zu holen‹ [englisch: to jerk off].«26 Leibliche Reaktionen auf solche Filme werden als unbeabsichtigte und selbstverständ­ liche Reflexologie aufgefasst, die, wie Williams bemerkt, sexuelle Erregung in der Härte des männlichen Glieds misst, Schrecken in Schreien, Ohnmacht und sogar Herzattacken, Empfindungen in »ein, zwei oder drei Taschentüchern«.27 Im Allgemeinen befand man die fleischlichen Reaktionen auf Kinofilme daher als viel zu gewöhnlich, als dass sie ein Gegenstand ausführlicher Untersuchung geworden wären. Man gab sich damit zufrieden, sie – aufgrund des Nervenkitzels, der kommerziel-

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18 Siegfried Kracauer: [»Marseiller Entwurf zu einer Theorie des Films.«]. In: Inka Mülder-Bach (Hg): Siegfried Kracauer. Werke Band 3. Frankfurt am Main 2005, S. 575–577. Siehe außerdem Miriam Hansen: ›With Skin and Hair‹: Kracauer's Theory of Film, Marseilles 1940. In: Critical Inquiry 19.3 (1993), S. 458. Hansen bemerkt: »Mit dem Hinweis auf die ›archaischen pornographischen Streifen‹ nähert sich Kracauer einer sexuellen (wenn auch nicht gender-geprägten) Begrifflich­­keit an, um die physische und taktile Dimension des Filmes zu beschreiben; er notiert weiter, dass solche ›Streifen‹ im Streben nach der sinnlichen und physiologischen Stimulation das generelle Potential des Films realisieren.« (Ebd.).

21 Jonathan Crary: Techniken des Betrachters. Sehen und Moderne im 19. Jahrhundert. Dresden 1996. 22 Steven Shaviro: The Cinematic Body. Minneapolis 1993. 23 Laura U. Marks: The Skin of the Film. Intercultural Cinema, Embodiment, and the Senses. Durham 1999. Laura U. Marks: Touch. Sensuous Theory and Multisensory Media. Minneapolis 2002. 24 Elena del Río: The Body as Foundation of the Screen. Allegories of Technology in Atom Egoyan’s Speaking Parts. In: Camera Obscura 13.2 (1996), S. 92–115. Elena del Río: The Body of Voyeurism. Mapping a Discourse of the Senses in Michael Powell’s Peeping Tom. In: Camera Obscura 15.3 (2000), S. 115–149. 25 Siehe Jennifer Barker: The Tactile Eye. Touch and the Cinematic Experience. Berkeley 2009. Ihre Studien hat Barker auf Konferenzen zugänglich gemacht. Jennifer Barker: Fascinating Rhythms. The Visceral Pleasures of the Cinema. Konferenz Come to Your Senses an der Amsterdam School for Cultural Analysis, Theory, and Interpretation, Amsterdam, Mai 1998; und Jennifer Barker: Affecting Cinema.

Vivian Sobchack

len Dimension und kultureller Assoziationen – eher ›kinetischen‹ Formen des Unterhaltungsbetriebs zuzuordnen, wie etwa Achterbahnfahrten in Vergnügungsparks oder einem »Kino der Attraktionen«, wie Tom Gunnings einst historisch begründete Bezeichnung lautet, die heute aber zu einem Sammelbegriff verkommenen ist.28 Das wissenschaftliche Interesse richtete sich also weniger auf das Vermögen von Filmen, uns physisch zu erregen und dadurch Sinn zu erzeugen. Stattdessen wurde gefragt, was eine solche sinnliche Adressierung über die Dramaturgie klassischer Narrative aussagt, über die heutige transmediale Struktur der Unterhaltungsindustrie oder auch über das Begehren unserer Kultur nach unmittelbar sinnlich-immersiver Zerstreuung in einer Zeit tiefgreifender Mediation. Nichtsdestotrotz legen kritische Diskussionen häufig auch nahe, dass Filme, die unseren Sinnesapparat ansprechen, die Quintessenz des Kinos seien. So zieht beispielsweise Richard Dyer, in seiner Rezension zu Speed, eine Linie von Lumières Kino­ereignis, bei dem die Zuschauer vor einem auf der Leinwand heran­nahenden Zug in großem Schrecken zurücksprangen, zu modernen Techniken wie IMAX und Showscan, um dann zu schließen, dass das gesamte Kino im Grunde ein »Kino der Sensationen und Empfindungen« [Original: »cinema of sensation«] sei.29 In der Tat vertritt er den Standpunkt, das Wesen des Kinos liege in der Repräsentation und der Erfüllung unseres Begehrens »nach einer tieferliegenden Struktur von Gefühlen, die mit der Freiheit von Bewegung, dem Vertrauen in den Körper, dem Umgang mit der materiellen Welt zu tun hat und die zwar als männlich (außerdem heterosexuell und weiß) codiert ist, zu der aber alle Menschen einen Zugang benötigen«30. Obzwar Dyer die Wichtigkeit des direkten körperlichen Erlebens im Kino anerkennt, kann er dessen Vorhandensein nicht wirklich erklären: »Die Feier sinnlicher Anregung, auf die wir aus irgendeinem noch un­klaren Grund so reagieren, ›als ob sie real wäre‹, ist für viele Menschen der Kinofilm.«31 Die dynamische Struktur, die unsere leibliche Reaktion auf die visuellen (und akustischen) Repräsen­ tationen im Kino begründet, wird als ein weiterhin bestehendes Rätsel vorgestellt. Darüber hinaus wird ihr eidetisches Gegebensein zu erfahren durch die Wendung »als ob sie real wäre«

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In: Patrice Petro (Hg.): Fugitive Images. From Photography to Video. Bloomington 1995, S. 3–41. Linda Williams: The Visual and Carnal Pleasures of Moving-Image Pornography. A Brief History. Unveröffent­ lichtes Manuskript, das wahr­scheinlich in das Nachwort der 1999 erschienenen Überarbeitung von Williams’ Buch Hard Core eingegangen ist. Siehe Linda Williams: Hard Core. Power, Pleasure, and the Frenzy of the Visible. Berkeley 1989 (1999).

26 Anm. d. Übers.: In den deutschen, umgangssprachlichen Bezeichnungen »Schnulze« oder »Gruselfilm« fehlt die allen Genres gemeinsame Konnotation des ›Rüttelns‹, die mit dem Englischen »to jerk« die drei Genres verbindet. 27 Williams 1991, S. 5 (wie Anm. 20). 28 Tom Gunning: The Cinema of Attractions. Early Film, Its Spectator, and the Avant-Garde. In: Thomas Elsaesser; Adam Barker (Hg.): Early Cinema. Space, Frame, Narrative. London 1990, S. 56–62. Gunnings Kommentar: »In einem gewissen Sinn wird deutlich, dass das jüngste Spektakelkino, also das Kino, das man das Kino des Spielberg-Lucas-CoppolaEffekts nennen könnte, in den Reizen des Karnevals seine Wurzeln wiedergefunden hat.« (S. 61). Es scheint hier nötig zu bemerken, dass man die Wendung »Kino der Attraktion«, die ursprünglich einen ganz spezifischen Moment und Modus in der Geschichte der Filmproduktion bezeichnete, nicht ohne Probleme als eine allgemeine und transhistorische Bezeichnung verwenden kann. Eine durchdachte Kritik findet sich diesbezüglich in Ben Brewster: Periodization of the Early Cinema. In: Charlie Keil; Shelley Stamp (Hg.): American Cinema’s Transitional Era. Audiences, Institutions, Practices. Berkeley 2004. (Sobchack zitiert die Vortrags­ version Periodization of the Early Cinema. Some Problems, die 1996 auf der Jahrestagung der Society for Cinema Studies in Dallas präsentiert wurde. Anm. d. Übers.)

Was meine Finger wussten

destabilisiert – wobei die Wendung selbst mit einschüchternden Anführungszeichen versehen ist, die – die Frage nach dem Gegebensein selbst in Frage stellend – noch tiefer in den Abgrund erfahrungsmäßiger Entscheidungsunfähigkeit stößt. Dieser »noch unklare Grund« sinnlicher Anregung, die, »als ob sie real wäre«, körperliche Reaktionen anstößt, kenn­ zeichnet die Verwirrung und das Unbehagen, das uns Akademiker befällt – und zwar nicht nur, wenn wir uns mit unserem sinnlichen Erleben im Kino konfrontiert sehen, sondern auch dann, wenn wir bei uns das Fehlen von Möglichkeiten registrieren, den Somatismus dieses Erlebens auf mehr als einen ›bloßen‹ physiologischen Reflex zurückzuführen, oder eingestehen müssen, dass er mehr bedeuten könnte, als nur eine metaphorische Beschreibung zu sein.32 Daher wird auch die Sprache, die in der Presse verwendet wird, um sinnliche und affektive Dimensionen des Filmerlebens zu beschreiben, als weit verbreitete Version jener unpräzisen humanistischen Kritik abgetan, die den Filmwissenschaften Anfang der 1970er Jahre ausgetrieben wurde, als ›strengere‹ und ›objektivere‹ Beschreibungsweisen aufkamen. Auf diese Weise wurden Bezüge auf sinnliche Dimensionen in Kinobeschreibungen generell als rhetorischer oder poetischer Überschuss betrachtet – man ordnete die Sinnlichkeit weniger der Seite des Leibs als der der Sprache zu. Diese Ansicht ist allerdings tautologisch. Shaviro weist darauf hin, dass sie Empfindungen unter »universelle (linguistische oder begriffliche) Formen nur deshalb [subsumiert], weil sie diese Formen zuvor eingesetzt hat, um Empfindungen zu beschreiben«.33 Die Nichtbeachtung des Leibs, der aus sich selbst heraus ›Sinn macht‹, entspringe »der idealistischen Annahme, dass die menschliche Erfahrung ursprünglich und grundsätzlich kognitiv ist«. Auf eine solch idealistische Annahme zu bestehen, fährt Shaviro fort, »bedeutet, die Frage nach Wahrnehmung auf die Frage nach Wissen zu reduzieren und Empfindung mit dem reflexiven Bewusstsein zu empfinden gleichzusetzen. Die Hegelianische und strukturalistische Gleich­ setzung unterdrückt den Leib. Sie ignoriert oder abstrahiert von den ursprünglichen Formen noch unverarbeiteter Empfindung: Affekt, Erregung, Stimulation und Unterdrückung, Lust und Schmerz, Schrecken und Ge­wohnheit. Stattdessen postuliert sie

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Annual meeting of the Society for Cinema Studies, Chicago, März 2000. (Sobchack zitiert noch Jennifer Barkers Dissertation The Tactile Eye an der UCLA und verweist auf die Vorträge, da die Publikation damals noch im Entstehen war; Anm. d. Übers.)

Vivian Sobchack

30 Ebd., S. 9. 31 Ebd., S. 8 (Hervorhebung V.S.). 32 Paul Ricoeur: Die lebendige Metapher. München 2004. Paul Ricoeur untersucht hier den Status des ›Als-ob‹ in Bezug auf die Figur der Metapher und Referenz (siehe hierzu vor allem S. 241–251). Er verweist dabei sowohl auf die »Inadäquatheit einer Interpretation […], die das implizite ›ist nicht‹ verkennt und daher bei der Beurteilung der metaphorischen Wahrheit in ontologische Naivität verfällt« als auch auf »die Inadäquatheit einer entgegengesetzten Interpretation […], die das ›ist verfehlt, indem sie es auf das ›als ob‹ des reflektierenden Urteils reduziert und dabei dem kritischen Diskurs des ›ist nicht‹ nachgibt.« Wie er weiter ausführt, geht dann die »Rechtfertigung des Begriffs der metaphorischen Wahrheit, die das ›ist nicht‹ im ›ist‹ aufbewahrt […] aus der Konvergenz dieser beiden Kritiken hervor« (S. 241; Hervorhebung V.S.). 33 Shaviro 1993, S. 26–28 (wie Anm. 22). 34 In ihrem Vortrag Visual and Carnal Pleasures fasst Linda Williams das Problem folgendermaßen zusammen: »In der psychoanalytischen Filmtheorie ist die Opposition zwischen einem exzessiven und unartikulierten Körper und dessen Empfindung auf der einen Seite und einem diesen beherrschenden Geist auf der anderen Seite fundamental. Es ist diese Opposition, die das Konzept einer abstrakten ›visuellen Lust‹ erst möglich macht, die jenen voyeuristischen Blick eines Betrachters konstituiert, dessen Lust ein distanziertes, entkörperlichtes,

fleischlos gewordene Augen und Ohren, deren Daten unmittelbar in Form selbst-bewusster Erkenntnis oder positiven Wissens objektiviert werden.« Kurz gesagt: Obwohl das Interesse an solchen Vorgehensweisen zunimmt, haben wir – insofern das Auffassen von Filmen in übertragener Bedeutung zuerst des buchstäblichen Verstehens von deren Sinn bedarf – noch immer nicht die leibhafte Fundierung filmischen Verstehens begriffen. Das ist insbesondere für eine Disziplin nicht tautologisch, in der man sich lange Zeit mühte, Sinn und Bedeutung des Blicks und der Reflektiertheit von einem Leib abzulösen, welcher doch in seinem Erfahren das Sehen immer in Zusammenarbeit und in bedeutungsvollem Austausch mit anderen Sinneszugängen zur Welt lebt, einem Leib, der Bedeutung noch vor jedem bewussten und reflektierten Gedanken produziert. Trotz der jüngsten akademischen Feti­schisierung des »Leibs« wissen die meisten Theoretiker noch immer nicht so genau, was sie mit ihrem widerspenstigen, erreg­baren Fleisch und ihrem Sensorium anfangen sollen. Unsere Empfindungen und Reaktionen stellen vorherrschende linguistische und psychoanalytische Verstehensweisen – Erstere basieren auf konventionellen Codes und kognitiven Mustern, Letztere auf Absenz, Mangel und Illusion – vor eine unerträgliche Frage. Eine ebenso unerträgliche Herausforderung sind sie für die vorherrschende kulturelle Annahme, das filmische Bild konstituiere sich durch eine rein zweidimensionale Geometrie.34 Da die zeitgenössische Filmtheorie voraussetzt, dass filmisches Sehen lediglich ein Modus objektiver symbolischer Repräsentation sei, und da sie das subjektive, den gesamten Leib erfassende Sehen des Betrachters reduktiv abstrahiert – ›entfleischt‹ –, um es als einen ›distanzierten Sinn‹ vorzustellen, hat sie größte Schwierigkeiten zu verstehen, wie es möglich ist, dass menschliche Körper in der Tat und wirklich von Filmen ›berührt‹ und ›bewegt‹ werden. Schlimmstenfalls hat die zeitgenössische Filmtheorie leibliches Sein im Kino nicht besonders ernst genommen – bestenfalls hat sie einfach nicht gewusst, wie sie damit umgehen soll, dass Filme uns leiblich ›bewegen‹ sowie ›berühren‹, und wie sie diese Tatsache beschreiben kann. Stattdessen hat die

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29 Richard Dyer: Action! In: Sight and Sound 4.10 (1994), S. 7–10.

35 »Chiasmus« ist ein Begriff, den Maurice Merleau-Ponty benutzt, um auf jene Konkretisierung »eines einzigen Raums« hinzuweisen, »der trennt und vereinigt, der allen Zusammenhang trägt […]«. Vgl. Maurice Merleau-Ponty: Das Auge und der Geist. In: Maurice Merleau-Ponty: Das Auge und der Geist. Philosophische Essays. Hamburg 2003, S. 312. Generell wird der Begriff »Chiasmus« benutzt, um den Hintergrund jeglicher Präsenz zu bezeichnen, vor dem diskrete Figuren des Seins hervortreten; es handelt sich um einen Hintergrund, vor dem Gegensätze hervortreten, wegfallen sowie umgekehrt werden können. Ich möchte hier darauf hinaus, dass der verweltlichte gelebte Leib als unser eigener chiastischer Ort fungiert, sowohl bezüglich der Sache des Sinns als solcher als auch in Bezug auf den Sinn der Sachen und Dinge selbst: Das bedeutet, dass er sowohl die diskreten und gegensätzlichen Figuren (wie die Sprache und das Seiende) sichtbar werden lässt,

Was meine Finger wussten

Filmtheorie mit ein paar wenigen Ausnahmen (und, wie ich glaube, etwas abwehrend) versucht, das mehrdeutige und widerspenstige, subjektiv sinnliche und durchaus leibhafte Erleben des Kinobesuchers zu einem Platz zu geleiten, auf den es aus ihrer Sicht ›ordnungsgemäß‹ – und das heißt objektiv – gehört: Sie verortet das Sinnliche entweder auf der Kinoleinwand, und zwar als semiotischen Effekt der filmischen Repräsentation und seman­tische Eigenschaft filmischer Objekte, oder vor die Kino­ leinwand, in die phantasmatischen psychischen Formationen des Betrachters, in dessen kognitive Prozesse und einfache physiologische Reflexe, die der Theorie keine größeren Fragen nach ihrer Bedeutung stellen. Und doch sind wir als Filmtheoretiker nicht davon befreit, beim Kinobesuch von sinnlichen Erfahrungen erfasst zu werden – was wir – geben wir es doch zu – uns auch gar nicht wünschen. In »gelebten Leibern« (um einen phäno­ menologischen Begriff zu verwenden, der darauf besteht, dass »der« objektive Leib immer auch subjektiv als »mein« Leib erlebt wird, diakritisch und angelegt darauf, Sinn und Bedeutung in und aus der Welt aktiv herzustellen), ist unser Sehen immer schon ›im Fleisch ausgeformt‹. Auch im Kino wird unser Sehen und Hören von anderen Formen unseres sensorischen Zugangs zur Welt informiert und mit Bedeutung versorgt: Nicht nur unsere Vermögen zu sehen und zu hören, sondern auch zu berühren, zu riechen, zu schmecken sind am Werk, weiterhin fühlen wir propriozeptiv unser Gewicht, Ausmaß, Schwerkraft und Bewegung in der Welt. Zusammengefasst erhält das Filmerleben nicht abseits unserer Körper, sondern durch unsere Körper seine Bedeutung. Was bedeutet, dass Kinofilme in uns »fleischliche Gedanken« hervorrufen, die bewusstere Analysen fundieren und informieren. Es muss hier also darum gehen, die binäre Struktur des Filmerlebens, von der frühere filmtheoretische Untersuchungen ausgehen, zu modifizieren und stattdessen den gelebten Leib des Filmzuschauers als einen leibhaften »dritten Begriff« einzu­ führen. Einen dritten Begriff, der Erleben und Sprache, subjektivem Sehen und objektivem Bild ein Fundament gibt und zwischen ihnen vermittelt – der sie in umkehrbaren (oder chiastischen) Wahrnehmungs- und Ausdrucksprozessen unterscheidet und zugleich vereint.35 In der Tat ist es der gelebte Leib, der den Sitz

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einäugiges Auge voraussetzt, welches alles beherrscht, was es sieht, ohne sich jemals in die Objekte seiner Betrachtungen verwickeln zu lassen.« (o.S.). Dieser »beherrschende« Blick auf die Welt bleibt an die Zentralperspektive der Renaissance und das Cartesianische »Handwerk« gebunden, die als beispielhaftes Modell dienen, um den kinematographischen Raum zu erklären. Für eine ausführliche Diskussion dieses Zusammenhangs und eines alternativen deskriptiven Modells siehe Vivian Sobchack: Breadcrumbs in the Forest. Three Meditations on Being Lost in Space. In: Vivian Sobchack: Carnal Thoughts. Embodiment of the Moving Image. Berkeley 2004.

Vivian Sobchack

36 Roland Barthes: Der dritte Sinn. In: Roland Barthes: Der entgegenkommende und der stumpfe Sinn. Frankfurt am Main 1991, S. 47–66. Miriam Hansen beschreibt diese Beziehung zwischen dem dritten Sinn und dem gelebten Leib in Bezug auf Walter Benjamins Begriff der mimetischen Fähigkeit: »Für Benjamin umfasst der semiotische Aspekt der Sprache sowohl Barthes’ ›informative Ebene‹ als auch dessen ›symbolische Ebene‹ des Sinns […] wobei die mimetischen Aspekte der Ebene des physiognomischen Überschusses entsprechen.« Siehe Miriam Hansen: Benjamin, Cinema, and Experience. The Blue Flower in the Land of Technology. In: New German Critique 40 (1987), S. 198.

37 Shaviro 1993, S. 255–256 (wie Anm. 22).

und die Entwicklung einer »dritten« oder »stumpfen« Bedeutung bildet – eines »dritten Sinns«, der nach Roland Barthes der Sprache entflieht und doch zugleich in ihr ist.36 In eine bedeutungsvolle Lebenswelt geworfen, ist der gelebte Leib immer schon mit der Umwandlung und Transsubstantiation seiner zusammen­ arbeitenden und bedeutungsgenerierenden Sinne beschäftigt (die immer schon akkulturiert sind und niemals als entweder diskret oder natürlich gelebt haben) – ein Prozess, in dem die Bedeutung eines Sinns in die eines anderen umgewandelt wird, in dem das Buchstäbliche ins Übertragene und wieder zurück übersetzt wird, in dem die bestimmteren und reflektierten Differenzierungen einer Semiologie ›höherer Ordnung‹ vorreflexiv begründet werden. Um es anders auszudrücken: Wir können sagen, dass der gelebte Leib eine kommutative Umkehrbarkeit ermöglicht und durchführt: zwischen subjektiven Gefühlen und objektivem Wissen, zwischen den Sinnen und ihrem Sinn oder bewusster Bedeutung. Shaviro hat das besonders deutlich gemacht: »Es gibt keinen Mangel in der Strukturierung, keine ursprüngliche Teilung, sondern eine Kontinuität zwischen den physiologischen und affektiven Reaktionen meines eigenen Körpers und dem Erscheinen und Verschwinden, den Veränderungen und der Dauer der Körper und Bilder auf der Leinwand. Die wichtige Unter­ scheidung ist nicht die hierarchisch-binäre zwischen Körpern und Bildern oder zwischen dem Realen und seinen Repräsentationen. Vielmehr hat man die multiplen und kontinuierlich variieren­­den Interaktionen zwischen dem, was gleichgültig als Körper und Bilder definiert werden kann, festzustellen: Grade von Ruhe und Bewegung, von Handlung und Leidenschaft, von Durcheinander und Leere, von Licht und Knappheit. […] Das Bild darf dem Körper nicht gegenübergestellt werden, so wie eine Repräsentation ihrem unerreichbaren Referenten gegenübersteht. Denn eine flüchtige zusätzliche Materialität spukt durch die (angeblich) idealisierten Prozesse der technischen Reproduktion. […] Das Fleisch ist dem filmischen Apparat inhärent und zugleich sein Subjekt, seine Substanz und seine Grenze.«37

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als auch den synoptischen Grund für die Aufhebung der Diskretion und Gegensätzlichkeit liefert. Siehe hierzu Maurice Merleau-Ponty: Die Verflechtung—Der Chiasmus. In: Maurice Merleau-Ponty: Das Sichtbare und das Unsichtbare. München 2004, S. 172–203.

Was meine Finger wussten

39 Ich bin sicherlich nicht allein mit dieser Erfahrung. Siehe z.B. Sue Gillett: Lips and Fingers. Jane Campion’s The Piano. In: Screen 36.3 (1995), S. 277–287. Nicht nur beginnt und schließt Gillett ihren ungewöhnlichen Essay in der ersten Person, um sich in die Protagonistin Ada »einzufühlen«, als Kritikerin spricht sie zudem ganz unverblümt über ihr Erlebnis, das meinem eigenen Erleben entspricht: »Das Piano berührte mich sehr tief. Ich war entzückt, bewegt, benommen. Ich musste meinen Atem anhalten. Nachdem der Film zu Ende war, wollte ich die alltägliche Welt nicht mehr betreten. Das Piano schüttelte und verstörte mich und nahm von mir Besitz. Ich fühlte, dass meine eigenen Träume hier eine Form annahmen und offen gelegt wurden. […] Es waren starke, schwere und belebende Gefühle.« (S. 286).

40 Zweifellos stellen einige Filme wie Das Piano oder die Filme, die von Williams als »Body Genres« kategorisiert werden, unsere sinnliche Aktivität in expliziten Bildern, Sounds und inhaltlichen Narrativen nicht nur in den Vordergrund, sondern wirken durch eine kinetische Aktivität und sinnliche Erfahrung dessen, was ich in The Address of the Eye den »filmischen Leib« genannt

II Nach meiner etwas ausführlicheren Kritik an Abstraktionen der Filmtheorie und deren Vernachlässigung unseres leiblichen Erlebens im Kino möchte ich meine Ausführungen nun ›im Fleisch‹ verankern. Genau genommen: in meinem Fleisch – und seiner bedeutungsvollen Reaktion auf sowie sein Verstehen von einem aktuellen Film, nämlich Jane Campions Das Piano. Denn auch wenn Campions Film auf der Ebene sexueller und kolonialer Politiken intellektuell problematisch sein mag, hat er mich doch tief bewegt, indem er meine leiblichen Sinne erregt und auch meinen Sinn für meinen Leib erweckt hat.38 Nicht nur ›erfüllte‹ mich der Film mit Gefühlen, die in mir nachhallten; nicht nur ›erstickte‹ er mich fast mit ihnen, so dass sich meine Brust zugeschnürt anfühlte; auch ›sensibilisierte‹ er die gesamte Oberfläche meiner Haut – genauso wie seine eigene – für Berührungen. Während des Films war mein Sein in äußerste Spannung versetzt, und ich war, in die auf der Leinwand zu sehende Welt versunken, in einen Leib gehüllt, der sich seines sinnlichen, sensibilisierten, sinnvollen materiellen Vermögens schmerzlich gewahr war.39 (In diesem Kontext sollten wir uns noch einmal an die Rezensenten erinnern, die von einem »nicht enden wollenden sinnlichen Erleben von Musik und Materialien, von Schlamm und Fleisch« sprachen und von der»unmittelbaren taktilen Erschütterung, wenn Fleisch erstmals anderes Fleisch im Close-Up berührt«.) Insbesondere möchte ich mich auf mein sinnliches und Sinn-generierendes Erleben der ersten beiden Einstellungen von Das Piano konzentrieren – da sie mir überhaupt erst den Anlass gaben, diesen Essay zu schreiben. Denn obwohl die Aufmerksamkeit meines Leibs während des ganzen Films mobilisiert und aufs Höchste gespannt war – er hörte nicht damit auf, mich auf höchst komplexe Art und Weise leib­ haftig, emotional und bewusst zu bewegen und zu berühren –, waren es doch diese beiden ersten Einstellungen, die mir die hier diskutierten Fragen nach unserer sinnlichen Teilhabe verdeutlicht haben, und zwar nicht nur in Bezug auf diesen einen Film, sondern, wenn auch in unterschiedlichen Maßen, auf alle Filme.40 Diese eröffnenden Einstellungen verwiesen vor allem auf die Mehrdeutigkeit und die Widersprüchlichkeit in der Beziehung

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38 Für eine Auseinandersetzung mit dieser Form der Politik siehe z.B. Cynthia Kaufman: Colonialism, Purity, and Resistance in The Piano. In: Socialist Review 24.1–2 (1994), S. 251–255. Leonie Pihama: Are Films Dangerous? A Maori Woman’s Perspective on The Piano. In: Hecate 20.2 (1994), S. 239–242. Lynda Dyson: The Return of the Repressed? Whiteness, Femininity, and Colonialism in The Piano. In: Screen 36.3 (1995), S. 267–276. Dana Polan: Jane Campion. London 2002.

41 Carol Jacobs: Playing Jane Campion’s Piano. Politically. In: Modern Language Notes 109.5 (1994), S. 769–770.

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zwischen dem Sehen und dem Berühren, da Letzteres sowohl im buchstäblichen als auch im übertragenen Sinn angeregt wurde. Sowohl visuell als auch figurativ gibt die allererste Einstellung des Films ein nicht identifizierbares Bild. Carol Jacobs hat diese wie auch die folgende Einstellung sehr präzise beschrieben und erläutert: »Lange, unebene rötlich-pinke Röhren fächern sich über der Filmleinwand auf, verschwommen wie ein missglücktes und entwickeltes Farbnegativ durchsichtiger Blutgefäße. […] Doch man erkennt beinahe nichts – durch den äußerst dichten Abstand zwischen Auge und Objekt fast blind, sehen wir nur eine nicht wiedererkennbare Verschleierung. […] Was wir zuerst sehen, sind Adas Finger, gesehen von der anderen Seite, aus ihrer Perspektive, ihre Finger, sich verflüssigende Finger. […] Durchbrochen vom Sonnenlicht, sehen wir Adas Finger, offenbar aus ihrer eigenen Perspektive, da wir ihre innere Stimme hören. Aber dann, sofort danach, sehen wir sie aus der eindeutigen Perspektive der Zuschauer, die wir sind, und sie werden zu ganz gewöhnlichen Gegenständen der Kamera.«41 Als ich die Eröffnungssequenz des Films zum ersten Mal sah – während der ersten Einstellung, bevor ich überhaupt wusste, dass es eine Ada gibt, und bevor ich sie von meiner Seite ihrer Sicht aus sehen konnte (bzw. bevor ich eher sie als ihre Sicht sehen konnte) –, ist mir etwas vollkommen Außergewöhnliches passiert. Obwohl ich »fast blind« war, trotz der »nicht wiedererkennbaren Verschleierung« und des Widerstands des Bildes gegenüber meinen Augen, wussten meine Finger sofort, was ich dort sah – und dies vor dem Gegenschuss, der folgte, um Adas Finger klar einzuordnen (bzw. um sie so darzubieten, dass man sie objektiv sehen kann, und nicht so, dass man subjektiv ›durchschaut‹). Was ich sah, war, von Anfang an, nicht ein unkenntliches Bild, so verschleiert und unbestimmt ich es auch gesehen habe, so wenig meine Augen auch ›ausmachen‹ konnten. Von Anfang an (obwohl ich bis zur zweiten Einstellung davon bewusst nicht wissen konnte) begriffen meine Finger das Bild, sie erfassten es mit einem fast unmerklichen Kribbeln der Aufmerksamkeit und Antizipation und ›fühlten sich selbst‹, vor der Leinwand, doch als wären sie potentiell Teil jenes subjektiven und fleischlichen Moments auf der Leinwand. Und all das, bevor ich mein leibliches Verstehen in den bewussten Gedanken

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habe, auch im Hintergrund (siehe hier Anm. 49). Demgegenüber zeigen uns andere Filme vielleicht Körper in sinnlicher Aktivität, aber sie zeigen uns diese auf eine ganz unsinn­­liche Art und Weise, die uns eher distanziert, als dass sie uns aufgrund der filmischen ›Haltung‹ eine ähnliche Erfahrung machen lässt. Dennoch würde ich behaupten, dass alle Filme an der Sinn-generierenden Kapazität unserer Körper und unseres Geistes teilhaben – wenn auch in einem ganz unterschiedlichen Verhältnis (und Sinn).

Was meine Finger wussten

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42 Die normative Dominanz des Visuellen und seine Herrschaft über die Welt im Namen der Objektivität werden sonst vor allem im Experimental- oder Avantgardefilm überwunden. In dieser Hinsicht siehe Laura Marks’ Untersuchung des interkulturellen Kinos (Marks 1993; vgl. auch Anm. 23).

überführte: »Aha, das sind Finger, die ich gerade anschaue.« Natürlich konnte ich vor dem bewussten Erkennen jene Finger nicht als ›jene‹ Finger verstehen, das heißt als Finger, die sich, getrennt von meinen eigenen Fingern, durch ein objektives ›Dortsein‹ auszeichnen. Vielmehr erkannte ich jene Finger sinn­lich und sinnvoll zuerst als ›diese‹ Finger und verortete sie wider­ sprüchlich sowohl vor als auch auf der Leinwand – subjektiv ›hier‹ wie auch objektiv ›dort‹, ›meine‹ wie auch die des Bildes. Während der gesamten ersten Einstellung »fast blind«, hätte der objektivierende Gegenschuss auf die Frau, die durch ihre gespreizten Finger auf die Welt schaut, eigentlich überraschen müssen. Doch davon keine Spur; diese Auflösung erschien mir als ein lustvoller Höhepunkt und Bestätigung dessen, was meine Finger – und ich zumindest reflexhaft, wenn auch nicht reflektiert – bereits wussten. Obwohl diese Erfahrung meines vorreflexiven, jedoch reflexhaften Erfassens des Gesehenen (und damit der Szene) durch meinen Leib in mancherlei Hinsicht außergewöhnlich ist, so ist es doch sicherlich keine Ausnahme. Tatsächlich möchte ich behaupten, dass eine solche vorbegriffliche leibliche Reaktion auf Filme völlig normal ist. Und zwar erleben wir Kinofilme niemals nur mit unseren Augen; wir sehen, verstehen und fühlen Filme mit unserem ganzen leiblichen Dasein, das von der Geschichte und dem leibhaften Wissen unseres akkulturierten Sensoriums geprägt ist. Dennoch tendieren wir dazu, zugunsten des Sehens unsere weiteren Möglichkeiten, die Welt – und ihre Repräsentationen – wahrzunehmen und ihnen Bedeutung zu geben, zu ignorieren: durch die Leichtigkeit, mit der wir die Dinge auf der Leinwand sehen; durch die umfassende Überlegenheit des Sehens und dessen Verstehen seiner Objekte; durch seine historisch bedingte Herrschaft über unsere anderen Sinne. Was daher an der Eröffnungseinstellung von Das Piano so außer­ gewöhnlich ist, ist, dass hier ein Moment (zumindest bei der allerersten Betrachtung) angeboten wird, der im Bereich des Erzählkinos sehr selten ist: Hier ist die kulturelle Hegemonie des Sehens überwunden42 – in diesem Moment ›sahen‹ meine Augen nichts Bedeutsames und erlebten, nahezu blind zu sein, während der Tastsinn meines In-der-Welt-Seins durch meine Finger

Vivian Sobchack

44 Ich kann mich hier nicht zurück­halten, einen eher verächtlichen Kommentar zu Campions nächstem (bei den Kritikern weniger erfolgreichen) Film Das Portrait einer Lady (1996) zu zitieren, in dem die symbolische »Fixierung« der Berührung explizit hervor­ gehoben wird, die zuvor voll lebhafter Dynamik präsentiert wurde. In der Zeitschrift Entertainment Weekly vom 7. Februar 1997 findet sich eine Zeile mit der Überschrift Fixation of the Week und dem Untertitel Jane Campions Hands-On Approach. Der Text liest sich wie folgt: »Mit dem Beginn der ersten Szene, bei dem der Titel Das Portrait einer Lady auf dem Mittelfinger geschrieben ist, liefert uns die Regisseurin 60 seltsame Ansichten von Fingern. Es gibt sexy schnipsende, klavierspielende, über die Haut streichelnde, Nasen kratzende, Zigaretten haltende Finger und dann noch diesen sehr melodramatischen Moment, wenn Nicole Kidmans Isabel Archer sagt: ›I would have given my little finger.‹ Oh, Jane, bitte, nicht noch mal!« (S. 53). 45 Jacobs 1994, S. 770 (wie Anm. 41). 46 Diese Frage der Diskretion der einzelnen Sinne und ihres Verhältnisses zueinander wurde von Maurice Merleau-Ponty untersucht. Siehe Maurice Merleau-Ponty: Phänomenologie der Wahrnehmung. Berlin 1965, S. 261–264. Er schreibt: »So befragt also ein jedes Sinnesorgan die Gegenstände auf seine Weise, ist es Träger eines bestimmten Typs von Synthesen.« (S. 261). Und weiter schreibt er: »Die Sinne

die Bedeutung des Bildes auf eine Art und Weise begriff, wie es mein verhinderter oder verblüffter Blick niemals gekonnt hätte.43 Jacobs schreibt, dass das erste Bild »wie ein missglücktes und entwickeltes Farbnegativ durchsichtiger Blutgefäße« sei. Dennoch hat man den Eindruck, dass diese leibliche Referenz weniger ihrem taktilen Vorblick als ihrem visuellen Rückblick entspringt. Denn in ihrem sonst bewundernswerten Essay, der sich auf das Narrativ des Films und dessen visuelle Hervorhebungen der Berührung konzentriert, objektiviert sie den Ort der Berührung viel zu schnell – aus Eile, um Sehen auf Blickwinkel und Perspektive zu reduzieren, und danach strebend, Taktilität, Finger und Hände im Zusammenhang eines narrativen Symbolismus zu betrachten.44 So schreibt sie Adas Fingern in der ersten Einstellung (und darüber hinaus) die symbolische Funktion zu, »uns ungebildet zu machen« und »unfähig, sie zu lesen«.45 Nun gut, wenn das Sehen wirklich ein isolierter und nicht nur ein diskreter Sinn wäre, der seine eigene Struktur, Fähigkeiten und Grenzen besitzt, dann könnte das hinkommen. Aber das Sehen ist eben nicht isoliert, es ist nicht von unseren anderen Sinnen zu trennen. Wie auch immer seine spezifische Struktur, seine Fähigkeiten und seine sinnlichen Unterscheidungen beschaffen sein mögen, das Sehen ist nur eine der Modalitäten, mit denen sich mein gelebter Leib auf die Welt bezieht, und nur eines der Mittel, die mir die Welt der Dinge sinnvoll machen – d.h. ihr Bedeutung geben.46 Dicht gefolgt vom Gehör, mag der Sehsinn in unserer Kultur und im Kino wohl der privilegierteste Sinn sein; und doch lasse ich meine Fähigkeit zu berühren, zu riechen oder zu schmecken weder draußen vor der Saaltür, noch genieße ich mit diesen Sinnen, nachdem ich das Kino betreten haben, nur mein Popcorn. Ich würde deshalb argumentieren, dass mein Erleben von Das Piano eine Steigerung unserer üblichen sinnlichen Erfahrungen im Kino gewesen ist: Wir befinden uns dann in einer bestimmten leibhaften Modalität, die uns befähigt, die Substanz und die Textur der Bilder zu berühren und uns auch von ihnen berühren lassen; wir fühlen uns in eine visuelle Atmosphäre gehüllt; wir erleben Gewicht, das Gefühl zu ersticken und das Ringen nach Luft; danach, in einem kinetischen Rausch die Flucht zu ergreifen, in die Freiheit, obwohl wir an unsere Kinositze

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43 Die Wendung des »verblüfften Blicks« stammt von Laura Marks. Siehe Laura Marks: Haptic Visuality. Vortrag auf der Jahrestagung der Society for Cinema Studies, Dallas, März 1996.

47 del Río 1996, S. 101 (wie Anm. 24).

Was meine Finger wussten

gefesselt sind; wir werden von einem Geräusch zurückgeschlagen; manchmal können wir die Welt, die wir auf der Leinwand sehen, sogar riechen und schmecken. Auch wenn Geruch und Geschmack weniger als haptische Berührungen zum Erfassen der gesehenen Bilder beitragen mögen, so erinnere ich mich doch deutlich daran, beim Erleben von Die schwarze Narzisse (1946) – der Film von Michael Powell und Emeric Pressberger wurde nach einem Parfum benannt – ein ›visuelles Aroma‹ wahrgenommen zu haben; und bei Tampopo – Magische Nudeln (1986) von Juzo Itami konnte ich die Schweine-Nudelsuppe schmecken. (Warum sollten wir davon überhaupt überrascht sein – ist doch bekannt, dass die Überzeugungskraft der Parfum- und Nahrungsmittelwerbung vor allem darauf gründet, dass sie die trans-modale Zusammen­ arbeit und Übersetzung zwischen den einzelnen Sinne und innerhalb unseres gesamten Sensoriums ausnutzt.) Und mehr noch: Als ich mich auf diese Filme eingelassen habe, ›erdachte‹ ich keine Übersetzung für mein Sehen in ein Riechen oder Schmecken – das habe ich ohne einen Gedanken so erlebt. Elena del Río beschreibt die phänomenologische Struktur dieses Erlebens: »Insofern das Bild in eine leibliche Reaktion übersetzt wird, fungieren Leib und Bild nicht mehr als diskrete Einheiten, sondern als gegenseitig sich berührende Oberflächen, die sich in ständiger wechselseitiger Aktivität neu justieren und einander zuneigen.«47 In dieser Hinsicht sollten wir nochmals über Identifi­ kationsprozesse beim Filmerleben nachdenken und sie nicht mit unserer sekundären Teilhabe – dem Einlassen auf Subjektpositionen, dem Erkennen von Charakteren – verbinden, sondern eher mit unserer primären Teilhabe an Sinn und Sinnlichkeit der Materialität selbst. Wir selbst sind subjektives Material: Unser gelebter Leib bezieht sich sinnlich auf die Dinge auf der Leinwand, die für ihn von Bedeutung sind, und findet sie sinnvoll auf eine primäre, vorpersönliche und globale Weise, die die späteren sekundären – diskreteren und klarer lokalisierten – Identifikationen begründet. Sicherlich gibt das von mir geschilderte Erleben der Eröffnungs­ sequenz von Das Piano einen Beleg für ein solches vorpersönliches und global lokalisiertes leibliches Begreifen, aber eine solche atmosphärische und leibhafte Identifikation mit materieller Subjektivität geschieht beispielsweise auch dann, wenn ich

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sind voneinander und von der intellektuellen Einsicht verschieden, insofern ein jeder von ihnen eine nie völlig übertragbare Seinsstruktur mit sich trägt. […] Und dies vermögen wir anzuerkennen, ohne etwa die Einheit der Sinne preiszugeben. Denn die Sinne kommunizieren miteinander. […] Wie die Erfahrung der Sinnesqualitäten findet auch die der getrennten ›Sinne‹ nur in einer sehr besonderen Einstellung statt und vermag zur Analyse des unmittelbaren Bewußtseins nicht zu dienen.« (S. 263–264).

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49 Die Wendung »filmischer Leib« benutze ich vor allem in The Adress of the Eye, um zu zeigen, dass die materielle Existenz des Films funktional verkörpert wird (und sich von der Existenz des Filmemachers und Betrachters unterscheidet). Außer in seinem intentionalen Engagement und der diakritischen Bewegung ist der filmische Leib im Film selbst nicht sichtbar. Er ist weder anthropomorph, noch kann man ihn auf den kinematographischen Apparat reduzieren (wie man uns im Übrigen auch nicht auf unsere materielle Physiognomie reduzieren kann); man kann ihn nur reflexiv als ein quasi-subjektives und verkörpertes ›Auge‹ entdecken und verorten, das eine begrenzte – und für gewöhnlich dennoch vorpersönliche und anonyme – Existenz besitzt.

50 Iris Marion Young: Pregnant Embodiment. Subjectivity and Alienation. In: Throwing like a Girl and Other Essays in Feminist Philosophy and Social Theory. Bloomington 1990, S. 161.

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48 Marks benutzt die Wendung »atmosphärische Identifikation« in ihrem Vortrag Haptic Visuality nicht so sehr in Bezug auf eine spezifisch phänomenologische Struktur der filmischen Bindung, sondern in einem allgemeineren Sinn, um auf die Identifikation mit Bildern zu verweisen, die weder in einer einzelnen Subjektposition noch in einer Verdrängung des Selbst durch narrative Persönlichkeiten besteht (vgl. Anm. 43).

Baines ›objektiv‹ dabei zuschaue – unter dem Flügel und den Röcken Adas verborgen –, wie er seine Hand ausstreckt und Adas Haut durch ein Loch in ihrer schwarzen wollenen Strumpfhose berührt.48 Auf dieses objektive Bild schauend, fühlte ich, wie der oben zitierte Rezensent, eine »unmittelbare taktile Erschütterung, wenn Fleisch erstmals anderes Fleisch im Close-Up berührt«. Aber wessen Fleisch genau ich da fühlte, war mehr­­deutig und vage – und ging aus einem phänomenologischen Erleben hervor, das durch Ambivalenz und Streuung strukturiert ist. So hatte ich ein fleischliches Interesse daran, sowohl ›hier‹ als auch ›dort‹ zu sein, sowohl zu spüren als auch selbst spürbar zu sein, sowohl Subjekt als auch Objekt des taktilen Begehrens zu sein. In dem Moment, in dem Baines Adas Haut durch ihre Strumpfhose berührt, gehört meine Haut zu mir und gleichzeitig auch nicht, und zwar öffnet mich die »unmittelbare taktile Erschütterung« einer erotischen Ausströmung meines Fleisches, und ich spüre nicht nur meinen ›eigenen‹ Leib, sondern auch den Baines und Adas und auch jenen »filmischen Leib«, über den ich an anderer Stelle geschrieben habe49. Auch wenn ich mich also mit einer objektiven Einstellung konfrontiert sehe, wissen meine Finger, sie verstehen die subjektive Bedeutung des Gesehenen und der betrachteten Situation, sie begreifen den strukturellen und inhalt­ lichen Sinn überall – nicht nur im Berühren, sondern auch im Berührten. Objektivität und Subjektivität verlieren die ihnen unterstellte Eindeutigkeit. Daher kann man bezüglich der hier besprochenen Sehsituation (und in unterschiedlichem Maße auch in Bezug auf jede andere Sehsituation) feststellen: »Subjektivität im gelebten Leib zu verorten, gefährdet die dualistische Meta­ physik im Ganzen. Es bleibt keine Grundlage für die gegenseitige Exklusivität der Kategorien von Subjekt und Objekt, Innen und Außen, Ich und Welt.«50 Nochmals: Ich möchte betonen, hier nicht metaphorisch vom Berühren und Berührt-Werden bei und durch Filme zu sprechen, sondern ›in einem gewissen Sinne‹ ganz buchstäblich unsere Fähigkeit zu meinen, die auf der Leinwand sicht- und hörbare Welt zu fühlen, sowie die Fähigkeit des Kinos, uns vor der Leinwand zu ›berühren‹ und zu ›bewegen‹. Wie die Philosophin Elizabeth Grosz zu Recht bemerkt: »Dinge umwerben das Fleisch

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52 Michael Moriarty: Roland Barthes. Stanford 1991, S. 190.

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51 Elizabeth Grosz: Merleau-Ponty and Irigaray in the Flesh. In: Sense and Sensuousness: Merleau-Ponty, special issue. Thesis Eleven 36 (1993), S. 46.

genauso, wie es die Dinge als deren Objekt verlockt. Wahr­ nehmung ist die Umkehrbarkeit des Fleisches; das sich selbst berührende, sehende, wahrnehmende Fleisch; Falten des Fleisches, die andere Falten und damit (vorläufig) sich selbst umschlingen.«51 Filme erlebend, niemals nur sehend, vollzieht mein gelebter Leib diese Umkehrbarkeit bei der Wahrnehmung und unterläuft dabei die Unterscheidung zwischen »auf der Leinwand« und »vor der Leinwand« als sich gegenseitig ausschließende Orte oder Subjekt­positionen. Tatsächlich entspringt ein großer Anteil der »Lust am Text« dieser leibhaften Unterwanderung festgelegter Subjekt­positionen, also dem Leib als einem dritten Begriff, der beide übersteigt und doch innerhalb diskreter Repräsentationen sich befindet; insofern hat Barthes zu Recht gesagt, dass »es falsch wäre […] eine strenge Unterscheidung zwischen dem Leib innerhalb und außerhalb des Textes anzunehmen, weil die subversive Kraft des Leibs teilweise in dessen Möglichkeit besteht, sowohl buchstäblich als auch im übertragenen Sinn zu wirken«52. Alle Leiber im Filmerlebnis – auf der und vor der Filmleinwand (und möglicherweise auch die Leinwand selbst) – sind potentiell subversive Leiber. Sie alle haben die Fähigkeit, buchstäblich und übertragen zu wirken. Sie greifen um sich und sind diffus im Filmerlebnis verankert. Doch sind diese Leiber materiell begrenzt und können auf spezifische Weise verortet werden, so dass jeder zum Grund von Sinn und Bedeutung werden kann, insofern jeder von ihnen eine dynamische, umkehrbare FigurGrund-Beziehung mit anderen unterhält. Zudem unterwandern die Leiber ihre eigene Festlegung auch von innen, indem sie Fleisch und Bewusstsein miteinander vermengen sowie mensch­ liches und technologisches Sensorium umkehren, so dass Bedeutung nicht einen diskreten Ursprung entweder im Leib des Betrachters oder in der filmischen Repräsentation hat (und auch weder hier noch dort entsteht), sondern aus der Verbindung von beiden hervorgeht. Wir könnten diesen im Filmerlebnis auftretenden sub­versiven Leib das kinästhetische Subjekt nennen – wobei es sich um einen Neologismus handelt, der sich nicht nur aus dem Begriff »Kino«, sondern auch aus zwei wissenschaftlichen Bezeichnungen herleitet, die ganz bestimmte Strukturen und

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54 Cytowic 1993, S. 118 (wie Anm. 53).

55 Ebd.

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53 Richard E. Cytowic: The Man Who Tasted Shapes. A Bizarre Medical Mystery Offers Revolutionary Insights into Emotions, Reasoning, and Consciousness. New York 1993, S. 52. Für Untersuchungen der Synästhesie jüngeren Datums siehe John E. Harrison; Simon Baron-Cohen (Hg.): Synaesthesia. Classic and Contemporary Readings. Cambridge 1996. Kevin T. Dann: Bright Colors Falsely Seen. Synaesthesia and the Search for Transcendental Knowledge. New Haven 1998.

Bedingungen des menschlichen Sensoriums bezeichnen: »Synästhesie« und »Koenästhesie«. Beide beziehen sich auf die Komplexität und den Reichtum leiblicher Erfahrung im Allgemeinen, die im Besonderen auch unser Kinoerlebnis fundiert. Zudem verweisen beide auf die Art und Weise, in der das Kino unsere dominanten Sinne des Sehens und Hörens benutzt, um auch die übrigen Sinne anzusprechen. Aus dem medizinischen Diskurs heraus merkt der Neuropsychologe Richard Cytowic an, dass die Synästhesie als ein »unfreiwilliges Erlebnis« definiert werden muss, »bei dem die Erregung eines Sinns in einem anderen Wahrnehmung auslöst«.53 Regelmäßig, auf lebhafte Weise und automatisch nehmen Synästheten Geräusche als Farben oder Formen als Geschmäcker wahr. »Meistens sehe ich«, erklärt eine Frau, »Geräusche als Farben und verspüre dabei einen gewissen Druck auf meiner Haut. […] Ich sehe, aber nicht mit meinen Augen, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Um ein Beispiel zu geben, erzählt sie, dass sie die Stimme und das Lachen ihres Manns in einem »wunderbaren Goldbraun« wahrnimmt – was sie buchstäblich, nicht meta­ phorisch meint; in einem »wunderbaren Goldbraun, das nach knusprigem Buttertoast schmeckt«.54 »Synästhesie«, sagt Cytowic, »ist die unmittelbarste und direkteste Form der Erfahrung. […] Sie ist sinnlich und konkret, nicht irgendein intellektualisiertes, bedeutungsschwangeres Konzept. Limbische Prozesse [gegenüber höheren, kortikalen Funktionen des Gehirns; V.S.], die ins Bewusstsein eindringen, werden besonders betont. Es geht um Gefühl und Dasein, also um etwas Unmittelbareres als ein Geschehen zu analysieren und über dieses zu sprechen.«55 Das bedeutet wiederum nicht, dass die synästhetische Erfahrung als eine »viel unmittelbarere als Analyse« außerhalb der Kultur stünde – was bereits daran deutlich wird, dass ein Lachen als Geschmack eines »knusprigen Buttertoasts« wahrgenommen werden kann. Als pathologisches Phänomen tritt Synästhesie eher selten auf. Die weniger drastische Erfahrung der »inter-modalen Über­ tragung« zwischen den Sinnen hingegen ist so weit verbreitet, dass sich der Begriff der Synästhesie in die Umgangssprache einschreiben konnte. Künstler (wie die Symbolisten oder Eisen-

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57 George Lakoff; Mark Johnson: Metaphors We Live By. Chicago 1980.

58 Cytowic 1993, S. 206 (wie Anm. 53).

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56 Siehe hierzu: Diane Ackerman: Die Schöne Macht der Sinne. Eine Kulturgeschichte. München 1991, S. 355.

stein) sind schon seit Langem an der Synästhesie interessiert; tatsächlich waren sogar viele Künstler selbst Synästheten (der Romancier Vladimir Nabokov ist nur einer unter vielen). In der Umgangssprache verweist die Synästhesie zudem nicht nur auf eine unfreiwillige Übertragung von Gefühlen zwischen den Sinnen, sondern auch auf die willentliche Verwendung bei Metaphern: Hier werden Begriffe, die sich auf eine Art Sinneseindruck beziehen, für die Beschreibung des Eindrucks einer anderen Art eingesetzt. Dieser Übergang von einem unfreiwilligen und un­mittelbaren Austausch innerhalb des Sensoriums zu einem bewussten und vermittelten Austausch zwischen dem Sensorium und der Sprache erinnert uns nicht nur an die zuvor zitierte »Bewegung der Symbolisten, die so viel auf Synästhesie gaben«56, sondern verweist auch auf die sinnliche Ökonomie der Sprache, die vom gelebten Leib abhängt: vom gelebten Leib als ihrer fundamentalen Quelle sprachlicher Bedeutungen, als ihr primärer Zeichenproduzent und als ihr erstes Zeichen. Im Buch Metaphors We Live By sprechen sich der Linguist George Lakoff und der Philosoph Mark Johnson daher für die Sichtweise aus, dass sich die übertragene Sprache aus unserer physischen Erfahrung entwickele und aus dieser ihren Sinn beziehe (unabhängig davon, wie diese bereits durch Kultur diszipliniert wurde).57 Cytowic wiederum kommt aus seiner Arbeit mit Synästheten zu dem Schluss, dass »die Kohärenz von Metaphern […] in der konkreten Erfahrung wurzelt, die den Metaphern erst ihre Bedeutung gibt. [Die] Metapher ist erfahrungsbezogen und viszeral.«58 Da dieses Verhältnis zwischen dem buchstäblich sinnvollen Leib und der Metapher als sinnvollem Zeichen für unser Verständnis sowohl des filmischen Verstehens als auch des kinästhetischen, von Kinofilmen bewegten und berührten Subjekts von zentraler Bedeutung ist, werde ich zu diesen Fragen zurückkehren. Der Neologismus »kinästhetisches Subjekt« als Bezeichnung für den Filmzuschauer greift auf einen weiteren wissen­ schaftlichen Begriff zurück, der unsere leibliche Beschaffenheit bezeichnet: die Koenästhesie. Dieser Begriff bezieht sich nicht auf ein seltenes Krankheitsbild, sondern auf das Potential unseres ganzen sensorischen Daseins und dessen Wahrnehmung. So wird der Begriff beispielsweise für neugeborene Kinder benutzt,

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60 Elaine Scarry: On Beauty and Being Just. Princeton 1999, S. 4.

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59 Cytowic 1993, S. 95–96, (wie Anm. 53). Außerdem Ackerman 1991, S. 353 (wie Anm. 56).

um ihre allgemeine und sinnliche Offenheit gegenüber der Welt zu beschreiben. Er verweist weiterhin auf eine gewisse, vorlogische und nicht-hierarchische Einheit des Sensoriums; diese gilt als leibhafter Ausgangspunkt aller späteren hierarchischen Anord­ nungen der Sinne, die erst mit der Einbettung in Kulturpraktiken erreicht werden. In dieser Hinsicht, merkt Cytowic an, haben Untersuchungen mit Kleinkindern – die noch nicht vollkommen akkulturiert sind und deren Sensorium noch nicht auf bestimmte Weise organisiert und diszipliniert wurde – gezeigt, dass diese ihre Sinne ›horizontaler‹ erleben und daher eine größere Fähigkeit zum inter-modalen sinnlichen Austausch besitzen als Erwachsene.59 Zusammengefasst kann man sagen, dass die Koenästhesie im Gegensatz zur Synästhesie eben nicht den Austausch und die Übersetzung zwischen den Sinnen bezeichnet; stattdessen thematisiert sie die Art und Weise, in der ursprünglich gleich vorhandene Sinne ausgeprägt oder vernachlässigt werden, und zwar durch die Macht von Geschichte und Kultur, die ihre Grenzen bestimmen und ihnen ihre Position in einer normativen Ordnung zuweisen. Es ist aber nicht notwendig, ein klinisch diagnostizierter Synästhet oder ein Kleinkind zu sein, um diese Grenzen zu hinterfragen und diese Ordnungen zu durchbrechen. In viel­ fältigen Situationen lässt sich die Aufhebung der regulierenden Grenzen und Ordnungen der Sinne beobachten. Beispielsweise schreibt Elaine Scarry bezüglich unseres Umgangs mit etwas außergewöhnlich Schönem: »Ein visuelles Ereignis kann im Bereich der haptischen Berührung reproduziert werden (etwa wenn ein gesehenes Gesicht einen Schmerz der Sehnsucht in der Hand auslöst). […] Solche Überkreuzungen der Sinne können in jede Richtung gehen. Wittgenstein spricht nicht nur von schönen visuellen Ereignissen, die Bewegungen in der Hand veranlassen, sondern […] über Musik, die, nachdem man sie gehört hat, ein geisterhaftes sub-anatomisches Ereignis in seinen Zähnen und im Zahnfleisch hinterlässt. Umgekehrt kann sich eine Berührung als akustisches Ereignis oder sogar als eine abstrakte Idee reproduzieren, so wie beispielsweise bei Augustinus, der jedes Mal, wenn er etwas Weiches berührt, an Musik und Gott zu denken beginnt.«60 Ferner steht der unfreiwillige inter-modale

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62 Ebd.

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61 Merleau-Ponty 1965, S. 267 (wie Anm. 46).

sinnliche Austausch häufig bei bewusstseinserweiternden Erlebnissen im Vordergrund, die durch wahrnehmungsverändernde Substanzen wie Drogen entstehen. Merleau-Ponty bemerkt in seiner Phänomenologie der Wahrnehmung: »Eine Versuchsperson unter Meskalineinfluß ergreift ein Eisenstück, klopft damit auf die Fensterbrüstung, und: ›Da haben wir die Magie‹: das Grün der Bäume wird heller. Das Bellen eines Hundes bringt auf unbeschreibliche Weise die Beleuchtung in Unruhe und zittert durch den rechten Fuß.«61 In einer Kritik der objektivistischen Wissenschaften, die sich auch auf objektivistische Reduktionen des Filmerlebens übertragen lässt, fährt der Philosoph fort: »Die synästhetische Wahrnehmung ist vielmehr die Regel, und wenn wir uns dessen selten bewußt sind, so weil das Wissen der Wissenschaft unsere Erfahrung verschoben hat und wir zu sehen, zu hören und überhaupt zu empfinden verlernt haben, vielmehr aus der Organisation unseres Körpers und der Welt, so wie die Physik sie auffaßt, deduzieren, was wir sehen, hören und empfinden müssen.«62 Wir können hinzufügen, dass wir uns auch deshalb nicht über synästhetische Wahrnehmungen bewusst sind, weil sie die Regel sind und wir uns schon so an die ständig ablaufenden inter-modalen Übersetzungen unserer sinnlichen Erfahrungen gewöhnt haben, dass sie, außer in sehr extremen Momenten, unsichtbar geworden sind. Exemplarisch für die gewöhnliche Ausprägung der Synästhesie ist beispielsweise die ganz normale Erfahrung beim Kochen, dass wir ein gerade gelesenes Rezept schmecken. Der Austausch zwischen dem visuellen Erfassen der abstrakten Sprache und seiner leiblichen Bedeutung bezeugt hier nicht nur eine unterschwellig wirkende Synästhesie, die eine solche Übersetzung ermöglicht, sondern zeigt wiederum »die subversive Kraft des Leibs[, die] teilweise in dessen Möglichkeit besteht, sowohl buchstäblich als auch im übertragenen Sinn zu wirken«. Meine Augen lesen das Rezept und verstehen es kognitiv, aber sie sind nicht von meinem Leib getrennt, der das Gericht schmecken kann – wenn auch in einem transformierten und irgendwie diffusen Akt der geschmacklichen Sinnmachung. Warum sollte es dann nicht möglich sein, viel intensiver an Babettes Fest (1987) von Gabriel Axel teilzunehmen? Und

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64 Lila Guterman: Do You Smell What I Hear? Neuroscientists Discover Crosstalk among the Senses. In: Chronicle of Higher Education (14.12.2001), A17.

65 Ebd.

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63 Lisa Schwarzbaum: Four-Star Feast. In: Entertainment Weekly (20.9.1996), S. 49–50.

inwiefern ist unsere Beschreibung des Festmahls in Alfonso Araus Bittersüße Schokolade (1994) sowohl buchstäblich als auch im übertragenen Sinn zu verstehen, wenn wir es als ein »Festmahl für die Augen« bezeichnen? In ihrer populären Besprechung von Stanley Tuccis und Campbell Scotts Big Night – Nacht der Genüsse (1996) macht Lisa Schwarzenbaum einige vergleichbare Beobachtungen: »Der Unterschied zwischen einem Film, in dem man das Essen nur bewundert, und einem, in dem man beginnt, das Essen wirklich zu lieben, entspricht dem Unterschied zweier Szenen bei Martin Scorsese. Er liegt zwischen dem Esstisch, der in Scorseses Zeit der Unschuld (1993) wie ein Stillleben präsentiert wird, und der Knoblauchzehe, die in seinem Good Fellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia (1990) so konzentriert in Scheiben geschnitten wird, dass man ihren scharfen Geruch praktisch einatmen kann. Im ersten Fall wird das Auge bewegt, im zweiten Fall werden alle fünf Sinne erregt.«63 Das ist nicht nur Rhetorik. Lassen wir die Philosophie einmal beiseite – auch jüngste Untersuchungen der Neurowissenschaften haben gezeigt, dass »die Grenzen zwischen den Sinnen unscharf sind«.64 Eine ganze Reihe von Experimenten hat weiterhin nicht nur bewiesen, dass der visuelle Cortex des Gehirns aktiviert wird, wenn Probanden mit verbundenen Augen Objekte mit ihren Fingern berühren; umgekehrt wurde auch ihre taktile Wahrnehmung eingeschränkt, wenn die Wissenschaftler ihren visuellen Cortex blockierten. Untersuchungen haben ferner gezeigt, dass das »Geruchszentrum im Gehirn das Sehen mit einbezieht«65, vor allem in Bezug auf die Wahrnehmung von Farben. Tatsächlich sind wir alle Synästheten – und deshalb kann das Sehen eines Films auch von der Erfahrung begleitet sein, dass man ihn berührt, schmeckt und riecht. Zusammengefasst bezeichnet das kinästhetische Subjekt den Filmzuschauer (und auch den Filmemacher), der mittels eines leibhaften, mit dem Wissen der anderen Sinne versorgten Sehens Sinn macht, und zwar so, was mit »einen Film sehen« gemeint ist: sowohl ›im Fleisch‹ als auch als Konstitution von Bedeutung. Merleau-Ponty schreibt, dass der sinnvoll-sinnlich gelebte Leib »ein durch und durch aus intersensorischen Äquivalenzen und Transpositionen bestehendes System ist. Die

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67 Ebd.

68 Zur Auseinandersetzung mit der materiellen und symbolischen Funktion der Kleider (und Berührungen) in Das Piano siehe Stella Bruzzi: Tempestuous Petticoats. Costume and Desire in The Piano. In: Screen 36.3 (1995), S. 257–266.

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66 Merleau-Ponty 1965, S. 274 (wie Anm. 46).

Sinne übersetzen sich in einander, ohne dazu eines Dolmetschs zu bedürfen, sie begreifen einander, ohne dazu des Durchgangs durch eine Idee zu bedürfen.«66 Also: Das kinästhetische Subjekt berührt die Filmleinwand und es wird von ihr berührt – fähig dazu, Sehen ohne einen Gedanken durch Berühren auszutauschen und umgekehrt, sowie dazu, durch sinnliche und inter-modale Prozesse einen Film als sowohl hier als auch dort zu erfahren, anstatt den Ort des filmischen Erlebens entweder auf die Leinwand oder vor der Leinwand festzulegen. Als gelebter Leib und Filmzuschauer unterläuft das kinästhetische Subjekt die vorherrschende Objektivierung des Sehens, die das sensorische Filmerlebnis entweder auf einen verarmten »filmischen Blick« reduziert oder magersüchtige Theorien der Identifikation formuliert, denen es nicht nur an Fleisch auf den Rippen fehlt, sondern die auch unfähig sind, ein »Festmahl für die Augen« zu verdauen. In einer Passage, die in diesem Zusammenhang als besonders relevant erscheint, äußert sich Merleau-Ponty zur Ver­netzung der Sinne, und zwar insofern sie uns einen Zugang zur reich­haltigen Struktur wahrgenommener Dinge ermöglicht und insofern sie die Gleichzeitigkeit der Zusammenarbeit der Sinne und des daraus gelieferten, fleischlichen Wissens verdeutlicht: »Die Form der Gegenstände ist nicht ihr geometrischer Umriß; sie hat einen wohlbestimmten Bezug zu ihrem je eigenen Wesen und spricht in eins mit dem Sehen unsere sämtlichen Sinne an. Die Form einer Falte im Leinen- oder Baumwolltuch macht uns die Geschmeidigkeit oder Sprödigkeit der Faser, die Kühle oder Wärme des Stoffes sichtbar. In der Schwingung des Zweiges, von dem ein Vogel fortfliegt, sehen wir seine Biegsamkeit und Elastizität […]. Wir sehen, die ›Schwere des eisernen Gewichts, das sich in den Sand einbohrt‹, die Flüssigkeit des Wassers, die Zähflüssigkeit des Sirups.«67 (Beim Zitieren dieser Passage erinnere ich mich an Das Piano und meine leibliche Reaktion auf die feuchte Schwere, verursacht von Adas Rocksaum und Stiefeln, wenn sie vom schlammigen Morast des Waldes angesogen werden; später, als sie versucht, sich zu ertränken, das Reißen in meiner Eigenwahrnehmung, verursacht durch die schweren, voluminösen Schichten nasser Kleider und Unterröcke.68) Seine Ausführungen zur Inter-Modalität der Sinne fortfüh-

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70 Ebd.

71 Grosz 1993, Fußnote 14, S. 56 (Hervorhebung V.S; wie Anm. 51).

III Das führt uns zurück zu der Frage nach der spezifischen Beschaffenheit des Verhältnisses zwischen dem Leib und filmischer Repräsentation, zwischen dem Buchstäblichen und dem Über­ tragenen. Für meine gesamte Argumentation – bezüglich der inter-modalen Kommunikation unserer Sinne und bezüglich der synthetischen Fähigkeit des gelebten Leibs, die sowohl unser Sensorium als auch unser Sprachvermögen umfasst – ist es phänomenologisch – und logisch – evident, dass ich das Kino

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69 Merleau-Ponty 1965, S. 269 (wie Anm. 46).

rend, schreibt Merleau-Ponty: »Als unvergleichbare Qualitäten genommen, gehören die Gegebenheiten der verschiedenen Sinne ebensovielen verschiedenen und getrennten Welten zu; insofern aber eine jede ihrem eigensten Wesen nach eine Weise der Modulation der Dinge ist, kommunizieren sie sämtlich miteinander durch ihren Bedeutungskern.«69 Dieser »Bedeutungskern« ist natürlich der gelebte Leib: dieses Feld eines bewussten und sinn­vollen materiellen Daseins, auf dem Eindrücke gesammelt, zusammengefasst und in Form einer vorlogischen Bedeutung verteilt werden, die, selbst wenn sie diffus ist, einen ›Zusammenhang‹ besitzt. Aus Sicht des Philosophen deshalb: »Mein Leib ist die allen Gegenständen gemeinsame Textur, und zumindest bezüglich der wahrgenommenen Welt ist er das Werkzeug all meines ›Verstehens‹ überhaupt.«70 Während jeder einzelne Sinn also eine diskret strukturierte Form des Zugangs zur Welt zur Verfügung stellt, ist er immer schon interaktiv und »vertauschbar, zumindest innerhalb gewisser Grenzen, auf dem Terrain der anderen« – und zwar deshalb, weil »sie die Sinne ein und desselben Subjekts sind, die gleichzeitig in einer gemeinsamen Welt operieren.«71 Wir können daher sagen, dass es der gelebte Leib (sowohl als bewusstes Subjekt als auch als materielles Objekt) ist, der die (vor-) logischen Voraussetzungen und das Fundament des kinästhetischen Subjekts bildet; des kinästhetischen Subjekts, das sich beim Kinoerlebnis in Bezug auf den Ort mehrdeutig konstituiert: sowohl hier, vor der Leinwand, als auch dort, auf der Leinwand. In der Tat ist es die körperliche Grundierung im Bewusstsein des Zuschauers, zu der eine jede Theorie des Film­ verstehens zurückkehren muss.

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72 Leonard Maltin: Rezension von Eat Drink Man Woman. In: Cinemania 96, CD-ROM, Microsoft, 1992–95.

nicht auf dieselbe Weise berühre und auch mich das Kino nicht so berührt, wie es bei anderen Menschen oder Dingen, ohne Vermittlung durch den Film (oder andere Wahrnehmungstechnologien), der Fall ist. Auch wenn mir der Atem stockt und ich meinen Kinosessel fest umklammere – beim Schauen von Speed habe ich nicht denselben wilden Ritt, wie ich ihn hätte, wenn ich wirklich in einem rasenden Bus säße. Es ist auch etwas anderes, ob ich die in Bittersüße Schokolade zu sehenden köstlichen Speisen rieche, schmecke, verdaue (oder die Rezepte dazu in meinem Kochbuch lese) oder ob ich sie direkt, ohne filmische Vermittlung, vor mir auf dem Tisch stehen habe. Was bedeutet das nun aber für unser Kinoerlebnis? Was bedeutet das für uns als Film­ theoretiker? Sind wir dazu verdammt, unsere sinnliche Teilhabe am Kino als eine bloße Verwechslung zu verstehen – unsere körperlichen Reaktionen auf, wie Dyer es formuliert, einen »irgendwie unklaren Grund des ›Als-ob‹« zurückzuführen? Und Dyer ist hier nicht allein: Wenn wir zu jenen populären Rezensionen am Anfang meines Essays zurückkehren, finden wir seine Unsicherheit und Ambivalenz wieder, wenn auch weniger reflektiert. »Fast« sei in Das Piano »das Salz in der Luft zu schmecken«, wie ein Rezensent schreibt; gleichzeitig ist von einer »unmittelbaren taktilen Erschütterung« die Rede. Der Rezensent von Toy Story beschreibt die Tyrannosaurus Rex-Puppe als »so glänzend und greifbar«, »dass der Eindruck entsteht, als müsse man bloß den Arm ausstrecken, um ihren harten, leuch­ tenden Kopf streicheln zu können«; gleichzeitig sagt er, der »wächserne Schimmer der grünen Uniformen« der Spielzeug­ soldaten stimme einen »Proustschen Klang der Erinnerung« an und legt damit nahe, dass es eine Sinnerinnerung gebe, die weniger mit reflektierten Gedanken als mit wiederholter Erfahrung zu tun habe. Diese komplexe Ambivalenz und Verwirrung über die buchstäbliche und die übertragene Natur unserer sinnlichen Teilhabe am Film kommen besonders verdichtet in einer Kritik von Ang Lees Eat Drink Man Woman (1994) zum Ausdruck, in der es heißt: »Die Darstellung des Essens auf der Leinwand ist in jedem Sinne des Wortes köstlich.«72 Hier wird das filmische Essen nicht als repräsentiert erfahren, vielmehr ist es wirklich präsent. Darüber hinaus wird es als »köstlich« sowohl buch­stäblich

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74 Ich habe mich bewusst für den Begriff »unentschiedenes Schwanken« und gegen den Begriff »oszillieren« entschieden, um gegenüber dem strengen Sinn des Wechsels einen weniger binären und regulären Sinn hervorheben zu können. Siehe hierzu James Elkins: On Pictures and the Words That Fail Them. Cambridge 1998. Elkins zitiert Rosalind Krauss’ Arbeit über das Formlose, wenn er schreibt: »Das Formlose (informe) […] ist eine ›Störung […] in der Modalität der Veränderung, der Ambivalenz‹ so dass eine stabile Unterscheidung zwischen Figur und Grund oder irgendeiner anderen Paarung von sich ›abwechselnden‹ Gegensätzen nicht länger möglich ist. Nichts ist sicher, die Formen und Figuren schwanken unentschieden oder schimmern eher, als dass sie in einer stetigen Bewegung oszillieren. Das Formlose (informe) ist ein Prinzip, dass gegen Begriffe wie Antinomie, Binarität, Opposition, Struktur und letztlich gegen die Figur selbst gerichtet ist.« (S. 106).

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73 Ricoeur 2004, S. 295 (wie Anm. 32).

»in jedem Sinn« als auch übertragen in jedem Sinn »des Wortes« erlebt. In Die lebendige Metapher schreibt der Philosoph Paul Ricoeur: »Wenn es einen Moment unserer Erfahrung gibt, in dem der lebendige Ausdruck die lebendige Erfahrung ausdrückt, so ist es derjenige, in dem die Bewegung, mit der wir, in Gegenrichtung zur Sprachentropie aufsteigend, mit der Bewegung zusammentreffen, durch die wir die Unterscheidung zwischen Verwirklichung (Akt), Handlung, Herstellung und Bewegung zurücknehmen.«73 Es ist klar: Die ambivalenten Äußerungen über die sinnlichen Erfahrungen unseres gelebten Leibs im Verhältnis zur filmischen Repräsentation markieren einen ebensolchen Moment. Deshalb möchte ich die Ambivalenz und die Verwirrung genauer betrachten, die sich ergeben, wenn man sowohl ein »reales« (oder buchstäbliches) sinnliches Erlebnis als auch ein (übertragenes) sinnliches Erlebnis aus dem ›Als-ob‹ hat. Zudem möchte ich zeigen, dass diese Ambivalenz eine präzise phäno­ menologische Struktur aufweist, die in der nichthierarchischen Reziprozität und der Figur-Grund-Umkehrbarkeit des Sinn-Habens und Sinn-Machens begründet ist – womit gemeint ist, dass Sinn sowohl als eine leibhafte Sache als auch als eine bewusste Bedeutung konstituiert wird, wobei beide gleichzeitig (wenn auch in unterschiedlichen Verhältnissen) aus dem einen System des Fleisches und des Bewusstseins, das der gelebte Leib ist, hervorgehen. Anders gesagt: Körper und Sprache (ob Filmsprache oder ›natürliche‹ Sprache) können weder einfach einander entgegensetzt werden, noch reflektieren sie sich gegenseitig. Vielmehr in-formieren sie sich aufgrund ihres fundamental nichthierarchischen und umkehrbaren Verhältnisses auf eine noch viel radikalere Art und Weise – es handelt sich um ein Verhältnis, das sich unter gewissen Umständen als unentschieden schwankende, ambivalente, in ihrer Mehrdeutigkeit oft undifferenzierte und deshalb ›unbenennbare‹ oder auch ›unentscheidbare‹ Erfahrung manifestiert.74 Wie könnte man dann verstehen, was mit der Wendung »in jedem Sinn des Wortes« gemeint ist? Und was, wenn wir unsere sinnlichen Reaktionen im Kino im gleichen Atemzug – und in den meisten Fällen im gleichen Satz – als »real« und »als ob sie real

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75 Umberto Eco nutzt den Begriff »Zeichen-Träger«, um ihn vom Signifikat oder der Bedeutung zu unterscheiden. Der Begriff scheint mir viel sinnvoller zu sein als der Begriff des Signifikanten, weil er uns an die aktive und verschiedenartige Materialität der ›Sachen‹ erinnert, durch die Inhalt und Bedeutung aktiv vermittelt werden. Siehe Umberto Eco: A Theory of Semiotics. Bloomington 1976, S. 52–54. (In der deutschen Übersetzung geht dieser Hinweis auf die Materialität der ›Sachen‹ verloren, da »sign-vehicle« hier nicht als »Zeichen-Träger«, sondern als »Signifikant« übersetzt wird. Siehe Umberto Eco: Semiotik. Entwurf einer Theorie der Zeichen. München 1987, S. 80–86; Anm. des Übers.)

wären« beschreiben? Und was bedeutet es, wenn ich ein »Wortspiel« verwende und unsere tatsächlichen Leiber als »Dinge voller Sinn« und unsere übertragenen Repräsentationen als »sinnvolle Dinge« beschreibe? Hervorgehoben in diesen Artikulationen – die in der und durch die Sprache erreicht werden – ist die chiastische Struktur der Umkehrbarkeit, die zwischen Leib und Bewusstsein sowie zwischen Leib und Repräsentation existiert, diese einander aber auch gegenüberstellt. Ob man diese Erfahrung nun als »widersprüchliches Schwanken zwischen« oder als »mehrdeutige Verschmelzung« von dem Realen mit dem ›Als-ob‹-Realen oder von dem gelebten Leib (dem »Ding voller Sinn«) mit der Repräsentation (dem »sinnvollen Ding«) betrachtet – die Erfahrung der fundamentalen Umkehrbarkeit von Leib und Sprache wird in aller Tiefe gefühlt, häufig auch formuliert; sie führt zu jenen unbenennbaren und unentscheidbaren Beschreibungen, die nichtsdestotrotz sehr deutlich den mehrdeutigen und ambi­ valenten Moment ausdrücken, an dem »wir, in Gegenrichtung zur Sprachentropie aufsteigend, mit der Bewegung zusammentreffen, durch die wir die Unterscheidung zwischen Verwirklichung (Akt), Handlung, Herstellung und Bewegung zurücknehmen«. In dieser Hinsicht ist das Wortspiel, das in den populären Rezensionen, in Dyers Kommentar und meinen eigenen phänomenologischen Beschreibungen am Werk ist, sehr präzise und aufgrund der Struktur und des Sinnes von inkarniertem Erleben auch empirisch begründet. In der Tat hilft es nicht nur dabei, das enorme Ver­mögen der Sprache, etwas Gemeintes zu äußern, zu verstehen, sondern auch dabei, die Struktur unserer bedeutungsvollen Erfahrung aufzuzeigen. Es könnte sein, dass das chiastische Verhältnis, in dem der subjektive Sinn des im Fleisch verankerten Erlebens und der objektive Sinn der Repräsentation als umkehrbar – einmal ist das eine Figur und das andere Grund, ein anderes Mal umgekehrt – wahrgenommen und damit als vereinbar sowie unvereinbar werden, vom Medium des Kinofilms besonders hervorgehoben und privilegiert wird. Das liegt daran, dass das Kino die ›gelebten Modi‹ des wahrnehmenden und sinnlichen Erlebens (Sehen, Bewegung und Hören sind die vorherrschenden) als »Zeichen-Träger« der Repräsentation verwendet.75 Solche

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76 Stern 1997, S. 356–357 (wie Anm. 15).

gelebten Modi nutzend, existiert das Kino als ambivalente und mehrdeutige Sinnes- und Wahrnehmungsstruktur. Folglich repräsentiert das Kino ein Erlebnis durch dynamische Präsentation (die von Verben – ›Tätigkeitswörtern‹ – getriebene und andauernde Gegenwartsform sinnlicher Wahrnehmung, die den techno­logisch vermittelten Film konstituiert und uns wie auch sich selbst er­möglicht) – gleichzeitig präsentiert es ein Erlebnis als Repräsen­ tation (die nachträgliche Beständigkeit der bereits wahrgenommenen und jetzt ausgedrückten Bilder, die in der hier verwendeten Analogie der Nominalform entspricht). Obwohl ich in diesem Abschnitt meines Essays bisher die Vereinbarkeit von Körper und Repräsentation hervorgehoben habe – in Opposition zur vorherrschenden Theorie, die so lange auf ihrer Unverein­ barkeit beharrt hat –, möchte ich Letztere zumindest als Möglichkeit auch nicht leugnen – insbesondere nicht bezüglich des Filmerlebens. Lesley Stern hat sich aus einer anderen Perspektive mit dieser Unvereinbarkeit auseinandergesetzt und dabei das Unheimliche im Kino – und des Kinos – als eine Erfahrung der Trennung gefasst: der Trennung des gelebten Leibs des Betrachters von der filmischen Repräsentation: »Während das Kino ein bestimmtes körperliches Wissen anspricht, öffnet es gleichzeitig die Erkenntnis für eine eigenartige Form des Nicht­ wissens, für eine Art körperliche Aphasie, einen Abstand, der zuweilen als ein schreckliches Gefühl in der Magengrube oder auch als euphorische Erhebung wahrgenommen wird. […] Diesen Spannungen entspringen ganze Serien von Differenzen, Lücken oder Diskontinuitäten zwischen Wissen und Fühlen, welche sich manches Mal zu einem Gefühl von Unheimlichkeit zuspitzen.«76 Wie auch immer, ein solches Gefühl von Unheim­lich­keit kommt viel zu selten vor, als dass es als viel notwendigere und­ kontinuierliche Grundierung unserer Existenz markiert werden könnte. Wissen und Fühlen sind darin für gewöhnlich nicht voneinander unterschieden – im Allgemeinen wird beides als miteinander vereinbar gelebt. Zweifelsohne liegt das daran, dass wir als bewusste und im Fleisch verankerte, sinnhafte und Sinn-machende Subjekte auch systemisch einverleibt sind. Es ist in der Tat ein undifferenziertes Erleben von Sinn, das Leib und

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78 Ricoeur 2004, S. 287 (wie Anm. 32).

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77 Alphonso Lingis: Bodies That Touch Us. In: Sense and Sensuousness. Merleau-Ponty, special issue. Thesis Eleven 36 (1993), S. 162.

Sprache, Fühlen und Wissen begründet und miteinander verbindet – in unserem Erleben ist ihre Übereinstimmung so selbstver­ ständlich, dass eine plötzliche Abweichung als frustrierend oder unheimlich, in extremen Fällen sogar als pathologisch bezeichnet wird. Diese vertraute Verbindung von gelebtem Leib und Reprä­ sentation hervorhebend, schreibt Alphonso Lingis: »Mein Leib als die innere Sphäre, in der Repräsentationen wahrgenommen werden […] und mein Leib als Bild, das im Zurückspringen von der Welt gesehen wird, schreiben sich ineinander ein. […] Die Dichte des Leibs ist ›vor-dinglich‹, sie wurde noch nicht in Realität oder in Illusion ausdifferenziert. […] [Der Leib] ist ein Bezirk der Signifikanten.«77 Ricoeur unterstreicht diese vertraute Verbindung von gelebtem Leib und Repräsentation, wenn er schreibt, dass die Sprache nicht nur »ihr anderes« bezeichne, sondern auch »sich selbst« – und indem sie diese Kennzeichnung vornimmt, agiere sie nicht nur referentiell, sondern auch radikal reflektiert, da sie »das Wissen von ihrem Bezogensein auf das Sein« in sich trage. Ricoeur fährt fort: »Durch dieses reflexive Wissen weiß die Sprache, daß sie im Sein steht. Sie kehrt ihre Beziehung zu ihrem Referenten so um, daß sie sich selbst als Zur-Rede-Kommen des Seins, von dem sie handelt, auffaßt. Dieses reflexive Bewußtsein schließt keineswegs die Sprache in sich selbst ein; es ist gerade das Bewußtsein ihrer Offenheit.«78 Insofern wir sowohl inkarniert als auch bewusst sind, insofern wir Sinn haben und machen, informieren sich das Buchstäbliche und das Metaphorische gegenseitig – wie sie auch uns informieren. Die »Dinge voller Sinn« und die »sinnvollen Dinge« entspringen jenem wechselseitigen und umkehrbaren Figur-Grund-Verhältnis, also dem gelebten Leib, der einen Sinn von der Welt hat und einen Sinn im Wort macht. Auf diese Weise klingt in der (über­tragenen) Wendung »in jedem Sinn des Wortes« Mehrdeutigkeit an, und in ihrem »Wissen von ihrem Bezogensein auf das Sein« schlägt sie reflexiv ihre eigene Umkehrung zur (buch­ stäblichen) Wendung »in allen Worten der Sinne« vor – ohne einen Bezug oder eine Reflexion zu verlieren, selbst dann, wenn sich der Fokus verschiebt oder die Betonung verändert. Unser Erleben von Filmen im Fleisch ist dann also eine Erfahrung des Sehens, Hörens, Berührens, Bewegens, Schmeckens und

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79 Zu relevanten Fragen der Mimesis siehe Shaviro 1993, S. 52–53 (wie Anm. 22). Michael Taussig: Mimesis und Alterität. Eine eigenwillige Geschichte der Sinne. Konstanz 2014. Taussig versteht unter »Mimesis« eine körperliche Aktivität, die keine Übersetzung in einen bewussten Gedanken benötigt, um verwirklicht oder verstanden zu werden. Über dieses leibliche Einfühlungsvermögen im Verhältnis zu Körpern und Objekten auf der Leinwand siehe auch Williams 1991 (wie Anm. 20).

Riechens, in der unser Sinn für das Tatsächliche und das Übertragene in ein unentschiedenes Schwanken geraten kann und zuweilen als unheimliche Diskontinuität wahrgenommen wird. Für gewöhnlich aber konfigurieren sich Sinn und Bedeutung darin einvernehmlich – wenn auch in spezifischer Art und Weise. Obwohl ich Adas Beine in Das Piano nicht in vollem Umfang durch ihre Strumpfhose berühren kann, obwohl mir der frische Geruch und die Wärme der Wäsche, die ich in Louis Malles Pretty Baby (1978) sehe, vage bleibt, obwohl ich die Schweine-Nudelsuppe, die ich im liebevollen Close-Up in Tampopo sehe, nicht genau schmecken kann, habe ich doch ein teilweise erfülltes sinnliches Erlebnis dieser Dinge, das mir diese verständlich und bedeutungsvoll macht. Wenn auch die intentionalen Objekte meines Kino­erlebens durch mich nicht vollkommen realisiert und in einer – außerhalb des Kinos ganz anders strukturierten – sinnlichen Aufteilung erfasst werden, so habe ich doch ein reales sinnliches Erlebnis; ein sinnliches Erlebnis, das weder auf die Befriedigung bloß zweier meiner Sinne noch auf sinnliche Analogien oder Metaphern reduziert werden kann, welche nachträglich durch kognitive Operationen des bewussten Denkens konstruiert wurden. Die drängende Frage lautet hier natürlich, welche Art ›unterschiedliche‹ sinnliche Erfüllung wir im Kino erleben? Wie also ist eine solche Erfüllung strukturiert, und wie kommt es, dass wir Filme tatsächlich nicht bloß als eine Reduktion unseres sinnlichen Daseins, sondern auch als dessen Erweiterung erleben? Im Kino (wie andernorts) ist mein gelebter Leib zuallererst als sinnliche und Sinn-machende Potentialität in Bereitschaft. Auf die Leinwand gerichtet, nimmt mein »Körperschema« oder mein intentionales Verhalten die Form einer mimetischen Sympathie mit (oder eines ängstlichen Zusammenfahrens vor) dem an, was ich sehe und höre.79 Wenn ich mich von dem Gesehenen angesprochen fühle, strömt meine Intentionalität in Richtung jener Welt auf der Filmleinwand und hinterlässt ihre Spuren nicht nur in meiner bewussten Aufmerksamkeit, sondern auch in meiner leiblichen Anspannung: einmal offenkundig, ein andermal subtil, aber immer in einer dynamischen Aufladung, Neigung und Anordnung meines materiellen Daseins. Doch da ich eine bestimmte, mein sinnliches Begehren hervorrufende Figur auf der

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80 Auch wenn Merleau-Ponty hier eine bewusster reflexive Erfahrung unseres gelebten leiblichen Vermögens, sich sinnvoll als gelebten Leib wahrzunehmen, untersucht , als die reflexive Erfahrung während des Kinoerlebnisses, sind seine Erörterungen hier dennoch hilfreich, um zu verstehen, inwiefern unsere sinnlichen Erregungen auf sich selbst »zurückgewendet« werden können, um die sinnliche Wahrnehmung so einerseits zu intensivieren und andererseits ihren konkreten Inhalt zu zerstreuen. (Es handelt sich um einen Aspekt der Wahrnehmung bezüglich unseres Filmerlebens, auf das ich in Kürze zurückkommen werde.) Merleau-Ponty schreibt: »Es gibt einen Bezug meines Leibes zu ihm selbst, die ihn zum vinculum meiner selbst und der Dinge macht. Wenn meine rechte Hand meine linke berührt, empfinde ich sie als ein ›physisches Ding‹, aber im selben Augenblick tritt, wenn ich will, ein außerorden­tliches Ereignis ein: Auch meine linke Hand beginnt meine rechte Hand zu empfinden […]. Ich berühre mich also berührend, mein Leib vollzieht ›eine Art Reflexion‹. In ihm, durch ihn besteht nicht nur eine Beziehung in einer Richtung, von dem der fühlt, zu dem, was er fühlt: Das Verhältnis kehrt sich um, die berührte Hand wird zur berührenden, und ich muß sagen, daß das Berühren hier im ganzen Leib verbreitet ist und daß der Leib ›empfindendes Ding‹, ›subjektives Objekt‹ ist.« Maurice Merleau-Ponty: Der Philosoph und sein Schatten. In: Maurice Merleau-Ponty: Zeichen. Hamburg 2007, S. 243.

Leinwand nicht wirklich berühren, riechen oder schmecken kann, wird die intentionale Ausrichtung meines Leibs – auf der Suche nach einem sinnlichen Objekt, das die sinnliche Leerstelle füllen könnte – seine Richtung ändern, um den teils frustrierten sinnlichen Zugriff auf etwas tatsächlich Zugängliches zu richten. Dieses tatsächlich erreichbare sinnliche Objekt ist mein eigener, subjektiv gefühlter, gelebter Leib. Das bedeutet, dass ich mich »im Zurückspringen« von der Leinwand – ohne einen Gedanken – reflexhaft meinem eigenen leiblichen, sinnlichen und sinn­ vollem Sein zuwende, um mich berührend zu berühren, riechend zu riechen, schmeckend zu schmecken – das heißt zusammen­ gefasst, meine eigene Sinnlichkeit zu empfinden.80 Sicherlich, diese Empfindungen und das sinnhafte ­ Erleben meiner Sinnlichkeit im Kino sind, im Vergleich mit einem direkten sinnlichen Erleben, auf die eine oder andere Weise reduziert – das liegt daran, dass mein sinnliches Erfassen meines filmischen Objekts des Begehrens nur teilweise erfüllt wurde. Etwas anders, jedoch ebenso gewiss wird das sinnhafte Erleben meiner Sinnlichkeit beim Betrachten eines Films – verglichen mit direktem sinnlichen Erleben – auch gesteigert. Das rührt daher, dass mein nur zum Teil erfülltes sinnliches Erfassen nicht in der Realisierung des Objekts, sondern durch meinen Eigenleib vollendet wird. Mein sinnliches Erfassen wird hier reflexiv verdoppelt, da ich, im Zurückspringen von der Filmleinwand, nicht nur zu der Berührenden geworden bin, sondern zugleich auch zur Berührten. (Diese sinnliche Steigerung, in welcher der Leib seine eigene Sinnlichkeit – ohne zu denken – reflexiv reflektiert, entspringt der direkten und intensivsten Verbundenheit, in welcher wir ›uns fühlend fühlen‹: etwa wenn wir bei einem wunderbaren Gericht oder einem außergewöhnlichen Wein uns reflektierend schmecken, wie wir schmecken; oder wenn wir uns bei großartigem Sex im Fühlen unseres Fühlens verlieren.) Weil unser Bewusstsein während des Filmerlebens nicht auf unseren eigenen Leib gerichtet ist, sondern auf die Welt des Films, verfangen wir uns ohne jeden Gedanken (insofern diese ›woanders‹ sind), in dieser unentschieden schwankenden und umkehrbar sinnlichen Struktur, die den Sinn unseres tat­ sächlichen Leibs von dem Sinn der übertragenen, auf der Leinwand

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81 Man kann hier an eine ganze Reihe von Zuständen denken: wenn wir beispielsweise aufhören zu weinen, sobald wir uns über das Weinen bewusst werden; die Unmöglichkeit, uns selbst zu kitzeln; unser eigenes Lachen erscheint uns künstlich, sobald wir uns in einem Akt des Selbst-Bewusstseins selbst lachend wahrnehmen. Man versteht so auch, warum das sexuelle Begehren während der Masturbation ›fremdbestimmt‹ sein muss, das heißt warum das masturbierende Selbst ein anderes Objekt als sich selbst braucht, um jene Reflexivität zu vermeiden, die ihm in einer Verdopplung das sexuelle Begehren selbst bewusst machen würde.

zu sehenden Leiber und Dinge unterscheidet, beide aber auch miteinander verbindet. Innerhalb dieser Struktur wird das Erleben meines Sensoriums gesteigert und intensiviert und zugleich als allgemein und diffus wahrgenommen. Sprich: Wenn mein gelebter Leib sich während des Films selbst sinnlich erlebt, werden die spürbaren Eigenschaften der filmischen Repräsentationen, die mich sinnlich ansprechen (das Gewicht und das etwas kratzende Gefühl eines Wollkleids, die Weichheit eines Steins, die Beschaffenheit und Elastizität der Haut eines anderen Menschen), nur auf eine vage und diffuse Art wahrgenommen. Weil es aber ganz bestimmte filmische Objekte sind, die mich erregen und denen sich mein intentionales Interesse zuneigt, vermindert die Zer­ streuung bestimmter sinnlicher Eigenschaften dieser Objekte nicht zugleich die sinnliche Intensität meiner Reaktion auf sie. Das heißt, wenn ich von Dingen, die woanders sind (nämlich auf der Filmleinwand, wo meine Sinne sie teilweise erfassen), erregt, affiziert und bewusst bei ihnen verortet bin, konzentriere ich mich nicht auf die Sinnlichkeit meines eigenen Leibs. Im Zurückspringen meiner unerfüllten leiblichen Intentionen, Dinge auf der Leinwand vollständig zu spüren, jedoch diesen gegenüber weiterhin bewusst intentional und diese auch teilweise fühlend, wird mein Sinn meiner eigenen, tatsächlichen und bestimmten Eingebundenheit recht allgemein und diffus sein – obgleich dieser möglicherweise sehr intensiv ist. (Die Form der ›Selbstberührung‹, von der ich hier spreche – eine Berührung, deren ›Fremd­ bestimmung‹ bewusst ist –, ist in ihrer Struktur also verschieden von den Formen bewusster Selbstberührung, bei denen sowohl der eigene Körper als auch das eigene Bewusstsein selbstbestimmt sind; in dieser zweiten Art der Reflexivität wird die verdoppelte Intention und Aufmerksamkeit sich selbst gegenüber häufig so stark reflektiert, dass die fleischliche Lust trotz auto-erotischer Ziele ausgelöscht werden kann.)81 Zusammengefasst bedeutet das, dass meine auf die Leinwand gerichtete Intention in diffuser Weise auf mich zurückspringt, um letztlich meinen Leib gegenüber einer Sinnlichkeit »zu öffnen«, die sowohl tatsächlich als auch im übertragenen Sinne operiert. Beim Sehen von Das Piano beispielsweise strömte das Begehren meiner Haut nach Berührung der Leinwand entgegen, um auf sich

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selbst zurückzuspringen, von dort zur Leinwand zurückzukehren und dann dieses Hin und Her unzählige Male zu wiederholen. In diesem Prozess wird meine Haut tatsächlich und auf eine sehr intensive Weise für die Textur und Taktilität der Dinge sensibilisiert, die auf der Leinwand dargestellt sind; aber es sind weder die Taft- und Wollkleider Adas noch die – von mir tatsächlich getragene – Seidenbluse, die ich auf der Oberfläche meiner Haut spüre. Einerseits kann ich die Taft- und Wollkleider nicht wirklich berühren, obwohl ich durch das inter-modale Begreifen sehr wohl fähig bin, ihre Textur und ihr Gewicht auf diffuse Art zu fassen. Und obwohl ich über die Fähigkeit verfüge, die spezifische Beschaffenheit und das Gewicht meiner Seidenbluse wirklich zu spüren, ist andererseits mein taktiles Begehren auf die Taft- und Wollkleider der Leinwand gerichtet; derart intendierend, fühle ich die Seide auf meiner Haut dann auch nur teilweise und diffus. Mehr noch: In dieser ungedachten leiblichen Bewegung eines unaufhörlich nach hier und dort springenden Stroms taktilen Begehrens wird mein Tastsinn – der von der teilweisen Erfüllung auf der und vermittelt durch die Leinwand zurückspringt auf die partielle Erfüllung in und durch meinen eigenen Leib – intensiviert. Meine Haut wird auf extreme, wenn auch ganz allgemeine Weise sensibilisiert. Tatsächlich haben mich der reflexive und reflektierte Austausch sowie die Ausströmung meines Tastsinns in das Reale und in die Repräsentation für all die Stoffe und Materialien geöffnet – in der Tat hat sich die wirkliche Berührung eines bestimmten Stoffs auf meiner Haut in die Berührung einer allgemeinen und zutiefst umfassenden Sache verwandelt. Ich kann nicht oft genug hervorheben, dass die leibliche Reflexivität, um die es mir hier geht, nicht bewusst reflektiert wird. Tatsächlich wird sich das kinästhetische Subjekt während des sinnlichen Kinoerlebens seines tatsächlichen Leibs (oder seiner Kleidung) zumeist nicht denkend bewusst, noch wird es aufgrund des wahrgenommenen Bruchs mit den übertragenen Leibern oder Geweben aus Stoff auf der Leinwand wirklich unsanft in seinen Kinosessel zurückgestoßen. Vielmehr fühlt das kinästhetische Subjekt seinen tatsächlichen Leib als nur eine Seite einer irreduziblen und dynamischen relationalen Struktur der Umkehrbarkeit und Wechselseitigkeit, die ihre andere Seite in den es ansprechenden

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repräsentierten Objekten hat. Diese relationale Struktur kann natürlich abgelehnt oder gebrochen werden – was tatsächlich häufig dann geschieht, wenn das sinnliche Erleben zu intensiv wird oder in eine Unlusterfahrung umschlägt. Aber wenn man das Kino verlässt oder sich die Augen zuhält, weil man sich wirklich unwohl fühlt, dann geschieht das so gut wie nie aufgrund rationaler Schlüsse. Vielmehr handelt es sich um eine reflexhafte Schutzhandlung, die das wechselseitige und umkehrbare Verhältnis des wirklichen Leibs zu den Objekten auf der Filmleinwand bezeugt; so weit zumindest, bis das dichte, allerdings auch diffuse Erleben sowohl leibhaft als auch bewusst Bedeutung erhält – ein Erleben, das, wie Lingis anmerkt, »noch nicht in Realität oder in Illusion ausdifferenziert« wurde. Weil ich den Vorgang zu intensiv an meinem und ihrem Leib gespürt hätte (wobei beide Leiber gewissermaßen mir gehörten), konnte ich beim Sehen von Das Piano zum Beispiel wirklich nicht ertragen, dabei zuzuschauen, wie Stewart Adas Finger im Film mit der Axt abschlägt. Ich verkroch mich deshalb nicht nur in meinen Sessel, sondern verdeckte auch meine Augen mit meinen Fingern, die – eher in einer Art Dringlichkeit als aufgrund eines klaren Gedankens – die bevorstehende Gewalttat wiederum vorhersahen.

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IV Wir sollten uns hier noch einmal an Lingis’ Formulierung erinnern: »Mein Leib als die innere Sphäre, in der Repräsentationen wahrgenommen werden […] und mein Leib als Bild, das im Zurückspringen von der Welt gesehen wird, schreiben sich ineinander ein.« Sowohl Leib als auch Sprache bzw. Metapher informieren einander in einer wechselseitigen und reflexiven intentionalen Struktur. Nachdem wir also die tatsächlichen und leibhaften Aspekte der übertragenen Redewendung »in jedem Sinn des Wortes« erörtert haben (»übertragen«, da wir ›wissen‹, dass Worte nicht wirklich über Sinne verfügen), müssen wir nun auch die übertragenen und darstellenden Aspekte der Redewendung in der wörtlichen Bedeutung untersuchen, die sich aus ihrer Umkehrung zu »in allen Worten der Sinne«

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83 Hubert G. Alexander: The Language and Logic of Philosophy. Albuquerque 1967, S. 92.

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82 Siehe außerdem die Arbeit des Soziologen Jack Katz, der bezüglich der metaphorischen Beschreibung schreibt: »Es ist das Erlebnis des Subjekts und nicht die Analyse, die damit beginnt, Elemente der Metapher überhaupt einzuführen.« Jack Katz: How Emotions Work. Chicago, S. 299.

ergibt. (»buchstäblich«, weil wir ›wissen‹, dass Worte tatsächlich die Sinne beschreiben). Gewiss zielten meine Ausführungen in diesem Essay darauf, dass die sinnliche Sprache, die die meisten Menschen (und sogar einige Filmtheoretiker) benutzen, um ihre filmischen Erlebnisse zu schildern, nicht notwendig und ausschließlich metaphorisch ist – daher habe ich mich oben auf Lakoffs, Johnsons und Cytowics Arbeiten zu den körperlichen Grundlagen der Metapher bezogen.82 Nun möchte ich aber noch etwas weiter gehen und vorschlagen, dass »alle Worte der Sinne«, die so oft benutzt werden, um Filmerlebnisse zu beschreiben, nicht meta­phorisch sind. Zunächst beschreibt die traditionelle Rhetorik Metaphern als aus einem hierarchischen Verhältnis zwischen einem erst- und einem zweitrangigen Kontext des Sprachgebrauchs hervorgehend: Ein Wort wird als buchstäblich verstanden, solange es innerhalb eines normativ gewohnten Kontexts benutzt wird. Dasselbe Wort wird nur dann als übertragen oder meta­ phorisch verstanden, wenn es in einem ungewohnt erweiterten Sinn und in einen anderen Kontext überführt Verwendung findet (tatsächlich bedeutet das Wort »Metapher«: darüber hinaus getragen).83 Wenn wir uns nun einig sind, dass es der gelebte Leib ist, der den normativen Grund und den Kontext für unser Erleben liefert und der von Anfang an als ein synästhetisches System operiert, in dem die verschiedenen Sinne zusammen­ arbeiten und in dem jeder Sinn austauschbar in Wechselseitigkeit und Umkehrbarkeit mit den je anderen steht; wenn wir uns also darüber einig sind, dann kann man nicht behaupten, dass es in der undifferenzierten Sinnlichkeit des Filmerlebens eine klare Hierarchie der Kontexte gäbe – die aber die Struktur und die Funktion von Metaphern bedingt. Das heißt: Wenn wir »Sehen« erst einmal als einen Prozess verstanden haben, in dem der Sehsinn von den anderen Sinnen informiert wird und diese vom Sehsinn informiert werden, und zwar in einer dynamischen Struktur, die nicht notwendigerweise oder immer hierarchisch ist – dann bedeutet das, dass Wendungen wie »einen Film erfassen« oder »von einem Film berührt werden« nicht länger als Metaphern verstanden werden können. »Berührung« ist nicht länger eine metaphorische Dehnung des Filmerlebens,

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84 Richard Shiff: Cézanne’s Physicality. The Politics of Touch. In: Salim Kemal; Ivan Gaskell (Hg.): The Language of Art History. Cambridge 1991, S. 150 (Hervorhebung V.S.).

sie steht nicht mehr jenseits ihres gewohnten Kontexts und ihrer buchstäblichen Bedeutung. Tatsächlich kann man sagen, dass es erst durch einen nachträglichen Denkakt geschieht, dass unsere sinnlichen Beschreibungen von Kinofilmen metaphorisch zu sein scheinen. Denn aufgrund unseres erlangten Wissens meinen wir, dass der Film vor allem ein visuelles und akustisches Medium ist; und so scheint es ganz ›natürlich‹, dass die filmischen Anregungen anderer Sinne als des Sehens und Hörens im über­ tragenen, nicht im buchstäblichen Sinne zu verstehen sind. Ich hoffe jedoch, dass ich darstellen konnte, warum unsere gewohnten Kenntnisse reduktiv sind und unser tatsächliches sinnliches Kinoerleben nicht akkurat beschreiben. Wenn wir einen Film anschauen, sind alle unsere Sinne mobilisiert, und zuweilen – abhängig von der spezifischen Erregung durch einen Film oder filmischen Moment – werden unsere akkulturierte, uns natürlich scheinende Hierarchie und unsere gewohnte Ökonomie der Sinne verändert und neu angeordnet. In diesem Erlebnis geben sich das Buchstäbliche und das Übertragene wechselseitig und ineinander umkehrend gegenseitig ›Sinn‹ – erstrangige und zweitrangige Kontexte vermischen sich, und so wird die hierar­ chische Grundlage der Metapher unterminiert, wenn nicht sogar aufgelöst. Der Kunsthistoriker Richard Shiff erörtert in seinen Schriften das Verhältnis zwischen Sehen und Berühren in Bezug auf die Malerei: »Von Wechselseitigkeit [reciprocity] zu sprechen bedeutet, die Möglichkeit der Entgegensetzung von subjektiven (oder abweichenden) metaphorischen Elementen und objektiven (oder normativen) buchstäblichen Elementen zu eliminieren. Im Fluss der Wechselseitigkeit wird entweder alles metaphorisch übertragen, oder alles besitzt den Realitätseffekt des Buchstäblichen.«84 Shiffs Auseinandersetzung erinnert hier an die Diskussion über das Wesen des ›Als-ob‹, besonders da dessen »Nicht-real-Sein« durch die abschreckenden, die Wendung immer begleitenden Anführungszeichen angezweifelt wird. So schlägt er vor, dass man in jenem Fluss der Wechselseitigkeit »auf eine metaphorische Buchstäblichkeit verweisen kann« – ein solcher Gebrauch »würde die Notwendigkeit aus der Welt schaffen, Anführungszeichen zu benutzen, die ohnehin keine andere

Was meine Finger wussten 85 Ebd., S. 158.

87 J. David Sapir schreibt: »Es gibt eine ganze Reihe von unterschiedlichen Ausdrücken, die als Beispiele für Metaphern genutzt werden und von denen man nicht weiß, dass es sich um Tropen handelt. So nutzt man gewöhnlich Körperteile, um Teile materieller Gegenstände zu bezeichnen: ›Tischbein‹, ›Nadelkopf‹, ›Nadelöhr‹, ›Fuß des Berges‹ usw. Sie alle fungieren als ersetzende Metaphern; beim ›Nadelkopf‹ haben wir eine Nadel als Gegenstand und den Kopf als einen diskontinuierlichen Begriff. Anders als bei einer wirklichen Metapher gibt es keinen kontinuierlichen, auf den Gegenstand bezogenen Begriff, obwohl man ihn auch als ›kugelförmiges oder abgerundetkreisförmiges, vorstehendes Ende einer Nadel‹ umschreiben könnte: Die Bezeichnung würde hier einfach aus einer Aufzählung der bekannten Merkmale bestehen, die X mit dem Kopf verbinden. In den meisten Fällen erschwert uns der Mangel an kontinuierlichen Begriffen, die für die Metapher wesentliche Übertragung aus den unterschiedlichen Bereichen überhaupt wahrzunehmen. Die Frage: ›Was es ist, wenn es nicht der Kopf (einer Nadel) ist?‹, können wir hier nicht leicht beantworten. Anders in Bezug auf eine echte Metapher, bei der uns die Antwort leicht fällt. […] William Empson bevorzugt für diese Art der Metapher daher die Bezeichnung ›Übertragung‹ und Mac Black betrachtet sie, wie die meisten Rhetoriker, als Typen der Katachrese, die Black als ›den Gebrauch eines Wortes in einem neuen Zusammenhang‹ definiert, ›um eine Lücke in unserem Vokabular zu füllen‹.« Vgl. J. David Sapir: The Anatomy of Metaphor. In: J. David Sapir; J. Christopher Crocker (Hg.): The Social Use of Metaphor. Essays on the Anthropology of Rhetoric. Philadelphia 1977, S. 8.

Funktion erfüllen, als der Normalisierung der Buchstäblichkeit durch das Hinzufügen einer Ebene der Distanz und Figuration entgegenzuwirken.« Shiff fragt daher: »Was für eine Repräsentation oder linguistische Konstruktion verbindet das Buchstäbliche und das Übertragene?«85 Es ist nicht die Metapher, sondern die Katachrese, die »manchmal falsche oder unzulängliche Metapher genannt wird«. Die Katachrese »vermittelt und vermischt das Metaphorische und das Buchstäbliche«, schreibt Shiff, und wird benutzt, »wenn es keinen anderen angemessenen oder buchstäblichen Begriff gibt«.86 Wenn wir beispielsweise bei einem Stuhl von dessen ›Beinen‹ oder bei einer Nadel von ihrem ›Kopf‹ sprechen, dann nehmen wir einen Begriff aus dem einen Bereich und überführen ihn in einen anderen, einfach aus Mangel an einem Begriff, der die in Frage stehende Eigenschaft passend benennen könnte.87 Die Katachrese muss von der richtigen Metapher unterschieden werden, insofern sie uns zwingt, eine Lücke in der Sprache zu registrieren und zu benennen, oder, wie Ricoeur sich ausdrückt: ein »Mangel an angemessenen Wörtern und der Bedarf, die Notwendigkeit, ihren Missstand und ihr Versagen durch Ergänzung auszugleichen«88. Wenn wir uns also der Katachrese bedienen, befinden wir uns, Ricoeur zufolge, in der »aufsteigenden Sprachentropie« – auf der Suche nach einem adäquaten sprachlichen Ausdruck für eine reale Erfahrung. Darüber hinaus sind wir, insofern der katachretische Begriff sich ersetzend auf ein Körperteil (den ›Kopf‹ einer Nadel, das ›Bein‹ eines Stuhls) bezieht, ausdrücklich an jenem Punkt angelangt, an dem wir in unserer Bewegung, »in Gegenrichtung zur Sprach­ entropie aufsteigend, mit der Bewegung zusammentreffen, durch die wir die Unterscheidung zwischen Verwirklichung (Akt), Handlung, Herstellung und Bewegung zurücknehmen«; an einem Punkt also, an »dem der lebendige Ausdruck die lebendige Erfahrung ausdrückt«. Diese Art des (ich möchte sagen) ›HändeHochreißens‹ und des Benennens von etwas mit unzulänglichen Begriffen aufgrund eines Mangels an hinreichenden Wörtern führt eher zu einer »gewaltsamen Erweiterung des Sinns der Begriffe« als zum sprachlichen Spiel, das die Metapher ist.89 Im Sprachspiel ersetzen wir freiwillig einen Begriff durch einen anderen, um eine Reihe übertragener Bedeutungen zu erzeugen.

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86 Ebd., S. 150.

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89 Ebd., S. 63. 90 Ebd., S.53. 91 Ebd., S. 180 (Hervorhebung V.S.). 92 Shiff 1991, S. 158 (wie Anm. 84). 93 Ebd., S. 150. 94 Ebd., S. 158.

Weil sie nicht freiwillig verwendet wird, ist für Ricoeur die Katachrese nicht nur eine falsche Metapher, vielmehr sollte sie aus seiner Sicht »aus dem Bereich der sprachlichen Figuren« gänzlich ausgeschlossen werden.90 Tatsächlich sieht er in der Katachrese »letztlich eine Ausweitung der Benennung« und folglich eher ein »Phänomen der Sprache« als ein Phänomen des »Diskurses« – wie es die Metapher ist.91 Die Katachrese ist also weder eine Metapher noch eine sprachliche Figur. Vielmehr muss man sie, wie mit Shiff, wie folgt verstehen: »Die Katachrese vollbringt genau diese Aufgabe: Sie wendet einen übertragenen Sinn an, als sei er buchstäblich, wobei sie den Anschein einer Übertragung wahrt.«92 Und das ist genau das, was auch das Kino in seinen Modi der Repräsentation erreicht – und das genau ist es auch, wie der gelebte Leib des Zuschauers in einer wechsel­ seitigen Bewegung den Dingen Sinn verleiht und den Sinn bedeutungsvoll macht. Daher, so Shiff: »Die durch die Katachrese produzierte Reziprozität oder auch Verlagerungen unterwandern jede Polarisierung von Subjekt und Objekt, Selbst und Anderem, Abweichung und Norm, Berühren und Sehen.«93 In der Tat seien »Berühren und Sehen in wechselseitig wirkender Über­ tragung verfangen: Berühren überträgt sich ins Sehen, Sehen ins Berühren.«94 Insofern der gelebte Leib des Zuschauers beim Kinoerleben die übertragen-buchstäblichen Leiber und Dinge der filmisch repräsentierten Welt wechselseitig erwidert, vollzieht er eine Art sinnliche Katachrese. Das bedeutet, dass er jene Lücke zwischen seiner Welt hier im Kino und der dort, auf der Filmleinwand, dargestellten Welt durch eine Rückkehr zu sich selbst ausfüllt, indem er sie in der wechselseitigen (wenn auch nicht hin­ reichenden) Erwiderung ›im Fleisch‹ ausarbeitet, und zwar im buchstäblichen körperlichen Sinn. Es handelt sich um das gleiche wechselseitige Verhältnis zwischen dem Übertragenen und dem Buchstäblichen, das auch in unseren sprachlichen Beschreibungen von Filmerlebnissen zum Vorschein kommt. Für einen Versuch, diese komplexe Wechselseitigkeit von Leib und Repräsentation zu beschreiben, hieße es dann, dass sich unsere sprachlichen Ausdrücke auf sich selbst zurückwenden, um den übertragenen Sinn eines Erlebnisses als dessen buchstäbliche Verkörperlichung

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88 Paul Ricoeur: The Rule of Metaphor. Multi-disciplinary Studies of the Creation of Meaning in Language. Toronto 1977, S. 63. (Anm. d. Übers.: In der deutschen Übersetzung von Ricoeurs La métaphore vive [Die lebendige Metapher; vgl. Anm. 32] fehlt das Kapitel Le décline de la rhetoric: la tropologie, aus dem das Zitat stammt. Auch Ricoeurs Diskussion der Katachrese im weiteren Verlauf des Originaltexts, die sich auf dieses Kapitel bezieht, fehlt in der deutschen Übersetzung. Die Übertragung dieser Stellen ins Deutsche folgt hier der englischen Übersetzung, auf die sich Vivian Sobchacks Text bezieht.)

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95 Ricoeur 2004, S. 204–207 (wie Anm. 32).

zu vermitteln. Aus Mangel an angemesseneren oder hinreichen­ deren Methoden, um die Struktur und die Bedeutung des sinnlichen Filmerlebens zu benennen und zu vermitteln, kehren die Kritiker reflexhaft zur Sprache zurück und verwenden deren sinnliche Übertragungen buchstäblich – ein Ausweg sowohl dafür, die Bilder zu konkretisieren, als auch dafür, ihre Beschreibung mit dem Sinn ihres eigentlichen filmischen Erlebnisses adäquat zu reflektieren. Daher ist es auch nicht besonders befremdlich, wenn in unseren Filmerlebnissen und in den Versuchen, diese sprachlich zu beschreiben, gewisse ambivalente Bedeutungen von Metaphern und anderen Figuren der Über­ tragung zurückbleiben – und wir in einer katachretischen Struktur der Sinngebung gefangen bleiben, die wir zugleich als real und ›als ob real‹ erleben und beschreiben, weil die sinnliche Erfüllung zwar nur teilweise gelungen ist, die zum Ausgleich des Mangels unternommenen wechselseitigen Prozesse aber zu einer Steigerung und Intensivierung geführt haben. Ricoeur diskutiert diese Spannung zwischen der meta­ phorischen und der buchstäblichen Bedeutung im Bezug auf Wittgensteins Unterscheidung zwischen »Sehen« und »Sehen als«, die parallel zu Dyers Unterscheidung zwischen »real« und »als ob real« läuft: »Das ›Sehen als‹ ist also halb Denken, halb Erfahrung. […] [D]as ›Sehen als‹ gibt uns das fehlende Glied in der Kette der Erklärung; das ›Sehen als‹ ist die sinnliche Seite der dichterischen Sprache. […] Nun scheint aber eine Theorie der Verschmelzung von Sinn und Sinnlichem […] unvereinbar mit dem Spannungscharakter zwischen metaphorischem und wörtlichem Sinn. Wird die Theorie der Verschmelzung jedoch auf der Grundlage des ›Sehens als‹ neu gedeutet, so ist die Theorie der Verschmelzung durchaus mit der Theorie der Interaktion und Spannung vereinbar. X als Y sehen schließt ein: X ist nicht Y […]; die Sinngrenzen werden überschritten, nicht jedoch aufge­hoben. […] Wenn das zutrifft, bezeichnet ›Sehen als‹ […] die nichtsprachli­ che Vermittlung der metaphorischen Aussage. Indem die Semantik dies sagt, erkennt sie ihre Grenze an; und indem sie dies tut, vollendet sie ihr Werk. […] Trifft die Semantik hier auf ihre Grenze, so könnte eine Phänomenologie der Imagination […] an die Stelle […] treten.«95 Eine Phänomenologie des kinästhetischen Subjekts,

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96 Ebd., S. 205.

das nicht nur Sinn für Filme hat, sondern diesen auch einen Sinn gibt, zeigt nicht nur die chiastische Funktion des gelebten Leibs als sowohl leibhaft als auch bewusst, sinnvoll und empfindsam – sie zeigt ferner, wie es kommt, dass wir den Sinn von Dar­stellungen auf der Leinwand sowohl übertragen als auch buch­stäblich begreifen. Das heißt, der gelebte Leib stellt offen­ sichtlich die grundlegenden chiastischen Voraussetzungen zur Verfügung, unter denen sich die Sinne sowohl leibhaftig als auch bewusst bedeutungsvoll verbinden und vereinigen; unter denen sich weiterhin sekundär differenzierte Bedeutungen bilden, die eine leibhaft, die andere bewusst. Entsprechend zeigt eine Phänomenologie des Ausdrucks dieser im Filmerleben gelebten ›Verschmelzung‹ und Differenzierung die umkehrbare und unentschieden schwankende Struktur des sowohl geeinten als auch differenzierten Erleben des filmischen Sinnes durch den gelebten Leib, und zwar durch die katachretischen Äußerungen in der Sprache. Verschmelzung und Differenz einander ambivalent entgegensetzend, ambivalent in ihrer Struktur und scheinbar ambivalent in ihrer Bedeutung, verweist die Katachrese nicht nur auf die ›Lücke‹ zwischen den sprachlichen Figuren und dem buchstäblichen Erleben des gelebten Leibs, sondern – umkehrbar, chiastisch – ›überbrückt‹ und ›füllt‹ diese Lücke auch. Wie Ricoeur oben schreibt, bezeichnet die Katachrese »die nichtsprachliche Vermittlung der metaphorischen Aussage«. Während des Filmerlebens wird die nichtsprachliche Vermittlung der Katachrese buchstäblich durch den gelebten Leib des Betrachters erreicht, der sich in einem sinnlichen Verhältnis zu den sinnvollen Darstellungen im Film befindet. Und so trifft hier Ricoeurs Urteil zu: »[H]alb Denken und halb Erfahrung, ist das ›Sehen als‹ die intuitive Beziehung, die den Zusammenhang zwischen Sinn und Bild herstellt.«96 Auf der Seite des kinästhetischen Subjekts, das einen Film sinnlich erlebt, entsteht diese wechselseitige und chiastische (Kon)fusion zwischen dem Buchstäblichen und Übertragenen durch den gelebten Leib, der sowohl Sinne hat als auch Sinn macht; und auf der Seite der reflektierten sinnlichen Beschreibung entsteht diese Wechselseitigkeit und katachretische (Kon)fusion des Buchstäblichen und Übertragenen in der Sprache – sei sie nun filmisch oder linguistisch. Das Filmerleben – auf beiden Seiten

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der Leinwand – mobilisiert, verwirrt, differenziert reflektierend, doch vereint gelebten Leib und Sprache erfahrungsmäßig und rückt die Wechselseitigkeit und Umkehrbarkeit der sinnvollen Dinge und der sinnlichen Bedeutungen in den Vordergrund. Unsere Finger, Haut und Nase, unsere Lippen, Zunge und unser Magen und all unsere anderen Körperteile verstehen, was wir beim Filmerleben sehen. Als kinästhetische Subjekte besitzen wir somit eine inkarnierte Intelligenz, die unsere Augen mehr sehen lässt, als das diskrete Vermögen zu sehen erlaubt; eine leibliche Intelligenz, die auch den Film öffnet, so dass er weit über die visuellen Darstellungen zwischen den Rändern der Filmleinwand hinausgeht; eine leibliche Intelligenz, die auch die Sprache für ein reflektiertes Wissen von ihren eigenen Ursprüngen und Grenzen im Fleisch öffnet. Das ist es, was meine Finger, noch vor jedem Gedanken, im Kino wissen. Übersetzung: Philipp Kleinmichel, Mathias Windelberg

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Vivian Sobchack Vivian Sobchack ist Professor Emerita des Fachbereichs Film, Fernsehen und Digitale Medien der UCLA School of Theatre, Film and Television. Zu ihren Veröffentlichungen zählen: Carnal Thoughts. Embodiment and Moving Image Culture (2004); Screening Space. The American Science Fiction Film (1997); The Address of the Eye. A Phenomenology of Film Experience (1992). Sie ist die Herausgeberin der folgenden Bände: Meta-Morphing. Visual Transformation in the Culture of Quick Change (1999) und The Persistence of History. Cinema, Television, and the Modern Event (1997). Ihre Essays wurden in Zeitschriften, wie Camera Obscura, The Journal of Visual Culture, Quarterly Review of Film and Video, Film Comment, Film Quarterly, Art Forum International, Body and Society, History and Theory und Representations veröffentlicht. 2012 erhielt sie den Distinguished Career Achievement Award der Society for Cinema and Media Studies für den bedeutenden Einfluss, den ihr weitreichendes Schaffen auf diesen Wissenschaftsbereich hatte. Ihre Interessen und Publikationen sind vielseitig: Philosophie und Filmwissenschaften, die Phänomenologie der Medien, Genres des amerikanischen Films, Animation und digitales Kino, Geschichtsund Kulturwissenschaft.

Sinnlichkeit und Sinnesarbeit 3 In der Eröffnungssequenz von Jane Campions Film Das Piano bedecken projizierte, unscharfe und längliche Farbflächen wie zum Schutz vor unerträglichen Bildern die Leinwand. Die nur wenige Sekunden andauernde Einstellung und die daran anschließende halbnahe Kadrierung einer Frau, welche sich die Hände vor das Gesicht hält, waren Impulsgeber für Vivian Sobchacks Essay. Unmittelbar, noch vor dem Schnitt und bereits vor jeder sprachlichen Objektivierung, so argumentiert Sobchack, »wussten ihre Finger«, dass die Einstellung zwei die Augen bedeckende Hände präsentiert. Sie erfasste also zuerst leiblich, schon vor dem Gegenschuss, was Sprache ohne diesen nicht behaupten kann: Doch hätte sie sehen können, dann vermutlich etwas Fürchterliches. Ausgehend von Campions Spielfilm, ließe sich in diesem Band über neue Konzepte erweiterter Sinne ohne Weiteres an Patricia Pisters’ neurowissenschaftlichen Untersuchungsgegenstand – dem Hauptdarsteller aus der Serie Dexter – sowie an Steven Shaviros tiefgründige Analyse des Musikvideos Corporate Cannibal von Grace Jones anknüpfen: In allen drei den verschiedenen Sinnesarbeiten zugrunde liegenden Bewegtbildern – dieser Term erweist sich als kleinster gemeinsamer Nenner für so disparate Werke wie Kinofilme, Serien des Bezahlfernsehens und heute meist online betrachtete Videoclips – geht es offenbar um fürchterliche Taten und Dinge: abgeschlagene Finger einer Pianistin hier, Serienmorde und Botschaften in Form extrahierter Gehirnfetzen dort, Jahrhunderte des Menschenraubs, der Unterdrückung und des Missbrauch in der Kolonialzeit als Urszene des Kapitalismus schließlich in der Reflexion des Videoclips. Doch um Untersuchungen einfacher Repräsentationen des Fürchterlichen geht es weder Sobchack noch Pisters oder Shaviro.

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Mit Position des Fleisches steht Sobchacks Essay eine Miniatur des Schriftstellers, Dramaturgen und Dichters Antonin Artaud voran. Die Wahl erstaunt, wenn die Repräsentation fürchterlicher Dinge ausgeschlossen werden soll – sind doch Artauds Schriften

2 Antonin Artaud: Das Theater und sein Double. Berlin 1996, S. 230, S. 95.

3 Ebd.

4 Ebd., S. 15.

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1 Bernd Mattheus: Das Theater der Grausamkeit. Ein kapitales Mißverständnis. In: Antonin Artaud: Das Theater und sein Double. Berlin 1996, S. 230.

zumindest idiosynkratisch und häufig finster formuliert und werden auch darin, ganz ähnlich wie in Das Piano, Dexter und Corporate Cannibal, fürchterliche Szenen dargestellt. Es spritzt Blut, Peitschenhiebe, von denen man nicht sicher sagen kann, ob sie im übertragenen Sinn zu verstehen oder buch­stäblich gemeint sind, gehen nieder. Vielfach erwähnt Artaud Suizide, und auch heute noch sind seine Schriften, darauf weist Bernd Mattheus hin, »zumindest gewöhnungsbedürftig«.1 Grausamkeiten sowie fürchterliche Dinge werden im Allgemeinen synonym verstanden, und dennoch soll hier eine Differenz behauptet und produktiv gemacht werden. Anders ausgedrückt, Fürchterliches muss bei Artaud nicht grausam, Grausames nicht fürchterlich sein, oder noch anders: Das Fürchterliche ist zumindest in den angeführten Bewegt­ bildarbeiten eher deskriptiv, die Grausamkeit ist es nicht. Ein großer Teil der Missverständnisse rührt wohl daher, dass der Schriftsteller Artaud vom Fürchterlichen keine klare Beschreibung liefert, sondern es nur negativ definiert, von der Grausamkeit abgrenzt. Jedoch kann von dieser eine genaue Beschreibung angeführt werden: Im Sinne Artauds verstanden, unterhalten Grausamkeiten erstens eine unmittelbare und direkte Beziehung zu den rezeptiven Geweben des menschlichen Leibes. Die Sinne sind es, die Grausamkeiten, überfallartig eintretende Vibrationen jenseits der Sprache,2 radikale Einstiche in einem gewohn­­heits­mäßigen Erfahrungstrott registrieren. Sich dabei des »ZERSTÖRUNGS-HUMOR[S]«3 bedienend, durchbrechen Grausamkeiten »die geistige Unter­werfung unter die Sprache«4. Sie zeichnen sich durch das Fehlen jeder Empathie aus. Empathie ist jedoch nicht etwa aus bewusster und theatraler Coolness abwesend, sondern weil sie noch nicht da ist, zu diesem Zeitpunkt noch nicht da sein kann. (Patricia Pisters wird diese Behauptung in ihrem Text relativieren und die Differenz in kognitive und leibliche Empathie verschieben.) Zeitlich sind Grausamkeiten bei Artaud vor bewussten Denkakten und vor einer ausgebildeten Subjektivität anzusetzen, somit auch noch vor einer Unterscheidung zwischen Gut und Böse. Schon

deshalb können sie nicht von der »erstickenden Atmosphäre« affiziert sein, die getarnt als »Respekt vor dem Geschriebnen, Formulierten und Gemalten« nur bourgeoises Schutzschild des 5 5 Konformismus ist. Vgl. ebd., S. 79–81. Es erschüttert, das darf man von dem Theater der Grausamkeiten erwarten, die Sinne und das Mark der Menschen – ein rücksichtsloses Wachrütteln, das die Sensibilität aus allen Richtungen angeht.6 Was, wenn der Mensch derart erbarmungslos 6 Ebd., S. 91. von außen einfallende, nichts repräsentierende Ereignisse – Grausamkeiten in der Terminologie Artauds, synästhetisch verzweigte, vor­­sprach­liche sowie akkulturierte Sinneseindrücke in der Sobchacks – benötigt und erst durch diese zum Denken gebracht wird?

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Mathias Windelberg

Theodor W. Adorno Rastelli der Mimik, spielt er mit den ungezählten Bällen seiner reinen Möglichkeit und fügt ihr ruheloses Kreisen zu einem Gewebe, das mit der kausalen Welt so wenig mehr gemein hat wie das Wolkenkuckucksheim mit der Schwerkraft der Newtonschen Physik. Unablässige und unwillkürliche Verwandlung: das ist bei Chaplin die Utopie einer Existenz, die befreit wäre von der Last des Man-selbst-Seins. Sein lady killer war schizophren. Daß ich von ihm rede, darf ich vielleicht mit einem Privileg recht­fertigen, das mir, ganz ohne mein Verdienst, zuteil wurde. Er hat mich nachgemacht; sicherlich bin ich einer der wenigen Intellektuellen, denen das widerfuhr und die von dem Augenblick Rechenschaft zu geben vermögen. Wir waren, mit vielen anderen zusammen, in einer Villa in Malibu, am Strande außerhalb von Los Angeles, eingeladen. Einer der Gäste verabschiedete sich früher, während Chaplin neben mir stand. Ich reichte jenem, anders als Chaplin, ein wenig geistesabwesend die Hand und zuckte fast zugleich heftig zurück. Der Abschiednehmende war einer der Hauptdarsteller aus dem kurz nach dem Krieg berühmt gewordenen Film The Best Years of Our Life (sic!); er hatte im Krieg die Hand verloren und trug an deren Statt aus Eisen gefertigte aber praktikable Klauen. Als ich die Rechte schüttelte und sie auch noch den Druck erwiderte, erschrak ich aufs äußerste, spürte aber sofort, daß ich das dem Verletzten um keinen Preis zeigen dürfte, und verwandelte mein Schreckgesicht im Bruchteil einer Sekunde in eine verbindliche Grimasse, die weit schrecklicher gewesen sein muß. Kaum hatte der Schau­spieler sich entfernt, als Chaplin bereits die Szene nachspielte. So nah am Grauen ist alles Lachen, das er bereitet und einzig in solcher Nähe seine Legitimation gewinnt und sein Rettendes.

Theodor W. Adorno: Zweimal Chaplin. In: Ders.: Kulturkritik und Gesellschaft I. Prismen. Ohne Leitbild. Gesammelte Schriften, Bd. 10.1, hg. v. Rolf Tiedemann unter Mitwirkung von Gretel Adorno, Susan Buck-Morss und Klaus Schulz. Frankfurt am Main 1977, S. 362–366, S. 365–366.

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Zitatauswahl: Karin Harrasser

Karin Harrasser

Mimikry und Berührung Über Prothesen und Grimassen

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1 Vgl. Gunzelin Schmid Noerr: Adornos Erschaudern. Variationen über den Hände­­ druck. In: Willem van Reijen und ders. (Hg.): Vierzig Jahre Flaschenpost: ›Dialektik der Aufklärung‹ 1947–1987. Frankfurt a. M. 1987, S. 233–241.

In dieser Szene wird jemand in einer einseitigen, aber nichtsdestotrotz hochsinnlichen Berührung getroffen, aus der Bahn des erwarteten Sozialverhaltens geworfen und durch die mimetischen Fähigkeiten eines anderen aus der Verhaltensunsicherheit gerettet. Der Verunsicherte, der Betroffene ist nicht der abschiednehmende Ohnhänder, sondern Theodor W. Adorno. Naheliegender wäre es gewesen, die Geschichte über den Verlust von Sicherheiten und Errettung (durch den Film) dem Prothesenträger Harold Russell zuzugestehen, spielte er in dem genannten Film doch den in seiner körperlichen Autonomie beschädigten, schambeladenen Ex-Soldaten Homer Parish, der sich nicht traut, um die Hand seiner Geliebten anzuhalten. In dieser Rolle war er zum Nationalhelden aufgestiegen und stand für Nachkriegsoptimismus, Erfolg durch Selbstüberwindung, Reintegration und Normalität, kurz: die Bewältigung von Unsicherheit und Krise, nicht zuletzt durch Prothesen, die soziale Teilhabe mitherstellen helfen. Aber nicht das Schicksal des Veteranen wird hier thematisiert, sondern die Verunsicherung eines Philosophen und seine Rettung durch einen Mimen. Die Berührung mit dem kalten Metall der Klaue ist von Adorno als die erschütternde Begegnung des europäischen Bürgers mit einer Kultur der Kälte inszeniert worden, so jedenfalls wurde die Szene gedeutet:1 Das europäische Ritual des Händeschüttelns, wechselseitige Versicherung von Friedfertigkeit, »Entlastung« im Verständnis einer Psychologie der doppelten Kontingenz, führt hier nicht zur Entspannung. Im Gegenteil: Die Berührung des Metalls, das noch dazu den Druck erwidert – also im Sinne Jentschs »unheimlich« ist, Lebendigkeit suggeriert, eine

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Unschlüssigkeit zwischen Totem und Lebendigem hervorruft –, diese Berührung trifft den unaufmerksamen Gast unmittelbar. Die Berührung lässt seine Mimik entgleisen, verzerrt das Gesicht zu einer Grimasse. So weit wäre die Szene lesbar als eine typische Adornitische Polemik: ein Kommentar auf die Kulturindustrie (Russell ist Oscar- und Golden Globe-Preisträger) als Verbündete der Entfremdung, der Industriemoderne. Die Prothese, wie Technik insgesamt, stünde für die kalte, untote Lebendigkeit von Kapital und Staat. Wären da nicht zum einen Adornos keineswegs bruchloses Verhältnis zur bürgerlich-abendländischen Kultur und zum anderen Chaplins rettendes Nachahmen. Metallklauen, Grimassen und Mimikry, die Theodor W. Adorno in seinem Porträt Charlie Chaplins so effektvoll einsetzt, sind auch zentrale Elemente von Terminator Genisys (Alan Taylor, 2015), den man getrost einen Film der Spätmoderne nennen kann und der, wie die Szene oben, ebenfalls in Kalifornien, jedoch in San Francisco spielt. Als fünfter Teil einer im Kalten Krieg gestarteten Serie ist er »spätmodern«, weil er gar nicht erst versucht, »originell« zu sein: Es ist die Wiederauflage einer Geschichte, die schon vier Mal erzählt wurde. Er ist auch deshalb spätmodern, weil er das Narrativ von Technologie, die die Macht übernimmt, auf das Zeitalter von Netzwerken, Smartphones und anderen »liquiden«, flexiblen, anpassungsfähigen Techno­ logien umschreibt. Und er ist es, weil die Versionierungslogik der digitalen Ära auf alle Charaktere übergreift: Von sämtlichen Figuren gibt es verschiedene Versionen, die meisten gibt es vom Terminator (Arnold Schwarzenegger) selbst. Zudem ist bezeichnend, dass es die Maschine ist, an der Alterungsprozesse durchexerziert werden, und nicht die menschlichen Figuren. Die menschlichen Akteure scheinen unberührbar von Alterungs­ prozessen, sie treten als entweder alt oder jung in Erscheinung, während die Technik deutliche Abnutzungserscheinungen zeigt. Maschinen dürfen altern, Menschen nicht. Auch so ist die Spätmoderne. Zunächst aber: Eisenklauen, Grimassen und Mimikry. Gleich mehrmals werden in Terminator Genisys Hände metallisch. Relativ zu Beginn hilft der (mittelalte) Terminator Sarah Connor, ein liquides Terminator-Modell in Säure aufzulösen, und opfert

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2 Gilles Deleuze; Félix Guattari: Anti-Ödipus. Kapitalismus und Schizophrenie I. Frankfurt am Main 1977, S. 521.

dafür die – wie wir lernen – nachwachsende, organische Haut seiner Hand. Während der Gegner silbrig wegtropft, wird so das Innere, das Metallskelett der Maschine sichtbar. Am anderen Ende der Narration wird der Terminator metallisch upgegradet: Wie der ehemalige Gegner kann am Ende nun auch er sich in jede x-beliebige Form verwandeln, sich mimetisch jeder Form anverwandeln. Seinen Arm kann er deshalb auch als schneidendes Schwert durch Türen sausen lassen. Trotz dieser proteischen Fähigkeiten wird der Terminator jedoch mitnichten ein »Rastelli der Mimik«, wie Chaplin in Adornos Portrait: Wie das mechanische Modell kann auch der fluide Terminator nicht lächeln, ein ironischer Kommentar auf die Schwarzenegger attribuierten mangelnden Schauspielfähigkeiten, seine mangelnden mimischen Qualitäten. Beim Versuch des Lächelns verzieht sich das Gesicht des Formwandlers (er kann alles sein von einer Türklinke bis zu einem Polizisten) zu einer unförmigen Grimasse, die vielleicht der Adornos angesichts des Prothesenträgers gleicht. Wenn man nun diese beiden Szenarien nebeneinanderhält (das ist freilich für beide etwas unfair), kann man sie als moderne und spätmoderne Versionen des Verhältnisses von Sinnlichkeit, Sozialität und Technik lesen. Adornos Geschichte operiert innerhalb einer Logik des Ersatzes: Technik ersetzt den organischsinnlichen Leib, die Prothese markiert zudem einen Verlust, den der militärisch-industrielle Komplex erzeugt hat, sie ist ein »falscher Ersatz«, nur Surrogat, das seltsam untot scheint. Chaplin hingegen verkörpert das lebendige Prinzip der Mimikry, ein Prinzip der Fülle. Er ist eine proteische Kreatur, die sich an alle möglichen Situationen anschmiegen kann, die – wenn man so will – maschinisch Sensibilitäten provoziert, indem sie den Affekt in ein lebendiges Bild bannt, die Grimasse des Schreckens wiederholt und variiert. Man mag erstaunt sein, wie eng Adorno hier an Gilles Deleuze und Félix Guattaris Konzeption der Wunsch­ maschine herannavigiert: Chaplin als »die Utopie einer Existenz, die befreit wäre von der Last des Man-selbst-Seins. Sein lady killer war schizophren.« Das klingt doch sehr nach Anti-Ödipus, auch wenn Deleuze und Guattari Buster Keaton und nicht Chaplin den Vorzug gegeben haben.2 Der Anti-Ödipus ist als dezidierter Versuch zu verstehen, über Maschinen anders nachzudenken als in

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4 Vgl. dazu die Forschung von Stefan Rieger: Kybernetische Anthropologie. Eine Geschichte der Virtualität. Frankfurt am Main 2003.

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3 Ebd., S. 499.

der Logik von Original und Ersatz, Organischem und Mechanischem. Er versucht konsequent, Ursprungs-, Herkunfts- und Fortschrittslogiken zu umgehen und auszuhebeln. Die Wunsch­ maschine ist ein programmatisches Gegenmodell zum prothesenlogischen Technikdenken: »Bekannt ist jenes klassische Schema: das Werkzeug als Verlängerung und Projektion von Lebendigem, Operation, kraft deren sich der Mensch fort­ schreitend entlastet, Entwicklung des Werkzeugs zur Maschine, Umwälzung, in deren Verlauf die Maschine sich mehr und mehr vom Menschen unabhängig macht […] Doch in vieler Hinsicht ist dieses Schema unzulänglich.«3 Die schizoide, mit sich selbst nie deckungsgleiche, aber anschlussfähige und sich über rekursive Operationen stabilisierende und erneuernde Wunsch­ maschine ist eine Antwort auf diese »Unzulänglichkeiten«. Die Maschinen der Moderne, die den animalischen Körper als Arbeitsgerät ersetzen, wären hier nur ein Sonderfall des maschinischen Prinzips rekursiver Kopplung. Terminator Genisys spielt uns die moderne, also prothetische, Technikkonzeption (der Terminator als Menschenkopie) gewissermaßen noch einmal als Playback vor, wenn der 1984er Terminator computeranimiert, mittels PerformanceCapture-Verfahren wiederaufersteht. Das Performance-CaptureVerfahren ist wiederum eng mit der Prothesenforschung vernäht: Die Rückkopplung zwischen organischer Bewegung und ihrer technischen Simulation (im Bild oder auch in der Prothese) wird seit den 10er Jahren des 20. Jahrhunderts systematisch in der Prothesenforschung eingesetzt. Die Forschung zu Human-Computer-Interfaces und damit zur Psychologie der »Interaktion« mit Computern haben die gleichen Quellen wie die Prothesenforschung.4 Allerdings kommen – technikhistorisch betrachtet – Motion-Capture-Verfahren zu einem Zeitpunkt ins Spiel, als die Prothetik beginnt, sich aus der »Prothesenlogik« herauszubewegen, also aus einer Logik des »Ersetzens« von Gliedmaßen. Seit den 10er Jahren kommen auch in der Prothesenforschung Verfahren zum Einsatz, die man als protokybernetische Prüf- und Kontrollverfahren verstehen kann: Statt »Ersatz« und »Kopie« von organischen Gliedmaßen geht es um die Simulation von Funktionen und um Feedback-Mechanismen zwischen

Karin Harrasser

Maschine und Leib.5 Die Kybernetik war es dann, die ab den 40er Jahren die ontologische Differenz zwischen Maschine und Organischem aushebelte. Sie ist, sichtbar in Form von Ziffern, die übers Display flimmern, schon im Industrieroboter, im 1984er Terminator, eingebaut. Da die Terminator-Serie sich inzwischen zu einer Langzeitbeobachtung der technischen Welt ausgewachsen hat, lässt sich nachvollziehen, wie sich zwischen 1984 und 2015 eine Logik des maschinischen Ersatzes in eine Erzählung von der Ununterscheidbarkeit von Lebendigem und Maschinischem umschreibt: In Terminator Genisys ist der »letzte Rebell gegen die Maschinen«, John Connor, zu einem Magnetfeld in menschlicher Gestalt geworden, zu einer molekularen Wunschmaschine schlechthin. Dazu passt, dass aufgrund der verschiedenen Zeitebenen das ödipale Schema durchkreuzt wird: John Connor ist älter als seine Mutter und sein Vater, Letzteren hat er »groß­ gezogen«, und der Akt der Zeugung hat noch nicht stattgefunden, da ist das Magnetfeld John Connor bereits in alle Winde zerstreut. In Terminator Genisys sind wir, so will es scheinen, ganz im Universum der technischen Bilder. Macht es dann noch Sinn, nach anderen Formen der sinnlichen Wahrnehmung zu fragen? Etwa nach dem Tastsinn, mit seiner langen Geschichte als eigentlich »medialem«, als intermediärem Sinn, nach der Berührung als Basisoperation des Verbindens und Trennens? Die exzessive Inszenierung der Hände scheint das doch einzufordern. Und ist nicht 3D-Kino ein Versuch, die Netzhaut zu berühren? Anstatt holzschnittartig Gesichtssinne gegen die Unmittelbarkeit des Tastsinns auszuspielen und damit (erneut) eine »hapto­ metaphysische« (Derrida) Entfremdungsgeschichte zu erzählen, möchte ich den Tastsinn im Folgenden als ästhetische und soziale Schwelle betrachten. Zuerst noch mal Adorno: Gunzelin Schmid Noerr interpretiert Adornos Händeschütteln als Übersprungshandlung, mit der dieser auf »Angst vor der unvermittelten Leiblichkeit« reagiere. Er assoziiert eine solche Angst mit Adornos hilfloser Reaktion auf die berühmte Attacke dreier Studentinnen der Basisgruppe Soziologie während seiner letzten Vorlesung. Die Studentinnen hatten mit entblößten Brüsten und dem Streuen von Blütenblättern gegen die polizeiliche Räumung des vormals besetzten Gebäudes des

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5 Ausführlich dazu: Karin Harrasser: Passung durch Rückkopplung. Konzepte der Selbstregulierung in der Prothetik des Ersten Weltkriegs. In: Stefan Fischer; Erik Maehle; Rüdiger Reischuk (Hg.): Informatik 2009. Im Focus das Leben. Lecture Notes in Informatics-Proceedings, P-154. Bonn 2009. S. 788–801.

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6 Schmid Noerr 1987, S. 239 (wie Anm. 2).

Instituts für Sozialforschung protestiert. Schmid Noerr verbucht Adornos Verhältnis zu Sinnlichkeit, Affektivität und Natur damit jedoch zu unproblematisch auf die Seite einer abspaltenden Rationalität, auf die Seite des Odysseus aus der Dialektik der Aufklä­ rung: »Odysseus instrumentalisierte die Körper seiner Gefährten zu Arbeitsinstrumenten und den eigenen Körper zum kontemplativen Organ. Adorno instrumentalisierte die Körper seiner Zuhörer zu kontemplativen Organen und den eigenen Körper zum Arbeits­ instrument seiner Rede.«6 Aber kann man studentische Körper und zuhörende Ohren zu kontemplativen Organen »instrumentalisieren«? Worin läge denn die Instrumentalität eines solchen Vorgangs? Adorno und Horkheimer interpretierten bekanntlich Odysseus’ Fesselung und das Verstopfen der Ohren der Schiffsbesatzung genauso: als Instrumentalisierung der Körper der Arbeitenden, die dem Helden von überbordender sexueller Leidenschaft ungestörten und auf die Hörsinnlichkeit reduzierten Genuss ermöglichten. Dem entspricht die hypertrophe Sensibilisierung des bürgerlichen Geschmacks bei gleichzeitiger Desensibilisierung den objektiven Verhältnissen gegenüber. Wenn Adorno hingegen Studierende (Vortragspublikum, LeserInnen) zum Stillhalten und Zuhören, zum Nicht-Berühren nötigte, »instrumentalisierte« er sie nicht zu »Organen« des eigenen Genusses. Vielmehr tritt der Vortragende und Autor als Zwitterwesen aus Sirene und Odysseus auf: beschwörend, verführend auf der einen Seite, analysierend und disziplinierend der Außenwelt zugewandt auf der anderen Seite. Sein Beharren auf den zerbrochenen Spiegeln der Moderne als einzige ästhetische Option hat sicherlich dazu geführt, dass die »Sirenenseite« seines Denkens, die zarte Verführung zur Ausbildung neuer Organe, die er in der Kunst ortete, nur schwer Gehör finden konnte. Zu sehr war die zweite Nachkriegsgeneration irgendwann damit beschäftigt, einen Resonanzkörper für die globale Medienkultur auszubilden, als dass sie Adornos Werbung hätte wahrnehmen können. Aber in seinem Chaplin-Porträt wird spürbar, wohin eine Beschäftigung mit dem Populären hätte führen können. Chaplin ähnelt hier den dauergespannten Tänzern und Fechtern Helmuth Plessners, der die Kontingenz des Aufeinander-verwiesen-Seins choreographisch begreift: Dass der andere vorstellbar ist, dass er mein Stellvertreter sein könnte,

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8 Judith Butler: Gefährdetes Leben. Politische Essays. Frankfurt am Main 2005, S. 45.

9 Karin Harrasser: Koine Aisthesis. Im Untergewebe Taktiler Medialität. In: Texte zur Kunst 98 (2015), S. 105–18.

ist die Vorbedingung des Sozialen. Das Soziale selbst imaginiert Plessner als Tanz oder Fechtkampf.7 Berührung findet dabei nur punktuell und sublimiert statt. Chaplins Gesicht, das sich in eine unendliche Anzahl von anderen Gesichtern verwandeln konnte, sein »proteisches« Gesicht, ist eine leibgewordene Version von Plessners Utopie der Vertretbarkeit. All die anderen Gesichter sind Versionen seiner reinen Möglichkeit. Sie sind nicht beliebig austauschbar, sondern individuelle Konkretionen der Fähigkeit, den Anderen als Anderen, als konkretes, historisches Subjekt, anzuerkennen. Was Adorno wohl stärker heimgesucht hat als die kalte Klaue, war, wie umstandslos der »kriegsbeschädigte« Harold Russell als triumphierender Leistungsträger der Nachkriegsjahre refiguriert wurde. Er mochte um keinen Preis in den Chor derjenigen einstimmen, die rasch zur Tagesordnung übergehen wollten. Der Kälte dieser Normalität setzt Adorno – hier und anderswo – jedoch nicht Szenarien von Wärme und Empathie entgegen, sondern eine komplizierte Choreographie: ein Ineinandergreifen von Automatismen und Aufschüben, Mitgefühl und entlastender Nachahmung. Sein Thema hier sind Techniken des Mittelbaren zur Schaffung von Freiheitsgraden, um eine kritische Nähe in punktueller Berührung zu ermöglichen. An keiner Stelle ist Adorno ein Anwalt der unverstellten Erfahrung, aber er hofft auf Berührbarkeit. Ein Echo dieser Bemühungen kann man auch in seinem Schreiben hören: Sätze, die kreisend, häufig rekursiv, Abstände vermessen, um dann aphoristisch auf den Punkt zu kommen. Dem Subjekt einer solchen Choreographie der punk­­tuellen Berührung, das ist richtig, wird Selbstdisziplin und Selbstkontrolle abverlangt. Dem Schwelgen in der Unmittelbarkeit sind damit Schranken auferlegt. Wie Plessner hatte auch Adorno Misstrauen gegenüber Utopien der Vergemeinschaftung durch die Transgression aller Grenzen. Das war ihm zu übergriffig. Wie Plessner ist ihm der prekäre Charakter der Berührung stets präsent. Berührung ist, weil sie die doppelte Kontingenz der Begegnung und Relationalität verkörpert, gefährlich. Oder umgekehrt und mit Ju­dith Butler gesagt: Gewalt ist eine »Berührung der schlim­msten Art«8. Ich habe an anderer Stelle mit Blick auf den Tastsinn als koine aisthesis, als Gemeinsinn9, vorgeschlagen, man könnte

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7 Helmuth Plessner: Grenzen der Gemeinschaft, Frankfurt am Main 2002. Vgl. dazu auch: Helmut Lethen: Philosophische Anthropologie und Literatur in den zwanziger Jahren. Helmuth Plessners neusachliches Mantel- und Degenstück. In: Wolfgang Essbach; Joachim Fischer; ders. (Hg.): Plessners »Grenzen der Gemeinschaft«. Eine Debatte. Frankfurt am Main 2002, S. 29–62.

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die Geschichte der Theorie der Medien und der Künste im 20. Jahrhundert von diesem Nexus her neu schreiben. Denn sowohl in der Medientheorie als auch in der Medienkunst geht es darum, das Verhältnis zwischen Biologik und Technologik auszuloten, Selbst- und Fremdbezüge zu untersuchen, Autonomie- und Heteronomiegrade mit Blick auf mediale Umwelten zu bestimmen. Mit dem Bezug auf Berührung und Mimikry hätte man die potentielle Gewaltförmigkeit medialer Kontaktnahme im Blick, aber auch ihr Potential zur Bahnung neuer Beziehungen. In der Gewichtung je unterschiedlicher Aspekte des Taktilen könnte man eine Kartographie des Mediendenkens insgesamt versuchen, das auch insofern eng mit dem Diskurs des Haptischen verwandt ist, als es den aktiv-vermittelnden Charakter von Mediatisierungen hervorkehrt. Wenn gegenwärtig viele Bemühungen dahin gehen, Medien unsichtbar und unfühlbar zu machen – das ist auch das Szenario in Terminator Genisys: Die »Machtübernahme« der Maschinen erfolgt durch eine App, durch die sich NutzerInnen das Leben zu erleichtern hoffen, womit sie sich aber der algorithmischen Regierung unterwerfen –; wenn damit auch Steuerungs- und Kontrollprozesse unwahrnehmbar werden, kann die Haptophilie von Medientheorie und Kunst ein Interventions­instrument sein. Dass Instanzen der Kontrolle zunehmend »ungreifbar« erscheinen, uns aber gleichzeitig auf die Pelle rücken und unter die Haut kriechen, sollte Grund genug sein, über Techniken der Nähe- und Distanzregulierung scharf nachzu­denken. Das Taktile wäre nicht deshalb ein kritischer Einsatz, weil es auf einen meist im Nebulösen bleibenden »Widerstand des Materiellen« insistiert, »zurück hinter Kant« will o.ä., sondern weil es präsent hält, dass in Be- und Entgrenzungsvorgängen Macht im Spiel ist und Verletzungen auftreten. Prothesen ohne Prothesenlogik, Berührungen ohne Berührung, ein Lächeln ohne ein Lächeln – wohin gehen wir von hier aus? Vielleicht tatsächlich in eine Welt der Sinnlichkeit, die nicht mehr und nicht weniger ist als ein Tanz des Verbindens und Trennens: des Verbindens und Trennens von Sinnesqualitäten (taktiles Sehen, imaginatives Tasten), von maschinischen Menschen und eigensinnigen Maschinen, von ganz Lokalem/ Idiosynkratischem und globaler Medienkultur. Solange wir über manche Verbindungen noch erschrecken können und uns andere Trennungen traurig stimmen, ist daran nichts auszusetzen.

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Karin Harrasser Karin Harrasser ist Professorin für Kulturwissenschaft an der Kunstuniversität Linz. Nach einem Studium der Geschichte und der Germanistik und der Dissertation an der Universität Wien habilitierte sie sich an der Humboldt-Universität zu Berlin mit Prothesen. Figuren einer lädierten Moderne (2015). Karin Harrasser ist die Autorin von Körper 2.0. Über die technische Erweiterbarkeit des Menschen (2013) und Wissen Spielen. Untersuchungen zur Wissensaneignungen von Kindern im Museum (2011, gemeinsam mit Doris Harrasser, Stephanie Kiessling, Sabine Sölkner, Veronika Wöhrer). Zusammen mit Katja Rothe gab sie Diätetiken des Schreibens. Rezepturen und Übungen (2015) sowie mit Lars Friedrich, Daniel Tyradellis und Joseph Vogl Figuren der Gewalt (2014) heraus. Neben ihren wissenschaftlichen Tätigkeiten beteiligt Harrasser sich an kuratorischen Projekten, zum Beispiel in der NGBK Berlin, bei Kampnagel Hamburg und am TQ Wien. Sie ist mit Elisabeth Timm Herausgeberin der Zeitschrift für Kulturwissenschaften.

Sinnlichkeit und Sinnesarbeit 4

2 Dietmar Dath, ebd.

Eine Tageszeitung. Das Feuilleton. Zwei große Artikel.1 Der linke ein Gespräch mit dem Erzbischof Yohanna Petros Mouche, er spricht über die von der IS eingenommene irakische Stadt Mossul, über seine Flucht, und er klagt den Westen an, es gebe eine Paradoxie in der Wahl des Schutzbedürftigen: »Die Menschen im Westen kämpfen für den Erhalt vom Aussterben bedrohter Tierarten. Wie können sie dann tatenlos zusehen, wenn ein ganzes Volk vertrieben wird. [...] Warum überlässt uns die Welt dem langsamen Tod?« Der gegenüberliegende Artikel ist eine lange Filmkritik: »Um Schrotteswillen! Magnetisiertes Altmetall, per Strom wiederbelebt: Terminator: Genisys im Kino.« Wir haben uns an diese eigentümlichen Kollisionen in nachrichtengebenden Medien gewöhnt, eine politische Realität und die Schrecken ihrer Auswirkung auf ein Volk stehen unversöhnlich einem Kommentar zu einem Hochleistungsprodukt der Fiktionsindustrie gegenüber. Als Leser erfahren wir diesen, von redaktionellen Zwängen und wohl auch Absichten geleiteten Zusammenprall gegensätzlicher Phänomene der Gegenwart als Provokation der Grenzen unserer Vorstellungskraft. Wir verbiegen unsere Sinnesarbeit, um dieses gewaltvolle Miteinander wieder zu entzerren oder doch das Gemeinsame zu finden. Der Erzbischof ist für uns »Phänomen« einer medialen Übertragung, er ist Teil unserer Lesewirklichkeit, da er aus dem entfernten Irak auf die Seiten einer Zeitung projiziert wurde, ein Bericht erweitert und affiziert unser Wissen über politische Faktizitäten. Ohne diesen hätten wir vielleicht nie von Mouche und Mossul erfahren. Der Kritiker feiert die »Wiedergeburt« Schwarzeneggers als Terminator und formuliert Gedanken zum Mensch-Maschine-Verhältnis. »Ein Film, der davon handelt, dass Menschen grundsätzlich mehr wert sind als Motoren, Rechner, Kugellager, Dämpfer, Stabilisatoren, Federn, Achsen und Krimskrams, geht von einer sentimentalen Voraus­ setzung aus, nämlich der, dass man uns moderne Leute von unseren Geräten überhaupt noch sauber trennen kann. Diese Vorstellung ist selbstverständlich völlig falsch [...].«2 Falsch ist sie wohl auch deswegen, weil Motoren, Rechner... und Terminatoren

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1 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8.7.2015, S. 9.

stets schon als Prothesen unserer selbst in Erscheinung treten, als Erweiterungen sinnlich-mentaler Vermögen, »um leben zu helfen und um sterben zu machen« (Gehlen).

4 Siehe: J. Laplanche; J.-B. Pontalis: Projektion. In: Das Vokabular der Psychoanalyse. Zweiter Band. Frankfurt am Main 1973, S. 399f.

Für Freud wird die Idee der »Projektion« in unterschiedlichen Werkphasen bedeutungsvoll.4 In der Psychoanalyse sind es nicht einfach Organe, deren Funktion und Form über Techniken nach außen projiziert werden, sondern Triebwirklichkeiten, also innere Reize, deren Spannungen oder Intensitäten das Subjekt nicht mit oder in sich alleine zu bewältigen vermag. Wobei diese inneren Kräfte tatsächlich »Qualitäten« sind, die unterschiedliche Ausrichtungen haben: Unlust genauso wie Lust, Gefühle, Wünsche. Jedenfalls Kräfte, die auszuleben oder denen zu entfliehen es einer Technik der Verkörperung bedarf. Sie werden nach außen projiziert, als Maßnahme der Abwehr, aber genauso als Erfüllung eines Begehrens. Und konstituieren dieserart auch ein erstes Kriterium für innen und außen, für Subjekt und Objekt. Jedoch begleitet

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3 Siehe für diese und die folgenden Ausführungen zu Ernst Kapp: Susanne Fohler: Techniktheorien. Der Platz der Dinge in der Welt des Menschen. München 2003, S. 34–36.

Medientechniken sind, in technikphilosophischer Tradition, als Erweiterung, als »Projektion« menschlicher Sinnes­­organe verstanden worden. Das Auge ist »Vorbild aller optischen Apparate«, im Einklang mit der Technik ist es dem Menschen möglich, sich »productiv und rezeptiv bis ins Unendliche zu erweitern«.3 Ernst Kapp formuliert 1877 diese eingängige These der »Organ­ projektion« als Movens einer jeden Werkzeug­erfindung jedoch mit einer tiefgründigen Spekulation. Die Verlängerung, die Expansion menschlicher Organe, ihrer Formen und Funktionen, in die Werkzeuge, ein Vorgehen, das sich oftmals »unbewußt« vollzieht, hat den ausschließlichen Sinn, die dieserart hergestellte Produktwelt »retrospectiv zur Selbsterkenntnis und zur Erkenntnis überhaupt« zu nutzen. »Der Mensch stülpt sich in seinen Arte­fakten nach außen, um sich selbst zu erkennen.« Das gilt progressiv auch für die komplexen Maschinen der Mechanisierung, die wiederum den Rückschluss ermöglichen, dass der Mensch selber »das ideal machinale System« darstellt. Mit Kapp lässt sich sagen, dass aktuelle Medientechniken weiterhin Entwürfe projizierter Sinnesmodalitäten sind, dass sie Auskunft geben über den sie herstellenden und begehrenden spätmodernen Menschen.

6 Laplanche/Pontalis 1973, S. 405 (wie Anm. 4).

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5 Sigmund Freud: Jenseits des Lustprinzips (1920). Gesammelte Werke XIII. Frankfurt am Main 1999, S. 29.

diesen Prozess eine produktive »Verleugnung«. Denn auf »magische« Weise wird den projizierten Reizen ihre Herkunft gekappt. »Es wird sich die Neigung ergeben, sie so zu behandeln, als ob sie nicht von innen, sondern von außen her einwirkten [...]«.5 Nunmehr wirken also die im Außen sich einrichtenden Kräfte wie scheinautonome Wesen, so dass das Subjekt ihnen als andere denn es selbst begegnet, ob als zu verachtende Phänomene (wie in der »projektiven Eifersucht«) oder als Wunscherfüllung durch ein Drittes, ein Massenmedium etwa. Die Gegenleistung für dieses Hinauswerfen der Qualitäten ist, dass sich das Subjekt verpflichtet sieht, nunmehr den in der Realität, im Außen ver­körperten Triebwirklichkeiten vollen Glauben zu schenken. Anders gesagt, wir suchen die Ursache unserer Affekte in der Außenwelt. So dass uns die kaum mehr von uns abtrenn­ baren Lustobjekte der Neuen Medien als Ursprungskörper unserer Affekte begegnen. Gegensätzliche Affekte materialisieren sich in unserem Technikgebrauch und ermöglichen uns dieserart, sie abzuwehren (als kulturkritische Polemik etwa) oder aber, das ist wohl heute die Standardversion, sie zu lieben, wie wir uns selber lieben. Wir expandieren auf diese Weise aus unserem Innenleben in eine Technikwelt, die uns all jene Aggressionen und Wünsche erfüllt, die unser Innenleben paranoisch ausstößt: die Cyborg-, Robotnik-, Avatar-Fantasien des besseren Menschen, die Immersionslust in Spielewelten, in denen wir all das tun können, was uns die Gesellschaft verbietet, das Kontrollbegehren unseren eigenen Körper gegenüber unter Zuhilfenahme von Self Tracking-Techniken. Gerade im Zusammenhang mit dem »Quantified Self« lässt sich sagen, dass hier ein »realer Abstoßungsvorgang« mit der Projektion einhergeht. Ausgangspunkt der Projektion ist nicht ein »Nicht-Wissen-Wollen«, sondern ein zu überbietendes »Nicht-Sein-Wollen«6, die Vergänglichkeit und Verletzbarkeit des Körpers erweitert sich »positiv« nach außen und wird über Techniken der Selbstvermessung und Selbst­ gestaltung in eine Fantasie der Vervollkommnung überführt. Wenn Freud in Das Unbehagen in der Kultur die Technik­ obsessionen seiner Zeit – einer Zeit, in der Motoren, Kameras, Grammophonplatten, Telefone die »motorischen wie sensorischen Organe« des Menschen vervollkommnen sollten – in die

Ambivalenz von Kultur überhaupt einschreibt und den Menschen als nicht sonderlich glücklichen »Prothesengott« entwirft 7, dann wirkt diese kulturkritische Emphase blass im Vergleich zu seinen Studien zur Projektion, die die gleichen Techniken auf wesentlich intimere Weise begleiteten. Bloß dass es uns schwerfällt, von ihrem Gebrauch auf jene Spuren in uns zu schließen, die an ihrer Herstellung und vor allem Verbreitung wesentlich beteiligt waren und sind. Die von Kapp erwünschte Selbsterkenntnis muss wohl den Umweg über die Therapie nehmen. Ab 1940 wird Arnold Gehlen in sozialanthropologischer Hinsicht Technik als »Organersatz, Organentlastung, Organüberbietung« für den » instinktentbundenen und weltoffenen « Menschen bestimmen. Prothesenhafte Erweiterungen also, die seiner »Institutionenbedürftigkeit« entgegenkommen. Extensionen, Expansionen der Sinne werden also in dieser Perspektive ver­standen als Erklärungsmodell für Technik, im Speziellen Medientechniken. Technik schafft in Gestalt von Prothesen neue künstliche Umwelten, die der »mangelhaften« Grundaus­­­ stattung der Menschen zugute kommen, diese entlastet. 1964 proklamiert Marshall McLuhan Medien als »Extensions of Man«, schafft so einen popkulturellen Mainstream für die Prothesentheorie, die sich nunmehr parallel zu der schnellen Ausdifferenzierung der Massenmedien verbreitet. Technische Bewegtbilder, Animations- und Übertragungstechniken erhöhen zum einen prothesenhaft die sinnlichen Leistungen (mehr, anderes sehen und hören), zum anderen provozieren sie aber auch eine Entgrenzung sinnlicher Möglichkeitsbedingungen (Immersion), sind sie an »der Ausschaltung und Überbietung nicht bloß einiger Organe, sondern des Organischen überhaupt« (Gehlen) interessiert.



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7 Sigmund Freud: Das Unbehagen in der Kultur (1930). In: Gesammelte Werke XIV. Frankfurt am Main 1999, S. 14.

Marc Ries

Achille Mbembe

2 G. W. F. Hegel: Phänomenologie des Geistes. In: Ders.: Werke in zwanzig Bänden, Bd. 3. Frankfurt am Main 1970, S. 507f.

3 Larousse 2009, S.68 (wie Anm. 1). 4 Christopher Leslie Brown: Moral Capital. Foundations of British Abolitionism. Chapel Hill 2006.

Achille Mbembe: Kritik der schwarzen Vernunft. Frankfurt am Main 2014, S. 30–31. Übersetzung: Michael Bischoff Zitatauswahl: Mathias Windelberg

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1 Pierre Larousse: Nègre, Négrier, Traite des Nègres. Trois Articles du Grand Dictionnaire du XIXe siècle. Vorwort von Françoise Vergès. Paris 2009, S. 47.

[…] Der Rest – Gestalten des Andersartigen, der Differenz und der reinen Macht des Negativen – war Ausdruck des Objektseins schlechthin. Afrika im Allgemeinen und der Neger im Besonderen wurden als perfekte Symbole dieses pflanzlichen und beschränkten Lebens dargestellt. Als jede Gestalt überschreitende und deshalb grundsätzlich nicht darstellbare Gestalt galt insbesondere der Neger als perfektes Beispiel dieses intensiv von der Leere bearbeiteten Andersseins, dessen Negativ am Ende alle Momente des Daseins durchdrungen hatte – Tod des Lichts, Zerstörung und Untergang, namenlose Nacht der Welt.1 Über solche Gestalten sagte Hegel, sie seien Statuen ohne Sprache und Selbstbewusstsein; menschliche Wesen, die unfähig seien, sich endgültig von der Tiergestalt zu befreien, mit der sie vermengt waren; im Grunde liege es in ihrer Natur, etwas in sich zu bergen, das bereits tot sei. Solche Gestalten seien das Kennzeichen »vereinzelter ungeselliger Völker­geister, die in ihrem Hasse sich auf den Tod bekämpfen«, sich nach Art der Tiere zerfleischen und vernichten – eine noch schwankende Art von Menschheit, die Menschwerden und Tier­werden miteinander vermengt und letztlich ein Selbstbewusstsein »ohne Allgemeinheit« besitze.2 Andere räumten – barmherziger – ein, dass solche Wesen nicht gänzlich ohne Menschlichkeit seien. Diese noch im Schlaf liegende Menschheit habe sich noch nicht an das Abenteuer der von Paul Valéry so genannten »unüberbrückbaren Kluft« gewagt. Es sei aber möglich, sie auf unseren Stand zu erheben. Diese Bürde gebe uns jedoch keineswegs das Recht, ihre Unterlegenheit auszunutzen. Vielmehr erwachse uns daraus eine Pflicht – nämlich ihr zu helfen und sie zu schützen.3 Genau das mache das koloniale Unternehmen zu einem zutiefst »zivilisatorischen« und »humanitären« Werk, und die unvermeidlich damit verbundene Gewalt könne nur moralischer Natur sein.4 […]

Steven Shaviro

Corporate Cannibal

Steven Shaviro

2 Vgl. Nick Hooker: Grace (E-Mail an den Autor des Textes; 17.1.2009).

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1 Interview: How Nick Hooker Turned Grace Jones Into A Corporate Cannibal. URL: http://hermitosis.blogspot. com/2008/09/nick-hooker-turned-grace- jones-into.html.

Obwohl der Regisseur Nick Hooker Grace Jones’ Musikvideo Corporate Cannibal (2008) ursprünglich in Farbe aufnahm, ist der Clip bloß zweifarbig – schwarz und weiß. Genauer: Da das Video keine anderen Bilder als Jones’ Gesicht und Oberkörper zeigt, handelt es sich bei seiner einzigen Farbe sogar ausschließlich um Schwarz. Die zugrunde liegenden Aufnahmen wurden in einer einzigen Einstellung von zwei Videokameras aufgezeichnet. Jones war kurz zuvor von einem mehrmonatigen Jamaika-Aufenthalt zurückgekehrt, folglich sah ihre Haut »schwarz, tief, tief schwarz aus«, so der Regisseur. Vor keinem Hintergrund, berichtet Hooker weiter, hätte sich Jones’ »rau schillernde Haut«1 vollständig abheben können. Auch deshalb entschied er sich während der Post-produktion, das Footage nicht nur vollständig seiner Farben zu entsättigen, sondern auch dessen Kontrastwerte zu erhöhen. Die Dunkelheit von Jones’ Haut wurde auf diese Weise noch stärker hervorgehoben, ein zuvor immerhin in Konturen sichtbarer weißer Hintergrund verschwand durch diesen Schritt dafür gänzlich.2 Vor einem derart entleerten Hintergrund sehen wir also ausschließlich prägnante Gesichtszüge, Mimik und Silhouette der Sängerin. Nur noch als Absenz einer jeden Bildlichkeit sichtbar bleibt mithin Weiß. Ganz offensichtlich handelt es sich bei diesem Spiel mit den Farben sowie der darin enthaltenen Gegenüberstellung von Fülle und Inhaltslosigkeit um ein mit ethnischen Implikationen aufgeladenes Unterfangen. Ich werde darauf zurückkommen.

Corporate Cannibal

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Als Grundmechanismus des Videos ist eine kontinuierliche Mani­pulation der Aufzeichnungen von Grace Jones’ Gestalt am Werk. Über die gesamte Dauer verzerrt sich ihr dort sichtbarer Körper. Er schwillt bis zur Unkenntlichkeit an, spaltet sich, kontrahiert, verbiegt sich erneut und fließt dabei stets von einer Form in eine nächste über. Das Video beginnt mit einem diagonal über den Schirm gespannten doppelten Streifen. Dieser mutet eher wie eine abstrakte, elektronische Störung an, verformt sich jedoch rasch in Gebilde, welche das Antlitz der Sängerin erkennen lassen. Als wäre es schließlich durch Jones’ Präsenz verschlungen, endet das Video nach sechs Minuten und acht Sekunden im absoluten Schwarz des Screens. Dazwischen ist das Bild der Sängerin gänzlich instabil, in stetigem Fluss. Für kaum mehr als ein paar Sekunden haben die Figurationen Bestand. Einige Einstellungen scheinen jedoch immer wieder aufzutreten, allen voran das in die Länge gezogene Gesicht sowie der vertikal überstreckte Körper der Künstlerin. Jones’ Stirn wirkt unnatürlich lang – es scheint, als sei der für sie schon in den 1980er Jahren typische Bürstenhaarschnitt nun vollends über alle Dimensionen erhaben. Doch wird ihr Körper nicht bloß ausgeweitet oder überdehnt. Ebenso verzerrt das Video – das Wortspiel sei gestattet – ins Grazile, dünnt aus und lässt Jones’ Gestalt insektenartig anmuten. In extremen Nahaufnahmen verzerren sich bald auch Teile des Gesichts. Ihr Mund expandiert auf angsteinflößende Ausmaße, als wolle er den Zuschauer sogleich verschlingen. Augen quellen monströs hervor und verschwimmen, ähnlich einer giftigen Lake, auf dem Schirm. Als befände sie sich in einem Spiegelkabinett, vervielfältigt sich Jones’ Gestalt zu multiplen, doch nicht perfekten Klonen. Nur gelegentlich werden wir einer fast unverzerrten Aufnahme von ihr gewahr. Bevor uns aber eine vollständige Rezeption dieser gelingt, dreht sich das Bild bereits in die nächste Windung hinein. Trotz all dieser Deformationen bleibt Grace Jones durchweg erkenntlich. Bedenkt man allerdings, dass die Künstlerin niemals auch nur im Entferntesten einer anderen Person ähnlich sah (oder klang), erstaunt diese Feststellung kaum. Schon vor ihrer Karriere als Sängerin und Performance-Künstlerin stach sie als Modell durch furiose Extravaganz aus der Masse hervor. Gegen Ende der 1970er Jahre erreichte Jones’ Bekanntheitsgrad für einige

Steven Shaviro

4 Ebd.

5 Hooker vergleicht die zähflüssige Materialität von Jones’ Video­bild mit Richard Wilsons Installation 20:50, in welcher ein mit Öl gefülltes Becken die Hälfte der Galerie besetzt und dabei die Decken des Ausstellungsraums spiegelt.

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3 Ebd.

Jahre einen ersten Höhepunkt. Wie schon zuvor auf den Laufstegen, besetzte sie in dieser Periode eine stets streitlustige, selten kompromissbereite Rolle. Gewiss durchlief sie auch darin eine Reihe von Veränderungen. Als konstant aber bleibt anzuerkennen, dass niemand sie imitieren oder gar ersetzen konnte – und entsprechende Versuche, schon in eigenem Interesse, besser unterlassen wurden. Corporate Cannibal verlängert diese Charakterisierung nun in die Gegenwart: Während das Video Jones’ (Gesichts-)Züge zerschmelzen lässt, gar aufsprengt, behält es stets eine typische, kantig-aggressive Eigenwilligkeit. Es ist unmöglich, im Verlauf des Videos eine Identität für ihre konkreten Figurationen zu behaupten; von Augenblick zu Augenblick unterscheiden sich die uns präsentierten Bilder. Dennoch sehen wir uns beharrlich mit ihrer einzigartigen Gestalt konfrontiert. Wir hören ihre Stimme auf dem Soundtrack, indessen ist unser Blick auf die je verformten Lippen und den Mund fokussiert. Trotz aller Modifikationen behält Jones’ Gestalt einen spezifischen Style, eine typische Akzentuierung; sie markiert den Bildschirm auf unverwechselbare Weise. Meines Erachtens präsentiert sich Jones’ Singularität als popkulturelle Ikone hier auf fast materialistische Weise. Der Regisseur des Videos berichtet aus seinen Erfahrungen in der Post-produktion, »dass sich ihr Bild gewissermaßen wie Öl verhielt«3. Ich interpretiere diese Aussage derart, dass sich Jones’ Gestalt im Video zwar einerseits als formbar und zerfließend, andererseits aber auch als dickflüssig und zäh erwies. Im Verlauf des Videos verschwindet das entsprechende Bild nie ganz. Vielmehr behält es auch noch im schwerelosen Reich der digitalen Bilder eine definierte, dichte Materialität. Dadurch kann Jones’ Gestalt eben jenen Transformationen widerstehen, welche diese zuallererst ausdrücken. »Nachdem die Musik endete, stellte ich mir vor«, so Hooker, »wie Grace in einen stillen, bewegungs- und formlosen Zustand zurückkehrt.«4 Diese klebrige und unnach­giebige Trägheit von Jones’ Bild sowie eine bereits im Material angelegte Selbsterhaltung überstehen unzählige fließende Transformationen. Ich möchte diese Eigenschaft deshalb als ikonische Singularität ohne Identität bezeichnen.5 Schon vor Corporate Cannibal produzierte Nick Hooker

Corporate Cannibal

7 Louise Krasniewicz: Magical Transformations. Morphing and Metamorphosis in Two Cultures. In: Vivian Sobchack: MetaMorphing. Visual Transformation and the Culture of Quick-Change. Minneapolis 2000, S. 53.

8 Modulation ist ursprünglich ein analoger Prozess. Breite Bekanntheit erlangte dieser als Amplituden-Modulation (AM) oder Frequenz-Modulation (FM) von Radiowellen. Bei der analogen Modulation »werden spezifische Größen eines Trägersignals stetig neu reguliert und angepasst, um dadurch Spuren eines anderen Mediums zu transportieren. Die verkörperte Ausgangsform des Trägersignals verwandelt sich dabei stetig, ohne allerdings übertragene formale Spuren des anderen Mediums zu verändern«. Correy Shores: Deleuze’s Analog and Digital Communication; Isomorphism; and Aesthetic Analogy (2009). URL: http:// piratesandrevolutionaries. blogspot.com/2009/01/deleuzesanalog-and-digital.html.) Nach-

für Bands wie U2 Musikvideos. Darin verwendete elektronische Manipulationsverfahren ähneln denen in Corporate Cannibal.6 Die meisten dieser früheren Videos sind jedoch schrill-farbig und überaus abstrakt. Vorgenommene Transformationen beziehen sich darin zumeist auf das gesamte Bildfeld und nicht auf eine einzelne menschliche Gestalt. Sie werden eher als rauschhaftpsychedelisch erfahren und stehen schon deshalb in einem klaren Gegensatz zu den schroffen Monsterbildern von Corporate Cannibal. In seinen früheren Videos arbeitete Hooker mit fließenden Bildmetamorphosen. Bei der in Corporate Cannibal zum Einsatz kommenden Modulation handelt es sich jedoch um ein gänzlich anderes Verfahren. Während sich die früheren Metamorphosen expansiv und prinzipiell endlos gebarten, folgen Hookers jüngere Modulationen eher implosiven und schema­ tischen Mustern. Metamorphosen bedürfen »des Vermögens [,] sich quer zwischen den Kategorien zu bewegen«7; schnell ahnen Zuschauer dabei, dass im Grunde alle möglichen, insbesondere auch die gar nicht antizipierbaren Formveränderungen eintreten können, da eine Form eben unendlich weiter verformbar ist. Die viel starreren Modulationen hingegen benötigen ein zugrunde liegendes und fixiertes Signal, beispielsweise in Form einer elektromagnetischen Trägerwelle. Wellen oder Signale werden bei diesem Verfahren codierten, vorab definierten Variationsabfolgen unterzogen.8 Somit implizieren die Modulationen in Corporate Cannibal, dass jede eintretende Variation in einem prädeterminierten Bündel des Möglichen bereits vorausgesagt ist. Alles wird durch eine Modulation in das gleiche Verhängnis, den gleichen Trichter, das gleiche schwarze Loch gezogen. Anders als im Fall der Metamorphose generiert eine Modulation somit keine neuen Bedeutungen und Sinnzusammenhänge. Vielmehr bewirkt sie ein Fixieren der Gesamtheit möglicher Bedeutungen: Jedem eintretenden, bereits auf einen binären Code verflachten Ereignis wird, innerhalb des algorithmischen Rasters vorbedachter Variationen, ein Platz zugewiesen. Bei Corporate Cannibal handelt es sich um eine konti­ nuierliche Modulation von Grace Jones’ Gestalt. Das Video ist somit zugleich Beispiel und Internalisierung eines zentralen

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6 Einige dieser frühen Videos stehen auf der Website des Regisseurs (http://www.nickhooker.com) und auf seiner MySpace-Seite zur Verfügung (http://www.myspace.com/ nickhooker).

9 Gilles Deleuze: Unterhand­­lungen 1972–1990. Frankfurt am Main 1993, S. 256.

10 Flexibilität ist hier also die starre Größe der Modulation. (Anm. d. Ü.) 11 Just-in-time-Produktion beschreibt eine verschlankte, am unmittelbaren Bedarf orientierte Produktion bei zugleich beschleunigtem Umsatz und minimiertem Aufwand für Lagerhaltung. (Anm. d. Ü.)

12 Luc Boltanski; Éve Chiapello: Der neue Geist des Kapitalismus. Konstanz 2006, S. 158.

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Mechanismus der im Entstehen begriffenen, durch Gilles Deleuze beschriebenen Kontrollgesellschaften. Modulation arbeite, so Deleuze, wie eine »sich selbst verformende Gußform, die sich von einem Moment zum anderen verändert, oder [wie ein] Sieb, dessen Maschen von einem Punkt zum anderen variieren«9. Sich der Modulation bedienende Regime verfügen mithin über keine festen, vorgegebenen Formen. Sie unterscheiden sich dadurch von den durch Foucault beschriebenen und im Allgemeinen mit fordistischen Produktionsweisen verknüpften Disziplinargesellschaften. Letztere zeichneten sich noch dadurch aus, alles in identische, starre Formen zu zwängen: Arbeiter mussten ihre je eigenen Rhythmen denen der Fließbänder unterordnen, darauf assemblierte Massenprodukte waren identisch und unter­­ einander austauschbar. Anders in der postfordistischen Kontroll- beziehungsweise Informationsgesellschaft: In dieser nämlich lassen sich Formen vertauschen und verändern, um unmittelbar und situationsgerecht den sich ergebenden Bedarfsveränderungen gerecht zu werden. In dieser Gesellschaft gilt als einzig festgelegter Anspruch, eine basale Flexibilität10 zu wahren: das Vermögen, jede unmittelbar benötigte Form anzunehmen, die Fähigkeit, sich geschmeidig und schnell auf neue Anforderungen jeglicher Art, auf andere Formen, zusätzliche Prozeduren und so weiter einzustellen. Heute wird Flexibilität in erster Linie dafür geschätzt, bei gleichzeitiger Minimierung von Kosten eine Just-in-time-Produktion11 zu ermöglichen. Darüber hinaus stellt Flexibilität aber auch die begehrte Eigenschaft von Mitarbeitern in Unternehmen der so genannten New Economy dar: Deren archetypischer Mitarbeiter »zeigt sich anpassungsfähig, flexibel. Es ist jemand, der zu einer völlig andersartigen Situation überwechseln kann und sich dort zurechtfindet. Er ist polyvalent, wechselt problemlos seinen Tätigkeitsbereich bzw. seine Instrumente je nach Art der Beziehungen, die er mit anderen Personen oder mit Objekten unterhält.«12 Und letztlich charakterisiert Flexibilität auch die gesamte Gruppe neuer Konsumenten, welche sich nicht länger mit standardisierten und gleichförmigen Waren vom Fließband zufriedengeben wollen. Vielmehr fordern die Mitglieder dieser Gruppe nun spezifische, individuell an eigene Vorlieben oder Launen angepasste Produkte.

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dem die Modulation zu einer digitalen wurde, muss dieser Beschreibung ein Zwischenschritt hinzugefügt werden: »Im Digitalen werden sowohl die Trägersignale stetig moduliert als auch die Spuren des übertragenen Mediums verändert« (ebd.). Letztere werden nämlich vor der Übertragung in einen Binärcode übersetzt. Das auch im Digitalen regulierte, stetig angepasste Trägersignal kontrolliert damit keine Verkettung ähnlicher Spuren (wie es noch bei analoger Übertragung durch Modulation der Fall war), sondern überträgt einen homogenisierten und reduzierten, zuvor durch ein binäres Raster gepressten Code.

Corporate Cannibal

14 Deleuze beschreibt die von Foucault vordergründig analysierten Mechanismen des Einsperrens innerhalb der älteren Disziplinargesellschaften als »analogisch« operierend. »Dagegen sind die verschiedenen Kontrollmechanismen untrennbare Variationen, die das System einer variablen Geometrie mit numerischer […] Sprache bilden.« Deleuze 1993, S. 256 (wie Anm. 9). 15 Dabei denke ich insbesondere an Laura Mulveys Beschreibung einer spezifischen Teilung des Kinos in zwei Bereiche. Sie diagnostiziert »einen Riss zwischen der materiellen Konstitution des Films – dem banalen, durch einen Projektions­apparat bewegten Zelluloid-Streifen einerseits und den zauberhaft sich bewegenden Leinwand­bildern im verdunkelten Raum anderer­ seits«. Entlang dieser formalen Aufteilung richtet Mulvey auch die »grundlegende und unversöhnliche Opposition zwischen Bewegung und Stillstand aus, die auf die gesamte Ästhetik des Kinos ausstrahlt«. Des Weiteren assoziiert sie die bewegten Bilder mit den narrativen Zügen und Trieben des populären Erzähl­ kinos, den Stillstand hingegen mit dem Projekt einer Avantgarde, welche »Materialien und Mechanismen des Films zur Sichtbarkeit verhelfen will«.

In einer Welt der »flexiblen Akkumulation«13 erscheint Modulation deshalb als ein Verfahren, das bei größtmöglicher Produktvielfalt und -differenzierung weiterhin eine fundamentale Ebene der Kontrolle bewahrt. Nun ist Modulation kein besonders spezifisches Merkmal von Corporate Cannibal. Vielmehr handelt es sich dabei um einen allgemeinen und elementaren Zug aller digitalen Pro­ zesse.14 Jedes digitale Video wird mittels binärer Codes beschrieben und durch algorithmische Prozesse ver- und entschlüsselt. Somit können prinzipiell alle Videobilder einer kontinuierlichen Modulation unterworfen werden. Offenkundig stellt dieses Verfahren bei Corporate Cannibal aber nicht nur die technische Konstitution des Mediums dar, sondern ist zugleich Inhalt des Videos. Tatsächlich kann hier also einmal vom Medium als seiner eigenen Botschaft gesprochen werden. Weiter oben habe ich bereits erwähnt, dass das Weiß hinter Jones’ Rücken keinen Hintergrund repräsentiert. Vielmehr zeigt es absolute Leere. Für unser Ver­ständnis des Videos ergeben sich daraus wichtige Konsequenzen. Üblicherweise ›entziffern‹ wir Bilder in Hinblick auf darin enthaltene Figur-Grund-Beziehungen; Corporate Cannibal aber verbietet ein solches Vorgehen, denn Jones’ verbildlichter Körper befindet sich noch nicht einmal implizit in einem traditionellen Raum. Vielmehr handelt es sich bei ihm um ein elektronisches Signal, dessen Modulationen auf einem Bildschirm oszillieren. Zwar ist der Schirm dabei noch ein materieller Träger für das Bildsignal, doch sendet er selbst keine eigenen Signale aus. Er stellt nichts dar und ist innerhalb des Videos noch nicht einmal präsent. Deshalb handelt es sich bei Corporate Cannibal weder um ein klassisches Werk, in welchem die Leinwand zu einer Art Fenster auf eine darauf repräsentierte Welt wird (wie es etwa bei Filmen Renoirs der Fall wäre), noch ist dieses Video eine modernistische Arbeit, die sich (wie zum Beispiel die kinematographischen Arbeiten Godards) reflexiv auf die Materialität des Screens als Oberfläche bezieht.15 Im Gegensatz zu klassischen oder modernistischen Bewegtbildarbeiten bietet Corporate Cannibal also keine vorgefertigte Raumstruktur, innerhalb welcher sich Jones’ Bild­signal lokalisieren ließe. Es gibt in dem Video lediglich ein elektromagnetisches Feld, das sich als Signal dynamisch bildet und, kontinuierlich moduliert,

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13 Im englischen Original wird hier verwiesen auf David Harvey: Spaces of Global Capitalism. Toward a Theory of Uneven Geographical Development. New York 2006, S. 141–172. Tatsächlich aber befindet sich der genannte Artikel nicht in diesem Band. Stattdessen scheint Shaviro verweisen zu wollen auf die Überschrift From Fordism to flexible accumulation des neunten Kapitels von David Harvey: The Condition of Postmodernity. An Inquiry into the Conditions of Cultural Change. Oxford 1989, S. 141–172. (Anm. d. Ü.)

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16 David Harvey: Raum als Schlüsselbegriff. In: Ders.: Räume der Neoliberalisierung. Zur Theorie der ungleichen Entwicklung. Hamburg 2007, S. 130. 17 David Harvey beschreibt drei verschiedene Typen des Raums: Zum einen nennt er den Cartesianisch-Newton’schen, absoluten Raum, so wie er für gewöhnlich der Wahrnehmung gegeben ist (ebd., S. 127). Der zweite von ihm beschriebene Raum entspricht der Einsteinschen relativen Raumtheorie der modernen Physik (ebd., S. 128f.). Relationale Räume nennt der Autor schließlich unter einem dritten Punkt. Er betont, dass es seiner Raumtheorie nicht darum gehe, aus den drei soeben genannten ein einziges, vermeintlich wahres Raumkon­ zept zu wählen. Vielmehr will Harvey ein Verständnis dafür schaffen, das »Raum an sich weder absolut noch relativ oder relational [ist], aber […] je nach den Umständen eine oder alle diese Eigenschaften gleichzeitig annehmen [kann].

fortschreibt. Corporate Cannibal findet somit weder in einem absoluten oder perspektivischen Wahrnehmungsraum statt, noch impliziert es derartige Raumstrukturen. Vielmehr emergiert im Video ein relationaler Raum, wie er durch Leibniz, Whitehead und kürzlich auch David Harvey konzeptualisiert wurde. Harvey beschreibt, »dass es keinen Raum und keine Zeit außerhalb der Prozesse gibt, die sie definieren. […] Prozesse treten nicht im Raum auf, sondern definieren ihren eigenen räumlichen Rahmen. Das Konzept des Raumes ist eingelagert in einen Prozess oder ist innerer Bestandteil desselben.«16 Entsprechend der Kräfte, die einen relationalen Raum von einem Augenblick zum nächsten überhaupt erst hervorbringen, verändert sich dieser natürlich auch. Er ist nicht als stabiler und beständiger Container vorzu­stellen, welcher den darin enthaltenen Objekten unveränderliche Koordinaten zuweisen würde. Vielmehr wandeln derartige Räume kontinuierlich ihre Krümmungen und Dimensionen.17 Demzufolge ist der in Corporate Cannibal präsentierte Raum radikal von früheren filmischen Raumverständnissen unterschieden. Die analogen Aufzeichnungstechniken des Films und der Fotografie sind von ihrem indexikalischen Charakter geprägt. Mit David Rodowick ließe sich über derartige Verfahren sagen, dass sie »eher transkribieren und dokumentieren als repräsentieren«.18 Notwendigerweise schreiben sich dabei mittels fotochemischer Prozesse Spuren all der Objekte in ein foto­ grafisches Trägermaterial ein, welche sich zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem klar definierten Ort befanden: vor der Kamera. Das Kino bezieht sich also nicht nur auf einen bereits existierenden, absoluten Realraum, es nimmt diesen zugleich als faktisch und wahrhaftig an. Derart referentielles »Sehen einer entfernten oder vergangenen Zeit«19 erlaubt dann auch, Filmaufnahmen als Aufzeichnungen von Dauer zu definieren. Im Falle des digitalen Videos ist dies nicht mehr der Fall. Wie paradigmatisch an Jones’ überspitzter Rolle in Corporate Cannibal ersichtlich, formiert sich im Verlauf der Modulation, in Echtzeit und bei jeder Betrachtung erneut, ein ganz eigenwilliger Raumtyp. Obwohl das Video natürlich auch in diesem Fall zuvor aufgezeichnet werden musste, vollzieht sich die Emergenz seines relationalen Raums in einer ununterbrochenen Gegenwart.

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Laura Mulvey: Death 24x a Second. Stillness and the Moving Image. London (2006), S. 67. Mulvey interessiert, wie die Übertragung filmischer Werke ins Reich des Digitalen neue Erfahrungen eben solcher Filme hervorbringt. Gerade die erst durch digitale Abspieltechniken gegebene Möglichkeit, den Bewegungsfluss der Einzelbilder jederzeit einzufrieren, so Mulvey, macht uns die spezifisch kinematographische Dialektik zwischen Stillstand und Bewegung überhaupt zugänglich. Ich möchte hingegen untersuchen, wie jüngere digitale Videoarbeiten beide Seiten einer Stillstand/Bewegung-Dichotomie unterwandern. Diese, so meine ich, gehorchen nicht mehr nur einer Logik von Stillstand und Bewegung. Vielmehr unterliegen sie anderen, spezifischen Zusammenhängen von Kräften, Modulationen und FeedbackSchleifen.

Corporate Cannibal

18 David Rodowick: The Virtual Life of Film. Cambridge 2007, S. 58. 19 Ebd., S. 64. 20 André Bazin: Was ist Kino. Bausteine zur Theorie des Films. Köln 1975, S. 25. 21 Roland Barthes: Die helle Kammer. Frankfurt am Main 1985, S. 97. 22 Ebd., S. 87. 23 Rodowick 2007, S. 63, 67 (wie Anm. 18). 24 Rodowick 2007, S. 171–173 (wie Anm. 18). 25 Vgl. Deleuze 1993, S. 256, 258 (wie Anm. 9). 26 Rodowick, und mit ihm eine Reihe weiterer Filmwissenschaftler, bemängeln seit längerem das Fehlen des Index im digitalen Video. Für meine Stellungnahme dazu vergleiche: Steven Shaviro: Emotion Capture: Affect in Digital Film. In: Projections 2.1. (2007), S. 37–55.

Außer Frage steht selbstverständlich, dass Jones auch hier zu einem konkreten Zeitpunkt der Produktion vor einer Kamera gestanden haben muss. Doch anders als bei einem analogen Film beruht die ontologische Konsistenz des Videos keinesfalls (nur) auf dieser Tatsache. Gegen Bazins Ontologie des fotografischen Bildes als Kontrastfolie betrachtet, verweist Corporate Cannibal nicht mehr auf die unhintergehbare Grundlage der Fotografie, welcher zufolge »das Bild der Dinge [zum ersten Mal] auch das ihrer Dauer«20 ist. Ebenfalls in Differenz zu der durch Roland Barthes beschriebenen analogen Kameraarbeit bietet das digitale Videobild keine »Beglaubigung von Präsenz«21; es kann nicht länger beweisen, dass »das, was ich sehe […] sich dort an dem Ort [befand]«22. Allgemeiner gesprochen: Innerhalb relationaler Räume gibt es keinen Platz für unheimliche Wahrnehmungen »vergangener Räume […] die auf sonderbare Weise Empfindungen zeitlich abwesender, jedoch noch immer im Raum präsenter Dinge entbinden«23. Rodowick führt aber gerade das eben Genannte als grundlegende Eigenschaft der traditionellen Fotografie und des Films an. Darüber hinaus beklagt er, dass »sich in einer digital verfassten Welt nichts bewegt, nichts darin mehr andauert […] Im digitalen Kino gibt es kein Fortbestehen von Raum und Bewegung, sondern nurmehr Montage und Kombination.«24 Anstelle analoger sowie indexikalischer Eigenschaften des klassischen Kinos stellen sich dem digitalen Video nun Attribute wie »das Prozesshafte« und »das Kombinatorische« zur Seite. Analoges Kino beschäftigte sich mit der Dauer von Körpern und Bildern. Im digitalen Video hingegen geht es um die Formierung und Zusammensetzung von Kräften. In Differenz zum Kino als der Kunstform unteilbarer Präsenz handelt es sich, mit Deleuze gesprochen, beim Video um die Kunst des Dividuellen.25 Gemeint ist damit ein vielschichtiger Zustand des kontinuierlichen Zerfalls und einer zeitgleichen Neukombination durch Modulation vielfältiger Variablen jenseits des Index.26 In diesem Sinne bezieht sich Corporate Cannibal tatsächlich nicht mehr nur indexikalisch auf den Körper von Grace Jones. Es reproduziert, reflektiert oder verzerrt auch keine irgendwie authentische Aktualisierung einer früheren und vermeintlich wahreren Präsenz der Sängerin. Stattdessen müssen wir davon

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Das Problem einer angemessenen Konzeptualisierung des Raums wird durch menschliche Praxis in Bezug auf ihn gelöst.« (Ebd., S.132.) Mich interessiert insbesondere, wie Praktiken der von Deleuze beschriebenen Kontroll­gesellschaften mit den Mechanismen digitaler Medien verzahnt sind und auf welche Weise diese durch die sozial konstruierten, relationalen Räume beeinflusst werden.

Steven Shaviro

28 Sowohl Filmemacher wie Godard als auch Theoretiker von Sergei Eisenstein bis Michel Chion untersuchten die vielfältigen Beziehungsgeflechte zwischen Ton und Bild. Sie machten immer wieder darauf aufmerksam, dass beide Signale mit verschiedenen Geräten aufgezeichnet werden und eine entsprechende Synchronisation wenn schon nicht Illusion, dann doch zumin­ dest nachträglich hergestellter, künstlicher Effekt sei. Das digitale Video lässt sich allerdings nicht einmal mehr auf eine solche Bild/Ton-Dichotomie reduzieren. »Die Bestandteile des Bildes« (Gilles Deleuze: Das Zeit-Bild. Kino 2. Frankfurt am Main 1991, S. 289–334) sind vielfältig; unabhängig von der Natur der Ausgangssignale werden diese im digitalen Video in denselben indifferenten Binärcode verschlüsselt, welcher wiederum das Ausgangsmaterial für neue Konstruktionen bildet. Bei dem digitalen Video handelt es sich also nicht etwa um geschnittene und »räumlich zusammenhängende Ensembles aus Blöcken spezifischer Dauer«. Rodowick 2007, S. 169 (wie Anm. 18). Es handelt sich auch nicht nur um eine zusammen­gesetzte, palimps­ estartige Kombination von Datenschichten, sondern beim digitalen Video besteht sogar die Möglichkeit, Eingangssignale eines Sinnestyps in einem anderen auszugeben. Dabei entstehen beispielsweise Muster wie in den Metamorphosen von weiter oben bereits erwähnten Musikvideos Hookers.

ausgehen, dass das Video sich aus verschiedenen Quellen speist, unter anderem aus Bildern von Jones, wie sie ihren eigenen Song synchronisiert. Diese Quellen wurden durch zwei digitale Sensoren abgetastet. Das Sampling bezog sich dabei sowohl auf visuelle Signale als auch auf Veränderungen im Infrarotbereich. In der Postproduktion wurden beide Signalarten zusammengeführt und mit weiteren Quellen gemischt. Insbesondere die Tonsignale des zuvor aufgenommenen Songs sind für diesen dritten Typ zu nennen, der sich aus Samples von Jones’ Stimme und anderen Geräuschen zusammensetzt. Die so entstehende Gestalt der Grace Jones kann also mit gutem Grund als komplexes, sukzessiv zusammengesetztes und digital codiertes Signal bezeichnet werden – und nicht als »visuelle Transkription« oder »Augenzeugenschaft«27, wodurch, Rodowick folgend, Filmbilder charakterisiert wären. Jones’ Gesicht, Torso und Stimme – die dividuellen Elemente ihrer Persona – sind elektrischer Strom, Licht (beziehungsweise Dunkelheit) und Ton in einer digitalen Matrix intensiver Oszillationen. Nick Hooker bearbeitet somit nicht mehr Jones’ Abbild. Vielmehr moduliert und modifiziert er aktiv die elektronischen Signale, in welche die Sängerin verwandelt wurde und deren komplexes Wechselspiel den Bereich der Emergenz ihrer Gestalt überhaupt erst definiert.28 In anderen Worten: Das elektronische Bild ist eine weitere, besonders eindringliche Iteration der ikonischen Prominenz der Jones. Auf Iteration, also Wiederholung, lege ich dabei eine besondere Betonung, um die im Video präsentierte Gestalt von einer Version oder Kopie der Künstlerin zu unterscheiden. Es gibt kein platonisches Idealbild oder Original einer Celebrity: Jegliche Vergegenwärtigung des Stars wird durch dieselben Modulations­ prozesse hervorgebracht und ist in gleichem Maße gültig (oder »authentisch«) wie alle anderen. Corporate Cannibal ist in einer ganzen Reihe von Neuerfindungen der Jones dabei nur die jüngste. Im Verlauf ihrer gesamten Karriere hat sie sich und ihren Körper, seine äußere Erscheinung – im Prinzip die gesamte Persona – kontinuierlich verwandelt. Somit müsste zwischen dem ikonischen Star Grace Jones und der Privatperson eine Differenz behauptet werden können. Tatsächlich wird diese Vermutung durch Jean-Paul Goude, Grace Jones’ früheren Partner, Vater

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27 Rodowick 2007, S. 58, 61 (wie Anm. 18).

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30 In einem Artikel über Andy Warhols Monroe-Porträtserie argumentiere ich, wie die allesamt posthum hergestellten Drucke sich auf den Fakt zuspitzen lassen, dass es der Schauspielerin niemals gelang, der Marilyn Monroe-Rolle vollständig gerecht zu werden. Die Dissonanz zwischen Performer und Persona, zwischen empirischer Person und dem vermeintlich von ihr verkörperten Schönheitsideal könnte daher, ungeachtet der Faktenlage, als Ursache für Marilyn Monroes Tod gelten. Marilyns leibhaftiger Körper konnte nicht erfüllen, was die Rolle von ihr forderte. Die beim Siebdruck zufällig entstehenden minimalen, doch zahllosen Variationen und Abweichungen illustrieren in Warhols Marilyn-Porträts »eine Unmöglichkeit, der Inszenierung der Rolle des Stars zu ent­ sprechen. Deshalb sind diese Gemälde allesamt Bilder vom Tod Marilyns.« Steven Shaviro: The Life, After Death, of Postmodern Emotions. In: Criticism. A Quarterly for Literature and the Arts 46.1 (2004), S. 125–141, S. 134. Gerade dort aber, wo Monroes Versuch eines Brückenschlags zwischen ikonischer Rolle und Privatperson tragisch scheitern musste, gelingt es Jones, eben diese Differenz fruchtbar zu machen. Anders als Monroe affirmiert Jones den Spalt, vervielfältigt und überhöht ihn sogar performativ durch ironische Ent-Identifikation. Gemeint ist damit, wie Francesca Royster den Begriff von Jose Munoz reformuliert, Jones’ distanzierte Aneignung über­ sexualisierter, animalistischer, maschinischer und ganz offensichtlich entwürdigender Rollen, wie sie von dominanten Ideologien für die farbige Weiblichkeit definiert werden. Francesca T. Royster: Feeling like a woman, looking like a man, sounding like a no-no.

des gemeinsamen Sohnes sowie künstlerischer Mitstreiter, bestätigt: Das Zerbrechen der gemeinsamen Liebesbeziehung datiert er auf eben den Augenblick, in dem Grace Jones gewahr wurde, dass er »stärkere Liebe zu der gemeinsam erschaffenen Gestalt empfand als zu ihr als tatsächlichem Mensch«.29 Als Pointe dieser Anekdote soll gelten, dass die Persona oder der Charakter der Jones genauso real existiert wie die Privatperson. Ineinander fallen beide allerdings nicht. Die Privatperson Grace Jones ist nicht das Modell und noch nicht einmal irgendwie privilegierter Ausgangspunkt der Ikone Grace Jones. Goudes und wahrscheinlich unser aller Problem ist daher vielmehr, ob Jones als realer Mensch überhaupt eine vergleichbare Präsenz gewinnen und zugleich den Ansprüchen sowie Versprechen der ikonischen Figur gerecht werden kann.30 Jedenfalls hat die ikonische Grace Jones eine ebenso »reale« Präsenz wie jedes andere »reale« Objekt, selbst dann, wenn ihre Daseinsweise keine fleischliche mehr ist, sondern sich aus vielen disparaten Medien zusammensetzt. Wir treffen die Ikone Jones in physisch-materiellen Räumen, auf Laufstegen oder Konzertbühnen an. Sie begegnet uns in den virtuellen Räumen der Fernsehstudios und Filmsets. Und schließlich existiert sie auch in den relationalen Räumen von Fernsehbildschirmen und Computermonitoren. Das Celebrity-Konstrukt Grace Jones erkennen wir bereits an ihrer Haut, es vergegenwärtigt sich auch im Make-Up und der Kleidung, den Live-Auftritten, Fotografien, Filmen, Videos oder Tonaufnahmen, und zwar unabhängig davon, ob diese nun digital oder analog hergestellt wurden. Einer uns in dieser Gestalt als »Persönlichkeit«31 bekannten Jones entspricht, um es mit Whitehead zu formulieren, »der historische Weg lebender Ereignisse, die jeweils zu aufeinander folgenden Augenblicken im Körper herrschen«31. Das gesamte Bündel solcher transformativer Ereignisse – Modulationen, Übersetzungen, ein Aussetzen gegenüber verschiedensten Kraftfeldern – prägt folglich den grenzüberschreitenden, gar streitlustigen Charakter der Jones. Bereits in ihrer Frühphase (gegen Ende der 1970er Jahre) eignete sie sich traditionelle, meist rassistische oder sexistische Stereotypen an, um diese auf verspottende Weise umzukehren. In spektakulärer und häufig parodistischer Manier übernahm sie zunächst historisch-dominante, euro-amerikanisch-weiß geprägte Bilder und Vorstellungen

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29 Colin McDowell: Goude Heavens (2005). URL: http://women. timesonline.co.uk/tol/life_and_ style/women/style/article5 83890.ece.

31 Alfred North Whitehead: Prozess und Realität. Frankfurt am Main 1995, S. 229. 32 Ebd. 33 In Minstrel-Shows verkörperten schwarz geschminkte, weiße Laienschauspieler in der Regel rassistische Stereotypen des afroamerikanischen Lebens. Derart diskriminierende Aufführungen erfreuten sich in den nördlichen USA des 19. Jahrhunderts großer Beliebtheit (Anm. d. Ü.). 34 Miriam Kershaw: Postcolonialism and Androgyny. The Performance Art of Grace Jones. In: Art Journal 56.4 (1997), S. 19–25.

35 Ebd.

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des Schwarzseins. Dabei schreckte Jones auch nicht vor animalistischen Darstellungen und direkten Referenzen zu Minstrel-Shows32 zurück. Im Gegenteil: In ihren Performances warf sie dem Zuschauer derartige Klischeebilder gewissermaßen vor. Ein zweiter, in diese Frühphase einzuordnender performativer Strang bezieht sich auf tradierte Geschlechtsstereotype. In Travestie-Shows, beispielsweise in den Rollen von Boxern oder Leistungssportlern, zeigte Jones sich als überzogen männlicher Drag King. Alternierend dazu trat sie als geradezu klischeehaft feminine Drag Queen in Stilettos auf. Miriam Kershaw beschreibt diese frühen Auftritte der Jones als eine Art Oszillation zwischen den Mythen »primitiver, weiblicher Sinnlichkeit [und] maskulinen Konstruktionen bedrohlicher Wildheit«33. Jones beutet beide Pole für sich aus, um der »Ikonographie von Macht und Unterdrückung einen ironischen Kommentar hinzuzufügen«34. Nochmals anders formuliert: Sie verkörpert die allzu bekannten rassistischen und sexistischen Bildwelten mit einem derart teuflisch-sarkastischen Überschuss, dass diese daran zerschellen müssen. Zugleich überschreitet sie in ihren Auftritten die Mann-Frau-Dichotomie. Jones weiß dabei aber zu verhindern, in damals stereotype Darstellungen androgyner Wesen oder schematische Glam Rock-Stilisierungen zu verfallen. Solchen Alternativen – wiederum bloß Klischeebildern – setzt sie einen kalten und zurückweisenden, übermännlichen, geschlechtslosen Körper entgegen. In den Grenzüberschreitungen stößt die ikonische Grace Jones also in Bereiche jenseits des menschlichen Daseins vor. Bald appropriiert sie auch die extreme Verdinglichung ihrer Gestalt als Verpackung einer Handelsware. Sie verwandelt sich, lange bevor es zur Modeerscheinung verkommt, in ein post- oder transhumanes Wesen, einen Roboter oder Cyborg. Anneke Smelik argumentiert, dass Jones nunmehr als »das ultimative High Tech-Produkt erscheint […] welches ein mit Zitaten aus Modefotografie und Werbewelt angereichertes Selbstbild präsentiert«35. Mit einer Formulierung Mark Fishers kann behauptet werden, dass Jones sich in ein eisiges, maschinenartiges Objekt verwandelt, dessen »Kreischen und Lachen von einem anderen Ort zu kommen scheinen – aus einer tödlichen Zone, aus der Jones selbst nur zum Teil zurückgekehrt ist«; weiter fragt er, ob es sich bei diesem Schreien um ein »Lachen

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Grace Jones and the performance of Strange in the PostSoul Moment. In: Women and Performance 19.1 (2009), S. 77–94, S. 84. Anstatt derart vergiftete Aspekte allerdings gänzlich anzunehmen, führten Jones’ Performances gerade deren Unmöglichkeit vor.

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36 Anneke Smelik: The Carousel of Genders (1993). URL: http:// www.let.uu.nl/womens_studies/ anneke/carous.htm.

37 Mark Fisher: I, the Object (2006). http://k-punk.abstractdynamics. org/archives/008729.html. 38 Donna Haraway: Simians, Cyborgs, and Women. The Reinvention of Nature. New York 1991, S. 151. 39 Ebd., S. 152.

handelt, welches bereits durch den Tod gegangen ist, oder aber das Kreischen einer Maschine darstellt, die gerade erst zum Leben erwacht«36. Jones verleiht somit nicht einfach nur einer neuen, anderen Art von Subjektivität Ausdruck. Sie eröffnet auch nicht bloß einer vormals ausgeschlossenen schwarzen und weiblichen Perspektive die Möglichkeit öffentlicher Rede. Vielmehr hinterfragt sie, was es denn überhaupt bedeutet, ein Subjekt und ein Selbst zu sein, um auch diese Konzepte sofort zu überschreiten. In ihren Performances verwandelt sie sich in ein Ding und zwingt dadurch das Publikum nachzuempfinden, auf welche Weise Sklaverei und Rassismus farbige Menschen verdinglicht, wie Frauen im Patriarchat als Objekte behandelt werden und wie der Kapitalismus uns letztendlich alle zu einer Handelsware degradiert, zu einem bloß noch seltsam belebten Gegenstand. Zugleich reanimiert Jones dadurch all jene Kräfte, die latent in den Verdinglichungsprozessen ruhen. Sie verkörpert, kanalisiert und überträgt so einen ganzen Strom intensiver, a-persönlicher und unmenschlicher Affekte, die durch ein traditionelles Subjektivitätsverständnis nicht gefasst werden. Derartige Strategien verleihen ihren Auftritten ein extrem wirkmächtiges, gar explosives Potential. Zugleich gebart sie sich in den Performances distanziert, kalt, fremd und unmenschlich. Durch Grace Jones’ Gestalt werden die Grenzen der Identifikationen weit überschritten. Jenseits möglicher Identitätspolitiken bewegen wir uns in Sphären, die nurmehr als Science Fiction verständlich sind. In den frühen 1980er Jahren, am Höhepunkt von Jones’ Performance-Laufbahn, untersucht Donna Haraway die Möglichkeitsbedingungen einer im Entstehen begriffenen CyborgPolitik. Sie diagnostiziert für diese ein Zusammenbrechen von drei Grenzlinien: Schwierig werde erstens die Unterscheidung »zwischen Mensch und Tier«37, zum Zweiten schwinde die Differenz zwischen dem »menschlichen Tier als Organismus sowie der Maschine«39. Schließlich falle auch die Grenze »zwischen Physischem und Nicht-Physischem«, zwischen Material, maschinenartigem Gerät und reinen Energieflüssen. Letztere sind für Haraway nichts anderes als »Signale, elektromagnetische Wellen und Bereiche des Lichtspektrums«40. Eine entlang derart brüchiger Grenzen emergierende »Politik ist utopische, gänzlich

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40 Ebd., S. 153.

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42 Ebd., S. 149.

43 Miriam Kershaw: Postcolonialism and Androgyny. The Performance Art of Grace Jones. In: Art Journal 56.4 (1997), S. 20.

44 Greg Prato: Grace Jones (2009). URL: http://www.allmusic.com/ cg/amg.dll?p=amg\&sql=11:3ifex qe5ldse~T1.

ohne Unschuld«41, und als in grellem Kontrast zur gegenwärtigen Politik stehend zu begreifen. Haraway interpretiert entsprechende Beobachtungen als Vorboten einer alsbald die Herrschaft antretenden Informatik in unserer globalisierten, vernetzten und postmodernen Welt, in der auch die »Grenzen zwischen Science Fiction und sozialer Realität nurmehr illusorisch sind«.42 Diese Welt bietet keine klaren Gegensätze oder starren Unter­ scheidungsschemata mehr. Vielmehr sehen wir uns heute mit »unscharfen Differenzen« konfrontiert. Lange vor Veröffentlichung der Studie Haraways beginnt Jones in ihren Rollen, die Grenz­ aufhebungen zu vollziehen. Dies geschieht durch Verwandlungen vom Frau- zum Mannsein sowie in einem Übergang zwischen Schwarz und Weiß. Innerhalb ihrer Performances aus den späten 1970er Jahren wird sie »mit einem Teil des Tierreichs identifiziert«43. Von jener Position ausgehend, thematisiert sie, wie Menschen anderer Hautfarbe aus euro-amerikanisch-rassistischer Perspektive ein animalisches Verhalten zugeschrieben wird. In ihrer späteren und kommerzielleren Phase transformiert sich Jones’ musikalischer Stil von Disco über »New Wave [hin zu] experimentelleren Verfahren«. Sie »ersetzt den SM-Look der 1970er durch ein abgeklärtes androgynes Image«44. Somit vollzieht sie den von Haraway formulierten Übergang zwischen Organismus und Maschine. Corporate Cannibal fällt in die dritte Phase einer emergierenden Cyborg-Politik. Jones’ Persona ist darin gänzlich den Beschränkungen des Ortes enthoben und erlangt eine Existenz als digital moduliertes Signal. Keine der oben genannten Überschreitungen ist ungefährlich. Grace Jones kostet die Risiken aber ganz eindeutig aus, macht sie für sich produktiv und bestreitet so ihren Lebens­unterhalt. Alle Gefahren lauern in der inhärenten Doppelbödigkeit von Wieder­ aneignung, Überschreitung und dem Détournement. Letztendlich bedarf es nämlich immer einer weiterhin funktionierenden Macht, um diese auf sinnvolle Weise herauszufordern. Sollten beispielsweise Geschlechtsdifferenzen oder Hierarchien jemals ver­ schwinden, verlöre jede Drag Performance ihren Angriffs­punkt. Doch im Zerbrechen begriffene Grenzen sind allein dadurch eben noch lange keine abgeschafften Grenzen; unscharfe Unterscheidungen haben zwar Teile ihrer distinktiven Kraft eingebüßt;

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41 Ebd., S. 151 und S. 149–181 passim.

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45 Royster (2009), S. 84 (wie Anm. 30).

dennoch fällen sie weiterhin Unterscheidungen. Wiederaneig­ nungen und Détournements laufen somit Gefahr, gerade jene Kräfte zu bestärken und ihnen neues Leben einzuhauchen, welche sie eigentlich zu kapern versuchen. Nun lässt Jones’ ungestüme animalische Gestik rassistische Mythologien an sich selbst zerbrechen; gerade aber weil ihre Arbeiten auf dieser Ebene radikal sind, riskieren sie kontinuierlich und unausweichlich auch »Fehlinterpretationen«45. Indem sich Jones’ Strategien auf Ent­ würdigungen und Unterdrückungen in einem kulturellen Gedächtnis beziehen, halten sie diese Erinnerung wach und schreiben sie in der Gegenwart fort. Rassistische Mythologien werden somit erst einmal aufrechterhalten. Das immer auch mögliche Scheitern eines Aktes der Überschreitung birgt mithin die Gefahr, Ordnungen, Normen, Gesetze – was auch immer überschritten wird – hinterrücks noch zu bestätigen. Doch keine Performance vermag die eigene Rezeption vollständig zu reglementieren und Interpretationen vorzubestimmen. Ich möchte argumentieren, dass Grace Jones’ ikonische Kraft daher rührt, soeben beschriebene Risiken und Paradoxa direkt anzusprechen und im Rahmen ihrer Auftritte in den Vordergrund zu stellen. Um diese These zu belegen, erscheint ein Vergleich der Gestalt Grace Jones’ mit der ihrer jüngeren Kollegin Madonna aufschlussreich. Die Laufbahnen beider Diven nahmen ihren Ursprung in der Ästhetik des Camp sowie der musikalischen Stilrichtung Disco. Beide erlangten einen nicht ganz unberüchtigten Ruf durch selbstbewusste Spiele mit einer dadurch plötzlich unnatürlich fremd erscheinenden Weiblichkeit. Sowohl für Jones als auch für Madonna begannen die jeweiligen Karrieren als Kultfigur in einem homosexuell geprägten Umfeld. Von dort ausgehend, erlangten sie bald auch innerhalb einer viel breiteren Populärkultur Bekanntheit. Die von beiden Künstleri­ nnen zur Schau gestellte aggressive Sexualität widersprach ganz deutlich etablierten Frauenbildern und Verhaltensnormen. Gänzlich bewusst war beiden Diven, dass sowohl die mit ihnen gefeierten Visionen eines Post-Feminismus als auch ent­sprechende Vorstellungen der sexuellen Befreiung in hohem Maße kommodifizierte Konstrukte waren. Schon deshalb gaben sich Grace Jones und Madonna zugleich ganz offen als perfekt

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47 »für eine Schwarze Person ist Weiß-Sein bedeutungsvoll und sagt etwas über die Position, den sozialen Status und die Beziehungsstrukturen in einer Gesellschaft aus. […] Für Weiße ist Weiß-Sein in der Regel kein Thema [was für sie impliziert,] die Wahl zu haben, sich mit dem eigenen Weiß-Sein auseinander zu setzen, oder es zu ignorieren.« Ebd., S. 58. (Anm. d. Ü.)

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46 Weiß-Sein oder Whiteness, ursprünglich Qualifikationsmerkmal eines rassistisch-kolonialen Sendungsbewusstseins, später Kampfbegriff innerhalb der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, ist heute ein in den anglophonen RassismusStudien etablierter Begriff. Er umreißt die immer sozial konstruierten, einer dominanten Mehrheit meist nicht bewussten und nicht hinterfragten (deshalb aber nicht weniger realen und illegitimen) Vorteile sowie entsprechende, weiterhin existierende Verwerfungen in – sowie Verschleierungen von – Machtverhältnissen. Derartige gesellschaftskritische Diskurse wurden im deutschen Sprachraum bislang kaum geführt; eine Einführung bietet aber: Ursula Wachendorfer: Weiß-Sein in Deutschland. In: Susan Arndt (Hg.): AfrikaBilder. Studien zu Rassismus in Deutschland. Münster 2006, S. 57–66. (Anm. d. Ü.)

glitzernde Objekte des konsumistischen Begehrens und als gefräßig konsumierende Subjekte. Bei all den aufgezählten Überschneidungen im Hinter­ grund der Performerinnen findet sich mindestens eine entscheidende Differenz: Madonna springt zwischen verschiedenen Rollen, als wechselte sie einfach nur das Kostüm, und tatsächlich ist es zumeist die Kleidung, an welcher sich die Rolle oder Persona Madonnas auszeichnet. Der Scharfsinn dieser Strategie ist offensichtlich: Unter künstlichen Oberflächen gibt es für Madonna keine Tiefe oder Essenz. Weil sie ihre Rollen als stereotypisch, reversibel, fiktiv und frei von Konsequenzen (abgesehen von einer unmittelbaren Sichtbarkeit) erkennt, weil alle ihre »Identitäten« nur aufgesetzt und gespielt sind, kann Madonna zugleich selbst­bewusst, unschuldig und lustvoll mit ihnen umgehen. Keine von ihren Transformationen impliziert eine ernsthafte Gefahr. Dem Wechselspiel kann sie sich risikolos hingeben. Ungleich problematischer sind hingegen Grace Jones’ Verwandlungen. Allesamt schneiden sie – um es emphatisch zu formulieren – tief in das Fleisch der Performerin ein. Das allerdings keineswegs, weil Jones nicht ebenso mit Kostümen, Stilen und dem Potential der Modewelt operieren würde. Ihre Veränderungen sind schlicht deshalb tiefer, weil sie es sein müssen: Jones kann die Selbst­ mutationen nicht auf eine vergleichbar oberflächliche und unbedarfte Weise vollziehen, wie ihre Konkurrentin Madonna es tut, denn ihr fehlt dafür das Privileg der Hautfarbe – das WeißSein.46 Der Rückzug in eine implizit schützende weiße Anonymität, welche für Madonna eine neutrale und ›untiefe‹ Grundierung unter ihren Kostümen bildet, ist für Jones nicht möglich. Als dunkelhäutig und weiblich ist Jones’ Körper immer schon markiert. Madonna Ciccones Körper ist es nicht – und zwar einfach nur deshalb nicht, weil er weiß ist. Jones kann Tiefe nicht einfach negieren und folglich ein reines Spiel der Oberflächen aufführen. In ihren Verwandlungen steht immer ungleich mehr auf dem Spiel – mehr, als Madonna je einzusetzen vermochte.47 Beschreibt man nun Grace Jones’ Transformationen vor einer sich verspielt-phantastisch wandelnden Madonna als Kontrastfolie, dann erscheinen sie ungleich härter und scharfkan­tiger. Das bedeutet allerdings nicht, dass Jones’ Transformationen

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gänzlich der Lust entbehren würden, doch teilt sie diese nicht zwingend mit dem Publikum. Vielmehr bleibt Jones distanziert, solitär. Uns als Bewunderern ist, anders als im Fall von Madonna, die Identi­fikation mit ihren Rollen nicht unbedingt möglich. Man vergleiche nur die gespielte Schüchternheit von Madonnas Like a Virgin mit Jones’ dystopischer Brutalität bei Warm Leatherette. Nie verlässt Jones ihre Rolle als Domina, während Madonna – ganz Diva – zwar mit den Grenzbereichen des Sadomasochismus kokettiert, Rollen ähnlich denen der Jones aber nicht annähernd besetzt. Madonna spielt auf bemerkenswerte Weise mit femininen Bild­welten, schwelgt geradezu in den dazu­gehörigen Belanglosigkeiten und aufgesetzten Kunstgriffen. Im Gegensatz dazu zielt Grace Jones darauf, einer derartigen Weiblichkeit jeden Raum zu entziehen, deren Existenz zu zerstören. Die Differenzen zwischen Madonna und Grace Jones sind daher sowohl affektiver als auch ontologischer Natur. Was Madonna als Verspieltheit gestattet ist, bleibt für Jones bitterster Ernst. Versteht man Madonnas Performances als Subjektivitätskritik, dann beschreibt sie diese Subjekte als je schiere Oberflächeneffekte. Jones’ Kritik von Subjektivität ist fundamentaler. Ursprünge dafür lassen sich in einer dichten, nicht mehr subjektiven, sondern eher kulturell geprägten Affektivität des Körpers verorten. Lange und geradezu selbst­ verständlich hat die westliche Kultur den Bezeichnungen »Frau« und »schwarz« je untergeordnete Positionen zugewiesen. Natürlich lehnt Jones solche Unter­werfungen kategorisch ab. Als Konsequenz greift sie allerdings weder nach den verweigerten Privilegien des Weiß- und Männlich-Seins, noch versucht sie, das Weiblich- und Schwarz-Sein in einen positiven Zustand umzudeuten. Vielmehr lässt sie das Feld derartiger Gegen­­über­ stellungen kollabieren, indem sie dessen gesamte konstitutive Umgebung einer Verzerrung und Inversion unterzieht. Aber auch solche Manöver können notwendigerweise scheitern und sich damit gegen die ursprünglichen Ziele wenden. Jones nimmt dieses Risiko in Kauf und reiht ihre Performances dadurch in eine ganze Genealogie von Projekten ein, die unter dem Term des Afrofuturismus Bekanntheit erlangten. Der Begriff beschreibt »im Rahmen der Technikkulturen des 21. Jahrhunderts eine spekulative Fiktion, die insbesondere afroamerikani-

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49 Vgl. Kodwo Eshun: Heller als die Sonne. Abenteuer in der Sonic Fiction. Berlin 1999.

50 Erik Davis: Roots and Wires’ Remix. Polyrhythmic Tricks and the Black Electronic. In: Paul D. Miller: Sound Unbound. Sampling Digital Music and Culture. Cambridge (2008), S. 53–72, S. 56.: »[…] listener to explore a complex space of beats, to follow any of a number of fluid, warping and shifting lines of flight, to submit to what the old school hip-hop act A Tribe Called Quest calls ›The rhythmic instinction to yield to travel beyond existing forces of life‹.« Natürlich handelt es sich bei solchen rhythmischen Experimenten, wie sie in der Musik der afrikanischen Diaspora in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts vollzogen wurden, um sehr allgemeine Tendenzen. James Brown wird für gewöhnlich nicht zum Afrofuturismus gezählt – im Moment seiner Verwandlung in eine Sex Machine aber drückt er zugleich übermenschliche, polyrhythmische Zerstreuungen und roboterartige, mechanistische Wiederholungen aus.

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48 Mark Dery: Black to the Future. Interviews with Samuel R. Delany, Greg Tate, and Tricia Rose. In: Mark Dery: Flame Wars. The Discourse of Cyberculture. Durham 1994, S. 179–222, S. 180.

sche Themen und Fragen adressiert. Oder allgemeiner: Der Afro­ futurismus appropriiert für je eigene Belange Bildwelten einer hochgradig technologisierten, häufig durch Prothesen verbesserten Zukunft.«48 Um in einem weiter gefassten Verständnis sämtliche Aspekte möglicher Erfahrungen der afrikanischen (nicht nur afroamerikanischen) Diaspora neu zu bewerten, nutzt der Afrofuturismus sowohl Sprachbilder von Science Fiction und futuristischer Spekulation als auch Visionen transformativer, in den neuen Technologien angelegter Potentiale. Für afro­ futuristische Musik zieht Kodwo Eshun eine Verbindungslinie von Sun Ra in den 1950ern über verschiedene Aspekte des Free Jazz der 1960er, George Clinton in den 1970ern zum Detroit Techno der 1980er Jahre und darüber hinaus bis zu den jüngeren Formen elektronischer Musik.49 (Als zeitgenössische Beispiele afro­ futuristischer Musik ließen sich Janelle Monáes Metropolitan Suite und Burnt Sugars More Than Posthuman nennen.) Musiktheoretisch fassen Eshuns Beispiele eine sehr heterogene Gruppe von Künstlern zusammen. Den aufgezählten Musikern ist allerdings gemein, dass sie die Stimme – einst Zentrum traditioneller Musik der afrikanischen Diaspora – aus dem Mittelpunkt rückt, wegfallen lässt oder aber elektronisch verzerrt und moduliert. Alle diese Musiker entwickeln je neue und überraschende Rhythmusformen, die nicht mehr »organisch« im Körper und in der Atemtechnik ihre Grundierung finden, sondern mehr oder weniger entmenschlicht sind. Der Rhythmus ist dabei entweder, wie ganz allgemein im Fall des Techno, mechanistisch und repetitiv, oder aber er wird übermenschlich und polyrhythmisch zerstreut, hinter jedem – wo auch immer gesetzten – Zentrum der Aufmerksamkeit in neuer Vielfalt lauernd. Mit Erik Davis gesprochen, treibt dies den »Zuhörer an, komplexe Rhythmusräume zu erkunden, mannigfaltige, flüssige, immerfort springende und sich verformende Entwicklungen nachzuvollziehen oder, um es in einer Formulierung der Old-School Hiphop-Crew A Tribe Called Quest auszudrücken: ›Einem Ansporn des Rhythmus folgend, Reisen weit über existierende Lebenskräfte hinaus anzutreten.‹«50 Häufig über­ nehmen afrofuturistische Musikprojekte Bildwelten der Science Fiction – Aliens, Roboter und komplexe elektronische

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52 Folgende, schlechthin klassische Schilderungen dieser Entwicklung liefert Eric Williams: Die Annahme, dass »freie« Lohnarbeiter unter industriekapitalistischen Produktionsbedingungen ihre Arbeitskraft an vermögende Kapitalisten verkaufen, widerspricht bereits auf formaler Ebene der Sklaverei. Bestritten wird dadurch allerdings weder die Anhäufung von Wohlstand durch Sklavenhaltung – der Kapitalismus bedurfte einer derartigen »ursprünglichen Akkumulation«, um sich infolgedessen zu der weltumfassenden Herrschaftsform zu entwickeln; noch ist diese Beschreibung unvereinbar mit Beobachtungen lokaler, gewissermaßen versteckter Überbleibsel von Sklaverei in der zeitgenössischen, kapitalistischen Ökonomie. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil es sich bei der »ursprünglichen Akkumulation« um ein kontinuierlich wiederkehrendes Phänomen kapitalistischer Akkumulation handelt, und nicht, wie häufig zu Unrecht angenommen, um eine frühe, lange abgeschlossene Phase der Etablierung des Kapitalismus als Gesamtsystem. Vgl. Eric Williams: Capitalism and Slavery. Chapel Hill 1994.

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51 Kodwo Eshun: Further Considerations on Afrofuturism. In: CR. The New Centennial Review 3.2 (2003), S. 287–302, S. 288.

Technologien. Dadurch verkörpern die Künstler dieser Musik­ richtung einerseits Entfremdung, Leid und Schrecken der schwarzen Unterdrückung. Andererseits sollen derartige Referenzen der utopischen Hoffnung Ausdruck verleihen, die Leidens­ geschichte zu überwinden und ihr letztendlich ganz zu entkommen. Aus zeitgenössischer Perspektive stellen sich die gewaltsame Verschleppung der afrikanischen Völker in die Neue Welt sowie die direkt daran anschließende Sklaverei nämlich ungefähr so dar, wie man heute eine Entführung durch Außerirdische imaginiert: Zuerst bezwangen und überwältigten barbarische, doch technologisch überlegene Eindringlinge aus einer fremden Welt die afrikanische Bevölkerung. Nach qualvoller Passage über den Atlantik wurden die Entführten selbst wie fremde Wesen behandelt, von den Entführern zur Arbeit gezwungen und jeglicher Menschenwürde beraubt. Die Summe jener schrecklichen Erfahrungen, so Toni Morrison in einer Paraphrasierung Eshuns, katapultierten die versklavten Menschen unmittelbar in die Epoche der Moderne: »Die afrikanischen Völker wurden gefangen genommen, geraubt, entführt, bestohlen, vergewaltigt und versklavt. Sie waren in extremer Form all jenen Bedingungen ausgesetzt, die erst viel später durch Nietzsche als genuin modern definiert wurden: existenzbedrohende Obdach­losigkeit, Entfremdung, Umsiedlung und Entmenschlichung.«51 Die durch Zwang extrahierte Arbeitskraft der Verschleppten wurde verwendet, um ein ursprüngliches Vermögen für eine damit überhaupt erst möglich werdende kapitalistische und weltum­ spannende Modernisierung zu akkumulieren.52 Erst nach diesem Schritt konnte die kapitalistische Moderne überhaupt als Epoche auf alle Menschen übergreifen, für diese erfahrbar werden. Afrofuturisten reflektieren in der fortschreitenden Technisierung aber eben nicht bloß die Unrechtsgeschichte der afroamerikanischen Bevölkerung. Zugleich erkennen sie darin wie auch in den verschiedenen Science Fictions ein enormes Befreiungspotential. Vormals paradigmatische Figuren unmenschlicher Entfremdung und Unterdrückung – Aliens und Roboter –, interpretieren sie sie in radikaler Umkehrung auch als imaginierte Fluchtpunkte einer posthumanen Gesellschaft. Während die etablierten Bürgerrechtsbewegungen für eine vollständige

Steven Shaviro 53 Steven Shaviro grenzt den Begriff »Singularität« hier unter anderem von Visionen Ray Kurzweils (Chefingenieur bei Google) ab, welchen zufolge eine sich exponentiell beschleunigende Mensch-Maschinen-Konvergenz, bis hin zur Vereinigung im Jahr 2050, in einer »Menschheit 2.0« mündet. (Anm. d. Ü.) Natürlich handelt es sich bei den meisten populären Singularitätsvisionen wie auch jener Kurzweils (vgl. Ray Kurzweil: The Singularity is Near. New York 2005) um vollständig entpolitisierte Machtphantasien entgrenzter, männlicher (und weißer) Potenz. Für eine Diskussion derart hegemonialer, mit großem P geschriebener Prognosen vgl. Steven Shaviro: The Singularity is Here. In: Mark Bould; China Miéville: Red Planets. Marxism and Science Fiction. London (2009), S. 103–117. Afrofuturistische Vorstellungen einer Singularität sind hingegen schräger, phantastischer, gar verrückter. Sie nähern sich den durch Donna Haraway beschriebenen politischen Mythen und entsprechend verzerrten Utopismen sehr viel ironischer. Vgl. Haraway 1991, S. 149 (wie Anm. 38). 54 Eshun 1999, S. 00–007 [Sic!] (wie Anm. 49). Black Atlantic verweist zugleich auf Paul Gilroys Buch (ders.: The Black Atlantic Modernity and Double Consciousness. New York 1993) und als Schlüsselbegriff auf die systematische Verschleppung afrikanischer Völker über den atlantischen Ozean, von 1526 bis weit in das 19. Jahrhundert hinein. Black Atlantic beschreibt drittens auch den virtuellen ozeanischen Zwischenkontinent der Individuation aller Verschleppten (Anm. d. Ü.). 55 Vgl. Eshun 1999, S. 00–006 [Sic!] (wie Anm. 49).

Gleichberechtigung der schwarzen Bevölkerung und die Anerkennung ihrer Menschenrechte kämpfen, setzen die Afrofuturisten »das Menschliche« per se mit einer normativ weißen, bourgeoisen und übergeordneten Gesellschaftsschicht gleich. Dements­ prechend verstehen sie das Menschliche als etwas, das nicht etwa gefordert und erhalten, sondern, ganz im Sinne Nietzsches, überwunden werden muss. Die Musiker des Afro­futurismus konstruierten – von George Clintons Starchild bis hin zu den kybernetischen Maschinen des Detroit Techno – dann auch ganz eigene Versionen so genannter »Singularität«, um allzu humane Beschränkungen durch miteinander verwachsende Körper und Maschinen zu transzendieren.53 Entsprechend versteht Eshun die afrofuturistische Musik als »Post-Soul«, als ein »gewobene[s] Netzwerk [aus] Computerrhythmen, Maschinen­mythologien und Konzepttechnik, [das] den Black Atlantic kartographiert, die Kartographien wieder überschreibt und durchkreuzt«54. Diese Musik »ist dem Menschlichen entrückt; sie kommt aus der Zukunft« und manifestiert sich in »extremer Gleichgültigkeit gegenüber dem Menschlichen.«55 Afrofuturismus verweigert sich deshalb auch strikt tradierten Erfahrungs­stereotypen, welche Schwarz-Sein mit Wärme, Humanismus oder beseeltem Ausdruck gleichsetzen. Auch diese Kategorien würden weiterhin nur Unterwerfungen unter repressive Fremdbilder affirmieren. In ihren Werken verarbeitet Grace Jones die Konsequenzen des soeben dargelegten afrofuturistischen Bruchs mit einem »allgemein Menschlichen«. Im Disco-Stil verwurzelt, vereinigt sie »die schwarze Existenz mit technologischen Zukunftsvisionen«56. Zugleich ist dies die Urszene, in welcher die »schwarze Musik ihren Sündenfall aus der Gospeltradition erlebt und an das metronomische Fließband verfüttert«57 wird. Der Beat dieser Musik erfolgt deshalb mit hypnotisierender Präzision, während die Stimmen nur noch gedämpft, unterdrückt klingen. Tief in den Abmischungen der Stücke vergraben, wiederholen sie wie ein Mantra immer gleiche Fragmente und reduzieren sich so auf einen dumpfen sowie entpersonalisierten Affekt.58 Im Grunde wäre bereits eine Disco-Diva wie Donna Summer dem Post-Soul zuzurechnen, setzte man als Kriterium ihre erhaben distanzierte, kühl stilisierte und »eigenartig körperlose«59 Stimme an. In der

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56 Eshun 2003, S. 298 (wie Anm. 51).

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58 Das heißt, die Stimme entfernt sich schon hier von einer Verkörperung persönlicher Emotionen hin zu einem a-subjektiven und unspezifischen, jedoch intensiven Affekt.

59 Simon Reynolds: Generation Ecstasy. Into the World of Techno and Rave Culture. Boston 1998, S. 25. 60 Simon Reynolds: Rip It Up And Start Again. Post-Punk 1978–1984. London 2005, S. 513.

61 Ebd.

62 Bei der Kaninchenente handelt es sich um ein populäres Kippbild, das zwischen den schematischen Darstellungen einer Ente und eines Kaninchens springt. Während der (schematische dargestellte) Torso beider Tiere keine Unterscheidung zulässt, alterniert die Wahrnehmung zwischen zwei Kaninchenohren einerseits sowie einem Entenschnabel andererseits und lässt so immer nur eines der beiden Tiere erkennen (Anm. d. Ü.).

Tat geht Jones’ Gesang jedoch weit über diese Eigenschaften hinaus. Ihre Stimme ist barsch, präzise, gleichgültig, geradezu verächtlich abgelöst. Oder, um nochmals Reynolds zu zitieren: »zugleich gebieterisch und fatalistisch«60. Es handelt sich dabei um das Diktat einer roboterartigen Domina. Ohne auch nur Hoffnung auf Empathie, Vertrautheit oder Identifikation in Aussicht zu stellen, verlangt sie absolute Gehorsamkeit. Die soeben genannten Attribute lassen sich beim Hören von Grace Jones’ Slave to the Rhythm problemlos nachvollziehen. Doch handelt es sich bei dem durch Trevor Horn produzierten Song um einen eigenwillig doppeldeutigen Hybrid. »Seltsam teutonisch stampfend, schwenkt der Rhythmus bald in eine (auch ethnisch) radikal andere Richtung um und orientiert sich an den polyrhythmischen Strukturen des Go-Go.«61 Slave to the Rhythm vereint in sich somit zwei Extreme des afrofuturistischen Sounds: Einerseits wie ein mechanisches Stück der Gruppe Kraftwerk klingend, nimmt es andererseits Anleihen bei einer ursprünglich afrikanischen Mannigfaltigkeit von Rhythmen. Die Hörerfahrung ist seltsamer Natur – womöglich verwandt mit der Betrachtung der populären Illustration einer Kaninchenente.62 Ein Zuhören kann seine Aufmerksamkeit auf das mechanistische Vorwärts­drängen des Stücks richten oder aber sich im Sog der Polyrhythmik verfangen. Schier unmöglich ist es jedoch, zeitgleich beides wahrzunehmen. Grace Jones singt Slave to the Rhythm ohne jede Einfühlung. Ihr Tonfall ist unbetroffen, herrschsüchtig und kalt. Auch auf der Tanzfläche ist sie ein ernster Zuchtmeister, setzt den despotischen Takt schonungslos durch und zwingt zum Tanz. Mit dem Liedtext ist das absolut in Einklang, setzt dieser doch die Ekstase des Tanzens mit einer abstumpfend repetitiven Arbeit am Fließband gleich und führt beide Aktivitäten auf die Qualen der Sklaverei zurück: Sowohl einförmige Fabrikarbeit, das Tanzen im Club als auch die Ernte auf den Baumwoll- oder Zuckerrohrplantagen erfordert eine strenge Disziplinierung des Körpers. Rastlos und präzise müssen in allen genannten Fällen Bewegungen auf immer wieder gleiche Weise vollführt werden. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, gehorchen sowohl Arbeitshandlungen als auch Freizeittätigkeiten dem erbarmungslosen

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57 Eshun 1999, S. 00–007 [Sic!] (wie Anm. 49).

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64 »sing out loud the chain gang song«. 65 Zumindest einen Kommentar verlangt in diesem Zusammenhang auch Jean-Paul Goudes Musikvideo. Es handelt sich dabei um eine rasante Montage surreal anmutender Sequenzen. Viele Davon stammen aus Werbevideos, die Goude bereits zuvor gemeinsam mit Jones produziert hat. Deutlich werden schon hier die Verzerrungen und Transformationen betont, die mit unterschiedlichen, damals noch analogen Verfahren des Schnitts und der Montage zustande kamen. Zu Anfang des Videos wird in einer Reihe von CloseUps gezeigt, wie Fotografien von Jones zuerst mit einem Skalpell zerschnitten und anschließend auf einem zweiten Foto aneinandergeklebt werden. Dadurch wird ihre Gesichtsform ins Extreme verlängert. Bereits mit analogen Mitteln präfiguriert das Video von Slave to the Rhythm somit Deformationen, die später bei Corporate Cannibal in digitaler Postproduktion hergestellt werden. Das frühere der beiden Videos zeigt Jones’ Körper/ Bild als kommodifizierte Ware. Zugleich stellt es reflexiv die notwendige Arbeit aus, um eine solche Handelsware herzustellen.

66 »Slave to the rhythm / Of the corporate prison«. 67 Karl Marx; Friedrich Engels: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Erster Band. In: Dies.: Marx-Engels-Werke Bd. 23. Berlin (DDR) 1975, S. 247. 68 »Pleased to meet you / Pleased to have you on my plate.«

Diktat des Kapitals. Beide agieren in schrecklicher, sich selbst verleugnender Jouissance, das heißt im Modus stumpfsinniger Befriedigung. Der Text von Slave to the Rhythm ermahnt uns, den »ganzen Tag zu arbeiten […] niemals aufzuhören, aktiv zu sein, weiterzumachen, weiterzumachen!«63 Die Aufforderungen entsprechen Frederick Winslow Taylors Regeln zur Organisation und Optimierung von Arbeitsabläufen. Sie vervollständigen sich im Klischee der Selbstaufgabe auf der Tanzfläche. Darüber hinaus ergeht im Liedtext der Befehl, »laut in das Lied der Sträflingskolonie einzustimmen«64. So ergibt sich auch eine direkte Verbindung von Grace Jones’ Rolle als Entertainerin zu den diskriminierenden Theaterpraktiken der Minstrel-Shows und ganz unmittelbar auch zur Zwangsarbeit. Noch am Anfang des Songs ist die Versklavung unter ein Diktat des Rhythmus metaphorisch zu verstehen. Bald aber muss man den Satz wörtlich auffassen – der Rhythmus diszipliniert und zwingt unseren Bewegungen seine eigene Struktur auf: atmen, tanzen, leben, lieben im Rhythmus. Am Ende des Songs ist der Rhythmus nicht mehr nur alles – er bleibt als Einziges übrig.65 In Corporate Cannibal rekurriert Grace Jones explizit auf Slave to the Rhythm; auch in diesem jüngeren Stück ist von der Versklavung unter den Rhythmus der Großunternehmen die Rede.66 Viel bedeutsamer als diese Referenz ist aber eine Kontext­ verschiebung: Jones distanziert sich in Corporate Cannibal zusehends von bloßen Observationen harter Arbeit (unabhängig davon, ob diese nun auf dem Tanzboden oder in der Fabrikhalle vollzogen werden) und rückt die Unternehmen in ihrer heimtückisch-raublustigen Tätigkeit in den Fokus. Statt einer Domina befindet sich Jones nunmehr in der Rolle eines Vampirs – jedoch durchaus nicht in dessen romantischer Ausprägung. Vielmehr erinnert die verkörperte frostige Leidenschaft an Marx’ bekannte Charakterisierung des Kapitals als »verstorbne Arbeit, die sich nur vampyrmäßig belebt durch Einsaugung lebendiger Arbeit und um so mehr lebt, je mehr sie davon einsaugt«67. Jones gibt sich in Corporate Cannibal dementsprechend raubtierhaft; sie ist die unersättliche Kraft des Lebens im Tödlichen. Anfangs umschmeichelt ihre Stimme den Zuhörer: »Erfreut, dich zu treffen, schön, dich auf meinem Teller zu haben!«68 Schnell bemerken

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63 »work all day... never stop the action, keep it up, keep it up«.

Corporate Cannibal

70 Jones reimt hier »Employer of the year« auf »Grandmaster of fear« (Anm. d. Ü.).

71 »You’ll pay less tax but I will gain more back!«

72 »I deal in the market«; »I’ll consume my consumers«.

73 Royster 2009, S. 91 (wie Anm. 30). 74 Edward LiPuma; Benjamin Lee: Financial Derivatives and the Globalization of Risk. Durham 2004, S. 18–20.

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69 »I’m a man-eating machine […] Eat you like an animal […] Every man, woman, and child is a target.«

wir aber, dass schon dieser Satz so gar nicht als Schmeichelei verstanden werden will, dass das »auf dem Teller haben« nicht die metaphorische Bedeutung vom »zum Fressen gern haben« trägt, sondern dass die Aussage als viel ernster, gefährlicher zu verstehen ist. Nicht lauter als flüsternd, und durch diese Ruhe umso bedrohlicher wirkend, erklärt Jones, uns zu verschlingen: »Ich bin eine menschenfressende Maschine […] Fresse dich wie ein Tier […] Mann, Frau oder Kind, jeder wird zu meiner Beute.«69 Noch während Jones sich aufwärmt, reimt sie Klischeephrasen des Konzernjargons (»Arbeitgeber des Jahres«) auf absurde Floskeln aus Horror-Comic-Heftchen: (»Großmeister der Angst«).70 Gleichermaßen ironisierend, sich die Sprache neoliberaler Politiker aneignend, gibt sie eine eigene Version der Laffer-Kurve wieder: »Selbst wenn du weniger Steuern bezahlst, werde ich mehr erhalten!«71 Begleitet wird dieser Liedtext durch einen lässigen, sich wiederholenden Backbeat – der Rhythmus zeichnet sich durch die Betonung der graden Zählzeiten des Taktes aus. Zugleich wird der Beat aber von einer kreischenden, dissonanten Gitarre konterkariert: Es handelt sich mithin um eine ins Hörbare transfigurierte Eisenfaust im Samthandschuh. Jones’ Fazit des Songs ist zugleich ein Versprechen: »Ich handle gemäß der Marktlogik. Ich konsumiere meine Konsumenten.«72 Am Ende des Stücks wird ihre Stimme nochmals radikal moduliert: Die Äußerungen erinnern in diesen letzten Sekunden nicht mehr an menschliche Worte, sondern klingen eher wie das Fletschen eines Raubtiers. Indem Grace Jones die Rolle eines kannibalistischen Konzerns besetzt, drückt sie eine vollständige Identifikation mit dem Kapital an sich aus. Sie übertrifft damit bei Weitem ihre früheren, ebenfalls schon meisterhaften Performances. Wie Francesca Royster anmerkt, »verkomplizierte Jones ihre Kunst immer schon durch Verstrickungen und Kollaborationen mit einem gewinnorientierten Handeln, auch, wenn sie die Prozesse zugleich kommentiert«73. Diese Kollaboration erreicht in Corporate Cannibal einen Höhepunkt: Jones kann das ungezügelte Kapital verkörpern, weil sie selbst zu einem elektronisch pulsierenden Signal mutiert ist. So wie die nicht mehr grundierten Gestalten im digitalen Video von indexikalischen Bezügen abgelöst sind, knüpfen sich auch die unendlich modulierbaren Kapital-

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ströme in den Netzwerken eines weltumspannenden Kapitalismus an keine konkreten Produktionsabläufe mehr. Derartige Ströme wuchern tumorartig, werden fremdfinanziert und reinvestiert, bis sie an einer selbstverursachten Nekrose oder Implosion zugrunde gehen. Genau wie das kontinuierlich wertakkumulierende, unersättliche Kapital, das nur aus den Transformationen eigener Materialien Mehrwert generiert, verschlingt auch Jones als elektronischer Impuls alles, was sich ihr in den Weg stellt, verwandelt es in »Mehrbild«, mehr elektronisches Signal, mehr ihrer selbst. Jones’ elektronische Modulationen verfolgen die Umwandlungen des Kapitals und schmiegen sich an dessen Logik an; sie drücken das Wesen der Hedgefonds ebenso aus wie das der Wechselkursmanipulationen, der geheimnisvollen Finanzhebel oder des Schacherns mit geblockten Zahlungs­ ausfällen von einer Spekulation zur nächsten. Nick Hookers Videomodulationen werden von der gleichen digitalen Techno­ logie befeuert wie die weltweite »Kultur der Finanzkreisläufe«.74 Slave to the Rhythm steht paradigmatisch für Grace Jones’ Blütezeit in den 1980er Jahren. Seit jener frühen Periode haben sich sowohl im Politischen und Sozialen als auch auf den Gebieten der Wirtschaft und der Technologie enorme Veränderungen ergeben. Diesen trägt Corporate Cannibal Rechnung. Gewiss sind Song und Video furchteinflößend; doch wird darin selbst der Terror durch ein messerscharfes Bewusstsein überformt. Sogar das Ängstigen ist diesem zufolge, nach Jahren medialer Überbelichtung, kaum mehr als ein Stereotyp. Jones tendierte schon immer zu kulturellen und ästhetischen Extremen. Nun verleiht Corporate Cannibal aber auf herausragende Weise einer Welt Ausdruck, in welcher gar keine Extreme mehr existieren. Schlicht alles kann in dieser nämlich auf die eine oder andere Weise so lange moduliert und justiert werden, bis es sich in einer plötzlich auftuenden Nische als markttauglich und erfolgreich erweist. Noch vor 25 Jahren haben wir Jones’ Grenz­überschreitungen in Hinblick auf Ethnie, sexuelle Orientierung, Gender oder Geschlecht bewundert. Nun allerdings zwingt uns die Künstlerin zu der Einsicht, dass selbst die radikalste Non­­kon­formität heute kaum mehr darstellt als ein weiteres cleveres Marketingkonzept. Jenseits sicher mitreißender Diskurse zu ethnischen Zugehörigkeiten, Gender, Macht oder

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76 Ebd., S. 289.

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75 Eshun 2003, (wie Anm. 51).

»zum Körper« verstößt heute nurmehr das Kapital gegen etablierte Formen und Gesetze. Ohne Rücksicht auf deren Grenzen, ohne sich um Legitimationen zu kümmern und ohne Akzeptanz von Differenzen, verzehrt der Hunger des Kapitals heute schlichtweg alles. Um immer mehr seiner selbst zu erzeugen, verstößt das postmoderne Finanzkapital dabei sogar noch gegen die Möglichkeit des Regelverstoßes, denn in Wirklichkeit überschreitet es nur sich selbst. Dabei verleibt es sich nicht nur immer mehr seiner selbst ein. Und beißt sich dadurch eben nicht in den eigenen Schwanz – es verschlingt sich durch die Übergriffe vielmehr selbst, um so in immer höhere Ebenen der Ungeheuerlichkeit aufzusteigen. Doch kann es ohne Regelverstöße und Grenz­über­tritte überhaupt Umgestaltungen oder sogar ein Über-sich-selbst-Hinauswachsen geben? In seinen Weiteren Betrachtungen des Afro­ futurismus75 weist Kodwo Eshun darauf hin, dass »Macht heute gleichwohl vorausschauend und auf Vergangenes reflektierend agiert. Wie eh und je funktioniert das Kapital auch in der Gegenwart durch Verschleierungen, gar durch Unterschlagung seiner imperialen Ursprünge. Neu ist allerdings, dass es darüber hinaus eine tragfähige Zukunft nicht nur ausmalt, sondern gleichwohl verwirklicht und verwaltet. Die Mächtigen lassen einen Futurismus für sich arbeiten und beuten entsprechende Visionen aus. Gerade die Gruppe ohnehin schon Entmachteter ist dadurch zu einem Leben in der Vergangen­­heit verdammt.«76 Natürlich impliziert ein auf diese Weise selbst futuristisch gewordenes dominantes Regime gravierende Konsequenzen für das afrofuturistische Projekt. Auch dieses setzte seine Hoffnungen schließlich in eine – hier posthumane – Zukunft. Nun erscheint diese Idee jedoch aller Hoffnung und allen Potentials entleert. Selbst wenn eine solche »Zukunft« in ihrer Vergegenwärtigung das Leben radikal verändert, wird sie uns unerfüllt und empfindungslos zurücklassen. Schon 1983 imaginierte David Cronenberg in seinem Film Videodrome eine »neue Art des Fleisches«, in welchem das Medium des Videos eine organisch-leibliche Verknüpfung mit dem Körper eingeht. Dieses »neue Fleisch« war sowohl die Quelle von Verwunderung und Angst als auch ein politisches Schlachtfeld: »Der Kampf um das nordamerikanische Denken«,

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78 Eshun 2003, S. 290f. (wie Anm. 51).

79 vgl. LiPuma; Lee 2004, S. 148 passim (wie Anm. 74). 80 Orson Welles: Im Zeichen des Bösen (1958). 81 »future is all used up«.

so lässt uns der Film wissen, »wird in der Videoarena oder eben dem Videodrome ausge­tragen.«77 Cronenbergs vormals extreme Vision ist heute zu einer nur noch banalen Wirklichkeit geworden. Das ist dann auch die tatsächliche Botschaft von Corporate Cannibal. Grace Jones’ Modulationen des elektronischen Fleisches verkörpern eher die chronische Verfassung unserer intensivierten gegenwärtigen Moderne, als dass sie Diagnose eines radikalen Bruchs oder eines akuten Zustands der Veränderung darstellten. Nachdem die einst vom Afrofuturismus prophezeite posthumane Zukunft eingetreten ist, hat sie ihre Funktion als Ausflucht vor dominierenden Rassismen und einem alles beherrschenden Kapital nicht nur verspielt. Als weiteres Geschäftsmodell dient sie sogar dem kapitalistischen Projekt einer kontinuierlichen Expansion. »Sobald die Ideen der New Economy greifen«, so Eshun, »generieren virtuelle Zukünfte Kapital. Feinsinnig zwischen Vorhersagen und Überwachung oszillierend, entwickelt sich in Folge ein Sog in Richtung der kraftvollsten, vielversprechendsten Zukunftsbeschreibungen. Dieser gebietet uns geradezu, an den jeweiligen Verkörperlichungen zu arbeiten – die Visionen Fleisch werden zu lassen. Mithin wird Science Fiction zur Forschungs- und Entwicklungsabteilung einer Zukunftsindustrie, die sowohl von Zukunftsprognosen als auch von der Überwachung ihres Eintretens träumt.«78 Schon immer bedurfte der Kapitalismus einer sich stetig beschleuni­genden Ausweitung des Vertrauens. Dadurch akkumulierte er auch zukünftige Ansprüche, oder, anders formuliert: Er eignet sich die Zukunft an und transformiert sie so zu Geld. Seit etwa zwei Jahrzehnten wachsen solche zukünftigen Verbindlichkeiten auf ein noch nie da gewesenes Niveau. Möglich wurde dies durch Quantifizierungen und Objektivierungen, oder schlichter durch »Auspreisung und Vermarktung« bereits ganz allgemeiner »Risiken« und Summen zukünftiger Unsicherheiten in Derivaten und anderen Finanzinstrumenten.79 Heute stehen wir, um es mit Marlene Dietrichs Worten in Orson Welles Touch of Evil80 auszudrücken, an einem Punkt, von welchem aus »die ganze Zukunft bereits verbraucht ist«81. Alles ist für uns bereits vorver­ mittelt: im Voraus gezählt, reduziert, verbucht und ausgewiesen.82

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77 David Cronenberg: Videodrome (1983).

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Entsprechend demoralisierend ist denn auch die in Corporate Cannibal angerissene Diagnose der Gegenwart. Heute ist es das Kapital, das die Zukunft nicht nur vorhersagt, sondern auch kontrolliert, festlegt und damit aufbraucht. Dies vollzieht sich in Video und Kapitalismus gleichermaßen im Prozess kontinuierlicher Modulation. Jones und Hooker gelingt ein Kunststück homöopathischer Magie. Sie behaupten nicht, den Fängen der Kontrollgesellschaft zu entkommen. Vielmehr weiden sie sich daran und strecken entsprechende Mechanismen bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Ihr Heilmittel für die Krankheit der Digitalität ist eine weitere, noch höhere Konzentration des Digitalen. Für gewöhnlich verstehen wir unter der »Postmoderne« ein schwereloses Spiel der Oberflächen. Auch der postmoderne Mensch wäre dementsprechend jeder Tiefe beraubt. Unter verschiedenen Umständen erfahren wir diese Tiefenlosigkeit einmal als beängstigend, ein anderes Mal als anregend oder belebend. Corporate Cannibal verweigert sich jedoch beider Alternativen. Stattdessen sprengt es die Oberfläche seiner Welt in einem Ausbruch sonderbarer Energie. Das Wort »sonderbar« verwende ich an dieser Stelle mit Bedacht. Bei Jones’ Personifikationen von Großunternehmen durch vampirhafte, kannibalistische Wesen handelt es sich um eine übliche Trope der Weird Fictions – schauerlichen Märchenerzählungen in einem Subgenre der Science Fiction. Erstmals um 1920 verwendet, charakterisiert dieser Begriff die sonderbarphantastischen Schriften H.P. Lovecrafts und anderer Autoren des populären Magazins Weird Tales.83 Unter dem Schlagwort »New Weird« erlebt diese literarische Tradition mit China Miéville und anderen Autoren gegenwärtig eine Renaissance.84 Sowohl in zeitgenössischen als auch in früheren Ausprägungen thematisiert das Genre des Weird – des »Sonderbaren« – Gefühle intensiver Angst und Ortlosigkeit. Strikt beschreiben solche Erzählungen »chaotische, moralfreie und die Menschheit außen vor lassende Universen«85, die nicht nur radikal fremdartig sind, sondern sich prinzipiell einer Integration in menschliche Sinnund Bedeutungszusammenhänge versperren. Zugleich erscheinen die Beschreibungen des Weird oft ein wenig künstlich und forciert, denn das darin Dargestellte kann nie wortwörtlich ausgedrückt

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82 Ich übernehme den Begriff der Vorvermitteltheit (im Original: premediation; Anm. d. Ü.) von Richard Grusin: Premediation. In: Criticism. A Quarterly for Literature and the Arts 46.1 (2004), S. 17–39. Es muss nicht extra unterstrichen werden, dass damit keine allumfassende sowie überzeitliche Determinierung unseres gesamten, zukünftigen oder sogar nur vorstellbaren Daseins durch die Kontrolle des Kapitals behauptet wird. »Vorvermittlung« meint aller­ dings, dass kein reines Anderes des Kapitals mehr existiert. Keine Geste oder Position ist radikal genug, als dass sie nicht doch entschärft und von Finanzkreisläufen einverleibt werden könnte. So führt denn auch kein Schritt hinter den Kapitalismus zurück – dieser hat nämlich alle möglichen Veränderungen bereits abgewogen und die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Differenzen als »Risiken« kommodifiziert. Unsere Zukunft ist bereits an eine Finanzoli­ garchie (im Original: high finance; die direkte Übersetzung mit »Hochfinanz« ist im deutschen Sprachraum deutlich anti­ semitisch konnotiert; Shaviro spielt auf diese Bedeutung nicht an; Anm. d. Ü.) verpfändet, oder um nochmals auf Deleuze zu rekurrieren: In der Kontroll­ gesellschaft ist der Mensch »nicht mehr der eingeschlossene, sondern der verschuldete«. Deleuze 1993, S.260 (wie Anm. 9). Konsequenterweise können wir uns zwar alle möglichen Zukunftsvisionen ausmalen, doch scheint es unmöglich, ein vollständig anderes Verhältnis zum Kapitalismus zu imaginieren. Entsprechend denkwürdig ist hier die Behauptung Slavoj Žižeks: »Heute ist es viel leichter, das Ende allen Lebens auf der Erde vorzustellen, als auch nur die bescheidenste Veränderung des Kapitalismus.« Vgl. Astra Taylor: Žižek! The Movie (2005), 4``15`. Mir scheint, dass die gegenwärtig so populären Anrufungen von Motiven der

Steven Shaviro Unbestimmtheit bei Nietzsche, Levinas und Derrida – Unsicherheit, radikale Alterität, Unentschiedenheit – symptomatisch bis affirmativ für ein fundamentales Versagen der Imagination stehen. Es scheint, als seien wir tatsächlich nicht in der Lage, mit konkreten, vom Finanzfluss unabhängigen Ideen aufzuwarten. 83 Shaviro schreibt im Original »Pulp Magazines«, wobei es sich um eine populäre bis triviale US-amerikanische, oft billig hergestellte Zeitschriftengattung aus den 1920er bis 1940er Jahren handelt. Am ehesten können diese Hefte mit den europäischen Groschenromanen des 19. Jahrhunderts in Verbindung gebracht werden (Anm. d. Ü.).

84 Vgl. Ann VanderMeer; Jeff VanderMeer (Hg.): The New Weird. San Francisco 2008.

85 Vgl. China Miéville: M. R. James and the Quantum Vampire. In: Collapse (May 2008), S. 105–128, S. 112. Ebd., S. 111. 86 Ebd., S. 128. 87 Ebd.

werden. Lediglich vage, leicht zusammenhanglose, eben »sonderbare« Hilfskonstruktionen deuten es stattdessen an. Miéville assoziiert das Weird des frühen 20. Jahrhunderts mit »jenen krisenhaften Tendenzen des Kapitalismus, die schließlich im Ersten Weltkrieg mündeten (und dessen Horror sich durch ältere, im Vergleich fast rührselige Darstellungen von Schreckgespenstern nicht adäquat repräsen­tieren ließ)«.85 Darüber hinaus legt Miéville nahe, die Narrationen im heutigen New Weird als Antwort auf »die neoliberale Rede der Alternativlosigkeit«86 zu interpretieren, »für welche sich das Universum unhintergehbar unmenschlich, unerbittlich und sonderbar gibt«87. »Sogar noch in meiner Chefetage wirst du mich anflehen […] Ganz ohne Humor verschlinge ich jeden meiner Konsumenten«88: In ihrer Rolle identifiziert Grace Jones sich mit dem Ungeheuer des Kapitals sowie mit dessen protzigbarbarischen, aber eben auch schillernden Zauber. Sie beschwört, kondensiert, kanalisiert und dirigiert dabei all jene bösartigen Kräfte, mit welchen wir uns in dieser krisenreichen Zeit konfrontiert sehen. Die Kräfte sind nicht greifbar und dennoch omnipräsent. Grace Jones verleiht ihnen einen Körper, macht sie hör- und sichtbar. Sie wird »die Welt explodieren lassen«89, somit das Innerste eines afrofuturistischen Projekts nach außen sprengen und es an seinem äußersten Punkt erneuern. Die gefährlichen Modulationen von Corporate Cannibal geben einer schwindelerregend globalisierten und vernetzten Gesellschaft ein Gesicht – der Gesellschaft nämlich, in der wir leben. Kann man mehr von einem Kunstwerk verlangen?

88 »I’ll make you scrounge / In my executive lounge [...] I’ll consume my consumers / With no sense of humor«.

Übersetzung: Mathias Windelberg

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89 »I’ll make the world explode«.

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Steven Shaviro Bevor er zum DeRoy Professor für Anglistik an der Wayne State University Detroit berufen wurde, lehrte Steven Shaviro vergleichende Literaturwissenschaften (Anglistik) an der University of Washington. Zuvor war er Professor für Film, Kultur und Anglistik an der Washington University und Dozent im Fachbereich Anglistik der Yale University, wo er 1984 seinen Doktortitel erhielt. Publikationen: The Universe of Things. On Speculative Realism (2014); Melancholia, or The Romantic Anti-Sublime (2012); Post-Cinematic Affect (2010); Without Criteria. Kant, Whitehead, Deleuze, and Aesthetics (2009); Connected, or What it Means to Live in the Network Society (2003); Doom Patrols. A Theoretical Fiction About Postmodernism (1997); The Cinematic Body. Theory out of Bounds (1993); Passion and Excess. Blanchot, Bataille, and Literary Theory (1990). Steven Shaviro veröffentlichte Essays in einer Reihe wissenschaftlicher Zeitschriften, so zum Beispiel in Critique, Social Text, Film-Philosophy und paradoxa. Er wurde von der Philosophie Deleuze’ und marxistischer Theorie beeinflusst und ist Experte für Kulturwissenschaften, Kulturtheorie, Neue Medien und Filmkritik.

Sinnlichkeit und Sinnesarbeit 5 Eine Fußnote als Sinnesarbeit: Gelegentlich vernimmt man, dass die Sprachen durch eine übermächtige Globalisierung ver­armten und anglophone Begriffe verdrängend auf lokale Idiome wirkten. Der eher schlichte Begriff »Whiteness« bedurfte in der Über­setzung des vorhergehenden Essays allerdings sogar einer Explikation, denn kein deutschsprachiger Begriff konnte ihn ersetzen. Die notwendige Anmerkung lautet: Weiß-Sein oder Whiteness, ursprünglich Qualifikationsmerkmal eines rassistisch-kolonialen Sendungsbewusstseins, später Kampfbegriff innerhalb der US-amerikanischen Bürgerrechts­ bewegung, ist heute ein in den anglophonen Rassismus-Studien etablierter Begriff. Er umreißt die immer sozial konstruierten, einer dominanten Mehrheit meist nicht bewussten und nicht hinterfragten (deshalb aber nicht weniger realen und illegitimen) Vorteile sowie entsprechende, weiterhin existierende Verwerfungen in – sowie Verschleierungen von – Machtverhältnissen.

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Weshalb fand »Whiteness« im Deutschen bislang kein Pendant? Ein Begriff versteht sich nicht von selbst, er muss von seinen Nachbarn abgegrenzt, also unterschieden, und dadurch geformt werden. Man muss sich seiner annehmen, ihn in den Raum stellen, ihn behaupten, gar verteidigen, zeigen, dass der Begriff etwas fassen kann. Gegebenenfalls muss man ihn so lange modifizieren, bis er überhaupt greift. Ein sehr weit gefasstes Nachbarschaftsverhältnis von Whiteness oder Weiß-Sein findet sich zum Beispiel im deutschsprachigen Raum, in welchem der Begriff zwar grammatisch möglich, bisher aber fast ohne Nachbarn ist. Ein Begriff ohne Syntax, also ohne Diskurs. Lag es an fehlenden Situationen, die Weiß-Sein oder dessen nahe Verwandte Allgemein-Sein, NormalSein, Unauffällig-Sein, Mehrheit-Sein etc. hätten greifen lassen können, oder nahm sich niemand ihrer an? Sicherlich verläuft die Unterscheidung zwischen Menschen einer privilegierten sowie unhinterfragten Mehrheit und einer benachteiligten Minderheit im deutschen Sprachraum nicht einfach zwischen schwarzer und weißer Hautfarbe. Im Übrigen würde auch in den Vereinigten

Staaten von Amerika Whiteness, schematisch aufgefasst, den Blick auf Millionen benachteiligter lateinamerikanischer Menschen eher verstellen. (Diese nur als ein Beispiel unter vielen!) Allerdings finden sich Differenzierungen überall, und zwar notwendigerweise, wie der kurze und allgemeine Hinweis auf die Griffigkeit des Begriffs weiter oben zeigte. Whiteness macht deshalb nicht nur auf die einfache Gegenüberstellung von schwarzer und weißer Hautfarbe aufmerksam – den Fokus legt der Begriff vielmehr auf ein der Mehrheit nicht bewusstes oder nicht hinterfragtes Sein von Einoder Ausgrenzungen. Erst infolgedessen kann diese sich unbemerkt Vorteile konstruieren, die sofort ein Anderes implizieren: den Nachteil aufgrund einer Diskriminierung, die eigentlich nur »Unterscheidung« hieße, doch ganz deutlich negativ konnotiert ist. Hier bedeutet Sinnesarbeit deshalb, sich selbst als einen für selbstverständlich gehaltenen, unsichtbaren Grund zu begreifen und auf die minoritären, oft ganz automatisch Ausgegrenzten zu achten, im Wissen, dass dort sehr leicht Unrecht geschieht.

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Mathias Windelberg

Gilles Deleuze Es gibt im Körper ebensoviel Denken wie im Gehirn Schock und Gewalt. [...] Die Psychologie spricht häufig von einer erlebten Beziehung zum Körper, von einem erlebten Körper, allerdings wenig von einem erlebten Gehirn. Unsere erlebte Beziehung zum Gehirn wird immer fragiler, immer weniger »euklidisch«, und durchläuft kleine Gehirntode. Weit davon entfernt, mit ihm zur Herrschaft, zur Lösung oder Entscheidung vorgedrungen zu sein, wird das Gehirn zu unserem Problem, zu unserer Krankheit oder zu unserer Passion. Gewiß imitieren wir nicht Artaud, doch er hat vom Gehirn etwas erlebt und ausgesprochen, was uns allesamt betrifft: »seine Antennen, dem Unsichtbaren zugewendet«, seine Fähigkeit, »von neuem mit der Auferstehung des Todes zu beginnen«.

Gilles Deleuze: Das Zeit-Bild. Kino 2. Frankfurt am Main 1991, S. 265, 273.

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Zitatauswahl: Marc Ries Übersetzung: Klaus Englert

Patricia Pisters

Dexters plastisches Gehirn Empathie im Film durch Mentalisierung und Spiegelung Zuerst veröffentlich unter dem Titel: Dexters Plastic Brain. Mentalizing and Mirroring in Cinematic Empathy. In: Cinéma&Cie 22-23 (2014), S. 53-63. »Mentalisierung« spielt hier auf das in Theorien der Seele (anderer) formulierte menschliche Vermögen an, sich in mentale Zustände anderer Personen hineinzu­ versetzen. Diesem Konzept zur Erklärung von Empathie ist das Modell verkörperter Simulationen in spiegelneuronalen Verschaltungen des Gehirns gegenübergestellt. (Anmerkung des Übersetzers)

Patricia Pisters

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1 Dexter. Fernsehserie, Staffel 1, Folge 1 (erstausgestrahlt zwischen 2006 und 2013).

Dexter hat ein Problem. Obwohl er Experte für Spuren­sicherung und forensische Blutanalysen bei der städtischen Polizei Miami und zugleich ein blutbefleckter Serienmörder ist, verfolgt er eine ethische Agenda. Im Verlauf von acht Staffeln der beliebten Fernsehserie bleibt es nicht bei diesem einen Problem. Hinzu gesellen sich vielfältige moralische Schwierigkeiten, und wir als Zuschauer sitzen mit ihm in der Klemme. Dexters größte Zwickmühle aber ist, keine Emotionen erfahren zu können. Am Anfang der Serie sagt er: »Was auch immer mich in diese Lage gebracht hat – ich bin leer, von innen ausgehöhlt, ich fühle nichts –, doch das stört mich im Grunde nicht so sehr! Ich bin sicher, dass sich die allermeisten Leute gegenüber anderen verstellen. Ich täusche eben alles vor – und darin bin ich ausgezeichnet, ganz ohne jedes Gefühl.«1 In späteren Folgen und Staffeln der Serie werden Dexters Gefühle allerdings sehr wohl zu einer wichtigeren Angelegenheit, genauer: Sie werden zur Hauptsache der gesamten Show. Ich werde mich in diesem Essay auf Dexters Ringen mit den Emotionen und Gefühlen konzentrieren und deshalb die zahllosen, in der Fernsehserie gezeigten oder anderweitig aufgerufenen moralischen Dilemmata ausblenden. Dexter interpretiere ich dabei als ein

Dexters plastisches Gehirn

3 Vgl. François Truffaut: Hitchcock. François Truffaut in Zusammenarbeit mit Helen G. Scott. München 1999, S. 59–60. Siehe außerdem die Beschreibung von Murder! auf der Website des British Film Institute (2015). URL: http://www.screenonline. org.uk/film/id/437872/.

Dexter als Neuro-Bild Als eine unter vielen neuen, hochwertig produzierten Fernsehserien bemüht auch Dexter eine ausgefeilte kinematographische Ästhetik, um uns in den seelischen Zustand eines Serienmörders zu versetzen. Als Zuschauer teilen wir durch eine subjektive Kameraführung häufig nicht nur die Blickrichtung mit dem Ermittler. Gedanken, die dem Protagonisten gerade durch den Kopf gehen, werden darüber hinaus in regelmäßigen Intervallen als Off-Kommentar eingesprochen. Obwohl eine derartige Verwendung des Voice-Over-Kommentars als filmisches Stilmittel zur Darstellung innerer Monologe spätestens seit Hitchcocks Mord – Sir John greift ein! (1930) bekannt ist, handelt es sich bei dem langanhaltenden, stets gleichartigen Einsprechen innerster Gedankengänge durch Dexter Morgan (gespielt von Michael C. Hall) doch um etwas anderes. In Mord – Sir John greift ein! spielt Herbert Marshall das Jurymitglied Sir John Menier. Während eines Gerichtsprozesses – der Vorwurf im verhandelten Fall lautet Mord – ereilen ihn weitere Gedanken zum Schuldspruch einer jungen Frau. Als Menier sich vor einem Spiegel rasiert, vermittelt ein innerer Monolog seine Zweifel an ihrer Schuld. Hitchcocks Verwendung des Off-Kommentars mit dem Ziel, einen Gedankengang auszudrücken, war seinerzeit höchst innovativ. (Angeblich wurde das Voice-Over zuvor noch nie auf diese Weise eingesetzt.)3 Nichtsdestotrotz beweist spätestens Sidney Lumets 1957 gedrehter Film Die Zwölf Geschworenen, dass der Inhalt derartiger Gedanken genauso gut in einem Dialog hätte transportiert werden können. Das liegt daran, dass Meniers Gedanken im Film Mord – Sir John greift ein! innerhalb des größeren Narrativs der Kriminalgeschichte geäußert werden. Zweifel bezüglich der Schuld oder Unschuld eines Angeklagten sind darin ja gerade Hauptgeschäft, sie können und sollen folglich mit den anderen Protagonisten geteilt werden. Bei Dexter hingegen ist es für die Spannung der Erzählung konstitutiv, dass wir als Zuschauer selbst die innersten Gedankengänge des Ermittlers teilen, während die Figuren innerhalb des

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2 Durch das Attribut »affektiv« grenzt sich dieser Zweig der Neurowissenschaften von einem am »Kognitiven« interessierten Strang ab. Den Schwerpunkt legt er auf Untersuchungen emotionaler Prozesse und Strukturen des Affekts (Anm. d. Ü.).

»Neuro-Bild«. Diesen paradigmatischen Bildtyp unserer digitalen Displaykultur werde ich mit aktuellen Erkenntnissen affektiver Neurowissenschaften2 in Beziehung setzen.

5 Gilles Deleuze: Das Gehirn ist die Leinwand. In: Daniel Lapoujade (Hg.): Schizophrenie und Gesellschaft. Texte und Gespräche 1975–995. Frankfurt am Main 2005, S. 269–277. Ders.: Kino 1. Das BewegungsBild (1989). Frankfurt am Main 1997a. Ders.: Kino 2. Das Zeit-Bild (1991). Frankfurt am Main 1997b. Deleuze war insbesondere von dem in den frühen 1980er Jahren erschienenen Buch Der neuronale Mensch von Jean Pierre Changeux inspiriert. Einer Argumentation Raymond Bellours folgend, »muss ein Neurobiologe, um das Kino mit Deleuze als Gehirn (oder als Körper des Gehirns) zu begreifen, auch bereit sein, das Gehirn beziehungsweise dessen Körper als Kino zu verstehen«. Raymond Bellour: Deleuze. The Thinking of the Brain. In: Cinema. Journal of Philosophy and the Moving Image 1 (2012), S. 83. Siehe auch Jean Pierre Changeux: Der neuronale Mensch. Hamburg 1984.

Patricia Pisters

Films einen gleichen Informationsstand gerade nicht erreichen können. Zwar geht es in den Nebensträngen der Erzählung um Fragen von Schuld und Unschuld – Mordfälle werden schließlich auch hier in jeder Folge aufgeklärt –, doch spielen sich die wichtigsten Angelegenheiten im Kopf Dexters ab. Darin aber sind sie vor den Blicken seiner innerfilmischen Umgebung sicher. Die Spannung in der Serie rührt weitestgehend von der Differenz zwischen unserem Wissen um Dexters Selbstwahrnehmung und der Wahrnehmung von ihm durch die anderen. Diese spezifisch kinematographische Wendung der Erfahrung durch den Kopf eines Schauspielers hindurch habe ich an anderer Stelle als »Neuro-Bild« bezeichnet.4 Das Neuro-Bild steht in der Tradition des berühmten Adagios von Gilles Deleuze, welchem zufolge das »Gehirn als Leinwand« zu verstehen sei, doch schlage ich damit auch vor, Deleuze’ Kategorien des klassischen Bewegt-Bildes und des modernen Zeit-Bildes nach dem Zweiten Weltkrieg zu transzendieren.5 Obwohl soeben erwähnte Abfolgen und Brüche der Kinoentwicklung sowie entsprechende Beziehungen zum Gehirn mehr als nur eines Kommentars bedürfen, möchte ich hier lediglich eines der vielen Verfahren beleuchten, mit dessen Hilfe uns das Neuro-Bild auf direktem Weg, durch Betonung der affektiven Dimension innerer Landschaften, in seelische Welten der Protagonisten befördert.6 Die affektive Dimension kann auf unterschiedlichen Ebenen thematisiert werden und dabei vielfältige ästhetische Effekte im Betrachter auslösen. Um solche ästhetischen Entwicklungen zu beurteilen, wende ich mich den Erkenntnissen der zeitgenössischen Neurowissenschaften zu. Adriano D’Aloia erörtert beispielsweise, wie durch die Neurophänomenologie der Filmerfahrung psycho-physiologische Erklärungen für Suspense – das heißt für die Spannung eines Films – angeboten werden.7 Das Verständnis der Erzählung bleibt zwar weiterhin ein wichtiger Ausgangspunkt für den Spannungsaufbau einer Geschichte. Gleichwohl spielen auch andere Ebenen einer viel direkteren, verkörperten Erkenntnis eine wesentliche Rolle. Am Beispiel in sich widersprüchlicher, »greifbarer Unfassbarkeit« bei Raumfahrtfilmen erklärt D’Aloia, dass die Untersuchung der Spannung zwischen einem Fühlen mit den Charakteren (durch Wahrnehmungen

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4 Vgl. Particia Pisters: The Neuro-Image. A Deleuzian Film-Philosophy for Digital Screen Culture. Stanford 2012. Das Konzept des NeuroBildes umfasst nicht nur das zeitgenössische, durch komplexe Formen und Narrationen charakterisierte, von einer digitalen Logik der FeedbackSchleifen, parallelen Leben und Remixe von Handlungs­ strängen beinflusste Kino, sondern gilt ebenfalls für die neuen, langen Fernsehdramen und andere, jüngst zusammenfließende Erzählformen einer weiter gefassten Medienlandschaft. Für eine entsprechende Diskussion vgl. das mit der Fernsehserie gleichnamige Kapitel Lost (Ebd., S. 156–185). Angemerkt sei, dass die entsprechende Filmästhetik oder auch das Narrativ nicht zwangsläufig auf den »KopfRaum« eines Protagonisten abzielen muss. Vielmehr lässt sich mein Argument dahingehend erweitern, dass es die gesamte Medienwelt als eine Art »Gehirn-Welt« begreift.

Dexters plastisches Gehirn

7 Adriano D’Aloia: The Intangible Ground. A Neurophenomenology of the Film Experience. In: NECSUS. European Journal of Media Studies 1.2 (2012), S. 219–229. URL: http://www. ingentaconnect.com/content/ aup/necsus/2012/ 00000001/00000002/art00012.

8 »Angebotscharakter« oder auch »Affordanz« meint hier alle latenten Qualitäten eines wahrgenommenen Dings oder einer Umgebung, die es dem wahrnehmenden Menschen erlauben, damit Handlungen auszuführen oder mit diesen in Interaktion zu treten. »Hat ein Objekt die Größe einer Hand, ist seine Affordanz zum Beispiel Greifbarkeit.« Siehe dazu auch: James Jerome Gibson: The Theory of Affordances. In: Robert Shaw; John D. Bransford (Hg.): Perceiving, Acting and Knowing. Hillsdale 1977, S. 234 (Anm. d.Ü.).

9 »Kanonische Neuronen« werden, anders als Spiegelneuronen, bereits durch das Wahrnehmen in der Zukunft liegender Handlungsmöglichkeiten aktiviert (Anm. d.Ü.).

10 D’Aloia 2012, S. 222 (wie Anm. 8).

eines Angebotscharakters8 durch »kanonische« Neuronen9 in Zusammenarbeit mit den Spiegelneuronen) und dem Wahrnehmen der eigenen leiblichen Verfasstheit (die bezüglich optischer und haptischer Situationen des Zuschauers oft widersinnige Informationen liefert) neue Einsichten in die Film­ erfahrung gestattet.10 Im Nachklang neuer Erkenntnisse kognitiver Neuro­ wissenschaften kann das Primat des Affekts aber auch anhand des Konzepts der Neurothriller verstanden werden. In The Neuro-Image argumentiere ich, dass man zeitgenössische Überwachungs­filme wie Andrea Arnolds Red Road (2006) als eine Form der Neuro­ ästhetik auffassen kann, in welcher wir als Zuschauer in einen Kampf zwischen unmittelbar erfahrenen, noch vorpersönlichen und unbewussten Emotionen der Hauptfigur sowie dessen persönlichen und bewussten Gefühlen hineingezogen werden.11 Obschon sowohl Gefühls- als auch Emotionsprozesse von den kognitiven Neurowissenschaften als im Gehirn verkörperte affektive Reaktionen anerkannt sind, operieren beide doch in unterschiedlichen Ebenenzusammenhängen und in verschiedenen neuronalen Kreisläufen, die oft asymmetrisch verschaltet sind. Derartig sich auf neuronaler Ebene abspielende, zugleich voll­ ständig im filmischen Setting verankerte oder verkörperte und innerhalb der Bildästhetik ausgedrückte Spannungsverhältnisse schlage ich als Spezifikum für das Neuro-Image und den Neuro-Turn innerhalb der Filmtheorie vor. Dexter fügt dieser Auffassung des affektiven Vorrangs in unserer zeitgenössischen audiovisuellen Kultur eine weitere Betrachtungsweise hinzu. Wie bereits angemerkt, betrifft Dexters größtes Problem das Knüpfen affektiver Verbindungen zu anderen Personen, bedürfen diese doch der Gefühle und Emotionen, welche er offenbar nicht erfasst. Etwa die Hälfte seiner als OffKommentar eingesprochenen Grübeleien sind analytische Observationen von Emotionen und Gefühlen anderer Akteure, welche er mit dem entsprechenden, bei ihm fehlenden Erfahrungsspektrum vergleicht. Ein zweiter großer Teil seiner externalisierten Vorstellungswelt ist den Erscheinungen seines Stiefvaters Harry gewidmet, welcher immer wieder von den Toten zurückkehrt, um die moralischen Dimensionen von Dexters

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6 Bei den anderen Dimensionen des Neuro-Bildes handelt es sich neben den halluzinatorischen Kräften der Bilder, welche – entgegen einem klassischen Verständnis von Realitätsillusionen im Kino – als Realität von Illusionen erfahren werden, um die komplexen Erfahrungen von seriell gefalteter Zeit. Des Weiteren zu nennen wären aus dem Futur heraus gedachte Feedback-Schleifen.

Patricia Pisters

12 Den Begriff der ästhetischen Figur führen Gilles Deleuze und Félix Guattari ein in: Was ist Philosophie? Frankfurt am Main 2000, S. 74–76.

13 Dexter (2006–2013), Staffel 1, Folge 2 (wie Anm. 2).

Handeln zu diskutieren (tötet er den Vorgaben des Codes entsprechend nur die Bösen; könnten seine Gesetzesbrüche ihn unbeabsichtigt überführen; verdeckt er seine Spuren hinreichend, etc.). Auch wenn die moralischen Aspekte in Dexters Denken ausgesprochen interessant und wichtig sind, so übersteigen sie doch den Rahmen meines Aufsatzes. Dieser fokussiert nämlich auf einen Disput zwischen Formen von Empathie und emotionaler Simulation, den nicht nur Dexter ausficht, sondern der ebenfalls mit zwei großen Debatten innerhalb der kognitiven Neurowissenschaften und mit Diskussionen zwischen dem phänomenologischen und dem kognitiven Strang der Filmtheorie Resonanzen ausbildet. Von nun an werde ich Dexter als eine »ästhetische Figur« betrachten, die implizit mit den soeben genannten Debatten verknüpft ist.12 Als fiktionale Figur drückt Dexter auf populäre Weise den derzeitigen Erkenntnisstand und entsprechende Fragestellungen der Empathie- und Emotionsforschung aus. Wenn auch unerwartet, kann man ihn deshalb als Gesprächspartner im größeren Feld der Diskussionen zum Affekt, der Neurowissenschaften und der Kunst betrachten. Dexters Schwierigkeiten entwickeln sich Weiter oben habe ich bereits eine grundlegende Prämisse von Dexter erwähnt: Die gesamte Serie basiert auf der Idee des zum Erfahren tiefer Emotionen unfähigen Protagonisten Dexter Morgan – obwohl dieser von Menschen umgeben ist, die sich um ihn kümmern. So wird denn auch die Vorstellung seiner Stiefschwester Debra (Jennifer Carpenter) von folgendem Gedankengang aus dem Off kommentiert: »Sie liebt mich – schön. Ich habe zwar keine Gefühle, doch wenn ich welche haben könnte, dann wohl für sie.« Auch seine Kollegen bei der Polizei schätzen ihn. Bei einem Kriminaltechniker, der Blutspuren analysiert, wird emotionale Kühle als professionelle Distanz gewertet, doch fühlt sich Dexter, als sei die Welt um ihn herum nur eine Art Inszenierung, an der er nicht teilhat: »Ich träume, an der Ober­fläche meines eigenen Lebens zu treiben und seiner Entfaltung zuzuschauen. Als Außenseiter betrachte ich es wie aus der Vogelperspektive.«13 Während er also die Emotionen und Gefühle anderer beobachtet und analysiert, ist ihm zugleich klar,

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11 Pisters 2012, S. 110–121 (wie Anm. 5). Siehe auch Patricia Pisters: The Neurothriller. In: New Review of Film and Television Studies 1.2 (2014). URL: http:// www.tandfonline.com/doi/abs/10 .1080/17400309.2014.878153#. U3Xaivl_uSo.

Dexters plastisches Gehirn

15 Dexter 2006–2013, Staffel 3, Folge 4 (wie Anm. 2).

16 Ebd.

17 Dexter 2006–2013, Staffel 3, Folge 4 (wie Anm. 2).

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14 Dexter 2006–2013, Staffel 1, Folge 5 (wie Anm. 2).

dass soziale Konventionen ihn drängen, entsprechend gesellschaftlich akzeptierten Normen empathisch zu agieren. Anfangs hat er auch von sexuellen Beziehungen keinen Schimmer, allerdings hat er erkannt, dass man durch eine Freundin gewöhnlicher erscheint. Also lässt er sich auf eine Beziehung mit Rita (Julie Benz) ein und richtet sein eigenes Gebaren an den durch ihn untersuchten Kriminalfällen sowie am Verhalten anderer Menschen aus. Als Dexter bei einer seiner eigenen Tötungen einen ebenfalls mörderischen Mann und seine Frau (die von den Verbrechen des Ehemannes wusste) gefangen hat, erklären sich diese, auf Dexters mit Plastikfolie überzogener Schlachtbank liegend, gegenseitig ihre Liebe.14 Obwohl er dabei nichts empfindet, ist die Darbietung überzeugend. Als Rita schwanger wird und Dexter ihr einen lieblos wirkenden und folglich misslingenden ersten Heiratsantrag macht, kopiert er bei seinem zweiten Anlauf das Geständnis eines Mörders. Dessen Aussage nur leicht abwandelnd, überrascht er Rita folgendermaßen: »Mein Leben fühlt sich an wie eine unbeantwortete Frage. Es ist nichts als eine Aneinanderreihung von Tagen und Nächten. Ich warte darauf, dass etwas passiert, und weiß noch nicht einmal, was. Rita, wir sind miteinander verbunden. Wo auch immer ich bin, du und die Kinder seid bei mir, und das macht mich real. Ich will, dass wir für immer gemeinsam Banana-Splits essen gehen und den Zitronenbaum umtopfen, der schon wieder stirbt. Und ich möchte niemals mehr einen Pizzaabend verpassen. Deshalb will ich dich heiraten: Weil so etwas Einfaches wie ein Pizzaabend mit dir der Höhepunkt meiner Woche ist.«15 Dieser Antrag hat den gewünschten Erfolg. Dexter wird zum Ehemann, Vater und Familienmensch. Stets »fleißig arbeitend« und sein »Handwerk verfeinernd«, findet er sich »in der Rolle seines Lebens« – um einen weiteren der inneren Monologe zu paraphrasieren.16 Doch nur gemeinsam mit dem »dunklen Begleiter« – so bezeichnet Dexter seinen Tötungsinstinkt – kann er sich selbst fühlen und die Schauspielerei hinter sich lassen: »Er ist alles, was ich habe. Niemand sonst könnte mich derart lieben, noch nicht einmal… insbesondere nicht ich.«17 Im Verlauf von acht Jahren (und acht Staffeln) jedoch verwandeln sich langsam, aber sicher alle Darbietungen und Lügen Dexters in etwas anderes.

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Mentalisierung und Spiegelung. Zwei Mechanismen zur Erklärung von Empathie in den affektiven Neurowissenschaften Lässt sich diese Filmbeschreibung mit den Forschungsergebnissen der affektiven Neurowissenschaften harmonisieren? In der letzten Staffel von Dexter wird mit den Ermittlungen zu einer Mordserie eine direkte Referenz zum Gehirn gemacht. Weil er seinen Opfern den Schädel öffnet und Teile des Gehirns entfernt, bekommt der dazugehörige Killer den Spitznamen Neurochirurg. Das Morddezernat der Polizei in Miami bekommt zur Aufklärung des Verbrechens Unterstützung durch die Neuropsychiaterin Dr. Evelyn Vogl (in einem Gastspiel besetzt durch Charlotte Rampling). Als Botschaft hinterlässt der Neurochirurg Oliver Saxon (gespielt von Dari Ingolfsson) Teile der vorderen Inselrinden seiner Opfer in einem Probengefäß aus Glas vor Dr. Vogls Tür. Die vordere Inselrinde – Cortex insularis anterior – zeichnet im Gehirn unter anderem für Emotionen verantwortlich. Somit scheint der Mörder eine deutliche Aussage über seinen eigenen Mangel an Emotionen zu treffen. (Es erweist sich, dass Saxon noch kälter und emotions­ loser ist als Dexter. Gegen Ende wird er dann auch nicht nur als psychopathischer Sohn Dr. Vogls gezeigt, sondern auch als

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18 Dexter 2006–2013, Staffel 2, Folge 3 (wie Anm. 2).

Rita, die sein manchmal eigenwilliges Verhalten als Sucht­problem deutet, schickt ihn in eine Selbsthilfegruppe anonymer Drogenabhängiger. In dieser Umgebung beginnt er, mit anderen über seinen »dunklen Begleiter« zu sprechen (die Mitglieder der Selbsthilfegruppe verstehen diesen als Metapher für seine Drogensucht). Er gesteht, sich neuerdings neben der Sucht auch zu etwas anderem hingezogen zu fühlen: »Es ist, als ob die Masken fallen und Dinge… Menschen…, die mich zuvor nicht interessierten, plötzlich wichtig werden. Das erschreckt mich fast zu Tode.«18 Nach wie vor lügt Dexter also (ganz offensichtlich über die Natur seiner Sucht), doch werden Menschen wie Deb, Rita und sein Sohn Harrison wichtig und umso bedeutender, nachdem Rita am Ende der vierten Staffel brutal ermordet wird. ›Echte Gefühle‹ der Liebe und der Angst schleichen sich in Dexters Spiel ein. In den folgenden Staffeln wird er lernen, unterschiedlichste emotionale Beziehungen zu anderen aufzubauen.

Dexters plastisches Gehirn 19 D’Aloia 2012 (wie Anm. 8).

21 Siehe zum Beispiel: Laura U. Marks: The Skin of Film. Intercultural Cinema, Embodiment and the Senses. Durham and London 2000. Vivian Sobchack: Carnal Thoughts. Embodiment and Moving Image Culture. Berkeley 2004. Sowie in diesem Band: Vivian Sobchack: Was meine Finger wussten. S. 43–83 (Anm. d. Hg.). 22 Siehe zum Beispiel: John Protevi: One More ›Next Step‹. Deleuze and Brain, Body and Affect in Contemporary Cognitive Science. In: Rosi Braidotti; Patricia Pisters (Hg.): Revisiting Normativity with Deleuze. London 2012, S. 25–36. 23 Siehe: Torben Grodal: Embodied Visions. Evolution, Emotion, Culture and Film. Oxford 2009. Grodal stellt dort das Konzept des PECMA-Ablaufs vor. Diesem folgend, lassen sich Zuschauer über Perzeption (P, Wahrnehmung); Emotion (E); Denken (C, Kognition) und motorisches (M) Agieren (A) auf Filmerfahrungen ein. Siehe auch Murray Smith, der in seiner jüngsten Arbeit zwischen phänomenologischen, psychologischen und neuro­­wissenschaftlichen Evidenzen ästhetischer Erfahrung eine Methodik trianguliert. Murray Smith: Triangulating Aesthetic Experience. In: Arthur P. Shimamura; Stephen Palmer (Hg.): Aesthetic Science. Connecting Minds, Brain and Experience. Oxford 2012, S. 80–106.

Mörder des eigenen Bruders enthüllt.) Das Gehirn im Glas wirkt mithin als ironischer Verweis auf unsere gegenwärtige Obsession mit Gehirnen und den Neurowissenschaften. Doch nur auf den ersten Blick erscheinen diese Hinweise populär und wenig tiefgreifend. Befragen wir deshalb die affektiven Neurowissenschaften auf ihre mögliche Relevanz für unser Verständnis film­ischer Empathie genauer. Hat Dexter den Neurowissenschaften vielleicht etwas anzubieten? D’Aloia und andere Autoren haben hervorgehoben, dass sich die Filmtheorie nicht erst seit dem Aufkommen der Neurowissenschaften mit Empathiestudien befasst.19 Innerhalb der kognitiv orientierten Filmtheorie wird Empathie im Sinne einer Theory of Mind diskutiert. Dabei wird vorgeschlagen, seelische Zustände einer anderen Person von wiedererkannten Mustern des Verhaltens, Begehrens, Denkens sowie weiterer mentaler Strukturen abzuleiten.20 Auf der gegenüberliegenden Seite des filmwissenschaftlichen Spektrums finden sich von der Phänomenologie beeinflusste Modelle, die leibliche Formen sinnlicher und emotionaler Bindung diskutieren.21 Sowohl klassisch kognitive als auch phänomenologisch inspirierte Ansätze liefern wertvolle Einsichten darüber, wie die Ästhetik des Kinos ganz ohne Hinweis auf die Neurophysiologie ihre Zuschauer zu fesseln vermag. Jedoch betonen wichtige Bereiche heutiger Neurowissenschaften die signifikante Rolle von Verkörperungen bei allen neuronalen Vorgängen. Folglich müsste die klassische Aufteilung zwischen einerseits »Seele« und »Denken« und andererseits »Leib« und »phänomenologisches Erfahren« erneut überdacht und anders produktiv gemacht werden.22 Erste interessante Erklärungen verkörperter Kognition, zum Beispiel aus evolutionärer, neurowissenschaftlicher Perspektive, liegen bereits vor.23 Doch obwohl in den affektiven Neurowissenschaften ein allgemeiner Konsens über die leibliche (eingelassen verwurzelte, erweiterte und körperlich verinnerlichte) Natur neurologischer Prozesse besteht, zeichnet sich erneut ein (tatsächlich altbekannter) Riss innerhalb der komplexen Ansichten zu Empathie und Emotionen ab. So finden sich in den affektiven Neurowissenschaften zwei Lager, die je unterschiedliche Mechanismen zur Erklärung von Empathie verteidigen. Zum einen

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20 Siehe zum Beispiel: Murray Smith: Engaging Characters. Fiction, Emotion and the Cinema. Oxford 1995.

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25 Siehe zum Beispiel: Helen Gallagher; Christoph Frith: Functional Imaging of ›Theory of Mind‹. In: Trends in Cognitive Sciences 7 (2003), S. 77–83.

26 Siehe Frank von Ostervalle; Kris Baetens: Unverständnis Others. Actions and Goals by Mirror and Mentalizing Systems. A Meta-Analysis. In: Neuro Image 48 (2009), S. 564–584. Adam Waytz; Jason P. Mitchell: Two Mechanisms for Simulating other Minds. Dissociations between Mirroring and Self-Projection. In: Current Directions in Psychological Science 20 (2011), S. 197–200.

27 Ruth Leys: Both of Us Disgusted in MY Insula [»Wir beide sind in MEINER Großhirn-Insel angewidert«, Anm. d. Ü.]. Mirror Neurons and Emotional Empathy. In: nonsite.org 5 (2012), S. 16. Leys kritisiert darin den Artikel von Bruno Wicker; Christian Keysers; Jane Plailly; Jean-Pierre Royet; Vittorio Gallese; Giacomo Rizzolati: Both of Us Disgusted in My Insula. The Common Neural Basis of Seeing and Feeling Disgust. In: Neuron 40.3 (2003), S. 655–664.

wird dort für direkte, verkörperte Simulationen plädiert. Diese Erklärung geht vom Phänomen der Spiegelneuronen aus – Letztere werden aktiv, wenn der affektive Zustand einer anderen Person beobachtet oder antizipiert wird und dabei selbst Emotionen erfahren werden.24 Hingegen werden Empathie und emotionale Bindung vom zweiten Lager unter Rückgriff auf abweichende neuronale Kreisläufe diskutiert. Näher an der Theory of Mind, werden diese mit Gehirnbereichen in Verbindung gebracht, die Mentalisierungen und das Teilen fremder Sichtweisen in deduktiven Denkvorgängen der Selbstprojektion an Stelle des anderen erlauben.25 Beide Mechanismen sind in ihrer neuro­ physiologischen Ausprägung materiell fundiert. Die ersteren, auf Spiegelungsmechanismen beruhenden Systeme sind an einer Reihe von Orten – der unteren Stirnrinde (Cortex frontalis inferior), dem oberen Scheitelläppchen (Lobulus parietalis superior), der vorderen Gürtelwindung (Cortex cingularis anterior) und der vorderen Insula (Insula anterior) – lokalisiert. Auf Mentalisierungen basierende Empathiesysteme werden hingegen mit dem Frontallappen (Cortex praefrontalis), dem Schläfen-Scheitellappen-Übergang (Temporo-Parietal Junction) und dem mittleren Frontallappen (Cortex praefrontalis medialis) in Beziehung gebracht.26 Beide Mechanismen arbeiten in unseren Gehirnen offenbar als voneinander getrennte Systeme und erfüllen dort in Bezug zu emotionalen Bindungen unterschiedliche Funktionen. Im besten Fall würde in der Forschung anerkannt, dass sich beide Systeme untereinander ergänzen. Abhängig von persönlichen Theorievorlieben (ob man eher dem kognitiven Zweig und folglich einer materiell verkörperten Seele zuneigt oder aber phänomenologisch geprägt ist und den vergeistigten Leib bevorzugt), wird allerdings allzu oft einer der beiden Mechanismen bevorzugt – auf Kosten des dann ausgeschlossenen zweiten Systems. Im Artikel Both of Us Disgusted in MY Insula [Hervorhebung im Original] argumentiert zum Beispiel Ruth Leys, dass »unser Wissen über den seelischen Zustand anderer nicht einfach durch Anrufung einfacher Mechanismen wechselseitiger Resonanz oder gegenseitiger Einstimmung erklärt werden kann [wie es mit spiegelneuronalen Mechanismen vorgeschlagen wird].«27

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24 Siehe zum Beispiel: Vittorio Gallese: ›The Shared Manifold‹ Hypothesis. From Mirror Neurons to Empathy. In: Journal of Consciousness Studies 8 (2010), S. 30–55. Ders.: Embodied Simulation. From Neurons to Phenomenological Experience. In: Phenomenology and Cognitive Sciencs 4 (2005), S. 23–48.

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29 Suparna Choudhury; Jan Slaby: Critical Neuroscience. A Handbook of the Social and Cultural Context of Neuroscience. Malden, MA. und Oxford 2012. 30 Siehe zum Beispiel: Vittorio Gallese; David Freedberg: Motion, Emotion and Empathy in Esthetic Experience. In: Trends in Cognitive Science 10 (2007), S. 197–203. Roberto Casati und Alessandro Pignocchi antworten in der gleichen Ausgabe mit einem als Mirror and Canonical Neurons are not Constitutive of Aesthetic Response betitelten Schreiben auf diesen Artikel (Ebd. S.410). Freedberg und Gallese erwidern wiederum in einem Brief, dessen Titel Mirror and Canonical Neurons are Crucial Elements in Esthetic Response lautet (S. 411).

31 Gal Raz; Yael Jacob; Tal Gonen; Yonatan Winetraub; Tamar Flash; Eyal Soreq; Talma Hendler: Cry for Her or Cry with Her. Context-Dependent Dissociation of Two Modes of Cinematic Empathy Reflected in Network Cohesion Dynamics. In: Social Cognitive and Affective Neuroscience 9.1 (2014), S. 30–38.

Zu Recht warnt Leys vor reduktionistischen Groß­behauptungen und Erkenntnissen in den Neurowissenschaften, welche »das Verhalten anderer Personen lediglich mit einheit­lichen Mechanismen verstehen«28, wie eine von ihr diskutierte Studie offen­sichtlich behauptet. Als ob die vordere Insula tatsächlich (durch eine funktionelle Magnetresonanztomographie oder in einem Probenglas) isoliert und dann aus den spezifischen, dort zu beobachtenden neuronalen Prozessen und Strukturen Erklärungen für solch komplexe Abläufe wie Emotionen abgeleitet werden könnten. Auch auf allgemeinerer Ebene bleibt eine kritische Haltung gegenüber Neuroreduktionismen bedeutsam, zunächst um wissenschaftliche Erkenntnisse über das Gehirn sowohl in einem breiteren sozio-kulturellen Kontext zu verankern und Diskussionen darüber anzustoßen, sodann um implizite Vor­annahmen sowie Ausgangspunkte der wissenschaftlichen Experimente zu beleuchten.29 Umgekehrt aber wäre es ebenso unproduktiv, neurowissenschaftliche Befunde nur aufgrund eines darin ausgetragenen Binnenstreits zwischen »verkörperten Spiegelungen« und »vom Selbst entfernten, kognitiv-projektiven Schlüssen« zu übergehen.30 Gibt es also andere Möglichkeiten, beide Systeme und gegebenenfalls auch ihr Zusammenspielen zu betrachten? In einer unlängst erschienenen Studie zur Empathie schlagen Gal Raz et al. ein dynamisches Modell vor, mit dessen Hilfe neue Fragen gestellt werden können.31 Raz’ Artikel Cry for Her or Cry with Her [Um sie oder mit ihr weinen; Anm. d. Ü.] beginnt mit einer Erörterung der beiden dominanten, bereits erwähnten Modelle der Empathie: das in der vorderen Insula und an anderen, mit den Spiegelneuronen in Verbindung gebrachten Hirnarealen lokalisierte Modell verkörperter Simulation (VS) sowie die Theory of Mind (ToM), welche in Beziehung zu den präfrontalen Bereichen, also dem Stirnlappen und der Stirnrinde, stehen. Gal Raz et. al. heben hervor, dass die Unter­ scheidung zwischen VS und ToM nicht mit der Differenz zwischen affektiver und nicht-affektiver Empathie zusammenfällt. Deshalb berücksichtigen die Forscher mit dem zentralen limbischen Netzwerk (Mandelkern, Hypothalamus, Hippocampus) ein drittes Gehirnsystem. Das limbische System ist in basale affektive Prozesse

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28 Wicker et al. (2003), S. 655. (wie Anm. 27).

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32 Ebd. S. 31.

einschließlich blitzschneller Bewertungen von Stimuli und daraus generierter Erregungsreaktionen verwickelt: »Von den mit VS und ToM in Beziehung stehenden Kreisläufen wird angenommen, dass sie zu unterscheidende anatomische Verbindungsprofile aufweisen und in ihrer evolutionären Entstehungsgeschichte differieren. Daher sind sie auch auf die Verarbeitung unterschied­ licher Informationsarten spezialisiert. Obwohl sich Intero­ zeptionen oder Kognitionen häufig nicht zu vollständigen emotionalen Erfahrungen entwickeln, können diese Prozesse doch unter bestimmten Umständen ein intersubjektives Teilen von Emotionen antreiben, da die diesbezüglich relevanten Inputs auch aus anderen Bereichen des limbischen Systems bezogen werden. Schwerpunkt dieser Untersuchung sind die relativen Beiträge benannter Systeme zu den eigenen empathischen Reaktionen sowie deren jeweilige Interaktion mit den limbischen Strukturen.«32 Mit der Studie soll belegt werden, dass diese Regionen des Gehirns dynamisch miteinander in Beziehung stehende Netzwerke ausprägen. Einen holistischen und wirklichkeitsnahen Ausgangspunkt zur Untersuchung emotionaler Bindungen gewährleistet dabei der Rekurs auf vielgestaltige Stimuli, zeitliche Entwicklungen sowie verkörperte und eingebettete Situationen filmischer Empathie. Im Experiment führte man den Versuchspersonen zwei jeweils zehnminütige Filmausschnitte vor, während zugleich der Grad aktiver neuronaler Verschaltungen verglichen wurde: Als auf ähnliche Weise Empathie hervorrufende Filmszenen, in denen sich jeweils eine Mutter von ihren Kindern verabschieden muss, dienten Ausschnitte von Chris Columbus’ Seite an Seite (1998) und Alan Pakulas Sophies Entscheidung (1982). Entsprechende Befunde wurden mit Fragebögen zum emotionalen Erleben bei der Filmbetrachtung, freien Berichten der Probanden und weiteren Tests abgeglichen. Die daraus gezogenen Erkenntnisse sind bemerkenswert. Beide Filmausschnitte haben nicht nur eine signifikant gesteigerte neuronale Aktivität im Insula-Gürtelareal-Kreislauf (VS) während der Betrachtung von Sophies Entscheidung beziehungsweise im Kreislauf zwischen Schläfen-Scheitellappen-Übergang und präfrontalen Arealen (ToM) im Fall von Seite an Seite evoziert. Die Daten zeigen darüber hinaus auch dynamisch wechselnde

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34 In einem interessanten Artikel von Jane Stadler wird dasselbe vorgeschlagen: Jane Stadler: Affectless Empathy, Embodied Imagination and ›The Killer Inside Me‹. In: Screening the Past 37 (2013), S. 1–17. Stadler gibt in dem Artikel auch einen Überblick zu verschiedenen filmtheoretischen Annäherungen an Empathie und Bindung. 35 Deleuze 1997a, S.123–142 (wie Anm. 6).

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33 Ebd. S. 35.

Verschaltungsmuster beider Kreisläufe. Zeitgleich mit sich verstärkenden empathischen Reaktionen steigerte sich außerdem die Interaktion der Kreisläufe mit dem limbischen System.33 Die Studie bedarf einiger grundlegender Anmerkungen. Anstatt Fragen zu empathischen Reaktionen ausschließlich mit Modellen verkörperter Simulationen oder der Theory of Mind zu beantworten, zeigen uns die daraus gewonnenen Erkenntnisse erstens, dass es interessanter ist zu untersuchen, wann und weshalb einer der beiden vernetzten Kreisläufe dominanter ist als der zweite und wie entsprechende Netzwerke einander beeinflussen können. Als möglichen Grund für die umgehend verkörperte Reaktion bei Sophies Entscheidung deuten die Autoren an, dass die im Film gezeigte Situation eine unmittelbar präsente Gefahr darstellt: In der Szene wird die Mutter (Meryl Streep) durch einen Nazibeamten gezwungen, sich im Bruchteil einer Sekunde für nur eines ihrer beiden Kinder zu entscheiden. Beim Betrachter aktiviert dies in der ersten Person strukturierte, auf sich selbst bezogene affektive Informationen aus dem eigenen tiefliegenden limbischen System (wie der Amygdala – dem Mandelkern –, unserem Angstzentrum). Außerdem ist diese Szene aus expressiven Nahaufnahmen aufgebaut. Eine derartige Ästhetik löst unmittelbare, die Spiegelneuronen einbeziehende affektive Reaktionen aus.34 Deleuze hat solche Bilder, die unmittelbar auf der Leinwand des Gehirns wirken, als Affekt-Bilder bezeichnet.35 Die Situation in Seite an Seite ist nicht weniger dramatisch und doch zugleich ganz anders: In dieser Trennungsszene verabschiedet sich eine todkranke Mutter (Susan Sarandon) von ihren beiden Kindern, wir sehen allerdings nicht, wie sie stirbt. Die familiäre Situation der Kinder bleibt auch nach dem Tod der Mutter stabil. Bei den hier aktivierten kognitiven Funktionen, etwa Gedanken an die Zukunft, kommt es zu viel stärkeren, dem ToM-Modell entsprechenden Reaktionen. Dieser vernetzte Kreislauf wird dann auch mit Projektionen des eigenen Selbst aus Perspektive der dritten Person in Verbindung gebracht, so als sei man ein externer Betrachter, der sich in die Situation eines anderen hineinversetzt. Auch hier kann die filmästhetische Auflösung der Szene mit distanzierteren, halbnahen Kameraeinstellungen als bedeutender Faktor zur Herstellung dieser spezifischen affektiven Bindung genannt

Patricia Pisters

werden. Nichtsdestotrotz aktiveren beide Szenen auf ausgesprochen emotionale Weise die jeweiligen affektiven Nervenkreisläufe. Beide schließen einander nicht aus, scheinen aber von unterschiedlichen Intensitäten beherrscht zu operieren. Sicher wäre der (filmischen) Empathie im Allgemeinen sowie einer Diskussion dieser Filmausschnitte im Besonderen noch viel hinzuzufügen, einige wertvolle Einsichten wurden jedoch bereits geliefert, die die Blockaden im Zusammentreffen von kognitiven und phänomenologischen Ansätzen in der Filmtheorie und in den Neurowissenschaften auflösen könnten: durch das Einbringen kontextabhängiger und ästhetischer Variablen sowie durch Berücksichtigen unterschiedlicher empathischer Hirnareale mit deren Vermögen, sich dynamisch in diversifizierten Intensitäten an das limbische System ›zu kuppeln‹. Dabei handelt es sich zugegebenermaßen um einen enormen Anspruch – deshalb zurück zu einigen Besonderheiten von Dexter.

37 Ebd.

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36 Leys 2012, S. 16 (wie Anm. 27).

Dexters plastisches Gehirn Ich möchte nun argumentieren, dass sich dargelegte wissenschaftliche Erkenntnisse nicht nur auf neuronaler Ebene abspielen, sondern ebenfalls im Narrativ der von Dexter unternommenen emotionalen Reise wiederzufinden sind. In der ersten Staffel fühlt sich der Ermittler wie ein Beobachter des eigenen Lebens. Er schlüpft in die Sichtweise einer dritten Person, betrachtet die Emotionen anderer und mimt diese dann so überzeugend, dass niemand aus seiner Umgebung sein Verhalten als Nachahmungen erkennt. Wir könnten sagen, dass er »bedingt durch eine inhärente Theatralität […] andere Personen in Schauspieler und Zuschauer verwandelt, die eine Distanz zueinander und sogar zu ihm selbst«36 erzeugen. Aus dieser Perspektive entspräche die in den Spiegel­ neuronen verkörperte Simulation »der Möglichkeit (des Traums) einer vollständigen teilnehmenden Vereinigung oder Identifikation«37. Die Theatralität oder eine schauspielerische Leistung stellt hier also den notwendigen Abstand der dritten Person zu den [affektiven, Anm. d. Ü.] Bindungen her. Dexter scheint in dieser Theatralität festzuhängen. Er vermag nichts auf direkte Weise zu spiegeln. Kritiker der Spiegelungstheorie argumentieren nun, dass gerade dies uns vor dem falschen Traum der Einswerdung

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39 James Hibberd: Interview mit Scott Buck und Sarah Colleton. In: Entertainment Weekly (13.9.2013). URL: http://www. ew.com/article/2013/09/23/ dexter-interview-series.finale

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38 Dexter 2006-2013, Staffel 7, Folge 12 (wie Anm. 2).

mit anderen zurückhält. Nur im Besitz vorgetäuschter Emotionen, hält sich Dexter jedoch für ein Monster, einen Nicht-Menschen, der kein vollständiges Leben führen kann. Allerdings beweist er selbst, dass das so nicht stimmt. Im Verlauf der folgenden Staffeln hat Dexter sowohl mit Verbrecherkollegen als auch mit Menschen, die sich innig um ihn kümmern, so viele Begegnungen, dass er anzunehmen beginnt, am Ende möglicherweise doch ein Mensch zu sein. In der zwölften Folge der fünfen Staffel trifft er Lumen Pierce (Julia Stiles), die ihm beibringt, dass »nichts in Stein gemeißelt ist, noch nicht einmal Dunkelheit«. Dexters Gehirn ist plastisch und dynamisch. Es verändert sich durch die und in den Begegnungen, die er hat. Er verliebt sich in den letzten Staffeln sogar in Hannah McKay (Yvonne Strahovski) und findet heraus, dass »irgendwann sein nur zur Tarnung all der Morde geführtes Leben doch real geworden ist. Es ist nun nicht mehr vorgetäuscht.«38 In der allerletzten Folge wird sogar Dr. Vogl für ihn wichtig. (Sie hat Harry empfohlen, seinem Stiefsohn den Code [des ethischen Tötens; Anm. d. Ü.] zu erklären.) Als der Neurochirurg Saxon Dr. Vogl vor Dexters Augen umbringt, gibt es dann auch keinen Kommentar mehr aus dem Off, sondern nur die sich in seinem Gesichtsausdruck abzeichnenden Emotionen. Am wichtigsten ist aber die Beziehung zu seiner Schwester Debra, die ihm zeigt, dass er immer ein guter Bruder für sie war. Gegen Ende meint Dexter dann nicht nur, Gefühle für sie zu haben, wenn er es denn könnte. Vielmehr hat er diese tatsächlich. Im Grande Finale der Serie verletzt sich Debra so schwer, dass sie ins Koma fällt. Anstatt, wie geplant, mit Hannah und Harrison nach Argentinien zu fliehen und dort ein neues Leben aufzubauen, beendet Dexter das Leben seiner Schwester, inszeniert auch den eigenen Tod, verschwindet aber in eine abgelegene Gegend. Dort lebt er, aus Angst, lieb gewonnene Menschen zu verletzen, ohne jeden Kontakt zu anderen, in selbst auferlegter Isolation. Der Produzent der Serie erklärt die Tragödie um Dexter wie folgt: »Wir hatten nur das Gefühl, Dexter wünsche sich über alles, zwischenmenschliche Beziehungen zu knüpfen […] Nachdem ihm der Balance­­akt, ein wirklich menschliches Leben zu führen, schließlich fast glückt, muss er alles aufgeben, um Harrison und Hannah zu retten.« 39

Patricia Pisters

Man könnte nun noch weitere Details zu Dexter erörtern. Mir ging es allerdings darum zu betonen, dass seine interessante und emotionale Reise, ausgedrückt im hochgradig populären Format der Fernsehserie, als Teil einer erweiterten Filmkunst betrachtet werden kann, zu der auch das Neuro-Bild zählt. Da sich die Serie über einen sehr langen Zeitraum entwickelt, übersteigt sie die Grenzen reiner Phantasie. Sie zeigt uns einen Protagonisten, der mit seiner eigenen Bindung zur Welt und zu den Menschen um ihn herum kämpft. Anfangs kann Dexter Bindungen nur durch Simulation beobachteter Emotionen eingehen (Mentalisierung, ToM), doch findet er heraus, dass sich durch das Simulieren neue, eher verkörperte Gefühle in ihm entwickeln (Spiegelungen, VS). Indem er uns in seine mentale Welt hineinzieht, präsentiert er die unterschiedlichen emotionalen Kreisläufe des Gehirns in ihrer kontinuierlichen und dynamischen Interaktion. Auf diese Weise könnte Dexter uns dramatisch-filmische Sichtweisen auf Empathie und Emotionen liefen. Diese würden bereits auf Ebene der Synapsen in einen Dialog mit den Erkenntnissen affektiver Neurowissenschaften eintreten. Selbst wenn wir heute zum »neuronalen Menschen« geworden sind, bedarf es doch eines holistischen und interdisziplinären Ansatzes, um neue Überlegungen bezüglich Bindungen mit anderen im Bereich des Filmes und des Lebens zu entwickeln.

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Übersetzung: Mathias Windelberg

Dexters plastisches Gehirn

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Patricia Pisters Patricia Pisters ist Professorin für Film im Fachbereich Medienwissenschaften der Universität Amsterdam und Leiterin der Amsterdam School of Cultural Analysis (ASCA). Sie ist eine der Gründerinnen des Open Access Magazins Necsus: European Journal of Media Studies und die Verfasserin von The Neuro-Image: A Film-Philosophy of Digital Screen Culture (2012). Patricia Pisters forscht zum politischen Kino, (trans)nationalen Medien, Neuro-Cinematik und der Philosophie des Films. Sie veröffentlichte unter anderem: The Matrix of Visual Culture. Working with Deleuze in Film Theory (2003) und From Eye to Brain (1998). Als Herausgeberin arbeitete sie an Revisiting Normativity with Deleuze (2012, mit Rosi Braidotti) und Mind the screen: Media concepts according to Thomas Elsaesser (2008, mit Jaap Kooijman und Wanda Strauven). Ihre Artikel und audiovisuelle Essays können auf www.patriciapisters.com eingesehen werden.

Sinnlichkeit und Sinnesarbeit 6

2 Ebd., Anmerkung 29, S. 503.

3 Siehe Catherine Malabou: Was tun mit unserem Gehirn? Berlin 2006, S.11-12. Malabou spricht von der »Plastizität des Gehirns«, es bietet sich an, diese bereits auf die Sinneswahrnehmung anzuwenden.

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1 Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. In: Gesammelte Schriften, Band I.2. Frankfurt am Main 1974, S. 478.

Walter Benjamin hat, im Anschluss an Marx und seinen Verweis auf die gesellschaftlich-historische Vermitteltheit und Ver­änderung von Sinnlichkeit durch »die materielle Tätigkeit und den materiellen Verkehr«, betont, dass die »Art und Weise, in der die menschliche Sinneswahr­nehmung sich organisiert – das Medium, in dem sie erfolgt – nicht nur natürlich, sondern auch gesellschaftlich bedingt [ist]. [...] Innerhalb großer geschichtlicher Zeiträume verändert sich mit der gesamten Daseinsweise der menschlichen Kollektiva auch die Art und Weise ihrer Sinneswahrnehmung.«1 Nicht mehr gilt also die Annahme einer Projektion oder Expansion der Sinne, einer Bewegung von innen nach außen, nunmehr sind es die gesellschaftlichen Verhältnisse und ihre Medientechniken, die auf die Wahrnehmung einwirken, eine Veränderung, Modulation der Vermögen von außen nach innen provozieren. Das Aufkommen des Films und seine »physischen Chockwirkungen« korrespondieren, so Benjamin, mit »tiefgreifenden Veränderungen des Apperzeptionsapparates – Veränderungen, wie sie im Maßstab der Privatexistenz jeder Passant im Groß­ stadtverkehr, wie sie im geschichtlichen Maßstab jeder heutige Staatsbürger erlebt«.2 Mit dieser Feststellung wird eine an gesellschaftlichen Umbrüchen und technischen Innovationen orientierte Einfluss­ nahme auf das Sinnlich-Performative in den Blick genommen, die an intensiven Korrespondenzen und Ereignissen, nicht an Analogien und Entlastungen interessiert ist. Unsere Sinnestätigkeiten »halten Schritt« mit den technisch-medialen und den sozialen Bewegungen und bilden im Zusammenspiel mit Medien stets neue Dispositionen aus, die es ermöglichen, Orientierung und Handeln in den neuen Verhältnissen zu finden und umzusetzen. Dieses Programm lässt sich auch neurobiologisch wenden, indem auf die »Plastizität« der Sinne bzw. ihrer neuronalen Kondition verwiesen wird. Zwischen Formannahme, Formgebung und Aufhebung der Form ist demgemäß auch die plastische Sinnesarbeit zu verorten.3 Wobei es wichtig ist, diese von ihrer »falschen Freundin«, der »Flexibilität«, abzugrenzen, die bloß der Anpassung sich andient und einer »neuronalen Ideologie«

5 Armin Hoyer; Jan Slaby: Neuroenhancement als Biokapital. In: WestEnd. Neue Zeitschrift für Sozialforschung 2 (2014), S. 105–120, S. 118f.



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4 Ebd., S. 23.

folgt. Flexibilität wird hier selbstverständlich als Prädikat des »Neuen Geistes des Kapitalismus« verstanden: » [...] die Flexibilität ist die ideologische Gestalt der Plastizität. Sie ist zugleich ihre Maske, ihre Entstellung und ihre Enteignung.«4 Es sind aktuelle Informations- bzw. Kommunikations­ medien und Games, die eine invasive und permanente Einwirkung auf die Wahrnehmung praktizieren und, so scheint es, an einer psycho-physio-technischen Metamorphose des ganzen Körpers interessiert sind. Und diese mediale Konzentration auf den Körper wird unterstützt von einer weiteren gesellschaftlichen Zäsur, die mit dem so genannten Biokapital einhergeht. Die technischen Einwirkungen von Neuen Medien auf unsere Sinne und Sinnes­ arbeit werden schattenhaft und in Wechselbeziehung begleitet von der durch die Versprechen der Pharmaka der NeuroenhancementIndustrie forcierten Selbstoptimierung, Selbstformung, Selbst­ verbesserung. Zu diesen lassen sich auch Energy Drinks zählen, die »als Verdichtungsfigur eines ubiquitären Strebens nach Leistungssteigerung, ständiger Wachheit und allzeitiger Bereitschaft fungier[en]. Die Metaphorik des Aufladens, des Nacht­ankens, des Energieschubs etc. signalisiert eine techno­ morphe Selbstbeschreibung im Modus beständiger Akzeleration.«5 Als Steigerung der Benjaminschen Annahme epochaler Ver­änderungen der Sinneswahrnehmung überlässt das Neuroenhancement die Entscheidung für die Umgestaltung der Sinnes­ kräfte dem Einzelnen in seiner Verstrickung in den Gegensatz von Geformt-Werden und Selbstformung.

Marc Ries

Béla Balázs Gewiß hat der Film eine neue Welt ent-deckt, die vor unseren Augen bislang ver-deckt gewesen ist. So die sichtbare Umwelt des Menschen und seine Beziehung zu ihr. Raum und Landschaft, das Gesicht der Dinge, den Rhythmus der Massen und den heimlichen Ausdruck des schweigenden Daseins. Aber der Film hat nicht nur Stofflich-Neues gebracht im Laufe seiner Entwicklung. Er hat etwas Entscheidendes getan. Er hat die fixierte Distanz des Zuschauers aufgehoben; jene Distanz, die bisher zum Wesen der sichtbaren Künste gehört hat. Der Zuschauer steht nicht mehr außerhalb einer in sich geschlossenen Welt der Kunst, die im Bild oder auf der Bühne umrahmt ist. Das Kunstwerk ist hier keine abgesonderte Welt, die als Mikrokosmos und Gleichnis erscheint, in einem anderen Raum ohne Zugang. Die Kamera nimmt mein Auge mit. Mitten ins Bild hinein. Ich sehe die Dinge aus dem Raum des Films. Ich bin umzingelt von den Gestalten des Films und verwickelt in seine Handlung, die ich von allen Seiten sehe. [...] Mein Blick und mit ihm mein Bewußtsein identifiziert sich mit den Personen des Films. Ich sehe das, was sie von ihrem Standpunkt aus sehen. Ich selber habe keinen. Ich gehe in der Menge mit, ich fliege, ich tauche, ich reite mit. Und wenn einer dem anderen im Film in die Augen sieht, so blickt er von der Leinwand mir in die Augen. Denn die Kamera hat meine Augen und identifiziert sie mit den Augen der handelnden Personen. Sie schauen mit meinem Blick. Etwas Ähnliches wie diese Identifizierung, mit der heute jeder Durchschnittsfilm arbeitet, ist noch nie in irgendeiner Kunst vorgekommen. [...] In dieser Aufhebung der inneren Distanz des Zuschauers erscheint seit den Jahrhunderten der feudalen und bürgerlichen Kunst zum erstenmal eine radikal neue Ideologie.

Béla Balázs: Der Geist des Films. Frankfurt am Main 2001, S. 15.

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Zitatauswahl: Marc Ries

Claire Châtelet

Der Körper am Werk Sensorisch-motorische und emotionale Partituren im Film

Claire Châtelet

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1 Annick Bureaud: Pour une typologies des interfaces artistiques. Esthétiques des arts médiatiques. Interfaces et sensorialité. Sous la direction de Louise Poissant. Presses Universitaires du Québec 2003, S. 39.

Von taktilen zu verkörperten Schnittstellen Auch wenn zahlreiche Abhandlungen auf der Entmaterialisierung, der Realitätsferne, der Virtualität, der abstrakten Künstlichkeit oder gar der durch die digitalen Technologien induzierten Ent­ wirklichung bestehen, ist bei einzelnen filmischen Produkten der Neuen Medien die Sinn- und Körperlichkeit ein wichtiger Aspekt. Die verschiedenen relationalen Modi und Wahrnehmungs­ modalitäten, die digitale Schnittstellen hervorbringen, machen ein Nachdenken über das Verhältnis dieser Schnittstellen zum Körperlichen notwendig. Im Umgang mit den heutigen Techno­ logien wird es laut Annick Bureaud eine der Hauptaufgaben sein, »dass wir uns in einer ersten Phase unserer Körperlichkeit bewusst werden, dass wir unsere Wahrnehmungsweisen reflektieren, dass wir die Natur des Raums hinterfragen, in dem wir uns befinden, kurz, dass wir uns als Menschen neu definieren. Die Schnittstellen, die als Sinnesorgane zu begreifen sind, haben als Erstes zu einer Dekonstruktion unserer bisherigen Wahrnehmungsweisen geführt, zu einer Art Fragmentierung bzw. Dislokation des Körpers.« 1 Auch Jean-Louis Weissberg betont, dass die »Telepräsenz« »den Körper sowie körperliches Empfinden keineswegs ausschaltet, der angenommene Fall, dass die Abstraktion sozusagen die Flucht nach vorn ergreift, bleibt aus, körperliches Empfinden wird in das Zentrum menschlicher

Der Körper am Werk

3 »A meta-media object contains both language and meta-language – both the original media structure (a film, an architectural space, a sound track) and the software tools that allow the user to generate descriptions of, and to change, this structure«, so Lev Manovich. Vgl. Understanding Meta-Media (2005), http://www. ctheory.net/printer.aspx?id=493 (letzter Aufruf: 10.08.2015). Den Begriff »meta-medium« übernimmt Manovich von Alan Kay und Adèle Goldberg: Personal dynamic media. In: IEEE Computer 10.3 (1977). 4 Siehe vor allem Milad Doueihi: La Grande Conversion numérique. Paris 2008. Ders.: Pour un humanisme numérique. Paris 2011. Ferner die theoretischen Arbeiten von Ars Industrialis unter der Leitung von Bernard Stiegler ( http://arsindustrialis. org/). Stéphane Vial: L’être et l’écran. Comment le numérique change la perception. Paris 2013. Die angewandten Forschungen des niederländischen Philosophen und Künstlers Koert Van Mensvoort sowie seine Arbeit Next Nature. Nature Changes Along with Us (New York 2012). 5 Ich beziehe mich auf das Next Nature-Konzept von Koert Van Mensvoor (2012). 6 Vgl. die Definition des Centre national de ressources textuelles: http://www.cnrtl.fr/ lexicographie/incorporer.

Erfahrung reinjiziert«.2 Und er präzisiert: »Mit der Wieder­kehr des Körpers in der virtuellen Erfahrung geht eine Neu­definition der Kinästhesie einher. Die Telepräsenz ermöglicht nicht die gleichen Handlungen, die wir für gewöhnlich ausführen, sie kreiert eine andere Wahrnehmungsebene, auf der es vor allem zu Verschiebungen in den Beziehungen zwischen mensch­ lichen Subjekten und Objekten kommt.« Wie Lev Manovich betont, stellt die Schnittstelle MenschMaschine einen »essentiellen semiotischen Code« sowie das »meta-tool«3 der Informationsgesellschaft dar, eine Schnittstelle, die die Funktionsweise von kulturellen Objekten und insbesondere von Kunstobjekten stark modifiziert und unsere Wahrnehmung sowie unser Verhältnis zu Mitmenschen und der Welt beeinflusst.4 Ausgehend von den erweiterten taktilen Technologien, die zwischen Subjekt und Umwelt einen Kontakt, eine Verbindung herstellen, was einen Lernprozess – oder zumindest den wieder­ holten Gebrauch – erfordert, konnten sich digitale Schnittstellen allmählich standardisieren und in den Alltag integrieren, bis sie quasi »natürlich«5 und unsichtbar wurden. In der Kunst weisen Schnittstellen zum Teil über die einfache, mehr oder minder bewusste Verinnerlichung des Mediums hinaus und verkörpern interaktive Funktionen im betrachtenden Subjekt selbst. Ich verwende den Begriff »verkörpern« aufgrund seiner produktiven Polysemie. »Verkörpern« heißt: einen Körper verleihen, mit einer materiellen Form umkleiden; (eine Substanz) intim (mit einer anderen) vermengen, um so ein homogenes Ganzes zu erhalten; (ein Element in ein Ganzes) integrieren; (einen Teil in ein Ganzes) einfügen; absorbieren.6 Das französische Wort »incorporer« (lat. incorporare) kann etymologisch auch bedeuten: »zu einem einzigen Körper vereinen«. Und der Körper, von dem hier die Rede ist, ist der des Betrachters, der Operator geworden ist. Dieser Text befasst sich mit dem Körper in seinen multiplen Funktionen und Zuständen, mit dem »corps agissant« (Ricoeur), dem handelnden Körper, mit dem ausführenden, dem fühlenden, dem wahrnehmenden und dem empfindsamen Körper, der in audiovisuellen Dispositiven am Werk ist. Jenseits des einfachen Stimulus und eines reduktiven Schemas von Aktion und Reaktion ist in der Tat festzuhalten, dass die Maschinen genau

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2 Jean-Louis Weissberg: Présence à distance. Déplacement virtuel et réseaux numériques: pourquoi nous ne croyons plus la télévision. Paris 1999, S. 14.

Claire Châtelet

darauf abzielen, die senso-motorischen und emotionalen Funktionen des Betrachters zu remobilisieren, des »spect-acteur«, um mit Weissberg zu sprechen. Als drittes Element zwischen Schnittstelle, Programm und Kunstwerk strebt der Körper danach, sich in rezeptiven und expressiven Schnittstellen zu formen. Erst durch den Körper nimmt das Werk Gestalt an, in anderen Worten: beginnt es, etwas zu verkörpern. Wir wollen nun anhand dreier Beispiele sehen, wie der betrachtende Körper zu einer notwendigen Bedingung der Möglichkeit und Sichtbarkeit von Filmen wird und wie er die programmierte »Partitur« in einem poietischen Prozess interpretiert.

8 Definition laut Larousse. 9 Eric Méchoulan: Intermédialité. Les illusions perdues. In: Intermédialités. Histoire et théories des arts, des lettres et des techniques 1 (2003), S. 9–27. Ders.: Intermédialité. Ressemblances de famille. In: Intermédialités. Histoire et théories des arts, des lettres et des techniques 16 (2010), S. 233–259. 10 Definition laut Centre du Recherche sur l’Intermédialité: http://cri.histart.umont real.ca/ cri/fr. 11 Siehe Edmond Couchot: La technologie dans l’art. De la photographie à la réalité virtuelle. Nîmes 1998.

Der Übergangskörper oder das Zwischen-Sein: Die Konstruktion einer reziproken Raumzeit 7 Ein wesentlicher Unterschied zwischen interaktiven audiovisuellen Formen und konventionellen kinematographischen Formen besteht darin, dass interaktive audiovisuelle Formen den Zuschauer auf nie da gewesene Weise einbeziehen. Dennoch scheinen auch diese sich eines klassischen kinematographischen Mittels zu bedienen: des Anschlusses, des Übergangs (raccord). Ein »Anschluss« ist im technischen Sinne ein »Verbindungsglied zwischen zwei Elementen«8. Im kinematographischen Sinn bezeichnet »Anschluss« den Übergang zwischen zwei aufeinanderfolgenden Einstellungen. Übergänge stellen visuelle, akustische, narrative und inhaltliche Zusammenhänge her, finden spezifische Verwendungsformen (Übergang von Bewegungen, Handlungen, zeitlichen Achsen) und sichern die diegetische und plastischräumliche Kontinuität. Doch man kann diese Übergänge auch als »Zwischen-Sein« verstehen. Die Formulierung stammt von Eric Méchoulan, der Intermedialität als Sinneffekt begreift, der aus dem Verbinden von Medien sich einstellt.9 »Das Zwischen-Sein wird somit nicht von zwei Instanzen in der Mitte auf Distanz gehalten, es ist vielmehr stets interessiert, d.h. es steht mit beiden Instanzen im Austausch.«10 Sinnerzeugung und sinnliche Effekte entstehen bei »techno-ästhetischen«11 audiovisuellen Erfahrungen im Innern dieser Relation, dieses Austauschverhältnisses, ermöglicht durch den Körper des Betrachters. Jean-Louis Boissier verwendet genau diesen Begriff »Relation«, um »Objekte zu beschreiben, die

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7 Der Begriff »reziproker Raum« wird hier freilich nicht im mathematischen Sinn gebraucht.

Der Körper am Werk

13 Auch Jean-Marie Dallet arbeitet mit dem Konzept des »relationalen Bildes«, vor allem In: Figure de l’interactivité. In: Anomalie 3 (2003). Vgl. auch seine Doktorarbeit: La Notion de figure dans les arts interactifs. Université Paris VIII, Saint-Denis 2001.

14 Boissier 2009, S. 298 (wie Anm. 12). 15 Ebd., S. 298.

16 Weissberg 1999, S. 177 (wie Anm. 2).

17 Ich beziehe mich speziell auf den Artikel von Dennis Del Favero und Timothy Barker: Scenario. Co-Evolution, Shared Autonomy and Mixed Reality. In: Arts, Media, and Humanities (ISMAR-AMH). IEEE International Symposium 2010, S.11–18. Die folgenden Zitate sind diesem Artikel entnommen.

von ihrem Adressaten tatsächlich eine Intervention einfordern«12. Ausgehend von einer Doppeldeutigkeit des Wortes »Relation« – es meint zugleich das, was erzählt wird (relater), und das, was sich verbindet (relier) – definiert Boissier in La relation comme forme im Anschluss an Deleuze’ Konzept des »Bewegungs-Bildes« und des »Zeit-Bildes« eine neue, für interaktive Formen spezifische Bild­kategorie: das »relationale Bild«.13 Dieses müsse aus einer »relationalen Perspektive« heraus verstanden werden. »Zur optischen Perspektive, die das Digitale einnimmt, um Leistung und Variabilität zu verstärken, kommen in den Netzen eine deterritorialisierte Perspektive sowie das, was sich als interaktive Perspektive bezeichnen lässt, hinzu. In der Verbindung aus Programmierung und Interfaces entstehen Formen, die – mit oder ohne Bild – Relationen und relationale Modalitäten bilden. Spielbarkeit tritt nun zu einer Sicht- und Lesbarkeit hinzu.«14 Doch Spielbarkeit hat nichts mit »schlichtem Amüsement« oder »Zerstreuung« zu tun. Das »Spiel« hat den »Stellenwert einer Übung oder Interpretation, es ist Werk, nicht Werkzeug«.15 Jean-Louis Weissberg schlägt das Konzept des »getätigten Bildes« (»image actée«) vor, um auf der senso-motorischen Dimension des interaktiven Bildes zu bestehen, das eine Geste, eine Aktion verkörpert und vom spect-acteur in Bewegung versetzt wird. Das interaktive Bild »ist ein kinästhetisches Bild, ein de facto körperlich und nicht allein imaginär eingefasstes Bild (bei anderen ikonischen Formen wie Zeichnungen, Fotografien, Filme ist dies anders)«.16 Das »relationale« und »kinästhetische« interaktive Bild modifiziert also das Verhältnis des Betrachters zum Film radikal. Der betrachtende Körper ist zugleich Empfänger und Vermittlungsorgan, da er sich in den Produktions- oder vielmehr Reproduktionsprozess des Werkes einschreibt und traditionelle Repräsentationsformen und kinematographische Rezeptionsweisen in Frage stellt. Bild und Narration begreifen sich nun als offen, erweiterbar, variabel und wandlungsfähig. Zwar werden die Formen, die Instrumente und die geschichtlichen Bedingungen des Kinos erschüttert, doch es erneuert auch sein kreatives Potential, wie das interaktive Projekt Scenario von Dennis Del Favero, Stephen Sewell und Maurice Pagnucco aus dem Jahr 2010 auf exemplarische Weise zeigt.17

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12 Jean-Louis Boissier: La relation comme forme. L’interactivité en art. Genf 2009, S. 4.

Claire Châtelet

19 Die Zuschauer sind mit 3D-Brillen ausgestattet. 20 Siehe J. J. Gibson: The Theory of Affordances. In: R. Shaw; J. Bransford (Hg.): Perceiving, Acting, and Knowing. Toward an Ecological Psychology. London 1977, S. 67–82. Ferner J. J. Gibson: The Ecological Approach to Visual Perception. Boston 1979.

21 Vgl. Gilles Deleuze; Felix Guattari: Mille plateaux. Paris 1980. Vgl. Manuel De Landa: A New Philosophy of Society. Assemblage Theory And Social Complexity. New York 2006.

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18 D.h. in einen Raum, der sowohl reale als auch virtuelle Elemente aufweist.

Dieses vom Forschungszentrum der australischen Universität New South Wales initiierte Projekt praktiziert eine neue Form des immersiven Erzählens, um so die ästhetischen, technologischen und philosophischen Fragen der Interaktivität zu erforschen. Das Ziel dieses neuartigen Filmexperiments ist es, »to test a theory of interaction in which human users and digital characters, when provided with a level of autonomy, are able to share agency in creating an interactive narrative«. Scénario basiert auf dem experimentellen Stück Quadrat 1 + 2 von Samuel Beckett, das 1981 für einen deutschen Fernsehsender realisiert wurde und »group autonomy based on a series of changing spatial relations« untersucht. In dem australischen Projekt, das sich vor allem auf Studien zur künstlichen Intelligenz stützt, taucht der Zuschauer in eine Mischrealität18 ein, in eine Umgebung, die von virtuellen Kreaturen bevölkert wird, die in gewisser Weise autonom sind. Eine spezielle, auf GOLOG (alGOL in LOGic) basierende Programmiersprache verleiht den Kreaturen die Fähigkeit, externe Ereignisse (im vorliegenden Fall die Handlungen des Zuschauers) zu analysieren und gemäß diesen Ereignissen und ihrer Interpretation der jeweiligen Figur zu handeln. Die Filmhandlung entwickelt sich also aus den Interaktionen der Bewegungen der Zuschauer mit den Humanoiden. Da die Interaktionen keinem zuvor verfassten Drehbuch folgen, ist die Handlung nicht vorhersehbar. Technisch gesehen, beruht Scenario auf der hauptsächlich von Jeffrey Shaw und Dennis Del Favero entwickelten Architektur AVIE (Advanced Visualisation and Interaction Environment). Dabei handelt es sich um eine 360-Grad-Projektion, die aus einer runden, vier Meter hohen Leinwand von zehn Metern Durchmesser, zwölf Projektoren (sechs stereoskopische Paare, die ein 3D-Bild erzeugen19) und einer Surround-Anlage besteht, die die 360-Grad-Struktur mit Ton versorgt. Dieser Aufbau wird komplettiert von einem Infrarot­ kamera-System, das die Zuschauer registriert und präzise verfolgt, wie sie sich im (realen) Raum bewegen. Das originelle filmische Projekt, das von Gibsons Theory of Affordances und seinem Ansatz der »ökologischen Wahrnehmung«20 sowie der von Deleuze und Guattari begründeten und von Da Landa21 weiterentwickelten Assemblage-Theorie inspiriert ist, zielt darauf ab, mit komplexen Interaktionsformen zu experimentieren. Die Mensch-Maschine-

Der Körper am Werk

23 Weissberg 1999, S. 232 (wie Anm. 2). 24 Ich übernehme den Begriff von Yves Jeanneret und Jean Devallon, die ihn verwenden, um spezifische Funktionen von Bildschirmschreibweisen zu analysieren: La fausse évidence du lien hypertexte. In: Communication & Langages 140 (2004). Ein »signe passeur« ist »ein Zeichen, das unterschiedlicher Natur sein kann (Wörter, Schriftzeichen, graphische Darstellung, Foto etc.) und die Eigenschaft besitzt, einen aktuellen, auf dem Bildschirm sichtbaren Text in einen aktualisierbaren Text umwandeln zu können.« Zur Definition vgl.: Métamorphoses médiatiques, http://www.lalic.paris4.sorbonne. fr/metamorphoses/_site_ public/?folder=5 (letzter Aufruf: 10.8.2015). 25 Ich mache mir das eben erläuterte Konzept der »transitären Zeichen« zu eigen.

26 Maurice Merleau-Ponty: Phänomenologie der Wahrnehmung. Übersetzung Rudolf Boehm. Berlin 1966, S. 277.

Beziehung folgt hier nicht mehr der binären Logik von Aktion und Reaktion, sondern begreift sich als kreisförmiger, dynamischer und »koevolutionärer« Prozess im »geteilten Raum« und mit wechselseitigen Einflüssen. Auf diese Weise ist es möglich, eine Ästhetik der »embodied interaction, involving the dissolution of boundaries between interface and physical actions« zu unterstützen, bei der Mensch und Maschine zu Protagonisten einer fortschreitenden Handlung werden und Handlungsfreiheit nicht allein den Menschen zukommt. Die quasi körperliche Begegnung des Zuschauers mit virtuellen Wesen informiert somit den Film in doppelter Hinsicht – sie erzeugt gleichermaßen Form und Sinn. Der umstellte/verfolgte und Spuren hinterlassende Körper verschmilzt mit dem virtuellen Körper und beteiligt sich aktiv an der Konstruktion einer »Erzähllandschaft«22, deren Konturen nie klar umrissen oder endgültig gezeichnet zu sein scheinen. »Der Raum des Bildes öffnet sich, wird Prozess, enthält zugleich sein Entstehen und sein Ende. Zwischen beiden findet der ›Interaktant‹ [interactant], der das Bild erfasst und es bewegt, seinen Platz.«23 Der Übergangskörper fungiert als »Transit-Zeichen« (»signe passeur«)24, und schreibt sich in einen reziproken Zeit-Raum ein, der einen produktiven Dialog zwischen Subjekt und Werk begründet, eine operative Begegnung zwischen dem Raum des Betrachters und dem des Films. Der expressive Körper: Die »Transit-Sinne« 25 des »amplifizierten« Zuschauers Unser Körper ist »jener seltsame Gegenstand, der seine eigenen Teile als allgemeine Symbole der Welt gebraucht und durch den wir somit einer Welt zu ›begegnen‹, sie zu ›verstehen‹ und ihr Bedeutung zu geben vermögen«, schreibt Maurice Merleau-Ponty in seiner Phänomenologie der Wahrnehmung.26 In den beiden folgenden Beispielen – Mademoiselle Paradis (2014) von Marie-Laure Cazin und Obsession (2005) von Pia Tikka – spielen sowohl das wahrnehmende Subjekt als auch der emotionale Körper für die formale und narrative Konfiguration des Films, ja selbst für seine Enunziation eine entscheidende Rolle. Der betrachtende Körper allein aktualisiert die unterschiedlichen »Instanzen« dieser hybriden audiovisuellen Objekte, die genauso

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22 Boissier 2009, S. 305 (wie Anm.12).

Claire Châtelet

28 Etienne-Armand Amato; Jean-Louis Weissberg: Le corps à l’épreuve de l’interactivité: interface, narrativité, gestualité (dialogue). In: Interfaces, Anomalie Digital Arts 3 (2003), S. 41–51.

29 Ebd., S. 47–48.

30 Bei einer EEG (Elektroenze­ phalographie) zeichnen drahtlose Elektroden-Headsets die Gehirnströme auf. Hier werden mit Sensoren ausgestattete EPOC-Headsets der amerikanischen Firma EMOTIV verwendet.

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27 Vgl. Etienne-Armand Amato: Le jeu vidéo comme dispositif d’instanciation. Du phénomène ludique aux avatars en réseau. Diss. Université Paris 8, 2008.

viele Anleihen beim Film wie bei den interaktiven Künsten machen. Etienne-Armand Amato trägt dem menschlichen Erleben und seiner technologischen Konditionierung bei der Nutzung von Videospielen Rechnung und führt, um die Interaktivität zwischen Bild und Videospieluniversum zu beschreiben, den Begriff der »Instantiierung« (»instanciation«) ein, die er als »Aktualisierung« wie auch als »Simulation« begreift.27 Seinen Ausführungen zufolge zielen interaktive Formen darauf ab, gleichzeitig einen Prozess der Instantiierung und der Distanzierung in Gang zu setzen, um so eine »interaktive Körperlichkeit« zu erzeugen. »Anders als beim Film, der vom Standpunkt der Kamera ausgeht, aus der Kameraperspektive einen imaginären Körper schafft und sich durch Ausdruck und Darstellung sozusagen im Schatten des Visuellen konstituiert, scheinen interaktive Formen zwei eng miteinander verbundene, jedoch unterscheidbare Körper zu mobilisieren, die zusammen zu einer einzigen ›interaktiven Körperlichkeit verschmelzen.«28 Einerseits einen »projektivhandelnden Körper, der je nachdem, welche Möglichkeiten der Intervention die Schnittstelle ihm lässt, agiert«, andererseits einen »wahrnehmenden Körper«, der mit »sensiblen rezeptiven« Eigenschaften ausgestattet ist und für den Betrachter von folgenden Konditionen abhängig ist: »von dem, was Hör-, Sehund auch Tastsinn ihm zu fühlen vorgeben […], wie er das Wahr­genommene in Verbindung mit den Codes, die seine Wahrnehmung begründen, interpretiert, vom Handlungsspielraum, über den er verfügt bzw. glaubt zu verfügen und schließlich von der narrativen und diegetischen Umgebung, in der er sich befindet und bewegt.«29 In Mademoiselle Paradis experimentiert die französische Künstlerin Marie-Laure Cazin mit genau dieser Verschmelzung der beiden Körper, indem sie eine interaktive kinematographische Erfahrung erzeugt, in welcher der Film auf die Gefühle der Zuschauer reagiert. Auch wenn wir bei diesem Beispiel die klassische Anordnung einer »normalen« Kinovorstellung vorfinden – die Zuschauer sitzen im dunklen Kinosaal, während ein linear erzählter Film projiziert wird –, so unterscheidet sich diese Vorstellung von einer gewöhnlichen doch in einem Punkt: Eine gewisse Anzahl der Zuschauer trägt EEG-Headsets30, die die

Der Körper am Werk

32 Vor der Vorführung wird bei den Zuschauern, die ein Headset tragen, die Kalibrierung des Gehirnsignals getestet. Das Kalibrieren beruht auf einem wissenschaftlichen, in der Psychologie verwendeten System (IAPS, International Affective Pictures System), das den Zuschauer auf verschiedene Bilder reagieren lässt, die eine Palette positiver und negativer Emotionen darstellen. 33 Wie im Presskit der Produktionsfirma Filmo erläutert wird, kann etwa »die Mutter auf vier unterschiedliche Weisen reagieren, wenn sie abrupt in Mesmers Zimmer eindringt und ihn dort in einer zweideutigen Situation mit einer Frau überrascht. Die Reaktion des Zuschauers auf diese Szene hängt davon ab, wie er das Verhältnis der beiden Frauen zu Mesmer interpretiert, wem er hier die Schuldgefühle zuweist und wo er den Ursprung der nervösen Blindheit von Mademoiselle Paradis sieht«. 34 Man kann sich fragen, ob eine Ausweitung des Experiments auf einen ganzen Saal dem Interesse der Sache nicht schaden würde, da sie den subjektiven und höchst persönlichen (emotionalen) Akt der Rezeption untergraben würde. 35 Zu den technischen Spezifitäten siehe den Tätigkeitsbericht 2014 von SCRIME (Studio de Création et de Recherche en Informatique et Musique Electroacoustique) der Université de Bordeaux.

Gehirnaktivität der Zuschauer nach den Kriterien der Erregung und der Valenz elektrisch messen. Physiologisch lässt sich »Erregung« als eine Aktion definieren, die »ein externer oder interner Agens (an einem erregbaren organischen System) ausführt und die nach der Übertragung an das Nervensystem eine Reaktion des Organismus auslöst«. In der Psychologie bezeichnet »Valenz« »die Anziehungskraft (positive Valenz) bzw. die Abstoßung (negative Valenz), die ein Individuum gegenüber einem Objekt oder in einer bestimmten Situation empfindet«.31 Man muss klarstellen, dass die öffentlichen Vorführungen – die Premiere war am 14. Februar 2014 im Studio du Fresnoy in Tourcoing – bisher nur mit einer begrenzten Anzahl von Zuschauern stattgefunden haben. Nur drei Zuschauer wurden mit zuvor »kalibrierten«32 Headsets ausgestattet. Zwei davon konnten durch ihre von den Sensoren des Headsets in Echtzeit aufgezeichneten Gefühle den narrativen Ablauf des Films beeinflussen.33 Der emotionale Zustand des dritten wurde auf die Tonspur übertragen.34 Das (von der Forschungseinrichtung INRIA in Rennes entwickelte) Programm Opernvibe interpretiert die Rohdaten, verarbeitet und sendet sie an einen Player, der die verschiedenen Filmsequenzen abspielt.35 Die anderen Zuschauer können die zerebrale Aktivität der spect-acteurs an den digitalen Bildschirmen, die an den Saalwänden angebracht sind, mitverfolgen. Diese Anordnung, die Marie-Laure Cazin treffend als »Gefühlskino« (»cinéma émotif«) bezeichnet, entstand in Kooperation mit mehreren wissenschaftlichen Laboren.36 Sie ist »ein Prototyp des interaktiven Kinos, wo die Emotionen der Zuschauer den Film gestalten. […] Der Film reagiert in Echtzeit auf die Gefühle der Zuschauer, die Figuren ändern den Handlungs­ ablauf, und das Drehbuch wird mit jeder Vorstellung neu geschrieben. Der Komponist Andrea Cera ›vertont‹ die Gehirnströme der Zuschauer, die die Tonspur bilden und so ein performatives Element werden.«37 Der für das Experiment produzierte Versuchsfilm Mademoiselle Paradis ist ein 26-minütiger Kurzfilm, in dem es etwa ein Dutzend narrative Abzweigungen gibt. Er basiert auf wahren Begebenheiten und schildert die umstrittenen Heilmethoden des deutschen Arztes Franz-Anton Mesmer, Begründer der Theorie vom »animalischen Magnetismus«

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31 Definitionen laut Centre national de ressources textuelles, http://www.cnrtl.fr/definition/.

Claire Châtelet

37 Auszug aus dem Presskit. 38 Ebd.

39 Der interaktive Film ist 2005 entstanden, er wurde später auf einigen Festivals und in zahlreichen finnischen Museen für zeitgenössische Kunst gezeigt.

40 Siehe Pia Tikka: Enactive Cinema. Simulatorium Eisensteinense. Diss. University of Art and Design Helsinki, 2010.

und Vorläufer der Hypnosetherapie, und seine Behandlung des blinden Mädchens Maria-Teresa von Paradis. »Mesmer war einer der Ersten, die den emotionalen Zustand des Patienten als Ursache seiner Erkrankung in Erwägung zogen und ihre medizinische Praxis dementsprechend ausrichteten«.38 Das von diesem Dispositiv beförderte Unsichtbare und Unbewusste finden in der diegetischen Filmhandlung, in der unsichtbare Wellen die Kranke heilen, ihren Widerhall. »Die Unsichtbarkeit und die Ströme des Mesmerschen Magnetismus lassen sich mit den Gehirnströmen vergleichen, die die Handlung des Films anstoßen«, erklärt die Regisseurin. Die angewandte Schnittstellenkonfiguration (also die Schnittstelle Maschine-Gehirn) dieser Arbeit löst im Verborgenen einen Prozess komplexer Interaktionen aus, die sich dennoch in Handlungsvariationen und auf der Tonspur niederschlagen. Die spect-acteurs konstruieren also die wahrnehmbare Gestalt des Films, die einer zum Teil unvorher­ sehbaren Logik folgt und die Affekte der spect-acteurs offenbart. Ein ähnliches Verfahren liegt auch dem letzten Projekt, das ich hier besprechen möchte, zugrunde: Obsession der finnischen Filmemacherin und Wissenschaftlerin Pia Tikka.39 Mit diesem interaktiven Film erprobt sie ein in ihrer Forschungs­ arbeit im Kunst- und Designstudium entwickeltes Konzept, das des »enaktiven Films«. Ziel ist es, eine bestimmte Art Film zu erforschen, »one that reflects recent scientific knowledge about the neural underpinnings of human activity, and draws its emotional power from one’s experimental resources of understanding and interacting with others within the everyday world«.40 Doch ihr Ansatz ist auch von Eisensteins Montagetheorie inspiriert. Sie möchte zeigen, »how such recent topics as a biological basis of intersubjectivity, or the neural mirroring dynamics of metaphorical understanding can retrospectively be connected to Eisenstein’s montage thinking in a meaningful way«. Die Problematik einer »enaktiven Kunst« oder zumindest der enaktive Zugang zur Kunst ist in den vergangenen Jahren weiter verfolgt worden. Ausgehend von dem durch den chilenischen Neurobiologen und Philosophen Francisco Varela geprägten Begriff der »Enaktion«, hat vor allem der amerikanische Philosoph Alva Noë diesen Begriff übernommen und damit

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36 Namentlich Numédiart in Belgien, LIFL-NOCE und LAGIS der Université de Lille 1, LABRi, SCRIME und INRIA, die Softwareentwicklungsfirma ASI in Bordeaux, die Forschungsgruppe IVC und die polytechnische Abteilung der Université de Nantes.

Der Körper am Werk

42 Vgl. Noë 2006 (wie Anm. 41). 43 Ebd. 44 Noë 2001, S. 132 (wie Anm. 41).

45 Siehe die zum Projekt gehörige Website: HYPERLINK "http://piatikka.wix.com/ enactivecinema#!obsessionenactive-installation/c1rlh" http://piatikka.wix.com/ enactivecinema#!obsessionenactive-installation/c1rlh (letzter Aufruf: 10.08.2015). Dieses und die folgenden Zitate sind der Website bzw. der Präsentationsmappe entnommen, die hier einsehbar ist: http://www.ioct.dmu.ac.uk/ documents/enactivecinema.pdf.

eine Kunst bezeichnet, die bewusst den Körper (und seine Gedanken) und nicht mehr allein den Gesichtssinn anspricht.41 Diese »experiential art«, um in Noës Terminologie zu sprechen, verlegt den Akzent auf die senso-motorischen Kontingenzen und eine im Organismus entstehende Eigenempfindung im Erfahrbarwerden des Kunstwerks. Extrem vereinfacht gesagt, ist die Wahrnehmungserfahrung dem enaktiven Ansatz zufolge »determined by what we do (or what we know how to do)« und »what we have ready to do«42, kurz, es handelt sich um eine Wahrnehmungserfahrung, die unseren ganzen Körper und unseren Geist in Anspruch nimmt. »Perception is not something that happens to us, or in us«, führt Alva Noë in Action in Perception aus, »it is something we do (…). All perception is touch-like in this way.«43 Und er insistiert: »It should be clear that the process of exploring the art work (and thus the environment in which it is situated), is at once a process of exploring one’s experience of the world.«44 Das interaktive kinematographische Dispositiv, das Pia Tikka vorschwebt, die sich, wie bereits erwähnt, auf die Montagetheorie des russischen Avantgarde-Regisseurs Eisenstein beruft, ist also aus dieser Perspektive zu verstehen. Sie möchte »the unconscious interaction between the cinema spectator and the cinema« erhellen. Die Filmemacherin möchte zeigen, »how the narrative unfolds, and how rhythm and soundscape emerge, depend on how the spectator experiences the emotional dynamics between the characters«.45 Dazu musste das Team eigens Werkzeuge erfinden: einen Schnitteditor sowie ein Tool, das eine Datenbank zu verwalten in der Lage ist, die Bild- und Tonmaterial enthält und für jede Einstellung annähernd hundertfünfzig emotionale Zustände beschreibt. Ebenso musste eine neue Konfiguration für den Kinoraum erdacht werden, die auf die Affekte der Zuschauer reagiert, »to emphasize the multi­ dimensionality of the emotional content in the narrative imagery«. Bei diesem Projekt kommen keine Headsets zum Einsatz, sondern fünf drehbare, in der Mitte eines Raums sich befindliche Sessel, die mit Biosensoren ausgestattet sind, die die Gefühle der Zuschauer (Herzrhythmus, Atmung) registrieren, durch Rotation der Sessel deren Blicke verfolgen und so Veränderungen der Blickrichtung übermitteln. Der Bildschirm,

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41 Siehe vor allem F. Varela; E. Thompson; E. Rosh: L’Inscription corporelle de l’esprit. Paris 1999. F. Varela; H. Maturana: The Tree of Knowledge. The Biological Roots of Human Understanding. Boston 1992. A. Noë: Out of Our Heads. Why You Are Not Your Brain, and Other Lessons from the Biology of Consciousness. New York 2010. A. Noë: Experience and Experiment in Art. In: Journal of Consciousness Studies 7.8–9 (2010). A. Noë: Art as Enaction. Massachusetts 2006.

Claire Châtelet

47 Françoise Lejeune: Corps à corps œuvre-public. Approche esthésique d’une installation. In: Proteus. Cahiers des théories de l’art (la place de l'esthétique en philosophie de l’art) 4 (2012), S. 19–28, S. 24.

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46 Eine Präsentation des gesamten Aufbaus findet sich hier: https://www.youtube.com/ watch?t=47&v=gg3n7pf87w0" https://www.youtube.com/ watch?t=47&v=gG3N7Pf87w0.

auf den der Zuschauer blickt, ist der »dominante« Bildschirm, die weiteren Bildschirme passen sich mit ihrer Narration ihm an. Um eine vollständige Immersion zu erreichen, erfolgt die Projektion in einem acht Quadratmeter großen schwarzen Raum: Vier Projektoren werfen das Bild auf vier Bildschirme, die jeweils vier Meter hoch und im rechten Winkel zueinander angeordnet sind; der Ton kommt aus acht Lautsprechern.46 »Obsession is implemented by means of a cluster of computers, which manage sensory data, sound atmosphere, and cinematic data for each screen. The process can be monitored and managed remotely over the Internet.« In allen Arbeiten über Wahrnehmung als Enaktion ist eine ganz entscheidende Frage natürlich die der Schnittstelle. Sie wird hier als »biosensitive Schnittstelle« entworfen: »Instead of the spectator directly manipulating the narrative, its unfolding is affected by the spectator’s emotional participation. The project suggests that unconscious and conscious experience interact in an inseparable and complex manner. The cinema experience is more than seeing and hearing. It is about sensing and re-living of one’s own experience in what happens to the ›others‹ – this is, ENACTIVE CINEMA.« Eine flexible und dynamische Montage reagiert in Echtzeit auf die emotionalen Zustände und Bewegungen des Zuschauers. Pia Tikka bezeichnet diese als »enaktive Montage«. Eine Montage, die zur traditionellen Bild- und Tonebene eine dritte Ebene hinzufügt: die emotionale Ebene. »The emotional dynamics is given its own cinematic role«. Françoise Lejeune führt an, dass »Varela in seinem Aufsatz The Specious Present und Damasio in Der Spinoza-Effekt. Wie Gefühle unser Leben bestimmen gezeigt haben, dass äußere (sensorischer Modus) und innere (emotionaler Modus) Wahrnehmung biologisch miteinander verknüpft sind und dass es keine Wahrnehmung ohne emotionale Reaktion gibt«.47 Der Film Obsession erzählt von einem Mädchen, das unter den traumatischen Folgen einer Gewalterfahrung leidet. Doch nicht nur die Protagonistin, auch ihre Familie und ihre Umwelt leiden unter der Gewalterfahrung. Die Gefühle der Figuren und die der Zuschauer treten somit ausdrücklich in Dialog. »Obsession builds a dynamic emotional ecology«, erläutert Pia Tikka. »The ›montage-machine‹ is based on a narrative logic that matches cinematic content with spectators' psycho-

Der Körper am Werk

49 Ebd.

50 Ich übernehme Merleau-Pontys Begriff der Amplifizierung, für den Kunst Amplifizierung ist, d.h. Verstärkung und Hervorhebung natürlicher oder lebendiger Figurationen. Merleau-Ponty (1966), S. 60 (wie Anmerkung 26).

51 Ich verweise auf die Analysen von Philippe Quéau, der anstelle von Interaktion von »altéraction« spricht, da »Interagieren verändert, einen anderen aus einem macht« (S. 28). Er führt weiter aus: »Alteration, Iteration, Interaktion: Diese drei Konzepte sind nun eng miteinander verbunden. Wir schlagen den Begriff der Alteraktion vor, um die auf Veränderung hinwirkende Interaktion, die Aktion, durch die man ein anderer wird, zu charakterisieren.« Philippe Quéau: Alteraction. In: Réseaux 7.33 (1989), S. 27–46, S. 45. 52 Im physiologische Sinne von »in Bewegung setzen« (Definition des Centre national de ressources textuelles). 53 Renaud Barbaras: Vie et intentionnalité. Recherches phénoménologiques. Paris 2003, S. 202.

Konklusion Pia Tikkas »enaktive« Installation, die 2006 mit dem Prix Möbius Nordica für interaktive Kunst ausgezeichnet wurde, steht in meinen Augen exemplarisch für den ästhetischen, aisthetischen und poietischen Gegenstand einer Kunst, die »performative Körperlichkeit« hervorbringt. Die ästhetische Erfahrung dieser Kunst ist tatsächlich interaktiv und »transformatorisch«, und zwar in dem Sinne, wie es die französische Künstlerin Nathanaëlle Raboisson versteht: »Die Praxis ist nicht mehr Kontakt und Erforschung, sondern Ausdruck […], schöpferische körperliche Tat.«48 In diesem Zusammenhang ist der Körper des Zuschauers »mehr als nur Schnittstelle (oder Subjekt der Schnittstelle), mehr als nur ein Tool, das in Echtzeit seine Umgebung moduliert […], seine expressive Funktion expandiert«.49 Er wird im Grunde zu einem »amplifizierten«50 Betrachter, dessen Körper dazu tendiert, sich in einem operativen Dispositiv zu informieren, ausgezeichnetes Beispiel einer geteilten Schnittstelle (KörperSchnittstelle / Bildschirm-Schnittstelle), die die latenten, »virtuellen« Formen des Films aktualisiert. Trotz ihrer hoch­ technologischen Eigenheit bewegen, ergreifen und alterieren51 diese Werke den – physischen und psychischen – Körper in all seinen Dimensionen, da sie ihn mobilisieren52 und über die eigentliche künstlerische Interaktion hinaus seine Wahrnehmung, das Verhältnis zu sich selbst und zur Welt in Frage stellen. Das sind sicherlich Kennzeichen einer jeden ästhetischen Erfahrung, wie Renaud Barbaras erklärt: »Der für uns entscheidende Ausdruck, der im Körper seine Richtung findet, verkündet den künstlerischen Ausdruck, im Gegenzug legt der künstlerische Ausdruck den wahren Sinn der Körperlichkeit und den angeborenen, auf die Körperlichkeit bezogenen Sinn der Welt offen.«53 Dennoch kommt es hier zu einer neuartigen Rückkopplung: Die (emotionalen und physiologischen) Bewegungen des Zuschauers kreuzen die Bewegungen des Kunstwerks, können es jedoch

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48 Nathanaëlle Raboisson: L’expérience fait œuvre. L’action corporelle créatrice. In: Proteus. Cahiers des théories de l’art (Le spectateur face à l’art interactif) 6 (2013), S. 35–42, S. 42.

physiological states. Thus the spectator's emotional experiences have effects on the narrative, constituting an ecological circuit of continuous interaction with the spectator and the narrative space.«

Claire Châtelet

55 Umberto Eco: Das offene Kunstwerk. Frankfurt am Main 1973, S. 34.

56 Ich verweise auf die Analyse von Mario Costa, der die Spezifität von internetbasierten Kunstformen aufzeigt und sich auf Luigi Pareysons Theorie der Formativität stützt, die »formierende Formen« und »formierte Formen« unterscheidet (das Kunstwerk bestimmt seine Gestaltung und das materielle Resultat der gestaltenden Aktivität).

nie anhalten. Dazu bemerkt Laurent Jenny in Rückgriff auf Umberto Ecos Konzept des »Kunstwerks in Bewegung«: »So bewegen sich Kunstwerke in eine unerwartete Richtung, die nicht mehr ihren Zielen oder ihren Strukturen entspricht, sondern ihrer Genese und ihren Konturen.«54 Für Eco ist das »Kunstwerk in Bewegung« in der Tat eine Sonderkategorie des »offenen Kunstwerks«. Es »bietet die Möglichkeit für eine Vielzahl persönlicher Eingriffe, ist aber keine amorphe Aufforderung zu einem beliebigen Eingreifen: es ist die weder zwingende noch eindeutige Auf­ forderung zu einem am Werk selbst orientierten Eingreifen, die Einladung, sich frei in eine Welt einzufügen, die gleichwohl noch immer die vom Künstler gewollte ist. Der Künstler, so kann man sagen, bietet dem Interpretierenden ein zu vollendendes Werk.«55 Der interaktive Film gehört offensichtlich zu dieser Kategorie: Seine »formierten Formen«56 sind unendlich variierbar, da der interpretierende Zuschauer sie ständig neu definiert. So bleiben das Kunstwerk und der Körper am Werk gemäß den offenen Partituren der Interpretation in Bewegung. Übersetzung: Christian Kolb, Marc Ries

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54 Laurent Jenny: Présentation. Retour sur la notion d’œuvre. In: Littérature (L'œuvre illimitée) 125 (2002), S. 3–11, S. 6.

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Claire Châtelet Claire Châtelet promovierte sich mit Des mythes et des réalités de l‘avant-garde à Dogme 95, entre tradition et invention (2004) und ist Dozentin für audiovisuelle und digitale Medien sowie Leiterin der Berufsausbildung zum Mediengestalter für Bild und Ton im Fachbereich Film und Theater der Université Paul-Valéry, Montpellier 3. Sie gehört dem Forschungsprojekt Rirra21 - Dargestellte und fiktive Wirklichkeiten von der Romantik bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts der Université Paul-Valéry, Montpellier 3 an. Claire Châtelet veröffentlichte unter anderem Toucher/cadrer, toucher/monter des interfaces haptiques pour un spectateur amplifié (2013) und Le cinéma transcodé. petite typologie des pratiques d’appropriation (2013). Außerdem arbeitet sie als Regisseurin und Cutterin.

Sinnlichkeit und Sinnesarbeit 7 Expansion, das kann auch so verstanden werden, dass die selek­tive, auf Funktionen der Handhabe abgestimmte Wahr­nehmung durch Neue Medien unterbrochen oder aufgelöst wird. Sie dehnt sich über sich selbst hinaus oder erinnert sich an ihre vor-instrumentelle Existenzweise. Dinge sind stets für unterschiedlichsten Wahrnehmungsgebrauch in Verwend­ung. Auch für Gebrauchs­weisen, die nicht auf ein bestimmtes Ver­­halten abgestimmt sind, sondern auf ein eher zielloses, spielerisches Verwenden. Das Netz, Mobiltelefone erzeugen eine enorme Streuung an Verwendungsweisen, die zugleich nicht eindeutig voneinander zu trennen sind. Die Suche, das Hinschauen, das Hinhören, das Schreiben, das Fotografieren oder Filmen, das Spielen, das Hochladen, das Kommentieren... – das sind Tätig­ keiten, die diese Techniken ermöglichen, aber eben nicht nebeneinander, sondern der Tendenz nach ineinander. Miteinander. Dabei gewinnt ein zur Konjunktion hin aufgehobenes dualistisches Verhältnis konstitutiven Wert für die digitale Produktwelt der Gegenwart. Nicht Telefonieren oder Spielen, sondern Telefonieren und Spielen und ... bildet den Habitus des Umgangs mit diesen Techniken aus. Funktionen und das Disfunktionale spielerischer Akte treten in ein Miteinander. Entgrenzen der beiden Nutzungsformen als ihr kontinuier­­­liches Ineinander-Werden ist Absicht. Das überlässt den Sinnes­tätigkeiten selber Freiheitsgrade, die den traditionellen Verwertungungslogiken entgegenstehen.

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Marc Ries

Judith Butler

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Die Straßenszenen werden nur dann politisch wirkmächtig, wenn uns eine sichtbare und hörbare Version dieser Szene live kommuniziert wird, so dass die Medien über diese nicht einfach nur berichten, sondern Teil der Szene und der stattfindenden Handlung sind; ja, die Medien sind diese Szene oder dieser Raum in seinen erweiterten und reproduzierbaren audiovisuellen Dimensionen. Eine mögliche Betrachtungsweise wäre die einfache Aussage, dass die Medien Sicht- und Hörbarkeit der Szene ausdehnen und an der Entgrenzung und Transponierbarkeit der Szene teilhaben. Anders aus­gedrückt, konstituieren die Medien die Szene in einer Zeit und einem Raum, der seine lokale Instanz überschreitet. Obwohl die Szene sehr wohl und dezidiert lokal ist, haben jene, die ihr fern sind, durch die Bilder und Töne, die sie empfangen, den Eindruck, direkten Zugang zu ihr zu haben. Dies entspricht zwar der Wahrheit, doch wissen sie nicht, welche Bearbeitung stattfindet, welche Szene vermittelt und versendet wird und welche Szenen hartnäckig außerhalb des Sichtbereichs verbleiben. Wenn die Szene tatsächlich versendet wird, dann ist sie zugleich hier und dort, und wenn sie nicht beide Orte – ja, mannigfache Orte – umspannen würde, wäre sie nicht die Szene, die sie ist. Ihre lokale Verortung wird durch den Fakt ihrer Weiterversendung über sich hinaus und ihrer daraus folgenden Konstituierung in den globalen Medien nicht negiert; diese Mitteilung ist für sie entscheidend, um als das Ereignis, das sie ist, stattzufinden. Somit muss das Lokale über sich hinaus neu ausgeformt werden, um sich selbst als lokal zu konstituieren, und das bedeutet, dass es nur durch bestimmte globalisierende Medien etabliert wird und somit tatsächlich etwas in ihm stattfinden kann. Natürlich geschehen viele Dinge außerhalb des Aufzeichnungs­ bereiches der Kamera oder der digitalen Mediengeräte, und die Medien können Zensur ebenso leicht umsetzen, wie sie sich ihr wider­setzen können. Viele lokale Ereignisse werden nie aufgezeichnet und gesendet, und dafür gibt es wichtige Gründe. Doch wenn ein Ereignis sich tatsächlich auf solche Art bewegt und es ihm gelingt, globale Empörung und politischen Druck zu erzeugen und aufrechtzuerhalten, was die Möglichkeiten einschließt, Märkte zum Erliegen zu bringen und diplomatische Beziehungen zu beenden, dann muss

Judith Butler

das Lokale stets wieder in einem es selbst in jedem Moment überschreitenden Kreislauf etabliert werden. Und doch verbleibt etwas Ortsgebundenes, das in dieser Art nicht bewegt werden kann und nicht bewegt wird; und die Szene wäre nicht dieselbe, wenn wir nicht begreifen würden, dass hier Menschen einem Risiko ausgesetzt sind und dieses Risiko von genau jenen Körpern in den Straßen eingegangen wird. Wenn sie also auf die eine Weise übertragen werden, so bleiben sie auf andere Art an Ort und Stelle, als Träger der Kamera oder des Mobiltelefons, im Angesicht derer, denen sie sich widersetzen, ungeschützt, verletzlich, verletzt, hartnäckig, wenn nicht gar aufrührerisch. Dass jene Körper Mobiltelefone tragen, die Bilder und Botschaften weiterleiten, ist bedeutsam, denn wenn sie angegriffen werden, geschieht dies in der Regel mit Bezug auf eben jene Kamera. Es kann sich dabei um einen Versuch handeln, die Kamera und ihren Nutzer zu zerstören, oder um ein für die Kamera veranstaltetes Spektakel der Vernichtung; ein Medienereignis, das eine Warnung oder Drohung darstellen soll. Oder es soll auf diesem Wege weitere Selbstorganisation verhindert werden. Ist die Handlung des Körpers von seiner Technologie zu trennen? Und inwiefern bestimmt diese Technologie neue Formen politischen Handelns? Und wenn diesen Körpern Zensur oder Gewalt angetan wird, gilt diese nicht auch deren Zugang zu Medien und geschieht mit dem Ziel, eine hegemoniale Kontrolle über die Versendung von Bildern zu gewinnen?

Judith Butler: Bodies in Alliance and the Politics of the Street. In: eipcp – European Institute for Progressive Cultural Policies (2011), o.S., URL: http://www.eipcp.net/transversal/1011/ butler/en (Stand: 05.08.2015).

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Übersetzung: Alexander Schneider Zitatauswahl: Kathrin Peters

Kathrin Peters

The Woman in the Blue Bra Dem Video folgen

Kathrin Peters

Abb. Screenshot des CNN-Berichts, Dezember 2011, aus: Ebner; Wicke (2013), S. 182 (wie Anm. 6).

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1 Vgl. u.a. URL: http://www.rt.com/ news/egyptian-military-crueltybeating-079/ (Stand: 05.08.2015).

1. Während der Proteste in Kairo im Dezember 2011 wird eine Frau vom ägyptischen Militär auf offener Straße zusammen­geschlagen. Uniformierte Männer, die Schutzhelme tragen, ungefähr zehn an der Zahl, schlagen mit Stöcken auf die bereits am Boden liegende Frau ein. Unter den Schlägen und Tritten, dem Gezerre und Geschleife verrutscht ihre schwarze Abaya und öffnet sich. Darunter trägt sie Jeans, Turnschuhe und einen blauen BH. Einer der Männer tritt noch einmal mit Wucht auf ihren nun entblößten Brustkorb ein, als müsse die Nacktheit selbst getreten und bestraft werden. Ihr Oberkörper federt wie leblos vor und zurück. Schließlich bedeckt ein anderer die rücklings liegen bleibende Frau wieder mit dem schwarzen Tuch und verlässt die Szene – wie auch die Kamera von dem Ereignis wegschwenkt. Im Hintergrund der Videoaufnahme, die diese Szene zeigt, wird im Licht einer tief stehenden Sonne eine rennende Menschenmenge sichtbar. Am oberen Rand trägt die Aufnahme das grüne Logo der staatlichen russischen Nachrichten­agentur RT (Russia Today).1 Das knapp anderthalbminütige Video kursierte unter dem Namen

The Woman in the Blue Bra

3 Siehe hierzu Marcus Hahn; Erhard Schüttpelz (Hg.): Trancemedien und Neue Medien um 1900. Ein anderer Blick auf die Moderne. Bielefeld 2009. Isabell Otto; Gabriele Schabacher; Ulrike Bergermann (Hg.): Das Planetarische. Kultur – Technik – Medien im postglobalen Zeitalter. München 2010.

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2 In einer anderen Fassung dieses Aufsatzes stehen genderpolitische Aspekte und die Frage der Verletzbarkeit stärker im Fokus, siehe: Kathrin Peters: Bilder des Protests. »The Woman in the Blue Bra« und relationale Zeugenschaft. In: Heide Barrenechea; Marcel Finke; Moritz Schumm (Hg.): Periphere Visionen. Wissen an den Rändern von Fotografie und Film. München (im Erscheinen).

The Woman in the Blue Bra oder, in sowohl verniedlichender als auch erotisierender Weise, Blue Bra Girl sehr schnell im Internet und ist nach wie vor auf diversen Websites zu sehen.2 Was zeigt dieses Video? Oder, anders gefragt, wem zeigt es was? Wo, in welchem Rahmen, und unter welchen Bedingungen sieht man überhaupt ein solches Video, das gar nicht immer dasselbe ist und nicht einmal immer ein Video geblieben ist? Denn es handelt sich um eines jener autorlosen oder unautorisierten Videoschnipsel, wie sie zuhauf in den Social Media zirkulieren, d.h. in bzw. zwischen Blogs, Sharing-Plattformen und Nach­ richtenseiten verlinkt, kopiert und appropriiert werden. Die Disseminationen und Verstreuungen beschränken sich dabei keineswegs auf den Raum des Digitalen. Als Still, als stehendes Bild, wandert das Video zurück auf die Straße, auf Mauern und Plakate. Auch als Coverbild auf gedruckten Zeitungen taucht es auf, ägyptischen wie europäischen. Die Verfahren redaktioneller Auftragsvergabe und Materialauswahl, die sich als Evidenz­ sicherungsverfahren etabliert haben, greifen nur noch punktuell. Nachrichtenbilder haben in sehr direkter Weise mit einer Expansion von Wissen und Sinnen zu tun, mit einer Erweiterung des Wahrnehmungsraums und einer Veränderung des Verhältnisses von Globalem und Lokalem. Womöglich haben ›Bilder der Welt‹ seit dem späten 19. Jahrhundert, das sowohl als eine Zeit der ersten Globalisierung als auch der Medien­erfindungen gilt, die Vorstellung von Globalem und Lokalem überhaupt erst befördert.3 Seitdem steht die Wahrheit eines Nachrichtenbildes unter Verdacht: Es kann manipuliert worden sein, zum Beispiel durch Beschnitt; es kann aus einem Zusammenhang gerissen und in einen anderen gestellt worden sein, der jeweils andere Lektüren und Deutungen freisetzt; es kann durch Aus­lassungen, die dem jeweiligen Bild vorausgehen, wie zum Beispiel im Embedded Journalism, rahmende Bedingungen erhalten haben, die wir als BetrachterInnen nur dann in den Blick rücken können, wenn wir über das jeweilige Bild hinaussehen und uns die Bedingungen seiner Produktion und Distribution vergegenwärtigen. Dennoch hafte, so ist immer wieder argumentiert worden, dem technischen – dem fotografischen, filmischen oder video­grafischen – Bild ein besonderes Verhältnis zum Abgebildeten an, das mit dem Begriff

Kathrin Peters

5 Vgl. pars pro toto: Wolfgang Hagen: Die Entropie der Fotografie. Skizzen zu einer Genealogie der digital-elektronischen Bildaufzeichnung. In: Herta Wolf (Hg.): Paradigma Fotografie. Fotokritik am Ende des foto­ grafischen Zeitalters. Frankfurt am Main 2002, S. 195–235.

der Spur oder der Indexikalität beschrieben worden ist:4 Der Kameraaufzeichnung sei aufgrund ihrer technischen Spezifik und Materialität eine dokumentarische Qualität eigen, wie auch immer der Kontext des Bilder verändert worden sein mag. Niemand zweifelt daran, so lässt sich diese Überlegung auf unser Video beziehen, dass die Frau zusammen­getreten worden ist. An dieser dokumentarischen Eigenschaft visueller Medientechniken ändert auch keine Theorie des digitalen Bildes etwas, die dieses in scharfer Abgrenzung von analogen Prozessen in die Nähe einer Computergrafik rückt, so dass grundsätzlich nicht mehr zu entscheiden sei, ob es sich um eine aufgezeichnete Szene oder ein konstruiertes, d.h. errechnetes, Bild handelt.5 Mit dem Gegensatz von Spur vs. Manipulation lässt sich allerdings nicht fassen, was sich durch die digitalen Verfahren nicht nur der Aufzeichnung verändert, sondern auch durch die Praktiken der Verschickung und Veröffentlichung, der Aneignung und Veränderung von Bildern, Praktiken, die immer schon beides umfassen: Aufzeichnung sowie Mani­ pulation. Ins Spiel bringen möchte ich daher Gebrauchsweisen von Bildern und damit die Handlungspotentiale, die sich zwischen Bildern, Aufzeichnungsgeräten und Menschen, die mit beiden umgehen, entfalten lassen. Aufstände und Revolutionen haben immer auf Medientechniken zurückgegriffen und aus ihnen ihre Dynamik bezogen – sei es das Flugblatt, sei es eine Wandzeitung. Medientechniken sind nicht zuletzt auch Techniken der Versammlung und Ver­ abredung. Wenn im Folgenden exemplarisch auf die Bedeutung des Digitalen und der Social Media für die rezenten Protestbewegungen eingegangen wird, dann heißt das ganz und gar nicht, die Rede von einer Twitter- oder Facebook-Revolution im Mund zu führen, mit der soziale Proteste zu einer Sache von Social MediaKonzernen erklärt werden. Aber zu fragen ist doch: Wie lässt sich in Anbetracht der gegenwärtigen digitalen Bilddisseminationen über visuelle Zeugenschaft nachdenken? 2. Folgen wir also dem Video The Woman in the Blue Bra, den möglichen Umständen seiner Entstehung, einigen Wegen seiner Verbreitung und Bearbeitung. Am 18. Dezember 2011 um 10 Uhr 23 wurde es auf rt.com veröffentlicht. Die Aufnahmen

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4 Vgl. Peter Geimer: Das Bild als Spur. Mutmaßung über ein untotes Paradigma. In: Sybille Krämer; Werner Kogge; Gernot Grube (Hg.): Spur. Spurenlesen als Orientierungstechnik und Wissenskunst. Frankfurt am Main 2007, S. 95–120.

The Woman in the Blue Bra

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datieren vom vorherigen Tag. Zunächst lässt sich an dem Video einiges über die politische Situation zu diesem spezifischen Zeitpunkt innerhalb der ägyptischen Protestbewegungen festmachen. Im Dezember 2011 waren die Parlamentswahlen in vollem Gange, sie wurden durch den Obersten Rat der Streitkräfte, den Militärrat, durch­geführt. Seit dem Beginn der Aufstände im Januar desselben Jahres mit Massendemonstrationen, Massenfestnahmen und der Besetzung des Tahrir-Platzes waren die Proteste auch nach dem Rücktritt Mubaraks nie zum Erliegen gekommen. Sie erstarkten aber angesichts der vom Militär erlassenen Richtlinien zur Wahl massiv. Und sie erstarkten durch die Bilder, die von den gewalt­ förmigen Übergriffen kursierten. Die Szene, die die Misshandlung der Frau zeigt, dauert nur wenige Sekunden; das Video enthält weiteres Material, unter anderem die Stürmung eines Zeltlagers auf dem Tahrir-Platz durch das Militär. Die Autorschaft der Aufnahmen ist, abgesehen vom besitzanzeigenden Kürzel der Agentur, nicht vermerkt. Es ist auch nicht zu entscheiden, ob die verschiedenen Einstellungen aus einer einzigen Quelle bzw. demselben Aufzeichnungsgerät stammen oder ob es sich um eine Montage aus Material verschiedener AutorInnen oder Geräte handelt. Es könnten durchaus Aufnahmen eines Reporters von RT sein, aber ebenso gut kann es sich, und davon ist auszugehen, um Amateurmaterial handeln, zum Beispiel um Handymitschnitte Umstehender, die einer Nachrichtenagentur zugespielt oder verkauft wurden. Die Machart der Aufnahmen, die von Schwenks und Zooms charakterisiert ist, weist vor allem auf die Plötzlichkeit der Ereignisse hin, in der sich eine gestalterische Könnerschaft, die man Professionellen unterstellt, womöglich gar nicht hätte entfalten können. Wenn es schnell gehen muss, komponiert man Bilder nicht mehr, man hält drauf. Diejenigen, die rechtzeitig ›vor Ort‹ sind und eine Kamera griffbereit haben, sind schon lange nicht mehr ausschließlich professionelle ReporterInnen, auch Beteiligte und Umstehende halten ihre Kameras und Mobiltelefone bereit und in die Höhe, um Gewalttaten aufzuzeichnen und die Aufzeichnungen als Dokumente zu verwahren. Auch Distri­ butionswege bedürfen keiner exklusiven professionellen Zugangsberechtigung zu Redaktionssitzen mit entsprechenden

Kathrin Peters

Abb. U.S.Aid to Egypt, Ganzeer, Blog, 20.12.2011. Zusammengestellt von Rowan El Shimi, aus: Ebner; Wicke (2013), S. 183 (wie Anm. 6).

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6 Siehe die Fotoserie von Peter von Agtmael, der für die berühmte Agentur Magnum arbeitet, in: Florian Ebner; Constanze Wicke (Hg.): Cairo. Open City. New Testimonies from an Ongoing Revolution / Kairo. Offene Stadt. Neue Bilder einer andauerenden Revolution. Leipzig 2013, S. 55, 56, 129.

Personen, Geräten und Leitungen mehr (medienhistorisch waren hierzu Boten und Kuriere, Telegrafen, Faxgeräte und Computer notwendig). Online zu veröffentlichen, auf YouTube, Facebook oder in Blogs, ist nicht kompliziert. Gleichwohl ist ein Verteiler, wie ihn eine Nachrichtenagentur zur Verfügung stellt, hilfreich, wenn nicht notwendig, denn man kann sich auf die ausschließlich virale Verbreitung eines Videos, egal wie spektakulär es ist, nicht verlassen. So viel lässt sich festhalten: Unter digitalen Bedingungen von Camera Phones, Smartphones und Social Media, also seit den 2000er Jahren, haben sich sowohl Produktion als auch Distribution audiovisueller Daten ›demokratisiert‹ oder ›entprofessionalisiert‹ – wie man es nimmt. Der Augenzeugenbericht Beteiligter (die zu »citizen journalists« geadelt werden, obwohl sie genau das nicht sind: Journalisten) hat auch in kommerziellen Agenturen einen hohen Stellenwert. Er steht ein für eine Form des Dabeiseins, die zwar bereits zum guten Ton des Fotojournalismus gehörte, dem aber ReporterInnen kaum gerecht werden können, wenn sich Ereignisse überstürzen; letztlich verfügen sie immer über zu geringe Ortskenntnis. Westliche Journalisten haben sich in Kairo und anderen nordafrikanischen Ländern während der Aufstände auf eine Beobachtung und Dokumentation der Proteste aus der zweiten Reihe verlegt. Sie wohnten im Hotel, fotografierten aus der Distanz oder sogar vom Hotelbalkon aus,6 und interviewten insbesondere englischsprachige Aktivisten. Nach Meinung des ägyptischen – und englischsprachigen – Filmemachers Philip Rizk, der diese Situation kritisch analysiert hat, suchten die westlichen Journalisten vor allem nach Darstellungen, die ihrem Bild einer gewaltlosen Befreiungs­bewegung im Sinne einer Demokratisierung nach westlichem Vorbild entspricht: »Nur der fixierte Blick durch die Kamera auf den Tahrir-Platz im Tageslicht konnte Dich von einer solchen Annahme überzeugen«, schreibt Rizk in seinem Offenen Brief an einen Zuschauer: »Andere Branchen folgen dem Beispiel des Journalismus: Die akademische Welt, Kunst, Kultur, Kino, private und öffentliche NGOs verließen sich auf uns ideale Interpreten dieser außergewöhnlichen Ereignisse. Sie alle schenkten dem Schau­­spieler, dem Jugendlichen, dem revolutionären Künstler, der Frau, dem gewaltlosen Demonstranten und dem Internetnutzer Glauben und schürten so die Überglori­

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8 Angesichts der Verve, mit der auf geschlechterpolitische Ungerechtigkeiten in islamischen Ländern hingewiesen wird, obgleich geschlechterpolitische Gleichheit auch im Westen höchstens auf dem Papier realisiert ist, spricht Gabriele Dietze mit Recht von einer »okzidentalen Dividende«. Vgl. Gabriele Dietze: Okzidentalismuskritik. Möglichkeiten und Grenzen einer Forschungs­ perspektivierung. In: dies.; Claudia Brunner; Edith Wenzel (Hg.): Kritik des Okzidentalismus. Transdisziplinäre Beiträge zu (Neo-)Orientalismus und Geschlecht. Bielefeld 2009, S. 23–54.

fizierung des Einzelnen.«7 Für Rizk ist das ein Nicht-Sehen sowohl der Gewalt als auch der Heterogenität von Interessen, die die Proteste angetrieben haben. Vor der Folie einer postkolonialen Geschichtserzählung wird allein eine auf ›westliche‹ Werte gerichtete Emanzipations­bewegung wahrgenommen, die sich gegen Islamismus und Diktatur sowie für Frauenemanzipation einsetzt.8 Die Proteste gegen Kapitalismus, Neoliberalismus und ökonomische Imperative, also gegen dezidiert ›westliche‹ Normen, sind schlicht nicht wahrnehmbar. Auf YouTube erscheinen noch am selben Tag verschiedene Ver­arbeitungen des Blue Bra-Videos, die sich als Meme verstehen lassen: Eines davon ist mit schwermütigem Gesang unterlegt und mit schriftlicher Kommentierung in Arabisch versehen, ein anderes mit einem Trailer von FIN (Freedom of Informant Network) und englischsprachigen Texttafeln ausgestattet.9 In beiden Fällen wird dem Video eine rührende, aber auch aufrührende Rahmung gegeben. Es ist gut möglich, dass das Video, bevor es auf rt.com und dann auch bei CNN erschien, durch Blogs und E-Mail-Fächer zirkulierte. Das könnte sein zeitgleiches Auftauchen in verschiedenen Kontexten, und zwar in bereits gerahmten und kommentierten Fassungen, erklären. Es ist das ausgemachte Potential digitaler Bilder, dass sie von den UserInnen verarbeitet und verändert werden, was nicht bedeutet, dass ihr Wahrheits­ gehalt grundsätzlich infrage gestellt würde. Die Qualität des technischen Bildes, eine Aufzeichnung von realen Geschehnissen zu sein, bleibt durchaus gewahrt. Was dem Bild hinzugefügt wird, sind Interpretationen von Geschehnissen, die Leseanweisungen für eine immer verhandelbare Wahrheit bereitstellen. So unterzieht ein User das Blue Bra-Video einer nachgerade forensischen Lektüre, die mit roten Umrahmungen arbeitet:10 Zu erkennen ist, dass die Frau mit wenigstens zwei männlichen Demonstranten unterwegs war. Einem von beiden gelingt es, sich loszureißen und zu fliehen, während auf den anderen ebenso eingetreten wird wie auf zwei Passanten, die zunächst am Rand der Szene vorbeigehen, Sekunden später aber hilflos am Boden liegen. Außerdem lässt sich in wiederholter Betrachtung unter den Militärpolizisten vor allem eine Person ausmachen, die mit besonderer Härte und Hemmungslosigkeit zutritt. Es ist ein Mann in Turnschuhen statt

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7 Philip Rizk: 2011 ist nicht 1968. Offener Brief an einen Zuschauer. In: Ebner; Wicke 2013 , S. 60–67, hier: S. 61 (wie Anm. 6). Englisches Original: »Only the fixation of certain images seen in daylight through the lens of a camera on Tahrir Square could appease you with that impression. Other industries soon followed suit: hard on the heels of the journalists came academics, filmmakers, the world of art, and NGOs, all relying on us as the ideal interpreter of the extraordinary. They all eventually bought into and further fueled the hyper-glorification of the individual, the actor, the youth subject, the revolutionary artist, the woman, the non-violent protester, the Internet user.« Philip Rizk: 2011 is Not 1968. An Open Letter to an Onlooker. In: Ebner; Wicke 2013, S. 53–59, hier S. 54 (wie Anm. 6). Rizk ist Teil des Medienkollektivs Mosireen, das während der Protestbewegungen so genannte Video Testimonies initiiert und veröffentlicht sowie Medienworkshops veranstaltet hat, siehe http://mosireen.org.

Kathrin Peters

10 Siehe den durchaus obskuren Blog, der einer dezidiert westlich-liberalen Perspektive verschrieben ist: URL: https:// willyloman.wordpress. com/2011/12/19/blue-bra-girl-video-a-remarkable-story-of-horror-and-heroism/ (Stand: 05.08.2015).

11 Vgl. Jacques Derrida: Eine gewisse unmögliche Möglichkeit, vom Ereignis zu sprechen. Berlin 2003.

Springerstiefeln, der – so macht es den Anschein – von den anderen Militärpolizisten wenn auch nicht entschieden, aber doch so zaghaft wie erfolglos zurückgehalten wird. Ebenfalls am 18. Dezember bringt Tahrir Newspaper auf dem Titelblatt einen Still aus dem Blue Bra-Video, das den Moment des Tritts auf den entblößten Oberkörper einfriert. Es handelt sich offensichtlich um einen nachbearbeiteten Frame oder Screenshot. Denn im Original sind die Vorgänge lediglich aus der Ferne und unscharf zu erkennen – wobei »Original« eine Bezeichnung ist, die hier nur als Hilfskonstruktion dienen kann und wohl besser durch »Ausgangsmaterial« zu ersetzen wäre, wenn nicht auch dieses Wort wegen der Unklarheit des erstmaligen Auftauchens der Bilder unangebracht wirkte. Diejenige Person, die die Aufnahme von der »Woman in the Blue Bra« gemacht hat, musste erst mit dem Blick in das Aufzeichnungsgerät ihr Motiv suchen. Die Kamera, welcher Art sie auch immer war, macht Opfer und Täter in der Menge ausfindig, verliert sie wieder aus dem Blick, findet zur Szene zurück. Bezeichnenderweise sind die Aufnahmen ohne Ton; ich stelle mir vor, dass man sonst Rufe und Hinweise hören könnte, die zum visuellen Auffinden der Schläger in der Menschenmenge verhalfen. Neben den Gewalttaten, die es dokumentiert, zeigt das Video daher noch etwas anderes, nämlich die Schwierigkeiten der Fokussierung. Es verweist damit sowohl auf das Geschehen als auch auf die Umstände seiner Aufzeichnung. Die suchende Kamera- und infolgedessen Bildbewegung sprechen von den Entstehungsbedingungen des Videos. Und es sind genau die auf diese Weise im Bild aufgehobene Kontingenz und Spontaneität, die Schnelligkeit und Ungewissheit, die die Authentizität des Ereignisses bezeugen. Dabei ist das Ereignis keineswegs ein völlig unerwartetes – in gewisser Weise wurde darauf gewartet, dass etwas passiert–, aber zugleich waren weder dieser konkrete Moment noch die spezifischen Personen vorauszusehen.11 Während es also gerade die Suchbewegungen und Un­schärfen sind, die die Authentizität der Aufzeichnung ver­ sichern, taugt diese Art der Zeugnishaftigkeit für andere Register kaum. Die Devise, nach der angeblich gilt, je körniger oder pixeliger eine fotografische, filmische oder videografische Aufnahme ist, desto mehr Authentizität verbürge sie, ist rein formal

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9 Siehe: URL: https://www.youtube. com/watch?v=oua2y11BMxw sowie URL: https://www.youtube. com/watch?v=1w7C0-NNPnE (beide Stand: 05.08.2015).

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13 Hito Steyerl: In Defense of the Poor Image. In: dies.: The Wretches of the Screen, Berlin 2012, S. 31–45.

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12 Das Konzept des entscheidenden Moments geht auf den Foto­ grafen Henri Cartier-Bresson zurück. Vgl. hierzu Kathrin Peters: Entscheidende und andere zufällige Augenblicke. Momentaufnahmen bei Henri Cartier-Bresson und Rolf Dieter Brinkmann. In: Martin Stingelin; Matthias Thiele: Portable Media. Schreibszenen in Bewegung zwischen Peripatetik und Mobiltelefon. München 2010, S. 163–178.

gedacht und greift zu kurz. Denn ein unscharfer Videoframe ist als ikonisches Einzelbild für eine gedruckte Titelseite schlichtweg ungeeignet. Mit der Stillstellung und Ausschnittvergrößerung für das Zeitungscover muss mindestens eine nachträgliche Schärfung des Bildes einhergegangen sein, denn weder analoge noch digitale Bilder gewinnen in der Detailvergrößerung an Schärfe und Präzision, ganz im Gegenteil: Was sich in der Vergrößerung zeigt, ist irgendwann nur noch Korn bzw. Pixel, also die Materialität des technischen Bildes, aber gerade kein Mehr an Ikonizität, das im Text-Bild-Verhältnis der Zeitungsseite gefragt ist. Auch muss im Transfer vom Internet zum Zeitungscover eine Farbkorrektur erfolgt sein, denn der blaue BH kontrastiert nun nachgerade dramatisch mit den Camouflage-Hosen der Soldaten. Das ikonische Bild auf der Zeitungstitelseite folgt den Maßgaben des »decisive moments«, mit dem der Fotojournalismus seit den 1950er Jahren die Wirkmächtigkeit berichtender Fotografie begründete.12 Einer einzigen Fotografie wurde zugetraut, in ihrer Komposition so signifikant zu sein, dass sie für ein ganzes Ereignis einstehen könne, was aus dem gestalterischen Vermögen des Fotografen bzw. der Fotografin resultiere und eben nicht Ergebnis von Selektionsverfahren sei, die in der journalistischen Fotografie gleichwohl seit jeher ausschlaggebend waren. Wenn also einerseits die niedrige Auflösung – die insgesamt ›schlechte‹ Qualität – des digitalen Bildes dessen permanentes Verschicken und Weiterleiten erst ermöglicht, so muss dieses Bild andererseits ästhetisch und technisch aufgewertet werden, sobald es in einem Printmedium, d.h. in einem ›klassischen‹ Distributions­ medium, reproduziert wird. »Poor images« sind nach Hito Steyerl schlecht aufgelöste digitale Bilder, die ohne Reproduktionsrechte zirkulieren (oder deren Reproduktionsrechte nicht beachtet werden) und deren Potential darin liegt, politische Netzwerke, neue Öffent­ lichkeiten und Archive jenseits etablierter Körperschaften und Unter­­nehmen zu bilden.13 Innerhalb der Bildverkettung der »Woman in the Blue Bra« ist ein solches »armes« Bild sicher ein entscheidender Trigger, aber es fügt sich sehr wohl ein in die Bildstrategien etablierter und/oder kommerzieller Agenturen und deren Verwertungszusammenhänge. Das »poor image« ist daher

Kathrin Peters

15 Siehe: URL: http://www.npr.org/ sections/pictureshow/2011/12/21/144098384/ the-girl-in-the-blue-bra (Stand: 05.08.2015).

Abb. (1) Tahrir Newspaper, Foto: Rowan El Shimi, aus dem FlickrAlbum »Kasr El Einy Street Street Battle …«, 18.12.2011 (2) Kairo, 20.12.2011, Protestmarsch von Frauen zum Pressesyndikat, Foto: Aly Hazza’a (3) Masked Revenger, Carlos Latuff, Twitter-Post, 11.01.2012. Zusammengestellt von Rowan El Shimi, aus: Ebner; Wicke (2013), S. 183 (wie Anm. 6).

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14 Siehe beispielsweise das FlickrAlbum Kasr El Einy Street Street Battle… der Journalistin Rowan El Shimi, URL: https://www.flickr. com/photos/rouelshimi/ sets/72157628474638813 (Stand: 05.08.2015) sowie thematische Flickr-Alben von Sarah Carr, Mosa’ab Elshamy und Jonathan Rashad.

keine Gegensphäre eines »reichen« oder auch angereicherten Bildes, vielmehr, das ist an unserem Beispiel festzustellen, diffundieren Bilder sozusagen in verschiedene Netzwerke und tragen daher verschiedene Spuren und Signaturen, die eine Unterteilung in Öffentlichkeit und Gegenöffentlichkeit ebenso durchkreuzen wie die strikte Unterscheidung von analogen und digitalen Bildern. Die Reproduktions- und Aneignungsbewegung des Blue Bra-Videos kommt nicht zum Stillstand, wenn das »arme« Videobild zu einem Einzelbild angereichert wird: Die Titelseite von Tahrir News wird bei weiteren Demonstrationen in die Höhe und in Kameras gehalten. So wandert das Zeitungsfoto, das aus einem online kursierenden Video entnommen ist, wieder in die digitalen Netzwerke ein, wo Fotografien von Demonstrationen in Flickr-Alben gesammelt und veröffentlicht werden.14 Bald tauchen auf den Protestmärschen, insbesondere auf dem Women’s Protest March am 21. Dezember, auch vergrößerte und freigestellte Versionen des Stills auf, die es zu Posterqualität gebracht haben und nun die Signatur »Reuters/Stringer« tragen – »Stringers« steht jetzt ausdrücklich für einen freiberuflichen und/oder unbekannten Bildlieferanten.15 »Auf der Straße, unter den Blicken und Kameras der Medienöffentlichkeit, werden die Bilder nun als Bildobjekte dem digitalen Bildverkehr entwunden und gleich wieder in ihn eingespeist«, so Tom Holert.16 »Bildobjekte« sind nach Holert solche gewissermaßen objekthaften Bilder, die – anders als ein Bewegtbild – in der Hand gehalten und vorgezeigt werden können, und das nicht nur für die lokale Umgebung, sondern auch im Hinblick auf ein zukünftiges Bild, das die Bild­ objekte zusammen mit den sie tragenden Subjekten zeigt und welches seinerseits in Umlauf gesetzt wird. Hunderte von Fotografien sind von diesen Demonstrationen inklusive Bild­ objekten und den Handys, die von der Menge in die Höhe gehalten werden, um weitere Bilder zu produzieren, gemacht worden. Weitere Adaptionen und Aneignungen der »Woman in the Blue Bra« erscheinen an verschiedenen Orten in unterschiedlicher medialer Form und werden mit Genreanspielungen versehen: Auf dem Tahrir-Platz ist ein Graffito zu finden mit dem Blue Bra als Element eines Superwoman-Kostüms. Es kursiert eine gezeichnete Blue Bra-Comicszene, die die Rache der Niedergetretenen

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16 Holert macht diesen Zusammenhang in seinem Aufsatz von 2008 am Predigerbild fest und bringt es mit einer fetischistischen Bildpräsenz zusammen. Tom Holert: Regieren im Bildraum. Berlin 2008, S. 59–76, hier: S. 61. 17 Vgl. Ebner; Wicke 2013, S. 182 (wie Anm. 6). 18 Die Ausstellung war 2012/13 u.a. in Braunschweig, Essen und Hamburg zu sehen, vgl. Ebner; Wicke 2013 (wie Anm. 6) sowie Kairo. Offene Stadt. Neue Bilder einer andauernden Revolution. Ulrike Bergermann und Kathrin Peters im Gespräch mit Florian Ebner zur Ausstellung (2015), URL: http://zfmedienwissenschaft.de/online/web-extra/ Kairo-Offene-Stadt (Stand: 05.08.2015). Ich bedanke mich bei Florian Ebner, Esther Ruelfs und Constanze Wicke für ihre Ausstellung und erhellende Gespräche.

3. Audiovisuelle Aufzeichnungen, ob analog oder digital, sind für die politische Wirksamkeit von Ereignissen essentiell, und zwar sowohl im lokalen Zusammenhang als auch für die globale Wahr­ nehmung. Es ist aber nicht damit getan, von einer Expansion in dem Sinn sprechen, dass die ›westlichen‹ Onlookers, Draufschauer, wie Rizk sie nennt (und von denen ich letztlich eine bin), den Radius ihrer Wahrnehmung mittels technischer Bild­medien erweitern. Die Proteste werden nicht einfach auf­ gezeichnet und dokumentiert, um dann in eine mehr oder weniger große Welt geschickt zu werden bzw. in ein Global Village (McLuhan), das sich in seiner Extension gewissermaßen entdifferenziert hat. Vielmehr verändert das Recording die Protest­ bewegung, ja ist Teil von ihr. Es erscheint mir daher sinnvoll, den Topos der Expansion abschließend als Ausdifferenzierung von Relationen zu skizzieren, als ein Beziehungsnetz, wie Judith Butler es jüngst vorgeschlagen hat.19 Butlers Überlegungen zu Street Politics und Bündnissen beziehen sich vor allem auf Beziehungen zwischen Körpern und deren Abhängigkeit voneinander, aber sie umfassen auch Allianzen, die die protestierenden Körper mit Orten und Aufzeichnungsgeräten eingehen. Was das Blue Bra-Video nicht nur nebenbei zeigt, ist, dass und auf welche Weise die Straße sowohl Ort des Protests und des Widerstands ist als auch Ort der Behauptung und Aufrecht­

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Abb. (1) Graffiti Tahrir-Platz, El Teneen, 10.02.2012 (2) Ägyptische Flagge mit BH, URL: bluebra.files.wordpress. com/2011/12/bra-flag. jpg (Stand: 20.08.2015). Zusammengestellt von Rowan El Shimi, aus: Ebner; Wicke (2013), S. 183 (wie Anm. 6).

imaginiert. Wandmalereien im Stil von Märtyrerinnendarstellungen entstehen; der blaue BH taucht als Graffiti-Schablone auf – er ist zu einem Symbol geronnen, das den gesamten Kontext aufzurufen vermag. Während in solchen Bildverarbeitungen die Vorstellung einer weiblichen Ermächtigung artikuliert wird, gibt es auch Collagen, in denen der blaue BH auf die ägyptische Flagge montiert ist, als Einhegung der Frauen­bewegung in die Nation. Gesehen habe ich diese Aneignungen und Weiterver­ arbeitungen, die sich an Kairoer Mauern befinden, wiederum auf Fotografien: Rowan El Shimi hat sie für die Ausstellung Kairo. Offene Stadt. Neue Bilder einer andauernden Revolution gemacht und zusammengestellt17 – auch das ist ein Element innerhalb dieser Bilderverkettung.18

Kathrin Peters

20 Butler 2014, S. 19 (wie Anm. 19). Butler 2011, o.S. (wie Anm. 19).

21 Butler 2011, o.S. (wie Anm. 19). 22 Der Künstler Rabih Mroué hat mit seiner Arbeit Pixelated Revolution (2012) diesen Zusammenhang thematisiert. In Form einer Lecture Performance hat sich Mroué mit Videos von Mobiltelefonen mutmaßlich erschossener Regimegegner während der syrischen Proteste beschäftigt. Die Videos, die der Künstler auf YouTube gefunden hat, dokumentieren gewissermaßen als visuelle Überreste die Erschießung derjenigen, die beim Filmen von Soldaten entdeckt wurden.

erhaltung staatlicher Macht. Körper gehen Verbindungen zur Straße ein, das heißt, sie sprechen nicht nur ihre Parolen und Forderungen aus (wenn sie es tun), sondern das Besetzen von Plätzen und Straßen ist bereits eine Inszenierungsform, die den Ort und das, was man von ihm erwartet und verlangt, umsetzt, für sich also bereits performativ in Anspruch nimmt, was verweigert wird.20 Urbane Architektur, Städtebau und Infrastruktur ermöglichen und steuern Bewegungen, sie sind Aktanten der Aufstände und tragen Bedeutungsebenen in die Proteste ein: Die Geschichtlichkeit von Plätzen und Gebäuden stiftet Anlässe zu sprechen, sich körperlich zu formieren und diese zu besetzen, um verschüttete oder ver­ leugnete Bedeutungen dieser Orte hervortreten zu lassen (den Platz als Ort der öffentlichen Versammlung beispielsweise). Das lässt sich für Bilder und ihre Zirkulation weiter­denken: Korporative, künstlerische und mehr oder weniger illegale Aneignungen produzieren ein Netz aufeinander bezogener Bilder. Allerdings nicht nur ein Netz von Bildern, sondern auch von Personen, die diese Bilder gemacht haben. Die digitalen Kameras oder Smartphones, die sie mit sich geführt haben, sind eben­­­falls Teil dieses Netzes. Denn diese Geräte gewährleisten eine Ad-hoc-Distribution oder drohen eine solche in den Augen des Regimes zumindest an. Die Verfügbarkeit digitaler Gadgets, die nah am Körper getragen werden, dabei fast unsichtbar sind, aber dennoch permanent senden und empfangen können, stellen eine Gefahr dar – für diejenigen, die aufgezeichnet werden, und daher auch für diejenigen, die sie mit sich führen. Körper und Gerät gehen eine Verbindung ein, die den Charakter einer instrumentellen Mediennutzung bei Weitem übersteigt. »It can be an effort to destroy the camera and its user, or it can be a spectacle of destruction for the camera, a media event produced as a warning or a threat«, so Butler.21 Die Präsenz eines Aufzeichnungsgeräts verändert die Szene vor Ort, löst gewaltförmige Aktionen überhaupt erst aus, eben weil die Möglichkeit einer Distribution der Aufzeichnung besteht – unter digitalen Bedingungen für viele und jederzeit.22 Aufzeichnungsapparate sind daher nicht nur berichtend, sondern sie werden Teil der Szene und Aktion, insofern sie im lokalen Raum wirksam sind, aber auch die Verbreitung

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19 Judith Butler: Körperliche Verletzbarkeit, Bündnisse und Street Politics. In: WestEnd. Neue Zeitschrift für Sozial­ forschung 11.1 (2014), S. 3–24, hier: S. 23. Dies: Bodies in Alliance and the Politics of the Street. In: eipcp – European Institute for Progressive Cultural Policies (2011), URL: http://www.eipcp.net/ transversal/1011/butler/en, 2011 (Stand: 05.08.2015).

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23 Vgl. Friedrich Balke; Oliver Fahle: Einleitung in den Schwerpunkt. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft 11 (2014), S. 10–17.

jenseits dieses Raums ermöglichen (können), auf die von den AkteurInnen spekuliert wird. Wie lässt sich diese ausufernde, ausfransende Bewegung von Bildern, technischen Geräten und Menschen, von Architekturen, Parolen und Handlungen im Hinblick auf die aufgeworfene Frage nach Zeugenschaft zusammenführen? Versuchsweise so: Jede Wirklichkeitswiedergabe unterliegt Mitteilungs- und Zeigeabsichten, die das Aufgezeichnete einer Auswahl und Rahmung unterwerfen und es in einen spezifischen Zusammenhang stellen,23 der bereits von Vorannahmen gesättigt ist, von Vorannahmen, die gleichwohl und im besten Fall konterkariert werden können. Die Evidenz, die sich einstellt, ist das Ergebnis einer Interaktion verschiedenster Elemente, die sich auf keinen Determinismus – sei es ein technologischer, sozialer oder politischer – reduzieren lässt, sondern vielmehr all diese Elemente miteinander in Beziehung setzt. Was digitale Medien und ihre Technologien der Distribution, Verknüpfung und Reproduktion betrifft, zeigt sich, dass das Versprechen, eine visuelle Aufzeichnung könne die Spur eines Geschehens, wie es sich ereignet hat, weiterhin mit sich führen. Dabei bleibt das Versprechen, mittels einer Kamera könne die Spur eines Geschehens, wie es sich ereignet hat, aufgezeichnet und wiedergegeben werden, auch unter digitalen Bedingungen durchaus bestehen. Was sich verändert, sind die Möglichkeiten der Bildverarbeitung, der Kommentierung und der Versendung. Sie erzeugen eine Verkettung von Bildern und Deutungen, die an der Herstellung von Glaubwürdigkeit und Gewissheit entscheidenden Anteil haben. So entstehen Formen der Teilhabe, die auf die Geschehnisse zurückwirken. Zeugenschaft ist damit in einen Raum der Verhandlung verschoben, in dem Glaubwürdigkeit sowohl entsteht als auch immer bestreitbar bleibt und auch bestritten wird.

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Kathrin Peters Kathrin Peters lehrt Geschichte und Theorie der visuellen Kultur an der Universität der Künste Berlin und forscht zum Verhältnis von Gender und Medien, zu fotografischen Praktiken sowie zur Geschichte der Gestaltung. Sie ist die Autorin von Rätselbilder des Geschlechts Körperwissen und Medialität um 1900 (2010) und Herausgeberin des Readers Gender & Medien (2015); »die stadt von morgen«. Beiträge zu einer Archäologie des Hansaviertels Berlin (2008, Hg. mit Annette Maechtel) und Future Bodies. Zur Visualisierung von Körpern in Science und Fiction (2002, Hg. mit Marie-Luise Angerer und Zoë Sofoulis). Außerdem ist Kathrin Peters Mitbegründerin und derzeitige Redaktions­ leitung der Zeitschrift für Medienwissenschaft.

Sinnlichkeit und Sinnesarbeit 8

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Expansion benennt, über das Verständnis rein technischer Einwirkungen auf Wahrnehmungsverhältnisse hinaus, auch singuläre und performative Weisen der Nutzung. Vielleicht ist das Ungewöhnlich-Faszinierende dessen, was sich mit Neuen Medien ereignet, die extreme Beschleunigung der Innen­ differenzierung im Gebrauch, im massenhaften, auch irregulären Verwenden der Codes, der Software, der mobilen Apparate. Die alten, zentristischen Massenmedien, ob als Auf­ zeichnung oder Übertragung, hatten sich stets auf ein rigides Modell der Rezeption verständigt. Es war das Betrachten, das Zuschauen, die Konsumption, die dem Einzelnen in seiner Wahrnehmung der Medienprodukte – ob als Fotografie, Kino, Fernsehen – zukamen. Also eine stille, auf die eigene Körper­lichkeit, Vorstellung und Imagination affektiv und mental ein- und auch abgestimmte Beziehung zu dem vorgearbeiteten Stoff. Es war der Genuss an vorab, a priori existierenden Bildern, Bewegtbildern unterschiedlichster Form und Herkunft, der sich als, je nach Position, gelenkte, entlastende, befrei_ende Erfüllung eines Begehrens erwies. Die sinnliche Ausdehnung und Überschreitung verlief in Abhängigkeit zu dem auf den Leinwänden und Monitoren schimmernden Material. Doch mit dem digitalen Paradigma wendet sich diese Beziehung in ihr Gegenteil. Es entstehen Medien, die bloß ein Programm abbilden und zur Verfügung stellen, ihr Inhalt selber wird erst im Gebrauch erzeugt. Nunmehr ist der Betrachter als Benutzer aufgefordert, das Medium, das Mobiltelefon etwa, wie ein, gar viele Werkzeuge zugleich zu »nutzen«, mit Informationen seiner selbst anzufüllen, ob als geographische Lageposition oder als Körperwert, selber die Kamera zu führen und aufzunehmen, selber zu spielen und nicht Vertreter spielen zu lassen, selber zu recherchieren und selber sich selber, seine Artefakte, zu veröffentlichen. Das von den Mediensystemen dieserart erwartete Selbertätigsein wird seit einigen Jahren über die exzessive Produktion von Apps angeleitet, Software-Applikationen, die zur Anwendung auffordern, sei diese ein Spiel, eine Datensuche, ein

2 Die »ehrliche« Eigenwerbung des Node-Festivals 2015 in Frankfurt am Main, ein »Forum for Digital Arts«, lautete: »From interaction design to dance music, from medicine to surveillance, from fashion to warfare: We invite makers, who understand technology and change the body with code«. Auch hier wird der »Körper« gleichermaßen von seiner Ober- und seiner Unterseite aus entworfen. 3 Siehe den folgenden Text von Pablo Abend: Die Karte als Aktionsraum. Digitale Weltbilder zwischen Logo-, Ethono- und Egozentrismus.

Gadget, eine Bildmanipulation, wobei die angebotene »Lösung von Benutzerproblemen« das Problem selber zumeist erst miterfindet. Das Telefon kann als Referenzmedium dieser Entwicklung gelten. Auch im Gebrauch des Telefonierens ist der Inhalt nicht vorge­arbeitet, es ist nicht möglich, vorauszusehen oder in aller Unterschiedenheit, aller Kontingenz den Gebrauch darstellbar zu machen, also das, was tatsächlich im telefonischen Sprechen hier und dort passiert. Vielmehr ist das Gerät der individuellen Verwendung und Verausgabung freigegeben. Nicht mehr der Geschmack oder der Genuss sind in ihrer subjektiven Größe das Maß der Sinneserweiterung, sondern die »Entdeckung« eines vielfältigen Gebrauchs, einer porösen Praxis, die die Subjekte nicht von außen erreicht, sondern von innen heraus »ans Werk« geht. Selber-Tun scheint unentfremdbar.1 Diese dem Benutzer zugeeignete Freiheit im Gebrauch, also die selbstbestimmte Extension der eigenen Stimme und Wünsche, wohin auch immer, verwischt in frivoler Weise die apparative Zurichtung der Stimme und der Wünsche durch den auf der Unterseite des Mediums arbeitenden Code.2 »Über den darunterliegenden Code werden wir mit unseren Sinnen in das Unsinnliche herab­gezogen, bzw. dorthin, wo das sinnliche Material Transformationen erlebt, die nur schwer einsehbar, dafür aber umso präziser erlebbar sind.«3 Schließlich müssen die Gebrauchsweisen abgestimmt werden auf die dem Apparat eigene Anlage und Anordnung, Codes schreiben vor, wie sich eine bestimmte Nutzung verhalten muss, damit die erwünschte Funktion eintritt. Eine solche Anordnung wird zumeist dann »erkannt«, wenn Funktionen nicht möglich sind oder Informationen nicht zirkulieren. Es ist also von Gewicht, dass die Körper vieler »unbedeutender« User Mobiltelefone und in diese eingebaute Kameras mit sich tragen, um in der Nutzung der Devices nun sehr wohl als bedeutungsrelevante Akteure an den Orten und Szenen ihrer Begeg­ nungen anerkannt zu werden. Körper von Gewicht ereignen sich wohl auch durch die Art und Weise, wie ein Körperbild, das Bild eines Körpers – wie etwa in dem in Kathrin Peters' Text beschriebenen Fall des Videos The Woman in the Blue Bra,

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1 Damit sind auch die Fallstricke benannt, die den zuständigen Wissenschaften ab und an den methodischen Zugriff und die Herstellung allgemeiner Aussagen verunmöglichen. Hatten zentralistische Medien stets einen in sich autonomen Werkkörper angeboten, auf den sich alle Betrachtung und Analyse einigen konnten, entziehen sich mit Beginn der Computerspiele die Neuen Medien dem distanzierten Zugriff: Man muss sie selber (be)spielen, nutzen, verwenden, selber Informationen anlegen und Daten von sich veröffent­ lichen. Nur als teilnehmende Praxis, als Selbstversuch und dichte Beschreibung sind diese Medien der Analyse zugänglich, für die Forschenden bedeutet dies ein ungewöhnliches zeitliches Maß an Beteiligung und ein im Explorieren und Partizipieren Öffentlichwerden der eigenen Arbeit. Das macht unruhig und unsicher.

Die Rahmen öffnen sich – viele Jahrhunderte haben wir uns auf Rahmen und Rahmungen eingelassen, in den Rahmen die Bilder gesehen, vom Bilderrahmen, der Leinwand zu den Rahmen der Interfaces. Kann es sein, dass über die neuen Gebrauchsweisen der Bilder auch die Rahmen zurücktreten, zumindest sie beliebig veränderbar sind und wir ihr Dabeisein gar nicht mehr erwarten? Die Dislozierung vieler Phänomene, also ihre deterritoriale Existenz scheint mit einer Dekadrierung oder Entrahmung der sie aufnehmenden und verteilenden Bildflächen einherzugehen.



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4 Zum Begriff des »Zeichenträgers« siehe die Anmerkung 75 im Text von Vivian Sobchack in diesem Buch S. 69.

in welchem eine Frau Misshandlungen durch Polizei- und also männlicher Gewalt ausgesetzt ist – sich in ein Bildobjekt verwandelt, d.h. Gebrauchsweisen ins Spiel kommen, die das Bild, das Video je unterschiedlich aneignen, es verändern, es dekontextualisieren, neu rahmen, es distribuieren und also veröffentlichen. Auf diese Weise wird nicht nur Technik nicht limitierbar in ihrem Gebrauch, auch das Abgebildete, Dargestellte selber changiert in den Sinnzuschreibungen. Oder anders: Alle Gebrauchsweisen sind wesentlich mitmotiviert von der, die institutionellen Formatierungen infiszierenden Referenz. Also von dem dargestellten Körper, der die Gebrauchsweisen in seiner Kontingenz »miterregt«. Eine Frau mit blauem BH, also großteils nacktem Oberkörper, ruft in einer islamischen Gesellschaft sicherlich »Begehren« hervor, das Begehren nach Gewalt der frauen­feindlichen Glaubens­schützer zunächst, dann vermutlich auch der definierten und undefinierten Gemeinschaften derjenigen, die vor Ort filmen, der zentralistischen Medien­ agenturen und der sozialen Medien. Es muss ein Frauen­körper sein, der seine Aneignung, Diffusion und Manipu­lation im Gefüge der Medienwelt provoziert. Medien sind beteiligt an der Schaffung von Bedeutung, doch das medial Bedeutete ist durch seine eigene, ausgedehnte Spur, als »Zeichenträger«, zugleich selber Bedeutendes.4

Marc Ries

John Brian Harley

2 Auch von anderer Seite wurde darauf bereits hingewiesen. Zu erwähnen ist insbesondere der pointiert dekonstruierende Essay von: Denis Wood; John Fels: Designs on Signs / Myth and Meaning in Maps. In: Carto­ graphica 23.3 (1986). S. 54–103.

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1 Mitgeteilt in: Cartographic Perspectives. Bulletin of the North American Cartographic Information Society 1.1 (1989), S. 4.

In dem Maße, wie Kartographen computergestützte Methoden und soft­warebasierte Geoinformationssysteme in ihre Arbeitsabläufe integrieren, wird auch deren szientistische Rhetorik lauter. Überall grassiert die »Technikkultur«. Wir erfahren, dass die wissenschaftliche Fachzeitschrift The American Cartographer in Cartography and Geographical Information Systems umgetauft wird. In seltsam doppelsinniger Geste schlägt auch die Britische Gesellschaft für Kartographie vor, ihre Definition von Karto­graphie in zwei Begriffe aufzuspalten: »einen für die breite Öffentlichkeit, einen zweiten für professionelle Kartenmacher«. Der erste, für die Kommunikation mit der Allgemeinheit bestimmte Begriff definiert die »Kartographie als Kunst, Wissenschaft und Technologie des Kartenmachens«. Der zweite, für »praktizierende Kartographen« reservierte Begriff meint hingegen: »Kartographie ist die Wissenschaft und Technologie zur Analyse und Deutung geographischer Beziehungen, welche ihre Erkenntnisse mittels Karten kommuniziert.«1 Es mag für viele überraschend sein, dass »Kunst« in der »professionellen« Kartographie keinen Platz mehr findet. Entsprechende Zeichen ontologischer Schizophrenie lassen sich im gegenwärtigen Kontext jedoch auch als Widerspiegelung dringenden Umdenkens sowie drängender Revisionen des Wesens von Karten aus gänzlich anderen Blickrichtungen interpretieren. Auch stellt sich die Frage, ob das Verständnis einer fort­schrittlichen Wissenschaft nicht ein Mythos der Karto­ graphen selbst ist, der im Verlauf ihrer eigenen Professionalisierung überhaupt erst erschaffen wurde. Meines Erachtens wurde gerade dies zu unkritisch von einer breiteren Öffentlichkeit und von Wissenschaftlern, die gleichfalls mit Karten arbeiten, angenommen.2 Insbesondere für jene, die sich mit der Geschichte von Karten auseinandersetzen, ist es an der Zeit, die Prämissen und Thesen der Kartographen zu hinterfragen. Denn sollte die Karto­­graphie­ geschichte tatsächlich zu einem neuen, interdisziplinären Bereich innerhalb der Geistes- und Sozialwissenschaften aufsteigen, wären neue Konzepte unabdingbar.

4 Abgeleitet von den Schriften Jacques Derridas; vgl. dazu auch das durch Gayatri Chakratvorty Spivak verfasste Vorwort in ihrer Übersetzung Derridas: Of Grammatology. Baltimore 1976, S. IX–XXXVII. Christopher Norris: Deconstruction. Theory and Practice. London 1982. Christopher Norris: Derrida. Cambridge (MA) 1987. 5 Bezüglich Architektur und Raumplanung siehe zum Beispiel: Paul L. Knox (Hg.): The Design Professions and the Built Environment. London 1988. Derek Gregory: Postmodernism and the Politics of Social Theory. In: Environment and Planning D. Society and Space 5 (1987), S. 245–248. Bezüglich Geographie siehe: Michael Dear: The Postmodern Challenge. Reconstructing Human Geography. In: Transactions. Institute of British Geographers (New Series) 13 (1988), S. 262–274. 6 Marin 2005, S. 280 (wie Anm. 3). »Ordnung« ist hier sowohl in seiner Sub­stantivform als auch als substantiviertes Verb in seiner Aktivform im Sinne von »des Ordnens sozialer Traditionen« zu verstehen (Anm. d. Ü.).

Die Frage muss deshalb umformuliert werden: Wie können wir als Historiker der Kartographie den normativen Modellen des Kartenmachens entwachsen und uns zugleich gegenüber neuen Ideen öffnen? Und auf welche Weise wäre es möglich, eine so genuin kritische Geschichte der Karto­­­graphie zu formulieren, wie es Louis Marin mit Der König und sein Geometer (im Zusammenhang mit einer Karte von Paris im 17. Jahrhundert) oder William Boelhower in The Culture of the Map (im Kontext von Weltkarten des 16. Jahrhunderts, die erstmals Amerika abbildeten) gelang? 3 […] Das Wort Dekonstuktruktion4 ist Schlüsselbegriff des postmodernen Unterfangens. Heute sind dekonstruierende Strategien nicht mehr bloß in der Philosophie anzutreffen, man findet sie ebenso innerhalb der strenger umrissenen Disziplinen, insbesondere im Bereich der Literatur, aber auch in Gebieten wie der Architektur, der Raumplanung und neuerdings der Geographie.5 Meine dekonstruierende Taktik zielt auf das Aufbrechen eines im karto­ graphischen Denken dominanten Theorems, demzufolge die Realität mit der Repräsentation verbunden sei. Gerade diese Annahme leitet die Kartographie nämlich seit der Aufklärung auf den Pfad einer die eigenen Fundamente nicht hinterfragenden »Normalwissenschaft«, welche auch ihrer Geschichtsschreibung nur eine vorgefertigte, »allgemein akzeptierte« Erkenntnistheorie bot. Hier wird indes zur Aufgabe, für die Kartographiegeschichte eine angemessenere, in den Sozialwissenschaften verwurzelte Epistemologie zu entwerfen und dadurch wissenschaftliche Positivismen zu vermeiden. Es wird dabei gezeigt, dass selbst »wissenschaftliche« Karten nicht nur Resultat der »allgemeine[n] Anwendung der mathematischen Ordnung auf den Raum« sind, sondern auch den Werten und »Normen der sozialen Ordnung [und Tradition]« entspringen.6 Daher lautet unsere Aufgabe, soziale, die Kartographie strukturierende Kräfte zu erkunden, die Gegenwart der Macht – und ihrer Effekte – zu verorten, also das Wissen zu kartieren. […]

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3 Louis Marin: »Ein Porträt Cäsars ist Cäsar« oder der König in seinem Rahmen. Der König und sein Geometer. In: Das Portrait des Königs, Berlin 2005. S. 271–289. William Boelhower: Through a Glass Darkly. Ethnic Semiosis in American Literature. Venedig 1984, dort insbesondere S. 41–53. Siehe auch: William Boelhower: Inventing America. A Model of Cartographic Semiosis. In: Word and Image 4.2 (1988), S. 475–497.

John Brian Harley

John Brian Harley: Deconstructing the Map. In: Cartographica 26.2 (1989), S. 1–20, S. 2–3. Übersetzung: Mathias Windelberg Zitatauswahl: Pablo Abend

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7 H. Gene Blocker: Philosophy and Art. New York 1979, S. 43.

Die Dekonstruktion zwingt uns zu einer Lektüre zwischen den Konturen der Karte – »in den Grenzgebieten des Textes« –, um durch dessen Tropen verschwiegene Widersprüche zu entdecken, welche eine offen­­-kundige Wahrhaftigkeit des Bildes bestreiten. Damit beginnt ein Verständnis karto­graphischer Tatsachen, die solche nur aus einer spezifischen Perspektive sind. So fangen wir an zu verstehen, dass Karten, ähnlich der Kunst, weit entfernt von einem »transparentem Fenster zur Welt«, vielmehr ein »ganz speziell menschlicher Zugang zur Betrachtung der Welt«7 sind.

Pablo Abend

Die Karte als Aktionsraum Digitale Weltbilder zwischen Logo-, Ethnound Egozentrismus

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1 John Brian Harley: Deconstructing the Map. In: Cartographica 26.2 (1989), S. 1–20. Siehe das vorangestellte Zitat.

Prolog Im Frühjahr 1989 erschien der Artikel Deconstructing the Map des Geographen und Historikers John Brian Harley.1 Mit Bezug auf Michel Foucault und Jacques Derrida kritisierte Harley darin das positivistische Selbstverständnis der wissenschaftlichen Karto­ graphie und skizzierte einen Analyserahmen, der es erlauben sollte, in den vermeintlich objektiven Karten Machteinschreibungen zu dekonstruieren. Harleys Argumentation hat zwei Stränge: Er schaut auf (1) die Konventionen und Standardisierungen kartographischer Abbildungsmodalitäten und beschreibt, wie diese durch den sozialen Kontext beeinflusst werden, und er plädiert (2) für ein Verständnis der Karte als kultureller Text, der auf seine rhetorischen Qualitäten hin geprüft werden müsse. Gegenüber dem tradierten, logozentristischen Selbstverständnis der Karto­ graphie nimmt Harley eingeschriebene Macht-Wissen-Komplexe und ihre normalisierende räumliche Wirkung in den Blick und beschreibt anschließend diese Wirkung innerhalb und außerhalb der Karte als Text. Konkret geht es um die Fragen, welche

Die Karte als Aktionsraum

3 Alfred Korzybski: Science and sanity. An introduction to nonAristotelian systems and general semantics. Brooklyn, NY 2005, S. xvii. 4 John Pickles: A history of spaces. Cartographic reason, mapping and the geo-coded world. London 2005, S. 145. 5 Vgl. Sybille Krämer: Das Medium als Spur und als Apparat. In: dies. (Hg.): Medien, Computer, Realität. Wirklichkeitsvorstellungen und Neue Medien. Frankfurt am Main 1998, S. 73–94. Sybille Krämer: Medium, Bote, Übertragung. Kleine Metaphysik der Medialität. Frankfurt am Main 2008.

6 Krämer 1998, S. 85 (wie Anm. 5).

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2 Erhard Schüttpelz: Elemente einer Akteur-Medien-Theorie. In: Tristan Thielmann; Erhard Schüttpelz; Peter Gendolla (Hg.): Akteur-Medien-Theorie. Bielefeld 2013, S. 9–67, S. 10-11.

Machtinteressen sich in den Kartentext mit einschreiben und wie der Kartentext auf sein Territorium zurückwirkt. John Brian Harley und die ihm folgenden kritischen Kartographinnen und Kartographen betonen folglich die Handlungsinitiative2 kartographischer Darstellungen und etablieren ein Verständnis innerhalb und außerhalb der Kartographie, nach dem Karten ein Territorium nicht nur repräsentieren, sondern dieses zugleich auch hervorbringen: von »The Map is not the Territory«3, wie es bei Alfred Korzybski heißt, zu »The Map precedes the Territory«4. Medienwissenschaftlich gewendet, handelt es sich hier um eine Grundunterscheidung medialer Wirkungsweisen, die Sybille Krämer mit dem Begriffspaar »Bote und Spur« illustriert. Nicht zufällig am Beispiel der topographischen Karte zeigt sie, dass Medien einerseits als neutrale Mittler – in Krämers Terminologie: »Boten« – fungieren und andererseits als schöpferische Agenturen agieren, was sie mit dem Begriff »Spur« bezeichnet.5 Als Agenturen stehen Karten niemals nur im Dienste einer effizienten Raumnavigation als Vorbereitung optimierter Raumdurchquerung, sondern erschaffen immer auch Weltbilder, die durch das Subjekt perspektiviert werden müssen. Krämer bringt dies mit einer weiteren kategorialen Trennung in Verbindung, der Unterscheidung von Transparenz und Opazität der Medien, einer ontologischen Übertragung der funktionalen Unter­scheidung von Bote und Spur. Diese basale Dichotomie hat bei Krämer also sowohl etwas mit der Erscheinungsform eines Mediums als auch mit seinem Gebrauch zu tun, denn als Kulturtechnik oszilliere die Kartennutzung dabei immer zwischen einer werkzeug­ ähnlichen und einer apparativen Technik.6 Dies trennt die Perspektive auf digitale kartographische Medien in ein objektivistisches Verständnis, nach dem die Leistung des Mediums vornehmlich darin besteht, Teile eines Territoriums möglichst exakt detailgetreu zu repräsentieren, und in ein produktives Verständnis, das den Visualisierungen selbst eine Handlungs­initiative zuspricht, durch die bestimmte Images über die Welt erst entstehen. Letzteres ist anschlussfähig an die kritische Karto­graphie, da hier die Voraussetzung für ein Verständnis geschaffen wird, nach dem in Karten politisch-ökonomische Interessen eingeschrieben sind, die auf das Territorium und seine Bewohnerinnen normalisierend zurück-

Pablo Abend

8 Vgl. Denis Wood; John Fels: The power of maps. New York 1992.

wirken. Die »Macht der Karten«7 wird als aktive Leistung des Artefakts anerkannt, das am Prozess der Generierung unserer Vorstellung von der Welt maßgeblich beteiligt ist. Zur Disposition steht damit eine logo­zentrische Sichtweise auf Karten als transparente Fenster, die den Blick auf die Welt ungefiltert freigeben, gegenüber einem Verständnis von Karten als symbolisch-ideologische Texte, die an der Hervorbringung eines Territoriums maß­ geblich beteiligt sind. Demnach gibt eine Karte die Welt nicht wieder, sondern macht lediglich einen Vorschlag, wie diese interpretiert werden könnte.8 Legen wir diese Opazität des Mediums zugrunde, argumentieren wir von einer anti-objektivistischen Warte aus, so kann ein Akt der Dekonstruktion – ein Zwischenden-Zeilen-Lesen – unterschiedliche Motivlagen der Kartenproduktion ans Licht bringen. Vor allem diese produktionsästhetische Perspektivierung des Raums ist bei Harley Ansatz der Dekonstruktion, die auf Offenlegung von Implikationen dominanter Projektionsmethoden abhebt, die im Dienste des Hegemoniestrebens der westlichen Industrienationen stünden. Unter dem Stichwort »rules of the social order« beschreibt Harley, wie Abbildungsmodalitäten konventionalisiert und standardisiert werden, was im Zuge einer Übersetzung der dreidimensionalen Erde auf eine zwei­dimensionale Fläche immer einen Kompromiss zwischen Flächen- und Winkeltreue bedeutet. Und weil Karten im Zuge der Weltvermessung und des Weltverkehrs in Bezug auf ihre Navigationsfunktion hin winkeltreu optimiert wurden, komme es hier zu einer Verschiebung der Proportionen zugunsten der nördlichen Hemisphäre, wodurch die wahren Größenverhältnisse der Länder verzerrt wiedergegeben werden. So genannte Entwicklungsländer erscheinen daher flächenmäßig deutlich kleiner als die nördlichen Industrienationen. Als zweiten Punkt benennt Harley mit den »rules of ethnocentricity« einen kartographischen Ethnozentrismus, nach dem auf Weltkarten stets das nationalstaatliche Territorium in den Mittelpunkt gesetzt wird. Demgegenüber erlauben alternative Projektionsmethoden wie die Gall-Peters-Projektion eine flächentreue Übersetzung des Geländes, die zwar zur Navigation ungeeignet ist, dafür aber die Größenverhältnisse der einzelnen Länder zueinander veranschaulicht. Und Buckminster Fullers Dymaxion World Map,

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7 Vgl. Ute Schneider: Die Macht der Karten. Eine Geschichte der Kartographie vom Mittelalter bis heute. Darmstadt 2004.

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9 Harley 1989, S. 13 (wie Anm. 1).

erschienen 1958 im Life Magazine als Bastelbogen, führte den Lesern durch die sowohl winkel- als auch flächentreue Abbildung eine vereinte Welt ohne sichtbare nationalstaatliche Grenzen vor Augen. Doch das durch die meisten Karten vermittelte ethnozentristische Weltbild ist laut Harley darum so erfolgreich, weil die Regeln der Gesellschaft und die Regeln der Vermessung sich in ein und demselben Image gegenseitig verfestigen, wobei der objektivistische Anspruch der Kartographie zu einer Normalisierung des Images führt. »[…] just as in factories we standardize our manu­factured goods so in our cartographic workshops we standardize our images of the world. Just as in the laboratory we create formulaic understandings of the processes of the physical world so too, in the map, nature is reduced to a graphic formula. The power of the mapmaker was not generally exercised over individuals but over the knowledge of the world made available to people in general.«9 Da Harley sich auf historische, analoge Beispiele bezieht, ist vor dem Hintergrund des digitalen Medienumbruchs in der Kartographie eine Aktualisierung dieser Kritik vielversprechend, denn es ist davon auszugehen, dass die Fragen ein viertel Jahr­ hundert nach Deconstructing the Map unter dem Eindruck veränderter Produktions- und Distributionsverhältnisse anders lauten müssen. Zudem wird von Harley die rezeptionsästhetische Seite nicht perspektiviert, da stets von der Macht der Produzenten ausgegangen wird, ohne auf unterschiedliche Nutzungs­­dispositive einzugehen. Doch gerade eine solche erweiterte Betrachtung erscheint im Hinblick auf die Interaktivität digitaler karto­ graphischer Angebote notwendig, wie im Folgenden noch ausgeführt wird. Grundsätzlich ist dabei die veränderte Ästhetik im ­­ Digitalen mitzudenken, die wiederum veränderte Nutzungs­­weisen mit sich bringt, die es fragwürdig erscheinen lassen, ob die Textmetapher ebenfalls auf digitale Karten anwendbar ist und ihre Nutzung weiterhin als Leseprozess modelliert werden kann. Daher adressiert der Artikel digitale kartographische Medien nicht mehr nur als Mittler von Weltbildern, sondern als Platzierungs­ technologien, die nicht länger lediglich eine distanzierte Betrachtung ermöglichen, sondern zunehmend multiperspektivische Aus- und Einblicke anbieten und dabei einerseits Arenen für

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leibliche Ko-Präsenz schaffen und andererseits ein Netzwerk aufspannen, das sich permanent um den Körper herum zentriert. Die Arbeitshypothese hierbei ist, dass mit der Digitalisierung der Kartographie ein medialer Turn einsetzte, der kartographische Blickregime und Nähe-Distanz-Verhältnisse grundlegend transformiert. Eine kritische Begutachtung dieser Transformations­ prozesse zielt dann nicht mehr allein auf eine Dekonstruktion eines Kartentextes ab, sondern nimmt neue Blickachsen und Formen leiblicher Ko-Präsenz zusammen mit den sozio-technischen Rahmenbedingungen ihrer Genese in den Blick. Im Ausblick wird danach gefragt, ob die veränderte Rezeptionsästhetik und die neuen Praktiken der Kartennutzung als paradigmatisch für weitreichendere Veränderungen des Internets und seinen Nutzungsweisen angesehen werden können.

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10 Vgl. Bruno Latour: Visualization and Cognition. Thinking with Eyes and Hands. In: Knowledge and Society Studies in the Sociology of Culture Past and Present 6 (1986), S. 1–40. Bruno Latour: Die Logistik der immutable mobiles. In: Jörg Döring; Tristan Thielmann (Hg.): Mediengeographie. Bielefeld 2009, S. 111–144. Erhard Schüttpelz: Die medientechnische Überlegenheit des Westens. In: Jörg Döring; Tristan Thielmann (Hg.): Mediengeographie. Bielefeld 2009, S. 67–110.

Kartographische Räumlichkeit: Distanz, Immersion und Präsenz Karten haben gemeinhin die Eigenschaft, geographische Einzelheiten und ihre Zusammenhänge visuell zu mediatisieren. Ihre Hauptleistung besteht darin, uns Abwesendes zu zeigen und uns das, was nicht unmittelbar erreichbar ist, greif- und erfassbar zu machen, kurz: uns ferne Dinge durch Mediatisierung der Realität näher zu rücken. Das ist die funktionale Dimension, die kartographische Visualisierungen von der topologischen Freizeitkarte bis hin zum Satellitenbild abzudecken vermögen. Sie ermöglichen dabei sowohl die Positionierung des Körpers innerhalb eines geographischen Zusammenhangs als auch ein In-die-Ferne-Schauen, indem sie einen distanzierten Überblick über ein Gelände verschaffen und die Möglichkeit bieten, Abwesendes zu präsentieren. Ihre Funktionalität als Werkzeug wird dadurch gewährleistet, dass sie als »immutable Mobiles«10 über dieselbe optische Konsistenz wie das Territorium verfügen, so dass die Hin- und Rückbeziehung zwischen einem Objekt und seiner medialen Repräsentation hergestellt werden kann. Sowohl die Zentralperspektive als auch die Triangulation bieten sich als Möglichkeiten an, diese spezifische optische Konsistenz zu bewerkstelligen und damit eine Übersetzung dreidimensionaler Objekte auf eine zweidimensionale Oberfläche zu leisten, damit

Die Karte als Aktionsraum

12 Vgl. Denis Wood: Rethinking the power of maps. New York 2010.

13 Roberta L. Klatzky: Allocentric and egocentric spatial representations. Definitions, distinctions, and interconnections. In: Christian Freksa; Christopher Habel; Karl F. Wender (Hg.): An interdisciplinary approach to representing and processing spatial knowledge. Berlin 1998, S. 1–17, S. 11.

ihre Rekonstruierbarkeit an anderen Orten erfolgen kann: »Man präsentiert abwesende Dinge«11, die nur über ihre Re-Präsentation in den Diskurs eintreten können, und wir bekommen nur dadurch die Gelegenheit, über sie zu sprechen. Dabei greift die Kartographie zur Schaffung optischer Konsistenzen auf Strategien der Schematisierung, Generalisierung und Abstraktion zurück, um die Funktion der Inskription als Instanz der Wissensverlagerung zu gewährleisten. Eine Karte trägt das Versprechen in sich, dass wir durch die Betrachtung ihres Sujets ebenso viel über die Realität lernen können wie durch die Betrachtung dessen, was sie abzubilden vermag. Ein Punkt auf der Karte verweist immer auf einen bestimmten Punkt in der Welt, und diese Indexikalität der Karte erlaubt es, gemachte Vorschläge und Behauptungen vor Ort konkret zu verifizieren. Die Behauptung »this is« verbindet sich beim Anblick der Karte mit dem propositionalen Inhalt »this is there«, wodurch eine unmittelbare Referenz zum Abgebildeten propagiert wird.12 Und damit die Karte diese Mittlerrolle ausfüllen kann, muss sie eine gewisse Distanz zwischen dem Betrachter und dem Betrachteten wahren und eine Überblicks­ perspektive schaffen, bei dem Betrachter und medialer Raum sich in getrennten Bezugssystemen befinden. Die tradierte karto­ graphische Perspektive zeigt daher einen Raum, der unabhängig von der Position und Orientierung des Betrachters besteht, was durch die distanzierte Draufsicht und die feste Einnordung der Karte umgesetzt wird, wie bei gedruckten Stadtplänen, Auto­ atlanten und Weltkarten. Diese allozentrische Perspektive unterscheidet sich von einem egozentrischen Blick durch die Positionierung des Betrachters in Relation zur Inskription: »If an allocentric image is to be used […], the subject must somehow externalize the […] objects; if an egocentric image is required, the subject must somehow have a representation of himself in the image at the same location as […] the objects.«13 Im einen Fall bleibe ich außerhalb des Bezugssystems, im anderen Fall werde ich dazu angehalten, mich innerhalb des Bezugssystems zu imaginieren. Beide Perspektiven folgen unterschiedlichen Abbildungsmodalitäten und Visualisierungs­ strategien, die jeweils eine andere Umgebung, einen anderen Bildraum für die Wahrnehmung schaffen: Allozentrische Darstel-

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11 Bruno Latour: Drawing Things Together. In: Andréa Belliger; David J. Krieger (Hg.): ANThology. Bielefeld 2006, S. 259–307, S. 268.

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15 Döring; Thielmann 2009, S. 13 (wie Anm. 14). 16 Vgl. Mel Slater; Sylvia Wilbur: A framework for immersive virtual environments (FIVE). Speculations on the role of presence in virtual environments. Presence 6.6 (1997), S. 603–616.

17 Vgl. Emily Brown; Paul Cairns: A grounded investigation of immersion in games. CHI 2004 (2004), S. 1297–1300. 18 Vgl. Matthew Lombard; Theresa Ditton: At the Heart of It All. The Concept of Presence. Journal of Computer-Mediated Communication 3.2 (1997). Werner Wirth; Matthias Hofer: Präsenzerleben. Eine medienpsychologische Modellierung. montage/av 17.2 (2008), S. 159–175.

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14 Vgl. Jörg Döring; Tristan Thielmann: Mediengeographie. Für eine Geomedienwissenschaft. In: dies.: Mediengeographie. Theorie – Analyse – Diskussion. Bielefeld 2009. Tristan Thielmann: Quellcode der Orientierung. Ein Entwurf des Leon Battista Alberti. In: Sabine Autsch; Sara Hornäk (Hg.): Räume in der Kunst. Künstlerische, kunst- und medienwissenschaftliche Entwürfe. Bielefeld 2010, S. 233–252. Tilo Felgenhauer; Dorothee Quade: Society and Geomedia. In: Thomas Jekel (Hg.): GI_Forum 2012. Geovisualization, Society and Learning. Conference Proceedings. Berlin 2012, S. 74–82.

lungen bauen ein externes Bezugssystem außerhalb des Subjekts auf, während egozentrische Raumbilder das Bezugssystem über das Subjekt stülpen bzw. die Blickachse an das Bezugssystem anschließen, um es so in den medialen Raum hineinzuversetzen. Durch den digitalen Umbruch entstehen nun kartographische Medien, die es erlauben, zwischen allozentrischen und egozentrischen Darstellungsformen zu vermitteln und dadurch neue Formen des Umgangs mit geographischen Räumen und Orten zu schaffen. Der von der Medienwissenschaft vorgeschlagene Begriff für diese Art von Medien ist der der Geomedien.14 Geomedien können ganz allgemein als globale Kommunikationsmedien bezeichnet werden, deren Nutzung und Funktionsweise an einen bestimmten Ort gebunden sind. Das schließt lokalisierende Hardware wie GPS-Empfänger, RFID-Chips, Augmented-RealityApps oder lokalisierende Praktiken ebenso ein wie digitale Karten und Geobrowser als kommerzielle Varianten professioneller geo­graphischer Informationssysteme. Dementsprechend sind Geomedien nicht als Einzelmedien taxonomierbar, sondern konstituieren sich als technologische Assemblagen, die eine Positionierung von Menschen und Dingen ermöglichen, diese dann optional auf Karten oder kartenähnlichen Interfaces visualisieren und so vielfältige Interaktionen zwischen den Nutzern und ihrer Umgebung ermöglichen. Daher beinhalten Geomedien das Potential, unsere Begegnung in und mit Räumen und Orten sozio-technisch zu reorganisieren.15 Dabei können Geomedien die Distanz zwischen den Betrachtern und dem Abgebildeten in Bezug auf die angebotenen Bildräume, Perspektiven und Blickachsen verringern. Dies verweist auf das Konzept der räumlichen Immersion, das all diejenigen Eigenschaften eines Mediums bezeichnet, die für ein Gefühl der ›abwesenden Anwesenheit‹ verantwortlich sind. Räumlich gedacht, ist Immersion dabei zunächst ein Angebot, sich in einer medialen Umgebung präsent zu fühlen16 oder von dieser gänzlich aufgesogen zu werden17. Im Gegensatz dazu betont das Konzept der Telepräsenz die nutzerseitige Bereitschaft und das Vermögen, in mediale Angebote einzutauchen, was so weit gehen kann, dass die mediale Umgebung zum primären Bezugsrahmen wird.18 Die jeweilige Technologie geht dabei in Bezug auf die Immersion

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20 Vgl. Jay Bolter; Richard Grusin: Remediation. Understanding new media. Cambridge 2000.

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19 Vgl. Gordon Callejy: In-Game. From Immersion to Incorporation. Cambridge 2011.

gewissermaßen in Vorleistung, indem sie den medialen Raum für eine gelungene Immersionserfahrung herstellt und so einen Aktions- und Erlebnisraum schafft, dessen Ausgestaltung als immersionssteigernd angenommen wird. Immersion und Telepräsenz haben damit den utopischen Fluchtpunkt einer vollständigen Transparenz der vermittelnden Instanz, der dann erreicht wäre, wenn die außermedialen Bezüge gänzlich zum Verschwinden gebracht werden könnten: eine Vision der totalen Immersion, die ihren Ursprung in der Cyberpunk-Literatur und den filmischen Fiktionen der 1990er hat und durch die Neuauflage von Virtual-Reality-Brillen wieder genährt wird. Auf die damit zusammenhängende Problematik der Operationalisierbarkeit beider Konzepte ist vielfach hingewiesen worden19, aber beide sollen hier lediglich als heuristische Unterscheidungen dienen, um unterschiedliche Momente leiblicher Präsenz in Geomedien zu identifizieren. Auf diese Weise können die räumlichen Qualitäten dreidimensionaler Geo-Umgebungen wie Google Earth mit älteren immersiven Medien wie dem Rundpanorama verglichen werden. Zugleich kann festgestellt werden, dass diese Umgebungen Interaktionsmöglichkeiten beinhalten, die in Computerspielen zu finden sind, wie das Zoomen und Scrollen, und die ein kinästhetisches Bewegungsgefühl vermitteln können. Als geo­ graphische Simulationsumgebungen tendieren Geobrowser zu einer verstärkten Immersion, indem sie über die räumliche Ausgestaltung und die Interaktionseinheiten Momente leiblicher Ko-Präsenz anbieten. Dabei können zwei Strategien identifiziert werden: (1) die Steigerung des Realitätseindrucks durch eine möglichst naturalistisch wirkende Umgebung, was mit einer fortschreitenden Mediatisierung geographischer Entitäten einhergeht, und (2) die Mimesis des menschlichen Blicks und menschlicher Bewegungsmodalitäten durch die Bereitstellung perspektivischer Manipulationsmöglichkeiten, die den mensch­ lichen Blick nachahmen. Diese beiden Strategien können mit den von Bolter und Grusin beschriebenen medialen Logiken »Hypermedialität« und »Transparenz« zusammengebracht werden, welche die Autoren als Motor der Entwicklung neuer Medien sehen.20 Hypermedialität liegt in Geobrowsern als mediale Vielfalt

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22 Google Inc.: Anleitungen. Auf der Erde navigieren (2009), https://support.google.com/ earth/answer/176674?hl=de (Stand: 17.08.2015).

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21 Google Inc.: Introducing Google Earth 6 – the next generation of realism (2010), http://googleVlatlong.blogspot.com/2010/11/ introducingVgoogleVearthV6thenext.html (Stand: 17.08.2015).

vor, die dadurch entsteht, dass möglichst viele geographische Details in eine visuell wahrnehmbare Form übertragen werden, um anschließend weitere Medien, wie Videos, Panoramafotografien und zeitkritische Kommunikationsdaten, als Schichten (Layer) über diese Basis zu legen. Daneben wird die Transparentmachung des Mediums durch die Positionierung der Betrachter im medialen Raum angestrebt, was auf die Aktivierung der affektiven Bestandteile der Präsentation durch Mimesis menschlicher Wahrnehmungsmodalitäten abzielt. Am Beispiel des Geobrowsers Google Earth lassen sich diese Strategien versionsgeschichtlich nachvollziehen: Der Eintrag, der im Google Earth Blog mit »the next generation of realism«21 überschrieben ist, kündigt die Neuigkeiten zum Release der Programmversion 6.0 an. Nach­dem mit der Version 5.0 bereits die Topologie des Meeresbodens visualisiert wurde, sind nun dreidimensionale Modelle von Bäumen hinzugekommen, die nebst den bereits existierenden Gebäudemodellen betrachtet werden können. Zudem steht seit der Version 4.3 ein so genannter Augenjoystick zur Verfügung, der mittels der Simulation kippender und rotierender Kopfbewegung die Erfahrung einer Telepräsenz durch die Inszenierung eines touristischen Blicks verspricht. Ein Zitat aus der Google EarthAnleitung verdeutlicht dieses produzentenseitige Bestreben: »Beim Umsehen blicken Sie von einem einzelnen Aussichtspunkt aus, so als ob Sie Ihren Kopf drehen würden«22. Hier wird eine Ver­schmelzung von Betrachterperspektive und Interaktionseinheit auf begrifflicher Ebene betont, was auch im Interface dadurch unterstützt wird, dass der auf dem Bildschirm abgebildete Joystick mit dem Icon eines Auges versehen ist. Durch diese Blick­ integration zeigt das Beispiel, dass eine Trennung zwischen inskriptionalen und medialen Darstellungen des geographischen Raums zunehmend verschwimmt, wenn Karten nicht mehr primär die Gestalt flacher Inskriptionen aufweisen, sondern aus vielen Bildflächen zu dreidimensionalen, geschichteten Räumen aufgebaut werden. Dies markiert einen Schritt heraus aus der neutralen Mittlerrolle; die digitale Karte avanciert zum Raumbild, das selbst bestimmte Handlungen und Rezeptionsweisen zulässt oder verhindert.

Die Karte als Aktionsraum

24 Mike Jones: Vanishing Point. Spatial Composition and the Virtual Camera. Animation 2, S. 225–243. 25 Gilles Deleuze: Das BewegungsBild. Frankfurt am Main 1989. S. 27.

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23 Sieht man von der stark abstrahierten Form eines solchen Stellvertreters ab, den es auf Google Maps als kleine, orangene, von Google »Pegman« getaufte Figur gibt, die mit der Maus auf einen beliebigen Punkt der Abbildung gezogen werden kann, worauf sich der automatische Wechsel von der Draufsicht in den Street View-Modus oder die Boden­ansicht vollzieht.

Kartographische Nutzungsformen: Allozentrik und Egozentrik Die Entwicklung von der flachen Zeichenfläche hin zum drei­ dimensionalen kartographischen Raum ist also das Ergebnis einer doppelten Transformation: Einerseits ändert sich die Ober­ flächenästhetik der Artefakte selbst, andererseits ermöglichen Interaktionsformen dynamische Perspektivierungen. Auf digitalen Karten lässt sich daher mit tradierten Konventionen wie der Nordung und der Draufsicht brechen, darüber hinaus schaffen 3D-Umgebungen in Verbindung mit einer virtuellen Kamera Immersionsangebote, die sich jenen digitaler Computerspiele­ umgebungen, insbesondere Open-World-Spielen wie Grand Theft Auto 5 (Rockstar Games 2013) oder Watch Dogs (Ubisoft Montreal 2014) annähern. Darüber hinaus entstehen durch das stufenlose Zooming spielerische Dynamiken von Nähe und Distanz. Eine virtuelle Kamera wird hier zu einer Akteurin im Dazwischen von Subjekt und medialem Raum, die den Blick zugleich überund vermittelt. Einerseits suggeriert dieser Blick ein Zusammen­ fallen von Auge und Kamera, andererseits bleibt eine seltsame Distanz zum Abgebildeten, da mein Körper ja nicht wie bei den oben genannten Computerspielen durch einen Avatar repräsentiert ist, sondern lediglich mein Blick mediatisiert wird.23 Dennoch verändert sich in solchen 3D-Umgebungen die Raumproduktion nach Mike Jones von der Mise-en-Scène zur Mise-en-Space: Die Gestaltung des medialen Raums bedeutet nicht länger eine Zurichtung für die anschließende Kamera­durchfahrt, sondern verlangt die Modellierung eines vollständig ausgestatteten Settings.24 Und die Kadrierung des medialen Raums bezieht sich im Zuge der Navigation mittels einer virtuellen Kamera nicht mehr auf ein geschlossenes System, »das alles erfaßt, was im Bild vorhanden ist«25, und das einen bestimmten Pfad vorgibt, sondern auf eine vollständig mediatisierte Umwelt, die als virtuelles Set zum um­fassenden Studio-Environment wird. Dabei werden filmische Spezialeffekte, Computerspiele und geomediale Umgebungen heute nach diesem Muster und mit ähnlichen Werkzeugen produziert, doch die medialen Grenzen werden als Grenzen des Wahrnehmbaren im Laufe der Medien­nutzung unterschiedlich verhandelt. Denn im Gegensatz zum Film ist in geographischen

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26 Valérie November; Eduardo Camacho-Hübner; Bruno Latour: Entering a risky territory. Space in the age of digital navigation. Environment and Planning D 28 (2010), S. 581-599.

und in Computerspieleumgebungen die kreative Ausgestaltung des räumlichen Erlebnisses auf die Nutzer­innen und Nutzer übertragen, und die Interaktionseinheit, die ein Scrolling, Panning und Zooming anbietet, wird zu einer den Raum expandierenden Sinnestechnik. Doch während im Computerspiel die Ränder des begehbaren Territoriums häufig als unsichtbare Natur-KulturGrenzen in Form von Invisible Walls markiert werden, wird in Geobrowsern eine Illusion grenzenloser Navigation durch die stetige Belieferung mit neuen Bilddaten bzw. ihrer Interpolation geschaffen. Das Kriterium der Indexikalität der Abbildung funktioniert dadurch nicht mehr als Leitunter­scheidung zwischen einer geographischen und einer medialen Produktion von Raumbildern, denn durch die Immersionsleistung und die Freiheiten der Navigation in virtuellen Räumen bemisst sich der Wert der Repräsentation nicht mehr allein an der Über­einstimmung mit dem repräsentierten Territorium, sondern auch an der Qualität des ›Geführtwerdens‹ entlang einer Kette von Abbildungen und an den Möglichkeiten des freien Explorierens bzw. am dynamischen Wechsel zwischen diesen beiden Modi.26 Aufgrund der immersiven Qualitäten und der Möglichkeiten zur Interaktion wird auch innerhalb der Kartographie das Potential für einen spielerischen Umgang mit digitalen Karten betont. Durch die Verwendung von Luft- und Satellitenbildern, panoramatischen Fotografien und nutzergenerierten Videos sind digitale Karten und Globen heute weit mehr als nur Visualisierungen der geographischen Welt, die zum Zweck der Informationsgewinnung und zur Navigation genutzt werden, vielmehr stellen sie eigene mediale Raumbilder und Environments dar, die zur Positionierung, Kontemplation und zum ästhetisch motivierten Schauen einladen. Darüber hinaus kombinieren Geomedien kartographische Abbildungen und kartenähnliche Visualisierungen mit Daten aus dem Internet und sozialen Netzwerken, wodurch sie zur Informationsaggregation und zum Erstellen eigener Inhalte genutzt werden können. Diese Nutzungsformen sind mit dem Begriff des Kartenlesens nicht mehr ausreichend beschreibbar, sondern müssen als Praxis des Kartenschauens, Navigierens und Kartierens adressiert werden. Durch die begriffliche Ausweitung werden einerseits Formen

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28 Manfred Sommer: Suchen und Finden. Frankfurt am Main 2002.

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27 Paul Kingsbury; John Paul Jones III: Walter Benjamin’s Dionysian Adventures on Google Earth. In: Geoforum 40.4 (2009), S. 502-513.

des kontemplativen Kartengebrauchs stärker berücksichtigt, andererseits werden die angesprochenen ästhetischen Trans­formationen bekräftigt, die den Fokuswechsel innerhalb der Kartographie von der Repräsentation eines Territoriums hin zur Visualisierung lokalisierter Daten als zentrale disziplinäre Tätigkeit unterstreichen. Kingsbury und Jones unterscheiden beispielsweise zwischen einer dionysischen und einer apollinischen Kartennutzung. Während mit apollinischen Nutzungsformen staatlich-militärische Dispositive gemeint sind, die auf Übersicht, Draufsicht und Kontrolle eines Territoriums abzielen, gehen dionysische Nutzungsformen über derartige Kartenleseprozesse hinaus und schließen den spielerischen Umgang mit Karten ein.27 Die Autoren stützen ihre Argumentation dabei auf soziale Interaktionen, die hauptsächlich im Veröffentlichen medialer Störungen auf spezialisierten Blogs und Internetseiten bestehen: Nutzer teilen mit anderen Fundstücke auf digitalen Karten wie Aufnahmen mit ungewöhnlichen Perspektiven, hervorgerufen durch Verzerrungen während der Bildproduktion, Fehlfarben oder gigantische Insekten. Diese Betonung der Störung geht jedoch an den eigentlichen Trans­ formationen vorbei: Zwar lässt sich anhand dieser Auffälligkeiten die Fragilität der Indexikalität und die Multivokalität von Satelliten­bildern gegenüber kartographischen Zeichen aufzeigen, aber die Beispiele sagen nichts darüber aus, wie im medialen Raum ein spielerisches und relationales Verhältnis von Körper und Raum entstehen kann. Weitaus bedeutender scheint dagegen die aus der dionysischen Verwendungsweise ableitbare Egozentrik, die Tristan Thielmann in Anlehnung an Manfred Sommer und mit Blick auf Navigationsgeräte als dezidiert »mobile Egozentrik« beschreibt: »Der Ich-Punkt, wie bewegt auch immer auf der Karte, bleibt doch beharrlich in der Mitte des Displays. Sobald man einmal die Bildwahrnehmung aufgibt und nicht länger die dargestellten Straßen, sondern den realen ›Bilderrahmen‹ ins Auge faßt, kommt es sogar zu einem Gestalt-Sprung: Nicht der Punkt, der ich bin, bewegt sich auf der eingezeichneten Straße dahin, sondern sie zieht unter ihm, der beharrt, hinweg. Dann entsteht der Eindruck: nicht ich komme meinem Ziel näher, sondern es mir.«28

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29 Donna Peuquet; Menno-Jan Kraak: Geobrowsing. Creative thinking and knowledge discovery using geographic visualization. Information Visualization 1.1 (2002), S. 80–91.

Der Blick oder der Ich-Punkt bleibt als abstrahierter Avatar immerzu in der Mitte der Darstellung, die sich dynamisch um diesen Punkt nach jeder Bewegung orientiert und neu orientiert, wodurch es zu einer Subjektivierung des ansonsten abstrakten Zeichensystems kommt. Dadurch wird mir suggeriert, dass ich mich stets im Mittelpunkt des dargestellten Territoriums befinde, wie dies auch auf den Karten von Navigationssystemen der Fall ist (vgl. Thielmann 2007). Dem egozentrischen Blickregime liegt ein navigatorisches Verständnis der Kartennutzung zugrunde, bei dem Raumbildproduktion und Raumdurchquerung immer zusammengedacht werden (vgl. Verhoeff 2012), was zu einer Navigationspraxis führt, die mit dem Begriff »Geobrowsing« umschrieben werden kann. Die wissenschaftliche Verwendung dieses Neologismus geht auf einen Artikel der Geographin Donna Peuquet und des Kartographen Menno-Jan Kraak zurück. Für sie ist das Geobrowsing Teil einer spielerischen Reformation tradierter kartographischer Umgangsformen. »We pan the map, zoom in and zoom out, and change colors. All of these involve ›playing‹ with the map to allow latent relationships to emerge. There are other ways of manipulating maps for this purpose that we may not ordinarily do – turning the map upside down and sideways, for example.«29 Der Bezugsrahmen der Handlung wird dabei durch die Vorsilbe markiert, die auf den geographischen Raum verweist und den statischen Teil des Begriffs markiert, der vom Verb »browsen« als aktiver Teil ergänzt wird. In einem Lexikon der Informatik heißt es unter »Browser, browse, Browsing«: »[…] grasen, schmökern; neudeutscher Über­ begriff für alle Tätigkeiten des Suchens, Sichtens und Auswertens inhaltlich zusammengehöriger Informationen in einem Daten­system oder Netzwerk.« Geobrowsing als mediale Praxis bewegt sich diesen Definitionen zufolge zwischen einer weniger gezielten Suche, einem »Grasen« und »Schmökern« – der eher ­unzweckmäßig gelenkten, konsumatorischen Stellenlektüre – und dem zielgerichteten Vorgang des Suchens, Sichtens und Auswertens. Darüber hinaus lässt sich festhalten, dass es sich um eine in der Topologie eines Netzwerks situierte Praxis handelt, wobei die Abbildungen des geographischen Raums den Bezugspunkt und Horizont bilden, der zwischen spielerisch und

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30 Matthias Birkenbach; Harun Maye: Zwischen fest und flüssig. In: Lorenz Gräf; Markus Krajewski (Hg.): Soziologie des Internet. Frankfurt am Main 1997, S. 80–98, S. 86–88.

analytisch oszilliert; die Endung des Verbs »browsing« ihrerseits deutet weniger auf eine Substantivierung des Infinitivs »to browse« hin als auf die Verwendung der Verlaufsform, was das dynamische Moment des Vorgangs unterstreicht. Als Metapher reiht sich Geobrowsing damit in eine ganze Liste weiterer Begrifflichkeiten zur Beschreibung digitalmedialer Praktiken ein, die in Bezug auf das Internet nach Birkenbach und Maye (1997) grundsätzlich in zwei Kategorien eingeteilt werden können: Einerseits finden nautische Metaphern Verwendung, wie das Surfen oder Navigieren, andererseits Begriffe, die das schnelle Vorankommen betonen, der Topos der Straße, die direkte Verbindung, für die sinnbildlich die Datenautobahn – das von Bill Clinton und Al Gore voran­getriebene Projekt des Information Super Highways – steht. In dieser Unterscheidung äußert sich ein ähnlich dichotomes Verhältnis des digitalen Medienhandelns wie in den vorangestellten Definitionen des Browsens, denn, wie die Autoren treffend fest­stellen, die Verwendung von Metaphern für das Internet und seine Nutzungsformen bewegt sich stets zwischen fest und flüssig, zwischen einem »in See stechen« und der »Landnahme«30. Hinter diesen Metaphern stehen Konzeptionen unterschiedlicher Handlungsmodi, wobei sich die eine am linearen Passieren als zielgerichteter Bewegung auf der Datenautobahn orientiert, während die andere dem flaneurhaften Treiben-Lassen näher steht, bei dem Richtungsänderungen situierte Entscheidungen dar­stellen, die spontan und kontextabhängig gefällt werden. Analog dazu unterscheidet das Unternehmen Google in seiner Außendarstellung zwischen dem Browsing als einer spielerischen Bewegung durch Abbildungen mittels der Blick- und Bewegungs­ steuerung, wie von Peuquet und Kraak beschrieben, und einem Search als gezielte Suche über ein Eingabefeld, wie man es von Suchmaschinen im Internet her kennt. Letzteres verweist wiederum auf eine weitere Verwendung des Begriffs »Geobrowsing« im Umfeld der Entwicklung kommerzieller Location Based Services Ende der 1990er Jahre. Damals wurde Geobrowsing vom damaligen Verantwortlichen des so genannten Digital City Projekts bei AOL, Ric Robinson, benutzt und sogar als .com-Domain registriert. Das Digital City Projekt war als nutzerzentrierter ortsbasierter Dienst konzipiert, bei dem sich Inhalte auf einem

Pablo Abend

32 Vgl. Arno Scharl: Towards the Geospatial Web. Media Platforms for Managing Geotagged Knowledge Repositories. In: Arno Scharl; Klaus Tochtermann (Hg.): The geospatial web. London 2007, S. 3–14.

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31 Private E-Mail-Korrespondenz mit Ric Robinson (21.06.2011).

kartographischen Interface dynamisch in einem festgelegten Radius um die Nutzer anordnen sollten, um den schnellsten Weg zu Produkten und Dienstleistungen aufzuzeigen.31 Zwar konnte damals die Vision eines solchen nutzerzentrierten Dienstes noch nicht zu einem marktfähigen Produkt umgesetzt werden, denn die Telekommunikationsinfrastruktur war noch nicht ausreichend ausgebaut und ihre Kapazitäten ließen die notwendigen Datentransfers noch nicht zu, aber das Konzept des Geobrowsings floss in die weitere Entwicklung dieser Dienste wie Google Local, dem späteren Google Maps, mit ein und konnte mit der Verbreitung internetfähiger Smartphones in ihrer vollen Ausprägung um­­gesetzt werden. Dem ökonomischen und dem wissenschaftlichen Verwendungskontext des Geobrowsings ist dabei gemein, dass es bei beiden um eine Individualisierung des mediatisierten Raum­ erlebens geht. Sie ist sowohl für die Erfahrung des Geobrowsings als immersives Erleben als auch für die funktionale Ästhetik ortsbasierter Dienste konstitutiv. Beide folgen einem Paradigma der Egozentrierung, ziehen jedoch sehr unterschiedliche Präsenz­ erlebnisse nach sich, die sich an der Gerichtetheit der medialen Handlung ausdifferenzieren und erneut als relationale Beziehung des positionierten Subjekts zum umgebenden Datenraum gedacht werden müssen. Denn während ich mich im Fall der Navigation durch eine dreidimensionale Geobrowser-Umgebung wie Google Earth innerhalb der medialen Umgebung befinde, durch die ich mittels einer virtuellen Kamera hindurchnavigieren kann, um mir Informationen einzuholen, bin ich bei der Benutzung mobiler Location Based Services per GPS zwar ebenfalls derart zentriert, aber die Daten und Informationen lasse ich mir dahin liefern, wo ich gerade darauf warte. An die Stelle eines »Being there«, als Transport in eine mediale Umgebung, tritt das »You are here« als Belieferung mit Daten und Informationen. Dies führt dazu, dass die tradierte ethnozentrische Orientierung auf digitalen Weltkarten offenbar zugunsten eines flexiblen Egozentrismus aufgegeben wird, der den einzelnen Nutzer stets in den Mittelpunkt der (Medien-)Welt stellt. Dadurch kommt es zu einer Flexibilisierung des Referenzrahmens der Kartennutzung, der sich auf das Internet als solches auswirkt: Ein Geoweb32, in dem

Die Karte als Aktionsraum

34 Eric Gordon: The Metageography of the Internet. In: Jörg Döring; Tristan Thielmann (Hg.): Mediengeographie. Bielefeld 2009, S. 397-411.

35 Tim O’Reilly: What Is Web 2.0 (2005), http://www.oreilly.com/ pub/a/web2/archive/what-isweb-20.html (Stand: 17.08.2015).

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33 Sommer 2002, S. 276 (wie Anm. 28).

Daten auf der Basis realweltlicher Verortung klassifiziert, sortiert und angezeigt werden, ist in erster Linie ein subjektzentriertes Netzwerk, das möglichst ohne Zeitverzögerung relevante Infor­ mationen um die lokalisierten Nutzer anordnet und sich im Fall einer Bewegung möglichst flexibel neu formiert. Die Realisation einer solchen dynamisch-egozentrischen Weltanordnung ist nach Manfred Sommer der eigentliche Motor, der alle Technologien kartographischer Datenaggregation und Vermittlung in Bewegung setzt: »Bloß um der vermeintlichen Kleinigkeit willen, mich stets wissen zu lassen, wo ich bin, mußte tatsächlich erst die ganze Welt geometrisch vermessen sein und funktechnisch ummantelt werden«33. Ein solcher Wechsel von einer absoluten, allozentrischen Ordnung zu einem relationalen, egozentrischen Gefüge führte nicht nur zu neuen Nutzungsformen karto­ graphischer Medien, sondern eventuell auch zu neuen Nutzungsdispositiven. Denn, wie Eric Gordon ausführt, lässt sich anhand geographischer Medien ein paradigmatischer Umbruch in der Konzeption des Internets ablesen: »[A]ll these applications seek to do the same thing: transform one’s experience of the network from something distant and external to some­thing intimate and internal. The network appears to be subordinate to the everyday actions of users, as opposed to the other way around.«34 War das Metaverse in Neal Stephensons Snowcrash noch ein Raum, der vom Protagonisten Hiro betreten und begangen werden konnte, so dominiert im Zeitalter des Ubiquitious Computing und des Internets der Dinge das Bild der Schichtung und Durchdringung der physischen Welt mit digitalen Daten, wie im Film Her, in dem der Auftragsautor Theodore Twombly (Joaquin Phoenix) eine innige Beziehung zu der allgegenwärtigen akusmatischen Stimme seines tragbaren Betriebssystems aufbaut. Während das geographische Grid wie auch das Datennetz zunächst als Bezugssysteme konzipiert wurden, die außerhalb der Alltags­welt stehen, so überlappen, durchkreuzen und verweben sie sich. Demzufolge ist die Wende in der Wahrnehmung des Internets, vom Apologeten des neuen Zeitalters Tim O’Reilly einst mit dem Label »Web 2.0« versehen35, nicht primär als technologische Weiterentwicklung des Internets oder als Neuausrichtung der

Pablo Abend

Die Karte als Aktionsraum – für eine praxeologisch ausgerichtete Welt-Bild-Kritik Kommen wir nun zurück zur Eingangsfrage. Ausgehend von der Annahme, dass Karten Weltbilder produzieren, wurde hinterfragt, ob sich nun durch digitale ortsbasierte Medien daran etwas verändert. Worin besteht die spezifische Konnotation digitaler Karten und welchen Unterschied macht die beschriebene Ego­ zentrik für die Produktion von Weltbildern? Zunächst lässt sich festhalten, dass der Doppelcharakter der Karte zwischen werkzeugartig und semantisierend durch die Digitalisierung nicht ver-

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36 Gordon 2009 (wie Anm. 34).

Innovations- und Produktstrategie der am Markt operierenden Unternehmen zu verstehen, sondern als Umbau eines allozentrischen zu einem egozentrischen Netzwerk. Folglich geht die Egozentrik gegenwärtiger Mapping-Applikationen einher mit einer Neurahmung der »Metageographie«36 des Internets im Zeitalter des Social Webs: Statt weiterhin außerhalb des Territoriums zu stehen, befindet man sich nun mittendrin im medialen Datenraum. Wir sind im Zentrum der medialen Repräsentation, doch diese ist nun mit dem Netzwerk verwoben und nicht mehr davon zu trennen. Denn zwar baut das ego­zentrische Weltbild der Kartographie immer noch auf einem allozentrisch organisierten sozio-technischen Dispositiv zur Lokalisierung auf – dem Global Positioning System mit dem zugehörigen WGS84-Referenzsystem –, diese Infrastruktur agiert jedoch weitgehend im Verborgenen, und mit der Nutzung mobiler Geomedien, die an die Verortung mittels GPS-Sendern und Sensoren gekoppelt ist, wird unser Körper selbst ein Point of Interest in diesem sozio-technischen Grid. Mit der Egozentrik geht daher zwangsläufig die Adressierung einher, denn die vermeintliche Effizienz der Subjektzentrierung – manchmal landen die Nutzer von Navigationsgeräten auch in einem Fluss, viel öfter auf verstopften Ausweichrouten – ist an die exakte Leib-Lokalisierung gebunden. Geomedien sind daher immer auch lokalisierende Medientechnologien. Mobile ortsbasierte Apps wie Foursquare zeugen von diesem Wandel, denn sie bringen mir Daten nahe und integrieren mich dabei zugleich selbst als Datenproduzentin in das Netzwerk.

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38 Tristan Thielmann: Der ETAK Navigator. In: Georg Kneer; Markus Schroer; Erhard Schüttpelz (Hg.): Bruno Latours Kollektive. Frankfurt am Main 2008, S. 180-218, S. 212.

39 Frieder Nake: Das doppelte Bild. In: Margarete Pratschke (Hg.): Digitale Form. (Bildwelten des Wissens 3.2). Berlin 2005, S. 40-50.

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37 Vgl. Krämer 2008, S. 320 (wie Anm. 5).

schwunden ist, aber durch die Abhängigkeit von der Lokali­sierung und Interaktion der Nutzer eine zeitlich und örtlich situierte, kontextualisierte Betrachtungsweise erfordert.37 Damit ist die Instanz, die einerseits über den Realismus im Sinne indexikalischer Kohärenz, andererseits über die produzierten Weltbilder entscheidet, nicht allein auf Seiten der Produzenten, sondern ebenso am Ort der Dekodierung zu finden, denn, wie gezeigt wurde, im Akt der Nutzung löst sich die Gesamtheit der Oberfläche in viele kleinere Einheiten auf, und die Allozentrik zerfällt in eine Ansammlung egozentrischer Perspektiven: Ein Weltbild wird hergestellt, mit dem feinen Unterschied, dass dieses Weltbild um uns und durch uns selbst immer wieder zerfällt, sich neu zusammensetzt und anordnet. Und an dieser Stelle können wir also den Versuch wagen, die Frage nach dem Unterschied zwischen analogen und digitalen Karten zu beantworten. Denn die Technologien der Erfassung der Erde und des Körpers laufen am Punkt der Egozentrik zusammen. Für die digitale Kartographie gilt also, dass sie ihre Spezifik nicht durch die Digitalisierung an sich, sondern vielmehr durch deren ästhetische Folgen erfährt: »Nicht die GPS- oder die Digitaltechnologie, sondern der GestaltSprung ›mobiler Egozentrik‹ kennzeichnet eine medienhistorische Schwelle«38, wie Tristan Thielmann ausführt. Dieser Sprung zeigt sich erst im Laufe der Mediatisierungsgeschichte, wenn wir die paradigmatischen Transformationen betrachten und ihre rezeptionsästhetischen Folgen nachzeichnen. Hier wird neben der sichtbaren Bildfläche eine zweite Ebene der digitalen Bildlichkeit entscheidend, die Frieder Nake als die Unterseite oder -fläche des digitalen Bildes bezeichnet.39 Demnach sind digitale Bilder immer (ver-)doppelte Bilder, da ein Teil ihrer Semantik, bedingt durch ihren Produktionsprozess, in die nicht sichtbare Syntaktik des an der Bildunterfläche liegenden Codes übertragen ist. Bezogen auf die Kartographie ist diese doppelte Bildlichkeit Voraussetzung für die Interaktion zwischen den Betrachtern und dem kartographischen Bild, indem sie ermöglicht, dass die Oberfläche zur Schnittstelle zwischen den Betrachtern und der Unterseite wird. Das bedeutet, dass lediglich die Oberseite, die kartographische Basiskarte oder das Umgebungsbild einer Augmented-Reality-App, an analoge

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41 Martin Reiche: The Destruction of Space by Augmentation. In: Ulrich Gehmann; Martin Reiche (Hg.): Real Virtuality. About the Destruction and Multiplication of World. Bielefeld 2014, S. 273-279, S. 275.

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40 Espen Aarseth: Cybertext. Perspectives on Ergodic Literature. Baltimore 1997.

kartographische Präsentationen anschlussfähig bleibt, während sich an der Unterseite Manipulationsmöglichkeiten eröffnen, die jenseits eingesetzter Projektionsmethoden liegen. Denn die Egozentrik der digitalen Karte beschränkt sich nicht auf die Manipulation der Oberfläche, sondern nimmt Einfluss auf die darüber geschichteten Daten und die darunterliegenden Vernetzungen. In solchen »ergodischen Medien«40 unterhält die Oberfläche eine nicht-triviale Beziehung zur Unterfläche, das heißt, es kann über die Oberfläche Einfluss auf die Struktur ausgeübt werden, was Espen Aarseth anhand des Hypertextes beschreibt. Dieser ermöglicht gerade dadurch ein nicht-lineares Erzählen, dass er sich an der Nutzernavigation orientiert und nicht an einer fest vorgegeben, linearen Trajektorie. Die Verbindung von Ober- und Unterseite ist aber keine Einbahnstraße, sondern ein Feedback-Loop, denn sonst wäre ein Abfragen von Daten mit anschließender Lieferung derselben gar nicht möglich. An der Unterseite aber wird verhandelt und entschieden, welche Inhalte die Nutzerin erreichen. Durch das Prinzip des Layerings kann die Repräsentation dabei stets stabil gehalten werden, während sie von Daten, die mich bei mobilen Geomedien in Echtzeit erreichen, dynamisch überlagert wird. Diese Form der Anreicherung von Repräsentationen beeinflusst dann wiederum unsere Wahrnehmung des physischen Raums, jedoch nicht durch die Projektionsmethode oder die Perspektivierung, sondern durch das Prinzip der Anreicherung der Wahrnehmung mit zusätzlichen Informationen. Dabei werden Orte zu »Locations« oder Points of Interest und bekommen so eine neue Geschichte, die sich an den Eingabemöglichkeiten orientiert. »However, this functionalized view of these entities […] has consequences on the way how the user perceives the quality of the places that he or she visits: if every entity of the real world, every discoverable part of the pysical world is pressed into the same uniform data structure, then ultimately important qualities of the places will get lost.«41 Autorinnen und Autoren wie Matthew Zook, Mark Graham und Lisa Parks weisen auf diese Einflussnahme hin. Sie zeigen, wie durch Geoinformationssysteme neue Aufmerksam­ keitszentren entstehen. Beispielsweise unterliegen geographische Mittelpunkte der Willkür derer, die die Technik des Zoomings

Die Karte als Aktionsraum

43 Vgl. Matthew Zook; Mark Graham: The Creative Reconstruction of the Internet. Google and the Privatization of Cyberspace and DigiPlace. Geoforum 38.6 (2007), S. 1322-1343.

44 Eli Pariser: The filter bubble. What the Internet is hiding from you. New York 2011.

bereitstellen: Zoomt man bei Google Earth in Nordamerika hinein, landet man auf einer Pferdefarm in Kansas, bei der deutschen Variante in der Nähe der Stadt Langula in Thüringen, und mit kanadischer IP-Adresse findet man sich auf dem Campus der Universität Winnipeg wieder. Diese neuen Zentren wurden ohne öffentliche Debatte von Google bestimmt, sie entstehen durch bewusste Kodierung des Systems ohne das Feedback der Nutzer.42 Unternehmen erweitern dabei ihre Kontrolle systematisch auf die Sphäre der Nutzung. Entscheidend ist dabei die mediale Handlungsinitiative, die darauf Einfluss nimmt, welche Informationen zu mir fließen dürfen, wie diese Informationen sortiert werden und wie ich mit diesen Informationen interagieren kann.43 Die Geschichte eines Ortes kann so gewissermaßen durch die Protokolle der Software überschrieben werden. Eine solche Standardisierung wird dann zum Problem, wenn die Exploration eines Ortes an die Softwareausgabe gebunden ist und diese daher zum Referenzrahmen der Raumerfahrung wird. Und da normalerweise hinter einem solchen Mapping-Angebot ein kommerzieller Akteur steckt, schreiben sich Unternehmens­strategien mit ein. Nach Eli Pariser tendieren Plattformbetreiber dazu, einen Raum zu schaffen, den er die »filter bubble«44 nennt. Dieser aus Daten­sätzen bestehende, topologische Raum stellt eine engere Vorauswahl für die Anwender dar, die gleichwohl mittels Data-Mining aus individuell aggregierten Suchpräferenzen zusammengestellt ist. Ich befinde mich in einer Blase, und es werden mir nur diejenigen Informationen auf meiner Facebook-Timeline oder in den Google-Suchergebnislisten angezeigt, die den bewusst oder unbewusst gespeicherten Präferenzen meines Nutzerprofils entsprechen. Im Kontext indexikalisch operierender Geomedien konterkariert dieses Verfahren die Entdeckung neuer Territorien und räumlicher Relationen, was die von Peuquet und Kraak identifizierten, emergenten Qualitäten des Geobrowsings unterläuft. Es kommt zum Kurzschluss zwischen vorangegangenen Entscheidungen und Bewegungen, die als individuelle Präferenzen kategorisiert werden, und dem zukünftigen Verhalten, das auf Basis dieser Präferenzen prognostiziert wird. Auf diese Weise werden die mit der Egozentrik verbundenen Freiheitsgrade von kommerziellen Interessen überlagert, wobei zugleich eine Normalisierung des

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42 Lisa Parks kommt in ihrer historischen Betrachtung der Entwicklung von NASAs Digital Earth zu einem ähnlichen Schluss. Eine öffentliche Vor­ führung des Programms endet mit dem Zoom aus dem Orbit zum Washington Monument. Parks zeigt, dass in diesem Fall eine bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit vermutet werden kann, und vergleicht die Politik des Geobrowserdesigns mit dem Agenda Setting anderer medialer Formate, wie dem des Nachrichtensenders CNN, der zwar ein globales Fernsehunternehmen sei, dabei jedoch fast ausschließlich auf US-amerikanische Nachrichten fokussiere. Schließlich bringt sie das Beispiel des Geobrowsers Terravision II, bei dessen Vor­stellung der erste Zoom aus dem All über den Forschungseinrichtungen des Unternehmens ESRI endete – allesamt Belege für eine Verflechtung des Lokalen mit nationalen und kommerziellen Interessen. Vgl. Lisa Parks: Satellite and Cyber Visualities. Analyzing ›Digital Earth‹. In: Nicholas Mirzoeff (Hg.): The visual culture reader. London 2002, S. 279-294, S. 282.

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46 Vgl. Bruno Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie. Frankfurt am Main 2007, S. 316. Bruno Latour: Zoom auf Paris. Die sichtbare Stadt, die totalisierte Stadt, die unsichtbare Stadt. Lettre International 92 (2011), S. 52-53.

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45 Gordon 2009, S. 410 (wie Anm. 34).

Blicks beobachtbar ist, denn die Möglichkeiten interaktiver Manipulierbarkeit und individueller Perspektivierung des medialen Datenraums suggerieren weiterhin eine nutzerseitige Kontrolle, während mit der Notwendigkeit für das reibungslose Funktionieren der Software eine autoritäre Kontrolle des Körpers und Blicks einhergeht. Wer die Vorzüge der Egozentrik nutzen möchte, muss einer genauen Adressierung und dem darauf folgenden Tracking und Tracing des Körpers zustimmen. Das Subjekt wird hier gleichsam zum Datum, wie Gordon ausführt: »The cost of relocating oneself within digital networks is being located within those same networks – not as a person, but as a commodity, as data«45. Durch die Egozentrik des persönlichen Blicks werden Überwachung und Überwachtwerden gleichsam zu einem sehr persönlichen Gefühl. Macht und Ohnmacht treten zugleich auf, was durch das Empfinden einer räumlichen Unmittelbarkeit verschärft wird, die Nähe, wenn nicht gar Intimität, zum Abgebildeten suggeriert. Dabei werden die technologischen Bedingungen der Raumbildproduktion für die Überwacher und die Überwachten zugleich zunehmend transparenter und verschwinden schließlich ganz aus der Wahrnehmung. Während man sich selbst bei der Nutzung von Google Earth, wie Bruno Latour bemerkt, als Beobachter innerhalb einer panoptischen Anordnung wähnt, misslingt eine allseitige Überwachung, denn im Laufe der Nutzung teilt sich das vermeintliche Panoptikum in unüberschaubar viele kleine Einzelperspektiven auf. Diese so genannten »Oligoptiken«46 bringen sogleich die Opazität des Mediums wieder ins Bewusstsein. Der Nutzer fragt sich unwillkürlich: Was können andere von mir sehen, wie lässt sich dieses Wissen in Macht über mich verwandeln? Bezogen auf digitale Weltbilder bleiben sowohl die apollinische Allsicht als auch die partikulare egozentrische Perspektive Endpunkte, die beide lediglich simuliert auftauchen. Die apollinische Perspektive und der egozentrische Blick sind beharrliche Illusionen des Digitalen, an deren Perfektion weiter gearbeitet wird. Machteinschreibungen finden aber nicht mehr nur auf der Oberfläche der Repräsentation statt. Wer immer noch Einblick in die Macht der Karten haben will, darf sich von dieser Oberfläche nicht täuschen lassen und muss stattdessen nachzeichnen, nach welchen Regeln die vielen kleinen trans­

Die Karte als Aktionsraum

parenten Fenster sich öffnen und an welchem Punkt, in welchen Rechen(schafts-)zentren sie versammelt werden.47 Die Plattform gibt dabei den Rahmen vor und funktioniert als Schnittstelle. Auch die egozentrische Perspektive auf die (Daten-)Welt wird von neuen und alten Gatekeepern beeinflusst, deren Handlungsinitiative zunehmend unterhalb der Oberfläche zu verschwinden droht. Hier hilft die Betrachtung von Geomedien dabei, einen zentralen Aspekt des Digitalen überhaupt zu illustrieren: Mit dem darunterliegenden Code werden unsere Sinne in das Un­sinnliche herabgezogen bzw. dorthin, wo das sinnliche Material Transformationen erlebt, die nur schwer einsehbar, dafür aber umso präziser erlebbar sind. Eine Kritik an diesen Prozessen lässt sich mit Blick auf die Inhalte und Images der Karte allein nicht mehr üben. Die Analyse muss die Strukturen jenseits der Repräsentation dekonstruieren. Während John Brian Harley die Dekonstruktion der Karte als Mittlerin eines bestimmten, distanzierten Images anhand der Analyse des Kartentextes vornahm, müssen nun auch die verkörperten sichtbaren und unsichtbaren Praktiken der Verortung aufgedeckt werden, die an den vielfältigen Formen des Mappings beteiligt sind. Dies beinhaltet, nach den Politiken der Positionierung an der Unterseite des Netzwerks zu fragen. Eine solche Sichtweise blickt hinter die Macht der öffentlichen Images und propagiert einen Fokuswechsel von der Karte hin zu den vielfältigen Praktiken des Kartierens. An die Stelle eines angenommenen universellen, zentral gesteuerten Kartierungsimpetus, der stets mimetisch zu denkende, distan­zierte Inskriptionen hervorbringt und einer nationalstaatlichen Agenda folgt, treten heute vielfältige räumliche Diskurse, die sich durch ihre unterschiedlichen Raumkonzeptionen und Raum­perspektiven voneinander unterscheiden. Anstelle die Macht DER Karten oder die Dekonstruktion DER KARTE zu privilegieren, ist die Konstitution jeder einzelnen Form des Kartierens als Assemblage aus verkörperten, also performativen und zeichenhaften und damit grafischen Praktiken zu untersuchen. Zwar wird dann sichtbar, dass sich mit der Digitalisierung Machtverhältnisse verschieben, auch weil neben der staatlich organisierten Kartenproduktion neue Akteure wie Laienkartographen und private Unternehmen als Kartenproduzenten auftreten, doch diese Verschiebungen bedeu-

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47 Beim Begriff »Rechenschaftszentren« handelt es sich um eine Übersetzung des ursprünglich von Bruno Latour eingeführten Begriffs »centers of calculation« durch den Ethnologen Richard Rottenburg, der ursprünglich von »Rechen(schafts)zentren« schrieb. Vgl. Richard Rottenburg: Weit hergeholte Fakten. Eine Parabel der Entwicklungshilfe. Stuttgart 2002. Bruno Latour: Science in action. How to follow scientists and engineers through society. Cambridge 1987, S. 215–217. Vgl. Schüttpelz 2013, S. 26 (wie Anm. 2).

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ten keineswegs, dass sich alte Hoffnungen eines emanzipatorischen Mappings einlösen und sich dauerhaft Alternativen zu ethno­ zentristischen kartographischen Welt­bildern ergeben. Denn auch Laienkartographen operieren teils mit objektivistischen Modellen, die mit staatlichen Instanzen ver­gleichbar sind. Die am Markt agierenden multinationalen Unternehmen liefern sich selbst zentrierende Repräsentationen, deren Abbildungskonventionen kommerziellen Strategien folgen. Neu ist hierbei, dass gemäß dem Modell des kartographischen Egozentrismus ein und dieselbe Plattform kontext- und standortabhängig unterschiedliche Weltbilder produziert, ohne dass die zugrunde liegenden Aushandlungsprozesse ersichtlich würden. Ein relationaler Raumbegriff wird hier als Bestreben einer flexiblen Normalisierung ausagiert, bei der territoriale Grenzen standort- und plattformabhängig variieren. Eine Dekonstruktion der Karte wird unter diesen Bedingungen durch die Egoperspektive noch weiter erschwert, weil die Simulation von Präsenz die Darstellung naturalisiert, die darunterliegenden Mechanismen der Welterzeugung maskiert und die Distanz zum Untersuchungsgegenstand schrumpfen lässt. Eine Blackbox umschließt dann nicht mehr nur die technologischen Bedingungen der Produktion, sondern auch die ihr zugrunde liegenden Praktiken der Verhandlung über die Modalitäten ihrer Funktionsweise nach außen. Es könnte sich also als notwendig erweisen, Harleys Ansatz einer kritischen Analyse sozio-technischer Bedingungen der Kartenproduktion und der Kartengestalt als kulturellen Text im Sinne einer praxeologischen Herangehensweise zu ergänzen. Diese würde beinhalten, die Rolle der Produktionsund Distri­butionstechnologien neu zu hinterfragen und dabei, im Sinne des vorhergehenden Exkurses über die Egozentrik des karto­graphischen Blicks, von den Politiken des Kartentextes zu den Politiken der Platzierung und Deplatzierung der Subjekte überzu­gehen. Dabei ist von besonderer Bedeutung, die Wissens­ produktion situiert und an der Schnittstelle von Technologie, Text und Nutzung zu betrachten und dabei die technologischen Bedingungen aufzuzeigen, die bestimmte Formen der Macht­einschreibung konstituieren und vereinfachen. Nicht zwischen den Zeilen, sondern hinter den Zeilen lesen!

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Pablo Abend Dr. Pablo Abend ist seit Oktober 2014 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt Modding und Editor-Games. Partizipative Praktiken mediatisierter Welten am Institut für Medienkultur und Theater der Universität zu Köln. Promotion an der Graduiertenschule Locating Media/Situierte Medien in Siegen zur Nutzung digitaler, kartographischer Medien. Schwerpunkte in Lehre und Forschung: Digitale Medien, Geomedien, Orts- und situationsbezogene Medienforschung, Partizipative Praktiken des Computerspiels, Medien und politischer Protest, Science and Technology Studies. Publikationen: Geobrowsing Google Earth und Co. Nutzungspraktiken einer digitalen Erde (2013); The Map Becomes the Gamer’s Territory – Kartographische Bildpraktiken des Computerspiels. In: Benjamin Beil; Marc Bonner; Thomas Hensel (Hg.): Computer-Spiel-Bilder (2014); Apps als Kunst? Zum Verhältnis von Medienkunst und Technologie. In: Sprache und Literatur 44.1 (2013); Bring Tent. Laboratorien des Protests (zus. mit Annika Richterich) In: Nadine Taha; Raphaela Knipp; Johannes Paßmann (Hg.): Vom Feld zum Labor, Siegen (2013), S. 132–149.

Sinnlichkeit und Sinnesarbeit 9

Auffällig ist, dass wir im Umgang mit diesen Karten unbedacht das Verschwinden der Realgeographie in einem »schwarzen Datenmeer« hinnehmen, anders: dass die neuen kartographischen Landschaften aus der Negation dessen heraus ihre Präsenz gewinnen, was ihre Möglichkeitsbedingung ist: die mathematisch-

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1 Gilles Deleuze: Was die Kinder sagen. In: Kritik und Klinik. Frankfurt am Main 2000, S. 85-93, S. 85.

Offensichtlich gibt es heute ein Karten-Ich. Eine »egozentrische« Karte, etwa das Global Positioning System, lässt mich inmitten eines Datenraums aufblitzen und als Mitte einer Karten­ welt erfahren. Exakte leiblokalisierende Daten, die mich in das Bezugssystem selber hineinübertragen, legen um mich eine Umgebung, ein Milieu fest, lassen mich Teil einer Karte werden, Karte sein. Nicht also wird die Karte eins mit ihrem Territorium, sondern mit ihrem Benutzer, ohne den, ohne dessen Existential­ daten, es sie gar nicht gäbe. Aus der Erfahrung des Dabeiseins, auch des Ununterscheidbarwerdens von Karte und Benutzer, kann nun auch gesprochen werden von einer Karten-Libido, wie sie Gilles Deleuze an den Wegekartenbildern von Kindern beobachtet hat: »Die Wegstrecke verschmilzt nicht nur mit der Subjektivität derjenigen, die eine Umgebung durchlaufen, sondern mit der Subjektivität der Umgebung selbst, sofern sie sich in denen reflektiert, die sie durchlaufen. Die Karte drückt die Identität des Verlaufs und des Durchlaufenden aus. Sie verschmilzt mit ihrem Objekt, wenn das Objekt selbst in Bewegung ist.«1 Es zeigt sich möglicherweise im »Aktionsraum« digitaler Karten und aus unseren Handlungen in diesem eine Form des Unbewussten, die sich vor allem ästhetisch artikuliert, in der Art und Weise, wie wir uns im medialen Raum medial bewegen, die jedoch auch an »Intensitäten«, an »Wegen und Werden« interessiert ist. Also daran, wie ich in meinem Navigieren oder Browsen Affekte verteile, und sei es auch nur, dass ich gebannt auf den pulsierenden Punkt meiner geomedialen Lokalisierung auf dem Interface schaue, den ich sicherlich nicht mit der Repräsentation oder Extension meines Körpers verwechsele, ihn vielmehr als Indikator einer neuen Referenzwelt wahrnehme, in welcher das Reale und das Imaginäre ineinanderfallen.

3 Alex Garland: Ex Machina (GB 2015).



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2 http://www.dneg.com/ Leider gibt die Website keinen Aufschluss über die Namens­ gebung.

algorithmische Logik der Datenstruktur. Der Trick ist, dass Simulationen und Animationen sich gerade nicht als solche zu erkennen geben, sondern als etwas Neues, anderes, gleichwohl Mitexistierendes. Sie negieren ihre Herkunftslogik und ihre Nicht-Existenz, also die Möglichkeit ihrer Existenz außerhalb der Maschine. Vielleicht nennt sich deswegen eine der mächtigsten Visual Effects / Computer Animation-Firmen der Gegenwart Double Negative.2 Sie hat auch Ava, das künstliche Wesen in dem Film Ex Machina geschaffen, das großteils sich als Wesen mit einem Menschenkopf und einem gläsernen Maschinenkörper zeigt.3 Da ist »nichts« zu sehen, außer ein paar Maschinenteile, und doch »lebt« da was, etwas, das sogar den Turing-Test besteht. Selten hat sich Science Fiction so nahe an der Selbstaufhebung bewegt. Und so ist es auch folgerichtig, dass Ava am Ende in der Realwelt ankommt und einfach in einer Menschenmasse verschwindet. Wir vergessen gerne, dass das Auffällige der von uns erschaffenen künstlichen Welten der doppelten Negation bedarf, um sichtbar zu sein, oder, wie Hans Blumenberg in Erinnerung an Arnold Gehlen sagt, der »absoluten Negation«.

Marc Ries

Hans Blumenberg Ein angehender Philosoph schreibt 1930 in seiner Habilitationsschrift: »Es hat vielleicht niemand recht verstanden, was ich will, der nicht einsieht, daß die Sichtbarkeit der Dinge nur vor dem absolut Negativen eigentlich zu erleben ist.« Es mag sein, daß man dies im Jahre 1930 seinen Lesern nicht zutrauen konnte. Ein halbes Jahrhundert später weiß jeder, was gemeint sein könnte, der nur flüchtig Notiz genommen hat von den Anblicken, die die Erde aus dem Weltraum bietet. Sie war für ihre Bewohner immer das Unsichtbare schlechthin. Man hatte sie unter den Füßen, nicht vor den Augen, als das Selbst­ verständliche und Unauffällige. Da eben fehlte es an Negation als Bedingung von Auffälligkeit. Der Blick aus dem Raum läßt die Erde, wenn es so zu sagen erlaubt ist, in einem Meer von Negativität erscheinen: eine Insel im Nichts. Das macht sie sichtbar in einem eminenten Sinne: schmerzhaft deutlich.

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Hans Blumenberg: Begriffe in Geschichten. Frankfurt am Main 1998, S. 181.

Grace Jones & Nick Hooker Corporate Cannibal

Alle Bilder der Bildstrecke sind dem Video Corporate Cannibal von Nick Hooker und Grace Jones (2008) entnommen.

Imprint

B3 Moving Image Biennial 2015 expanded senses 07.10.– 11.10.2015 Frankfurt Rhein Main b3biennale.com

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Bibliographic information published by the Deutsche Nationalbibliothek The Deutsche Nationalbibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available in the Internet at http://dnb.d-nb.de © 2015 transcript Verlag, Bielefeld All rights reserved. No part of this book may be reprinted or reproduced or utilized in any form or by any electronic, mechanical, or other means, now known or hereafter invented, including photocopying and recording, or in any information storage or retrieval system, without permission in writing from the publisher. Published by Bernd Kracke, Marc Ries Hochschule für Gestaltung Offenbach Schlossstr. 31, 63065 Offenbach am Main Designers Marina Kampka, after the first B3 publication EXPANDED NARRATION (2013) by Karin Rekowski. Thanks to Wolfgang Rademacher and Agnes Meyer-Wilmes.

in cooperation with

Editorial staff Marc Ries, Mathias Windelberg Editing Christine Taxer, Keonaona Peterson, Simon Cowper

Supported by  Hessian Ministry for Economy, Transport and State Development  European Union B3 Parcours supported by  kulturfonds frankfurtrheinmain

Translations Philipp Kleinmichel, Christian Kolb, Chris Michalski, Marc Ries, Alexander Schneider, Alan Shapiro, Mathias Windelberg Paper 90/150/300g/m2 Fly Design, weiß Typeface Akkurat, Stone Serif Cover Still taken from Corporate Cannibal by Nick Hooker Production Henrich Druck + Medien GmbH, Frankfurt am Main

Print -ISBN 978-3-8376-3362-7 PDF -ISBN 978-3-8394-3362-1

s e s Sen nded a p x E

New Conceptions of the Sensual, Sensorial and the Work of the Senses in Late Modernity

Edited by Bernd Kracke, Marc Ries Editorial assistance Mathias Windelberg



111

The Sensorial, the Sensual and the Work of the Senses 5

114 115

Gilles Deleuze Patricia Pisters Dexter´s Plastic Brain: Mentalizing and Mirroring in Cinematic Empathy

128

The Sensorial, the Sensual and the Work of the Senses 6

130 131

Béla Balázs Claire Châtelet The Body at Work: Sensory-Motoric and Emotional Partitions of Film

144

The Sensorial, the Sensual and the Work of the Senses 7

145 147

Judith Butler Kathrin Peters



The Woman in the Blue Bra



Follow the Video

160

The Sensorial, the Sensual and the Work of the Senses 8

163 165

John Brian Harley Pablo Abend The Map as Home Range­—

Digital Worldviews between Logocentrism, Ethnocentrism and Egocentrism 188

The Sensorial, the Sensual and the Work of the Senses 9

190

Hans Blumenberg

191

Grace Jones & Nick Hooker Corporate Cannibal

7 9

Vladimir Nabokov

Marc Ries, Bernd Kracke Perception is the everyday utopian dream of satisfaction.



An Introduction

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The Sensorial, the Sensual and the Work of the Senses 1

21 23

René Fülöp-Miller Hans Ulrich Reck PHANTASY MACHINES— A discourse on the techno-imaginary organization of mediatized sensibility in view of the forgotten author René Fülöp-Miller

34

The Sensorial, the Sensual and the Work of the Senses 2

36 39

Antonin Artaud Vivian Sobchack What My Fingers Knew The Cinesthetic Subject, or Vision in the Flesh

72

The Sensorial, the Sensual and the Work of the Senses 3

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Theodor W. Adorno Karin Harrasser Mimicry and Touch On Prosthetics and Grimaces

84

The Sensorial, the Sensual and the Work of the Senses 4

88 Achille Mbembe 89 Steven Shaviro Corporate Cannibal





Vladimir Nabokov

7

Initially, I was unaware that time, so boundless at first blush, was a prison. In probing my childhood (which is the next best to probing one´s eternity) I see the awakening of consciousness as a series of spaced flashes, with the intervals between them gradually diminishing until bright blocks of perception are formed, affording memory a slippery hold. I had learned numbers and speech more or less simultaneously at a very early date, but the inner knowledge that I was I and that my parents were my parents seems to have been established only later, when it was directly associated with my discovering their age in relation to mine. Judging by the strong sunlight that, when I think of that revelation, immediately invades my memory with lobed sun flecks through overlapping patterns of greenery, the occasion may have been my mother´s birthday, in late summer, in the country, and I had asked questions and had assessed the answers I received. All this is as it should be according to the theory of recapitulation; the beginning of reflexive consciousness in the brain of our remotest ancestor must surely have coincided with the dawning of the sense of time. Thus, when the newly disclosed, fresh and trim formula of my own age, four, was confronted with the parental formulas, thirty-three and twenty-seven, something happened to me. I was given a tremendously invigorating shock. As if subjected to a second baptism, on more divine lines than the Greek Catholic ducking undergone fifty months earlier by a howling, half-drowned half-Victor (my mother, through the half-closed door, behind which an old custom bade parents retreat, managed to correct the bungling archpresbyter, Father Konstantin Vetvenitski), I felt myself plunged abruptly into a radiant an mobile medium that was none other than the pure element of time. One shared it—just as excited bathers share shining seawater—with creatures that were not oneself but that were joined to one by time´s common flow, an environment quite different from the spatial world, which not only man but apes and butterflies can perceive. At that instant, I became acutely aware that the twenty-seven-year-old being, in soft white and pink, holding my left hand, was my mother, and

Vladimir Nabokov

that the thrirty-three-year-old being, in hard white and gold, holding my right hand, was my father. [...] Indeed, from my present ridge of remote, isolated, almost uninhabited time, I see my diminutive self as celebrating, on that August day 1903, the birth of sentient life. [...] And for several years afterward I remain keenly interested in the age of my parents and kept myself informed about it, like a nervous passenger asking the time in order to check a new watch.

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Vladimir Nabokov: Speak, Memory. An Autobiography Revisited. London 1969, p. 16-18.

Marc Ries, Bernd Kracke Perception is the everyday utopian dream of satisfaction.* An Introduction

*Dieter Hoffmann-Axthelm: Sinnesarbeit. Nachdenken über Wahrnehmung. Frankfurt am Main, New York 1984, p. 19.

Bernd Kracke, Marc Ries

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This volume is the theoretical counterpart of the B3 Biennial of the Moving Image 2015 in Frankfurt Rhine-Main and the topical formula it proclaimed: Expanded Senses. At the now of the moving image, the Biennial is the setting and multifaceted venue for the developed, experimentally tested, mass-perceived and mass-utilized applications of moving images developed in the arts and in the media industry. Analogous to the changes affecting our current mode of being amidst our post-industrial, globalized, neo-liberal circumstances, our sensory perception is transformed by communication technologies, computer games and aesthetic innovations within the dispositives of cinema and television. Their sphere of influence grows and old sensory qualities diminish while new variants evolve. The aural, visual and increasingly tactile sense performances, their sense data, is changing to an unusual exten; they are able to perceive much, and more, of the previously unseen, they operate and participate intensely with the technological images, sounds and data and are doing so faster and in more complex ways than ever, perhaps also more wilfully and indifferently. The current change of sense(s) can be represented in two ways with regards to media technology. On the one hand, the software-based simulation and animation technologies of cinematic and televisual (post-)productions (VFX, morphing, 3-D), games, video mapping or advertising are creating new aesthetic and immersive qualities. The (collective) perception of films and videos becomes a sensory spectacle, a dis-limiting event in the service of affect economics. Another mode of application is shown by those techno­l­ ogies that turn the individual, its perceptions of self, society and locality into an occasionally creative, (co-)actor of medial processes. They manifest themselves in cross- and hypermedial projects within the conglomerate of the different media, in the self-tracking systems of self-quantification (with the so-called quantified self as their aim), in games development, in inter­ connected mobile geo media, in augmented reality tools and comprehensively, in the noosphere of social media. Here technoimaginations and informative qualities interlink with the creation of new social capital.

AN INTRODUCTION

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The New Conceptions of the Sensual, Sensorial and the Work of the Senses in Late Modernity, as a working formula for the text collected here, will be associated with research analyses which observe the moving image with regards to its influence on our sensual capabilities, bringing it into the focus of reflection and unfolding it in systematic contexts. This act of thinking about perception acts like a historical hesitation. We want to respond with reflective calm to the growth enhancing action of economic systems of value in the space of the new media, to their dramaturgy of consumption and their associated fast-moving, affirmative discourses, facilitating a concentration on the conditions, the powers and the degrees of freedom of the moving images’ medial dispositives. Hence we chose and commissioned texts which explore the relationship between cinema, new media and sensibility, sense work and sense enjoyment with great intensity. This will also include the different levels of meaning and action of the term and its synonyms, thus endowing »expansion« with, at times, rivalling semantics like that of extension, deri­ vation, enlargement, dis-limitation, growth, excession, widening and squander. The concept of this publication responds to the developments described above by employing a careful dual movement. Firstly, a detailed inquiry into the »cinesthetic« experience of film-perception constituting for cinema (Sobchack) will recognize an offer of sensual (self-) dis-limitation written into all media. Then the interplay of concrete moving images from the production sites of new media with philosophical, sociological and neurobiological models and theories will explore the trans­formation of our sensual and mental capabilities by technol­ ogies of modulation, simulation, prosthetics, networking and digital cartography. Within the dramaturgy of the text this dual movement will be extended by two paratexts which will reciprocally accompany the main texts. First there will be a long quote preceding the main text with a certain level of autonomy, introducing ideas and arguments which prepare the ground in a related literary or theoretical space. A further text will unfold in instalments, as a kind of serial story of sensibility and sense-work, before and

Bernd Kracke, Marc Ries

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in-between the main texts. These textual fragments will sometimes touch the content of the quote and the main text, thus enabling all three to mirror each other for an instant and, in a sense, to expand, exceed and squander themselves within one another. The different texts have varying temperatures, different modes of reading and densities of affection. This textual dramaturgy intends to enable the reader to engage in a switching of styles, of levels of reflection and of subject matter; dis-limiting the book itself, making it »playable« and thus inconcludable, open, contingent. In the person of René Fülöp-Miller Hans Ulrich Reck finds an early observer of the productive interconnection between the politico-economical expansive drive of the cinema industry and the desire of the individual to »make his shoddy everyday life more enjoyable by means of a shadow play.« But even when looking at the industry Fülöp-Miller is only interested in »man,« in men »who, as producers, calculate, speculate and earn on behalf of the whole world«. In this light, cinema appears as a membrane of two seemingly opposed figures of desire which work on the expansion, dis-limitation, increase of their respective systems in a direct dependency upon one another. The »expansion of social sensibility« is provoked by a system of aparati whose »libidinous« saturation aides the pursuit of profit of those involved by growing »their« capital. In a second step Reck computes cinema’s economy of desire with the current self-imposed »assimilation into the apparative combine of the techno-imaginary« yet without hope for the »salvation« of one’s own reality within the framework of dispositives. The productively phantasmic quality of earlier Imagination Machines gives way to an indifference and intolerance that forms part of the isolation of consumers. Beginning with a phenomenological description of her own bodily impressions and concrete experiences with Jane Campion’s movie The Piano (1993), Vivian Sobchack contrasts the theories of representation and the constant critical distance to film adopted by »academic film scholars« with a »materialistic« theory of embodying films. Within this framework, she describes how incarnate senses, initially not strictly differentiated but operating synesthetically and coenesthetically, that is open for diverse impressions from the world, create—in a manner

AN INTRODUCTION

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that is also conscious and linguistically graspable—Sense. Anchored, on the one hand, chiastically within the flesh of the observer in a reversible figure-ground relation, the bodily senses and their meaningful sensations are, on the other hand, also literally complected with the body of language. Thus Sobchack can argue that these do not exclusively need to be understood as figurative and metaphorical but can actually be felt. Hence her essay concludes the legitimacy of speaking about the haptic, olfactory and many other sensual experiences in cinema not only as metaphorical or »in some still unclear sense ›as if real‹ but to recognize them as perceptions actually bestowed upon, touching the beholder. Karin Harrasser varies the prosthetic with the protean, the technologies of the »Extension of Man« with the technologies of metamorphosis, by following a curious touch that united Adorno and Chaplin in Malibu. While Adorno professes a »logic of replacement«­­—employed also as a critique of alienation— Chaplin embodies »the principle of mimicry as life, a principle of abundance« and of salvation. In connection with Terminator Genisys—the series may well be seen as »a long-term observation of the technological world«­—it turns out that the old prosthetic is being replaced within the utilization of new media technologies, by mimetic-protean tools, which facilitate a transformational assumption of nearly any form. Furthermore »the ontological distinction between machinic and the organic« is dislocated by means of the recursive simulation of movements; they are interested in »shutting down and surpassing not only a few organs but the organic itself« (Gehlen). But Harrasser is not willing to sacrifice the tactile, the sense of touch as a »common sense,« to the cybernetic warhorse. The present as a hapto-technological scenario of the most diverse ways of touch—violent, sublime, immersive, interspersed—of media and their users, must be understood as the task of a future media theory. In his contribution Corporate Cannibal Steven Shaviro examines the political video clip of the same name by Grace Jones. The digitally produced video has, according to Shaviro, only a few remaining shared traits with classical film work and thus with the correlating Fordian production of images which includes the

Bernd Kracke, Marc Ries

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»assembly line of Hollywood.« In contrast to such forms of production Corporate Cannibal has no relation to Foucault’s disciplinary society; on the contrary, it is the participating and productive actor of a younger type of society which is marked by tight-knit controls modulated within dis-limited capitalism. Shaviro holds that this music video does not merely represent social processes anymore; instead the new post-cinematographic art form of which Corporate Cannibal is a part participates in a permanent recreation of society. Thus an indexical relation to reality, a mark of classical cinema, has ceased to be of importance in this video. Rather it generates, as Shaviro argues in agreement with Brian Massumi and Gilles Deleuze, affects which are always pre-subjective, not yet signifying and conscious, but yielding specific subjects, meaning and forms of consciousness. Supplementing Gilles Deleuze's taxonomy of the images and signs of cinema, Patricia Pisters establishes a further category of moving images: The neuro-image, which postulates a particular relationship between the actions, actors, narratives or situations presented in film and the synaptic activities in the brain of the beholder. Pisters diagnoses this image type in various contemporary productions and points to the television serial Dexter as a paradigmatic example. Conducting a close reading, she analyses in particular the empathy viewers feel for film characters. Neuro­ science supplies Pisters with two rival models explaining this phenomenon. These are, on the one hand, the cognitive-linguistic Theory of Mind (mentalization), on the other a much faster, affective and pre-lingual embodied simulation (mirroring). Even though both of these models seeking to explain empathy have been confirmed by modern neurological empirical studies employing medical imaging, they proved that different film-aesthetical stimuli are responsible for the activation of each model. The limbic system has a moderating role between both neural circuits and can vary them plastically. Instead of having the two models, which can both be observed in the main protagonist of the series, work against each other, Pisters formulates the desideratum of a holistic science of film in her article. It must dare to unite phenomenologically informed theories, which assume the »emminded« body as their guiding principle, with cognitive

AN INTRODUCTION

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approaches and theories of representation that more commonly agree upon an embodied spirit. Claire Châtelet thinks about different modes of interfaces that exceed their—tactile—interactivity and engage in an exchange with an »amplified observer,« who offer themselves for embodiment. Yet in this context embodiment does not signify substitution or representation but an intimate, transformative taking into the self of the—virtual—respective other, of its actions and affections, and the creation of a »single body« as a possible ultimate end. She tries new terminologies, intended to signify the image type which ensues in the numerical interfaces. »Relational image,« »kinesthetic image« or »enactive cinema« seek to signify that singular activity which is assigned to the observer who, at the same time, is the »operator« for sense work focuses here on the »playability« (jouabilité) of assemblages; it seeks to upload the body to another place. This is demonstrated using three experimental cinematic projects which playfully show the »body at work« in »open works of art.« Kathrin Peters questions, encircles, an image object, which can be deduced directly from the new conditions of video utilization. Recorded with a digital camera, probably that of a mobile phone, a street scene at a demonstration in Cairo in December 2011 becomes, via diverse forms of appropriation, manipulation, dissemination, media-mutation and recursive publication, a symbol of the crisis which remains open to inter­ pretation. The different stages of the process of becoming an object, which the video goes through, are reconstructed as well as its later recontextualizations. The central question regarding the bearing of witness is redirected from »What does the video show« to a new political-aesthetical ars quearendi: »Whom does it show what?« It quickly becomes evident that many of the rules and terminology of pre-digital, pre-net-based image analysis must be rethought, relativized, discarded. With Judith Butler, she argues for an understanding of expansion which also takes the »differentiation of relations« into account, namely by including those matrix-like alliances into their analysis which constitute themselves from the complex relationships of images with bodies and places, their modes of utilization, their distribution and reception.

Bernd Kracke, Marc Ries

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The title of Pablo Abend’s contribution shows why an analysis of current cartographical technologies forms an essential part of a contemplation of the status quo of the moving image: »The Map as Home Range« refers to a remarkable delimitation of the old, allocentric map model which establishes an external frame of reference in which the representation of geography articulates itself as a distant, stable and thus immobile image. The carto­graphical media introduced with the digital revolution (GPS, augmented reality apps, geobrowser) adhere to an ego­­centric image/space model which is mobile, changeable and reactive in relation to the observer. Digital maps reconstruct real space in 3-D environments which behave immersively and convey self-activity, self-movement within the map. Zooming, scrolling, virtual camera pans, geo-browsing … suggest forms of real-imaginary action which is metaphorically described as navigation, exploration, sauntering. Maps are no longer »read«, rather the »geoweb« is experienced through a playful-relational interaction: I am the middle of the cartographic-medial world which expands around me, a »flexible egocentrism« facilitates a bodily experience of presence within the data space. Yet it simultaneously requires an exact localization of the body and thus imprisons us in the map, enabling an infinite number of control scenarios. Written in two, nine, eighteen or generally multiple languages, these essays of theory gravitate in a moved and moving series of images embodied by Grace Jones, produced with Nick Hooker and translated into book format by Marina Kampka: Corporate Cannibal. Kampka’s transformation succeeds in staging a performance of Jones’ music video—the constant modulation of the medium within a stream of images—even in a book. As long as the flow—here: of the turning of images wrapped around page edges—does not cease, the moving image can, operating in a capitalistic logic, simultaneously subvert capitalism even in a book (Shaviro). Thus it is by no means exaggerated to assert that this book has no end, but has as its center a highly popular work of art, co-equal with the texts, which emanates an iconic radical power.

AN INTRODUCTION

We would like to thank all authors for their contributions to the analysis of the »bright blocks of perception« (Nabokov) of which the new contemporary sensibility and sense work report. Thanks are also due to the translators: Gernot Kamecke, Philipp Kleinmichel, Christian Kolb, Chris Michalski, Alexander Schneider and Alan Shapiro. Marina Kampka has transferred the texts, with sublime creative powers, great stamina and much delicacy, into graphical existence. Mathias Windelberg played an essential part in the creation of this volume by his unswervingly precise and tenacious editorial work, specifically also on the translations of the reprinted texts.

Translated by Alexander Schneider.

Bernd Kracke Bernd Kracke is a professor of electronic media since 1999 at the Hochschule für Gestaltung (HfG) Offenbach and is also its president since 2000. He led the department for visual communication from 2001 to 2006. In 200 he founded CrossMediaLab as a research and experimental platform for connecting analog and digital technologies, as well as their innovative deployment in the context of art and design. He has built on the experiences of his work at MIT Cambridge/ USA (1979–1985) the Kunsthochschule für Medien Köln (1990–1999), as well his practice as a freelance media designer and media artist. Since 2008 he is speaker for the Hessischen Film- und Medienakademie (hFMA) presidency, a network of the thirteen Hessian universities. He initiated the B3 Biennial Frankfurt RheinMain, and took over its general direction in 2012.

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Marc Ries Marc Ries earned a doctoral degree in philosophy in 1995 at the University of Vienna. Cultural-theoretical and aesthetical issues give rise to studies on mass media, society and art. Visiting professor at Friedrich-Schiller-Universität Jena and Hochschule für Graphik und Buchkunst Leipzig. Since 2010 professor for sociology and media theory at Hochschule für Gestaltung in Offenbach. 2009 concept and co-curator of the exhibition talk.talk Das Interview als ästhetische Praxis Leipzig/Graz/Salzburg. Selected publications: Medienkulturen (2002); Edited volumes: Expanded Narration. Das neue Erzählen (2013, with Bernd Kracke); DATING.21 Liebesorganisationen und Verabredungs­ kulturen (2007, with Hildegard Fraueneder and Karin Mairitsch).

The Sensorial, the Sensual and the Work of the Senses 1

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1 Vladimir Nabokov: Speak, Memory. An Autobiography Revisited. London 1969, p. 16-18.

In his study on memory Nabokov praises the »tremendously invigorating shock« of the emergence of a new sense, the sense of time, as »the birth of sentient life.«1 The mature sensorial form of existence is itself only the result of the individual’s increasingly mature relationship to his or her environment. The awakening of the perception of time as possibly the final event in a person’s »sentient« development came about from an act of reflection— the comparison of the child’s own age with that of his mother and father. Thus in this »second baptism« all three individuals assumed their real identity for the child for the very first time: »the inner knowledge that I was I and that my parents were my parents.« Nabokov’s description of those »bright blocks of perception« from which the experience of time emerges moves the »diminutive self,« to which time ecstatically reveals itself, not simply to confront this new agency, as if time were a thing that one could take hold of. This description invokes the mediality of the sense of time as a »setting,« which takes its place alongside the dimension of space and is only known to humans. A »radiant and mobile medium« of which I am a part, that carries and guides me. Time surrounds us, at first as the aura directly connected to our body, to nature, which allows us to emerge from ourselves and to form a temporal relationship to all other things. In this way the »revelation« of the sense of time is a kind of initiation into society, as this sense is the medium of society. »Sharing« time is the bonding force of any community. But the relation is out of balance. Our current form of society allows time to work for itself, reducing it to an enforcement of productivity, performance and »self-development« (Talbot Brewer). What follows the original discovery of its constituent role for human sensorial existence is its instrumentalization as part of a more comprehensive work of the senses. »Moving images« or »time-based media« are two conceptual expressions that demonstrate how time is embodied within image technologies, challenging the viewer to perceive and productively work with them in their now altered mediality—which is not environmental but a formalized mediality of distance. Even if that means that the initial form of time, life time, pales in this transformation, even

We move around a lot. All by ourselves. With a goal, a destination. Or not. We’re always doing the same things. Every day we go to the same places. No one’s home. No one’s at work either. Everyone’s somewhere in between. We have empty time on our hands. The transport machines drive us forwards. Our sensory environment is also in motion, though we’re seldom able to connect to it. We fly through tunnels, we move too fast. Or the world reveals its monotony. Yet in this constant motion no one is really alone, surrounded as we are by strangers. Who, in turn, experience this proximity as a social constriction from which they attempt to escape. A countermovement takes place, a turning inwards. We dream ourselves into an inner world that only we are allowed to enter. Or we read something, acquiring from this act the necessary opposing force, an energy, to fill out an inner realm. We limit our sensory attention externally while expanding it inwards. Or we expand our acoustic space by listening to music—with headphones, so that we can be alone with the music in our heads. Or we get in touch using our mobile telephones. We seek out a conversation with someone both near and distant to us. While on the telephone, speaking to this absent/present other, we withdraw from the external world. We create clear presence and in this way expand our social space—not by contact with those physically near to us but through a media-summoned reality. A reality of others who are actually somewhere else. It is the imminent acoustic image of a spatially distant person in the form of an artificial sensory impression, an »idea« or »sensation« (Locke), a piece of sensory data that reveals itself to me. Media expand our auditory and visual range or they permit a synthetic closeness, a »mediality of proximity.« Temporal coincidence in the acoustic realm or the spatial coincidence of voices that

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2 Dieter Hoffmann-Axthelm: Sinnesarbeit. Nachdenken über Wahrnehmung. Frankfurt am Main 1984, p.51.

if everything that pertains to the realm of experience on the instrumental temporal horizon itself escape us. »That the objects remain pale, unplastic, only present in their ability to yield satisfaction—all this means is that they remain immaterial: that I am unable to find my wishes embodied in them and thus to embody myself in them as I perceive. Or that I do this too late or in an incomplete form.«2

are really distant is a media-produced social pleasure. One that rescues me from situations that are uncomfortable for different reasons. This pleasure is even more intense when someone calls me unexpectedly. Suddenly someone is there who wishes to encounter me. Another person, usually familiar to me, expands by means of the technology of the mobile telephone my socially diminutive presence, enhances my existence, which in this mass-occupied space is meagre at best. And yet most do not wait for such a calling. They use the device to engage in simple strategies of expediency—to play. They move their fingers in accordance with the expectations of the interface, working their way into the game’s structure, immersing themselves in the machine by means of memory and perception. Technology is the means by which an anti-world is created. To escape an emptiness. To conjure up a sensation of pleasure. The time with which we half consciously lose ourselves in between algorithmic relaxation exercises offers no further possible comparisons, has become functional, purposeful time for a life in ambivalence. Marc Ries

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Translated by Chris Michalski.

René Fülöp-Miller

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THE MAIN ARGUMENT—Psychological analysts of all schools have long now been engaged in the exploration of the religious, social and sexual components of the human soul; in this endeavor, they often overlook the fact that man is not moved by faith, sexual lust or the class struggle alone, but equally by the lust for gain. The conviction that an unprejudiced contem­plation of business will yield essential insights into the mechanism of human nature has led this author to carefully consider the film industry as a symptomatic manifestation of modern moneymaking. The characters we encounter in this milieu are also quite typical for our times, and thus the author must be tempted to investigate their personal history and their role within the greater cultural context. For our epoch can justly boast of its altered understanding regarding the character of the hero: We have learned that men with unimportant, banal features rise from the dark and can yet become heroes in one way or another. We have acquired an eye for the phantastical quality of the careers and achievements of such profit makers, as they were immortalized a century ago by that genius of seers, Balzac. Thus the magnates of the film industry had no need to book their own small part of immortality in hasty impatience by means of paid biographers; posterity would have honored their memory without the fabrications of their mercenary writers. The principal ideas of this book are demonstrated using specifically and deliberately the American film industry, because, even though the film production in other parts of the world has in various aspects emancipated itself from the influence of America, the God whom all producers, directors and actors serve remains always the same—the box office. Even the Russian film—often superb in terms of art—is no different, with the exception that, in addition to the box office tally, it produces an extra profit in terms of effected bolshevist propaganda. Thus, if this work deals mainly with America, where the producer’s commercial methods and the instincts of cinemagoers are untainted by the artistic traditions of Europe or bolshevist class ethics, this does not constitute a limitation of the geography of the human soul. For, in this case, Americans may be understood to be those actors on the stage of

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our existence who embody universal characters, who, as producers, calculate, speculate and earn on behalf of all the world and, as an audience, desire, hope and laugh on behalf of all the world. All this sums up what this book is not intended to be: It does not want to infringe upon the professional literature of neither the history, aesthetics nor the technology of film. In his studies the author is solely interested in man, whether in church, struggling for his salvation, at his party headquarters, seeking to usher in the thousand-year reign of communism, in the regions of India, trying to convert politics to embrace nonviolence, or merely seeking to make a profit from the dreams of the masses or to make his shoddy everyday life more enjoyable by means of a shadow play. René Fülöp-Miller: Die Phantasiemaschine. Eine Saga der Gewinnsucht. Berlin, Wien & Leipzig 1931, p. 7–9.

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Quote selected by by Hans Ulrich Reck. Translated by Chris Michalski.

Hans Ulrich Reck PHANTASY MACHINES— A discourse on the techno-imaginary organization of mediatized sensibility in view of the forgotten author René Fülöp-Miller

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1. An archaeological testimony of mass-medially organized modernity The excerpt offered above marks the beginning of an analysis by the formerly famous and now almost forgotten author René Fülöp-Miller, which, in essayistic form, proposes a political economy of the film industry, while at the same time deciphering it as a differentiation of medially linked desires in modern society. This book, which may seem erratic in a contemporary light, is surely a singular one. Even the title speaks to this fact: the USA’s unfettered struggle for gain serves as the matrix for a theory of a libidinous cinematography as a mass-medial molding of socially constituted sensibility, as it will establish itself a few decades later as one manner of the »industrialization of consciousness« in McLuhanian discourse. Prior to a further investigation of this book some basic information regarding the author is required. René Fülöp-Miller was born in 1891 in Karansebesch, a rural town in Austria-Hungary which is now part of Romania. His name was Philipp René Maria Müller. He studied chemistry and pharmacy at the University in Vienna, tried his hand as a writer, met Stephan Zweig and continued his studies in Berlin, Paris and Lausanne. Following his degree in Lausanne Fülöp-Miller went on long educational journeys through Asia and America, reported from the Soviet Union as a journalist, where, amongst other things, he analyzed the application of the principles of motion economy and time management, as they had been developed within capitalism by Frederick W. Taylor, for the revolutionized work with regards to Gastjeff and the trade union’s Institute of Labor Science. Fülöp-Miller worked as a correspondent at the Geneva and Lugano peace conferences (1922 and 1924 respectively); and in 1930 he travelled to Hollywood, where he developed the study concerning a political economy of the film industry and the Dream Machine which here concerns us. In 1939 Fülöp-Miller, who, during the first years of Nazi reign had

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published under a pseudonym, emigrated to the USA via Norway. After 1950 he taught sociology and Russian cultural history at Dartmouth College, Hanover, New Hampshire, and moved to Hunter College, New York City in a similar capacity for a few years in 1954. In 1962 he returned to Hanover, where he died in 1963. His last publication was the novel The Silver Bacchanal. Fülöp-Miller became a successful journalist during the 1920s and published numerous bestselling works of nonfiction. Which is quite likely part of the reason why his analyses were later forgotten. They smack of commercial intention. The cultural history of Europe, in particular, regularly turns against this type of author. These, such as Fülöp-Miller, Egon Friedell and later Günther Anders, can tell tales of the losses or costliness of such privileges bestowed upon a hermeticism that is readily marginalized and stands aloof from a mass-medial economy. Fülöp-Miller’s widely received publications included numerous, partly magnificent, accounts of cultural history, whose thematic spectrum—a further aspect that is detrimental to any prospects of becoming a romanticized »great philosopher« in the eyes of the academy—were incredibly broad. We find carefully researched and intelligently argued treatises of light and effortless prose on Rasputin, Lenin and Ghandi, the Internationale of the Jesuits, Dostoyevsky’s gambling addiction, two pieces on American cinema and theatre­—sequels to the »Phantasy Machine«, studies of great world shakers such as Saint Augustin, Saint Ignatius, Saint Theresa as well as a »message of comfort and hope« in view of Saint Francis. The reminder of René Fülöp-Miller provided here, a fragment but exemplary, seeks to render unto him the esteem which his achievements deserve. With this appropriate homage we return to the American dream factory—used here as an example in the context of the expansivity of sensibility and its techno-imaginary, politico-economical and mass-medial molding—which, during the years of Fülöp-Miller's visit to Hollywood and the production of his treatises on American cinema and theatre, was about to incorporate sound and to establish itself as an apparatus, that actually interlinked senses and multimedial sensibility. Fülöp-Miller recorded the potential of the rapidly

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2 Regarding the european evolution of the techno-imaginary from a pre-technological archaic culture, see Hermann Bausinger: Volkskultur in der technischen Welt. Stuttgart 1961.

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1 See Marie-Louise Lienhard: Das amerikanische Bilderalphabet.Über das Zeichenhafte der visuellen Kultur Amerikas. In: Kunstforum International 112 (1991), p. 276–278.

growing dream factory with diagnostic precision. To him—the core argument of his book—the political economy of the capitalist industrialization of film and cinema constitutes the downside of that molding of a generally socially relevant, and indeed itself only thus socialized, sensibility, which is inseparably linked with it. Thus cinema is nothing more than an expansion of social sensibility by means of an artifact facilitated by apparatuses, which simultaneously acts as a lingua franca. In a «hieroglyphic culture« like that of the USA it cannot help but succeed. As early as 1915 Vachel Lindsay noted with reference to the developing dream factory that the American civilization was a hieroglyphic one, scintillating between picture and term on the visual plain.1 On the one hand, American culture—contrary to that of Europe— has historically been an industrial culture from its very beginning and hence techno-folklore.2 On the other, a cinematographically expanding, technological cult of images always proves to also be a means to attune the individual to social senses and systemic mythology—social ascent, success, fame, individualism, freedom through individual labor, self-made happiness etc.—as a possibility for a society of immigrants, which possesses a bureaucratic metalanguage but, in everyday life, is divided into communities and thus into diverse idiolects. Thus, from its beginning, the dream factory became the social sensibility of the techno-imaginary and film enabled a lingua franca, a universally uniting language in a technologized media culture, whose function and capability can be compared, in a different context, with Latin as the meta-language which circumvented idiolects and regional languages in the scholastic republic of Europe from the end of antiquity until the late Middle Ages. Fülöp-Miller is not interested in a critical deconstruction of extra-cinematic reality. He describes the real actors and networks or dispositives of the assertion, production and reception of film and cinema. This includes the pioneers and entrepreneurs just as it does the media strategies behind the silver screen and also the characters and actors, mythologized and ever susceptible to myths, on it. Here the socio-psychological mechanism of molded imagination, of the cinematographic extension of sensibility, shows itself as a medium, which, in a virtually organic fashion,

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requires and creates the independent entrepreneur, the speculator in imagination. The portraits of those who have invested in the film business illustrate the boom or, less sensationally, the success, which the alliance of the lust for pleasure with the lust for gain illustrates, facilitates and advances. Despite the diversity and heterogeneity of topics, subject matters and their discursive formulation, there is, of course, a synthesizing motif, creating an actualizing, adapting and yet consistent homogeneity in Fülöp-Miller’s thinking. It could be described as a renitent kernel of powerful and prodigious phantasies with a propensity for violence and their strategical materialization as socially potent phantasms in the struggle for power. Here, the power of phantasy is orientationally valid as a historical-critical, archaic primal force in a setting of contra­ facticity. Precisely that which Ernst Bloch called a »heat flow of phantasy« in the interaction of latency and tendency within historical dynamics. In summary: Fülöp-Miller is, in my view, a distinct, unique and essential witness of the medial molding of the sense-actions of humanity as we find them in the imagination societies—sustained by technology and apparatuses—of the increasingly techno-imaginary twentieth century.

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3 See Alexander Kluge; Oskar Negt: Öffentlichkeit und Erfahrung. Zur Organisationsanalyse von bürgerlicher und proletarischer Öffentlichkeit. Frankfurt am Main 1972; Alexander Kluge: Der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit. Frankfurt am Main 1985; Furthermore: Klaus von Bismarck; Günter Gaus; Alexander Kluge; Ferdinand Sieger: Industrialisierung des Bewußtseins. Eine kritische Auseinandersetzung mit den »neuen« Medien. Munich1985; Hans Ulrich Reck (ed.): Kanalarbeit. Medienstrategien im Kulturwandel. Basel/ Frankfurt am Main 1988.

2. Historical anthropology and a critique of the senses The thoughts concerning the network of the medially molded historical senses,3 propounded patiently and persistently, subtly and elaborately by Oskar Negt, Alexander Kluge and others, can not only be resituated in view of Fülöp-Miller, but also have a precursor in the cultural history of Antonio Gramsci. His notion of cultural hegemony integrates the »ideological aparati,« later termed thus by Louis Althusser, into a socially defined mentality, which conceives of everyday life as an inter-medium of both political economy and organized sensibility. One quote from the richly diverse reflexive work of the Italian cultural philosopher and militant »operaist« shall suffice. During his long imprisonment in the 1930s, Gramsci argues, regarding the »everyday mind,« that »one’s own personality is constructed in

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4 Antonio Gramsci: Gefängnishefte. Vol. 6. In: Wolfgang Fritz Haug (ed.): Philosophie der Praxis. Berlin 1994, p. 1376.

a bizarre fashion: It comprises elements of the caveman and principles of the most modern and developed science, prejudices of all previous, narrow-minded historical phases and intuitions of a future philosophy, which will be the property of a globally unified humankind.«4 Naturally Gramsci thought of the communist self-liberation of a human collective, at once differentially egalitarian and associated. He was as yet unaware of the historical fact that this intuitive philosophy would realize itself as the Internationale of a mass-medially organized consumption and thus also as techno-imaginary sensibility molded via the apparatuses of a controlling media conglomerate. Fülöp-Miller proves more farsighted where this point is concerned. And small wonder: Gramsci was incarcerated, while Fülöp-Miller was able to travel, observe, study empirically, to expose himself in a wholly different way to the materials and realia, not least by allowing an affirmative emphasis to work upon himself, which stands in sharp contrast to the technophobic, unanimously critical cultural philosophies of the European academical and extra-academical intelligentsia which was forced to emigrate. Yet the perspective of historical-critical anthropology has a prominent role in Fülöp-Miller’s studies of the advancing media culture of the 1930s as well. In the chapter »Phallic Cult and Primal Rhythm« of his book Die Phantasiemaschine. Eine Saga der Gewinnsucht FülöpMiller writes: »Brilliant defenders of film have created a theory, that, admittedly, has in part been superseded by the victory of the sound picture, but which nonetheless seems still worthy of our attention. Cinema, they stated, has given our whole culture a turn towards the visual, which, after centuries of a purely abstract intellectual culture, was much needed. Humanity, which had since the victory accustomed to think only in words, was being educated by film to return once more to the image phantasies of a mythical primal age and thus to reawaken a capacity within itself which had been nearly lost beneath the vast and chaotic amount of the printed and the thought word. […] Times of a strongly subjective, intellectual culture always finally saw a flight of the masses towards the image, and if the intellectualism of the humanist age had created a tremendous desire for images and

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5 René Fülöp-Miller: Die Phantasiemaschine. Eine Saga der Gewinnsucht. Berlin, Wien & Leipzig 1931 p. 132–134.

thus the art of the Renaissance, it seems as if cinema embodies the beginning of a new and similarly optical culture, of a new Renaissance. Furthermore they thought that cinema reveals the nearly forgotten primal relationship between figure and character, by focusing the attention of the observer on the facial expressions of the actors and pointing out the congruities between appearance and actuality. The great mythical art of the gesture has, according to these authors, experienced a revival in film and, as the cinema has the ability to make internal processes visible by means of the body, it has become a unique means of expression for the soul. The gesture, primal realm of all communication of the soul, had been lost to humanity and film, which restores it to her, was thus leading it back to the primal communication of all natural things. The expression of the whole body, that lavishly rich language, which, they say, is intelligible to all living beings in this world, is reopened to us only through film and thus cinema accomplishes a feat which all arts of expression have long striven to achieve. The symbol, too, ›profoundest of all knowledge and understanding‹ is deemed to have been re-won for us by film. Without being truly conscious of the immanent symbolism that permeates any cinematic work of quality, the observer unconsciously senses the mood, which emanates from these symbolic rows of images, because every single image of a film possesses a certain affective tonality, which is felt instinctively. In any film narrative objects and people serve the great task of the general symbolic mood. Film is even credited with the creation of a new mythology. The public interest in cinema and its stars is, according to the clever Rebecca West, nothing but a kind of religious cult. The attention of the audience is directed at the stars with such intensity, that these have become gods, that is, they have turned into typoi, which were a part of the human subconscious since its beginning. In the phantasy of the masses, Mary Pickford embodies the character of the virgin goddess, the celebrated ›Vamp‹ has replaced Aphrodite and it could be said that the extravagant cult of Valentino, those wild hysterics caused by the three-day public wake of a dead star of the screen, are simply a revival of the old Phallus cult.«5 May this second, memorable longer passage from »Saga

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of the Lust for Gain« further excite desire for a perusal of the whole work regarding the »Phantasy Machine,« as well as for the whole oeuvre of the author René Fülöp-Miller.

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3. Perspectives and contemporary remarks This is neither the right place, nor is there sufficient space to correlate Fülöp-Miller's analysis with the actualized media culture and the further technological expansion of senses and sensibility. For this purpose many intermediate steps—too many, considering the scope of this fragmentary consideration— would need to be examined. Furthermore, it cannot be said that the analysis which forms the basis of the Phantasy Machine could be directly adapted to function in current debates. But FülöpMiller constitutes a focal point, whose powers of concentration can reorganize current motifs, especially if one seeks to avoid both the affirmative assertions about a liberation of the senses by the technological expansion and the apocalyptic denunciation of all techno-imagination based on apparatuses. Today we must—this is the tentative and condensed prospect of this paper—realize the cost of the power of molded sense work in medially advanced societies and address it in view of techno-imagination and expanded aesthetic illusions. Let us, for the sake of limited resources of time and space, dare sweeping statements and postulate the theory that the social organization of sense work and thus also of the critique of the work of senses, has experienced profound shifts within the last two hundred years, formed by the drastically mobilized and periodically acting energies of a dispositional influence of continually expanding apparatuses. The belittling humanoid talk of an expansion of the senses risks providing an easily penetrated cover-up for this. It continues the pre-critical power of illusions and self-invocations, whose compensatory mechanism could consist of the following: The consumerist technologization of the needs of the individual promises to be a solipsistic act-fulfillment insofar as the now serially formed individual is of no consequence. The industrial, machine-tested, molding of the sensibility of the active, livingly working subject, deemed to further

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emancipation, has, for some time now, given way to a voluntary internalization of techno-imaginatively oriented self-molding made possible by apparatuses. These conduct the internalization of technological dispositives. To Norbert Elias the transformation of external compulsions into internal ones was a hallmark of the process of civilization. Hence the permanent giving up of one’s self to technological dispositives we witness today could be seen as a new civilizing wave, as self-compulsion is obviously increasing, despite of, or even because, they pose or self-describe as projects of freedom. Under the regime of sense expansion the following paradoxa are created: Self-actualization by heteronomy with a tendency to assert the external control as a free self- or internal determination. Reality constitutes itself as effect of this phantasm. It is successful. It subsists on the permanent repetition of the exclusion of differences, which it continually assimilates into itself as deleted entities, to simultaneously vivify and mortify them. These aspects should be investigated further. In today’s societies of affluence the unfolding of the subject has ceased to be a factor of individual sensibility settled by work, but takes place by means of technological disposal in accordance with allegedly free, aesthetic, techno-imaginary specifications. Their controlling impulses remain hidden and are reversely defined: Individual submission to the techno-imaginary dispositives of the apparat-based controlling system appears as intrinsically deliberated self-creation. Submission not merely seems to be, but is self-actualization, self-actualization is the ultimate historical horizon of a binding commitment. The subject has ceased to be reliant upon developing resources of resistance, but proves to be comprehensively capable in this new, dialectical, even paradoxical figure of submission. Taking part in social, but actually always also de-socializing, networks happens in a pattern of a partializing and fragmenting participation. Operating, that is, making use of, the telecommunication machine (smartphone, iPhone etc.) means constantly having to be elsewhere. Immediacy of action results in permanent self-reflection without the need to make vital experiences. What are the new narratives of a techno-imaginarily linked generation experiencing this? What is experience? How

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can it be articulated, if there is no need for critical difference anymore, as articulation coincides with experience and utilization but has ceased to be formed reflexively, to need such formation? It is likely that a mood of the possibility of a ubiquitous and yet unforced sharing in everything ensues. Within the critically expanded space of open reflection self-relativization and contingency would follow. But this seems to be of less and less importance. The technologically expanding narrative, which binds sensibility by means of apparatuses, promises the avoidance of fear, pain and inappetence. It produces silence. And thus all tends towards the image that is deemed to be evident. The narratives of the new social media facilitate optimal indifference with enhanced attention abstinence. Thus libidinously and phantasmally charged imagination machines matter less and less. They remain figures of speech of fulfillment under a historically effected de-potentiation of their original energy potentials. Subject is that which seeks an adapted, socio-equivalent molding of a previously contingent self. Assimilation into the apparat-based conglomerate of the technoimaginary appears today as the equally voluntary and ultimate horizon conditioning the potential to act. Sensibility, molded by machines, sensually expanded and technologically controlled, becomes the legitimating, symbolical capital of qualifying for recognition as a socially acceptable subject. Certain questions remain, clamor, even, for attention: Is there a different concept, can such even be thought? Can creativity be conceived of as the facility to destroy, to recognize the ephemeral, the transitoriness? Is there a critical position from which such activities of the senses can be understood as a radicalizing of contingency, of moment, as a committing to non-progressing, non-accumulative systems and thus also of exceeding utility and efficiency? What facilitates insight into the excess of squander by living production of senses? Will there be a critique with regards to a social definition of senses and the sensual activity of subjects? If only a few decades ago Herbert Marcuse spoke of a repressive tolerance, should a contemporary, media-critical reflection of the sense expansion within the techno-imaginary

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be described as a libidinous-libertarian intolerance? The figures of the critique of senses and technology so far would, in this pointed and everted sense, need to be reflected, acquired and transformed anew. Critical reflection is always also a question of the social place from which a differentiating perception and reflection is possible. Many thoughts and conversations turn on the question of such a place and of the potential for action, the directions and resultants, the active dynamics of this issue. The questions will continue, the answers remain tentative, searching. And, unavoidably, fragmented. But they need to continue to be posed and developed epochally. Translated by Alexander Schneider.

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Hans Ulrich Reck The philosopher, art historian, publisher and curator Hans Ulrich Reck has held the professorship of art history in the context of the media at the Academy of Media Arts Cologne since 1995 and has been rector of that institution since April 2014. Before this, he was the chair of Communication Studies at the School of Applied Arts in Vienna (1992 –1995) and lecturer in Basel and Zurich (1982–1995). Among his publications are: Pier Paolo Pasolini Poetisch Philosophisches Porträt (Double-CD Audio, 2012); Spiel Form Künste. Zu einer Kunstgeschichte des Improvisierens (2010); Pier Paolo Pasolini (2010); Traum. Enzyklopädie (2010); Index Kreativität (2007); Eigensinn der Bilder. Bildtheorie oder Kunstphilosophie? (2007); Das Bild zeigt das Bild selber als Abwesendes (2007); Kunst als Medientheorie. Vom Zeichen zur Handlung (2003); Mythos Medienkunst (2002) und Junggesellen­ maschinen (extensive republication with Harald Szeemann, 1999).

The Sensorial, the Sensual and the Work of the Senses 2

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1 Dieter Hoffmann-Axthelm: Sinnesarbeit. Nachdenken über Wahrnehmung. Frankfurt am Main 1984, p. 51.

Let’s assume that there are primary sense activities, which stand in opposition to »passive sensitivity, for example of the eyes to light or the ears to sound.« »Listening in, feeling, tasting, sniffing, gazing are stimulus-seeking« activities that »can be used both for the purposes of orientation and to discover or explore something..., they are ›attenders‹ to everything that remains constant in otherwise variable situations.«1 One could also say that they create attention, that they yield an advantage in the intentional perception of the environment and the respective situation, an advantage in orientation, in finding, in recognition. The senses engage in a systematic activity that projects itself beyond its own boundaries. In this way the senses perform a life-intensifying task. The stimulus-seeking senses have most certainly never limited themselves to direct efficiency. Transcending the mere purposeful or normal is essential to that which they do. Listening in order to take in something not heard or overheard or tasting in order to enjoy an unfamiliar flavour. In this way the senses are constantly generating value. Value in the sensory discernment that is more directed at fulfilling desires than at satisfying conditions. Or, more simply put, a recursion takes place. In all forms of transcendence, of crossing over, one must question »the sensorial capacity of vision,« the sensorial capacity of hearing and touch. One must question to what extent sight, hearing and touch perceive themselves as senses. When we speak about the work of the senses in relation to expansion or extension then the form of work that we have in mind can initially be assigned to an economic category. Why would anything expand without thereby attaining advantage or profit? Something appears to be insufficient in its resources. An inadequacy, a flaw must be redressed or pre-empted. The element of exploitation or utilization is important here. It urges the sensory activity to perceive more, something else and to do so for different purposes. At the same time an agency external to the senses is also at work. The sensory activities are forced

to expand from outside. By the entertainment industry, by the information industry, by capital itself. Goethe’s Faust-Movie An imaginary, cinematic crossing over of the senses is to be found in the fulfillment of an image experience that Goethe provoked in Faust I and above all in Faust II. It is in this context that Ulrich Gaier speaks of »Goethe’s dream of a film version of Faust,« which could not be realized with the tools and resources of the stage. In fact Goethe was describing the phantasmagorias of the Laterna Magica to demonstrate the commutation of illusion and reality, though according to Gaier the progression of fantastic image productions in the last act of Faust is really only possible with advanced animation technologies and postproduction special effects. It is interesting to note that Goethe himself found inspiration in the etchings and prints in his possession, so that in terms of characters and dramatic structure the Walpurgisnacht scene was derived from the folio Die Zauberei (Sorcery) by Matthäus Merian the Elder from the year 1626. And Faust’s descent into hell is derived from an illustration of Dante’s reverse funnel into the inferno. These still images from the realm of visual arts contain the imaginary fictional code for the (post) Romantic literature, in which the spectacular moving images are described that could only be converted into a new astonishing visual experience by means of digital cinema. In the fifth act of Faust II we find a »collage of images that draw the action to a conclusion, to a certain extent of their own volition.« Translated into the present we would say that from an algorithmic energy emerge fantastic self-generating pictorial worlds that are constantly stimulating and restimulating our sensorial production anew. The participatory imagination that Goethe expected from readers far beyond the reality of the stage is now manifested in the cinematic digital bodies and their actions, twisting and turning the perceptions of today’s moviegoers with Faustian sensory excesses. Marc Ries



Translated by Chris Michalski.

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Antonin Artaud

The Situation of the Flesh

I reflect on life. All the systems I may erect never will match these cries of a man engaged in remaking his life. I conceive a system in which all of man would be involved, with his physical body and its heights, the intellectual projection of his mind. As far as I am concerned, you have to reckon above all with man’s incomprehensible magnetism, with what, for lack of a more piercing expression, I am obliged to call his life-force.

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One day my reason must surely honor the undefined forces beseiging me—so that they replace higher thought­—, those forces which, exteriorly, have the form of a cry. There are intellectual cries, cries which proceed from the delicacy of the marrow. Which I call the Flesh. I don´t separate my thought from my life. With each vibration of my tongue I return over the path of my thought to my flesh.

Antonin Artaud

You have to have been deprived of life, of the nervous irradiation of existence, of the conscious fulfillment of the nerve, to become aware of the extent to which the Sensibility and Science of every thought is hidden in the nervous vitality of the marrow, and to what degree those, who bank solely on Intelligence or absolute Intellectuality are in error. Above all is the essence of the nerve. Fulfillment which contains all consciousness and all the occult paths of the mind in the flesh. But what am I in the midst of this theory of the Flesh, or rather of Existence? I am a man who has lost his life and is seeking by every means to reintegrate it in its proper place. In a way I´m the Animator of my own vitality: a vitality more precious to me than my conscience, for what to others is only the means for being a Man is for me the whole Reason. In the course of this quest into the hidden limbo of my consciousness, I believed I felt explosions like the collision of occult stones or the sudden petrification of fires. Fires that would be like unconscious truths miraculously vitalized. But you have to tread slowly on the road of dead stones, especially if you have lost understanding of words. It is an indescribable science which explodes by slow thrusts. And whoever possesses it doesn’t understand it. But the Angels also do not understand, for all true knowledge is obscure. Clear mind belongs to matter, I mean the mind clear at a given moment. But I have to examine this aspect of the flesh that should provide me with a metaphysic of Being and the definitive understanding of Life.

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For when I say Flesh I say, above all apprehension, hair standing on end, flesh naked with all the intellectual deepening of this spectacle of pure flesh, and all the consequences in the senses, that is, in feeling.

Antonin Artaud

And whoever says feeling says intuition, that is, direct knowledge, communication turned inside out to its source to be clarified interiorly. There’s a mind in the flesh but a mind quick as lightning. And yet the perturbation of the flesh partakes of the high substance of the mind. And yet whoever says flesh also says sensibility. Sensibility, that is, assimilation. But an intimate, secret, profound assimilation, absolute in relation to my own suffering, and consequently a solitary and unique consciousness of this suffering.

Antonin Artaud: The Situation of the Flesh In: Lawrence Ferlinghetti; Nancy J. Petters (eds.): Antonin Artaud. San Francisco 1965, p. 58–59.

Quote selected by Mathias Windelberg. Translated by Daisy Aldan.

Vivian Sobchack

What My Fingers Knew The Cinesthetic Subject, or Vision in the Flesh

First published by: Vivian Sobchack. What My Fingers Knew: The Cinesthetic Subject, or Vision in the Flesh. In: id.: Carnal Thoughts: Embodiment and Moving Image Culture. Berkeley, Los Angeles & London. 2004, p. 53–84.

Vivian Sobchack

[M]y body is not only an object among all objects, […] but an object which is sensitive to all the rest, which reverberates to all sounds, vibrates to all colours, and provides words with their primordial significance through the way in which it receives them. Maurice Merleau-Ponty: Phenomenology of Perception

What is significance? It is meaning, insofar as it is sensually produced. Roland Barthes: The Pleasure of the Text

1 Godfrey Cheshire: Film: Auteurist Elan. Review of The Piano, dir. Jane Campion. In: Spectator Magazine, November 18 (1993). 2 Bob Straus: The Piano Strikes Emotional Chords. Review of The Piano. In: Los Angeles Daily News November 19 (1993). 3 Stuart Klawans: Films. Review of The Piano. In: Nation December 6 (1993). 4 Daniel Heman: It’s a Bumpy Ride, but This Film’s Built for Speed. Review of Speed,dir. Jan de Bont. In: Richmond Times-Dispatch June 10 (1994). 5 Henry Sheehan: Speed Thrills. Review of Speed. In: Orange Country Register June 10 (1994). 6 Joe Leydon: Breakneck Speed. Review of Speed. In: Houston Post June 10 (1994). 7 David Ansen: Popcorn Deluxe. Review of Speed. In: Newsweek June 13 (1994), p. 53.

Nearly every time I read a movie review in a newspaper or popular magazine, I am struck by the gap that exists between our actual experience of the cinema and the theory that we academic film scholars construct to explain it—or perhaps, more aptly, to explain it away. Take, for example, several descriptions in the popular press of Jane Campion’s The Piano (1993): »What impresses most is the tactile force of the images. The salt air can almost be tasted, the wind’s furious bite felt.«1 The film is »[a]n unremittingly sensuous experience of music and fabric, of mud and flesh.«2 »Poems will be written about the curves of the performers’ buttocks as they’re outlined by candlelight; about the atmosphere that surrounds the dropping away of each item of clothing; about the immediate tactile shock when flesh first touches flesh in close-up.«3 A completely different kind of film, Jan de Bont’s Speed (1994), elicits the following: »Viscerally, it’s a breathtaking trip.«4 It’s »[a] classic summertime adrenaline rush.«5 »This white knuckle, edge-of-your-seat action opus is the real thing,«6 »[a] preposterously exciting thrill ride that takes itself seriously enough to produce gasps of tension and lightly enough so you giggle while grabbing the armrest.«7 »We feel wiped out with delirium and relief. The movie comes home in triumph and we go home in shreds.«8 Reviewers of Paul Anderson’s film adaptation of the kung-fu video game Mortal Kombat (1995) emphasize

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8 Anthony Lane: Faster, Faster. Review of Speed. In: New Yorker June 13 (1994), p. 103.

What My Fingers Knew

10 Janet Weeks: Is Faux Violence Less Violent? Review of Mortal Kombat. In: Los Angeles Daily News August 19 (1995). 11 Stephanie Griest: Mortal Kombat’s Bloodless Coup. Review of Mortal Kombat. In: Washington Post August 28 (1995). 12 Owen Gleiberman: Plastic Fantastic. Review of Toy Story, dir. John Lasseter In: Entertainment Weekly November 14 (1995), p. 74.

13 Peter Wollen: Signs and Meaning in the Cinema. Bloomington 1969, p. 57,59.

14 Gilles Deleuze: Cinema 2. The Time-Image. Minneapolis 1989, p. 159.

15 Lesley Stern: I Think, Sebastian, Therefore […] I Somersault. Film and the Uncanny. In: Para*doxa 3.3–4 (1997), p. 361.

»a soundtrack of […] primitive, head-bonking urgency«9 and endless scenes of »kick, sock, pow […] to-the-death battles,«10 in which »backs, wrists and necks are shattered with sickening cracking sounds.«11 And, of John Lasseter’s full-length computergraphically animated feature Toy Story (1995), another says: »A Tyrannosaurus rex doll is so glossy and tactile you feel as if you could reach out and stroke its hard, shiny head. […] When some toy soldiers spring to life, the waxy sheen of their green fatigues will strike Proustian chords of recognition in anyone who ever presided over a basement game of army. […] [T]his movie […] invites you to gaze upon the textures of the physical world with new eyes. What Bambi and Snow White did for nature, Toy Story, amazingly, does for plastic.«12 What have we, as contemporary media theorists, to do with such tactile, kinetic, redolent, resonant, and sometimes even taste-full descriptions of the film experience? I During earlier periods in the history of film theory there were various attempts to understand the meaningful relation between cinema and our sensate bodies. Peter Wollen notes that the great Soviet filmmaker and theorist Sergei Eisenstein, fascinated by the Symbolist movement, spent the latter part of his career investigating the »synchronization of the senses« and that his »writings on synaesthesia are of great erudition and considerable interest, despite their fundamentally unscientific nature.«13 Gilles Deleuze writes that Eisenstein »continually reminds us that ›intellectual cinema‹ has as correlate ›sensory thought‹ or ›emotional intelligence,‹ and is worthless without it.«14 And, in a wonderful essay using the trope of the somersault to address the relation between cinema and the body, Lesley Stern describes how, for Eisenstein, the moving body was »conceived and configured cinematically […] not just [as] a matter of representation, but [as] a question of the circuit of sensory vibrations that links viewer and screen.«15 This early interest in the somatic effects of the cinema culminated, perhaps, on the one side, in the 1930s, with the empirical work done in the United States by the Payne Studies—several of which quantitatively measured the

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9 Stephen Hunter: As Cosmic Battles Go, Kombat Is Merely Mortal. Review of Mortal Kombat, dir. Paul Anderson. In: Baltimore Sun August 19 (1995).

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17 Walter Benjamin: The Work of Art in the Age of Mechanical Reproduction. In: Hannah Arendt (ed.): Illuminations: Essays and Reflections. New York 1968, p. 240. and Walter Benjamin: On the Mimetic Faculty. In: Reflections: Essays, Aphorisms, Autobiographical Writings. New York: 1978, p. 333–336. 18 Quoted in Miriam Hansen: With Skin and Hair: Kracauer’s Theory of Film. Marseilles 1940. In: Critical Inquiry 19.3 (1993), p. 458. (the translation is Hansen’s). Hansen also goes on to note: »Pointing to the example of ›archaic pornographic flicks,‹ Kracauer comes close to describing the physical, tactile dimension of film spectatorship in sexual terms (though not in terms of gender); in striving for sensual, physiological stimulation, he notes, such ›flicks‹ realize film’s potential in general« (Ibid.). 19 Contemporary film theory as an academic designation usually refers to the period beginning in the late 1960s and early 1970s when semiotics, structuralism, and psychoanalysis were

»galvanic responses« and blood pressure of film viewers.16 On the other, qualitative side, there was the phenomenologically inflected materialist work done in the 1930s and 1940s by Walter Benjamin and Siegfried Kracauer. Benjamin, in his famous »The Work of Art in the Age of Mechanical Reproduction,« speaks of cinematic intelligibility in terms of »tactile appropriation,« and elsewhere he speaks to the viewer’s »mimetic faculty,« a sensuous and bodily form of perception.17 And Kracauer located the uniqueness of cinema in the medium’s essential ability to stimulate us physiologically and sensually; thus he understands the spectator as a »corporeal-material being,« a »human being with skin and hair,« and he tells us: »The material elements that present themselves in films directly stimulate the material layers of the human being: his nerves, his senses, his entire physiological substance.«18 Until quite recently, however, contemporary film theory has generally ignored or elided both cinema’s sensual address and the viewer’s »corporeal-material being.«19 Thus, if we read across the field, there is very little sustained work in English to be found on the carnal sensuality of the film experience and what—and how—it constitutes meaning. The few exceptions include Linda Williams’s ongoing investigation of what she calls »body genres«;20 Jonathan Crary’s recognition, in Techniques of the Observer, of the »carnal density« of spectatorship that emerges with the new visual technologies of the nineteenth century;21 Steven Shaviro’s Deleuzean emphasis, in The Cinematic Body, on the visceral event of film viewing;22 Laura Marks’s works on »the skin of the film« and »touch« that focus on what she describes as »haptic visuality« in relation to bodies and images;23 several essays by Elena del Río that, from a phenomenological perspective, attempt to undo »the rigid binary demarcations of externality and internality«;24 and forthcoming work from Jennifer Barker that develops a phenomenology of cinematic tactility.25 In general, however, most film theorists still seem either embarrassed or bemused by bodies that often act wantonly and crudely at the movies, involuntarily countering the fine-grained sensibilities, intellectual discriminations, and vocabulary of critical reflection. Indeed, as Williams suggests in relation to the »low« body genres of pornography, horror, and melodrama she privileges, a certain

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16 For relevant research by the Payne Studies see W. W. Charters: Motion Pictures and Youth: A Summary. New York 1933. In a related context Alison Landsberg writes that the Payne Studies »presumed that the body might give evidence of physiological symptoms caused by a kind of technological intervention into subjectivity— an intervention which is part and parcel of the cinematic experience« Alison Landsberg: Prosthetic Memory. Total Recall and Blade Runner. In: Mike Featherstone; Roger Burrows (eds.): Cyberspace/ Cyberbodies/Cyberpunk. Cultures of Technological Embodiment. London 1995. p. 180.

What My Fingers Knew

20 See Linda Williams: Film Bodies. Gender, Genre, and Excess. In: Film Quarterly 44.4 (1991), p. 2–13. Linda Williams: Corporealized Observers. Visual Pornographies and the Carnal Density of Vision. In: Patrice Petro (ed.): Fugitive Images. From Photography to Video. Bloomington 1995, p. 3–41. and Linda Williams: The Visual and Carnal Pleasures of MovingImage Pornography. A Brief History (unpublished manuscript); this latter essay was eventually incorporated into the epilogue of the 1999 edition of Linda Williams: Hard Core. Power, Pleasure, and the Frenzy of the Visible. Berkeley 1989. 21 Jonathan Crary: Techniques of the Observer. Cambridge, MA 1992.

22 Steven Shaviro: The Cinematic Body. Minneapolis 1993. 23 Laura U. Marks: The Skin of the Film. Intercultural Cinema, Embodiment, and the Senses. Durham, NC 1999, Laura U. Marks: Touch: Sensuous Theory and Multisensory Media. Minneapolis 2002.

discomfort emerges when we experience an »apparent lack of proper esthetic distance, a sense of over-involvement in sensation and emotion.« She tells us: »We feel manipulated by these texts —an impression that the very colloquialisms of ›tear jerker’ and ›fear jerker‹ express—and to which we could add pornography’s even cruder sense as texts to which some people might be inclined to ›jerk off.‹« Bodily responses to such films are taken as an involuntary and self-evident reflexology, marking, as Williams notes, sexual arousal on »peter meters«; horror in screams, fainting, and even heart attacks; and sentiment in »one-, two-, or three handkerchiefs.«26 For the most part, then, carnal responses to the cinema have been regarded as too crude to invite extensive elaboration beyond aligning them—for their easy thrills, commercial impact, and cultural associations—with other more »kinetic« forms of amusement such as theme park rides or with Tom Gunning’s once historically grounded but now catch-all designation, »cinema of attractions.«27 Thus, scholarly interest has been focused less on the capacity of films to physically arouse us to meaning than on what such sensory cinematic appeal reveals about the rise and fall of classical narrative, or the contemporary transmedia structure of the entertainment industry, or the desires of our culture for the distractions of immediate sensory immersion in an age of pervasive mediation. Nonetheless, critical discussions often also suggest that films that appeal to our sensorium are the quintessence of cinema. For example, writing about Speed, Richard Dyer relates the Lumière audiences’ recoiling in terror from an approaching onscreen train to IMAX and Showscan, proposing that all cinema is, at base, a »cinema of sensation.«28 Indeed, he argues that the cinema’s essence is to represent and fulfill our desire »for an underlying pattern of feeling, to do with freedom of movement, confidence in the body, engagement with the material world, that is coded as male (and straight and white, too) but to which all humans need access.«29 However, although Dyer acknowledges the importance of the spectator’s direct bodily experience of cinema, he is at a loss to explain its very existence. He tells us: »The celebration of sensational movement, that we respond to in some still unclear

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regarded as methodological antidotes to a »soft« and unscientific humanist film criticism, and Marxist cultural critique and feminist theory were regarded as ideological antidotes to bourgeois and patriarchal aestheticism. An extended critique of the contemporary theoretical oversight (if not repression) of the spectator’s lived body, as well as a discussion of the historical and theoretical reasons for it, can be found in my own The Address of the Eye. A Phenomenology of Film Experience. Princeton, NJ 1992.

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25 Jennifer Barker’s dissertation, The Tactile Eye, (UCLA) is in progress; however, she has delivered two conference papers that draw from her research: Fascinating Rhythms: The Visceral Pleasures of the Cinema (Come to Your Senses, Amsterdam School for Cultural Analysis, Theory, and Interpretation, Amsterdam, May 1998); and Affecting Cinema (annual meeting of the Society for Cinema Studies, Chicago, IL, March 2000).

26 Williams (1991), p. 5 (see footnote 20). 27 Tom Gunning: The Cinema of Attractions. Early Film, Its Spectator, and the Avantgarde. In: Thomas Elsaesser with Adam Barker (eds.): Early Cinema. Space, Frame, Narrative. London 1990, p. 56–62. Gunning comments: »Clearly in some sense recent spectacle cinema has reaffirmed its roots in stimulus and carnival rides, in what might be called the Spiel­berg-Lucas-Coppola cinema and effects« (p. 61). It is worth noting that this move from use of the phrase »cinema of attractions« to designate a historically specific mode—and moment—of film production to its use as a more generic and transhistorical designation is seen as problematic. A thoughtful critique was offered by Ben Brewster in Periodization of the Early Cinema: Some Problems (paper presented at the annual meeting of the Society for Cinema Studies, Dallas, TX, March 1996).

sense ›as if real,‹ for many people is the movies.«30 The dynamic structure that grounds our bodily response to cinema’s visual (and aural) representations is not only articulated as a continuing mystery, but its eidetic »givenness« to experience is also destabilized by the phrase »as if real«—the phrase itself surrounded by a set of scare quotes that, questioning this questioning of givenness, further plunges us into a mise en abyme of experiential undecidability. This »still unclear sense« of the sensational movement that, »as if real,« provokes a bodily response marks the confusion and discomfort we scholars have not only in confronting our sensual experience of the cinema but also in confronting our lack of ability to explain its somatism as anything more than »mere« physiological reflex or to admit its meaning as anything more than metaphorical description.31 Thus, the language used in the press to describe the sensuous and affective dimensions of the film experience has been written off as a popular version of that imprecise humanist criticism drummed out of film studies in the early 1970s with the advent of more »rigorous« and »objective« modes of description. Thus, sensual reference in descriptions of cinema has been generally regarded as rhetorical or poetic excess— sensuality located, then, always less on the side of the body than on the side of language. This view is tautological. As Shaviro points out, it subsumes sensation »within universal (linguistic or conceptual) forms only because it has deployed those forms in order to describe sensation in the first place.« This elision of the body »making sense« in its own right is grounded in »the idealist assumption that human experience is originally and fundamentally cognitive.« To hold such an idealist assumption, Shaviro goes on, »is to reduce the question of perception to a question of knowledge, and to equate sensation with the reflective consciousness of sensation. The Hegelian and structuralist equation suppresses the body. It ignores or abstracts away from the primordial forms of raw sensation: affect, excitation, stimulation and repression, pleasure and pain, shock and habit. It posits instead a disincarnate eye and ear whose data are immediately objectified in the form of self-conscious awareness or positive knowledge.«32 In sum, even though there has been increasing interest in doing so, we have not yet come to grips with the carnal

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24 Elena del Río: The Body as Foundation of the Screen. Allegories of Technology in Atom Egoyan’s Speaking Parts. In: Camera Obscura 37–38 (1996), p. 94–115. and Elena del Río: The Body of Voyeurism. Mapping a Discourse of the Senses in Michael Powell’s Peeping Tom. In: Camera Obscura 15.3 (2000), p. 115–149.

What My Fingers Knew

29 Ibid., p. 9. 30 Ibid., p. 8 (emphasis added). 31 Paul Ricoeur: The Rule of Metaphor. Multi-disciplinary Studies of the Creation of Meaning in Language. Toronto 1977. Ricoeur discusses the status of the »as if « in relation to metaphor and reference; see esp. p. 248–256. He finds inadequate both »an interpretation that gives in to ontological naïveté in the evaluation of metaphorical truth because it ignores the implicit ›is not‹« and its »inverse interpretation that, under the critical pressure of the ›is not‹, loses the ›is‹ by reducing it to the ›as if‹ of a reflective judgment.« As he says, the »legitimation of the concept of metaphorical truth, which preserves the ›is not‹ with the ›is,‹ will proceed from the convergence of these two critiques« (p. 249, emphasis added). Subsequent references will be cited in the text. 32 Shaviro (1993), p. 26–28 (see footnote 22). 33 As Linda Williams, in »Visual and Carnal Pleasures,« summarizes: »In psychoanalytic film theory this opposition between an excessive and inarticulate body and sensation on the one hand and a mastering spirit or thought on the other has been fundamental, giving rise to the concept of an abstract ›visual pleasure‹ grounded in a voyeuristic gaze whose pleasure presumes a distanced, decorporealized, monocular eye mastering all it surveils but not physically implicated in the objects of its vision« (n.p.). This »mastering« gaze has meant the privileging of Renaissance perspective and its Cartesian

foundations of cinematic intelligibility, with the fact that to understand movies figurally, we first must make literal sense of them. This is not a tautology—particularly in a discipline that has worked long and hard to separate the sense and meaning of vision and specularity from a body that, in experience, lives vision always in cooperation and significant exchange with other sensorial means of access to the world, a body that makes meaning before it makes conscious, reflective thought. Thus, despite current academic fetishization of »the body,« most theorists still don’t quite know what to do with their unruly responsive flesh and sensorium. Our sensations and responses pose an intolerable question to prevalent linguistic and psychoanalytic understandings of the cinema as grounded in conventional codes and cognitive patterning and grounded on absence, lack, and illusion. They also pose an intolerable challenge to the prevalent cultural assumption that the film image is constituted by a merely two-dimensional geometry.33 Positing cinematic vision as merely a mode of objective symbolic representation, and reductively abstracting—»disincarnating«— the spectator’s subjective and full-bodied vision to posit it only as a »distance sense,« contemporary film theory has had major difficulties in comprehending how it is possible for human bodies to be, in fact, really »touched« and »moved« by the movies. At worst, then, contemporary film theory has not taken bodily being at the movies very seriously—and, at best, it has generally not known how to respond to and describe how it is that movies »move« and »touch« us bodily. Instead, with some noted exceptions, film theory has attempted (somewhat defensively, I think) to put the ambiguous and unruly, subjectively sensuous, embodied experience of going to the movies back where it »properly«—that is, objectively—belongs: it locates the sensuous on the screen as the semiotic effects of cinematic representation and the semantic property of cinematic objects or off the screen in the spectator’s phantasmatic psychic formations, cognitive processes, and basic physiological reflexes that do not pose major questions of meaning. Yet as film theorists we are not exempt from sensual being at the movies—nor, let us admit it, would we wish to be. As »lived bodies« (to use a phenomenological term that insists on »the« objective body as always also lived subjectively

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28 Richard Dyer: Action! In: Sight and Sound 4.10 (1994), p. 7–10.

34 Chiasm (sometimes chiasmus) is the term used by Maurice Merleau-Ponty: in Eye and Mind. In: James Edie (ed.): The Primacy of Perception. Evanston, IL 1964. to indicate a »unique space which separates and reunites, which sustains every cohesion« (p. 187). In general, chiasm is used to name the ground of all presence against which discrete figures of being emerge; as such, it is the ground from which oppositions both emerge and fall away, on which they become reversible. Here I am suggesting that the enworlded lived body functions as our own chiasmatic site in the matter of meaning and the meaning of matter: that is, it sustains discrete and oppositional figures (such as language and being) but also provides the synoptic ground for the suspension of both their discretion and their opposition. See also Maurice Merleau-Ponty: The Intertwining—The Chiasm. In: Claude Lefort (ed.): The Visible and the Invisible. Evanston 1968), p. 130–155.

35 Roland Barthes: The Third Meaning. In: Image-Music-Text. New York 1977, p. 52–68; Miriam Hansen: Benjamin, Cinema, and Experience. The Blue Flower in the Land of Technology. In: New German Critique 40 (1987) writes of this connection between »third meaning« and the lived body in relation to Walter Benjamin’s reflections on the »mimetic faculty«: »For Benjamin, the semiotic aspect of language encompasses both Barthes’s ›informational‹ and ›symbolic‹ levels of meaning […] while the mimetic aspect would correspond to the level of physiognomic excess« (p. 198).

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as »my« body, diacritically invested and active in making sense and meaning in and of the world), our vision is always already »fleshed out.« Even at the movies our vision and hearing are informed and given meaning by our other modes of sensory access to the world: our capacity not only to see and to hear but also to touch, to smell, to taste, and always to proprioceptively feel our weight, dimension, gravity, and movement in the world. In sum, the film experience is meaningful not to the side of our bodies but because of our bodies. Which is to say that movies provoke in us the »carnal thoughts« that ground and inform more conscious analysis. Thus, we need to alter the binary and bifurcated structures of the film experience suggested by previous formulations and, instead, posit the film viewer’s lived body as a carnal »third term« that grounds and mediates experience and language, subjective vision and objective image—both differentiating and unifying them in reversible (or chiasmatic) processes of perception and expression.34 Indeed, it is the lived body that provides both the site and genesis of the »third« or »obtuse« meaning that Roland Barthes suggests escapes language yet resides within it.35 Thrown into a meaningful lifeworld, the lived body is always already engaged in a commutation and transubstantiation of the cooperative meaning-making capacity of its senses (which are always acculturated and never lived as either discrete or raw)— a process that commutes the meaning of one sense to the meaning of another, translates the literal into the figural and back again, and prereflectively grounds the more particular and reflective discriminations of a »higher order« semiology. Put another way, we could say that the lived body both provides and enacts a commutative reversibility between subjective feeling and objective knowledge, between the senses and their sense or conscious meaning. In this regard Shaviro is most eloquent: »There is no structuring lack, no primordial division, but a continuity between the physiological and affective responses of my own body and the appearances and disappearances, the mutations and perdurances, of the bodies and images on screen. The important distinction is not the hierarchical, binary one between bodies and images, or between the real and its representations. It is rather a question of discerning multiple and continually varying

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»carpentering« of the world as the explanatory model for describing cinematic space. For more discussion of this issue and alternative descriptive models see my own Breadcrumbs in the Forest: Three Meditations on Being Lost in Space. In: Carnal Thoughts. Embodiment and Moving Image Culture. Berkeley 2004, p. 13–35.

What My Fingers Knew

37 For discussion of these politics see, e.g., Cynthia Kaufman: Colonialism, Purity, and Resistance in The Piano. In: Socialist Review 24.1–2 (1994), p. 251–255; Leonie Pihama: Are Films Dangerous? A Maori Woman’s Perspective on The Piano. In: Hecate 20.2 (1994), p. 239–242; Lynda Dyson: The Return of the Repressed? Whiteness, Femininity, and Colonialism in The Piano. In: Screen 36.3 (1995), p.267–276. and Dana Polan: Jane Campion. London 2002. 38 I am certainly not alone in responding this way. See,e.g., Sue Gillett: Lips and Fingers. Jane Campion’s The Piano. In: Screen 36.3 (1995), p. 277–287. Not only does Gillett open and conclude her unusual essay using first-person voice to »inhabit« protagonist Ada’s consciousness, but, as the critic, she also tells us outright, in a description I find resonant with my own experience, »The Piano affected me very deeply. I was entranced, moved, dazed. I held my breath. I was reluctant to re-enter the everyday world after the film had finished. The Piano shook, disturbed and inhabited me. I felt that my own dreams had taken form, been revealed. […] These were thick, heavy and exhilarating feelings« (p. 286). 39 Certainly some individual films like The Piano and those films grouped by Williams as »body genres« foreground sensual engagement in explicit image and sound content and narrative focus, as well as in a more backgrounded manner—that is, through the kinetic activity and sensory experience of what I have, in The Address of the Eye, called the »film’s body« (see note 48 below).

interactions among what can be defined indifferently as bodies and as images: degrees of stillness and motion, of action and passion, of clutter and emptiness, of light and lack. […] The image cannot be opposed to the body, as representation is opposed to its unattainable referent. For a fugitive, supplemental materiality haunts the (allegedly) idealizing processes of mechanical repro­ duction. […] The flesh is intrinsic to the cinematic apparatus, at once its subject, its substance, and its limit.«36 II At this point, given my rather lengthy critique of theoretical abstraction and its oversight of our bodily experience at the movies, I want to ground my previous discussion »in the flesh.« In my flesh, in fact—and its meaningful responsiveness to and comprehension of an actual film, The Piano. However intellectually problematic in terms of its sexual and colonial politics,37 Campion’s film moved me deeply, stirring my bodily senses and my sense of my body. The film not only »filled me up« and often »suffocated« me with feelings that resonated in and constricted my chest and stomach, but it also »sensitized« the very surfaces of my skin—as well as its own—to touch. Throughout the film my whole being was intensely concentrated and, rapt as I was in the world onscreen, I was wrapped also in a body that was achingly aware of itself as a sensuous, sensitized, sensible material capacity.38 (In this context we might remember the reviewers who spoke of the »unremittingly sensuous experience of music and fabric, of mud and flesh« and »immediate tactile shock.«) In particular, I want to focus on my sensual and sense-making experience of The Piano’s first two shots—for they, in fact, generated this essay. Although my body’s attention was mobilized and concentrated throughout a film that never ceased to move or touch me carnally, emotionally, and consciously in the most complex ways, these first two shots significantly foregrounded for me the issue at hand (so to speak) of our sensual engagement not only with this film but, to varying degrees, with all others.39 Most particularly, these inaugural shots also foregrounded the ambiguity and ambivalence of vision’s relation to touch as the latter has been evoked here in both its literal and figurative sense.

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36 Shaviro (1993), p. 255–257 (see footnote 22).

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40 Carol Jacobs: Playing Jane Campion’s Piano. Politically. In: Modern Language Notes 109.5 (1994), p. 769–770.

In visual and figural terms the very first shot we see in The Piano seems an unidentifiable image. Carol Jacobs gives us a precise description and gloss of both this shot and the one that follows it: »Long, uneven shafts of reddish-pink light fan out across the screen, unfocused like a failed and developed color negative of translucent vessels of blood. […] Yet it is nearly no view at all—an almost blindness, with distance so minimal between eye and object that what we see is an unrecognizable blur. […] The image we first see is from the other side, from Ada’s perspective, her fingers, liquid fingers. […] We see Ada’s fingers pierced through with sunlight, apparently from her perspective, as we hear the voice of her mind, but then, immediately thereafter, we see them from the clear perspective of the onlookers that we are, as they become matter-of-fact-objects to the lens of the camera.«40 As I watched The Piano’s opening moments—in that first shot, before I even knew there was an Ada and before I saw her from my side of her vision (that is, before I watched her rather than her vision)—something seemingly extraordinary happened. Despite my »almost blindness«, the »unrecognizable blur,« and resistance of the image to my eyes, my fingers knew what I was looking at—and this before the objective reverse shot that followed to put those fingers in their proper place (that is, to put them where they could be seen objectively rather than subjectively »looked through«). What I was seeing was, in fact, from the beginning, not an unrecognizable image, however blurred and indeterminate in my vision, however much my eyes could not »make it out.« From the first (although I didn’t consciously know it until the second shot), my fingers comprehended that image, grasped it with a nearly imperceptible tingle of attention and anticipation and, offscreen, »felt themselves« as a potentiality in the subjective and fleshy situation figured onscreen. And this before I refigured my carnal comprehension into the conscious thought, »Ah, those are fingers I am looking at.« Indeed, at first, prior to this conscious recognition, I did not understand those fingers as »those« fingers—that is, at a distance from my own fingers and objective in their »thereness.« Rather, those fingers were first known sensually and sensibly as »these« fingers and were located ambiguously both offscreen and on—subjectively »here« as well

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Other films may show us bodies in sensual engagement but do so in a non-sensual manner, thus distancing us rather than soliciting a similar experience through the »attitude« of their mediating vision. Nonetheless, I would maintain that all films engage the sense-making capacity of our bodies, as well as of our minds—albeit according to different ratios (or rationalities).

What My Fingers Knew

42 The phrase »baffled vision« comes from Laura Marks, »Haptic Visuality« (paper presented at the annual meeting of the Society for Cinema Studies, Dallas, TX, Mar. 1996).

43 Here I cannot resist citing a rather derisive comment about Campion’s next (and less critically successful) film, The Portrait of a Lady (1996), that is explicit about the filmmaker’s own symbolic »fixation« on what was once a dynamic representation of touch. Entertainment Weekly, Feb. 7, 1997, has a sidebar called »Fixation of the Week« with the subtitle »Jane Campion’s Hands-On Approach.« The text reads: »Starting with the title sequence, in which ›The Portrait of a Lady‹ is emblazoned on a middle finger, the director gives us 60-odd shots of fingers. There’s fly flicking, ivory tickling, skin stroking, nose scratching, cigarette holding, and that all-too-Piano moment when Nicole Kidman’s Isabel Archer says, ›I would have given my little finger.‹ Oh, Jane, please, not again!« (p. 53).

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41 The normative dominance of vision and its mastery over the world as objective is most frequently overthrown in what is called experimental or avant-garde cinema. In this regard see also Marks’s discussion of intercultural cinema in The Skin of the Film (see footnote 23).

as objectively »there,« »mine« as well as the image’s. Thus, although it should have been a surprising revelation given my »almost blindness« to the first shot, the second and objective reverse shot of a woman peering at the world through her outspread fingers really came as no surprise at all. Instead, it seemed a pleasurable culmination and confirmation of what my fingers— and I, reflexively if not yet reflectively—already knew. Although this experience of my body’s prereflective but reflexive comprehension of the seen (and, hence, the scene) is in some respects extraordinary, it is also in most respects hardly exceptional. Indeed, I would argue that this prereflective bodily responsiveness to films is a commonplace. That is, we do not experience any movie only through our eyes. We see and comprehend and feel films with our entire bodily being, informed by the full history and carnal knowledge of our acculturated sensorium. Normatively, however, the easy givenness of things for us to see at the movies and vision’s overarching mastery and comprehension of its objects and its historically hierarchical sway over our other senses tend to occlude our awareness of our body’s other ways of taking up and making meaning of the world—and its representation. Thus, what is extraordinary about the opening shot of The Piano is that it offers (at least on first viewing) a relatively rare instance of narrative cinema in which the cultural hegemony of vision is overthrown,41 an instance in which my eyes did not »see« anything meaningful and experienced an almost blindness at the same time that my tactile sense of being in the world through my fingers grasped the image’s sense in a way that my forestalled or baffled vision could not.42 Jacobs tells us that the initial image is »like a failed and developed color negative of translucent vessels of blood.« Nonetheless, one senses that her bodily reference is derived less from tactile foresight than from visual hindsight. For, in an otherwise admirable essay that focuses on the film’s narrative and visual emphasis on touch, Jacobs objectifies the site of touch far too quickly—rushing to reduce vision to point of view, hurrying to consider tactility and fingers and hands in terms of their narrative symbolism.43 Thus, she tells us that Ada’s fingers in that first shot (as well as throughout) are used symbolically to

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45 This issue of the discretion of each of the senses and their non- isolated relation to each other is discussed in Maurice Merleau-Ponty: Phenomenology of Perception. London 1962, esp. p. 223–225. The philosopher writes: »[E]ach organ of sense explores the object in its own way, [and] is the agent of a certain type of synthesis« (Ibid.). And he elaborates: »The senses are distinct from each other and distinct from intellection insofar as each one of them brings with it a structure of being which can never be exactly transposed. […] And we can recognize it without any threat to the unity of the senses. For the senses communicate with each other. […] [T]he experience of the separate ›senses‹ is gained only when one assumes a highly particu­­­­­­larized attitude, and this cannot be of any assistance to the analysis of direct consciousness« (Ibid.) Subsequent references will be cited in the text.

46 del Río (1996), p. 101 (see footnote 24).

»render us illiterate« and »unable to read them.«44 Now, if vision were an isolated sense and not merely a discrete sense possessing its own structure, capacities, and limits, I suppose this might be true. But vision is not isolated from our other senses. Whatever its specific structure, capacities, and sensual discriminations, vision is only one modality of my lived body’s access to the world and only one means of making the world of objects and others sensible—that is, meaningful—to me.45 Vision may be the sense most privileged in the culture and the cinema, with hearing a close second; nonetheless, I do not leave my capacity to touch or to smell or to taste at the door, nor, once in the theater, do I devote these senses only to my popcorn. Thus I would argue that my experience of The Piano was a heightened instance of our common sensuous experience of the movies: the way we are in some carnal modality able to touch and be touched by the substance and texture of images; to feel a visual atmosphere envelop us; to experience weight, suffocation, and the need for air; to take flight in kinetic exhilaration and freedom even as we are relatively bound to our theater seats; to be knocked backward by a sound; to sometimes even smell and taste the world we see on the screen. Although, perhaps, smell and taste are less called on than touch to inform our comprehension of the images we see, I still remember the »visual aroma« of my experience of Black Narcissus (Michael Powell and Emeric Pressberger, 1946), the film itself named after a perfume, or the pork-noodle taste of portions of Tampopo (Juzo Itami, 1986). (And why should we be surprised at this when the very power of advertising cologne and food rests heavily on transmodal cooperation and translation within and across the sensorium?) Furthermore, as I engaged these films, I did not »think« a translation of my sense of sight into smell or taste; rather I experienced it without a thought. Elena del Río describes the phenomenological structure of this experience: »As the image becomes translated into a bodily response, body and image no longer function as discrete units, but as surfaces in contact, engaged in a constant activity of reciprocal re-alignment and inflection.«46 In this regard we might wish to think again about processes of identification in the film experience, relating them not

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44 Jacobs (1994), p. 770 (see footnote 40).

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48 I use the phrase the »film’s body« very precisely in The Address of the Eye to designate the material existence of the film as functionally embodied (and thus differentiated in existence from the filmmaker and spectator). The »film’s body« is not visible in the film except for its intentional agency and diacritical motion. It is not anthropomorphic, but it is also not reducible to the cinematic apparatus (in the same way that we are not reducible to our material physiognomy); it is discovered and located only reflexively as a quasi-subjective and embodied »eye« that has a discrete—if ordinarily prepersonal and anonymous— existence.

49 Iris Marion Young: Pregnant Embodiment. Subjectivity and Alienation. In: Throwing like a Girl and Other Essays in Feminist Philosophy and Social Theory. Bloomington 1990, p. 161.

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47 Although only discussed generally rather than elaborated as a specific phenomenological structure of cinematic engagement, Marks uses the phrase »ambient identification« in her »Haptic Visuality« to suggest an identification with the image that is not located in a single subject position or self-displacements in narrative characters.

to our secondary engagement with and recognition of either »subject positions« or characters but rather to our primary engagement (and the film’s) with the sense and sensibility of materiality itself. We, ourselves, are subjective matter: our lived bodies sensually relate to »things« that »matter« on the screen and find them sensible in a primary, prepersonal, and global way that grounds those later secondary identifications that are more discrete and localized. Certainly, my experience of the opening subjective shot of The Piano provides evidence of this prepersonal and globally located bodily comprehension, but such ambient and carnal identification with material subjectivity also occurs when, for example, I »objectively« watch Baines—under the piano and Ada’s skirts—reach out and touch Ada’s flesh through a hole in her black woolen stocking.47 Looking at this objective image, like the reviewer cited earlier, I also felt an »immediate tactile shock when flesh first touches flesh in close-up.« Yet precisely whose flesh I felt was ambiguous and vague—and emergent from a phenomenological experience structured on ambivalence and diffusion. That is, I had a carnal interest and investment in being both »here« and »there,« in being able both to sense and to be sensible, to be both the subject and the object of tactile desire. At the moment when Baines touches Ada’s skin through her stocking, suddenly my skin is both mine and not my own: that is, the »immediate tactile shock« opens me to the general erotic mattering and diffusion of my flesh, and I feel not only my »own« body but also Baines’s body, Ada’s body, and what I have elsewhere called the »film’s body.«48 Thus, even confronted with an »objective« shot, my fingers know and understand the subjective meanings of this »seen« and this viewing situation, and they grasp textural and textual meaning everywhere—not only in the touching but also in the touched. Objectivity and subjectivity lose their presumed clarity. Which is to say, in this viewing situation (and to varying degrees in every viewing situation), »to situate subjectivity in the lived body jeopardizes dualistic metaphysics altogether. There remains no basis for preserving the mutual exclusivity of the categories subject and object, inner and outer, I and world.«49

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51 Michael Moriarty: Roland Barthes. Stanford 1991, p. 190.

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50 Elizabeth Grosz: Merleau-Ponty and Irigaray in the Flesh. In: Sense and Sensuousness. Merleau-Ponty. Special issue Thesis Eleven 36 (1993), p. 46.

Again, I want to emphasize that I am not speaking metaphorically of touching and being touched at and by the movies but »in some sense« quite literally of our capacity to feel the world we see and hear onscreen and of the cinema’s capacity to »touch« and »move« us offscreen. As philosopher Elizabeth Grosz puts it: »Things solicit the flesh just as the flesh beckons to and as an object for things. Perception is the flesh’s reversibility, the flesh touching, seeing, perceiving itself, one fold (provisionally) catching the other in its own self-embrace.«50 Experiencing a movie, not ever merely »seeing« it, my lived body enacts this reversibility in perception and subverts the very notion of onscreen and offscreen as mutually exclusive sites or subject positions. Indeed, much of the »pleasure of the text« emerges from this carnal subversion of fixed subject positions, from the body as a »third« term that both exceeds and yet is within discrete representation; thus, as Barthes has shown us, »it would be wrong […] to imagine a rigid distinction between the body inside and the body outside the text, because the subversive force of the body is partly in its capacity to function both figuratively and literally.«51 All the bodies in the film experience—those onscreen and offscreen (and possibly the screen itself)—are potentially subversive bodies. They have the capacity to function both figuratively and literally. They are pervasive and diffusely situated in the film experience. Yet these bodies are also materially circumscribed and can be specifically located, each arguably becoming the »grounding body« of sense and meaning since each exists in a dynamic figure-ground relation of reversibility with the others. Furthermore, these bodies also subvert their own fixity from within, commingling flesh and consciousness, reversing the human and technological sensorium, so that meaning, and where it is made, does not have a discrete origin in either spectators’ bodies or cinematic representation but emerges in their conjunction. We might name this subversive body in the film experience the cinesthetic subject—a neologism that derives not only from cinema but also from two scientific terms that designate particular structures and conditions of the human sensorium: synaesthesia and coenaesthesia. Both of these structures and conditions foreground the complexity and richness of the more general bodily

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52 Richard E. Cytowic, M.D.: The Man Who Tasted Shapes. A Bizarre Medical Mystery Offers Revolutionary Insights into Emotions, Reasoning, and Consciousness. New York 1993, p. 52. Subsequent references will be cited in the text. For more recent works on synaesthesia see John E. Harrison; Simon Baron-Cohen (eds.): Synaesthesia: Classic and Contemporary Readings. Cambridge 1996. and Kevin T. Dann: Bright Colors Falsely Seen. Synaesthesia and the Search for Transcendental Knowledge. New Haven, CT 1998.

experience that grounds our particular experience of cinema, and both also point to ways in which the cinema uses our dominant senses of vision and hearing to speak comprehensibly to our other senses. In strict medical discourse, psychoneurologist Richard Cytowic notes that synaesthesia is defined as an »involuntary experience in which the stimulation of one sense cause[s] a perception in another.«52 Synaesthetes regularly, vividly, and automatically perceive sound as color or shapes as tastes. One woman explains, »I most often see sound as colors, with a certain sense of pressure on my skin. […] I am seeing, but not with my eyes, if that makes sense,« and, as an example, she says that she experiences her husband’s voice and laughter not metaphorically but literally as »a wonderful golden brown, with a flavor of crisp, buttery toast« (p. 118). »Synaesthesia,« says Cytowic, »is the most immediate and direct kind of experience. […] It is sensual and concrete, not some intellectualized concept pregnant with meaning. It emphasizes limbic processes [over higher cortical functions of the brain] which break through to consciousness. It’s about feeling and being, something more immediate than analyzing what is happening and talking about it« (p. 176). Nonetheless, this does not mean that synaesthetic experience as »more immediate than analysis« escapes culture—as evident in laughter perceived as the taste of »crisp, buttery toast.« Clinical synaesthesia is uncommon in the general population although, to some degree, a less extreme experience of »cross-modal transfer« among our senses is common enough to have warranted the term’s use and the condition’s description in ordinary language. Artists have long been interested in synaesthesia (as were the Symbolists and Eisenstein); indeed, quite a number of them also have been synaesthetes (novelist Vladimir Nabokov is but one example). Furthermore, in common usage synaesthesia refers not only to an involuntary transfer of feeling among the senses but also to the volitional use of metaphors in which terms relating to one kind of sense impression are used to describe a sense impression of other kinds. This move from an involuntary and immediate exchange within the sensorium to a conscious and mediated exchange between the sensorium and language not

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54 George Lakoff; Mark Johnson: Metaphors We Live By. Chicago 1980.

55 Cytowic (1993), p. 95 (see footnote 52); See also Ackerman (1990), p. 289 (see footnote 53).

only reminds us of the aforementioned »synaesthesia-loving Symbolist movement«53 but also points to a sensual economy of language dependent on the lived body as simultaneously the fundamental source of language, its primary sign producer, and its primary sign. Thus, in Metaphors We Live By linguist George Lakoff and philosopher Mark Johnson argue that figural language emerges and takes its meaning from our physical experience (however disciplined by culture),54 and Cytowic, working with synaesthetes, concludes that »the coherence of metaphors […] [is] rooted in concrete experience, which is what gives metaphors their meaning. […] [M]etaphor is experiential and visceral« (p. 206). This relation between the literal sensible body and metaphor as sensible figure is central to both our understanding of cinematic intelligibility and of the cinesthetic subject who is moved and touched by going to the movies—and it is an issue to which I will return. The neologism of the film viewer as a »cinesthetic subject« also draws on another scientific term used to designate a bodily condition: coenaesthesia. Neither pathological nor rare, coenaesthesia names the potential and perception of one’s whole sensorial being. Thus, the term is used to describe the general and open sensual condition of the child at birth. The term also refers to a certain prelogical and nonhierarchical unity of the sensorium that exists as the carnal foundation for the later hierarchical arrangement of the senses achieved through cultural immersion and practice. In this regard, Cytowic notes, it has been demonstrated that young children—not yet fully acculturated to a particularly disciplined organization of the sensorium—experience a greater »horizontalization« of the senses and consequently a greater capacity for cross-modal sensorial exchange than do adults.55 In sum, whereas synaesthesia refers to the exchange and translation between and among the senses, coenaesthesia refers to the way in which equally available senses become variously heightened and diminished, the power of history and culture regulating their boundaries as it arranges them into a normative hierarchy. There are those instances, however, when we do not have to be clinically diagnosed synaesthetes or very young children to

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53 Diane Ackerman: A Natural History of the Senses. New York 1990, p. 291.

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56 Elaine Scarry: On Beauty and Being Just. Princeton, NJ 1999, p. 4.

challenge those boundaries and transform those hierarchies. The undoing of regulatory borders and orders among the senses can occur in a variety of situations. For example, Elaine Scarry, pointing to our encounters with something extraordinarily beautiful, writes: »A visual event may reproduce itself in the realm of touch (as when the seen face incites an ache of longing in the hand). […] This crisscrossing of the senses may happen in any direction. Wittgenstein speaks not only about beautiful visual events prompting motions in the hand but […] about heard music that later prompts a ghostly sub-anatomical event in his teeth and gums. So, too, an act of touch may reproduce itself as an acoustical event or even an abstract idea, the way whenever Augustine touches something smooth, he begins to think of music and God.«56 In other instances involuntary cross-modal sensory exchange often becomes foregrounded in conscious experience through perception-altering substances such as drugs. As Merleau-Ponty notes in Phenomenology of Perception, »A subject under mescalin finds a piece of iron, strikes the window-sill with it and exclaims: ›This is magic‹ : the trees are growing greener. The barking of a dog is found to attract light in an indescribable way, and is re-echoed in the right foot« (p. 229). In a critique of objectivist science that well might be applied to objectivist reductions of the film experience, the philosopher goes on to say: »Synaesthetic perception is the rule, and we are unaware of it only because scientific knowledge shifts the centre of gravity of experience, so that we have unlearned how to see, hear, and generally speaking, feel, in order to deduce, from our bodily organization and the world as the physicist conceives it, what are to see, hear and feel« (p. 229). We could add that we are also unaware of synaesthetic perception because it is the rule, and we have become so habituated to the constant cross-modal translations of our sensory experience that they are transparent to us except in their most extreme instances. Exemplary here for its ordinary quality is the common experience of those of us who like to cook—and eat—of tasting a recipe as we read it. This commutative act between the visual comprehension of abstract language and its carnal meaning not only attests

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58 Lila Guterman: Do You Smell What I Hear? Neuroscientists Discover Crosstalk among the Senses. In: Chronicle of Higher Education, December 14 (2001), p. A17.

59 Ibid.

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57 Lisa Schwarzbaum: Four-Star Feast. Review of Big Night, dir. Campbell Scott and Stanley Tucci In: Entertainment Weekly, September 20 (1996), p. 49–50.

to a grounding synaesthesia that enables such translation but also again demonstrates »the subversive force of the body […] in its capacity to function both figuratively and literally.« My eyes read and comprehend the recipe cognitively, but they are not abstracted from my body, which can—albeit in a transformed and somewhat diffused act of gustatory sense-making—taste the meal. Why, then, is it not possible that we might partake even more intensely of Babette’s Feast (Gabriel Axel, 1987)? And to what extent are we being quite literal as well as figurative when we describe the meals in Like Water for Chocolate (Alfonso Arau, 1994) as »a feast for the eyes«? Here, in a popular review of Big Night (Stanley Tucci and Campbell Scott, 1996), Lisa Schwarzbaum makes some apposite discriminations: »The difference between a movie that makes you admire food and one that makes you love food is the difference between a dinner table posed like a still life in Martin Scorsese’s The Age of Innocence [1993] and a clove of garlic sliced so intently you can practically inhale its ornery perfume in Scorsese’s Goodfellas [1990]. One engages the eye and the other arouses all five senses.«57 This is not mere rhetoric. Philosophy aside, recent developments in neuroscience have indicated that »the boundaries between the senses are blurred.«58 Furthermore, a series of experiments has shown not only that the brain’s visual cortex is activated when subjects—who are blindfolded—touch objects with their fingers but also that when researchers blocked the subjects’ visual cortex, their tactile perception was impaired. Apparently, research has also shown that »the olfactory area of the brain also involves vision,« particularly in relation to the perception of color.59 We are, in fact, all synaesthetes—and thus seeing a movie can also be an experience of touching, tasting, and smelling it. In sum, the cinesthetic subject names the film viewer (and, for that matter, the filmmaker) who, through an embodied vision in-formed by the knowledge of the other senses, »makes sense« of what it is to »see« a movie—both »in the flesh« and as it »matters.« Merleau-Ponty tells us that the sensible-sentient lived body »is a ready-made system of equivalents and transpositions from one sense to another. The senses translate each other without any need of an interpreter, and they are mutually comprehensible

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60 For discussion of the way clothing (and touch) functions textually and symbolically in The Piano see Stella Bruzzi: Tempestuous Petticoats. Costume and Desire in The Piano. In: Screen 36.3 (1995), p. 257–266.

without the intervention of any idea« (p. 235). Thus, the cinesthetic subject both touches and is touched by the screen—able to commute seeing to touching and back again without a thought and, through sensual and cross-modal activity, able to experience the movie as both here and there rather than clearly locating the site of cinematic experience as onscreen or offscreen. As a lived body and a film viewer, the cinesthetic subject subverts the prevalent objectification of vision that would reduce sensorial experience at the movies to an impoverished »cinematic sight« or posit anorexic theories of identification that have no flesh on them, that cannot stomach »a feast for the eyes.« In a particularly relevant—and resonant—passage Merleau-Ponty elaborates on the intercommunication of the senses, not only as they provide us access to the rich structure of perceived things but also as they reveal the simultaneity of sensory cooperation and the carnal knowledge it provides us: »The form of objects is not their geometrical shape: it stands in a certain relation to their specific nature, and appeals to our other senses as well as sight. The form of a fold in linen or cotton shows us the resilience or dryness of the fibre, the coldness or warmth of the material. […] In the jerk of the twig from which a bird has just flown, we read its flexibility or elasticity. […] One sees the weight of a block of cast iron which sinks in the sand, the fluidity of water and the viscosity of syrup.« (p. 229-231) (Here, citing this passage, I recall The Piano and my own bodily response to the humid heaviness generated by Ada’s skirt hem and boots as they are sucked into the viscous mud of the forest, or, later, the drag on my proprioception caused by the weight and volume of her layers of wet skirts and petticoats as she tries to drown herself.)60 Continuing this discussion of the cross-modality of the senses, Merleau-Ponty writes: »If, then, taken as incomparable qualities, the ›data of the different senses‹ belong to so many separate worlds, each one in its particular essence being a manner of modulating the thing, they all communicate through their significant core« (p. 230). That significant core is, of course, the lived body: that field of conscious and sensible material being on which experience is gathered, synopsized, and diffused in

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III Thus we are led back to the question of the specific nature of the relation between the body and cinematic representation, between the literal and the figural. For all my argument about the cross-modal communication of our senses and the synthetic quality of the lived body that comprehends both our sensorium and our capacity for language, it is phenomenologically— and logically—evident that I do not touch the cinema, nor does it touch me in precisely the same way in which I touch or am touched by others and things unmediated by cinema (or other perceptual technologies). However hard I may hold my breath or grasp my theater seat, I don’t have precisely the same wild ride watching Speed that I would were I actually on that runaway bus. I also don’t taste or smell or digest those luscious dishes in Like Water for Chocolate (or, for that matter, in my cookbook) in the same way I would if, unmediated by cinema, they were set on the table before me. Where, then, does this leave us at the movies? Or as theorists of the cinema? Are we condemned to speak of our sensual engagement of the cinema as confounding—our material responsiveness to films understood only, as Dyer puts it, »in some still unclear sense ›as if real‹«? And Dyer is not alone here:

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61 Grosz (1993), p. 56 Note 14 (see footnote 50; emphasis added).

a form of prelogical meaning that, even as it is diffused, nonetheless »co-heres.« This is because, the philosopher says, »My body is the fabric into which all objects are woven, and it is, at least in relation to the perceived world, the general instrument of my ›comprehension‹« (p. 235). Thus, while the senses each provide discretely structured modes of access to the world, they are always already interactive and »transposable, at least within certain limits, onto each other’s domains«—and this because »they are the senses of one and the same subject, operating simultaneously in a single world.«61 We could say, then, that it is the lived body (as both conscious subject and material object) that provides the (pre)logical premises, the foundational grounds, for the cinesthetic subject, who is constituted at the movies as ambiguously located both »here« off-screen and »there« onscreen. Indeed, it is to its grounding in the corporeality of the spectator’s consciousness that any theory of cinematic intelligibility must return.

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62 Leonard Maltin: Review of Eat Drink Man Woman, dir. Ang Lee, Cinemania 96. CD-ROM Microsoft 1992–1995.

if we return to those popular reviews with which I began, his uncertainty and ambivalence are duplicated, albeit less reflectively. The Piano’s »salt air can almost be tasted« one reviewer tells us—at the same time he speaks of »immediate tactile shock.« The reviewer of Toy Story says the plastic Tyrannosaurus rex »is so glossy and tactile you feel as if you could reach out and stroke its hard, shiny head«—at the same time he says that »the waxy sheen« of toy soldiers »strike[s] Proustian chords of recognition,« suggesting a sense memory less reflectively thought than reexperienced. This complex ambivalence and confusion about the literal and figural nature of our sensuous engagement with the cinema is wonderfully condensed in a review of Eat Drink Man Woman (Ang Lee, 1994), which tells us, »The presentation of food on-screen is, in all senses of the word, delectable.«62 Here, not only is onscreen food »presented« rather than »represented,« but it is also experienced as »delectable« both literally in »all senses« and figurally in all senses of »the word.« In The Rule of Metaphor philosopher Paul Ricoeur writes: »If there is a point in our experience where living expression states living existence, it is where our movement up the entropic slope of language encounters the movement by which we come back this side of the distinctions between actuality, action, production, motion« (p. 309). Clearly, these ambivalent articulations of the sensual experience of the lived body in relation to cinematic representation mark just such a point. I want, therefore, to consider the ambivalence and confusion of our sense at the movies of having both a »real« (or literal) sensual experience and an »as-if-real« (or figural) sensual experience. I also want to argue that this ambivalence has a precise phenomenological structure that is grounded in the nonhierarchical reciprocity and figure-ground reversibility of »having sense« and »making sense«—meaning thus constituted as both a carnal matter and a conscious meaning that emerge simultaneously (if in various ratios) from the single system of flesh and consciousness that is the lived body. This is another way of saying that the body and language (whether film language or »natural« language) do not simply oppose or reflect each other. Rather, they more radically in-form each other in a fundamentally nonhierarchical and reversible

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63 I use the term vacillate rather than oscillate purposefully to distinguish between a rigid sense of alternation and one less binary and regular. On this see James Elkins: Quoting the work of Rosalind Krauss on what she calls the informe, Elkins writes of this schema: »The informe […] is a ›disturbance […] in the modality of alteration, of ambivalence,‹ so that there can no longer be a stable distinction between figure and ground, or any pair of ›alternating‹ opposites. Nothing is secure, and forms and figures vacillate or shimmer rather than oscillate in a regular motion. The informe is a principle that works against the concepts of antinomy, binarism, opposition, structure, and ultimately, figure itself« James Elkins: On Pictures and the Words That Fail Them. Cambridge, UK 1998, p. 106.

relationship that, in certain circumstances, manifests itself as a vacillating, ambivalent, often ambiguously undifferentiated, and thus »unnameable« or »undecidable« experience.63 What, then, might it mean to understand what is meant by »all senses of the word«? Or to describe our sensual engagement in the cinema as »real« and »as if real« in the same breath—and, more often than not, in the same sentence? Or for me to use such »wordplay« in describing our literal bodies as »matter that means« and our figural representations as »meaning that matters«? Highlighted in these articulations—accomplished in and through language—is the very chiasmatic structure of reversibility that exists between but also subtends the body and consciousness and the body and representation. Whether perceived as an ambivalent vacillation between or an ambiguous conflation of the real and the as-if real or the lived body (matter that means) and representation (meaning as matter), this experience of the fundamental reversibility of body and language is deeply felt—and often articulated—in these unnameable and undecidable descriptions that nonetheless express quite clearly the ambiguous and ambivalent point at which »our movement up the entropic slope of language encounters the movement by which we come back this side of the distinctions between actuality, action, production, motion.« Thus, the wordplay at work in popular reviews, in Dyer’s comments, and in my own phenomenological descriptions is quite precise and empirically based in the structure and sense of embodied experience itself. Indeed, it helps us not only to understand the enormous capacity of language to say what we mean but also to reveal the very structure of our meaningful experience. The chiasmatic relation in which the subjective sense of embodied experience and the objective sense of representation are perceived as reversibly figure and ground and thus both commensurable and incommensurable may, in fact, be especially heightened and privileged by the medium of cinema. This is because the cinema uses »lived modes« of perceptual and sensory experience (seeing, movement, and hearing the most dominant) as »signvehicles« of representation.64 Using such lived modes, the cinema exists as an ambivalent and ambiguous sensual and perceptual structure. That is, the cinema simultaneously represents experience

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65 Stern (1997), p. 356–358 (see footnote 15).

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64 Umberto Eco uses the term sign-vehicle as distinguished from sign-content or meaning. This term seems to me more useful than the term signifier in reminding us of the active and various material nature of the »stuff« through which content and meaning are actively conveyed. See Umberto Eco: A Theory of Semiotics. Bloomington 1976, p. 52–54.

through dynamic presentation (the always verb-driven and ongoing present tense of sensory perception that, through technology, constitutes and enables the film for us and for itself) —and it also presents experience as representation (the post hoc fixity of already-perceived and now expressed images that stand as equivalent to noun forms). In this regard, although I have in this chapter emphasized the commensurability of body and representation because dominant theory has so long insisted on their incommensurability, I certainly do not deny the possibility of the latter—particularly in the film experience. Indeed, coming from an alternative perspective, Lesley Stern deals with this incommensurability by privileging the uncanny in—and of— cinema as an experience of disjuncture between the spectator’s lived body and cinematic representation:64 »The cinema, while encouraging a certain bodily knowing, also, and in that very process, opens up the recognition of a peculiar kind of nonknowing, a sort of bodily aphasia, a gap which sometimes may register as a sense of dread in the pit of the stomach, or in a soaring, euphoric sensation. […] Out of these tensions are generated a series of differences, gaps or discontinuities between knowing and feeling that sometimes sharpen into a sense of the uncanny.«65 Nonetheless, this sense of the uncanny is sufficiently occasional to be marked as a figure against the more necessary and continuous ground of our existence in which knowing and feeling are generally undifferentiated and generally lived as commensurable—this because we are incorporated systemically as embodied and conscious subjects who both »have« and »make« sense simultaneously. Indeed, it is an undifferentiated experience of sense that grounds and conjoins body and language, feeling and knowledge—their coincidence so ordinary in our experience that their sudden divergence is marked as frustrating or uncanny or, in the extreme, pathological. Emphasizing this intimate conjunction of the lived body and representation, Alphonso Lingis tells us: »My body as the inner sphere where representations are perceptible […] and my body as an image seen by rebound from the world, are inscribed the one in [the] other. […] The density of the body is that of ›pre-things,’ not yet differentiated into reality

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and illusion. […The body] is a precinct of signifiers.«66 And Ricoeur, emphasizing the intimate conjunction of representation and the lived body, tells us that language not only designates »its other« but also »itself«—and in so doing, it is not only referential but also radically reflective, bearing within itself »the knowledge of its being related to being.« Ricoeur continues: »This reflective language allows language to know that it is installed in being. The usual relationship between language and its referent is reversed: language becomes aware of itself in the self-articulation of the being which it is about. Far from locking language up inside itself, this reflective consciousness is the very consciousness of its openness« (p. 304). In that we are both embodied and conscious, in that we both have and make sense, the literal and the figural inform each other—as they inform us. The »matter that means« and the »meaning that matters« emerge in a reciprocal and reversible figure-ground relation that is the lived body having a sense of the world and making sense in the word. Thus the (figural) phrase »in all senses of the word« resonates with ambiguity and, in its »knowledge of its being related to being,« it reflexively suggests its own reversal to the (literal) phrase »in all words of the senses«—and this without a loss of either reference or reflection, even as the focus and direction of the emphasis changes. Our embodied experience of the movies, then, is an experience of seeing, hearing, touching, moving, tasting, smelling in which our sense of the literal and the figural may sometimes vacillate, may sometimes be perceived in uncanny discontinuity, but most usually configures to make undifferentiated sense and meaning together—albeit in a quite specific way. Although watching The Piano, I cannot fully touch Ada’s leg through her stocking, although the precise smells of fresh laundry and the warmth of the linens that I see in Pretty Baby (Louis Malle, 1978) remain in some way vague to me, although I cannot taste the exact flavors of the pork noodles I see in loving close-up in Tampopo, I still do have a partially fulfilled sensory experience of these things that make them both intelligible to and meaningful for me. Thus, even if the intentional objects of my experience at the movies are not wholly realized by me and are grasped in a sensual distribution that would be differently structured were I outside the theater,

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66 Alphonso Lingis: Bodies That Touch Us. In: Sense and Sensuousness. Merleau-Ponty. special issue Thesis Eleven 36 (1993), p. 162.

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68 See Maurice Merleau-Ponty: The Philosopher and His Shadow. In: Signs. Evanston, IL 1964, p. 166. Although he is discussing a more consciously reflexive experience of our lived body’s capacity to sensually sense itself than our experience at the movies, the philosopher is still helpful to our understanding of the way in which our sensual engagement can be »turned back« on itself to both intensify sensual awareness and diffuse its specific content (a point related to our sense of the film experience to which I will shortly return): There is a relation of my body to itself which makes it the vinculum of the self and things. When my right hand touches my left, I am aware of it as a »physical thing.« But at the same moment, if I wish, an extraordinary event takes place: here is my left hand as well starting to perceive my right. […] Thus I touch myself touching; my body accomplishes »a sort of reflection.« In it, through it, there is not just the unidirectional relationship of the one who perceives to what he perceives. The relationship is reversed, the touched hand becomes the touching hand, and I am obliged to say that the sense of touch is here diffused into the body—that body is a »perceiving thing,« a »subject-object«.

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67 On relevant issues of mimesis see Shaviro (1993), p. 52–54; and Michael Taussig: Mimesis and Alterity. A Particular History of the Senses. New York 1992. Taussig, in particular, understands mimesis as a corporeal activity that does not require the translation of conscious thought to be enacted or understood. On this carnal empathy in relation to bodies and objects onscreen see also Williams (1991, see footnote 20).

I nonetheless do have a real sensual experience that is not reducible either to the satisfaction of merely two of my senses or to sensual analogies and metaphors constructed only »after the fact« through the cognitive operations of conscious thought. The pressing question is, of course, what kind of »different« sensual fulfillment do we experience at the movies? That is, what is the structure of such fulfillment, and how does it occur so that, in fact, we experience films not merely as a reduction of our sensual being but also as an enhancement of it? First of all, in the theater (as elsewhere) my lived body sits in readiness as both a sensual and sense-making potentiality. Focused on the screen, my »postural schema« or intentional comportment takes its shape in mimetic sympathy with (or shrinking recoil from) what I see and hear.67 If I am engaged by what I see, my intentionality streams toward the world onscreen, marking itself not merely in my conscious attention but always also in my bodily tension: the sometimes flagrant, sometimes subtle, but always dynamic investment, inclination, and arrangement of my material being. However, insofar as I cannot literally touch, smell, or taste the particular figure on the screen that solicits my sensual desire, my body’s intentional trajectory, seeking a sensible object to fulfill this sensual solicitation, will reverse its direction to locate its partially frustrated sensual grasp on something more literally accessible. That more literally accessible sensual object is my own subjectively felt lived body. Thus, »on the rebound« from the screen—and without a reflective thought—I will reflexively turn toward my own carnal, sensual, and sensible being to touch myself touching, smell myself smelling, taste myself tasting, and, in sum, sense my own sensuality.68 Certainly, this feeling and the sense I have of sensing at the movies is in some ways reduced in comparison with direct sensual experience—this because of my only partially fulfilled sensual grasp of my cinematic object of desire. But just as certainly, in other ways, the sense I have of sensing when I watch a film is also enhanced in comparison with much direct sensual experience—this because my only partially fulfilled sensual grasp of the original cinematic object is completed not in the realization of that object but through my own body, where my

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sensual grasp is reflexively doubled since, in this rebound from the screen, I have become not only the toucher but also the touched. (This sensual enhancement in which the body reflexively reflects—without a thought—on its own sensuality emerges in the most intense of direct engagements in which we »feel ourselves feeling«: a fantastic dish or incredible glass of wine in which we reflectively taste ourselves tasting, great sex in which we lose ourselves in feeling ourselves feel.) In the film experience, because our consciousness is not directed toward our own bodies but toward the film’s world, we are caught up without a thought (because our thoughts are »elsewhere«) in this vacillating and reversible sensual structure that both differentiates and connects the sense of my literal body to the sense of the figurative bodies and objects I see on the screen. Within this structure my experience of my sensorium becomes heightened and intensified at the same time that it is perceived as general and diffuse. That is, insofar as my lived body senses itself in the film experience, the particular sensible properties of the onscreen figural objects that sensually provoke me (the weight and slightly scratchy feel of a wool dress, the smoothness of a stone, the texture and resilience of another’s skin) will be perceived in a somewhat vague and diffuse way. This diffusion of the film object’s particular sensual properties, however, does not diminish the sensual intensity of my engagement with them since they are what solicit me and are where my intentional interest invests itself. That is, insofar as I am sensually solicited, provoked by, and consciously located in figural objects that are elsewhere (on the screen where my senses partially grasp them), I am not focused on my own body’s sensual particularity either. On the rebound from my unfulfilled bodily intentions to feel fully the figures onscreen but still consciously intending toward them and sensing them partially, my sense of my own literal and particular incorporation will also be general and diffuse—even as it may be quite intense. (The form of »self-touching« I’m discussing here—a form that is consciously »other« directed—is thus different in structure from forms of conscious self-touching in which both one’s body and one’s consciousness are self-directed; in this latter kind of reflexivity the doubled intention and attention

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toward oneself often become so highly reflective that despite one’s autoerotic goals, it can undo carnal pleasure.)69 In sum, my gesture of specifically intending toward the screen to rebound diffusely on myself ultimately »opens up« my body to a sensuality that is both literal and figural. Watching The Piano, for example, my skin’s desire to touch streams toward the screen to rebound back on itself and then forward to the screen again and again. In the process my skin becomes literally and intensely sensitized to the texture and tactility I see figured on the screen, but it is neither the particularity of Ada’s taffetas and woolens nor the particularity of the silk blouse I’m actually wearing that I feel on its surface. On the one hand (so much for figures of speech!), I cannot fully touch taffeta and wool in this scenario although I can cross-modally grasp their texture and weight diffusely. On the other hand, although I do have the capacity to fully—and literally—feel the specific texture and weight of the silk blouse I am wearing, my tactile desire is located elsewhere in the onscreen taffeta and wool, and so, intending elsewhere, I feel the specificity of the silk on my skin only partially and diffusely. What is more, in this unthought carnal movement of an ongoing streaming toward and turning back of tactile desire, my sense of touch—»rebounding« from its only partial fulfillment on and by the screen to its only partial fulfillment in and by my own body—is intensified. My skin becomes extremely, if generally, sensitized. Indeed, this reflexive and reflective exchange between and diffusion of my »sense« of touch in both the literal and the figural has opened me to all these fabrics and their textures—indeed, has made the literal touch of even a specific fabric on my skin an overwhelmingly general and intensely extensive mode of being. It bears emphasizing again that the bodily reflexivity I am foregrounding here is not consciously reflective. Indeed, in most sensual experiences at the movies the cinesthetic subject does not think his or her own literal body (or clothing) and is not, as a result, rudely thrust offscreen back into his or her seat in response to a perceived discontinuity with the figural bodies and textures onscreen. Rather, the cinesthetic subject feels his or her literal body as only one side of an irreducible and dynamic

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69 Here we might think of states in which reflexively sensing our selves cry, we stop; how it is nearly impossible to tickle oneself; how self-consciousness about our laughing results in it becoming forced. It also helps us understand how sexual desire is other-directed during masturbation and needs an object that is not only oneself so as to avoid a reflexivity that is so doubled as to cause conscious reflection on sexual desire itself.

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relational structure of reversibility and reciprocity that has as its other side the figural objects of bodily provocation on the screen. This relational structure can, of course, be refused or broken— and, indeed, it often is when the sensual experience becomes too intense or unpleasurable. However, leaving the theater because one has become literally sickened or covering one’s eyes is hardly ever the outcome of a thought. It is a reflexive, protective action that attests to the literal body’s reciprocal and reversible relation to the figures on the screen, to its sense of actual investment in a dense, albeit also diffuse, experience that is carnally as well as consciously meaningful—an experience, as Lingis notes, that is »not yet differentiated into reality and illusion.« Watching The Piano, for example, because I might feel it too intensely on both my body and hers (both bodies, to a degree, »mine«), I could not literally bear to see Stewart figurally chop off Ada’s finger with an ax. I therefore not only cringed in my seat but also covered my eyes with fingers that again foresaw—in urgency rather than thought—the impending violation.

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70 See also sociologist Jack Katz, who points out in relation to metaphorical description: »It is the subject’s experience and not the analysis that introduces the element of metaphor in the first place«. Jack Katz: How Emotions Work. Chicago 1999, p. 299.

IV Let us recall Lingis’s formulation: »My body as the inner sphere where representations are perceptible, […] and my body as an image seen by rebound from the world, are inscribed the one in the other.« Both body and language or figure pervade and inform each other in a reversible and reflexive intentional structure. Thus, having considered the literal and carnal aspects of the figural phrase »in all senses of the word« (figural because we »know« words don’t really have senses), we need also to consider the figural and representational aspects of the phrase in the literality of its reversal to »in all words of the senses« (literal because we »know« words do, indeed, describe the senses). Indeed, my argument here has emphasized that the sensual language most people (and even a few film theorists) use to describe their cinematic experience is not necessarily or solely metaphoric—hence my earlier mention of Lakoff and Johnson and Cytowic on the corporeal bases of metaphor.70 Here, however, I want to go further and suggest that »all words of the senses« used so often to describe the film experience are not metaphoric. First

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71 Hubert G. Alexander: The Language and Logic of Philosophy. Albuquerque 1967, p. 92.

of all, traditional rhetoric describes metaphors as emerging from a hierarchical relation between a primary and secondary context of language use: a word is understood as literal insofar as it is used in a normatively habituated context. The same word becomes understood as figural or metaphoric only when it is used in an unusually extended sense and transferred beyond its normal context (indeed, the word metaphor means »carried beyond«).71 If, however, we acknowledge that it is the lived body that provides a normative ground and context for experience and that it operates, from the first, as a synaesthetic system in which the senses cooperate and one sense is commutable to and understood as reciprocal and reversible with the others, then we cannot argue that—in the undifferentiated sensuality of the film experience—there exists the clear contextual hierarchy necessary to the structure and function of metaphor. That is, once we understand that vision is informed by and informs our other senses in a dynamic structure that is not necessarily or always sensually hierarchical, it is no longer metaphorical to say that we »touch« a film or that we are »touched« by it. Touch is no longer a metaphorical stretch in the film experience, no longer carried beyond its normal context and its literal meaning. Indeed, we could say that it is only in afterthought that our sensual descriptions of the movies seem metaphorical. Our received knowledge tells us that film is primarily a visual and aural medium; it thus »naturally« follows that its appeal to those senses other than sight and hearing are understood as figural rather than literal. By now, however, I hope to have shown that such habituated knowledge is reductive and does not accurately describe our actual sensory experience at the movies. When we watch a film, all our senses are mobilized, and often, depending on the particular solicitations of a given film or filmic moment, our naturalized sensory hierarchy and habitual sensual economy are altered and rearranged. In that experience the literal and figural reciprocate and reverse themselves as »sense«—primary and secondary contexts confused, hierarchy and thus the grounds of metaphor undermined if not completely undone. Writing about the relationship between vision and touch in painting, art historian Richard Shiff tells us: »To speak of reciprocity is to eliminate the possibility of setting

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73 J. David Sapir elaborates: »There is a great variety of expressions often used as examples of metaphor that are nevertheless hardly ever felt as tropes. One common set uses body parts to represent the parts of material objects: ›leg of a table,‹ ›head of a pin,‹ ›eye of a needle,‹ ›foot of a mountain,‹ etc. Their representation is that of a replacement metaphor; thus for the ›head of a pin‹ we have pin as the topic and head as the discontinuous term. Unlike a true metaphor, however, it lacks the continuous term, although one might be provided by circumlocution: ›spherical or blunt circular and protruding end of a pin,‹ where the supplied phrase is simply an enumeration of the common features linking X with head. In most discourses the lack of a continuous term impedes us from sensing the juxtaposition of separate domains essential to a metaphor. We cannot easily answer the question ›if it is not the head (of a pin), then what is it?‹ With a true metaphor we can. […] William Empson prefers to call these expressions ›transfers‹ and Max Black, along with most rhetoricians, considers them as types of catachresis which Black defines as ›the use of a word in some new sense in order to remedy a gap in the vocabulary‹.« J. David Sapir: The Anatomy of Metaphor. In: J. David Sapir; J. Christopher Crocker (eds.): The Social Use of Metaphor. Essays on the Anthropology of Rhetoric. Philadelphia 1977, p. 8.

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72 Richard Shiff: Cézanne’s Physicality. The Politics of Touch. In: Salim Kemal; Ivan Gaskell (eds.): The Language of ArtHistory. Cambridge, UK 1991, p. 150 (emphasis added). Subsequent references will be cited in the text.

subjective (or deviant) metaphorical elements against objective (or normative) literal ones. Within the flux of reciprocity either everything becomes metaphorically figured or everything has the reality effect of the literal.«72 Evoking previous discussion here of the nature of the »as if real,« particularly as its »not realness« is challenged by the scare quotes that always surround it, Shiff suggests that within this flux of reciprocity »[o]ne could refer […] to a figurative literalness«—a usage that »would eliminate the need for quotation marks, which do no more or less than counter the normalizing of literality by adding a level of distance or figuration.« Shiff then asks, »What kind of representation or linguistic construction conflates the literal and figural in such a manner?« (p. 158). The answer is not metaphor but catachresis, »sometimes called false and improper metaphor.« Catachresis, Shiff tells us, »mediates and conflates the metaphoric and the literal« and is used »when no proper, or literal, term is available« (p. 150). Thus, borrowing a term from one context to name something in another, we speak of the »arm« of a chair or the »head« of a pin for want of anything else we might appropriately call it.73 Catachresis is differentiated from proper metaphor insofar as it forces us to confront and name a gap in language or, as Ricoeur puts it, the »failure of proper words, and the need, the necessity to supplement their deficiency and failure« (p. 63). Thus, when we avail ourselves of catachresis, we are on Ricoeur’s »entropic slope of language« —seeking some adequate linguistic expression of a real experience. Furthermore, insofar as the catachretic term substitutes a body part (the »head« of a pin, the »arm« of a chair), we are emphatically at the point where our movement up the »entropic slope of language encounters the movement by which we come back this side of the distinction between actuality, action, production, motion,« that point »where living expression states living existence.« This kind of (dare I say) »throwing up one’s hands« and naming something inadequately for want of a sufficient word involves »the forced extension of the meaning of words« rather than the linguistic play that is metaphor. In linguistic play we voluntarily use one term to substitute for another to create a variety of figural meanings. Thus, for Ricoeur, because its use is not voluntary, catachresis is not only a false metaphor but also should

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be excluded »from the field of figures« (p. 53). Indeed, Ricoeur sees catachresis as »ultimately an extension of denomination« and thus »a phenomenon of language« rather than—as is metaphor —a phenomenon of »discourse« (p. 180). Catachresis, then, functions neither as metaphor nor as figure. Rather, as Shiff writes, »Catachresis accomplishes precisely this: it applies a figurative sense as a literal one, while yet retaining the look or feel of figurality« (p. 158). This is also precisely what cinema accomplishes through its modes of representation—and it is also precisely how the spectator’s lived body reciprocates so as to make matter meaningful and meaning matter. Thus, as Shiff tells us, »The reciprocity or shifting produced by catachresis undermines any polarization of subject and object, self and other, deviation and norm, touch and vision« (p. 150). Indeed, »touch and vision are caught in reciprocal figuration: it is touch that is figuring vision, and vision that is figuring touch« (p. 158). Reciprocating the figurally literal representations of bodies and worldly things in the cinema, the spectator’s lived body in the film experience engages in a form of sensual catachresis. That is, it fills in the gap in its sensual grasp of the figural world onscreen by turning back on itself to reciprocally (albeit not sufficiently) »flesh it out« into literal physicalized sense. It is this same reciprocal relationship between the figural and literal that emerges also in our linguistic descriptions of the film experience. That is, trying to describe this complex reciprocity of body and representation, our phrases turn back on themselves to convey the figural sense of that experience as literally physicalized. For want of any more appropriate or sufficient way to name and convey the structure and meaning of the sensual experience of watching a film, reviewers reflexively turn back on language and apply its sensual figurations literally—both as a way to »flesh out« the image and as a way to adequate reflective description with the sense of actual cinematic experience. It is not particularly strange, then, that in both our film experience and our linguistic attempts to describe it, some ambivalent sense of metaphor and figurality remains—and we are caught up in a catachretic structure of sense-making that, because of its only partial sensual fulfillments but enhanced and intensified reciprocities in filling its

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own insufficiency, is experienced and described as both real and »as if« real. Ricoeur discusses this tension between metaphorical and literal meaning in relation to Wittgenstein’s distinction between »seeing« and »seeing as,« a formulation that parallels Dyer’s »real« and »as if real«: »The ›seeing as‹ is […] half thought and half experience. […] ›[S]eeing as‹ proffers the missing link in the chain of explanation. ›Seeing as‹ is the sensible aspect of poetic language. […] Now, a theory of fusion of sense and the sensible […] appears to be incompatible with the […] tension between metaphorical and literal meaning. On the other hand, once it is re-interpreted on the basis of ›seeing as‹, the theory of fusion is perfectly compatible with interaction and tension theory. ›Seeing X as Y‹ encompasses ›X is not Y.‹ […] The borders of meaning are transgressed but not abolished. […] ›[S]eeing as‹ designates the non-verbal mediation of the metaphorical statement. With this acknowledgment, semantics finds its frontier; and, in so doing, it accomplishes its task. […] If semantics meets its limit here, a phenomenology of imagination […] could perhaps take over.« (p. 212-214) A phenomenology of the cinesthetic subject having and making sense of the movies reveals to us the chiasmatic function of the lived body as both carnal and conscious, sensible and sentient—and how it is we can apprehend the sense of the screen both figurally and literally. That is, the lived body transparently provides the primary chiasmatic premises that connect and unite the senses as both carnally and consciously meaningful and also allow for their secondary differentiated meanings, one carnal and the other conscious. Correlatively, a phenomenology of the expression of this lived »fusion« and differentiation in the film experience reveals to us—through the catachretic articulations of language—the reversible and vacillating structure of the lived body’s both unified and differentiated experience of cinematic sense. Ambivalently subtending fusion and difference, ambivalent in its structure and seemingly ambiguous in meaning, catachresis not only points to the »gap« between the figures of language and literal lived-body experience but also reversibly, chiasmatically, »bridges« and »fills« it. As Ricoeur writes above, catachresis »desig-

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Vivian Sobchack Vivian Sobchack is professor emerita in the Department of Film, Television and Digital Media and former Associate Dean of the UCLA School of Theater, Film and Television. Her books include Carnal Thoughts: Embodiment and Moving Image Culture (2004); Screening Space: The American Science Fiction Film (1997); The Address of the Eye. A Phenomenology of Film Experience (1992) and two edited volumes, Meta-Morphing. Visual Transformation in the Culture of Quick Change (1999) and The Persistence of History. Cinema, Television, and the Modern Event (1997). In 2012, she was honored with the Society for Cinema and Media Studies’ Distinguished Career Achievement Award for the significant impact her wide-ranging work has had on the field. Her interests and publications are diverse: philosophy and film theory, phenomenology of media, American film genres, animation and digital cinema, historiography, and cultural studies.

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74 Ricoeur (1977), p. 213 (see footnote 31).

nates the non-verbal mediation of the metaphorical statement.« In the film experience the nonverbal mediation of catachresis is achieved literally by the spectator’s lived body in sensual relation to the film’s sensible figuration. Indeed, as Ricoeur concludes: »Half thought, half experience, ›seeing as‹ is the intuitive relationship that holds sense and image together.«74 In the film experience, on the side of the cinesthetic subject experiencing a given film sensually, this reciprocity and chiasmatic (con)fusion of the literal and figural occurs in the lived body both having sense and making sense; and, on the side of reflective sensual description, this reciprocity and catachretic (con) fusion of the literal and figural occurs in language—whether cinematic or linguistic. Thus, the film experience—on both sides of the screen—mobilizes, confuses, reflectively differentiates, yet experientially unites lived bodies and language, and foregrounds the reciprocity and reversibility of sensible matter and sensual meaning. Our fingers, our skin and nose and lips and tongue and stomach and all the other parts of us understand what we see in the film experience. As cinesthetic subjects, then, we possess an embodied intelligence that opens our eyes far beyond their discrete capacity for vision, opens the film far beyond its visible containment by the screen, and opens language to a reflective knowledge of its carnal origins and limits. This is what, without a thought, my fingers know at the movies.

The Sensorial, the Sensual and the Work of the Senses 3

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In the opening sequence of Jane Campion’s film The Piano, projected, blurred and elongated fields of color cover the screen as if seeking to protect from unbearable images. The shot, which is only a few seconds long, and the following medium frame of a woman holding her hands in front of her face were the impulses leading Vivian Sobchack to write her essay. Immediately, even before the first cut and before any objectification by language, Sobchack argues, her »fingers knew« that the shot presented two hands covering eyes. So, even before the reverse shot, she registered bodily what language could not assert without that shot: But if she had been able to see then, most likely, it would have been something dreadful. Within this volume on new concepts of expanded senses and beginning with Campion’s movie, a connection could easily be made to Patricia Pisters’s neurological object of inquiry—the main character of the Dexter serial—as well as to Steven Shaviro’s profound analysis of the Corporate Cannibal music video: All three of the moving images—this term proves to be the smallest common denominator for such disparate works as cinema, Pay-TV serials and video clips which, today, are mostly watched online—on which these sense works have been based seem to revolve around terrible deeds and dreadful things. Severed fingers of a pianist here, serial murders and messages spelled out in fragments of brain there, finally centuries of abduction, oppression and abuse with colonialism as the primal scene of capitalism in the reflections on the video clip. But neither Sobchack, Pisters nor Shaviro are interested in a simple exploration of depictions of the terrible. Sobchack’s essay is preceded by Situation of the Flesh, a miniature by writer, dramatist and poet Antonin Artaud. A surprising choice if representations of terrible things are to be excluded as Artaud’s writings are idiosyncratic at the very least, often dark and they include, just like The Piano, Dexter and Corporate Cannibal, terrible scenes. Blood spatters, whip lashes, it is unclear if they are meant literally or metaphorically, rain down. Artaud often mentions suicide and his writings, as Bernd Mattheus points out, need

2 Antonin Artaud: Theatre and its double. New York 1958, p. 89. 3 Ibid., p. 91. 4 Ibid., p. 89.

5 Ibid., p. 74–76.

6 Ibid., p. 86.

»quite some getting used to« even today.1 Cruelties and terrible things are usually understood to be synonymous but a difference should nonetheless be asserted and used productively here. In other words: With Artaud the terrible is not necessarily cruel and the cruel not necessarily terrible. Or furthermore: In the three moving images employed here, the terrible is of a more descriptive nature, cruelty is not. Confusing these terms which lead to common misunderstandings to a large part are founded on the fact that Artaud does not provide a clear description of the terrible. He only defines it negatively, distinguishing it from cruelty. But for cruelty a precise definition can be established: In Artaud’s sense, cruelties are engaged in an immediate and direct relation to the receptive tissues of the human body. It is the senses that register cruelties, sudden vibrations beyond words,2 radical interruptions of the familiar rhythm of experience. Availing themselves of »HUMOR AS DESTRUCTION«3 cruelties put an end to »the subjugation of the theatre to the text.«4 They are characterized by a complete lack of empathy. But this empathy is not missing for reasons of deliberate or theatrical coolness but because it is not here yet, cannot be here at this moment in time. (Patricia Pisters will qualify this assertion in her text and shift the difference to cognitive and bodily empathy). In a temporal sense Artaud locates cruelties before conscious thought acts and before a developed subjectivity and thus also before a differentiation of good and evil. Even for this reason alone they cannot be affected by the »asphyxiating atmosphere« which, disguised as a »respect for what has been written, formulated, or painted« is merely an aspect of bourgeois conformism.5 It shocks, that much ought to be expected of a Theater of Cruelty, the senses, shocks us to our bones—a reckless rousing which attacks sensibility from all sides.6 What if man needs such events, falling in on him from outside and representing nothing—cruelties in Artaud’s terminology, synaesthetically brachiated, pre-lingual yet acculturated sensual impressions in Sobchack’s—and only through them begins to think? Mathias Windelberg  ranslated by Alexander Schneider. T

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1 Bernd Mattheus: Das Theater der Grausamkeit. Ein kapitales Mißverständnis. In: Antonin Artaud: Das Theater und sein Double. Berlin 1996, p. 230.

Theodor W. Adorno The Rastelli of mime, he plays with the countless balls of his pure possibility, and fixes its restless circling into a fabric that has little more in common with the causal world than Cloudcuckooland has with the gravitation of Newtonian physics. Incessant and spontaneous change: in Chaplin, this is the utopia of an existence that would be free of the burden of being-one’s-self. His lady killer was schizophrenic. Perhaps I may justify my speaking about him by recounting a certain privilege which I was granted, entirely without having earned it. He once imitated me, and surely I am one of the few intellectuals to whom this happened and to be able to account for it when it happened. Together with many others we were invited to a villa in Malibu, on the coast outside of Los Angeles. While Chaplin stood next to me, one of the guests was taking his leave early. Unlike Chaplin, I extended my hand to him a bit absentmindedly, and, almost instantly, started violently back. The man was one of the lead actors from The Best Years of Our Lives, a film famous shortly after the war; he lost a hand during the war, and in its place bore practicable claws made of iron. When I shook his right hand and felt it return the pressure, I was extremely startled, but sensed immediately that I could not reveal my shock to the injured man at any price. In a split second I transformed my frightened expression into an obliging grimace that must have been far ghastlier. The actor had hardly moved away when Chaplin was already playing the scene back. All the laughter he brings about is so near to cruelty; solely in such proximity to cruelty does it find its legitimation and its element of the salvational.

Theodor W. Adorno: Chaplin Times Two. In: The Yale Journal of Criticism 9.1 (1996), p. 57-61, p. 60–61.

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Quote selected by Karin Harrasser. Translated by John MacKay.

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Mimicry and Touch On Prosthetics and Grimaces

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1 See Gunzelin Schmid Noerr: Adornos Erschaudern. Variationen über den Händedruck. In: Willem van Reijen; Schmid Noerr (eds.): Vierzig Jahre Flaschenpost: Dialektik der Aufklärung 1947–1987. Frankfurt am Main 1987, p. 233–241.

In this scene a person experiences a one-sided yet nevertheless highly sensual physical contact, suddenly finds himself outside the realm of expected social behaviour and is then rescued from his behavioural perplexity by another individual’s mimetic skills. The irritated individual is not the one-handed man but rather Theodor W. Adorno. It would have been more expectable if the person at the center of this story of the loss of certainty and of redemption (through film) were the individual with the artificial limb, Harold Russell, as in the above-mentioned film he played a physically damaged, shame-ridden veteran, Homer Parish, who does not have the courage to ask the woman he loves to marry him. The role lifted Russell to the status of national hero, as he came to stand for post-war optimism, success through sheer willpower, reintegration and normality—in short, the overcoming of uncertainty and crisis, in part by means of an artificial limb, which helps regain his social position. Yet it is not the fate of war veterans that is the subject here but rather the philosopher’s insecurity and the manner in which he is saved by a mime. The physical contact with the cold metal of the claw is portrayed by Adorno as a European citizen’s harrowing encounter with a culture of coldness. This is, in any case, one interpretation:1 the European ritual of shaking hands, the mutual assurance of peaceful intentions, »exoneration«or »disburdening« according to a psychology of double contingency, does not lead to an easing of tensions. On the contrary, the contact with the metal hand that even responds to the pressure of the philosopher’s hand—and is thus unheimlich (uncanny) as Jentsch defines the word, in that it suggests life, evoking an indeterminacy between that which is dead and that which is living—has an immediate effect on the unobservant guest. The contact causes his facial expression to escape his control and twist into a grimace. Up to this

Mimicry and Touch

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point the scene can be read as the kind of polemic that is so typical of Adorno: a commentary on the cultural industry (Russell is an Academy Award and Golden Globe winner) as an ally of alienation and industrialization. The artificial limb, like all forms of technology, would stand here for the cold, undead vitality of capital and the state. If only it weren’t for Adorno’s in no way unproblematic relationship to occidental bourgeois culture— and of course for Chaplin’s redemptive mimicry. The metallic claws, grimaces and mimicry that Theodor W. Adorno employs so effectively in his portrait of Charlie Chaplin are also key elements of Terminator Genisys (Alan Taylor 2015), which one can confidently label a »late modern« film and that, like the scene described above, is set in California, though here the city is San Francisco. As the fifth part of a series, the production of which began during the Cold War, it is »late modern« because it does not even attempt to be »original.« It is the retelling of a story that has already been told four times. It is also late modern because the 80s version of technology’s assumption of power has been translated in the age of networks, smartphones and other »liquid,«, flexible, adaptable technologies. And it is late modern because the version-logic of the digital era extends to all of its characters—while there are different versions of every single character, the one with the most versions is the Terminator (Arnold Schwarzenegger) himself. It is also quite telling that nowadays it is the machine that is subject to aging processes and not humans, who do not change in terms of their age. They appear to be old or young, while the technology shows obvious signs of wear and tear. Machines are allowed to age. Humans aren’t. This is late modernity. But first of all: iron claws, grimaces and mimicry. In Terminator Genisys hands are seen to become metallic in several instances. Towards the beginning the (middle-aged) Terminator helps Sarah Connor dissolve a liquid Terminator model in acid, in the process sacrificing—as we learn—the regenerative, organic skin of his hand. While the enemy drips to a silvery nothing, the internal, metallic skeleton of the machine becomes visible. At the other end of the narrative the terminator is metallically upgraded: like his former enemy, in the end he too can transform

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2 Gilles Deleuze, Félix Guattari: Anti-Ödipus. Kapitalismus und Schizophrenie. Frankfurt am Main 1977, p. 521.

himself into any possible shape, to mimetically assume any imaginable form. He is thus able to use his arm to chop through doors like a razor-sharp sword. Despite these protean abilities, Terminator is nothing like Chaplin in Adorno’s portrait— »the Rastelli of mime.« Neither the mechanical model nor the fluid version of the Terminator is able to smile, an ironic commentary on Schwarzenegger’s alleged lack of acting skills, his deficient mimetic qualities. When he attempts to smile the face of the shape shifter (who can turn into anything from a doorknob to a police officer) twists into a disfigured grimace—perhaps similar to Adorno’s facial expression in the presence of the man with the artificial limb. If one juxtaposes these two scenarios (though this is admittedly unfair to both), it is possible to conceive them as modern and late modern versions of the relationship between sensuality, sociality and technology. Adorno’s story operates within a logic of replacement: technology replaces the organic and sensory body and the prosthetic limb signifies a loss engendered by the military-industrial complex. The machine is a »false replacement,« a mere surrogate that appears strangely undead. Chaplin, on the other hand, embodies the principle of mimicry as life, a principle of abundance. He is a protean creature able to adapt to any situation. A creature that—if you will—provokes machine-like sensibilities in that it banishes affect into a living image, repeating and varying the grimace of terror. One might be astonished how close Adorno navigates here towards Deleuze’s and Guattari’s conception of the desiring-machine: Chaplin as »the utopia of an existence that would be liberated from the burden of being oneself. His lady killer was schizophrenic.« This sounds quite like AntiOedipus, even if Deleuze and Guattari preferred Buster Keaton to Chaplin.2 The Anti-Oedipus is to be read as a determined attempt to rethink machines in terms of a logic different from that of original vs. replacement, organic vs. mechanical. He systematically strives to circumvent and overcome the logic of origin, derivation and progress. The desiring-machine is a programmatic anti-model to the concept of technology as prosthetic: »The classic schema is well known: the tool as an extension and projection of the living being, an operation through which humans are progressively

Mimicry and Touch

4 See the research of Stefan Rieger: Kybernetische Anthropologie. Eine Geschichte der Virtualität. Frankfurt am Main 2003.

5 For a detailed discussion of this subject see Karin Harrasser: Passung durch Rückkopplung. Konzepte der Selbstregulierung in der Prothetik des Ersten Weltkriegs. In: Stefan Fischer; Erik Maehle and Rüdiger Reischuk (ed.): Informatik 2009. Im Focus das Leben. Lecture Notes in InformaticsProceedings, P-154. Bonn 2009, p. 788–801.

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3 Ibid., p. 499.

disburdened, development of the tool into a machine, revolution, in the course of which the machine is able to obtain more and more independence from human beings […] Yet in many ways the schema is unsatisfactory.«3 The schizoid desiring-machine, never quite conterminous with itself yet capable of making connections and of stabilizing and revitalizing itself through recursive operations, is one answer to this »dissatisfaction.« The machines of modernity that replace the animal body as a work device appear to be only a special case of the machinic principle of assemblage and recursion. When in Terminator Genisys the 1984-Terminator comes back to life as a computer animation created by means of performance-capture, it plays back for us the modern—that is, prosthetic—conception of technology (Terminator as human imitation). But the performance-capture technique is, for its part, closely allied to prosthetic research: the feedback between organic motion and its technological simulation (in images but also in artificial limbs) has been systematically utilized in prosthetic research since the 1910s. The study of human-computer interfaces and thus of the psychology of »interaction« with computers has the same origins as prosthetic research.4 However seen from the point of view of the history of technology, motion-capture processes come into play at the very moment when prosthetics were beginning to disentangle from a »prosthetic logic,« that is, a logic of the »replacement« of limbs. Since the 1910s methods have been used in prosthetic research that can be understood as proto-cybernetic test and control processes. Instead of the »copy« and »replacement« of limbs focus is placed on the simulation of functions and on feedback mechanisms between machine and body.5 It was thus cybernetics that, beginning in the 1940s, began to challenge the ontological distinction between machinic and organic. Cybernetics is—in the form of digits flickering across a display—already visibly integrated into the industrial robot, the 1984 Terminator. As the Terminator series has since developed into a long-term observation of the technological world, it is possible to recognize how between 1984 and 2015 a logic of mechanical replacement has been rewritten into a story of the indistinguishability of the living and the machinic.

Karin Harrasser

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In Terminator Genisys the »last rebel against the machines,« John Connor, has become a magnetic field in the guise of a human, which is—simply put—a molecular desiring-machine. It is only logical that due to the different time layers or planes the Oedipus scheme is broken: John Connor is older than his mother and father. He »raised« his father and his own conception has not yet taken place when the magnetic field that is John Connor is already scattered to the four winds. In Terminator Genisys we are, it appears, entirely immersed in the cosmos of technological images. That being the case, does it even make sense to pose questions about the other forms of sensory perception? For example, the sense of touch, with its long history as a medium, an intermediary sense—physical contact as a basic operation of connection and separation? The excessive depiction of hands seems to call for this. And isn’t 3-D cinema in general an attempt to reach out and touch the retina? Instead of schematically pitting the sense of sight against the immediacy of the sense of touch and thus (re)telling a »hapto-metaphysical« (Derrida) story of alienation, in the following section I would like to examine the sense of touch as an aesthetic and social threshold. But first let’s turn back to Adorno. Gunzelin Schmid Noerr interprets Adorno’s handshake as a kind of displacement activity by means of which he counteracts his »fear of immediate corporeality.« He associates the situation with Adorno’s helpless reaction to the infamous »attack« that three female students of the so-called Basisgruppe Soziologie (Base Group Sociology) carried out during his last lecture. The students had protested against the violent removal of demonstrators by the police from the occupied Institute for Social Research by baring their breasts and strewing flower petals. Schmid Noerr, however, overly simplistically places Adorno’s relation to sensuality, affectivity and nature in the realm of a kind of »disconnecting rationality,« a rationality that disconnects body and thought, Odysseus wit, as described in Dialectic of Enlightenment: »Odysseus turned the bodies of his companions into work instruments and his own body into a contemplative organ. Adorno turns the bodies of his audience into contemplative organs and his own body into a work instrument

Mimicry and Touch

7 Helmuth Plessner: The Limits of Community. A Critique of Social Radicalism. New York 1999. See also: Helmut Lethen: Philosophische Anthropologie und Literatur in den zwanziger Jahren. Helmuth Plessners neusachliches Mantelund Degenstück. In: Wolfgang Eßbach, Joachim Fischer and Helmut Lethen (eds.): Plessners »Grenzen der Gemeinschaft«. Eine Debatte. Frankfurt am Main 2002, p. 29–62.

of his speech.«6 But is it possible to »instrumentalize« the bodies of students and listening ears, thus turning them into contemplative organs? What would be the instrumental character of such a procedure? Adorno and Horkheimer famously interpret Odysseus’ being chained and having his ears plugged by the ship’s crew in the very same manner: as an instrumentalization of the bodies of the workers, which allow the hero to experience a pleasure reduced to auditive sensuality, undisturbed by his overwhelming sexual passion. This, Adorno and Horkheimer claimed, corresponds to the hypertrophic sensitization of bourgeois taste and concurrent desensitization to objective relations of production. In the case of Adorno, however, in the situation that »forces« students (or lecture audience, readers) to be quiet and listen, to not touch anything, he doesn’t »instrumentalize« them into »organs« of his own pleasure. On the contrary, the lecturer and author acts as a hybrid of Siren and Odysseus: conjuring, seducing on the one hand, and analyzing and disciplining, facing the world on the other. Adorno’s insistence on the shattered mirrors of modernity as the only aesthetic option has certainly had the effect that the »Siren-like aspect« of his thinking, the tender seduction leading to the formation of new organs, which he localizes in the realm of art, was at some point not able to find resonance. The post–World War II generation was too occupied with the formation of bodies of resonance for the global media culture to be able to perceive Adorno’s courtship. Yet in his portrait of Chaplin it is possible to sense where an occupation with the popular might have led. In his portrait Chaplin resembles the dancers and fencers in permanent tension of Helmuth Plessner, who choreographically capture the contingency of relationality: that the other is conceivable, that he might be my representative —this is the basic precondition of all things social. Therefore Plessner envisions sociality as a dance or fencing match.7 Physical contact only takes place at certain points and in a sublimated form. Chaplin’s face, which is able to transform into an infinite number of other faces, his »protean« face, is a flesh-and-blood version of Plessner’s utopia of agency. All the other faces are versions of his pure potential. They cannot be changed at will, rather they are

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6 Schmid Noerr (1987), p. 239 (see footnote 1).

Karin Harrasser

9 Karin Harrasser: Koine Aisthesis. Probing the Deep Tissue of Tactile Media. In: Texte zur Kunst 98 (2015), p. 104–117.

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8 Judith Butler: Undoing Gender. London 2004, p. 22.

individual reifications of the ability to recognize the other as the other, as a concrete, historical subject. What seemed to haunt Adorno more than the cold claw was just how nonchalantly the veteran Harold Russell had been reconfigured into the triumphant protagonist of the post-war years. He avoided joining in the chorus of those eager to return to business as usual as quickly as possible. Yet Adorno counters the coldness of this normality not with scenarios of warmth and empathy but rather—both here and elsewhere—with a complex choreography: an intertwining of automatisms and postponements, compassion and absolving mimicry. What he is concerned with are techniques of mediation that increase degrees of freedom in order to achieve something like a critical proximity that allows for scarce contact. At no point is Adorno an advocate of immediate experience, but he does harbour a hope for tang­ ibility, that things may come together. An echo of these efforts can be heard in his writings: sentences, often recursive, that encircle a topic, measuring out distances in order to aphoristically come to a point. It is true that self-discipline and self-control are required from the subject of such a choreography of selective contact. In this way barriers are placed to the act of wallowing in immediacy. Like Plessner, Adorno harboured a mistrust for communal utopias created through the transgression of all boundaries. He found this too intrusive. As in Plessner, the precarious nature of physical contact is always present. Contact is, because it embodies the double contingency of the encounter and relationality, dangerous. Or the other way around, as Judith Butler puts it: Violence is »touch of the worst order.«8 In another text I argued with regard to the sense of touch as koine aisthesis, as common sense,9 that the history of the theory of media and art in the twentieth century could be rewritten departing from this nexus. For both media theory and media art strive to explore the relationship between bio-logics and technologics and to determine degrees of autonomy and heteronomy relative to media environments. With regard to physical contact and mimicry, potentially violent ways of being connected by media but also their ability to initiate new relationships would stay in focus. In weighing different aspects of the tactile, one might even attempt

Mimicry and Touch

a cartography of media thinking. This thinking is closely related to the discourse of the haptic in that it emphasizes the actively mediating character of mediatization. Great effort is currently being taken to render media invisible and impalpable, which is also the scenario of Terminator Genisys: the »assumption of power« by the machines is effected by means of an app that users hope will make their lives easier, for which reason they are willing to subjugate themselves to the algorithmic government. The more processes of regulation and control are rendered imperceptible in this manner, the more haptophilia of media theory and art could become an instrument of intervention. The fact that instances of control appear increasingly »impalpable« even while they pester us and get under our skins, should be reason enough to critically rethink ways of regulating proximity and distance. Studying the tactile would be a critical tool not because it insists on the »resistance of materiality« that generally remains quite nebulous, wants to »retreat behind Kant« (or something similar), but rather because it makes evident the fact that in the creation and destruction of boundaries power is at stake and injuries are frequent. Prosthetics without a logic of prosthetics, physical contact without touch, a smileless smile: Where do we go from here? Maybe into a sensorial world, that is no more and no less than a dance of connections and separations: of the connection and separation of sensory qualities (tactile vision, imaginative touch), of machinic humans and sentient machines, of very local/ idiosyncratic cultures and global media culture. And to this, as long as we can be horrified by some connections while other separations are still saddening, I have no objection.

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Translation: Chris Michalski

Karin Harrasser Karin Harrasser is professor for cultural studies at the University of Art and Design, Linz. After reading History and German Studies and attaining her PhD at Vienna University, she gained her habilitation at Humboldt University, Berlin with Prothesen. Figuren einer lädierten Moderne (2015). Karin Harrasser has published Körper 2.0. Über die technische Erweiterbarkeit des Menschen (2013) and Wissen Spielen. Untersuchungen zur Wissensaneignungen von Kindern im Museum (2011, with Doris Harrasser, Stephanie Kiessling, Sabine Sölkner, Veronika Wöhrer). In collaboration with Katja Rothe, she edited Diätetiken des Schreibens. Rezepturen und Übungen (2015) and Figuren der Gewalt (2014) with Lars Friedrich, Daniel Tyradellis and Joseph Vogl. With Elisabeth Timm, she publishes the Zeitschrift für Kulturwissenschaften.

The Sensorial, the Sensual and the Work of the Senses 4

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1 Dietmar Dath in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.07.2015 no. 155, p. 9.

A daily newspaper. The supplement. Two large articles. On the left: a conversation with archbishop Yohanna Petros Mouche, he speaks about the Iraqi town of Mossul, captured by ISIS, about his escape, and he accuses the West of a paradox in its choice of those deserving protection: »The people in the West fight for the protection of animals threatened by extinction. How can they just watch when a whole people is being exiled […] Why does the world abandon us, letting us face a slow death?« The opposite article is a long film review: »I’ll be scrap! Magnetized metal junk, electrically reanimated: Terminator Genisys. We have grown accustomed to such strange collisions in our news-relating media—a »real« political reality and its dramatic consequences for a people clashes irreconcilably with a commentary on a high-performance product of the fiction industry. As readers we experience this collision of two opposing contemporary phenomena, the result of editorial constraints and quite likely also intentions, as provoking the limits of our powers of imagination. We twist our sense work to equalize this violent union, or to perhaps find that which unites it. The archbishop is to us the phenomenon of a transmission, he has become part of our reading reality by being projected onto the pages of a newspaper from distant Iraq, a report is expanding and affecting our knowledge about this political facticity. Without it, we may never have heard of Mouche and Mossul. The reviewer celebrates the »rebirth« of Schwarzenegger as the Terminator and formulates thoughts regarding the relationship of man and machine. »A film that says that humans are generally worth more that motors, computers, ball bearings, shock absorbers, springs, axles and general stuff is based on a sentimental assumption, namely that we modern people can be cleanly separated from our devices at all anymore. This assumption is, of course, completely false […].«1 It is probably also wrong for the reason that motors, computers, … and Terminators always appear as prosthesis of ourselves, as extensions of sensual and mental capabilities »to help us live and to make us die« (Gehlen).

3 See J. Laplanche, J.-B. Pontalis: Projection. In: The Language of Psychoanalysis. London 1973, p. 349–354.

4 Sigmund Freud: Beyond the Pleasure Principle (1920). New York 1961, p. 23.

To Freud the idea of projection was significant in different phases of his work.3 In psychoanalysis it is not merely organs, whose form and function is projected outward by technologies, but urge realities, inner stimuli, whose tension or intensity the subject cannot cope with by or in itself. In fact these inner forces are actually »qualities« which are directed in different ways: inappetance just like appetite, emotions, desires. In short forces which can only be acted out or escaped by means of a technology of embodiment. They are projected outwards as a measure of defense but also as the fulfilment of a desire. And thus they also constitute a first criterion for inside and outside, for subject and object. But this process is accompanied by a productive »denial.« Because the projected stimuli are »magically« cut off from their origin, »there is a tendency to treat them as though they were acting, not from the inside, but from the outside, […] «.4 Thus the forces establishing themselves now in the outside seem to be autonomous beings and the subject encounters them as other to itself, whether as despicable phenomena (like in »projected jealousy«) or as wish fulfillment by a third party, e.g. a technology.

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2 See here and the following remarks regarding Ernst Knapp: Susanne Fohler: Techniktheorien. Der Platz der Dinge in der Welt des Menschen. Munich 2003, p. 34–36.

Media technologies are, within the techno-philosophical tradition, understood as extensions, as a »projection« of human sensory organs. The eye is »the model of all optical devices,« with technology man is able to »infinitely expand himself productively and receptively.«2 In 1877 Ernst Kapp formulated the simple thesis of organ projection as the movens of all tool invention but with one profound speculation. The extension of human organs, of their forms and functions, into the tools, a process which often happens »unconsciously,« has only one purpose: to »retrospectively use« the product world thus created »for self-recognition and insight in general.« Man everts himself in his artefacts to recognize himself. This is also progressively true for the complex machines of mechanization which themselves allow the conclusion that man himself represents »the ideal machine system.« With Kapp it can be said that contemporary media technologies are still proposals of projected modalities of senses, that they provide information about late modern man who produces and desires them.

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5 Sigmund Freud: Civilization and Its Discontents (1930). New York 1962, p. 39.

The reward for this throwing out of qualities is the fact that the subject proceeds to think itself obliged to give credence to the urge realities now embodied in reality, in the outside. Put differently: we look for the causes of our affects in the outside world. Thus the new media objects of desire, which are now barely separable from ourselves, appear to us as the bodies that our affects originate from. Contrary affects materialize in our use of technology and thus enable us to fend them off (i.e. as a critique of culture) or, which seems to be the standard today, to love them like we love ourselves. We expand, in this way, out of our inner life into a technological world which fulfills all those aggressions and desires for us which our inner life paranoically expels: the cyborg-, robotnik-, avatar-phantasies of a better human, the immersion desire of game worlds in which we can do everything our society forbids, the desire for control regarding our own bodies with the help of self-tracking technologies. Especially in connection to the »quantified self« a »real process of expulsion« can be said to take place in the projections. The origin of the projection is a »not wanting to be« which is to be overcome, the impermanence and vulnerability of the body is »positively« extended into the outside and transferred, via technologies of self-quantification and self-discipline, into a phantasy of being perfected. If Freud, in Civilization and Its Discontents, located the technological obsession of his time—a time in which motors, cameras, gramophone records, telephones were to perfect the »sensory and motor organs« of man—within the ambivalence of culture in general and envisaged man as a rather unhappy »prosthetic God,«5 this culture critical emphasis pales in comparison to his studies regarding projection which trace the same technologies in a substantially more intimate fashion. It is merely that we find it hard to infer from their utilization those traces within us which were and are essentially involved in their production and especially in their distribution. The self-recognition which Kapp hoped for will, it seems, have to take a detour through therapy.

From 1940 onward Arnold Gehlen will define technology from a socio-anthropological viewpoint as »organ substituting, organ relieving, organ surpassing,« intended for those who are »liberated from their instincts and cosmopolitan.« Extensions, then, which accommodate their »need for institutions.« Hence, from this perspective, extensions, expansions of the senses are understood to be an explanatory model for technology and for media technologies in particular. Technology creates new, artificial environments by means of prosthesis, which profit man’s »insufficient« basic equipment and relieve it. In 1964 Marshall McLuhan proclaims media to be »Extensions of Man« and thus creates a popular mainstream for the prosthetics media theory which now spreads analogously to the rapid differentiation of mass media. On the one hand technological moving images, animation and transmission technologies enhance sensory performance (to hear and see more and different things), on the other they also dissolve the boundaries of the sensory conditions of possibility (immersion), seek the »elimination and supersession not merely of organs, but of the organic as a whole« (Gehlen).



Marc Ries

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Translated by Alexander Schneider.

Achille Mbembe

2 G. W. F. Hegel: The Phenomenology of Spirit. Oxford 1977, p. 420.

3 Larousse (2009), p. 68 (see footnote 1). 4 Christopher Leslie Brown: Moral Capital. Foundations of British Abolitionism. Chapel Hill 2006.

Achille Mbembe: Kritik der Schwarzen Vernunft. Frankfurt am Main 2014, p. 30–31.

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1 Pierre Larousse: Nègre, Négrier, Traite des Nègres. Trois Articles du Grand Dictionnaire du XIXe siècle, Preface by Françoise Vergès. Paris 2009, p. 47.

The rest­—figures of dissimilarity, of difference and the pure power of the negative—constituted the quintessential expression of an existence as objects. Africa in general and the Negro in particular were presented as the perfect symbols of this vegetable and narrow life. As a figure transcending all figures, and hence fundamentally unfigurable, the Negro was the perfect example of that otherness, intensely impacted by the void, and whose negative ultimately penetrated all moments of being—death of light, danger and downfall, nameless night of the world.1 With regards to such figures, Hegel said they were statues without language and self-awareness; human beings unable to finally shake off the animal shape with which they were comingled. Ultimately, it is in their nature to house within themselves that which is already dead. Such figures, he said, were the mark of »separate, antagonistic national Spirits, who hate and fight each other to the death,« who dismember and destroy one another after the manner of animals – a swaying species of humanity, confounded between becoming human and becoming animal, whose consciousness is ultimately »without universality.«2 Others—more charitably— granted that such beings were not entirely without humanity. In a state of slumber, this humanity had not yet dared the adventure Paul Valéry called the »leap without return«. Yet it was possible to elevate it to our level. That burden did not confer upon us the right to take advantage of its inferiority, though. On the contrary—from it arose a duty to help and protect it.3 It is this point which made the colonial enterprise into a deeply »civilizing« and »humanitarian« work and the violence, which was its consequence, could be nothing except moral.4

Quote selected by Mathias Windelberg. Translated by Alexander Schneider.

Steven Shaviro

Corporate Cannibal

First published by: Steven Shaviro: Post-Cinematic Affect. On Grace Jones, Boarding Gate and Southland Tales. In: Film-Philosophy 14.1 (2010), p.12–35 under Creative Commons 3.0 License.

Steven Shaviro

2 Nick Hooker: »Grace.« (2009). Email to the author, January 17, 2009.

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1 Hermitosis: »Interview: How ​ Nick Hooker Turned Grace Jones Into A Corporate Cannibal.« (2008). URL: http://hermitosis. blogspot.com/2008/09/nick​ -hooker-turned-grace- jones -into.html.

Nick Hooker’s video for Grace Jones’s Corporate Cannibal (2008) is ​in black and white. Or, more precisely, it is just in black. The only images that appear on the screen are those of Jones’s face and upper body. These images were captured by two video cameras, in a single take. The director recalls that, at the time of the shoot, Jones had just spent several months in Jamaica; as a result her skin »was intensely black, like dark, dark black.« There is no background to contrast with the black of Jones’s figure, or with what Hooker calls »the raw glow of her skin«1. The video was actually shot in colour, with a white wall for background; but in postproduction the director »desaturated the footage […] and brought up the contrast which made the white wall fall away entirely and consequently enhanced the blackness of her skin«2. As a result of this treatment, there is literally nothing in the video aside from Jones’s skin, her features and her silhouette. Behind her, there is only an empty blankness; it is this absence of any image whatsoever that we see as white. Evidently this play of black and white and of full and empty has racial implications, as well as formal and visual ones—implications to which I shall return. The video works by continually manipulating Grace Jones’s figure. In the course of the song’s six minutes and eight seconds, this figure swells and contracts, bends and fractures, twists, warps and contorts and flows from one shape to another. ​At the start, there is just a twisted, diagonal double band, extending across the empty screen like a ripple of electronic disturbance; but this quickly expands into Jones’s recognisable image. At the end of the video, the entire screen goes black, as if it had been entirely consumed by Jones’s presence. In between, Jones’s image is ​unstable and in flux; nothing remains steady

Corporate Cannibal

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3 Ibid.

for more than a few seconds. Certain configurations tend to recur, however. In the most common of these, Jones’s body, and especially her face, are ​elongated upwards. It is as if she had an impossibly long forehead, or as if her notorious late-1980s flattop haircut had somehow expanded beyond all dimensions. Along with being distended, Jones’s body is also thinned out: made gracile (if that isn’t too much of a pun) and almost insectoid. At other times, in extreme close-up, Jones’s mouth stretches alarmingly as if it were about ​to devour you; or one of her eyes bulges out and smears across the screen like a toxic stain. Sometimes her whole figure multiplies, ​as if in a house of mirrors, into several imperfectly separated clones. And sometimes, we even get to see a nearly undistorted shot ​of Jones’s eyes, nose and mouth. But then it is gone, twisted out of shape again, almost before we are able to take it in. In spite of all these distortions, Jones remains recognisable throughout. This is not surprising when you consider that, after all, Grace Jones has never looked (or sounded) remotely like anyone else. Even in her early modelling days, before she became a singer and performer, she stood out by dint of sheer ferocity. At the peak of her popularity, in the late 1970s and early 1980s, her persona was hard-edged and confrontational. She went through many changes, but what always remained the same was a sense that nobody could mimic her or replace her—and that they’d better not even try. The Corporate Cannibal video extends this history. Even as it melts and scatters Jones’s features, it retains their abrasive, angular uniqueness. In the course of the video’s manipulations of her image, Jones’s appearance loses all identity; it is never ›the same‹ from one moment to the next. And yet her figure continues to insistently confront us. As we hear her voice on the soundtrack, her lips and mouth hold our visual attention. Through all its changes, Jones’s figure projects a certain style or emphasis; it marks the screen in a unique way. Such is Jones’s singularity as a pop culture icon. I mean this in an almost material way. Nick Hooker recalls that, when he started to work on Jones’s image in post-production, »I realised quickly that she started​to feel like an oil spill«3. I take this to mean that her figure on screen is fluid and mutable, but at the same time thick and viscous.

Steven Shaviro 4 Ibid. 5 Specifically, Hooker compares the viscous materiality of Jones’ video image to the way that a pool of oil fills half the space of the gallery, mirroring the ceiling, in Richard Wilson’s installation piece 20:50. (Ibid.) 6 Some of these earlier videos ​can be found at the ​director’s website (http://www.nickhooker.com), and on ​his MySpace page (http:// www.myspace.com/nickhooker). 7 Louise Krasniewicz: Magical Transformations. Morphing and Metamorphosis in Two Cultures. In: Vivian Sobchack (Ed.): MetaMorphing. Visual Transformation and the Culture of Quick-Change. Minneapolis 2000, p. 53.​ 8 Modulation is initially an ​ analogue process, as in the amplitude modulation (AM) ​ or frequency modulation (FM) ​of radio waves. In analogue modulation, ›certain dimensions of one medium are modulated ​to serve as imprints bearing the variations of another medium, thereby transmuting the original form’s embodiment without transforming these formal variations.‹ When modulation becomes digital, however, ​an additional step is added: ›in digital we both transform ​ and transmute the medium‹, breaking the chain of analogical resemblances by a translation into binary code, so that ​ variation is not just controlled, but also coded and reductively homogenised. (see Corry ​ Shores: Deleuze’s Analog and Digital Communication; ​ Isomorphism; and Aesthetic Analogy (2009). URL: http:// piratesandrevolutionaries. blogspot.com/2009/01/deleuzesanalog-and-digital.html.)

It never goes away; and it retains a certain dense materiality, even within the weightless realm of digital, electronic images. It thereby resists the very transformations that it also expresses. »When the music ended,« Hooker says, »I imagined Grace returning to such a state: silent, still, shapeless.«4 The stickiness and inertia of Jones’s image, its material self-retention through all its fluid transformations, is what I call her iconic singularity, without identity.5 Nick Hooker’s earlier music videos, for U2 and other bands, make use of the same kinds of electronic manipulation that we ​find in Corporate Cannibal.6 But many of these earlier videos are in full colour; they are often wholly abstract; and they tend to ​ involve full-field transformations, rather than concentrating on a single human figure. As a result, they feel trippy and psychedelic —in contrast to the harshness and ferocity of Corporate Cannibal. These earlier videos are about free-flowing metamorphosis; but Corporate Cannibal is about modulation, which is something entirely different. Metamorphosis is expansive and open-ended, while modulation is schematic and implosive. Metamorphosis implies »the ability […] to move laterally across categories;«7 but modulation requires an underlying fixity, in the form of a carrier wave or signal that is made to undergo a series of controlled and coded variations.8 Metamorphosis gives us the sense that anything can happen, because form is indefinitely malleable. But the modulations of Corporate Cannibal rather imply that no matter what happens, it can always be contained in advance within a predetermined set of possibilities. Everything is drawn into the same fatality, the same narrowing funnel, the same black hole. There is no proliferation of meanings, but rather a capture of all meanings. Every event is translated into the same binary code, and placed within the same algorithmic grid of variations, the same phase space. The Corporate Cannibal video consists in continual modulations of Grace Jones’s figure. It thereby exemplifies— and ​internalises or miniaturises—modulation as the central mechanism of what Gilles Deleuze calls the emerging control society. Modulation works, Deleuze says, »like a self- transmuting molding continually changing from one moment to the next, or like a sieve whose mesh varies from one point to another.«9 That is to

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9 Gilles Deleuze: Negotiations 1972–1990. ​ New York 1995, p. 179.

Corporate Cannibal

11 David Harvey: Spaces of Global Capitalism. Toward a Theory ​of Uneven Geographical Development. New York 2006, p. 141–172. 12 Deleuze says that, where the older mechanisms of ​confinement, foregrounded in Foucault’s disciplinary society, are analogical, in the emerging control society, with its continual modulations, »the various forms of control […] are inseparable variations, forming a system o ​ f varying geometry whose language is digital.« Deleuze (1995), p. 178 (see footnote 9).

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10 Luc Boltanski; Eve Chiapello: ​ The New Spirit of Capitalism. New York 2007, p. 112.

say, in a regime of ​modulation there are no fixed or pregiven forms. In Foucault’s disciplinary society, as in the regime of Fordist industrial ​production, everything was forced into the same fixed mold: workers were held to the same disciplinary rhythms on the assembly line, and products were identical and interchangeable. But ​in the control society, or in the post- Fordist information economy, forms can be changed at will to meet the needs of the immediate situation. The only fixed requirement is precisely to maintain an underlying flexibility: an ability to take on any shape as needed, ​a capacity to adapt quickly and smoothly to the demands of any form, or any procedure, whatsoever. Flexibility is valued today, in the first place, as a way to cut costs, by making just-in-time production possible. In the second place, flexibility is the attribute that new economy corporations look for in their employees: workers must be »adaptable and flexible, able ​to switch from one situation to a very different one, and adjust to it; and versatile, capable of changing activity or tools, depending on the nature of the relationship entered into with others or with objects.«10 And finally, flexibility also characterises consumers, who no longer settle for Fordist standardisation and uniformity, but instead demand products that are customised for their own particular preferences, or whims of the moment. In a world of flexible accumulation,11 modulation is the process that allows for the greatest difference and variety of products, while still maintaining an underlying control. Of course, modulation is not just a special feature of Corporate Cannibal; it is a basic characteristic of digital processes in general.12 All digital video is expressed in binary code, and treated by means of algorithmic procedures, allowing for a continual modu­lation of the image. But in Corporate Cannibal, these technical means, or conditions of possibility, become the video’s overt, actual content. Here, the medium really is the message. I have already noted that the whiteness behind Jones’s image is a void and not a background. This has important consequences for how we apprehend the video. Usually we read images in terms of a figure- ground relationship; but we cannot look at Corporate Cannibal in such a way. Jones’s imaged body is not a figure in implied space, but an electronic signal whose

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14 Harvey (2006), p. 123 ​(see footnote 11). 15 Actually, Harvey describes t​ hree conceptions of space. ​The first is the absolute space ​of ordinary perception; this is CartesianNewtonian space. ​The second is the relative space of Einstein and modern physics. Relational space is the third. Harvey emphasises that it is ​not a question of determining which of these three would ​be the ›true‹ concept of space, but of understanding how ​

modulations pulse across the screen. The screen works as a material support for this signal/image. But the screen does not itself emit a signal; and it is not present, and does not figure anything, within the image. Corporate Cannibal is therefore neither a classical work (like, say, the films of Renoir) in which the screen is a window upon a represented world, nor a modernist work (like, say, the films of Godard) that reflexively focuses upon the materiality of the screen itself as a surface.13 In contrast to both classical and modernist paradigms, Corporate Cannibal does not offer us any pre-existing structure of space within which Jones’s signal/image might be located. There is only an electromagnetic field that is dynamically generated by the signal itself in the course of its continual modulations. Corporate Cannibal, therefore, does not imply, and does not take place within, the absolute, perspectival space of ordinary perceptual experience. Rather, the video constructs a relational space, of the sort theorised by Leibniz and Whitehead, and more recently by David Harvey. As Harvey describes it, »the relational view of space holds that there is no such thing as space or time outside of the processes that define them […] Processes do not occur in space but define their own spatial frame. The concept of space is embedded​in or internal to process«14. Relational space varies from moment to moment, along with the forces that generate and invest it. It continually alters its curvature and its dimensions; it does not persist as a stable, enduring container for objects that would be situated solidly within it.15 This means that the space presented by Corporate Cannibal is radically different from any sort of cinematic space. Analogue photography and film are indexical; as David Rodowick puts it, they »transcribe or document rather than represent«16. Their very materiality consists in the persisting chemical traces of objects that actually stood before the camera at a particular time, in a particular place. Cinema therefore always assumes— because ​it always refers back to—some sort of absolute, pre-existing space. And this referentiality, or »see[ing] at a distance in time,«17 is what allows it to be, as well, a record of duration. But such is no longer the case for digital video. As we have seen, Grace Jones’s hyperbolic figure in Corporate Cannibal generates its own space,

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13 I am thinking here, in part, of Laura Mulvey’s discussion ​ of how »the cinema is divided into two parts […] split between its material substance, ​ the unglamorous celluloid strip running through the projector ​on one side and, on the other, entrancing images moving on​ a screen in darkened space.« Mulvey aligns this formal division with the »fundamental, and irreconcilable, opposition ​between stillness and movement that reverberates across ​ the aesthetics of cinema.« She further associates moving images with the narrative drive of mainstream fictional films, and stillness with the avant-garde project of bringing »the mechanism and the material of film into visibility« Laura Mulvey: Death 24x a Second. Stillness and the Moving Image. London 2006, p. 67. Mulvey is interested in considering how the transfer of cinematic works to digital media allows for a renewed contemplation of them, precisely because our ability to freeze ​the frame at any moment makes the cinematic dialectic between stillness and motion more accessible to us. I am trying ​to look, instead, at the ways in which recent digital video works like Corporate Cannibal reject both sides of the stillness/movement dichotomy, and operate according to a different logic: one aligned not around stillness and motion, but around the composition of forces, modulation, and feedback.

16 David Rodowick: The Virtual Life of Film. Cambridge 2007, p. 58. 17 Rodowick (2007), p. 64 ​ (see footnote 16). 18 André Bazin: What Is Cinema? Vol. 1. Berkeley 2004, p. 14–15. 19 Roland Barthes: Camera Lucida. Reflections on Photography. New York 1981, p. 87, 82. 20 Rodowick (2007), p. 63, 67 ​(see footnote 16). 21 Rodowick (2007), p. 171–173 ​(see footnote 16). 22 Deleuze (1995), p. 180, 182 ​ (see footnote 9).​ 23 The non-indexicality of digital video has lately perturbed ​ many film theorists, including Rodowick (2007). For my own earlier take on this issue, see ​my article Emotion Capture. Affect in Digital Film. I​ n: Projections 2.1 (2007), p. 37–55.

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in the course of its modulations. And these modulations happen in ›real time‹, in a perpetual present, even though the video is prerecorded. It is true, of course, that Jones actually did stand before the camera, at one point in the production of Corporate Cannibal. But the video’s ontological consistency does not depend, in the way that a film would, upon the fact of this prior physical presence. Corporate Cannibal does not point us back to what André Bazin described as the fundamental stake of all photography and cinematography: »the object itself […] the image of things [that] is likewise the image of their duration.«18 In contrast to analogue photography as described by Roland Barthes, digital video no longer offers us »a certificate of presence«; it can no longer »attest that what I see has indeed existed.«19 More generally, there is no room, in relational space, for the uncanny sense of »space past […] the curious sentiment that things absent in time can be present in space,« that Rodowick identifies as a basic ontological feature of traditional photography and film.20 Instead, as Rodowick complains, »nothing moves, nothing endures in a digitally composed world […] in digital cinema there is no longer continuity in space and movement, but only montage or combination.«21 Where classical cinema was analogical and indexical, digital video is processual and combinatorial. Where analogue cinema was about the duration of bodies and images, digital video is about the articulation and composition of forces. And where cinema was an art of individuated presences, digital video is an art of what Deleuze calls the dividual: a condition in which identities are continually being decomposed and recomposed, on multiple levels, through the modulation of numerous independent parameters.22,23 Corporate Cannibal, therefore, does not refer back indexically to Grace Jones’s body as a source or model. It does not image, reflect and distort some prior, and supposedly more authentic, actuality of Jones-as-physical-presence. We should say, instead, that the video’s multiple inputs include images of Jones lip-synching her song. These inputs were sampled by two digital devices, one sensitive to signals in the visual spectrum, and the other to infrared signals. In the course of post-production,

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›space can become one or all simultaneously depending upon the circumstances. The problem of the proper conceptualization of space is resolved through human practice with respect ​ to it‹ (Harvey (2006), p. 125–126 (see footnote 11). ​ I am interested here in how ​ the practices of what Deleuze calls the ›control society‹, and ​the mechanisms of digital media, participate in, and are themselves in turn affected ​ by, the social construction of relational space.

25 Filmmakers such as Godard, ​and film theorists from ​Eisenstein to Chion, have been concerned with exploring the multiple relations between sound and image, and especially with pointing out how images and sounds are recorded on separate devices, so that their synchronisation is an illusion— or at the very least an artifice created after the fact. But digital video is no longer limited by the image/sound dichotomy. ​»The components of the image« (Gilles Deleuze: Cinema 2. The Time-Image. Minneapolis 1989, p. 225–261.) are multiple; ​and regardless of the sensory sources from which they have been sampled, they are all transcoded into the same indifferent binary code, which then becomes material for ​new constructions. Not only ​ is digital video composited rather than edited, so that i​ t has to do with ›a palimpsestic combination of data layers‹ rather than with »contiguous spatial wholes as blocks of duration« Rodowick (2007), ​p. 169 (see footnote 16); i​ n addition,an input of one sensory mode can become ​an output for another, as is the case with music visualisation programs— which generate patterns similar to those in some of Hooker’s earlier music videos. 26 Colin McDowell: Goude Heavens. In: The Times, November 6. (2005). URL : http://women.timesonline. co.uk/tol/life_and_style/women/ style/article5 83890.ece. 27 In an article about Andy Warhol, ​ I argue that Warhol’s multiple portraits of Marilyn Monroe, all made after the actress’ death, dramatise the fact that »even Marilyn Monroe, you might say, was never entirely successful in playing the role of Marilyn Monroe […] This discord between ​r the performer and the role, o

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these inputs were made to enter into composition with one another, ​and with certain other inputs: most notably, with the audio signals of the prerecorded song (which include, but are not limited to, digital samples of Jones’s voice). This means that Grace Jones’s figure is a complex, aggregated and digitally coded electronic signal—rather than a »visual transcription«, a »witnessing or testimony«, as Rodowick characterises the cinematic image.24 Jones’s face, h ​ er torso and her voice— the dividual elements of her persona—are themselves, already, electricity, light (or darkness) and sound, digital matrix and intense vibration. Nick Hooker does not manipulate Jones’s image, so much as he modulates, and actively ​recomposes, the electronic signals that she already is, and whose interplay defines the field of her becoming.25 In other words, the electronic image is one more iteration—and a particularly visceral one, at that—of Grace Jones as a celebrity icon. I say iteration, rather than version, or copy, because there is no original, or Platonic ideal, of a celebrity: all instances are generated through the same processes of composition and modulation, and therefore any instance is as valid (or ›authentic‹) as any other. Corporate Cannibal is only the most recent in a long string of Jones’s reinventions of herself. Over the course of her career, she has continually rearranged her body, her appearance and her overall persona. Now, there may well be a gap between Grace Jones the private person and ›Grace Jones‹ the iconic celebrity. Indeed, Jean-Paul Goude, Jones’s partner and artistic collaborator in the late 1970s and early 1980s, and the father of her son, says that their personal relationship fell apart when Jones »felt I had started to love the character we had created more than I loved her.«26 But the very point of this anecdote is that Grace Jones, the character or persona, exists actually in the world, just as much as Jones the private person does—and precisely because these two do not coincide. Jones the private person is not the model, or the privileged source, of Jones the icon. If anything, the problem for Goude, and perhaps for us as well, has to do with whether it is even possible for Jones the human person to have as full an existence as her image does: to live up to the demands, and the promises, of Jones the celebrity figure.27

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24 Rodowick (2007), p. 58;61 ​ (see footnote 16).

28 Alfred North Whitehead: Process and Reality. ​New York 1929(1978), p. 119.

29 Miriam Kershaw: Postcolonialism and Androgyny. ​The Performance Art of Grace Jones. In: Art Journal 56.4 (1997), p. 19–25, p.21.

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In any case, the iconic Grace Jones is just as real an object, or a presence, as any other—even if its mode of being involves, not just the medium of the flesh, but many other media as well. We encounter Grace Jones the icon in the physical spaces of the runway and the concert stage, the virtual spaces of television studios and movie sets, and the relational spaces of video screens and computer monitors. Jones as celebrity construct is present in her skin, in her make-up, in her clothes, in her live performances, in her photographs and movies and videos and in her sound recordings, both analogue and digital. The figure we know as Grace Jones simply is the »historic route of living occasions«30 through which it has passed, the entire series of its transductions, translations and modulations. These transformations have always had a transgressive and confrontational edge. Jones’s performances in the late 1970s and early 1980s appropriated, mocked and inverted traditional (racist and sexist) signifiers of blackness and whiteness, and ​ of femininity and masculinity. In the first place, Jones created spectacles that parodically embraced historically dominant white Euro-American images of black people—including animalistic images, and images drawn from minstrelsy—in order to throw them back in the face of the audience. And in the second, she alternately exhibited herself in masculine drag (with references ​ to boxers and other athletes) and in such stereotypical items of feminine (drag queen) display as stiletto heels. Jones’s performances of this period, as Miriam Kershaw puts it, »oscillated between exploiting the feminine myth of primitive sensuality and the masculine construction of threatening savagery,« in order to make an »ironic commentary on this iconography of power and subordination.«29 In other words, Jones embodied an all-too-familiar racist and sexist iconography with such vicious, sarcastic excess as to blow it apart. At the same time, she crossed the boundaries separating men from women not with a cozy androgyny, nor even with the glam rock stylisations of the period, but by displaying a cold and forbidding, more-than-masculine, and ultimately ungenderable hardbody. In thus transgressing boundaries of gender and race, the iconic Grace Jones pushes beyond the human altogether. She

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between the empirical person and the ideal of beauty that she is supposed to incarnate, may well be regarded as the cause of Marilyn Monroe’s tragic death, no matter what the actual facts of the case. Marilyn’s flesh simply could not bear what she was supposed to be.« Warhol’s Marilyn portraits, with their numerous random variations, generated by the imperfections of the silkscreening process, illustrate »the failure of the enactment to match the role. And this is why these paintings are all pictures of Marilyn’s death« Steven Shaviro: The Life, After Death, of Postmodern Emotions. In: Criticism. A Quarterly for Literature and the Arts 46.1 (2005), p. 125–141, p. 134. Evidently, Jones has succeeded where Monroe did not: ​in negotiating the gap between ​the existential person and the celebrity icon. Monroe’s endeavour to close the gap, and to live her incarnation as a star, inevitably failed, with tragic consequences. Jones, instead, affirms and even replicates this gap, with an ironic performance strategy of disidentification. ​ As Francesca Royster puts it, »Jones’ adoption of hypersexualised, animalistic, machinic, and apparently degrading positions act as what Jose Munoz calls disidentifications with the toxic aspects of dominant ideology of black womanhood«. ​Francesca T. Royster: Feeling like a woman, looking like a man, sounding like a no-no. Grace Jones and the performance of Strange in the Post-Soul Moment. In: Women and Performance 19.1 (2009), p. 77–94, p. 84. Instead of trying to become her celebrity role, therefore, Jones precisely performs its impossibility and distance.

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31 Mark Fisher: I, the Object (2006). URL: http://k-punk. abstractdynamics.org/ archives/008729.html.

32 Donna Haraway: Simians, Cyborgs, and Women. ​ The Reinvention of Nature. New York 1991, p. 151, ​p. 149–181 passim.

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30 Anneke Smelik: The Carousel of Genders (1993). ​URL: http://www.let.uu.nl/womens_studies/anneke/carous. htm.

embraces her own extreme objectification, her packaging as a saleable commodity. And she transforms herself (well before this became fashionable) into a posthuman or transhuman being, a robot or cyborg. In the words of Anneke Smelik, Jones appears as »the ultimate hi-tech product […] present[ing] self-images with quotations from the world of advertising and fashion photo­ graphy.«30 Or as Mark Fisher puts it, Jones makes herself into a chilly object- machine, whose »screams and […] laughter seem to come from some Other place, a dread zone from which Jones has returned, but only partially. Is it the laughter of one who has passed through death or the scream of a machine that is coming to life?«31. In this way, Jones does not just express a new or different mode of subjectivity. She does not just give voice to a black female perspective that was previously excluded from public expression. In addition, she also transgresses the very sense of what it means to be a self or a subject at all. She turns herself into a thing—thereby forcing us to confront the ways that slavery and racism turn black people into things, that patriarchy turns women into things, and that capitalism turns all of us into commodities, or strangely animated things. She revivifies, and reclaims the powers latent within, all of these reifications. She embodies, and transmits, flows of affect that are so intense, and so impersonal and inhuman, that they cannot be contained within traditional forms of subjectivity. This is what makes her performances so explosively charged, and yet at the same time so cold and distant, so alien or inhuman. Grace Jones has moved beyond identification, and beyond any sort of identity politics, into an entirely different realm: one that can only be expressed in the terms of science fiction. Donna Haraway, writing in the early 1980s—at the very moment of Jones’s greatest fame as a performer—identified three »boundary breakdowns« that she saw as harbingers of a new »informatics of domination,« but also as the conditions of possibility for an emerging »cyborg politics« that would be »oppositional, utopian, and completely without innocence.«32 In our networked and globalised postmodern world, where »the boundary between science fiction and social reality is an optical illusion« (p. 149), there are no longer firm oppositions,

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34 Greg Prato: Grace Jones (2009). URL: http://www.allmusic.com/ cg/amg.dll?p=amg\&sql=11:3 ifexqe5ldse~T1.

35 Royster (2009), p. 84 ​ (see footnote 27).

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33 Kershaw (1997), p. 20 ​ (see footnote 29).

but only increasingly »leaky distinctions,« first »between human and animal« (p. 151), then »between animal-human (organism) and machine« (p. 152), and finally »between physical and non-physical«, or between material, mechanical devices and ones that are pure energy, »nothing but signals, electromagnetic waves, a section of a spectrum« (p. 153). In the course of her crossings from black to white, and from female to male, Jones also enacts all three of Haraway’s boundary breakdowns. In her performances of the late 1970s, »she becomes identified with the animal kingdom,«33 both mocking and reappropriating EuroAmerican racism’s ascription of animality to black people. In her more commercial phase of the 1980s, when she moves musically from disco to »new wave and experimental-based work«, and »replac[es] her S&M look of the '70s with a detached, androgynous image,«34 she traces a passage between organism and machine. And finally, in Corporate Cannibal, her persona casts off the constraints of locality, and achieves modulation as a digital signal. All these transformations are dangerous—and Grace Jones evidently savours this danger. Indeed, she makes her living from it. The danger comes from the fact that transgression, reappropriation, and détournement are all inherently ambiguous. Precisely because it is so radical, Jones’s work continually and unavoidably »risks misreading.«35 Every act of transgression offers at least a backhanded compliment to the order, the norm, or the law that is being transgressed—since it is only the continuing power of that order, norm, or law that gives meaning to the action of defying it. If gender binaries and hierarchies were ever to disappear, for instance, drag performance would lose all of its bite. But boundaries that are in process of breaking down have not yet, by that very fact, been altogether abolished; leaky distinctions are ones that have lost some of their force, but that nonetheless are still being made. For their part, reappropriation and détournement necessarily run the risk of giving new life to the very forces that they endeavour to hijack, and turn to different ends. In drawing on cultural memories of oppression and degradation, they reinforce those very memories. No performance is entirely able to control its own reception and interpretation. Jones’s feral and animalistic gestures work to explode a whole racist

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mythology; but they cannot escape the risk of also perpetuating that mythology. I think that the power of Grace Jones as a media icon comes from the way that she addresses these paradoxes head on, foregrounding them in her performances. In this regard, it is instructive to compare Jones’s star persona with that of her younger colleague and rival, Madonna. Both divas emerged from the ​world of disco and camp performance. Both gained notoriety for self-consciously ›performing‹ their femininity, and thereby ​ denaturalising it. And both were able to move from a cult following largely among gay men into a much broader mainstream popularity. Both Grace Jones and Madonna flaunt an aggressive sexuality that is at odds with older norms of how women were supposed ​to behave. But both of them nonetheless remain acutely aware ​ that the post-feminist sexual freedom which they celebrate is also intensely commodified. This is why they present themselves, simultaneously, both as voraciously consuming subjects, and as glitzy, perfectly sculpted objects to be consumed. And yet, despite this common ground, there is a vast difference between these two performers. Madonna puts on ​and takes off personas as if they were clothes; indeed, the clothes are often what make the persona. The brilliance of this strategy ​lies in the way that it suggests that everything is merely a matter of surfaces, or of style. There is nothing beneath the surface; there ​are no depths and no essences. All identities are factitious; and this allows Madonna to play with them innocently and pleasurably. Because these personas are all stereotypes and fictions, and self-consciously known to be so, none of them is irreversible, and none of them has any real cost (apart from the up-front financial one). Madonna’s transformations never have serious consequences, and this is why she is free to indulge in them. Grace Jones’s transformations are altogether more troubling. In a sense, they are incised more deeply in the ​performer’s flesh—for all that they are (no less than Madonna’s) ​a function of clothes and styles and the powers of the fashion world. Jones’s changes are ›deeper‹ than Madonna’s because they have to be: without Madonna’s white skin privilege, Jones ​ cannot treat her self-mutations as casually as Madonna does. She

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cannot retreat into the anonymity that is the implicit background of Madonna’s performances, the neutrality and lack-of-depth that exists (or rather, does not exist) behind all the costumes. Grace Jones, as a black woman, is always already marked as a body—in a way that Madonna Ciccone, simply by virtue of being white, is not. This means that Jones cannot simply dismiss depth, and present ​a play of pure surfaces, in the way that Madonna can. She has much more at stake in her transformations than Madonna could ever have. And so, if Madonna’s transformations are playful and fantasy-like, Grace Jones’s transformations are considerably harder and harsher. This does not mean that they are devoid of pleasure. But Jones’s own pleasure in them is not necessarily something ​that she transmits to, and shares with, her audience. She always stands alone, apart from us. That is to say, Jones’s figures, unlike Madonna’s, are not necessarily ones that we (her admirers) can identify with. Think of the difference between the coyness ​of Madonna’s Like a Virgin and the Ballardian savagery of Jones’s Warm Leatherette. Jones never stops being a dominatrix—​some­thing that Madonna definitely is not, for all of her diva airs, and her willingness to toy around with the edges of sadomasochism. Madonna admirably plays with the image of femininity, exulting in its artifice, its artificiality and its inessentiality; ​but Grace Jones aims instead to blast this femininity apart, or to blast it into outer space. The difference between Madonna and Grace Jones is therefore both affective and ontological. Where Madonna is playful, Jones is playing for keeps. And where Madonna critiques subjectivity by suggesting that it is just a surface-effect with nothing behind it, Jones critiques it by actually delving beneath the surfaces, or into the depths of the body, to discover a dense affectivity that is not subjective any longer. Jones rejects the subordination that Western culture has so long written into the designations of both woman and black; but she does this neither by recuperating femininity and blackness as positive states, nor by claiming for herself the privileges of the masculine and the white. Rather, she subjects the very field of these oppositions to implosion, or to some sort of hyperspatial torsion and distor-

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37 Erik Davis: Roots and Wires. Remix: Polyrhythmic Tricks ​ and the Black Electronic. In: Paul D. Miller (Ed.): Sound Unbound. Sampling Digital Music and Culture. Cambridge 2008, ​p. 53–72, p. 56. 38 Of course, this sort of rhythmic experimentation is a wider tendency of Afrodiasporic music in general, throughout the second half of the twentieth century. James Brown is not commonly counted as an Afrofuturist; but when he transforms himself into a ›Sex Machine‹, ​he is in fact expressing both robotic, mechanistic repetition and superhuman, polyrhythmic dispersal at one and the same time.

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36 Mark Dery: Black to the Future. Interviews with Samuel R. Delany, Greg Tate, and Tricia Rose. In: id. (Ed.): Flame Wars. The Discourse of Cyberculture. Durham 1994, p. 179–222, p. 180.

tion. And she takes up the risk that these manoeuvres will fail to achieve their goal, or even backfire. This project, and this risk, place Jones within the genealogy of what has come to be known as Afrofuturism. Most immediately, this term refers to »speculative fiction that treats African-American themes and addresses African-American concerns in the context of twentieth-century technoculture —and, more generally, African-American signification that appropriates images of technology and a prosthetically enhanced future.«36 But in a broader sense, Afrofuturism uses the tropes of science fiction and futuristic speculation, and a vision of the transformative potentiality of new technologies, in order to reevaluate all aspects of Afrodiasporic (and not just African American) experience. In the case of music in particular, Kodwo Eshun (1998) traces an Afrofuturist line that runs from Sun Ra in the 1950s, through certain aspects of free jazz in the 1960s, then through George Clinton in the 1970s, on to Detroit techno in the 1980s, and beyond that to more recent electronic forms. (Today, we might think of Janelle Monáe’s Metropolitan Suite and Burnt Sugar’s More Than Posthuman as exemplary Afro­futurist works). In purely musical terms, this is a very diverse and heterogeneous group of artists. But they all make music in which the soulful human singing voice—traditionally at the centre of Afrodiasporic music—is erased, decentred, or subjected to electronic distortion and modulation. And they all develop rhythm in startling ways, so that it ceases to be organic and breath- or body-centred, and instead becomes more or less inhuman. Either rhythm becomes mechanistically repetitive, as is generally the case in techno; or else, it becomes superhumanly polyrhythmic, dispersed beyond any single focus of attention, so that (in Erik Davis’ words) it »impels the listener to explore a complex space of beats, to follow any of a number of fluid, warping and shifting lines of flight, to submit to what the old school hip-hop act A Tribe Called Quest calls ›The rhythmic instinction to yield to travel​beyond existing forces of life‹.«37, 38 Afrofuturist musical ventures also tend to invoke the imagery of science fiction—aliens and robots, and advanced electronic

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40 The classic account of this process remains that of Eric Williams (1994). The industrial capitalist mode of production, with ›free‹ workers selling ​ their labour power to capitalist owners, would seem to be ​ more or less incompatible with formal slavery. But this does not contradict the claim that accumulations of wealth under slavery were a crucial part of the ›primitive accumulation‹ that capitalism needed in order ​ to take off on a global scale. Nor does it contradict the observation that ›residual‹ pockets ​ of slavery continue to exist today within an overall capitalist economy. For ›primitive accumulation‹ is a recurring and continuing phenomenon of capital accumulation, rather than just ​a ›stage‹ that would precede ​the establishment of capitalism tout court. 41 Of course, mainstream visions of the Singularity—the most famous of which is probably that propounded by Ray Kurzweil. (The Singularity is Near. New York 2005.)—are utterly depoliticised, and express little more than adolescent white male power fantasies of infinite potency, and of entrepreneurial accomplishment writ large. I discuss this ​ hegemonic science fiction of the Singularity in a recent essay. ​ Steven Shaviro: The Singularity is Here. In: Mark Bould; China Miéville (Eds.): Red Planets: Marxism and Science Fiction. London 2009, p.103–117. ​Afrofuturist reimaginings of the Singularity, however, transmute it into something crazier and more fantastic, approaching the »ironic political myth« and skewed utopianism of which Donna Haraway writes. Haraway (1991), p. 149 (see footnote 32).

technologies—in order to figure both the alienation, suffering, and horror of the history of black oppression, and ​the utopian hope of escaping or overturning that oppression. Looking back into the past, Afrofuturists see the kidnapping and enslavement of Africans, and the Middle Passage that forcibly took them to the New World, as something like what today we would call an episode of alien abduction. These Africans were overwhelmed and subjugated by a barbarous, but technologically powerful, invader from another world. Once taken back to that other world, the Africans themselves became aliens, as their humanity was not recognised, and they were put to work as slaves. The horror of this experience propelled them into modernity. ​As Eshun puts it, paraphrasing Toni Morrison, »the African subjects that experienced capture, theft, abduction, mutilation and slavery were the first moderns. They underwent real conditions of existential homelessness, alienation, dislocation and dehumanisation that philosophers like Nietzsche would later define as quintessentially modern.« 39 These kidnapped Africans were the first to live the modern experience, even as the labour forcibly extracted from them provided the accumulation of wealth to kick-start capitalist modernisation on a global scale,40 thereby extending this experience to everyone. Looking to the future, on the other hand, Afrofuturists also conceive liberation in terms derived from science fiction. This involves a radical inversion, in which figures of inhuman oppression and estrangement—figures of aliens and robots—now work as images of escape, via posthuman transfiguration. In contrast to the mainstream Civil Rights movement, which demanded full recognition of the humanity of black people, Afrofuturists equate the human per se with white supremacy, and with the normative subject positions of white, bourgeois society. Therefore they regard humanity, not as something to be attained, but in Nietzschean fashion ​as something that must be overcome. Through figures ranging from George Clinton’s Starchild to the cybernetic machines of Detroit techno, Afrofuturist musicians construct their own versions of the so-called Singularity, in which all-too-human limitations are transcended through new technologies, and by the subsumption of flesh into machines.41 For Eshun, Afrofuturist music is a Postsoul phenomenon, involving

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39 Kodwo Eshun: Further Considerations on Afrofuturism. In: CR: The New Centennial Review 3.2 (2003), p. 287–302, p. 288.

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43 Eshun (2003), p. 298 ​ (see footnote 39). 44 Eshun (1998), p. -6 ​ (see footnote 42). 45 That is to say, they move away from personal emotion ​ and towards an expression ​ of asubjective, unqualified, and intensive affect. 46 Simon Reynolds: Generation Ecstasy. Into the World of Techno and Rave Culture. ​ Boston 1998, p. 25. 47 Simon Reynolds: Rip It Up ​And Start Again: Post-punk 1978–1984. London 2005, p. 513.

48 Ibid.

a »webbed network of computerhythms, machine mythology and conceptronics which routes, reroutes and crisscrosses the Black Atlantic.«42 This music »alienates itself from the human; it arrives from the future«; it manifests »an extreme indifference towards the human« a refusal to understand black experience in traditionally soulful, humanistic terms, since these are seen as implying continued oppression (p. -5). Grace Jones’s music works through the consequences of this Afrofuturist »line of flight« from the human, this sense in which »black existence and science fiction are one and the same«.43 Jones’s sound is rooted first of all in disco, which Eshun identifies as »the moment when Black Music falls from the grace of gospel tradition into the metronymic assembly line.«44 Not only is the disco beat hypnotically precise; but disco vocals, buried deep in the mix and reduced to phrases repeated like mantras, convey a muffled and depersonalised affect.45 A 1970s disco diva like Donna Summer is already Postsoul, in that her vocal stylings are cool, sublimely distant and (in Simon Reynolds’ words) »curiously unbodied«.46 But Jones’s singing moves several steps beyond this. Her voice is harsh, precise, indifferent and almost scornfully detached; or (to cite Reynolds again) »simultaneously imperious and fatalistic«.47 This is the diction of a robot dominatrix. It demands our obedience, without promising us any hope of empathy, intimacy, or identi­fication in return. All this is audible in Jones’s 1985 song Slave to the Rhythm. The music, produced by Trevor Horn, is a strange hybrid: as Reynolds (again) puts it, it »started life sounding Germanic, but veered off in a radically (even racially) different direction when welded to the polyrhythmic chassis of go-go«.48 That is to say, Slave to the Rhythm simultaneously embraces both extremes of the Afrofuturist sound continuum: Kraftwork-style roboticism on the one hand, and African-derived rhythmic multiplicity on the other. Listening to it is a strange experience, a bit like looking at the famous figure of the duck-rabbit. You can pay attention either to the song’s mechanistic onward thrust, or to the undertow of its polyrhythms; but it is nearly impossible to focus upon both at the same time.

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42 Kodwo Eshun: More Brilliant Than the Sun. Adventures in ​ Sonic Fiction. London 1998, p.-6.

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50 Karl Marx: Capital. A Critique​of Political Economy. Vol. 1. ​New York 1992, p. 342.

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49 Jean-Paul Goude’s music video for the song also deserves commentary. It is a rapid montage of surreal sequences, ​ many of then taken from commercials that Goude made ​with Jones. There is a strong emphasis on the transformation and distortion of Jones’ body through various techniques of (analogue, at that time) editing, and on the actual, physical process of producing these distortions. The video even begins with a series of close-ups showing the process of cutting up a photograph of Jones, and then pasting in fragments taken from other copies of the photo, in order to elongate the shape of her face. In this way, Slave to the Rhythm video prefigures, by analogue means, the distortions that Corporate Cannibal produces digitally. The earlier video both displays Jones’ body/image as a commodity, and shows the labour required to produce that commodity.

Jones sings Slave to the Rhythm without any warmth or soul; her tone is domineering, but cold and uninvolved. She is the stern taskmistress of the dance floor, ruthlessly imposing its despotic rhythm, compelling us to dance. This is entirely appropriate to the song’s lyrics, which equate the ecstasy of dancing ​with the numbing repetition of work on the assembly line, and trace both of these activities back to the toil of slavery. Disco dancing, industrial labour and working in the fields to harvest cotton or sugar cane all require a strict discipline of the body. ​An agitated, but precisely articulated, motion must be repeated over and over again, for long hours, without stopping. In this way, work and leisure both respond in the same way to the relentless demands of capital: with a terrible, self-abnegating jouissance. The song exhorts us to »work all day […] never stop the action, keep it up, keep it up«. The cliché of self-abandonment on the dance floor is thus identical to the command of Taylorist workflow management. We are also told to »sing out loud the chain gang song«; this links Jones’s own role as a musical entertainer back through minstrelsy to convict labour, and before that slave labour. The phrase »slave to the rhythm« starts out as a metaphor, but it has been literalised by the end of the song. The same disciplinary rhythm dominates everything, compelling us to move in accordance with its beat; we must breathe to it, dance to it, work to it, live to it, love to it. Rhythm isn’t everything; it’s the only thing.49 Corporate Cannibal explicitly hearkens back to Slave to the Rhythm; the lyrics include a line about being »slave to the rhythm/ Of the corporate prison«. But the change of context is significant. Jones moves from a vision of hard labour (on both the dance floor and the factory floor) to one of the corporation itself as a malevolent, rapacious entity. Instead of being a dominatrix, now she is a vampire—and not a romantic one, at that. Rather, her cold passion recalls Marx’s famous description: »Capital is dead labour which, vampire-like, lives only by sucking living labour, and lives the more, the more labour it sucks.«50 In Corporate Cannibal, Jones is similarly predatory; she is a force of life-in-death that can never get enough. Her voice is wheedling at first: »Pleased to meet you/ Pleased to have you on my plate«. But it quickly turns severe, imperative and threatening, as we

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51 Royster (2009), p. 91 ​ (see footnote 27).

become aware that »have you on my plate« is not just a metaphor. Jones informs us, in a calmly menacing voice that barely reaches above a whisper, that she will devour us: »I’m a man-eating machine […] Eat you like an animal […] Every man, woman, and child is a target«. As Jones heats up, the song’s lyrics absurdly juxtapose the clichés of corporate-speak (»Employer of the year«) with those of pulp horror (»Grandmaster of fear«). Jones mockingly embraces the language of neoliberal politicians, to the point of even giving her own version of the Laffer Curve: »You’ll pay less tax but I will gain more back«. The music that accompanies these declarations has an easy, loping backbeat, but with grinding, dissonant guitars shrieking above it: the aural equivalent of an iron fist in a velvet glove. Jones’s bottom line in this song is that »I deal in the market«; she promises that »I’ll consume my consumers«. By the end of the song, Jones’s voice has modulated yet again: this time beyond words, into a predatory snarl. In taking on the role of the Corporate Cannibal, Grace Jones expresses an absolute identification with capital itself. This is something that goes well beyond any of her previous demonstrations of mastery. Francesca Royster remarks that »a complicating factor of Jones’s art has always been its collaboration with commercialism, even as it comments on that process.«51 But this collaboration now reaches a hyperbolic extreme. Jones embodies capital unbound, precisely because she has become a pure electronic pulse. Just as the groundless figures of digital video are no longer tied to any indexical referents, so too the endlessly modulating financial flows of globalised network capitalism are no longer tied to any concrete processes of production. Incessantly leveraged and reinvested, these flows proliferate cancerously— at least until they reach a point of necrosis, or sheer implosion. And just as capital continually devours and accumulates value, transforming its materials into more of itself, so Jones-as-electronic-pulse devours whatever she encounters, converting it into more image, more electronic signal, more of herself. Jones’s electronic modulations track and embrace the transmutations of capital; they express the ​inner being of a world of hedge funds, currency manipulations, arcane financial instruments, and bad debts passed on from ​one speculator to the next. Nick Hooker’s

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53 Eshun (2003) (see footnote 39).

54 Eshun (2003), p. 289 ​ (see footnote 39).

video modulations and the worldwide »culture of financial circulation«52 are both driven by the same digital technology. A lot has changed—politically, socially, economically and technologically—since Grace Jones’s heyday in the late 1970s and early 1980s. Corporate Cannibal takes the measure of these changes. The song and the video are terrifying; but they overlay this terror with an exacerbated awareness that inducing terror has itself become, after long years of media overexposure, a stereotype or a cliché. Jones has always been an aesthetic and cultural extremist. But Corporate Cannibal gives extreme expression to a world in which there are no extremes any longer—since everything can be tweaked or modulated in one way or another, until it finds a niche within which it can be successfully marketed. Jones forces us to confront the fact that even her transgressions of race, sexuality and gender, which so thrilled us twenty-five years ago, are now little more than clever marketing concepts. Beyond all those enthralling discourses about race and gender and power and the body, the only thing that remains transgressive today is capital itself, which devours everything without any regard for boundaries, distinctions, or degrees of legitimacy. Postmodern finance capital transgresses the very possibility of transgression, because it is always only transgressing itself in order to create still more of itself, devouring not only its own tail but its entire body, in order to achieve even greater levels of monstrosity. Of course, all this has grave consequences for the Afro­­­­­­ futurist project. Without transgression, how can there be ​transformation or transcendence? In his »Further Considerations ​on Afrofuturism,«53 Kodwo Eshun points out how problematic posthuman futurism has become, at a time when the dominant order is itself entirely futuristic and science fictional: »power now operates predictively as much as retrospectively. Capital continues to function through the dissimulation of the imperial archive, as it has done throughout the last century. Today, however, power also functions through the envisioning, management and delivery of reliable future. The powerful employ futurists and draw power from the futures they endorse, thereby condemning the disempowered to live in the past.«54 In consequence, the very idea of the future seems to have been

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52 Edward LiPuma; Benjamin L ​ ee: Financial Derivatives and the ​ urham Globalization of Risk. D 2004, p.18–20.

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56 LiPuma; Lee (2004), p. 148–150 passim (see footnote 52). 57 I take the term premediation from Richard Grusin: P ​ remediation. In: Criticism: A ​ Quarterly for Literature and t​ he Arts 46.1 (2004), p. 17–39. ​Needless to say, this does not mean that our future existence has actually been determined ​for all time, or that the system ​of capital is so complete, and ​so totalising, that nothing whatsoever can exist outside ​of its control. It does mean, however, that there is no pure otherness, no gesture or ​ position so radical that it cannot possibly be recuperated. We cannot avoid the risk of recuperation, because every possible change or difference has already been accounted for within capitalism’s own calculus and commodification of risk. O ​ ur future has been mortgaged— both literally and metaphorically—to high finance. ​As Deleuze puts it, in the control society »a man [sic] is no longer a man confined but a man in debt«. Deleuze (1995), p. 181 ​(see footnote 9). In consequence, even if we can imagine all sorts of possible futures, we seem unable to imagine one that would really make a difference, in terms of our relation to capitalism. ​As Slavoj Žižek memorably ​puts it, »today it’s much easier to imagine the end of all life on earth than a much more modest change in capitalism« (Astra Taylor: Zizek! The Movie. 2005). The desperate vagueness of currently popular Nietzschean, Levinasian, and Derridean invocations of uncertainty, undecidability, and radical alterity seems to me to confirm, and to be symptomatic of, this fundamental failure of imagination. We don’t seem to be able ​to come up with anything concrete that would be independent of the logic of financial flows.

drained of all hope and all potential. This future leaves us blank and numb, even as it arrives in the present and radically changes our lives. In his 1983 film Videodrome, David Cronenberg imagined a new flesh of visceral video embodiment. This new flesh was a source of both wonder and terror, as well as a political battleground: »the battle for the mind of North America«, we were told, »will be fought in the video arena—the videodrome«. But today, Cronenberg’s extreme vision has become a banal actuality: this is the real message of Corporate Cannibal. Grace Jones’s modulating electronic flesh is the chronic condition of our hypermodernity, rather than a radical rupture or an acute symptom of change. In other words, now that the posthuman future once prophesied by Afrofuturism has actually arrived, it no longer works as an escape from the domination of racism and of capital. Rather, it serves as yet another business scenario for capitalism’s own continued expansion. »As New Economy ideas take hold«, Eshun says, »virtual futures generate capital. A subtle oscillation between prediction and control is engineered in which successful or powerful descriptions of the future have an increasing ability to draw us towards them, to command us to make them flesh […] Science fiction is now a research and development department within a futures industry that dreams of the prediction and control of tomorrow.«55 Capitalism has always depended upon the ever-accelerating extension of credit, which is a way of monetising—and therefore appropriating and accumulating—the future itself. In the last twenty years or so, this stockpiling of the future has reached unprecedented levels, thanks to the way that financial instruments like derivatives have objectified and quantified—and thereby »priced, sold, and circulated«—»risk« in general, understood as the sum of all uncertainties about the future.56 Today, we have gone so far in this process that (as Marlene Dietrich says to Orson Welles in Touch of Evil ) our future is all used up. It has already been premediated for us: accounted for, counted and discounted, in advance.57 Such is the demoralising condition that Grace Jones addresses in Corporate Cannibal. Today, capital predicts, controls and stockpiles the future—and thereby uses it up—through a process of continual modulation. But this is the very process that

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55 Eshun (2003), p. 290–291 ​ (see footnote 39).

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59 Ann VanderMeer; Jeff VanderMeer (Eds.): The New Weird. San Francisco 2008. 60 Miéville (2008), p.112 ​ (see footnote 58).

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58 China Miéville: M. R. James ​and the Quantum Vampire. ​In: Collapse (May 2008), ​ p. 105–128.

i​ s at work in the video as well. Jones and Hooker perform a feat of homeopathic magic. They do not claim to escape the mechanisms of the control society; rather, they revel in these mechanisms, ​ and push them as far as possible. Their remedy for the malaise of the digital is a further, and more concentrated, dose of the digital. We usually regard the postmodern or posthuman condition as ​a weightless play of surfaces, from which all depth has been evacuated. And, depending upon the circumstances, we may find this depthlessness either terrifying or exhilarating. But Corporate Cannibal refuses both of these alternatives. Instead, it blasts open the very surface of the world, in a burst of Weird energy. I use the word Weird here advisedly. Jones’s personi­ fication of the corporation as a vampiric cannibal is a trope of Weird fiction. This term was first used in the 1920s, to characterise the writings of H. P. Lovecraft and other contributors to the pulp journal Weird Tales. More recently, it has been taken up by China Miéville,58 and other writers of what has come to be known as the »New Weird«.59 In both its earlier and more recent incarnations, ​ the Weird conveys a sense of intense anxiety and dislocation, with its »insistence on a chaotic, amoral, anthropoperipheral universe« that is radically unfamiliar and irrecuperable, not to be assigned any sense or meaning.60 At the same time, Weird expression often feels slightly hokey or forced, because it renders something that ​cannot be described literally and precisely, but only evoked vaguely and incoherently. Miéville associates the Weird of the early ​twentieth century with »the crisis tendencies of capitalism [that] would ultimately lead to World War I (to the representation of which traditional bogeys were quite inadequate)« (p. 111). He suggests that the New Weird of our present moment responds to »the advent of the neoliberal There Is No Alternative,« for which »the universe [i]s an ineluctable, inhuman, implacable, Weird, place« (p. 128). »I’ll make you scrounge/ In my executive lounge [...] I’ll consume my consumers/ With no sense of humor«: Grace Jones identifies her persona with the alien monstrosity of Capital, and with its barbaric (but slightly tacky) glamour. In so doing, she channels and conducts, condenses and conjures, the maleficent forces that stand against us in this time of crisis. Such forces are

Steven Shaviro

omnipresent, yet impalpable; she makes them visible, audible and tangible. »I’ll make the world explode.« Jones renews the Afrofuturist project by turning it inside out, even at the point of its last extremity. More than this we cannot ask of any artist. The dangerous modulations of Corporate Cannibal give voice and image to the vertiginous globalised network society that we live in today.

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Steven Shaviro Before being appointed the DeRoy Professor of English Literature at Wayne State University Detroit, Steven Shaviro taught English Comparative Literatur at the University of Washington. Earlier, he was Professor for Film, Culture and English at Washington University and Lecturer in the English Department at Yale, were he earned his PhD in 1984. His books include The Universe of Things. On Speculative Realism (2014); Melancholia or, The Romantic Anti-Sublime (2012); Post-Cinematic Affect (2010); Without Criteria. Kant, Whitehead, Deleuze, and Aesthetics (2009); Connected, or What it Means to Live in the Network Society (2003); Doom Patrols. A Theoretical Fiction About Postmodernism (1997); The Cinematic Body. Theory out of Bounds (1993); Passion and Excess. Blanchot, Bataille, and Literary Theory (1990). Steven Shaviro published his essays in numerous academic journals, among them Critique; Social Text; Film-Philosophy and paradoxa. Influenced by Deleuzian philosophy as well as marxist theory, he is an expert in cultural theory, culture studies, new media and film criticism.

The Sensorial, the Sensual and the Work of the Senses 5

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A footnote as sense work: occasionally we hear that languages are impoverished by an overpowering process of globalization and anglophone terminology threatens to replace local idioms. The rather simple term of whiteness, however, discussed in the previous essay, in its German translation required an explanatory note, as no German term proved a sufficient equivalent. It reads as follows: Weiß-sein or whiteness, originally a hallmark of a colonial sense of mission, later grew into a polemic term within the US civil rights movement and has today become an established term within the anglophone studies of racism. It outlines the socially constructed advantages, mostly unrecognized and unquestioned by a dominant majority (but no less real and illegitimate), as well as the resulting distortions in—and disguising of—power structures. Why has whiteness not found a counterpart in the German language as yet? A term is never self-explanatory but must be formed by a delimitation, by being differentiated from its neighbors. One must care for it, propose it, assert it, even defend it, show that the term does indeed hold meaning. If necessary, it has to be modified until it gains traction. The neighborhood of whiteness or Weiß-sein in German is a very sparsely populated one. The term is grammatically possible but has, as yet, almost no existing neighbors. A term without syntax, and thus, without discourse. Was it the lack of situations that could have taken a hold of Weiß-sein—Being White or its close relatives Allgemeinsein, Normalsein, Unauffällig-Sein, Mehrheit-Sein etc. ­—Being General, Being Normal, Being Unremarkable, Being the Majority, or was there no one who cared for this term? Clearly, in germanophone regions the differentiation between members of a privileged and unquestioned majority and a disadvantaged minority does not simply correspond to the white or black color of a person's skin. Incidentally, a strictly schematic concept of whiteness in the United States of America would also rather obstruct the view of millions of disadvantaged Latin-Americans. (This being only one example among many!) However, differen­tiations are found everywhere, and necessarily

so, as shown by the short and general note above regarding traction of terms. Therefore, whiteness does not direct our attention merely to the juxtaposition of black and white skin color. The term rather points out an unconscious or unquestioned existence of inclusion and exclusion. Unconscious, that is, to the majority. Only by this means can it discreetly construct hidden advantages, which unnoticed but immediately imply an Other: The disadvantage resulting from discrimination, which would actually only be termed differentiation but is clearly negatively connoted. Thus, in this case, sense work means to conceive of oneself as an invisible and seemingly self-evident basis and to keep the­—often automatically excluded­—minorities, in mind, knowing that injustice happens very easily there.

Mathias Windelberg

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Translated by Friederike Gralle, Alexander Schneider

Gilles Deleuze There is as much thought in the body as there is shock and violence in the brain. […] Psychology has a good deal to say about a lived relationship with the brain, of a lived body, but it has less to say about a lived brain. Our lived relationship with the brain becomes increasingly fragile, less and less »Euclidean« and goes through little cerebral deaths. The brain becomes our problem or our illness, our passion, rather than our mastery, our solution or decision. We are not copying Artaud, but Artaud lived and said something about the brain that concerns all of us: that »its antennae turned towards the invisible«, that it has a capacity to »resume a resurrection from death«. Gilles Deleuze: Cinema 2. The Time-Image. Minneapolis 1983, p. 205, 212.

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Quote selected by Marc Ries. Translated by Hugh Tomlinson and Robert Galeta.

Patricia Pisters

Dexter's Plastic Brain Mentalizing and Mirroring in Cinematic Empathy

First published by: Patricia Pisters: Dexters Plastic Brain. Mentalizing and Mirroring in Cinematic Empathy. In: Cinéma&Cie 22–23 (2014), p. 53–63.

Patricia Pisters

2 Showtime 2006–2013.

Dexter as neuro-image Dexter 2 is one of the many contemporary high quality television series that involve extended cinematographic aesthetics. Dexter puts us in the mind of a serial killer. Not only do we predominantly stay with Dexter’s point of view, but in every

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1 Dexter. TV-Series. (2006–2013), Season 1, pilot.

Dexter has a problem. Well, actually in the course of the eight seasons of the popular television show Dexter the blood spatter analyst of Miami Metro Police, alias serial killer-with-a-moral-code, will encounter many problems and moral dilemmas—and so will we as spectators. Dexter’s main problem, however, is that he is unable to experience any emotion. At the beginning of the show, he states: »Whatever made me the way I am left me hollow, empty inside, unable to feel. It doesn’t seem like a big deal. I’m quite sure most people fake an awful lot of everyday human contact. I just fake it all. I fake it very well, and the feelings are never there.«1 During the course of the series as a whole Dexter’s feelings do become a big deal, arguably even the biggest deal of the whole series. Leaving all ethical dilemmas that the television show also raises aside, in this essay I will focus on Dexter’s explicit struggle with emotions and feelings. Taking Dexter as a »neuroimage« typical for our digital screen culture, I will relate some of the issues addressed in the series to contemporary findings in affective neuroscience.

Dexter's Plastic Brain

4 Patricia Pisters: The Neuro-Image. A Deleuzian Film-Philosophy for Digital Screen Culture. Stanford 2012. The concept of the neuro-image does not only comprise contemporary cinema that is characterized by complex forms of narration, influenced by a digital logic of feedback looping, parallel lives and remixed storylines, but also extends to the long and rich new forms of television dramas and converged narratives in the wider media landscape. See the discussion of the television Lost in The Neuro-Image (p. 156–185). One has to note that the film aesthetics or narrative does not necessarily needs to emphasize the »head space« of a character. In an extension of this argument, the whole media world can be considered as a »brain world.« 5 Gilles Deleuze: The Brain is the Screen. In: Gregory Flaxman (ed.): The Brain is the Screen. Deleuze and the Philosophy of Cinema. Minneapolis 2000, p. 365–373; Gilles Deleuze: Cinema 1. The Movement-Image. London 1986; Gilles Deleuze: Cinema 2. The Time-Image. London 1989. Deleuze was particularly inspired by Jean Pierre Changeux’s book on »neuronal man« that came out in the early 1980s. However, as Raymond Bellour argues, »While Deleuze regognized the cinema as brain (or brain-body), it is essential for a neurobiologist to be able to recognize the brain (brain-body) as cinema.« Raymond Bellour: Deleuze. The Thinking of the Brain. In Cinema. Journal of Philosophy and the Moving Image 1 (2012), p. 83. See also Jean-Pierre Changeux: Neuronal Man. The Biology of Mind. Princeton 1997.

episode we hear at regular intervals in voice-over the reflections running through his head. While this use of voice-over is a classic film device for expressing inner speech that has been around at least since Hitchcock’s Murder! (1930), the long and consistent way in which Dexter Morgan (played by Michael C. Hall) unfolds his deepest thoughts to us is significantly different. In Murder! Herbert Marshall plays Sir John Menier, member of the jury of a murder trial who gets second thoughts about the conviction of a young woman. His doubts are conveyed to us in an interior monologue that we hear while he is shaving in front of a mirror. Hitchcock’s use of the voice-over as expression of thought was innovative (allegedly this is the first use of voice-over used in this way).3 Nevertheless, the content of his thoughts could also have been conveyed in a dialogue with others, a point proven later in Twelve Angry Men (Sidney Lumet, 1957). This is because Menier’s reflections in Murder! primarily address the narrative of the murder mystery, where doubt about the guilt or innocence in a murder case are the main questions that can and should be shared with others. In Dexter on the other hand, the fact that we as spectators are constantly aware of Dexter’s innermost thoughts while the people around him are not, is crucial for the basic suspense of the narrative. While in every episode there are murders to solve, and the question of guilt and innocence is part of practically all sub stories throughout the series, the predominant questions are played out inside Dexter’s head, unobservable for others around him. The suspense in Dexter is largely due to the tension between knowing how he perceives himself and how he is perceived by others. This inward turn into a character’s head space is characteristic of a mode of cinematography that I have called elsewhere »the neuro-image.«4 The neuro-image is indebted to Gilles Deleuze’s famous adagio that we have to see that »the brain is the screen« and proposes to go beyond Deleuze’s own categories of classical movement-images and modern postwar time-images.5 While there is much to say about the continuities and differences in these cinematographic developments in relation to the brain screen, the main point that I want to highlight here is that one of the ways in which the neuro-image brings us

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3 See François Truffaut: Hitchcock by François Truffaut. New York 1967, p. 53. See also the description of Murder! at BFI Screen Online, www.screenonline.org.uk/film/ id/437872/.

Patricia Pisters

7 Adriano D’Aloia: The Intangible Ground. A Neurophenomenology of the Film Experience. In: NECSUS: European Journal of Media Studies 2 (2012), p. 219–239. (www.necsus-ejms.org).

8 Ibid., p. 222.

9 Pisters (2012), p. 110–121 (see footnote 3). See also Patricia Pisters: The Neurothriller. In: New Review of Film and Television Studies 12.2 (2014), URL: http://www.tandfonline. com/doi/abs/10.1080/17400309.2 014.878153#.U3Xaivl_uSo.

more directly into the brain worlds of characters is by way of emphasizing the affective dimensions of these inner landscapes.6 This affective dimension can be addressed on different levels and has various aesthetic effects on its spectators. An important way of assessing these aesthetic developments is by turning to findings in contemporary neuroscience. Adriano D’Aloia, for instance, demonstrates how neurophenomenology of the film experience offers a psychophysiological way of understanding suspense.7 While narrative comprehension of the story is still an important source of suspense, there are also other levels of more directly embodied cognition that play an important role. D’Aloia explains that the tension between feeling with the characters (via perception of affordances through canonical neurons in association with mirror neurons) and the perception of one’s own bodily situation (that often gives contradictory information between the optical and the haptic situation of the viewer) gives new insights into the film experience, exemplified in the contradictory experience of the »tangible intangibility« of cosmic space travel films.8 Another way of understanding the primacy of the affective in resonance with new findings in cognitive neuroscience is by way of the concept of the neurothriller. In The Neuro-Image I argue that it is possible to understand for instance Andrea Arnold’s contemporary surveillance film Red Road (2006) as a form of neuroaesthetics where, as spectators, we are drawn into a fight between the main character’s immediately experienced »subpersonal« unconscious emotions and her more appropriated personal and conscious feelings.9 Though both processes of emotions and feelings are recognized as forms of affective response in cognitive neuroscience and are embodied in the brain, they do operate on different levels of levels or even in different brain circuits that are connected in often asymmetrical ways. It is that tension that is played out on a neuronal level, while being fully embodied and embedded in a setting and expressed in the aesthetics of the images, that I propose as typical for the neuroimage and the neuroturn in filmtheory. Dexter adds yet another way of looking at primacy of the affective in contemporary audio-visual culture. As already

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6 Other dimensions of The Neuro-Image are the hallucinatory powers of images that are experienced as realities of illusion (as opposed to the classic idea of cinema as illusion of reality) and the complex experience of time as serialized folds and feedback loops that are thought from a future perspective.

Dexter's Plastic Brain

11 Dexter (2006–2013), Season 1, episode 2 (see footnote 1).

Dexter’s evolving problem As already indicated, the premise of Dexter is based on the idea that its protagonist Dexter Morgan is unable to experience any deeply felt emotion, even though there are people that care about him. The introduction of his stepsister Debra (Jennifer Carpenter) is accompanied by his reflection in voice-over: »She loves me—that’s nice. I don’t have any feelings but if I could have them I would have them for her.« Also his colleagues at the police department like him. While in his work as a blood pattern analyst this emotional distance is considered as professionalism, Dexter himself feels like the world is staged without his participation: »I dream I’m floating on the surface of my own life. Watching it unfold. Observing it. I’m the outsider looking in.«11 And observing and analyzing the emotions and feelings of others,

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10 Deleuze and Guattari introduce the term of aesthetic figure In: What is Philosophy? London and New York 1994, p. 65.

indicated, Dexter’s main problem concerns affective connections to others, feelings and emotions that he does not seem to grasp. About half of his voice-over musings concern his analytic observations of the emotions and feelings of others, comparing them to his own lack of this spectrum of experience. The other big part of the externalization of his mindscape is dedicated to the appearances of his stepfather Harry, who always returns from the dead to discuss the moral dimensions of his actions (is he killing according to the code of only killing bad guys, is he not transgressing in such a way that he could get caught, covering his tracks, etc.). While these moral aspects of Dexter’s mind are very interesting and important, they go beyond the scope of this essay. What interests me here is the way in which Dexter somehow fights a battle between two forms of empathy and emotional simulation that resonate with larger debates in cognitive neuroscience, and in discussions between phenomenological and cognitive branches of film studies. So in the following I will consider Dexter as an »aesthetic figure« that on an implicit level connects to these debates.10 As a fictional character, Dexter expresses in a popular way current knowledge and concerns on empathy and emotion, and as such can be considered as an (unexpected) partner in dialogue in the larger field of affective studies in neuroscience and art.

Patricia Pisters

13 Dexter (2006–2013), Season 3, episode 4 (see footnote 1). 14 Ibid.

15 Dexter (2006–2013), Season 2, episode 3 (see footnote 1).

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12 Dexter (2006–2013), Season 1, episode 5 (see footnote 1).

he understands very well that the social codes demand that he acts according to the norms of socially accepted empathic conduct. Initially Dexter has no clue about sexual relationships either, but he has figured out that a girlfriend would make him seem more normal. And so he engages in a relationship with Rita (Julie Benz), finding examples of conduct in the people and cases he encounters. When Dexter in one of his killings has caught a murderous husband and his wife (who knew about the crimes of her husband), they proclaim their love for one another while tied to Dexter’s plastic foil covered slaughter bench. Back home, Dexter takes away parts of this strange declaration of love to convince Rita of his feelings for her.12 And even if he does not feel anything, his performance is convincing. After Rita gets pregnant and Dexter in a seemingly loveless way has unsuccessfully proposed to marry her, he copies and adapts the words of a confession of a murderer and delivers them showing up unexpectedly at Rita’s place: »My life has always felt like an unanswered question. A string of days and nights waiting for something to happen but I didn’t know what. Rita, we’re connected. Wherever I am, I feel you and the kids with me. And that makes me real. I want us to always go out for banana splits. And replant the lemon tree that keeps dying. And I never ever want to miss a pizza night. And that’s how I know I want to marry you. Because something as simple as pizza night is the highlight of my week.«13 This time with the desired result. So Dexter becomes a husband, a father and family man. All along »honing his crafts« and »working diligently« to find himself in a »role for a life time«, to paraphrase Dexter’s inner musings.14 The only moments when he feels himself and is not acting is when he follows his killer instincts, his »Dark Passenger« as he calls it: »He’s all I’ve got. Nothing else could love me, not even… especially not me.«15 However, during the course of the years (eight seasons), slowly but surely all his lies and performances start to turn into something else. Taking Dexter’s sometimes strange behaviour for a drug addiction, Rita sends Dexter to an NA support group. Here Dexter finds himself talking about his Dark Passenger to others (who take it as a metaphor for narcotic addiction), confessing that lately he starts to feel connected to something

Dexter's Plastic Brain

17 D’Aloia (2012), p. 2 (see footnote 7).

Mentalizing and mirroring: Affective neuroscience and two mechanisms for empathy So how does this resonate with findings in affective neuro­science? In the final season of Dexter there is a direct reference to the brain when Miami Metro investigates a new serial killer who opens the skulls of his victims and takes out a part of their brain. The killer gets the nickname »the Brain Surgeon« and the homicide department gets help of neuropsychiatrist Dr. Evelyn Vogl (a guest role by Charlotte Rampling). The Brain Surgeon, called Oliver Saxon (Darri Ingolfsson) leaves messages at Dr. Vogl’s doorstep: the anterior insular cortex of his victims in a jar. The anterior insular cortex is an important section of the brain involved in emotion, and thus this killer seems to make an obvious statement about his own lack of emotion (Saxon proves to be more cold and emotionless than Dexter and in the end is revealed as Dr. Vogl’s psychopath son who in the past killed his brother). The brain in a jar seems nothing more than a tongue-in-cheek reference to our contemporary obsession with brains and neuro­science. And at a first glance these references seem simply a popular gesture without much depth indeed. But let us take a closer look at affective neuroscience and its possible significance for the understanding of cinematic empathy. Could Dexter possibly have anything to offer to neuroscience? As D’Aloia and others have pointed out, the study of cinematic empathy certainly did not start with neuroscience.17 Cognitive branches of film studies have studied empathy in terms of a »theory of mind« which proposes inferences of another’

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16 Ibid.

other than his addiction: »It’s like the mask is slipping and things… people… who never mattered before are suddenly starting to matter. It scares the hell out of me.«16 And while Dexter here is still lying (obviously about the true nature of his addiction) it also occurs to him that people like Deb, Rita and his son Harrison become important to him, even more so after Rita is brutally murdered at the end of Season 4. »Real feelings« of love and fear start to slip into his performances. Also in the following seasons, Dexter will learn in many different ways about connecting emotionally to others.

Patricia Pisters

19 See for instance Laura Marks: The Skin of Film. Intercultural Cinema, Embodiment, and the Senses. Durham and London 2000; Vivian Sobchack: Carnal Thoughts. Embodiment and Moving Image Culture. Berkeley 2004, (Editors note: Sobchacks Chapter: »What my Fingers Knew. The Cinesthetic Subject, or Vision in the Flesh« from Carnal Thoughts is also included in this Volume, see p. 39–71). 20 See for instance John Protevi: One More Next Step. Deleuze and Brain, Body and Affect in Contemporary Cognitive Science In: Rosi Braidotti; Patricia Pisters (eds.): Revisiting Normativity with Deleuze. London 2012, p. 25–36. 21 See Torben Grodal: Embodied Visions. Evolution, Emotion, Culture, and Film. Oxford 2009. Grodal introduces here his model of PECMA-flows. According to this theory spectators engage via Perception, Emotion and Cognition toward Motor-Action. See also Murray Smith who in his recent work proposes a triangulated methodology between phenomenological, psychological and neurological evidence related to aesthetic experience. Murray Smith: Triangulating Aesthetic Experience. In: Arthur Shimamura; Stephen Palmer (eds.): Aesthetic Science. Connecting Minds, Brains and Experience. New York, p. 80–106.

person’s state of mind based on patterns of recognition in behavior, desires, thinking and other mental structures.18 On the other end of the film theoretical spectrum are the more phenomenologically inspired embodied forms of sensual and emotional engagement.19 Both these classic cognitive and phenomenological approaches give valuable insights in the ways in which cinematographic aesthetics engages its spectators without any reference to neurophysiology. However, since important branches of contemporary neuroscience emphasize the significant role of embodiment in any kind of processes of the brain, perhaps the classic division between mind/cognition versus body/phenomenological experience might be rethought in new and perhaps more productive ways.20 This has already led to interesting explanations of embodied cognition in film experience, for instance from an evolutionary neuroscientific perspective.21 However, even within the general acknowledgement of the embodied (and embedded, extended and enactive) nature of our neurological processes in affective neuroscience, a new (but actually very familiar) split seems to reproduce itself around the complex notions of empathy and emotions. In any case, within affective neuroscience, there seem to be two camps, each defending a different mechanism for empathy. On the one hand there are those who defend empathy via direct embodied simulation related to the phenomenon of mirror neurons that get activated both when experiencing oneself emotions and when anticipating or observing someone else’s affective states.22 On the other hand there are those who defend a different circuit for empathy and emotional engagement, one that is closer to the idea of a theory of mind that relate more to a set of brain areas that allow mentalizing and perspective sharing in top down cognitive processes of selfprojection at a distance from the other.23 Both these mechanisms for empathy are neurophysiologically materialized: Mirroring systems operate in a set of regions in the inferior frontal cortex, superior parietal lobe, the anterior cingulate cortex and the anterior insula; mentalizing systems are more related to the prefrontal cortex, the temporal junction and the medial prefrontal cortex.24 Both mechanisms operate in our brain and have different functions in relation to emotional engagement that seem to

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18 See for instance Murray Smith: Engaging Characters. Fiction, Emotion and the Cinema. Oxford 1995.

Dexter's Plastic Brain

23 See for instance Helen Gallagher; Christopher Frith: Functional Imaging of ›Theory of Mind‹. In: Trends in Cognitive Sciences 7 (2003), p. 77–83. 24 See Frank van Overwalle; Kris Baetens: Understanding Others Actions and Goals by Mirror and Mentalizing Systems. A Meta-Analysis. In: NeuroImage 48 (2009), p. 564–584; Adam Waytz; Jason P. Mitchell: Two Mechanisms for Simulating Other Minds. Dissociations Between Mirroring and Self-Projection. In: Current Directions in Psychological Science 20 (2011), p. 197–200. 25 Ruth Leys: Both of Us Disgusted in My Insula Mirror Neurons Theory and Emotional Empathy. In: Nonsite.org 5 (2012), p. 16. Leys criticises here the article by Bruno Wicker, Christian Keysers; Jane Plailly; Jean-Pierre Royet; Vittorio Gallese; Giacomo Rizzolatti: Both of Us Disgusted in My Insula. The Common Neural Basis of Seeing and Feeling Disgust. In: Neuron 40.3 (2003), p. 655–664. 26 Wicker et al. (2003), p. 655 (see former Footnote). 27 Suparna Choudhury; Jan Slaby: Critical Neuroscience. A Handbook of the Social and Cultural Context of Neuroscience. Malden, MA and Oxford 2012.

be separate systems. At best, these systems are acknowledged to complement one another. Very often, however, and depending on one’s theoretical inclination (towards a cognitivist embodied mind or towards a phenomenological emminded body), one of the two mechanisms is preferred at the exclusion of the other. In her article »Both of Us Disgusted in My Insula,« for instance, Ruth Leys argues that »our knowledge of other minds cannot be explained by an appeal to a simple mechanism of mutual resonance or mutual attunement [as proposed in the mirror-neuron mechanism].«25 Leys rightly warn against any neuroscientific reductionist and grand claims of finding »unifying mechanism for understanding the behavior of others,« as the neuroscienctific study Leys discusses seems to claim.26 As if indeed the anterior insula could be isolated (in an fMRI scan or in a jar) and explain something as complex as emotions by these specific neuronal processes alone. Also more generally a critical approach toward neuroreductionism remains important to bring into the discussions as to anchor scientific findings about the brain in social and cultural contexts and to draw attention to implicit presuppositions and positions in scientific experiments.27 Conversely, it is unproductive to reject important neuroscientific findings in respect to empathy in a fight between complete »embodied mirroring« versus »cognitive inferences at a distance from the self.«28 So are there other ways to look at these two systems and the way they could possibly interact ? In a recent neuroscientific study on empathy Gal Raz et al. propose a dynamic model that allows asking new questions.29 At the beginning of the article »Cry for Her or Cry with Her« the authors set out the two dominant models of empathy already mentioned: embodied simulation (ES) found in the anterior insula and other mirror neuron regions, and theory of mind (ToM) related to prefrontal areas of the brain. They are careful in pointing out that the ES-ToM distinction is not the same as the difference between affective and non-affective empathy. Therefore they also include a third system in the brain, the core limbic network (including the amygdala, hypothalamus and hippocampus) that has been implicated in basic low level affective processing, including the rapid evaluation of the valence of a stimulus and

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22 See for instance Victor Gallese: The Shared Manifold Hypothesis. From Mirror Neurons to Empathy. In: Journal of Consciousness Studies 8 (2010), p. 33–50; Victor Gallese: Embodied Simulation. From Neurons to Phenomenological Experience. In: Phenomenology and Cognitive Sciences. 4 (2005), p. 23–48.

Patricia Pisters

29 Gal Raz; Yael Jacob; Tal Gonen; Yonatan Winetraub; Tamar Flash; Eyal Soreq; Talma Hendler: Cry for Her or Cry with Her. Context-Dependent Dissociation of Two Modes of Cinematic Empathy Reflected in Network Cohesion Dynamics. In: Social Cognitive and Affective Neuroscience. 9.1 (2012), p. 30–38. 30 Ibid., p. 31.

31 Ibid., p. 35.

the generation of bodily arousal in reaction to it: »ES-and ToMrelated circuits are assumed to have distinctive anatomical connectivity profiles and evolutionary and ontogenetic histories, which qualify then as systems specialized in processing different types of information. Although interoception or cognition may often not develop into a full-blown emotional experience, under certain conditions these processes may also drive inter-subjective sharing of emotions as they integrate with relevant input from other perceptual and limbic domains. The relative contributions of each of these systems and their interactions with limbic structures to one’s empathic reaction are within the main focus of this study.«30 The study sets out to prove that these regions are dynamically interrelated networks. And in order to produce a more holistic and realistic approach that includes multi-modal stimuli, development over time, embodied and embedded situations, cinematic empathy was the preferred mode of emotional engagement. The experiment was set up by comparing the neural connectivity of test subjects during two movie excerpts of about ten minutes: similar empathy-evoking scenes where a mother has to say goodbye to her children from Stepmom (Chris Columbus, 1998) and Sophie’s Choice (Alan Pakula, 1982). These findings were matched with other tests, such as self-reports and questionnaires about the viewer’s emotional experiences watching the clips. The reported findings are remarkable. Not only did the two excerpts provoke significant more neuronal activity in either the insulary-cingulate (ES) circuit (Sophie’s Choice) or the prefrontal-temporo-parietal (ToM) circuit (Stepmom) but the data also showed dynamic and changing patterns of connectivity of these circuits as well as growing interaction with the limbic system when the empathic engagements became stronger.31 There are several primordial things to mention in relation to this study. First of all, these findings indicate that instead of asking whether we engage via embodied simulation or via theory of mind, it is more interesting to ask when and why one networked circuit is more dominant than the other, and how these networks might influence one another. The authors indicate that one reason for more immediate embodied responses in Sophie’s Choice

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28 See for instance Victor Gallese; David Freedberg: Motion, Emotion and Empathy in Esthetic Experience. In: Trends in Cognitive Science 11.10 (2007), p. 197–203. In the same issue Roberto Casati and Alessandro Pignocchi, react in a letter entitled »Mirror and Canonical Neurons are Not Constitutive of Aesthetic Response« and Gallese and Freedberg respond with another letter »Mirror and Canonical Neurons are Crucial Elements in Esthetic Response.« Both letters available online 2007: www.sciencedirect.com.

Dexter's Plastic Brain

33 Deleuze (1986), p. 87–101 (see footnote 5).

Dexter’s plastic brain I would like to suggest that these scientific insights that play out on a neuronal level, can also be traced on a narrative level, related

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32 This is also proposed in an interesting article by Jane Stadler: Affectless Empathy, Embodied Imagination and T he Killer Inside Me. In: Screening the Past 38 (2013), p. 1–17. Stadler also gives an account of various important film theoretical approaches to empathy and engagement.

could be that the situation in this film is related to an immediate present danger: in this scene the mother (Meryl Streep) is forced by a Nazi officer to choose in a split second between one of her children. This activates in the spectator first-person affective information from his/her own low-level limbic structures (such as the amygdala, which is our fear center). Moreover, aesthetically this scene is shot in expressive close-ups, which also triggers immediate affective reactions that involve mirror-neurons.32 They are what Deleuze has called affection-images, that operate immediately on our brain screen.33 In Stepmom the dramatic situation is similar but different as well: in this separation scene a mother (Susan Sarandon) is terminally ill and says goodbye to both her children, though we do not see her die in the film and the family situation for the children is stable. Here the ToM responses are more strongly activated in cognitive functions such as thinking about the future. This networked circuit is more related to the projection of one’s own self as in a third-person perspective, as if one is an external observer projecting one-self in the situation of another. Here too, we can add that aesthetically the cinemato­ graphy of the scene in more distant medium shots is an important factor in creating this particular affective engagement. Both scenes, however, are very emotional in their activation of affective circuits that are not mutually exclusive but do seem to operate with different hegemonic intensities. Obviously much more remains to be said about these scenes in particular and (cinematic) empathy in general, but bringing in context-dependent and aesthetic variables, and considering the different empathic areas as networks that can interconnect dynamically and that with variegated intensities »hook up« with the limbic system, seem to be very valuable insights that could unlock perhaps some of the blockages in the encounters between cognitivist and phenomenological approaches in cinema and in neuroscience. Granted, this is a big claim, so let us return more specifically to Dexter.

Patricia Pisters

35 Ibid.

36 Dexter (2006–2013), Season 5, episode 12 (see footnote 1).

37 Dexter (2006–2013), Season 7, episode 12 (see footnote 1).

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34 Leys (2012), p.16 (see footnote 25).

to the emotional journey that Dexter undertakes. In the first seasons, Dexter feels like a spectator of his own life. He has adopted a third-person perspective and observes the emotions of others that he then imitates, faking them so well that nobody in his environment sees the difference. Perhaps we could say that he is »conditioned by an inherent theatricality […] making persons into actors and spectators who distance themselves from each other and even from [himself].«34 From this perspective mirror neuron embodied simulation equals »the possibility (the dream) of complete sympathetic merger or identification.«35 And theatricality or performance creates the necessary third person distance for engagement. But Dexter seems to be stuck in this theatricality. He is unable to mirror directly anything. While according to critics of mirroring systems for engagement this only prevents us from the false dream of merging with the other, Dexter, having only his staged emotions, thinks of himself as a monster, a non-human who can never live a full life. However, he proves himself wrong. In the course of the following seasons, Dexter has so many encounters, both with partners in crime as well as with people that deeply care about him, that he begins to think that he might be human after all. He meets Lumen Pierce (Julia Stiles) who teaches him that »nothing is set in stone, not even darkness.«36 Dexter’s brain is plastic and dynamic and changes in and through the encounters he has. In the last seasons he even falls in love with Hannah McKay (Yvonne Strahovski). And he finds that »somewhere along the line the fake life that we created as a cover to kill became real. It is not fake anymore.«37 In the very last season Dr. Vogl also becomes important to Dexter (she is the one who in the past advised Dexter’s stepfather Harry to teach him »the code«). When she is killed by Saxon/the Brain Surgeon in front of Dexter’s eyes, there is no more voice-over, but we see his emotions in his facial expression. Most importantly, however, is the relationship to his sister. It is Debra who shows Dexter that he has always been a good brother to her. And in the end Dexter not only thinks he would have feelings for her if only he could, but he actually has feelings. In the series finale Debra gets wounded and sinks into a coma.

Dexter's Plastic Brain

Patricia Pisters is professor of film at the department of media studies of the University of Amsterdam and director of the Amsterdam School of Cultural Analysis (ASCA). She is one of the founding editors of the open access journal »Necsus: European Journal of Media Studies« and the author of »The Neuro-Image: A Film-Philosophy of Digital Screen Culture« (Stanford University Press). She has published widely on political cinema, (trans)national media, neurocinematics and film-philosophy. For articles, blog, audio-visual essays see: www.patriciapisters.com.

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38 James Hibberd: Interview with Scott Buck and Sarah Colleton. In: Entertainment Weekly Sept. 13 (2013), URL: http://insidetv. ew.com/2013/09/23/dexter– interview-series-finale/.

And instead of running off with Hannah and Harrison to a new life in Argentina as was the plan, Dexter puts an end to Debra’s life, stages his own death and departs to a remote area where he lives in a self-imposed prison—not connecting to anyone anymore, out of fear of hurting the people he has come to love. As the producers of the show explain this is Dexter’s tragedy: »The one thing we felt Dexter wanted more than anything was human connections. […] Now that he’s finally made that journey and he’s almost poised to have a real human life, he has to give all that up to save Harrison and Hannah.«38 Much more could be said about Dexter but what I wanted to highlight here is that his emotional journey, expressed in the highly popular form of a television show that can be considered as a form of extended cinematography that is part of the neuro-image, is a very interesting one. Because of its development over a long period of time, the show goes beyond pure fantasy, showing us a character struggling with his own engagement with the world, with people around him. Dexter starts out engaging only by simulating what he knows of the emotions of others (mentalizing, ToM), but he finds out that by simulating he develops new and more embodied feelings as well (mirroring, ES). Dragging us all along into his mental world, he shows that the different emotional circuits in the brain are in continuous dynamic interaction. And in this way Dexter might give us a dramatic cinematic perspective on empathy and emotion that enters in dialogue with findings that affective neuroscience proposes on a synaptic level. We might have become »neuronal men« but we will need a holistic and interdisciplinary approach to develop new thoughts about engaging and connecting to others in cinema, and in life.

The Sensorial, the Sensual and the Work of the Senses 6

2 Ibid., Note 19, p. 250.

3 See Catherine Malabou: What Should We Do with Our Brain? New York 2008, p. 8. Malabou speaks of the »plasticity of the brain«; it seems prudent to apply this to sense perception as well. 4 Ibid., p. 12.

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1 Walter Benjamin: The Work of Art in the Age of Mechanical Reproduction. In: Hannah Arendt (ed.): Illuminations. New York 1968, p. 222.

Walter Benjamin—following Marx and his reference to the sociohistorically mediated nature of sensibility by »material activity and material intercourse«—emphasized that »the manner in which human sense perception is organized, the medium in which it is accomplished, is determined not only by nature but by historical circumstances as well. […] During long periods of history, the mode of human sense perception changes with humanity’s entire mode of existence.«1 The assumption of a projection or expansion of the senses, a movement from inside to outside, no longer applies. Now historical circumstances and their media technologies work upon the perception and provoke a transformation, a modulation of potentials from outside to inside. The emergence of film and its »physical shock effect« corresponds with »profound changes in the apperceptive apparatus—changes that are experienced on an individual scale by the man in the street in big-city traffic, on a historical scale by every present-day citizen.«2 This observation charts an influence on the sensoryperformative, oriented by social upheavals and technological innovations, which is interested in intense correspondences and events, not in analogies and forms of relief. Our sensory activities »keep pace« with the techno-medial and social movements and, in collaboration with the media, continually form new dis­positions which facilitate the finding and implementation of orientation and action within new conditions. This program can also be addressed neurobiologically by referring to the »plasticity« of the senses or of their neuronal condition. Thus plastic sense production must be located within the acceptance, donation, and suspension of form.3 Yet it is important to differentiate it from its »mistaken cognate« flexibility, which merely seeks adaptation and follows a »neuronal ideology«. Here flexibility is self-evidently understood as a predicate of The New Spirit of Capitalism: »[…] flexibility is the ideological avatar of plasticity­—at once its mask, its diversion and its confiscation.«4

Marc Ries

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5 Armin Hoyer, Jan Slaby: Neuroenhancement als Bio­­kapital. In: WestEnd. Neue Zeitschrift für Sozialforschung 2 (2014), p. 105–120, p. 118–119.

Our contemporary games and information and communication media practice an invasive and permanent impact on perception and, it seems, seek a psycho-physio-technical metamorphosis of the whole body. This medial focus on the body is aided by a further social caesura which is related to so-called biocapital. The technological impact of the New Media on our senses and sense work is accompanied in a concomitant and mutual manner by the self-optimization, self-forming, and self-enhancement expedited by the neuro-enhancement industry's promises of pharmaceutical remedies. Energy drinks can be counted among these, as they »function as a figure of condensation with regard to a ubiquitous striving for performance improvement, unceasing wakefulness, and constant readiness. The metaphoric of recharging, refueling, of energy bursts, etc. signifies a technomorphic self-description in a constant mode of acceleration.«5 In an escalation of Benjamin’s assumption regarding the epochal changes of sensual perception, neuro-enhancement leaves the decision about the self-transformation of sensual capacities up to the individual in an antinomy of being formed and self-forming.

Translated by Alexander Schneider

Béla Balázs There can be no doubt that film has uncovered a new world that had been previously covered up. It has uncovered the visible world surrounding man and his relation to it. Space and landscape, the face of things, the rhythm of the masses, as well as the secret language of mute existence. But film has not just brought new material into view in the course of its development. It has achieved something else that is absolutely crucial. It has eliminated the spectator's position of fixed distance: a distance that hitherto has been an essential feature of the visual arts. The spectator no longer stands outside a hermetic world of art which is framed within an image or by the stage. Here the work of art is no insulated space, manifesting itself as a microcosm and metaphor and subsisting in a different space, to which there is no access. The camera takes my eye along with it. Into the very heart of the image. I see the world from within the filmic space. I am surrounded by the figures within the film and involved in the action, which I see from all sides. […] My gaze, and with it my consciousness, identifies with the characters in the film. I see what they see from their standpoint. I have no standpoint of my own. I travel with the crowd, I fly up, I dive down, I join in the ride. And if a character in a film looks another in the eyes, he gazes down from the screen into my eyes. For the camera has my eyes and identifies them with the eyes of figures within the action; they see with my gaze. Nowadays every common-or-garden film operates with some version of this act of identification; but this is not only unprece­ dented in art of any kind; […] By eliminating the spectator’s inner distance from the screen, a radical new ideology makes its appearance for the first time, breaking with the centuries of domination by feudal and bourgeois art.

Béla Balázs: The Productive Camera, In: id.: Early Film Theory. Visible Man and the Spirit of Film. New York / Oxford 2010, p. 99.

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Quote selected by Marc Ries. Translated by Rodney Livingstone.

Claire Châtelet

The Body at Work: Sensory-Motoric and Emotional Partitions of Film

Claire Châtelet

2 Jean-Louis Weissberg: Présence à distance. Déplacement virtuel et réseaux numériques: pourquoi nous ne croyons plus la télévision. Paris 1999, p. 14.

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1 Annick Bureaud: Pour une typologies des interfaces artistiques. Esthétiques des arts médiatiques. Interfaces et sensorialité. Sous la direction de Louise Poissant. Québec 2003, p. 39.

From Tangible to Embedded Interfaces If many discourses emphasize phenomena of dematerialization, disembodiment, virtualization, artificiality, abstraction, and even unreality induced by digital technologies, corporeality and sensoriality nevertheless play an important role in certain filmic configurations offered by new media. More generally, digital interfaces, by the various relational modes which they imply and the perceptual modalities which they arouse, make it necessary to examine the relations which they maintain with the body (or bodies). »A key aspect of contemporary technology,« explains Annick Bureaud, »has been, in a first phase, to make us aware of our body, to bring us to reflect on our modes of perception, to question the nature of the space in which we are, in short, to redefine our humanity. Interfaces, understood as sensory organs, first engendered a de-construction of our usual perceptual modes, a sort of fragmentation/dislocation of the body«.1 Jean-Louis Weissberg stresses that »telepresence,« »far from eliminating the body and physical sensations in an alleged headlong rush into abstraction […] instead re-injects them into the center of human experience.« And he adds: »However, this return of the body in virtual experience is accompanied by a redefinition of the kinesthetic. Telepresence does not re-establish exactly the same performances that we are used to

The Body at Work

4 Lev Manovich: The Language of New Media. Cambridge, MA 2003. 5 See notably Milad Doueihi: La Grande Conversion numérique, Paris 2008; and Milad Doueihi: Pour un humanisme numérique, Paris 2011; theoretical works of Ars Industrialis under the direction of Bernard Stiegler (http://arsindustrialis.org/); Stéphane Vial: L’être et l’écran. Comment le numérique change la perception. Paris 2013; the applied research of the Dutch philosopher and artist Koert Van Mensvoort: Next Nature. Nature Changes Along with Us. New York 2012. 6 I refer to Van Mensvoor’s concept of next nature. (see footnote before). 7 I refer here to the definition of the French National Center of Textual Resources (http:// www.cnrtl.fr/lexicographie/ incorporer). 8 I recall the first meaning of the word incorporate: to give a body to, to re-clothe a form.

achieving. It invents another perceptual environment in which relational movements between objects and human subjects are especially concretized.«2 As Lev Manovich has made clear, the human-machine interface as »essential semiotic code« and »meta-tool«3 of the information society fundamentally changes the functioning of cultural objects and of objects of art in particular,4 since it certainly influences our perception, and our relations with others and with the world.5 With tangible technological extensions making contact—and links—between an environment and a subject, and requiring a learning process—or at least a repetition of use—digital interfaces have been gradually standardized and integrated into daily life, to the point of becoming almost »natural«6 and invisible. In the artistic field, some interfaced dispositifs go beyond a simple, more or less conscious process of internalization of the media, directly incorporating the interactive operations of the subjectspectator. The term »incorporate« is deliberately used for its productive polysemy. »Incorporate« means: »to give a body to, to re-clothe in a material form; to mix intimately (a substance) with (another) so as to obtain a homogeneous whole; to integrate (an item) into (a set); to bring (a part) into (a whole); to absorb, to integrate.«7 »Incorporate« (incorporare) is also etymologically »to unite in one body.« And the body which is here in question is that of a spectator become operator. It is indeed the body in its multiple functions and states—»acting body« (Ricoeur), executing body, feeling body, perceptive body, sensitive body—which finds itself summoned to »work« or »act« in the interactive audiovisual dispositifs or installations that I intend to study in this article. Beyond the simple stimulated gesture and the simplified pattern of action and reaction, we see in effect that these dispositifs re-mobilize precisely the sensory-motoric and emotional functions of the spectator—of the »spect-actor« as Weissberg says. As the third element between an interface, a program and a work (une oeuvre), the body tends to work itself up into a sensitive and expressive interface. It is starting from the body that the work takes shape, in other words: it incorporates it.8 It will thus be seen, based on three examples, how this spectatorial body becomes a necessary condition of the possibility/visibility of the film, participating fully

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3 »A meta-media object contains both language and metalanguage—both the original media structure (a film, an architectural space, a sound track) and the software tools that allow the user to generate descriptions of, and to change, this structure«, explains Lev Manovich (Understanding Meta-Media, 2005, available at: http://www.ctheory.net/ printer.aspx?id=493 [retrieved on 10.08.2015]. The term meta-media is borrowed from Alan Kay and Adèle Goldberg: Personal dynamic media. In: IEEE Computer 10.3 (1977).

Claire Châtelet

in its poietic process, interpreting a programmed »partitioning« of it.

10 Definition of the Larousse dictionary.

11 Eric Méchoulan: Intermédialité. les illusions perdues. In : Intermédialités. histoire et théories des arts, des lettres et des techniques 1 (2003), p. 9–27. id.: Intermédialité: ressemblances de famille. In: Intermédialités: histoire et théories des arts, des lettres et des techniques 16 (2010), p. 233–259. 12 According to the definitions of the Research Center on Intermediality (http://cri.histart. umont real.ca/cri/fr/). 13 See Edmond Couchot: La technologie dans l’art. De la photographie à la réalité virtuelle. Nîmes 1998. 14 Jean-Louis Boissier: La relation comme forme. l’interactivité en art. Geneva 2009, p. 4.

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9 The notion of reciprocal space is obviously not used here in its mathematical meaning.

The Body-Match Cut or »Being Between«: The Construction of a Reciprocal Space-Time 9 One of the most distinctive aspects of interactive audiovisual forms, with respect to conventional cinematographic forms, is that they engage the audience in a new way; however, at the same time, they appear to revive a classic cinematographic figure: that of the match cut. In its technical meaning, a match cut is a »piece intended to ensure the assembly of two elements.«10 In the cinema, the match cut is the connecting point between two successively edited shots. Generally, it ensures visual consistency, sound, narrative, and content. In its specific uses (match cut in movement, match cut in gestures, match cut in the axis); plastic, diegetic or spatial continuity. But the match cut can also be thought of as a »being-between.« I borrow the formula from Eric Méchoulan, who considers intermediality in the effects of meaning produced at the moment when media are brought into relation with each other.11 »Thus ›being-between‹ is not simply between two instances kept at a distance from each other. It is, on the contrary, always interested, in other words, implicated in a relational exchange between the two instances.«12 In the »techno-aesthetic«13 audiovisual experience, it is precisely within this relational exchange, this putting into relation—made possible via the spectatorial body—that the effects of meaning and the sensory effects are produced. It is precisely the term »relation« that Jean-Louis Boissier employs to »characterize objects seeking an effective intervention from their recipients.«14 Starting from the redoubling of meaning that underlies the word »relation«—it is both what relates (tell) and what links—and referring to the Deleuzian concepts of »image-movement« and »image-time«, he defines in the relation as form a new category of image specific to interactive dispositifs: the »relational image.«15 This must, moreover, be envisioned in a »relational perspective.«16 »To the optical perspective, which the digital takes into account to boost its [the optical perspective’s] performance and variability, is added a deterritorialized perspective in networks, and also what

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16 Boissier (2009), p. 299–301, (see footnote 14). 17 Ibid., p. 298. 18 Ibid., p. 304.

19 Weissberg (1999), p. 177 (see footnote 2).

20 For this example, I refer to an article by Dennis Del Favero; Timothy Barker: Scenario. Co-Evolution, Shared Autonomy and Mixed Reality. In: Arts, Media, and Humanities (ISMAR-AMH), IEEE International Symposium. 2010, p.11–18. All citations are taken from this article.

21 Ibid., p. 11.

can still be called an interactive perspective. It is in this dispositif, combining programming and interfaces, where relational modalities are built and where relations are grasped, with or without the image. A certain playable-ness is defined here, along the lines of visibility and readability.«17 But the playable dimension has nothing to do with a »simple fun« or a »distraction.« The »game« must have the »value of an exercise or of an interpretation, without, however, placing itself on the side of tools, but rather staying on the side of works (des oeuvres).«18 Jean-Louis Weissberg proposes the concept of »acted image« to emphasize the sensory-motoric dimension of the interactive image »by the effect of the incorporation of the gesture, of the action« on »its setting into motion by spect-actors«. »It is a kinesthetic image, a bordered image, practically, by a not strictly imaginary embodiment (unlike other iconic expressive media: drawings, photography, films).«19 »Relational« and »kinesthetic,« the interactive image therefore alters radically the relation of the viewer to the film. While both recipient and instrument of mediation, the spectatorial body, because it inscribes itself in the process of production—or rather, of reproduction—of the work, challenges the traditional systems of representation and of cinematographic reception. The image and the story are now apprehended in an open, modular, variable, scalable perspective. While the film certainly finds itself shaken up in its forms, its dispositifs, its conditions of historical experience, it is also equally getting renewed in its creative potential, as evidenced in an exemplary way by the interactive dispositif proposed in the work Scenario (2010) of Dennis Del Favero, Stephen Sewell and Maurice Pagnucco.20 This project, initiated by the Centre for Research on Interactive Cinema of the Australian New South Wales University, proposes a new form of immersive narrative to explore the aesthetic, technological and philosophical stakes of interactivity. The objective of this new cinematic experience is more precisely »to test a theory of interaction in which human users and digital characters, when provided with a level of autonomy, are able to share agency in creating an interactive narrative.«21 Scenario is based on an experimental play of Samuel Beckett, presented on a German television station in 1981, Quadrat I + II which explored

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15 Jean-Marie Dallet has also worked on the concept of the relational image notably in: Figure de l’interactivité. In: Anomalie 3 (2003); and more specifically in his doctoral dissertation, La Notion de figure dans les arts interactifs. Université Paris VIII, SaintDenis 2001.

Claire Châtelet

23 In other words, an environment which combines real time and virtual space.

24 The spectators must be equipped with 3-D glasses. 25 See J.J. Gibson: The Theory of Affordances. In: R. Shaw & J. Bransford (eds.). Perceiving, Acting, and Knowing: Toward an Ecological Psychology. London 1977, p. 67–82; J.J. Gibson: The Ecological Approach to Visual Perception. Boston 1979. 26 See Gilles Deleuze, Félix Guattari: A Thousand Plateaus. Capitalism and Schizophrenia, Minneapolis 1987; Manuel De Landa: A New Philosophy of Society. Assemblage Theory And Social Complexity. New York 2006.

»group autonomy based on a series of changing spatial relations.«22 In the Australian project which is based in particular on research in artificial intelligence, it is about plunging the audience into a mixed23 reality environment populated by virtual creatures endowed with a certain autonomy. A specific programming language, based on the language GOLOG (a logic programming language for dynamic domains) grants to the creatures the ability to analyze external events (in this case, the actions of the audience), and to act in response to these events but also according to the interpretation which the audience members make of them. The film narrative then develops from the interactions that occur between the moving audience and the humanoids. Since the interactions go beyond strictly predetermined scripts, the story is therefore partly unpredictable. From a technical point of view, Scenario is based on the architecture of the AVIE (Advanced Visualisation and Interaction Environment), designed mainly by Jeffery Shaw and Denis Del Favero. It is a 360 degree projection dispositif consisting of a cylindrical screen four meters tall and ten meters in diameter, twelve projectors (six stereoscopic pairs to render 3-D images),24 and a dispositif of surround sound covering the 360 degrees of the structure. This dispositif is doubled by a system of infrared cameras that allows you to very finely detect the presence of spectators and to track their movements when operating in (real) space. Inspired by Gibson’s theory of affordance and by his »ecological perception« approach,25 as well as by the theory of assemblages developed by Deleuze and Guattari, and extended by De Landa,26 this original filmic experience aims at experimenting with forms of complex interaction. In effect, the man-machine interaction is apprehended here not in a binary logic of action-reaction, but rather in a circular logic of reciprocal influences, as a dynamic process, »co-evolutionary« in a »shared space.« In this way, it is possible to promote an aesthetic of »embodied interaction, involving the dissolution of boundaries between interface and physical actions,« and where the autonomy of action is not only on the side of the human, but, on the contrary, there where machine and people become the protagonists of an evolving story. It is therefore the quasi-physical body-to-body contact between spectators and virtual creatures that informs the

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22 Ibid., p. 13.

The Body at Work

28 Weissberg (1999), p. 232 (see footnote 2). 29 I borrow the term from Yves Jeanneret and Jean Devallon who use it to analyze the specific features of »screen writings« (The false evidence of the hypertext link. In: Communication & Languages 140 (2004)). A smuggling sign is »a sign of various types (word, writing sign, graphic or photographic image, etc.) having the property of providing access, from the current text on the screen, to updatable text.« Definition of the site Métamorphoses médiatiques, [online] http://www.lalic.paris4.sorbonne. fr/metamorphoses/_site_ public/?folder=5 (retrieved on 08.10.2015). 30 I derive this term appropriating from the concept of smuggler sign from the previous section.

31 Maurice Merleau-Ponty: Phenomenology of Perception. London 2013, p. 271.

32 See Etienne-Armand Amato: Le jeu vidéo comme dispositif d’instanciation. Du phénomène ludique aux avatars en réseau, Doctoral Thesis. Université Paris 8. (2008).

33 Etienne-Armand Amato; Jean-Louis Weissberg: Le corps à l’épreuve de l’interactivité: interface, narrativité, gestualité (dialogue). In: Interfaces, Anomalie Digital Arts 3 (2003), p. 41–51.

film, in both senses of the term—»to give shape« and »to make sense.« The tracked spectatorial body enters into coalescence with virtual bodies and actively participates in the construction of a »landscape-narrative«27 whose contours seem neither to be definitively drawn, nor strictly bordered. »The space of the image opens, it becomes a process, and it contains at the same time its genesis and its end. In between, the interactant, the perceiver and actor of the image, is accorded a place.«28 »Smuggler sign,«29 the body-match cut inscribes itself therefore in a reciprocal spacetime which establishes a productive dialogical relation between the subject and the work, an operational meeting between the space of the viewer and that of the film. The Expressive Body: The »Meaning Smugglers« 30 of the Amplified Spectator »The body […] is this strange object which uses its own parts as a general symbolic of the world through which, as a consequence, we can ›visit‹ this world, ›understand‹ it, find a meaning to it,« recalls Maurice Merleau-Ponty in Phenomenology of Perception.31 In the following two examples—Mademoiselle Paradis by MarieLaure Cazin (2014) and Obsession by Pia Tikka (2005), the perceiving subject, the emotional body play a decisive role in the formal and narrative configuration of the film, in its very enunciation. It is, in effect, starting from the spectatorial body that the different »instances« of these hybrid audiovisual objects update themselves, borrowing as much from the cinema as from the interactive arts. Taking into account human lived experience and technological conditioning in the practice of the video game, Etienne-Armand Amato has emphasized the notion of »instantiation« to characterize the interactive operation of the image and video game universes, »instantiation« understood both as »updating« and as »simulation.«32 He also considers that interactive dispositifs simultaneously play on processes of instantiation and of distantiation and contribute to creating an »interactive corporeality.«33 »Unlike the imaginary body constituted by a film, which originates in the perspectival point of view of the camera and is built, in the heart of the visible, by enunciation and visual demonstration, interactive dispositifs

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27 Boissier (2004), p. 305 (see footnote 14).

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35 EEG stands for electroencephalogram. These wireless electrode headsets enable the measuring of brain waves. Here helmets fitted with EPOC sensors—from the US company Emotiv—are used.

36 Definition of the French National Center of Textual Resources. http://www.cnrtl.fr/definition/.

37 Before the showing, tests are indeed performed to ensure the calibration of the brain signal of each equipped spectator. This calibration is based on a scientific system used in psychology, IAPS (International Affective Pictures System), which allows the audience to react to different images representing a range of positive or negative emotions.

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34 Ibid., p. 47–48.

seem to me to convene two intimately related yet distinguishable bodies, which together merge into a singular ›interactive corporeality‹: a ›projective body acting, or in order words, able to act in the manner of intervention that the interface confers upon it‹ and a ›perceptive body‹, gifted with a ›sensory and receptive dimension‹ and which ›depends primarily for the spectator on what is given to him to feel by hearing, vision or touch […], on the interpretation of felt percepts related to the codes establishing them […], on the margin of action which he or she knows or believes to have at his or her disposal, and finally on the narrative and diegetic environment where he or she represents and engages himself or herself.‹«34 With Mademoiselle Paradis, the French artist Marie-Laure Cazin experiences precisely the fusion of these two bodies, offering an interactive cinematic experience in which the film reacts to the emotions of the audience. If we find again in this example the classical dispositif of the cinematic spectacle and the »stereotypical« spectator’s posture—viewers in the dark, sitting in a movie theater; a linear film projected onto a screen—one element distinguishes nonetheless this theatrical showing from a usual showing. A certain number of spectators are indeed equipped with EEG headsets35 that record the electrical activity of their brains, according to the two criteria of excitement and valence. In physiology, excitement is defined as an »action of an agent of external or internal origin (on an excitable organic system) which, after transmission to the nervous system, triggers the response of the organism.« In psychology, the term »valence« is used to designate the »power of attraction (positive valence) or repulsion (negative valence) that an individual feels towards an object or situation.«36 It should be noted that the public presentations, the first of which took place on February 14, 2014 at the Studio du Fresnoy in Tourcoing, involve only a limited number of spectators: only three are equipped and previously »calibrated.«37 Two of them are able to vary the narrative flow of the film as a function of their feelings recorded in real time via headset sensors;38 as for the third, his emotional states only act upon the soundtrack.39 The raw data are interpreted by the OpenViBE software for Brain Computer Interfaces and Real Time

The Body at Work

39 One can wonder if a widening of the experimentation to a whole room would not harm the interests of the experience by undermining the subjective and highly personal (emotional) character of the act of reception. 40 For technical specifications, I refer to the 2014 progress report of SCRIME (Studio of Creation and Research in Computing and Electroacoustic Music) of the University of Bordeaux. 41 Numédiart Belgium, LIFL-NOCE and LAGIS at the University of Lille 1, LABRi, SCRIME and INRIA in Bordeaux, Bordeaux IT Development Company ASI, IVC team, and the Polytechnic University of Nantes. 42 Extract from the press release. (see footnote 38). 43 Ibid. 44 Ibid. 45 The interactive film dates from 2005, but it was subsequently shown at several audiovisual festivals and several museums of contemporary art in Finland.

Neurosciences (developed by INRIA Rennes) and once processed, they are sent to a video player that launches the various sequences of the film.40 Other viewers can see the graphic visualization of the brain activity of spect-actors on digital screens positioned on the walls of the room. This dispositif, aptly described by its designer as »emotive cinema,« was developed in collaboration with several scientific research institutes.41 This is »an interactive movie prototype in which the film varies depending on the emotions of the audience. […] The film responds to the feelings of the audience in real time, the characters act differently and the scenario varies from one showing to another. The composer Andrea Cera ›sonifies‹ [also] the brain waves of the spectators, who become occasionally the performers of the film by their modification of the soundtrack.«42 The pilot realized for experimentation, Mademoiselle Paradis, is a short film of twenty-six minutes which includes a dozen narrative bifurcations. Based on true events, it tells of the controversial healing of Maria-Teresa Von Paradis, a blind girl, treated by the German doctor Franz-Anton Mesmer, the inventor of the theory of »animal magnetism« and precursor of therapeutic hypnosis. Mesmer was one of the »first to take into consideration in the field of medicine the emotional states of the patient as the origin of the sickness, and to use this in his medical practice.«43 Echoing the diegetic frame of the film, in which invisible waves heal sick patients, this dispositif privileges the invisible and the unconscious. »The invisibility and fluidity of Mesmer’s magnetism are comparable to those of brain waves acting on the film«, explains the director.44 The interface configuration at work in this project (brain-machine interface) convenes complex and underground processes of interaction, which nonetheless materialize through the variations of the story and the soundtrack. The sensory form of the film is thus built starting from the spect-actors, according to a partly unpredictable logic of the unveiling of their affects. A similar process underlies the last project that I want to consider: Obsession of the Finnish filmmaker and researcher Pia Tikka.45 With this interactive film, Tikka seeks to test a concept which she developed in her art and design research studies, that

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38 For example, as explained in the press release of the production company Filmo, provoking four possible reactions when »the mother suddenly enters Mesmer’s office during the cure. In different versions, the viewer will develop a different idea of the relation of the two women with Mesmer and of the guilt of one or the other parent as to the origin of the nerve blindness of Mademoiselle Paradise.«

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47 Ibid. 48 See notably F. Varela, E. Thompson, E. Rosh: L’Inscription corporelle de l’esprit. Paris 1999; F. Varela, H. Maturana: The Tree of Knowledge: The Biological Roots of Human Understanding. Boston 1992; A. Noë: Out of Our Heads. Why You Are Not Your Brain, and Other Lessons from the Biology of Consciousness. New York 2010. A. Noë: Experience and Experiment in Art. In: Journal of Consciousness Studies, 7.8–9 (2010); A. Noë: Art as Enaction, Cambridge, Massachusetts 2006.

49 Noë, (2001, see footnote 48). 50 Noë, (2006, see footnote 48). 51 Ibid. 52 Noë, (2001), p. 132 (see footnote 48).

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46 See Pia Tikka: Enactive Cinema. Simulatorium Eisensteinense, Doctoral Thesis. University of Art and Design Helsinki 2010, p. 34.

of »enactive cinema.« According to her, enactive cinema is about investigating »a certain kind of cinema, one that reflects recent scientific knowledge about the neural underpinnings of human activity, and draws its emotional power from one’s experimental resources of understanding and interacting with others within the everyday world.«46 But her approach is also inspired by Eisenstein’s montage theory. She explains further that she wants to show »how such recent topics as a biological basis of intersubjectivity, or the neural mirroring dynamics of metaphorical understanding can retrospectively be connected to Eisenstein’s montage thinking in a meaningful way.«47 The problematic of a »enactive art—or at least of an enactive approach to art—has become particularly prevalent in recent years. Inspired by the notion of »enaction,« developed by the Chilean philosopher and neuroscientist Francisco Varela, and then imported into the field of art, notably by the American philosopher Alva Noë, she refers to an art that knowingly engages the body (and its thought) and not only vision.48 This »experiential art,« to use Noë’s terminology,49 allows one to focus on sensory-motoric contingencies and on proprioception in the experience of the work. Simplifying to the extreme, perceptual experience, according to the enactive approach, »is determined by what we do (or what we know how to do)« and by »what we are ready to do.«50 In short, a complex activity that engages our entire body and mind: »Perception is not something that happens to us, or in us,« explains Alva Noë, in Action in Perception, »It is something we do. […] All perception is touch-like in this way.«51And she insists: «It should be clear that the process of exploring the artwork (and thus the environment in which it is situated), is at once a process of exploring one’s experience of the world.«52 It is in this perspective, while drawing, as we have already pointed out, on the theories of montage of the Russian avant-garde filmmaker Eisenstein, which inscribe the interactive cinematographic dispositif imagined by Pia Tikka. It aims to bring to life »the unconscious interaction between the cinema spectator and the cinema.« What interests the filmmaker Tikka is to materialize »how the narrative unfolds, and how rhythm and soundscape emerge, depend on how the spectator experiences

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54 For a complete video presenta­ tion of the dispositif, see https:// www.youtube.com/ watch?t=47&v=gG3N7Pf87w0.

the emotional dynamics between the characters.«53 To do this, the team had to create its own tools: montage editors and tools for managing a video and audio content database, including descriptors of nearly one hundred and fifty emotional states. It was also necessary to think of a new configuration for the movie theater that can take into account the affects of the viewers, and »to emphasize the multidimensionality of the emotional content in the narrative imagery«. There are no brain helmets in this project, but rather five movable seats installed in the center of a room and equipped with bio-sensors that record the emotions of the audience (heartbeat, breathing) and mirror their look via the rotation of chairs to reflect their changing viewpoints. The screen being watched becomes the so-called dominant screen, while other screens adapt their narrative as a function of the main one. For a more complete immersion, the projection space appears as a dark room of eight square meters: the sequences are projected via four projectors on four four-meter tall screens arranged perpendicularly, and the sound comes from eight speakers.54 »Obsession is implemented by means of a cluster of computers, which manage sensory data, sound atmosphere, and cinematic data for each screen. The process can be monitored and managed remotely over the Internet.« The question of the interface, in the series of works on perception as enaction, is of course essential here. It is envisaged by the designer as a »biosensitive interface«: »Instead of the spectator directly manipulating the narrative, its unfolding is affected by the spectator’s emotional participation. The project suggests that unconscious and conscious experience interact in an inseparable and complex manner. The cinema experience is more than seeing and hearing. It is about sensing and re-living one’s own experience in what happens to the ›others‹—This is ENACTIVE CINEMA.« An evolving and dynamic editing responds in real time to the emotional states and to the movements of spectatorial bodies. Pia Tikka calls it »enactive montage.« This is a montage which adds a third track to the traditional video and audio tracks: the emotional track. »The emotional dynamics is given its own cinematic role,« says the director. But as noted by Françoise Lejeune: »Varela in The Specious Present and Damasio in Spinoza Was Right have demonstrated that

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53 Document available at the Internet site dedicated to this project: http://piatikka.wix.com/ enactivecinema#!obsessionenactive-installation/c1rlh (retrieved on 10/08/2015). The citations which follow are extracted from the site, as well as from a presentation document available at: http://www.ioct. dmu.ac.uk/documents/ enactivecinema.pdf.

Claire Châtelet

56 Nathanaëlle Raboisson: L’expérience fait œuvre. l’action corporelle créatrice. In: Proteus Cahiers des théories de l’art (Le spectateur face à l’art interactif), 6 (2013), p. 35–42, p. 42. 57 Ibid. 58 I borrow the term amplification from Maurice Merleau-Ponty, who considers that »art is amplification, in other words the doubling and underlining of the natural or living figure.« Merleau-Ponty (2013), p. 83 (see footnote 31). 59 In the sense of who is in power (definition of the French National Center of Textual Resources). 60 I refer to the analysis of Philippe Quéau, who prefers to speak of »alteraction« instead of interaction, in the sense that »interacting as and with alterity makes other« (Philippe Quéau: Alteraction. In: Réseaux 7.33 (1989), p. 27–46, p. 28). And to clarify: »Alteration, iteration, interaction: these three concepts are now closely unified with each other. We offer the world alteraction to characterize this alterating interaction, this intermediate action which makes one become other.« (ibid., p.45). 61 In the physiological sense of setting into motion (definition of the French National Center of Textual Resources).

Conclusion This »enactive« installation, which was awarded the Moëbius Nordica prize for interactive screenwriting in 2006, seems to me to be exemplary in its exposure of the aesthetic and poietic stakes of artistic dispositifs producing a »performative corporeality.« The aesthetic experience is, in this case, truly interactive and »transformative« in the sense intended by the French artist Nathanaëlle Raboisson: »When the practice of the dispositif is no longer contact, and no longer exploration, but rather expression […], creative body action.«56 In this context, the body of the viewer »more than an interface (or interfaced subject), more than a simple environmental modulation tool in real time, would be […] expanded to its expressive function.«57 An »amplified«58 spectator, in short, whose body tends to form itself into an operating dispositif, centerpiece of a split interface (body-interface/ screen-interface) that actualizes the latent, »virtual«59 forms of film. Despite their highly technological character, these dispositifs touch, affect, alter60—precisely because they mobilize61 the body in its multidimensionality—physical body and mental body—and, beyond the strictly artistic interaction, question our perception, our relation to ourselves and to the world. Undoubtedly, what characterizes all aesthetic experience is as Renaud Barbaras explains: »The primordial expression whose body is the vector

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55 Françoise Lejeune: Corps à corps œuvre-public: approche esthésique d’une installation. In: Proteus Cahiers des théories de l’art (la place de l’esthétique en philosophie de l’art) 4 (2012), p. 19–28, p. 24.

the outside (sensory mode) and the inside (emotional mode) of perception are biologically related, and that there is no perception without emotional reaction.«55 The film Obsession, presented in this framework, retraces the traumatic effects of acts of violence suffered by a young girl. This violence affects not only the protagonist, but also her family and her environment. The emotions of the characters and of the audience can, in this way, be involved in an expressive dialogue. »Obsession builds a dynamic emotional ecology,« says Pia Tikka. »The ›montage- machine‹ is based on a narrative logic that matches cinematic content with spectators’ psycho-physiological states. Thus the spectator’s emotional experiences have effects on the narrative, constituting an ecological circuit of continuous interaction with the spectator and the narrative space.«

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63 Laurent Jenny: Présentation. retour sur la notion d’œuvre. In: Littérature (L’œuvre illimitée), 125 (2002), p. 3–11, p. 6.

64 Umberto Eco: The Open Work. Cambridge, MA 1989, p. 34. 65 I refer to the analysis of Mario Costa, who, relying on the theory of formativity of Luigi Pareyson which distinguishes forming shape and formed shape (work that presides over its formation and the material result of the formative activity), shows the specificity of artistic forms linked to the Internet. See Mario Costa: Internet et la globalisation esthétique. L’avenir de l’art et de la philosophie à l’époque des réseaux, Paris 2003.

Translated by Alan Shapiro.

Claire Châtelet Claire Châtelet wrote her thesis on Des mythes et des réalités de l’avant-garde à Dogme 95, entre tradition et invention (2004) and is lecturer for Audiovisual and Digital Media as well as head of the course teaching audio-visual technology in the Film and Theatre department at Université Paul-Valéry, Montpellier 3. She also participates in the research project Representing, inventing reality, from Romanticism to the Twenty-first Century at Université Paul-Valéry, Montpellier 3. Among Claire Châtelet’s publications are Toucher/cadrer, toucher/monter des interfaces haptiques pour un spectateur amplifié (2013) and Le cinéma transcodé. petite typologie des pratiques d’appropriation (2013). She also works as a editor and filmmaker.

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62 Renaud Barbaras: Vie et intentionnalité. Recherches phénoménologiques. Paris 2003, p. 202.

announces the strictly artistic expression, and, in return, comes to clarify the true meaning of corporeality and to deliver the native sense of the world corresponding to this corporeality.«62 None­ theless, here the feedback loops in an unprecedented way: the (emotional and physiological) movement of the spectatorial body crosses the movement of the work, without ever stopping it. Returning to the concept of »work in movement« formalized by Umberto Eco, Laurent Jenny remarks, »works were thus set into motion in an unexpected direction, no longer that of their destination or their structure, but rather that of their genesis and their contours.«63 Indeed for Eco, the »work in movement« is a special category of »open work« that »makes possible a multiplicity of personal interventions, but not in an amorphous way and towards any sort of intervention at all. It is an invitation, neither necessitating nor univocal, but rather oriented, to a relatively free insertion into a world that remains the one intended by the author. […] In short, the author offers to the performer a work to complete.«64 The interactive film participates in the evidence of this category: its »formed forms«65 are indefinitely variable, since they are continually redefined by the spectator-performer. Therefore a work in motion, and a moving body at work, according to partitions open to interpretation.

The Sensorial, the Sensual and the Work of the Senses 7 Expansion can also be understood as the process by which selective, function-based perception is interrupted or dismantled entirely by means of new media. It stretches above and beyond itself, or recalls its pre-instrumental form of existence. Things are always being used for a great many purposes. Even modes of use that aren’t synchronized with a certain behaviour but are in essence aimless and playful. The internet, mobile telephones yield an enormous range of uses that cannot be clearly distinguished from one another. Searching, gazing, listening in, writing, making photographs or filming, gaming, uploading, commenting—these are the activities that technology has made possible, yet they don’t exist so much alongside one another as they are interwoven. All together. A suspended dualistic relation aimed at conjunction acquires a constituent value for the digital product world of the present. It is not telephoning or gaming but rather telephoning and gaming and ... that defines the customary interaction with these technologies. The functions and dysfunctions of playful actions enter into a mutual relationship. The intention is to dissolve the boundary between the two forms of use and permanently intertwine them. This lends the activities of the senses degrees of freedom that contrast with traditional logics of exploitation.

Marc Ries



Translated by Chris Michalski.

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Judith Butler

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The street scenes become politically potent only when and if we have a visual and audible version of the scene communicated in live time, so that the media does not merely report the scene, but is part of the scene and the action; indeed, the media is the scene or the space in its extended and replicable visual and audible dimensions. One way of stating this is simply that the media extends the scene visually and audibly and participates in the delimitation and transposability of the scene. Put differently, the media constitutes the scene in a time and place that includes and exceeds its local instantiation. Although the scene is surely and emphatically local, and those who are elsewhere have the sense that they are getting some direct access through the images and sounds they receive. That is true, but they do not know how the editing takes place, which scene conveys and travels, and which scenes remain obdurately outside the frame. When the scene does travel, it is both there and here, and if it were not spanning both locations­—indeed, multiple locations—it would not be the scene that it is. Its locality is not denied by the fact that the scene is communicated beyond itself, and so constituted in a global media; it depends on that mediation to take place as the event that it is. This means that the local must be recast outside itself in order to be established as local, and this means that it is only through a certain globalizing media that the local can be established, and that something can really happen there. Of course, many things do happen outside the frame of the camera or other digital media devices, and the media can just as easily implement censorship as oppose it. There are many local events that are never recorded and broadcast, and some important reasons why. But when the event does travel and manages to summon and sustain global outrage and pressure, which includes the power to stop markets or to sever diplomatic relations, then the local will have to be established time and again in a circuitry that exceeds the local at every instant. And yet, there remains something localized that cannot and does not travel in that way; and the scene could not be the scene if we did not understand that some people are at risk, and the risk is run precisely by those bodies on the street. If they are

transported in one way, they are surely left in place in another, holding the camera or the cell phone, face to face with those they oppose, unprotected, injurable, injured, persistent, if not insurgent. It matters that those bodies carry cell phones, relaying messages and images, and so when they are attacked, it is more often than not in some relation to the camera or the video recorder. It can be an effort to destroy the camera and its user, or it can be a spectacle of destruction for the camera, a media event produced as a warning or a threat. Or it can be a way to stop any more organizing. Is the action of the body separable from its technology, and how does the technology determine new forms of political action? And when censorship or violence are directed against those bodies, are they not also directed against its access to media, and in order to establish hegemonic control over which images travel, and which do not? Judith Butler: Bodies in Alliance and the Politics of the Street. In: eipcp—European Institute for Progressive Cultural Policies (2011). URL: http://eipcp.net/transversal/ 1011/butler/en (retrieved on 05.08.2015).

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Quote selected by Kathrin Peters.

Kathrin Peters

The Woman in the Blue Bra Follow the Video

Kathrin Peters

Image: screenshot of the CNN report, December 2011, from: Ebner; Wicke (2013), p. 182 (see footnote 6).

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1 See, amongst others: URL: http://www.rt.com/news/ egyptian-military-crueltybeating-079/ (retrieved on 05.08.2015).

1. During the Cairo protests in December 2011 a woman is terribly beaten in public by Egyptian military. Uniformed men, numbering about ten and wearing helmets, hit the woman, who is already lying on the ground, with truncheons. Under the blows and kicks, the tearing and dragging, her black Abaya slips and opens. It reveals her wearing jeans, trainers and a blue bra. One of the men aims a final, powerful kick at her denuded chest as if nakedness itself had to be kicked and punished. Her upper body bounces lifelessly back and forth. Finally, another soldier covers the woman, who remains lying on her back, with the black cloth and leaves the scene—as the camera also turns away from the event. In the background of the recording containing this scene, a running mass of people becomes visible in the light of a setting sun. On the upper edge of the picture the recording bears the green logo of the Russian state news agency RT (Russia Today).1 The one and a half minute video quickly went viral under the name

The Woman in the Blue Bra

The Woman in the Blue Bra or, both trivializing and eroticizing, 2

as Blue Bra Girl and is still available on several websites. 2 In a different version of this What does the video show? Or, to put it another way, essay I focus more on the whom does it show what? Where, in what context and under gender-political aspects and the question of vulnerability. which circumstances, is such a video, having neither remained See Kathrin Peters: Bilder des unaltered nor, in some cases, a video, being watched? Because Protests. »The Woman in the Blue Bra« und relationale Zeugenthis is one of the authorless and unauthorized video snippets schaft. In: Heide Barrenechea; circulating in social media in their thousands, which means they Marcel Finke; Moritz Schumm (eds.): Periphere Visionen. Wissen are linked, copied and appropriated on or in between blogs, an den Rändern von Fotografie sharing platforms and news pages. Yet these disseminations and und Film. Munich (currently being prepared for publication). dispersals are in no way limited to digital space. As a still the video

4  See Peter Geimer: Das Bild als Spur. Mutmaßung über ein untotes Paradigma. In: Sybille Krämer; Werner Kogge; Gernot Grube (ed.): Spur. Spurenlesen als Orientierungstechnik und Wissenskunst. Frankfurt/M. 2007, p. 95–120.

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3 See Marcus Hahn; Erhard Schüttpelz (eds.): Trancemedien und Neue Medien um 1900. Ein anderer Blick auf die Moderne, Bielefeld 2009; and Isabell Otto; Gabriele Schabacher; Ulrike Bergermann (eds.): Das Planetarische. Kultur—Technik—Medien im postglobalen Zeitalter. Munich 2010.

returns to the street, to walls and posters. It even appears in print on the front pages of Egyptian and European newspapers. The processes of editorial commissioning and the selection of materials, which have established themselves as processes for the securing of evidence, have become only punctually efficacious. News images are very directly linked to an expansion of knowledge and the senses, an expansion of the sphere of perception and a change in the conditions of the global and the local. Perhaps »images of the world« have, since the nineteenth century, a time of the first globalization as well as of media invention, facilitated the idea of the global and the local.3 Since then the verity of a news image has been under suspicion: it may have been manipulated, by cutting or editing; it may have been taken out of its original context and placed into another, producing different readings and interpretations; omissions preceding the image, like in embedded journalism, could have given it referential conditions which we, as spectators, can only become aware of by looking beyond the image at the conditions of its production and distribution. And yet, as has been argued again and again, the technological image—of photography, film or video— is deemed to possess a unique relationship to that which is depicted, a relationship which has been described with the terms trace or indexicality:4 A camera recording is said to carry, because of its technological specifics and materiality, a documentary quality regardless of the degree in which its context may have been changed. To apply these thoughts to our video: no one doubts that this woman has been beaten atrociously. This documenting

Kathrin Peters

2. Let us follow, then, the video The Woman in the Blue Bra, the possible circumstances of its creation, some of the modes of its distribution and modification. It is published on rt.com at 10:23 am on the 18th of December. The recording dates from the previous day. First, it yields a few facts regarding the political situation within the Egyptian protest movement at this specific point in time. In December 2011 the parliamentary elections where in full swing and were implemented by the Supreme Council of the Armed Forces. Since the beginning of the uprising in January of the same year with mass demonstrations, mass arrests and the occupation of Tahrir Square and even after the resignation of Mubarak, the protests had never ceased. But in the face of the

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5 See pars pro toto: Wolfgang Hagen: Die Entropie der Fotografie. Skizzen zu einer Genealogie der digital-elektronischen Bildaufzeichnung. In: Herta Wolf (ed.): Paradigma Fotografie. Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters. Frankfurt/M. 2002, p. 195–235.

aspect of visual media technology will remain unchanged even by a theory of digital images, which, making a clear distinction to analog processes, locates it in the immediate vicinity of computer graphics so that there is now supposedly no way to verify if we are seeing a recorded scene or a constructed, i.e. mathematically calculated, image.5 What the antithesis of trace vs. manipulation cannot register is the change effected by the digital processes not only of recording but also of transmission and publication practices, by the appropriation and transformation of images. Practices which have always comprised of both: recording and manipulation. Hence I want to direct attention to utilizations of images and thus also to the action potential, which can be unfolded between images, recording devices and the people who make use of both. Riots and revolutions have always made use of media technologies and derived their dynamic from them­—be it the leaflet or the notice board. Media technologies are not least technologies of gathering and of organization. If we now discuss the importance of the digital and of social media for the recent protest movements as an example, this should not be taken as talking of a Twitter and Facebook revolution, with which social protests would be made a matter of social media corporations. The question is: How can visual bearing of witness be considered in reference to the current digital disseminations of images?

The Woman in the Blue Bra

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election guidelines put in place by the military they increased considerably. And they were further increased by images of the violent assaults which were being circulated. The scene which shows the abuse of the woman is only a few seconds long; the video contains further material, like the raiding of a group of tents on Tahrir square by the military. The authorship of the recording, aside from the agency’s logo as a sign of ownership, is not noted. It can also not ultimately be resolved if the different shot angles come from a single source or the same recording device or if it is a montage of material from different authors or devices. This could conceivably have been recorded by an RT reporter, but it is just as likely, and should really be taken as the most likely interpretation, that this is amateur material, mobile phone recordings of bystanders, for example, which were supplied or sold to a news agency. The style of the recordings, which is characterized by pans and zooms, primarily emphasizes the suddenness of the events, in which the creative ability attributed to professionals may not have had a chance to come into play. If time is of the essence there is no composition of images, merely a hasty attempt to record them. Those who reach the site in time with a camera ready to hand have long since ceased to be exclusively professional reporters. Involved parties and bystanders alike have their cameras and mobile phones at the ready to record acts of violence and to keep those recordings as documents of history. Neither do means of distribution require exclusive professional access to editorial offices with the appropriate persons, devices and lines of communication anymore (historically this required messengers and couriers, telegraph operators, fax machines and computers). Online publication, on YouTube, Facebook or on a Blog, is uncomplicated. Nevertheless, a distributor, as provided by a news agency, is helpful, though not indispensable, as an exclusively viral distribution of a video, however spectacular it may be, cannot be guaranteed. This much can be said: With the digital conditions created by camera phones, smartphones and social media, i.e. since about the year 2000, the production as well as the distribution of audiovisual data have either been »democratized« or »deprofessionalized«­—depending on your perspective.

Kathrin Peters

The eyewitness reports of involved parties (elevated to the title of »citizen journalists« even though this is exactly what they are not: journalists) are highly valued by commercial agencies as well. They represent a form of partaking in the events, which was already part of the bon ton of photo journalism, but could never be truly achieved by reporters if events were unfolding rapidly; in the end they always lack the necessary level of local knowledge. During the protests, western journalists in Cairo and other North African countries had taken to observing and documenting events from behind the lines. They stayed at hotels, took photographs from a distance or even from the balconies of their hotel suites6 and interviewed mainly Englishspeaking activists. According to the Egyptian­—and English-speaking—film maker Philip Rizk, who had critically analyzed this situation, western journalists were looking primarily for representations which were in accordance with their angle of a non-violent Image: U.S. Aid to Egypt, Ganzeer, liberation movement in the sense of western models of democratiBlog, 20.12.2011 (compiled zation: »Only the fixation of certain images seen in daylight by Rowan El Shimi, from: Ebner; Wicke (2013), p. 183 ) through a camera on Tahrir Square could appease you with that (see footnote 6). impression,« Rizk writes in his »An Open Letter to an Onlooker.« 7 Other industries soon followed suit: hard on the heels of the Philip Rizk: 2011 is not 1968. journalists came academics, filmmakers, the world of art, and An Open Letter to an Onlooker. NGOs, all relying on us as the ideal interpreter of the extraordiIn: Ebner; Wicke (2013), p. 60–67, esp. p. 61 (see footnote 6). Rizk nary. They all eventually bought into and further fueled the is part of the media collective hyper-glorification of the individual, the actor, the youth subject, Mosireen, which initiated and published so-called Video the revolutionary artist, the woman, the non-violent protester, Testimonies during the protests the Internet user.«7 For Rizk, this is a deliberate non-seeing of the and organized media workshops, see http://mosireen.org/. violence as well as the heterogeneity of interests which drove 8 the protests. Before the background of a postcolonial historical In view of the verve with which narrative only an emancipatory movement, oriented towards gender-political injustices »western« values is being recognized, which fights against Islamism in Islamic countries are pointed out, even though gender-political and dictatorship and for the emancipation of women.8 The equality in the West is realized protests against capitalism, neo-liberalism and economical imperaon paper only, if that, Gabriele Dietze rightly speaks of an tives, and thus against decidedly »western« norms, are simply »occidental dividend.« See imperceptible. Gabriele Dietze: Okzidentalismuskritik. Möglichkeiten That same day several edits of the Blue Bra video, which und Grenzen einer Forschungscan be categorized as Memes, appeared on YouTube: one of them perspektivierung. In: ead.; Claudia Brunner; Edith Wenzel (eds.): Kritik des Okzidentalismus. Transdisziplinäre Beiträge zu (Neo-)Orientalismus und Geschlecht. Bielefeld 2009, p. 23–54.

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6 See the series of photographs by Peter von Agtmael, who works for the famous Magnum agency, in: Florian Ebner; Constanze Wicke (eds.): Cairo. Open City. New Testimonies from an Ongoing Revolution. Leipzig 2013, p. 55, 56, 129.

The Woman in the Blue Bra

10 See this quite obscure Blog, which is dedicated to a decidedly western and liberal perspective: URL: https://willyloman. wordpress.com/2011/12/19/ blue-bra-girl-video-a-remarkable-story-of-horror-and-heroism/ (retrieved on 05.08.2015).



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9 See URL: https://www.youtube. com/watch?v=oua2y11BMxw and URL: https://www.youtube. com/watch?v=1w7C0-NNPnE (retrieved on 05.08.2015).

is dubbed with mournful singing and written comments in Arabic, another one has been fitted with a trailer by FIN (Freedom Informant Network) and title cards in English.9 In both cases the video is given a touching but also agitating framework. It is possible that the video circulated among blogs and e-mail inboxes before being published by rt.com and CNN. This could explain its simultaneous appearance in different places, with its framing in place and supplied with annotations. It is the particular potential of digital images that they can be edited and adapted by users, which does not mean that there are fundamental doubts regarding their truthfulness. The quality of the technological image to be a recording of real events is largely retained. What is added to the image are interpretations of events that provide reading instructions for a truth that is always negotiable. Thus one user undertakes a virtually forensic analysis of the video using red frames:10 It becomes obvious that the woman was accompanied by at least two male protesters. One of the two manages to break free and run away, while the other is being assaulted and kicked as are two passersby, who initially walk past on the edge of the scene but are seen helplessly on the ground only seconds later. Furthermore, after repeated views, it becomes apparent that one person among the military police kicks with particular force and recklessness. It is a man wearing trainers instead of military jump boots, whom, it seems, the other military police try, if not decidedly yet with equal timidity and unsuccessfulness, to hold back. That 18th of December also sees the Tahrir Newspaper publish a still from the Blue Bra video on its title page, which isolates the kick to the bare upper body. It is obviously an edited frame or screen shot. In the original the events appear blurred and distant­—of course »original« is a term, which can serve only as an auxiliary construction under these circumstances and should really be replaced by »source material« if it did not seem equally unfit for the purpose because of the uncertainty regarding the first appearance of the images. The person who made the recording of the »Woman in the Blue Bra« had to search for its subject while looking through the recording device. The camera, whatever make it may have been, finds victim and perpetrators in the crowd,

Kathrin Peters

12 The concept of the decisive moment goes back to photographer Henri CartierBresson. See Kathrin Peters: Entscheidende und andere zufällige Augenblicke. Momentaufnahmen bei Henri Cartier-Bresson und Rolf Dieter Brinkmann. In: Martin Stingelin, Matthias Thiele: Portable Media. Schreibszenen in Bewegung zwischen Peripatetik und Mobiltelefon. Munich 2010, p. 163–178.

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11 See Jacques Derrida: A Certain Impossible Possibility of Saying the Event (translated by Gila Walker). In: Critical Inquiry 33 (2007), p. 441–461.

loses them again, then rediscovers them. Significantly, the recording is without sound; I imagine that, otherwise, one could hear shouts and suggestions, intended to help with the location of the attackers in the throng. Thus the video shows something more beside the acts of violence, which it documents, namely the difficulties involved in focusing in on the scene. Thus it relates both the events as well as the circumstances of recording. The searching camera and the resulting blurred images speak of the conditions the video was taken under. And it is the contingency and spontaneity, the speed and uncertainty, thus preserved in the image, which bear witness to the authenticity of the event. In fact the event is by no means an unexpected one­—in a sense there was an expectation that something would happen—but at the same time neither the actual moment nor the specific persons could be foreseen.11 While the searching camera movements and blur give particular assurance as to the authenticity of the recording, this kind of testimonial quality has little validity for other registers. The widely held belief, that the grainier a photograph, film or video the more certain its authenticity is a purely formal thought and too narrow. An out-of-focus video frame is simply inadequate as an iconic image for a printed front page. Producing and enlarging the still must, at the very least, have involved an additional digital sharpening of the image, for neither analog nor digital images yield a greater focus and precision when enlarged. On the contrary, the result of enlargement is, ultimately, a residue of grains or pixels, the materiality of the technological image, but not the increase in iconicity which the text-image-ratio of a newspaper page demands. The transfer from Internet to front page must also have involved a digital color correction as the blue bra now contrasts clearly, even dramatically with the camouflage trousers of the soldiers. The iconical image on the title page follows the idea of the »decisive moment,« which photojournalism has used to explain the efficacy of reporting photography since the 1950s.12 A single photograph was credited with the potential to be so significant in its composition that it was capable of representing the totality of an event, a fact resulting solely from the creative abilities of the photographer and not from a process

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14 See, for example, the Flickr abum »Kasr El Einy Street Street Battle …« by the journalist Rowan El Shimi, URL: https://www.flickr. com/photos/rouelshimi/ sets/72157628474638813 (retrieved on 05.08.2015); as well as topical Flickr albums by Sarah Carr, Mosa’ab Elshamy and Jonathan Rashad. 15 See URL: http://www.npr.org/ sections/pictureshow/2011/12/21/144098384/ the-girl-in-the-blue-bra (retrieved on 05.08.2015).

Images: (1) Tahrir Newspaper, Photo: Rowan El Shimi, from the Flickr album »Kasr El Einy Street Street Battle …«, 18.12.2011; (2) Cairo, 20.12.2011, Women’s protest march to the press syndicate, Photo: Aly Hazza’a; compiled by Rowan El Shimi, from: Ebner; Wicke (2013), p. 183 (see footnote 6).



of elimination, which had nonetheless always been decisive in journalistic photography. Thus, if, on the one hand, the low resolution­—the generally »low quality«—of the digital image is the fact which enables a permanent sharing and forwarding, the image will, on the other hand, need to be aesthetically and technologically enhanced as soon as it is reproduced in print, that is, within a »classic« medium of distribution. According to Hito Steyerl, »poor images« are digital images with a low level of resolution that are circulated without copyright (or whose copy right is being ignored) and whose potential lies in their ability to form political networks, new publicities and archives aside from established institutions and corporations.13 Within the interlinking image chain of the »Woman in the Blue Bra« this type of »poor image« is certainly a decisive trigger, nonetheless it also fits into the image strategies of established and/ or commercial agencies and their utilizational contexts. Hence the »poor image« does not constitute a countersphere of the »rich« or enhanced image, rather, and this is emphasized by our example, images are, in a sense, diffused into different networks and thus bear different traces and marks which defy a classification into publicity and counterpublicity as well as a strict separation of analog and digital images. The movement of the reproduction and appropriation of the Blue Bra video does not come to a halt when the »poor« video image is enhanced into a single image: The title page of Tahrir News is held up to the cameras at later demonstrations. Thus the newspaper image, which has been taken from a video circulating online, reenters the digital networks where photographs of the demonstrations are collected and published in Flickr alba.14 Soon enlarged and publicly available versions of the still appear at protest marches, especially on the Women’s Protest March held on the 21st of December, which have attained poster quality and now bear the signature Reuters/Stringer— »stringer« now referring exclusively to freelance and/or unknown image suppliers.15 »On the streets, in full view of the gaze and the cameras of media publicity, images now become image objects taken from the digital image stream and immediately re-fed into it« wrote Tom Holert.16 In Holert’s sense »image objects« are those object-like images, which—in contrast to moving images—can

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13 Hito Steyerl: In Defense of the Poor Image. In: id.: The Wretches of the Screen, Berlin 2012, p. 31–45.

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Images: (1) Graffiti Tahrir-Platz, El Teneen, 10.02.2012; (2) El-Fan Midan, Photo: Mosa’ab Elshamy, from the Flickr album »El-Fan Midan«, 07.01.2012; (3) Egyptian Flag with bra, URL: bluebra.files. wordpress.com/2011/12/braflag.jpg (retrieved on 20.08.2015). Compiled by Rowan El Shimi, from: Ebner; Wicke (2013), p. 183 (see footnote 6).

16 In his 2008 essay Holert infers this correlation from images of preachers and makes a connection to a fetishist image presence. Tom Holert: Regieren im Bildraum. Berlin 2008, p. 59–76, specifically p. 61.



be held in the hand and shown. This happens not only in reference to the local context but also in view of a future image depicting the image object with the subjects who carry them and which will themselves then be circulated. Hundreds of photographs have been taken of these demonstrations including their image objects and the mobile phones which were held up by the crowd to create even more images. Further adaptations and appropriations of the »Woman in the Blue Bra« appear at different places in different medial forms and with added genre references: a graffito can be found at Tahrir place which depicts the Blue Bra as part of a Superwoman costume. There’s a Blue Bra comic book scene which imagines the revenge of the downtrodden woman. Wall paintings in the style of martyr depictions appear; the blue bra becomes a graffiti stencil—it has solidified into a symbol which is able to invoke the entire context. While the idea of female empowerment is articulated in such visual renditions, there are also collages in which the blue bra has been montaged onto the Egyptian flag as an inclusion of the women’s movement into the nation. I have myself seen this appropriation or recreation, which is found on the walls of Cairo, in photographs: Rowan EL Shimi took them and selected them for the exhibition Cairo. Open City. New Testimonies from an Ongoing Revolution.17 This, also, is an element within the chain of images.18 3. Audiovisual recordings, be they analog or digital, are essential for the political potency of events in the local context as well as in the global perception. But it is not sufficient to speak of an expansion in the sense of »western« onlookers, as Rizk calls them (one of which I ultimately am also), enlarging their perceptive radius by means of technological visual media. The protests are not recorded and documented merely for the purpose of sending them into a wider (or smaller) world or into a Global Village (McLuhan) which has, in some measure, dis-differentiated through its expansion. In fact, the recording changes the protest movement, is even part of it. Hence, in conclusion, it seems appropriate to cast the topos of expansion as a differentiation of relations, as a matrix of relationships, as Judith Butler suggested recently.19 Butler’s

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17 Ibid. Ebner; Wicke (2013), p. 182 (see footnote 6).

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19 Judith Butler: Bodies in Alliance and the Politics of the Street. In: eipcp­—European Institute for Progressive Cultural Policies, 2011, URL: http://www.eipcp.net/ transversal/1011/butler/en, 2011 (retrieved on 05.08.2015). 20 Ibid.

21 Ibid. 22 The artist Rabih Mroué has commented on this connection with his work Pixelated Revolution (2012). In the form of a performative lecture Mroué engaged with videos from the mobile phones of regime critics rumored to have died during the protests in Syria. The videos, which the artist found on YouTube, in some sense document, as visual remains, the shooting of those who were discovered by soldiers while filming.

thoughts on the politics of the street and alliances center mostly on the relationships of bodies and on their interdependence but they also include alliances with places and recording devices into which the bodies enter. It is not the least of the points illustrated by the Blue Bra video, that and in what ways the street is a place of protest and of resistance as well as a place of the assertion and preservation of the power of the state. Bodies forge alliances with the street, which means they do not only chant their slogans and demands (if they do)—the occupation of places and streets is itself a form of enactment which appropriates the place and implements that which is expected and demanded of it, performatively laying claim to that which is denied.20 Urban architecture, city construction and infrastructure facilitate and control movement, they are actants of the revolts and enter further levels of meaning into the protests: The historicity of squares and buildings creates occasions for speeches, to take up positions and to occupy them, to emphasize forgotten or denied meanings of these places (e.g. the square as the place of public gatherings). This can be expanded for images and their circulation: corporate, artistic and more or less illegal appropriations produce a network of interlinked images referring to one another. But in fact this is not merely a network of images but also of the people who have created them. The digital cameras or smartphones which they took with them are also part of the network. For these devices provide an ad-hoc distribution or at least threaten to do so in the eyes of the regime. The availability of digital gadgets, which can be carried in close proximity to the body while remaining nearly invisible but still permanently able to transmit or receive data, poses a threat—for those who are being recorded and thus also for those who carry them. Body and devise form a union which far exceeds the character of an instrumental utilization of media. »It can be an effort to destroy the camera and its user, or it can be a spectacle of destruction for the camera, a media event produced as a warning or a threat«, as Butler states.21 The presence of a recording device changes the local scene, even triggers violent actions precisely because of the possibility of a distribution of the recording—under digital circumstances for many and anytime.22 Thus

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18 The exhibition could be visited in 2012/13 in Braunschweig, Essen and Hamburg, amongst others, see Ebner; Wicke (2013) (see footnote. 6); as well as »Cairo. Offene Stadt. Neue Bilder einer andauernden Revolution. Ulrike Bergermann und Kathrin Peters im Gespräch mit Florian Ebner zur Ausstellung,« 2015, URL: http://zfmedienwissenschaft.de/online/web-extra/ Cairo-Offene-Stadt (retrieved on 05.08.2015). I thank Florian Ebner, Esther Ruelfs and Constanze Wicke for their exhibition and enlightening conversations.

Kathrin Peters



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23 See Friedrich Balke; Oliver Fahle: Einleitung in den Schwerpunkt. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft 11 (2014), p. 10–17.

recording devices do not only report, they become a part of the scene, of the action, insofar as they work within a local space but also by (potentially) facilitating the distribution beyond that space, which the protestors count on. How can this spreading, fraying movement of images, technological devices and people, of architecture, chanted slogans and actions be brought together in view of the question of bearing witness? Tentatively: Any representation of reality is qualified by intentions to show and to communicate which submit the recorded data to a process of selection and framing and place it into a specific context23 which is already saturated by assumptions; assumptions which can nonetheless, and in the best case, be counteracted. The quality of evidence which ensues is the result of an interaction of diverse elements which cannot be reduced to a determinism—be it of a technological, social or political nature— but, on the contrary, puts all these elements into relations with one another. At the same time the promise that a camera can record and reproduce a trace of the event as it happened remains, even under digital conditions. What changes are the possibilities of image editing, of commenting and distribution. They create an interlinked network of images and interpretations which have an essential part in the production of credibility and certainty. This produces forms of participation which, in turn, affect the events. Thus the bearing of witness has been relocated into a space of negotiation, in which credibility is created but also remains continually disputable and is continually disputed.

Translated by Alexander Schneider.

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Kathrin Peters Kathrin Peters teaches History and Visual Culture Studies at the University of the Arts, Berlin and conducts research into the relations between Gender and the Media, photographic practices as well as the History of Design. She is the author of Rätselbilder des Geschlechts Körperwissen und Medialität um 1900 (2010) and editor of the Gender & Medien reader (2015); »die stadt von morgen«. Beiträge zu einer Archäologie des Hansaviertels Berlin (2008, edited with Annette Maechtel) and Future Bodies. Zur Visualisierung von Körpern in Science und Fiction (2002, edited with Marie-Luise Angerer and Zoë Sofoulis).

The Sensorial, the Sensual and the Work of the Senses 8

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1 »As an interface, the app connects the single remote device to an ocean of data and brings that data to bear on the user's immediate interests. Further, given that the app may connect the user to his environment and the things within it (looking, writing, subtitling, capturing, sorting, linking, hearing, etc.), the app is also an interface between the user and his habitat. It structures and activates a programmed mediation between user and environment (and therefore cloud and environment) according to a specific program. It renders the environment for the user, and the user for the environment, according to the logics and limits of that programmability, and it does this in ways that are exacting or vague, prescriptive or reactive.« Benjamin H. Bratton: On Apps and Elementary Forms of Interfacial Life. Object, Image, Superimposition. In: Paul D. Miller, Svitlana Matviyenko: The Imaginary App. Cambridge, MA 2014. p. 3–17, p. 3.

Expansion also denotes­—beyond the understanding of purely technological influences on the conditions of perception­—singular and performative utilizations. Perhaps the unusual, the fascinating point about what is happening in the New Media is the extreme acceleration of endo-differentiation by application, by the mass utilization of codes, software and mobile devices. The old, centralist mass media, whether constituted as a recording or a transmission, always agreed on a rigid model of reception. Observation, onlooking, consumption were the activities assigned to the individual in its perception of the media products—be they photography, cinema, or television. An unexcited relationship—affectively and mentally attuned and adapted to one’s own corporeality, expectation, and imagination­—to the pre-produced materials. It was an indulgence of previously existing, a priori, images, of moving images of the most various forms and origins that proved to be the—relative to one’s position—controlled, relieving, liberating fulfillment of a desire. The sensual extension and excession depended on the material glimmering on screens made of canvas or glass. But the digital paradigm reversed this relationship. Media are emerging which merely depict­—provide a »program«; the content is created by their utilization. Now the observer is called upon as a user to »use« the medium, the mobile phone­—for example, like a tool­—indeed like many tools simultaneously, to fill it up with information about himself, whether geographical positions or body data, to wield the camera himself and to record, to play games himself and not let substitutes play for him, to do his own research and to publish himself, his artifacts. The self-activity thus expected by the media systems has led in recent years to the excessive production of apps, software applications prompting their own utilization, whether a game, a data search, a gadget, or image manipulation, while the offer of a »solution of user problems« mostly co-invents the problem itself.1 The telephone can be taken as a reference medium for this development. The act of telephoning does not predefine

3 The »honest« self-advertising of the Node-Festivals 2015 in Frankfurt/Main, a Forum for Digital Arts, reads: From interaction design to dance music, from medicine to surveillance, from fashion to warfare: We invite makers, who understand technology and change the body with code. Here, also, the »body« is outlined simultaneously from it’s under and it’s upper side. 4 See the following text by Pablo Abend. Digital Worldviews between Logocentrism, Ethnocentrism and Egocentrism.

Thus it matters that the bodies of many »insignificant« users wear mobile phones, and the cameras built into them, in order to be recognized as relevant actors in the places and on the scenes of their meetings by their utilization of these devices. Bodies that matter also take place in the way that the image of a body—for instance, the case of the video The Woman in the Blue Bra, which is described in Kathrin Peter’s text and in which a woman is subjected to abuse by police and hence to male violence—transforms into an image object, meaning that modes of utilization are brought into play, which each differently appropriate, change, decontextualize, reframe, distribute, and thus publish the video. In this way it is not only technology which becomes unlimitable by its utilization; what is depicted, what is represented, switches within the sense ascriptions. To put it differently, all modes of utilization are substantially motivated by the reference of the particular representation and thus by the represented body, which »excites« them. A woman with a blue bra, and thus with an upper

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2 This also denotes the pitfalls which visibly deny methodical access and the making of universal statements to the sciences. Where centralist media provided an autonomous body of work, upon which all observations and analyses could agree, with the beginning of computer games the New Media elude an objective and distanced access: one has to play them, use and apply them, enter information and publish one's data. These media can only be analytically accessed through a participating praxis, by self-experiments and close description. For the researchers this means an unusual amount of time employed in participating and, through exploring and taking part, a becoming-public of one’s work. This makes unsettled and insecure.

the content either, it is impossible to foresee or represent the utilization, namely what actually happens in telephonic speaking here and there, in all differentiations, in all contingency. Taste or enjoyment, in their subjective degree, is no longer the defining aspect of sense expansion but the discovery of a multifaceted utilization, a porous praxis, which does not reach the subjects from outside but acts from within. Doing it yourself seems inalienable.2 This freedom of utilization bestowed upon the user, the self-determined extension of one’s voice and desires to wherever, frivolously blurs the apparative arrangement of voice and desires via the code working on the underside of the medium.3 »With the underlying code our senses are dragged down into the realm of the non-sensory or at least to the place where the sensory material is subject to transformations that can only be apprehended with great difficulty but that are experienced with great precision.«4 Because the modes of utilization must be adapted to the organization and disposition of the device, codes prescribe how a user has to behave in order for the desired function to ensue. An arrangement of this type is usually »recognized« in instances when the function is impossible or the information does not circulate.

body that is mostly naked, surely brings forth desire in an Islamic society­—initially the desire for violence of the misogynist protectors of the faith, and presumably also of the defined and undefined community of those who are filming in situ, the centralized media and the social media. It must be a female body that provokes its own appropriation, diffusion, and manipulation within the framework of the media world. Media participate in the creation of significance but what is imbued with it by the media itself creates significance by means of the extensive trace it leaves. The frames open—for many centuries we have accepted the frames and contextualizations, seen the images within the frames­—from the picture frame, and the silver screen to the frames of interfaces. Can it be true that the frames recede along with the modes of image utilization or, at the least, become interchangeable so that we do not expect to encounter them? The dislocation of many phenomena, their de-territorial existence, seems to be accompanied by a degrading or de-framing of the image surfaces which contain and distribute them.

Marc Ries

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Translated by Alexander Schneider.

John Brian Harley

2 Others have made the same point: See, especially, the trenchantly deconstructive turn of the essay by Denis Wood, John Fels: Designs on Signs/Myth and Meaning in Maps. In: Cartographica 23.3 (1986), p. 54–103. 3 Louis Marin: Portrait of the King. In: Theory and History of Literature 57 (1988), p. 169–179; William Boelhower: Through a Glass Darkly. Ethnic Semiosis in American Literature. Venezia 1984, esp. p. 41–53. See also: William Boelhower: Inventing America. A Model of Cartographic Semiosis. In: Word and Image 4.2 (1988). p. 475–497.

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1 Reported in: Cartographic Perspectives: Bulletin of the North American Cartographic Information Society 1.1 (1989), p. 4.

As they embrace computer-assisted methods and Geographical Information Systems, the scientistic rhetoric of map makers is becoming more strident. The »culture of technics« is everywhere rampant. We are told that the journal now named The American Cartographer will become Cartography and Geographical Infor­ mation Systems. Or, in a strangely ambivalent gesture toward the nature of maps, the British Cartographic Society proposes that there should be two definitions of cartography, »one for professional cartographers and the other for the public at large.« A definition »for use in communication with the general public« would be »Cartography is the art, science and technology of making maps«: that for »practicing cartographers« would be »Cartography is the science and technology of analyzing and interpreting geographic relationships, and communicating the results by means of maps.«1 Many may find it surprising that »art« no longer exists in »professional« cartography. In the present context, however, these signs of ontological schizophrenia can also be read as reflecting an urgent need to rethink the nature of maps from different perspectives. The question arises as to whether the notion of a progressive science is a myth partly created by cartographers in the course of their own professional development. I suggest that it has been accepted too uncritically by a wider public and by other scholars who work with maps.2 For those concerned with the history of maps it is especially timely that we challenge the cartographer’s assumptions. Indeed, if the history of cartography is to grow as an interdisciplinary subject among the humanities and social sciences, new ideas are essential. The question becomes how do we as historians of carto­ graphy escape from the normative models of cartography? How do we allow new ideas to come in? How do we begin to write a cartographic history as genuinely revisionist as Louis Marin’s The King and his Geometer (in the context of a seventeenthcentury map of Paris) or William Boelhower’s The Culture of the Map (in the context of sixteenth-century world maps showing America for the first time)? 3 […] The notion of deconstruction4 is also a password for the postmodern enterprise. Deconstructionist strategies can now

John Brian Harley 4 Deriving from the writings of Jacques Derrida, for exposition see the translator’s (Gayatri Chakratvorty Spivak’s) Preface to Jacques Derrida: Of Grammatology. Baltimore 1976, p. IX–VII; Christopher Norris: Deconstruction. Theory and Practice. London 1982; and Christopher Norris: Derrida. Cambridge (MA) 1987.

be found not only in philosophy but also in localized disciplines, especially in literature, and in other subjects such as architecture, planning and, more recently, geography.5 I shall specifically use a deconstructionist tactic to break the assumed link between reality and representation which has dominated cartographic thinking, has led it in the pathway of »normal science« since the Enlightenment, and has also provided 5 a ready-made and »taken for granted« epistemology for the history On architecture and planning see, of cartography. The objective is to suggest that an alternative for example: Paul L. Knox (ed.): epistemology, rooted in social theory rather than in scientific The Design Professions and the Built Environment. London 1988; positivism, is more appropriate to the history of cartography. It Derek Gregory: Postmodernism will be shown that even »scientific« maps are a product not only of and the Politics of Social Theory. In: Environment and Planning D. »the rules of the order of geometry and reason« but also of the Society and Space 5 (1987), p. »norms and values of the order of social... tradition.«6 Our task is 245–248; on geography see Michael Dear: The Postmodern to search for the social forces that have structured cartography Challenge. Reconstructing Human and to locate the presence of power—and its effects—in all Geography. In: Transactions, Institute of British Geographers map knowledge. [...] (New Series) 13 (1988). Deconstruction urges us to read between the lines of p. 262–274. the map—»in the margins of the text«—and through its tropes 6 to discover the silences and contradictions that challenge the Marin (1988), p. 173, apparent honesty of the image. We begin to learn that cartographic (see footnote 3). facts are only facts within a specific cultural perspective. We start 7 to understand how maps, like art, far from being »a transparent H. Gene Blocker: Philosophy and opening to the world,« are but »a particular human way […] of Art, New York 1979, p. 43. 7 looking at the world.«

John Brian Harley: Deconstructing the Map. In: Cartographica 26.2 (1989), p. 1–20, p. 2–3.

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Quote selected by Pablo Abend.

Pablo Abend

The Map as Home Range – Digital Worldviews between Logocentrism, Ethnocentrism and Egocentrism

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1 John Brian Harley: Deconstructing the Map. In: Cartographica 26.2 (1989), p. 1–20.

Prologue In the spring of 1989 appeared the article »Deconstructing the Map« by the geographer and historian John Brian Harley.1 With reference to Michel Foucault and Jacques Derrida, Harley criticized the positivistic self-conception of the field of cartography and outlined a frame of analysis that would make it possible to deconstruct power attributions in maps purportedly being objective. Harley uses two lines of argumentation. On the one hand he examines the conventions and standard elements of cartographic illustration and describes how these are influenced by the social context. On the other he pleads for an understanding of the map as a cultural text, the rhetorical qualities of which must be carefully scrutinized. In the face of the conventional, logocentric self-conception of cartography, Harley examines complexes of power and knowledge and their normative spatial effect and traces the consequences of this effect both within and outside of the map as text. In particular he poses the question as to which power interests are inscribed in the map text and what

The Map as Home Range

3 Alfred Korzybski: Science and sanity. An introduction to non-Aristotelian systems and general semantics. Brooklyn 2005, p. xvii. 4 John Pickles: A history of spaces. Cartographic reason, mapping and the geo-coded world. London 2005, p. 145. 5 See Sybille Krämer: Das Medium als Spur und als Apparat. In: id. (ed.): Medien, Computer, Realität. Wirklichkeits­ vorstellungen und Neue Medien. Frankfurt am Main 1998, p. 73–94; Sybille Krämer: Medium, Bote, Übertragung. Kleine Metaphysik der Medialität. Frankfurt am Main 2008. 6 Krämer (1998), p. 85 (see footnote 5).

7 See Ute Schneider: Die Macht der Karten. Eine Geschichte der Kartographie vom Mittelalter bis heute. Darmstadt 2004.

kinds of influence the map text has on the territory it describes. John Brian Harley and the critical cartographers that followed him stress the active initiative2 of cartographic representations and formulate an understanding within and beyond the field of cartography according to which maps do not just represent a territory but also call this territory into existence. From »The Map Is Not the Territory,«3 as Alfred Korzybski put it, to »The Map Precedes the Territory.«4 When applied to media studies what emerges is an essential distinction in the medial modes of operation, which Sybille Krämer describes by way of the conceptual pair Bote (messenger) and Spur (trace). Not coincidentally she cites the topographic map to show that media function both as neutral intermediaries (in Krämer’s terminology, messengers) and at the same time as creative agents (traces).5 As agents maps never simply serve the efficient navigation of space so that this space can later be traversed in an optimal manner, rather they construct worldviews, which the subject must then put into perspective. Krämer ties this hypothesis to yet another categorial distinction —the distinction between transparency and opacity of media, the ontological equivalent of the functional difference between messenger and trace. According to Krämer this fundamental dichotomy is related to both the appearance of a medium and its use, for in their cultural use maps oscillate between a tool-like and a device-like technology.6 This splits a view of digital cartographic media into an objectivistic understanding, whereby the medium is intended to represent parts of a territory with as much detail as possible, and a productive conception, which attributes an active initiative to the visualizations through which certain images of the world are formed. The latter approach can be linked to critical cartography, as it creates the precondition for the claim that political and economic interests are inscribed in maps, which in turn have a normative impact on a territory and its population. The »power of maps«7 is seen as an active outcome of the artifact that plays an essential role in the process by which our conceptions of the world are created. A logocentric understanding of maps as transparent windows that provide an unfiltered view of the world is thus called into question by a conception of maps as symbolic, ideological

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2 Erhard Schüttpelz: Elemente einer Akteur-Medien-Theorie. In: Tristan Thielmann; Erhard Schüttpelz; Peter Gendolla (eds.): Akteur-Medien-Theorie. Bielefeld 2013, p. 9–67, p. 10–11.

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8 See Denis Wood; John Fels: The Power of Maps. New York 1992.

texts that play an essential role in the construction and establishment of a territory. According to the latter view a map does not render a view of the world but rather provides a suggestion as to how the world might be interpreted.8 If we argue from an anti-objectivistic position and say that this opacity is a fundamental part of the medium itself, then an act of deconstruction —a reading-between-the-lines—can reveal different motivations for the production of maps. Harley uses this production-aesthetic perspectivization of space as a primary method of deconstruction, which focuses on revealing the implications of the dominant projection methods that stand in the service of the hegemonic will of western industrialized nations. Under the heading »rules of the social order« Harley describes how certain representational methods are conventionalized and standardized, which in translating the three-dimensional Earth to a two-dimensional surface always implies a compromise between the equal-area and conformal rendering systems. In the process of charting the world and global traffic flows the conformal accuracy of maps has been optimized in order to improve their usefulness for the purposes of navigation. The resulting distortion causes the northern hemisphere to appear larger than it is, thus obfuscating the relative sizes of individual countries. So-called developing countries appear significantly smaller in terms of surface area than northern industrial nations. Under the »rules of ethnocen­tricity« Harley discusses another aspect of cartographic ethnocentrism, namely that in world maps primary emphasis is placed on national territory. Alternative projection methods, such as the Gall-Peters projection, allow for a more accurate equal-area translation of the land. These may be unsuitable for navigation but they provide a better indication of the proportional sizes of individual nations. Buckminster Fuller’s Dymaxion World Map was published in Life Magazine in 1958 as a cut-out illustration. The both conformal and equal-area projections allowed readers to experience a unified world without visible national borders. Yet the ethnocentric worldview communicated by most maps is, according to Harley, so successful because the rules of society and the rules of mapping merge together and are reinforced by one and the same image, which, in turn, the objectivistic claim

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9 Harley (1989), p. 13 (see footnote 1).

of cartography serves to normalize. »[…] Just as in factories we standardize our manufactured goods so in our cartographic workshops we standardize our images of the world. Just as in the laboratory we create formulaic understandings of the processes of the physical world so too, in the map, nature is reduced to a graphic formula. The power of the mapmaker was not generally exercised over individuals but over the knowledge of the world made available to people in general.«9 While Harley focuses on historical, analog examples, in the wake of the digital media revolution of cartography an update of his critique offers great promise, as it can be assumed that a quarter of a century after »Deconstructing the Map« appeared the altered production and distribution methods and circumstances necessitate a reformulation of the questions the article poses. Furthermore, the aspect of reception aesthetics was not considered by Harley, as it was always assumed that the producers wielded the power without taking the different dispositifs of use into consideration. An expanded examination seems necessary in light of the interactivity of digital cartographic products, as will be explained below. The modified aesthetics of the digital world must generally be kept in mind, as these new aesthetics allow for different forms of use—uses that lead one to doubt whether the text metaphor can also be applied to digital maps, that is, whether their use can still be modelled as a reading process. This article discusses digital cartographic media not just as mediators of worldviews but also as positioning technologies that provide both a more distanced view and, increasingly, insights and views from a great number of perspectives. In this way these media serve to create forums for physical co-presence, even as they generate a network permanently centered around the body. The working hypothesis here is that the digitalization of cartography has resulted in a radical shift that has fundamentally changed visual cartographic regimes and the relations between proximity and distance. A critical review of these transformation processes is intended to not just deconstruct a map text but also to survey new axes and forms of bodily co-presence and the basic social and technical conditions of their genesis. The question will subsequently be posed as to whether new reception aesthetics and

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new practices of map usage can be seen as paradigmatic for more far-reaching changes to the Internet and the manners in which it is used.

11 Bruno Latour: Drawing Things Together. In: Andréa Belliger; David J. Krieger (eds.): ANThology. Bielefeld 2006, p. 259–307, p. 268.

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10 See Bruno Latour: Visualization and Cognition. Thinking with Eyes and Hands. In: Knowledge and Society Studies in the Sociology of Culture Past and Present 6 (1986), p. 1–40; Bruno Latour: Die Logistik der immutable mobiles. In: Jörg Döring; Tristan Thielmann (eds.): Mediengeographie. Bielefeld 2009, p. 111–144; Erhard Schüttpelz: Die medientechnische Überlegenheit des Westens. In: Jörg Döring; Tristan Thielmann (eds.): Mediengeographie. Bielefeld 2009, p. 67–110.

Cartographic spatiality: distance, immersion and presence Maps generally show geographical details and how these details relate and connect to one another in a medial form. Their main purpose is to allow us to see that which is absent and cannot be directly reached and to render it comprehensible. In short: maps bring things that are distant closer to us by mediatizing reality. This is the functional element common to all cartographic visualizations, from topological recreational maps to satellite images. All these manifestations make it possible to position a body within a geographical context and to look into the distance in that they create an overview of a terrain and allow that which is absent to be shown. Their tool-like functionality is guaranteed by the fact that as »immutable mobiles«10 they possess the same optical consistency as the territory itself, so that the mutual relation­­ship between an object and its medial representation can be constructed. Central perspective and triangulation are two ways of achieving this specific optical consistency and thus of translating three-dimensional objects into a two-dimensional surface in such a way that the reconstruction can take place in other locations: »Things that are absent are shown«11—things that can only be introduced into the discourse through their re-presentation, by means of which we are given the opportunity to talk about them. Cartography utilizes the strategies of schematization, generalization and abstraction to create optical consistencies in order to guarantee the function of attribution as a form of knowledge transfer. A map bears the promise that by looking at its subject we can learn as much about reality as if we were to examine that which it is intended to depict. A point on the map always refers to a specific point in the world and this indexing nature of the map makes it possible to verify suggestions and claims at the location itself. When viewing a map the claim »this is« is linked to the propositional content »this is there,« by means of which a direct reference to that which is depicted is

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13 Roberta L. Klatzky: Allocentric and egocentric spatial representations. Definitions, distinctions, and interconnections. In: Christian Freksa; Christopher Habel; Karl F. Wender (eds.): An interdisciplinary approach to representing and processing spatial knowledge. Berlin 1998, p. 1–17, p. 11.

14 See Jörg Döring; Tristan Thielmann: Mediengeographie: Für eine Geomedienwissenschaft. In: id. (eds.): Medien­geographie. TheorieAnalyse-Diskussion. Bielefeld 2009; Tristan Thielmann: Quellcode der Orientierung: Ein Entwurf des Leon Battista Alberti. In: Sabine Autsch; Sara Hornäk (eds.): Räume in der Kunst. Künstlerische, kunstund medienwissenschaftliche Entwürfe. Bielefeld 2010. p. 233–252; Tilo Felgenhauer; Dorothee Quade: Society and Geomedia. In: Thomas Jekel (ed.): GI_Forum 2012. Geovisualization, Society and Learning, Conference Proceedings. Berlin 2012, p. 74–82.

propagated.12 In order for the map to play this mediating role it must maintain a certain distance between the viewer and that which is viewed and create an overall perspective, whereby viewer and medial space remain in separate frames of reference. For this reason the conventional cartographic perspective shows a space that exists independent of the position and orientation of the viewer. This is effected by the distant overhead view and the fixed classification of the map, as in the case of city maps, world maps and road atlases. This allocentric perspective distinguishes itself from an egocentric view that is defined by the viewer’s position in relation to the attribution: »If an allocentric image is to be used, […] the subject must somehow externalize the […] objects; if an egocentric image is required, the subject must somehow have a representation of himself in the image at the same location as […] the objects.«13 In the first case I remain outside the frame of reference; in the second I am forced to imagine myself inside it. Both perspectives utilize different representation methodologies and visualization strategies, which create in turn different environments, different perceptible pictorial spaces: allocentric representations create a frame of reference outside the subject, while ego­ centric spatial images pull the frame of reference over the subject or the sight line is connected to the frame of reference in order to set this frame inside the space of the media. As a result of the digital revolution, cartographic media have emerged that make it possible to mediate between allocentric and egocentric representational forms and in this way to create new ways of negotiating geographical spaces and locations. The term suggested by the field of media studies for this kind of media is geomedia.14 Geomedia can be described in general as global communications media, the use and function of which is bound to a specific location. The term refers to both localizing hardware (GPS receivers, RFID chips, augmented-reality apps) and localizing practices that include digital maps and geobrowsers as commercial variants of professional geographic information systems. Geomedia, accordingly, cannot be classified as individual media, but are made up of an assembly of technologies that allow humans and objects to be positioned and, if desired, visualized on maps or

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12 See Denis Wood: Rethinking the Power of Maps. New York 2010.

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map-like interfaces, which makes a great variety of interactions between users and their environment possible. For this reason geomedia have the potential to socially and technologically re-organize our encounters with and within spaces and locations.15 15 Döring, Thielmann (2009), p. 13 At the same time geomedia can reduce the distance (see footnote 14). between viewers and that which is represented within and by the pictorial spaces, perspectives and lines of sight. This relates to 16 See Mel Slater; Sylvia Wilbur: A the concept of spatial immersion, which refers to all the properties framework for immersive virtual of a medium that contribute to the sensation of »absent physical environments (FIVE): Speculations on the role of presence in presence.« In spatial terms, immersion is initially the opportunity virtual environments. In: to feel present within or even to be entirely absorbed by a media Presence 6.6 (1997), p. 603–616; and Emily Brown; Paul Cairns: environment.16 The opposite concept of telepresence emphasizes A grounded investigation of the willingness and ability of users to immerse themselves in immersion in games. In: CHI 2004 (2004), p. 1297–1300. medial spaces, to the point that the media environment becomes their primary frame of reference.17 To achieve immersion the 17 technology always has to move a few steps ahead, creating a realm See Matthew Lombard; Theresa of action and experience that can then be further elaborated in Ditton: At the Heart of It All: order to intensify the immersion experience. The utopian The Concept of Presence In: Journal of Computer-Mediated vanishing point of immersion and telepresence is the complete Communication 3.2 (1997); and transparency of the mediating agent—a point that could be Werner Wirth, Matthias Hofer: Präsenzerleben. Eine reached if the references external to the media could be made medien­psychologische to vanish, which is in line with the visions of total immersion that Modellierung. In: montage/av 17.2 (2008), p. 159–175. date back to cyberpunk literature and cinematic fictions of the 1990s and have been revived by new virtual-reality glasses. The problem of the operability of both concepts has often been 18 discussed,18 however here they are only intended to serve as See Gordon Callejy: In-Game. heuristic distinctions that allow us to identify different elements From Immersion to Incorporation. of physical presence within geomedia. Cambridge 2011. In this way the spatial qualities of such three-dimensional geo-environments as Google Earth can be compared with older immersive media like the 360-degree panorama. At the same time geomedia environments contain forms of interaction also found in computer games, for example zooming and scrolling, which can generate a kinaesthetic sensation of motion. As geographic simulation environments, geobrowsers tend to offer a more intense immersion in that they provide elements of physical co-presence by means of spatial elaboration and interactive elements. Here two strategies can be identified: (1) the intensi­fication of the

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20 Google Inc.: Introducing Google Earth 6 – The next Generation of Realism. (2010), URL: http:// google-latlong.blogspot.com/ 2010/11/introducing-googleearth-6thenext.html, retrieved on 17 August 2015.

21 Google Inc.: Anleitungen. Auf der Erde navigieren. (2009), https://support.google.com/ earth/answer/176674?hl=de, retrieved on 17 August 2015.

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19 See Jay Bolter; Richard Grusin: Remediation. Understanding new media. Cambridge 2000.

impression of reality by means of an environment that appears as naturalistic as possible, which involves a progressive mediatization of geographic entities; (2) the mimesis of human vision and human patterns of motion through perspectivistic manipulation functions that imitate human vision. Both strategies can be connected to the media logics of hyper­mediality and transparency described by Bolter and Grusin, who see these as the motors of the development of new media.19 Hypermediality is found in the variety of media integrated into geobrowsers, which results from the fact that maximum geographic detail is to be transmitted in a visually perceptible form. Additional media items—videos, panoramic photographs and time-critical communication data— are placed over this foundation in layers. The attempt is also made to render the medium transparent in the positioning of the viewer within the medial space, so as to activate the affective components of the presentation through the imitation of human forms of perception. A look at the geobrowser Google Earth and its different versions make these strategies evident. In the Google Earth blog entry entitled »The next Generation of Realism«20 the new features contained in version 6.0 are announced. After a depiction of the topology of the sea bottom was added in version 5.0, three-dimensional models of trees can now be viewed alongside building models. Ever since version 4.3 a so-called visual joystick has been available, which simulates tilting and rotating head movements and thus attempts to imitate the experience of telepresence through the depiction of a tourist’s view. A sentence from the Google Earth instructions makes the producer’s intention here clear: »Looking around involves gazing from a single vantage point, as if you were turning your head.«21 Here emphasis is placed on a blending of viewer perspective and interactive unity on a conceptual level, which is reinforced in the interface by the eye icon on the on-screen joystick. This example shows that with visual integration the distinction between attributive and medial representation of geographic space is increasingly being blurred, for maps are no longer primarily designed with flat inscriptions but are made up of multiple-image surfaces that come together to form three-dimensional, layered spaces. This marks a further step away from the neutral role

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of mediator. The digital map has become a kind of stereogram or spatial image that in itself enables or prevents certain actions and forms of reception.

22 If one disregards the highly abstracted representative in Google Maps­—a small, orange figure that Google calls »Pegman« and that can be dragged with the mouse to any point on the map, thus effecting a change from the overhead view to the so-called StreetView or ground-level view. 23 Mike Jones: Vanishing Point. Spatial Composition and the Virtual Camera. In: Animation 2, p. 225–243.

24 Gilles Deleuze: Cinema 1. The Movement-Image. Minneapolis 1986, p. 12.

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Cartographic forms of use: allocentric and egocentric The development from a flat design surface to a three-dimensional cartographic space is thus the result of a two-fold transformation: on the one hand, the surface aesthetics of the artifacts themselves are changing; on the other, new forms of interaction allow for dynamic perspectivization. For this reason it is possible to ignore such established conventions as the northern orientation and top view. When combined with a virtual camera, 3-D environments create immersion situations that are comparable to digital computer game settings, in particular such open world games as Grand Theft Auto 5 (Rockstar Games 2013) or Watch Dogs (Ubisoft Montreal 2014). On top of this, continuously variable zooming creates the game-like dynamics of proximity and distance. A virtual camera becomes an agent in the intermediary space between subject and medial space, simultaneously transmitting and mediating the view. On the one hand, this view suggests a concurrence of eye and camera; on the other, a strange distance from that which is portrayed emerges, as my body is not—as is the case in the computer games mentioned above—represented by an avatar. It is only my vision that has been mediatized.22 Nevertheless, in such 3-D environments the space production is altered from, as Mike Jones puts it, mise-en-scène to mise-en-space. The design of the medial space is no longer simply intended to render a stage set through which the camera passes but requires a complete setting to be modelled.23 In the course of the navigation a virtual camera aligns and adjusts this medial space not according to a closed system that »includes everything which is present in the image«24 along a specific pathway, but in accordance with an entirely mediatized environment that becomes a complete studio setting. Nowadays cinematic special effects, computer games and geomedial environments are all based on this model and created using similar tools. Differences emerge in the way that medial boundaries are dealt with as boundaries of percep-

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25 Valérie November; Eduardo Camacho-Hübner; Bruno Latour: Entering a Risky Territory. Space in the Age of Digital Navigation. In: Environment and Planning D 28 (2010), p. 581–599.

tion. In contrast to movies, in geographic and computer game environments the creative elaboration of the spatial experience is transmitted to the users and the interactive unity offered by scrolling, panning and zooming becomes a sensory method that serves to expand the virtual space. Yet while in computer games the edges of the accessible territory are often marked as unseen natural or cultural borders in the form of invisible walls, in geobrowsers an illusion of borderless navigation is created by means of the constant provision of new image data and/or its interpolation. The criterion of indexicality no longer serves as the primary difference between the geographic and medial production of spatial images, as due to the high degree of immersion and the freedom of navigation in virtual spaces the value of the representation is no longer measured by correspondence to the represented territory alone. The quality of the »guidance« along a chain of illustrations, the ability to freely explore and the alternation between these two modes are also of importance.25 With immersive properties and different forms of interaction, the potential for game-like interaction is emphasized in digital cartographic maps. The use of aerial and satellite images, panoramic photographs and user-generated videos have turned digital maps and globes into much more than visualizations of the geographical world to be used for the purposes of obtaining information and navigating. These visualizations create their own medial spatial images and environments that invite us to position, contemplate, view and make aesthetic judgments. Furthermore, geomedia combine cartographic illustrations and map-like visualizations with data from the Internet and social networks, by means of which they can be used to collect information and generate original content. These forms of use can no longer be classified as »map reading,« but instead must be discussed as methods of map viewing, navigating, charting and indexing. This extension of the term requires that more attention be paid to different forms of contemplative map use, even while the aesthetic transfor­ mations mentioned above are also reinforced. For their part, these transformations underline the shift in focus within the field of cartography from representation of a territory to the visualization of localized data. Kingsbury and Jones, for example, draw

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27 Manfred Sommer: Suchen und Finden. Frankfurt am Main 2002.

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26 Paul Kingsbury; John Paul Jones III: Walter Benjamin’s Dionysian Adventures on Google Earth. In: Geoforum 40.4 (2009), p. 502–513.

a distinction between the Dionysian and Apollonian use of maps. Apollonian uses are practiced by military or state institutions primarily in order to maintain overview and control of a territory, while Dionysian usages extend beyond such map reading processes and include game-like utilization of maps.26 The authors base their argumentation on social interactions that take place primarily in the publication of media disturbances on specialized blogs and Internet sites. Users share discoveries made on digital maps, for example images with unusual perspectives resulting from distortions that occurred in the image production, color errors or gigantic insects. This emphasis on the disturbance, however, has nothing to do with the actual transformations. These abnormalities may demonstrate the fragility of the indexicality and multivocality of satellite images in comparison to cartographic signs, yet they do not in any way show how a game-like and relational interaction between body and space can be generated in medial space. Far more significant appear to be the egocentrism inherent to Dionysian uses, which Tristan Thielmann describes, in allusion to Manfred Sommer and in reference to navigation devices, as patently »mobile egocentrism.« »The I-point, regardless how it is moved on the map, remains stubbornly in the middle of the display. As soon as one ceases to perceive the image and switches one’s view from the depiction of the streets to the real ›picture frames‹, a gestalt-switch takes place: it is not the point that represents me that moves on the street shown, rather the street moves away beneath the point, which remains in place. One has the impression: I am not approaching my destination, it is approaching me.«27 The view or the I-point remains as an abstract avatar in the center of the representation, which dynamically orients and reorients itself around this point after every movement. This leads to a subjectivization of the otherwise abstract sign system, suggesting to me that I am always at the center of the depicted territory, as is the case with navigation system maps (see Thielmann 2007). The egocentric visual regime is based on a navigational understanding of map usage, according to which image space production and the act of traversing through this space are always conceived together (see Verhoeff 2012),

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28 Donna Peuquet; Menno-Jan Kraak: Geobrowsing: Creative Thinking and Knowledge Discovery Using Geographic Visualization. In: Information Visualization 1.1 (2002), p. 80–91.

which leads to a navigational practice described by the term geobrowsing. The use of this neologism in an academic context can be traced back to an article by the geographers Donna Peuquet and Menno-Jan Kraak. For them geobrowsing is part of a ludic reformation of conventional cartographic forms of intervention. »We pan the map, zoom in and zoom out, and change colors. All of these involve ›playing‹ with the map to allow latent relationships to emerge. There are other ways of manipulating maps for this purpose that we may not ordinarily do—turning the map upside down and sideways, for example.«28 The word’s behavioural frame of reference is provided by the prefix, which refers to the geographical space and signals the frame of reference of the root, »browse,« which denotes the activity. In a computer science dictionary we read under the entry for browser, browse, browsing: »to graze, look through: contemporary term for all activities related to the searching for, viewing and evaluation of content-related information in a data system or network.« According to these definitions geobrowsing is a media practice that falls somewhere between a less targeted search, a kind of »grazing« or »looking through« (a less purposeful, consumerist form of skimming through a book) and the goaloriented process of searching, viewing and evaluating. It is clear that we are dealing with a practice that takes place in the topology of a network, whereby the depictions of the geographic space make up the points of reference and horizon, which wavers between the playful and analytic. The -ing ending does not indicate a nominalization of the verb, but rather the progressive form, which underlines the dynamic element of the process. As metaphor the term geo­browsing assumes its place in a long list of words that describe digital media practices related to the Internet that— following Birkenbach and Maye (1997)—can generally be divided into two categories. On the one hand we find nautical metaphors like »surf« or »navigate,« on the other hand words that emphasize rapid movement, the topos of the street, the direct connection, all of which are subsumed by the figurative term »data highway,« from the project initiated by Bill Clinton and Al Gore. In this distinction we find a similarly dichotomous relationship in digital media behaviour as that which is evident in the definitions of

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30 Private e-mail correspondence with Ric Robinson from 21 June 2011.

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29 Matthias Birkenbach; Harun Maye: Zwischen fest und flüssig. In: Lorenz Gräf; Markus Krajewski (eds.): Soziologie des Internets. Frankfurt am Main 1997, p. 80–98, p. 86–88.

browse above. For, as the authors correctly note, the metaphors used to describe the Internet and its usage are constantly varying between the fixed and fluid, between being »out at sea« and »conquering new land.«29 Behind these metaphors lurk conceptions of different forms of action. Some are based on linear passage as a goal-oriented movement on the data highway, while others have more to do with a flaneur-like drifting, whereby changes in direction stand for specific decisions made spontaneously and based on context. Along these same lines, in its public statements Google makes a distinction between »browsing« as a playful manner of moving through representations by means of sight and movement control (as described by Peuquet and Kraak) and a targeted »search« using an input field, as with standard Internet search machines. The latter connects to another use of the term geo­browsing in the context of the development of commercial location-based services towards the end of the 1990s. Back then the word was used by the head of the so-called Digital City Projects at AOL, Ric Robinson, who even registered the domain geobrowsing.com. The Digital City Project was conceived as a user-centered, location-based service that allowed content to be dynamically organized using a cartographic interface in a pre-determined radius around the user in order to show the quickest route to products and services.30 At the time it was not possible to turn the vision of this kind of user-centered service into a marketable product because the telecommunications infra­structure was not sufficiently developed to support the necessary data transfer. Nevertheless, the concept of geobrowsing flowed into the development of such services as Google Local and, later, Google Maps. With the popularization of Internet telephones (so-called smartphones) the idea would reach its full potential. What the commercial and academic contexts of the term geo­browsing have in common is that both involve an individualization of the mediatized experience of space. This individualization is essential for both the immersive experience of geobrowsing and for the functional aesthetics of location-based services. Both follow a paradigm of egocentrification, even if they yield very different presence experiences depending on the targetedness of the medial action. These differences must be examined in terms of the

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32 Sommer (2002), p. 276 (see footnote 28).

33 Eric Gordon: The Metageography of the Internet. In: Jörg Döring; Tristan Thielmann (eds.): Mediengeographie. Bielefeld 2009, p. 397–411.

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31 See Arno Scharl: Towards the Geospatial Web: Media Platforms for Managing Geotagged Knowledge Repositories. In: Arno Scharl; Klaus Tochtermann (eds.): The Geospatial Web. London 2007, p. 3–14.

relationship of the positioned subject to the surrounding data space. For while navigating through a three-dimensional geobrowser environment like Google Earth I am moving through a media setting by means of a virtual camera in order to collect information. When using mobile location-based-services via GPS I may be centered in a similar manner, but I have the data and information delivered to the position at which I am waiting. Instead of a state of »being there« as a transport mode in a media setting emerges a state of »you are here« as a provision of data and information. This leads to the circumstance that the conventional ethnocentric orientation of digital maps is openly sacrificed to a flexible egocentrism that continually places individual users at the center of the (media) world. In this way the reference frame of map usage becomes more flexible, which has an overall effect on the Internet itself— a geoweb31 in which data is classified, collated and displayed based on localization in the real world is above all a subject-centered network that organizes information relevant for the localized user with as little time delay as possible and reorganizes this information as flexibly as possible as soon as the user moves. The achievement of this kind of dynamically egocentric world order is, according to Manfred Sommer, the motor that sets all technologies of cartographic data collection and communication into motion. »To continuously be informed where I am—a trifling thing, one would think—the entire world must in reality first be geometrically surveyed and then encapsulated by means of communication technology.«32 Such a shift from an absolute, allocentric order to a relational, egocentric framework has led not just to new usage forms of cartographic media but perhaps even to new use dispositifs. For, as Eric Gordon explains, in the light of geographical media a paradigmatic revolution in the conception of the Internet can be seen: »[A]ll these applications seek to do the same thing: transform one’s experience of the network from something distant and external to something intimate and internal. The network appears to be subordinate to the everyday actions of users, as opposed to the other way around.«33 If in Neal Stephenson’s Snowcrash the metaverse was still a space that could be entered and explored by the protagonist Hiro, in the age

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35 Gordon 2009 (see footnote 33).

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34 Tim O’Reilly: What Is Web 2.0. (2005), URL: http://www.oreilly. com/pub/a/web2/archive/ what-is-web-20.html, retrieved on 17 August 2015.

of ubiquitous computing and the internet of things it is the image of the layering and penetration of the physical world with digital data that dominates. We see this in the film Her when the professional letter writer Theodore Twombly (Joaquin Phoenix) develops an intimate relationship with the omnipresent, acousmatic voice of his portable operating system. While the geographic grid, like the data network itself, was first conceived as a system of references that would exist outside of the everyday world, the two now overlap, intersect and are interwoven. As a result, the transformation in the perception of the Internet —once labelled by the apologist of the new era Tim O’Reilly as Web 2.034—is not primarily to be understood as a technological development of the Internet or a change in the innovation and product strategies of companies operating on the market, but as a shift from an allocentric to an egocentric network. Consequently the egocentrism of current mapping applications necessarily triggers a reframing of the metageography35 of the Internet in the age of the social web. Instead of remaining outside the territory, one is right in the middle of the media data space. We are at the center of the medial representation, which is now interwoven with the network and cannot be separated from it. Cartography’s egocentric worldview may still be based on an allocentrically organized socio-technical dispositif for the purposes of localization—the Global Positioning System with the accompanying WGS84 reference system—but this infrastructure functions by and large behind the scenes. And with the use of mobile geomedia that depend on localization via GPS transmitters and sensors, our body itself becomes a point of interest in the socio-technical grid. For this reason egocentrism is inevitably bound to the assignment of an address, as the purported efficiency of the centrification of the subject—sometimes navigation devices lead users to the middle of a river, far more often they are guided to congested alternative routes—is tied to a precise localization of the body. Geomedia are thus by nature localizing media technologies. Mobile locationbased apps like Foursquare bear testament to this shift, as they offer individuals data while simultaneously integrating them as data producers into the network.

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37 Tristan Thielmann: Der ETAK Navigator. In: Georg Kneer; Markus Schroer; Erhard Schüttpelz (eds.): Bruno Latours Kollektive. Frankfurt am Main. 2008, p. 180–218, p. 212.

38 Frieder Nake: Das doppelte Bild. In: Margarete Pratschke (ed.): Digitale Form. (Bildwelten des Wissens, 3.2). Berlin 2005, p. 40–50.

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36 See Krämer (2008), p. 320 (see footnote 5)

The map as home range—towards a praxeological world-image critique Let us return to the question we posed at the very beginning. Based on the assumption that maps generate worldviews, we asked whether digital, location-based media have altered this fact in any way. What are the specific connotations of digital maps and what implications does the egocentrism described above have for the production of worldviews? To start off, it is clear that the double nature of the map as a tool and creator of semantics has not vanished as a result of digitalization, yet the dependence on the localization and interaction of users does necessitate an approach that takes temporal, topical and contextual factors into consideration.36 This means that the authority that makes determinations in regards to both realism in the sense of indexical coherence as well as to the worldviews generated, lies not just in the hands of the producers but also at the place where the decoding takes place. For as was shown above, in the act of usage the overall unity of the surface is dissolved in a great number of smaller units and allocentrism disintegrates into a variety of egocentric perspectives. A worldview is the result, with the subtle difference that we are continually causing this worldview to disintegrate, regenerate and rearrange itself around us. At this point we can attempt to answer the question as to the difference between analog and digital maps. The technologies used to apprehend the Earth and the body converge at the point of our egocentrism. It is thus true that digital cartography’s specific quality is not a function of digitalization in itself but of, to a far greater extent, its aesthetic consequences. »It is not GPS or digital technology but rather the gestalt-switch of ›mobile egocentrism‹ that marks a threshold in the history of media,«37 Tristan Thielmann explains. If we examine paradigmatic trans­ formations and their consequences for reception aesthetics, we can see at what point in the course of the history of mediatization this switch took place. Here, in addition to the visible image screen a second aspect of digital visual representation becomes decisive—that which Frieder Nake describes as the underside or undersurface of the digital image.38 He explains that digital images are always double(d) images, since due to their production process a part

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40 Martin Reiche: The Destruction of Space by Augmentation. In: Ulrich Gehmann; Martin Reiche (eds.): Real Virtuality. About the Destruction and Multiplication of World. Bielefeld 2014, p. 273–279, p. 275.

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39 Espen Aarseth: Cybertext: Perspectives on Ergodic Literature. Baltimore 1997.

of their semantics is transferred to the non-visible syntax of the code found on their underside. In the case of cartography, this double visible representation is a precondition for the interaction between viewer and cartographic image, as it allows the screen surface to function as an interface. This means that only the upper surface, the base cartographic map or the image of the environment in an augmented-reality app, can be compared with analog cartographic representations. It is the undersurface that enables forms of manipulation that extend beyond the projection methods. For the egocentrism of the digital map is not limited to the manipulation of the upper surface but also exerts influence on the layered data lying above and the interconnections lying below it. In such »ergodic media,«39 the upper surface maintains a relationship to the undersurface that is not just trivial. That is, the structure can be altered via the upper surface, as Espen Aarseth describes in relation to hypertext. The latter makes non-linear narratives possible because it is oriented around user navigation and does not follow a pre-determined, linear trajectory. The connection between upper and lower surface is, however, not a one-way street but a feedback loop. Otherwise a data request with the subsequent provision of data would not be possible. On the undersurface negotiations take place and decisions are made as to which content reaches the user. The principle of layering allows the representation to remain stable, even as it is dynamically superimposed with real-time data that reach me via mobile geomedia. This enrichment of the representation serves, in turn, to influence my perception of the physical space, not through methods of projection or perspectivization but by means of additional information. Locations become »point of interest« and are thus infused with a new history based on the input options. »However, this functionalized view of these entities […] has consequences on the way how the user perceives the quality of the places that he or she visits: if every entity of the real world, every discoverable part of the physical world is pressed into the same uniform data structure, then ultimately important qualities of the places will get lost.«40 Authors like Matthew Zook, Mark Graham and Lisa Parks have noted this influence. They show how geoinformation

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42 See Matthew Zook; Mark Graham: The Creative Reconstruction of the Internet: Google and the Privatization of Cyberspace and DigiPlace. In: Geoforum 38.6 (2007), p. 1322–1343.

43 Eli Pariser: The Filter Bubble. What the Internet is Hiding from You. New York 2011.

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41 Lisa Parks comes to a similar conclusion in her historical review of the development of NASA’s Digital Earth. A public presentation of the program ends with a zoom from orbit to the Washington Monument. Parks shows that in this case conscious control of the attention can be presumed and compares the politics of the geobrowser design with the agenda setting of such other media formats as the news broadcaster CNN, a global television company that focuses almost exclusively on events in the U.S. Finally, she cites the geobrowser Terravision II, the presentation of which begins with a zoom from outer space to the research institute of the ESRI . – All these examples serve as evidence for the interwovenness of local, national and commercial interests. See Lisa Parks: Satellite and Cyber Visualities. Analyzing ›Digital Earth‹. In: Nicholas Mirzoeff (ed.): The Visual Culture Reader. London 2002, p. 279–294, p. 282.

systems yield new centers of attention. For example, geographic centers are subject to the arbitrariness of those who provide the zooming technology. If while using Google Earth one zooms into North America, one arrives at a horse farm in Kansas. The center of Germany is a point near the city of Langula in Thüringen and with a Canadian IP-address one ends up on the campus of the University of Winnipeg. These new centers were determined by Google without public discussion. They are generated by means of conscious coding of the system without user feedback.41 In this way companies systematically extend their control of the sphere of use. Decisive here is the active medial initiative that influences which information is allowed to reach me, how it is organized and how I am able to interact with it.42 The history of a location can to a certain extent be overwritten by means of software protocols. Such standardization becomes problematic when the exploration of a location is tied to the software output and this becomes the frame of reference of the spatial experience. Since a commercial agent usually stands behind such mapping services, company strategies are embedded in the maps. According to Eli Pariser, platform operators tend to create a space that he calls the »filter bubble.«43 This topological space consists of data sets and presents a pre-selection of items compiled for users based on data mined from individually collected search preferences. I am located in a bubble and the only items of information shown to me in my Facebook timeline or Google search results are those that correspond to consciously or unconsciously saved preferences in my user profile. In the context of geomedia that operate on the basis of indexes, this process thwarts the discovery of new territories and new spatial relations, which in turn works against the emergent qualities of geobrowsing identified by Peuquet and Kraak. What results is an inference based on previous decisions, movements categorized as individual preferences and future behaviours predicted on the basis of these preferences. In this way the degrees of freedom associated with egocentrism are superimposed with commercial interests, by means of which vision itself is normalized. The possibilities of interactive manipulability and individual perspectivization of the medial data space continue to suggest user

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45 See Bruno Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie. Frankfurt am Main 2007, p. 316; and Bruno Latour: Zoom auf Paris. Die sichtbare Stadt, die totalisierte Stadt, die unsichtbare Stadt. In: Lettre International 92 (2011), p. 52–53. 46 Bruno Latour first used the term center of calculation. The German equivalent Rechenschaftszentrum was introduced by the ethnologist Richard Rottenburg. Rottenburg, Richard: Weit hergeholte Fakten. Eine Parabel der Entwicklungshilfe. Stuttgart 2002; and Bruno Latour: Science in action. How to Follow Scientists and Engineers through Society. Cambridge 1987, p. 215–217; See also: Schüttpelz (2013), p. 26 (see footnote 2).

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44 Gordon (2009), p. 410 (see footnote 33).

control, even while authoritarian control of the body and sight is a necessary condition for the frictionless performance of the software. Anyone who seeks to enjoy the advantages of ego­ centrism is forced to accept being assigned to a precise address and the subsequent tracking and tracing of the body. Here the subject becomes, as it were, a piece of data. Gordon explains: »The cost of relocating oneself within digital networks is being located within those same networks—not as a person, but as a commodity, as data.«44 The egocentrism of personal sight turns the act of watching over and being watched over into a very personal feeling. One is empowered and powerless at the same time, a phenomenon that is further intensified by a sensibility for spatial directness. The result is the suggestion of a proximity to (or even an intimacy with) that which is depicted. In the process the technological conditions of spatial image production for watcher and watched alike become increasingly transparent, to the point of complete imperceptibility. Though while using Google Earth one imagines oneself to be, as Bruno Latour points out, an observer within a panoptical arrangement, total surveillance is not possible, as while using the media the supposed panopticon is divided up into a myriad of tiny individual perspectives. These so-called »oligoptika«45 make one directly aware of the medium’s opacity. The user automatically wonders: What can others see of me? How can this knowledge be used to wield power over me? In relation to digital worldviews, both the Apollonian total view and the specific egocentric perspective remain end points that only appear in simulation. The Apollonian perspective and the egocentric view are stubborn illusions of the digital realm, which is continually being perfected. Attributions of power are no longer just to be found on the surface of the representation. Those seeking a glimpse into the power of maps cannot allow themselves to be deceived. One must trace back or track down the rules that determine which of the many small transparent windows will open and where exactly—that is, in which data centers or »centers of calculation«—these rules are being formulated.46 The platform provides a framework and functions as an interface. Even the egocentric perspective of the (data) world is influenced by new and

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old gatekeepers whose active initiative increasingly threatens to vanish under the surface. Here an examination of geomedia allows us to illustrate one of the central characteristics of the digital realm: with the underlying code our senses are dragged down into the realm of the non-sensory or at least to the place where the sensory material is subject to transformations that can only be apprehended with great difficulty but that are experienced with great precision. These processes cannot be criticized in reference to the map’s content and images alone. The analysis must deconstruct the structures that exist beyond the mere representation. While John Brian Harley attempted to deconstruct the map as a mediator of a certain distant image by analyzing the map text, now those embodied visible and invisible practices of localization must be exposed that flow into the multitudinous forms of mapping. This involves questioning the politics of positioning on the undersurface of the network. Such an approach attempts to penetrate behind the power of public images and encourages a shift in focus from the map to a wider range of cartographic practices. Instead of an assumed universal, centrally controlled cartographic impetus that is continually mimetically creating distant theoretical attributions and that follows the agenda of national states, a variety of spatial discourses are now emerging that differ in their conceptions and perspectives of space. Instead of favouring the power of THE map or the deconstruction of THE MAP, the nature of every form of cartography as an assemblage of embodied—that is, performative and figurative and thus graphic—practices must be examined. The fact then becomes clear that in the wake of digitalization power structures have shifted, in part because alongside state-organized map production new agents such as amateur cartographers and private companies are emerging as map producers. Yet these shifts do not in any way imply that old hopes in an emancipatory form of mapping have come to fruition or that long-term viable alternatives to ethnocentric cartographic worldviews have materialized. For even amateur cartographers operate to some extent with objectivistic models that are comparable to government authorities. And the multinational companies operating in the market provide representations that

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place themselves at the center and follow conventions derived from commercial strategies. What is new is that the model of cartographic egocentrism allows a single platform to produce very different worldviews depending on the specific context and location, though the processes that yield these worldviews remain invisible. A relational conception of space plays out as the will towards a flexible normalization, in which territorial boundaries vary depending on location and platform. Under these circumstances the egocentric perspective makes it even more difficult to deconstruct the map, as the simulation of presence renders depictions more naturalistic, masks the underlying mechanisms of world production and reduces the distance to the object of study. A black box would now no longer simply contain the conditions of technological production but also the underlying practices of negotiation related to the modalities of the medium’s external functionality. It thus may prove necessary to expand Harley’s critical analysis of the socio-technical conditions of map production and of the map’s appearance as a cultural text to include a praxeological approach. This would mean scrutinizing the role of production and distribution technologies anew, whereby one would move—in line with the preceding excursus on the geocentricism of the cartographic view—from the politics of the map text to the politics of the placement and misplacement of subjects. It is essential that knowledge production be examined at the point where technology, text and usage meet and that the technological conditions that constitute and simplify certain forms of power attribution be revealed. It is necessary to read not between but rather behind the lines!

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Translated by Chris Michalski.

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Pablo Abend Dr. Pablo Abend is a research assistant at the project Modding and Editor-Games. Participative Practices of Mediatized Worlds at the Institute for Media Studies and Theater, University of Cologne. His foci in research and teaching are digital media, geomedia, localized and situated media research, participatory practices, game studies, media and political protest, and science and technology studies. Recent publications: Geobrowsing Google Earth und Co. Nutzungspraktiken einer digitalen Erde (2013); The Map Becomes the Gamer’s Territory­—Karto­ graphische Bildpraktiken des Computerspiels. In: Benjamin Beil, Marc Bonner and Thomas Hensel (eds.): Computer-Spiel-Bilder (2014); Apps als Kunst? Zum Verhältnis von Medienkunst und Technologie. In: Sprache und Literatur 44.1 (2013); Bring Tent. Laboratorien des Protests (with Annika Richterich) In: Nadine Taha, Raphaela Knipp, Johannes Paßmann (eds.): Vom Feld zum Labor (2013).

The Sensorial, the Sensual and the Work of the Senses 9

It is remarkable that, in dealing with these maps, we unconsciously accept the disappearing of the real geography into a »black sea of data«; or put differently, that the new cartographical landscapes are imbued with the sense of presence by the negation of that which constitutes their conditions of possibility: the mathematical, algorithmic logic of the data structure. The catch is this: simulations and animations deliberately veil their identity and pose as something new, different, and yet co-existent. They

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1 Gilles Deleuze: What Children Say. In: Essays Clinical and Critical. London 1998, p. 61.

It seems that a map-self has come into existence. An »egocentric« map, like the global positioning system, allows me to flash into a data space and experience myself as the middle of a map world. Exact body-locating data, which transfer me into the system of reference itself, lay out surroundings, a milieu, around me, allow me to become part of a map, to be a map. So it is not the territory with which the map becomes one but with the user, without whom, without whose existential data, it wouldn’t exist. With regards to this experience of participation, of becoming indistinguishable from the map, one can now also speak of a map libido, as Gilles Deleuze observed of the trajectory maps made by children: »The trajectory merges not only with the subjectivity of those who travel through a milieu, but also with the subjectivity of the milieu itself, insofar as it is reflected in those who travel through it. The map expresses the identity of the journey and what one journeys through. It merges with its object, when the object itself is movement.«1 Perhaps, in the »Home Range« of digital maps and our actions within it, a form of the subconscious becomes evident which is primarily aesthetically articulated­—in the ways in which we medially move inside the medial space—but which is also interested in »intensities« and »trajectories and becoming«. Yet its interest also relates to the way in which I distribute my affects, even if it were only my enraptured staring at the pulsating point of my geomedial localization on the interface, which I am certainly not confusing with a representation or extension of my body, but which I perceive as an indicator of a new world of reference in which the real and the imaginary come together.

3 Alex Garland: Ex Machina (2015).

Marc Ries Translated by Alexander Schneider.

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2 http://www.dneg.com/ Regrettably the page gives no information regarding the origin of the name.

negate the logic of their origins and their nonexistence, namely their inability to exist outside of the machine. Perhaps this is the reason why one of the most powerful visual effects/computer animation companies of our times is called Double Negative.2 It has also created Ava, the artificial being in the film Ex Machina, which shows itself mostly as a figure with a human head and a glass-like machine body.3 There is nothing to see but a few mechanical parts, and yet something »lives« in there, something which even passes the Turing Test. Rarely has science fiction steered so close to self-dissolution. And thus it is fitting that Ava enters the real world in the end and simply vanishes in a crowd. We like to forget that the conspicuous aspect of the artificial worlds we create requires a double negation to become visible, or, as Hans Blumenberg says in memory of Arnolf Gehlen, an »absolute negation«.

Hans Blumenberg In 1930 an aspiring philosopher writes in his habilitation thesis: »Perhaps no one has truly understood what I am after if he or she doesn’t recognize that the visibility of things can only really be experienced in the presence of the absolutely negative.« It may be that in the year 1930 one can not expect so much from readers. Half a century later anyone who has caught even the most fleeting glimpse of the earth as seen from outer space will understand what I mean. For its inhabitants the earth was always the very definition of invisibility. It dwells not before our eyes but under our feet as that which is self-evident and inconspicuous. A negation was lacking as a precondition for conspicuousness. The view from space allows the earth—if I may say so—to appear in a sea of negativity: an island in the middle of nothingness. This renders it visible in an eminent sense: painfully clear.

Hans Blumenberg: Begriffe in Geschichten Frankfurt am Main 1998, p. 181. 

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Translated by Chris Michalski.

Grace Jones & Nick Hooker Corporate Cannibal

All following images originate from Nick Hooker's and Grace Jones's video clip Corporate Cannibal (2008).